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„Die Brennstoffzelle wird zu einem interessanten Baustein“ Der Dieselmotor spielt bei Nutzfahrzeugen auch künftig eine wichtige Rolle, aber die Elektrifizierung mit oder ohne Verbrennungsmotor wird kommen, glaubt Peter Krähenbühl, Geschäftsführer des FPT Industrial Forschungszentrums in Arbon (Schweiz). Außerdem sprach er mit uns über verschärfte Abgasgesetzgebungen, alternative Kraftstoffe und die Notwendigkeit modularer Antriebsstränge, um unterschiedlichen Anwendungen gerecht zu werden.
MTZ _ Herr Krähenbühl, eine Anti-Lobby
gegen dieselmotorische Pkw-Antriebe beeinflusst derzeit Politik und Gesellschaft. Spüren Sie diese Verunsicherung auch? KRÄHENBÜHL _ Leider
ist diese Verunsi cherung zu spüren, auch wenn die Nutz fahrzeugbranche nicht direkt betroffen ist. Emissionsseitig haben wir früh unsere Hausaufgaben erledigt. Aber
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selbst Fakten können derzeit nicht viel ausrichten. Die Gleichung Transport ist gleich Diesel geht dennoch nicht mehr auf. In Zukunft wird es darum gehen, die beste Antriebslösung – auch aus Kundensicht – für einen jeweiligen Transportbedarf anzubieten. Natürlich wird der Dieselmotor weiterhin über die nächsten Jahrzehnte eine wichtige
Rolle spielen. Aber andere Antriebs formen werden ihn ergänzen. Lkw waren Vorreiter hinsichtlich SCRSystemen und RDE. Kann diese Rolle manifestiert und ausgebaut werden?
Die Bemühungen, die in die Ausarbei tung der Euro-VI-Gesetzgebung gesteckt wurden, haben sich ausgezahlt. Dieses
Regelwerk garantiert, dass die Abgase von Nutzfahrzeugen im Straßenbetrieb sauber sind. Das wurde durch entspre chende Messungen unabhängiger Insti tute mehrfach belegt. Die nächsten Stufen werden diesen Trend mit der Ausweitung des Bereichs für die mobile Emissionsmessung weiterführen.
zukünftigen Anforderungen gerecht zu werden. Bei den alternativen Kraft stoffen liegt der Fokus auf CNG und LNG, wo FPT Industrial Marktführer in Europa ist. Viel Potenzial sehen wir auch in synthetischen Kraftstoffen – sowie biogenen Kraftstoffen der zweiten Generation. Der große Vorteil liegt hier
Welche Technologien sind zielführend,
„Bei den alternativen Kraftstoffen liegt der Fokus auf CNG und LNG“
um die künftig noch schärferen StickoxidLimits sicher zu erfüllen?
Wenn das Euro-VI-Limit halbiert wird, benötigen wir Technologien, um die Kaltstartemissionen zu senken. Die Abgasnachbehandlung muss zudem weiter verbessert werden. Das ist aller Wahrscheinlichkeit nach mit weiter entwickelten Abgasnachbehandlungs systemen möglich, wie wir sie bereits kennen und einsetzen. Bei einer wei teren Absenkung der Stickoxid-Emis sionen, wie es etwa in den USA disku tiert wird, sind nach jetzigem Stand zusätzliche innermotorische Maß nahmen nötig. Die NOx-Rohmissionen müssen damit auf ein niedriges Level gebracht werden. Welche ernsthaften Alternativen hinsichtlich Antrieb und Kraftstoffen existieren Ihres Erachtens überhaupt?
ganz klar darin, dass mit der bereits im Feld vorhandenen Technologie ein direkter positiver Effekt hinsichtlich CO2 und anderer Emissionen erreicht werden kann. Außerdem muss dazu keine neue Infrastruktur entstehen. Die dritte Säule ist die Elektrifizierung. Sie wird den Verbrennungsmotor ergän zen oder bei sehr spezifischen Anwen dungen sogar ersetzen. Mittelfristig wird die Brennstoffzelle zu einem inter essanten Baustein. Denn einen rein elektrisch betriebenen Langstrecken lastwagen können wir uns im Moment aufgrund des hohen Batteriegewichts noch nicht vorstellen.
Unsere Strategie basiert auf drei Säulen. Die erste haben wir gerade bereits dis kutiert. Der heute bereits saubere Diesel motor wird weiter verbessert, um den
Die von Ihnen bereits angesprochenen alternativen Kraftstoffe werden sicher für den Langstreckenverkehr …
MTZ 11|2017 78. Jahrgang
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Dipl.-Ing. Peter Krähenbühl, MAS, w urde am 25. September 1973 in Basel (Schweiz) geboren. Sein Studium mit Schwerpunkt Automobiltechnik absolvierte er 1997 an der Fachhochschule Biel. Als Entwicklungsingenieur trat er 1998 im heutigen Forschungszentrum von FPT Industrial in Arbon ein. Von 2000 bis 2004 arbeitete er bei European Engine Alliance (Maidenhead, Großbritannien) und Iveco (Turin, Italien), kehrte dann nach Arbon zurück. Nach der Entwicklung eines Ad-Blue-Dosiersystems übernahm er die Verantwortung für die Mechanikentwicklung , ergänzte seine akade mische Ausbildung um einen Master FHO in Business Administration und Engineering an der Fachhochschule St. Gallen. 2009 wechselte er für zwei Jahre als Technischer Projektleiter zu Stadler Bussnang, bevor er 2011 als Chief Engineer Innovation erneut nach Arbon zurückkehrte. Nach Beförderungen zum Basic Technology Manager und stellvertretenden Geschäftsführer ist er seit Oktober 2015 in seiner jetzigen Funktion als Geschäftsführer tätig.
… von besonderer Bedeutung sein, das stimmt. Biodiesel der zweiten Generation und Methan sind beides Kraftstoffe, die bereits mit unseren existierenden Moto ren verwendet werden können. Synthe tische Kraftstoffe als Alternative oder in einem Dual-Fuel-System als Ergänzung zu fossilem Diesel sind eine zusätzliche Option, wobei ich hier aber noch einigen Entwicklungsbedarf sehe. Wasserstoff im Zusammenhang mit einer Brennstoff zelle könnte die längerfristige Perspek tive sein, sowohl was die Fahrzeuge selbst als auch die Infrastruktur anbe trifft. Alle Varianten sind im Moment Teil unserer Betrachtungen und wer den in der einen oder anderen Form in unsere zukünftigen Produkte einfließen. Bei deutlich geringeren Stückzahlen als bei Pkw müssen Nutzfahrzeugmotoren den Spagat zwischen verschiedenen lokalen und anwendungsbezogenen Abgasgesetz gebungen schaffen. Wird es künftig überhaupt noch möglich sein, gemeinsame Grundmotoren zu konzipieren?
Einerseits müsste bei einer weiteren Annäherung an „null Emissionen“ weltweit – egal, wie nun die Abgasnorm heißt oder für was und wo sie in Kraft tritt – alles mit einem gleichen Grund motor erfüllt werden können. Auf der anderen Seite sehen wir bereits heute, dass die Anforderungen der verschiede nen Applikationen bereits nach Unter schieden am Grundmotor verlangen.
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allem aber macht es für mich persönlich Sinn, wenn Innovationen die Industrie nachhaltig beeinflussen und der gesamten Gesellschaft einen positiven Langzeit effekt bringen. So wurden an unserem schönen Standort hier am Ufer des Bodensees über die letzten 100 Jahre die Grundlagen für die Direkteinsprit zung, das Common-Rail-System oder zuletzt für „SCR only“ zur Erfüllung von Euro VI gelegt. Wichtig ist mir dabei vor allem, dass wir mit unseren innovativen Antriebslösungen die Mobilität nachhaltiger machen.
FPT verfolgt die drei Säulen Weiterentwicklung des Dieselmotors, alternative Kraftstoffe und die Elektrifizierung, erklärt Peter Krähenbühl die Unternehmensstrategie
Die Zielsetzung ist ganz klar ein modu lares Antriebsstrangkonzept, mit dem sich alle Anforderungen möglichst effizi ent abbilden lassen. Intern sprechen wir hier gerne vom Legomotor oder -antriebs strang. Der sich je nach Bedarf mit über schaubarem Aufwand zusammensetzen und jeweils anders gestalten lässt. Welche Rolle spielt eine Variabilität des Ventiltriebs dabei?
Bereits vor 15 Jahren haben wir erste Dieselmotoren mit variablem Ventiltrieb getestet. Anders als beim Ottomotor schien das Potenzial sehr limitiert. Das hat sich inzwischen aber mit der Absen kung der Emissionen und dem gestiege nen Bedarf an kontrollierter Steuerung der Prozesswärme geändert. Noch größe res Potenzial sehen wir beim Gasmotor. Letztlich wird aber, wie bei allen ande ren Technologiebewertungen auch, das jeweilige Kosten-Nutzen-Verhältnis den Ausschlag geben. Das 48-V-Bordnetz und eine milde Hybridisierung spielt bei Pkw-Antrieben hinsichtlich Rekuperation und Phlegmatisierung derzeit eine große Rolle …
… und wir sehen es auch bei allen anderen Anwendungen mit Verbren nungsmotoren als Option, zumindest
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als Zwischenschritt, bis das Kosten- Nutzen-Verhältnis im höheren Spannungs bereich akzeptabel wird. Die Elektrifizie rung mit höheren Spannungen – ob nun mit oder ohne Verbrennungsmotor – wird ebenfalls für viele Anwendungen kommen. Aber nicht zur gleichen Zeit und nicht im gleichen Maß. Den Start machen sicher das Light- und Bus-Seg ment, gefolgt von Medium und Heavy.
„Die Zielsetzung ist ein modulares Antriebs strangkonzept“ Sie sind bislang in Ihrer gesamten Berufslaufbahn immer den Nfz-Antrieben treu geblieben. Was fasziniert Sie persönlich daran?
Ob nun Lkw oder Pkw – das Fahrzeug und der Antrieb faszinieren mich seit jeher. Meinen Berufswunsch, Fahr zeugingenieur zu werden, hatte ich bereits mit 16 Jahren. Das ganze System zu sehen und positiv beeinflussen zu können, bedeutet mir sehr viel. Zudem ist es motivierend, nach einer intensi ven Projektphase tatsächlich am Ende ein Fahrzeug im Betrieb zu sehen. Vor
Ihre Diplomarbeit haben Sie bereits hier in Arbon geschrieben und sind heute der Geschäftsführer des FPT Industrial Forschungszentrums in Arbon. Was raten Sie jungen Ingenieuren, die sich für eine Karriere in der Nfz-Branche interessieren?
Zur Loyalität gehören immer zwei Seiten. Über meine Diplomarbeit ergab sich der Berufseinstieg als Entwicklungsingenieur. Für meine Frau und mich stand aber damals schon fest, dass wir in jedem Fall auch einmal längere Zeit im Ausland leben und arbeiten wollten. Daraus habe ich kein Geheimnis gemacht und es meinem Vorgesetzen offen gesagt. Nur wenig später bekam ich die Chance, innerhalb des Konzerns bei der European Engine Alliance in Großbritannien und später bei der Iveco in Italien zu arbeiten. Mir wurden also auch Perspektiven gegeben. Wenn wir heute eine entspre chende Stelle ausschreiben, dann suchen wir Antriebsentwickler, die das Gesamt system sehen. Junge Ingenieure müssen in jedem Fall dazu bereit sein, sich der Komplexität verschiedener Antriebsarten zu stellen. Einen vielfältigen und somit spannenden Beruf gibt es bei den Nutz fahrzeugen also in jedem Fall. Herr Krähenbühl, vielen Dank für das Gespräch.
INTERVIEW: Martin Westerhoff
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Leadership in Filtration MTZ 11|2017 78. Jahrgang
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