MARK T & KONJUNK TUR
J OUR NAL FÜR OBER FL ÄCHEN TECHNIK
Kompetenznetzwerk für Oberflächentechnik
Die Datenbrille – Wie ausgereift ist die Technik? Auch im Produktionsalltag der Oberflächentechnik nimmt das Informationsmanagement immer größeren Raum ein. Die Kommunikation zwischen Mensch und Maschinen und der Umgang mit Daten ist ein aktuelles Thema, das ein großes Potenzial für Diskussionen bietet.
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ie Einführung der Elektronik in den 1970er Jahren führte zur Automatisierung in der Produktion. Die Weiterentwicklung der Steuerungssysteme zielt heute aber auf cyber-physikalische Systeme, die Kommunikations- und Informationssysteme mit physischen Systemen verknüpfen. Derzeit sind jedoch bei den meisten Steuerungen aufgrund der physikalischen Prozesse Sensorik und Aktorik noch reaktiv und starr gekoppelt. Dieses Systemverhalten kann jedoch mit Hilfe der kognitiven Informationsverarbeitung entweder auf Basis von vorhandenem oder durch Lernen von neu generiertem Wissen gezielt modifi ziert werden. Damit er-
hält das technische System dann die Fähigkeit, sich selbst zu optimieren, sich selbst zu konfigurieren oder sich selbst zu diagnostizieren. Zudem kann dieses System sich mit weiteren vernetzen und dann Dienste gemeinsam erbringen oder von diesen in Anspruch nehmen. Dieser technologische Wandel in der Produktionstechnik hin zu cyber-physischen Produktionssystemen wird im Allgemeinen als Industrie 4.0 umschrieben. Ein wesentliches Tool für Industrie 4.0 ist das Wissens- und Informationsmanagement. Um Fach- und Führungskräften in der Region und speziell aus der Oberflächentechnik einen Einblick in diese Thematik zu geben, hat-
ten das Kompetenznetzwerk für Oberflächentechnik e.V. und die eBusinessLotsen Südwestfalen-Hagen Mitte Dezember einen Workshop „Wissensmanagement und der Mensch in der Produktion 4.0“ bei der Firma Ewald Dörken AG in Herdecke organisiert, an dem rund 130 Interessierte teilnahmen. „Neben dem Wissensmanagement ging es bei dieser Veranstaltung auch um die Frage, wie sich der Mensch in der veränderten Prozessumgebung bewegt“, erläutert Achim Gilfert, Geschäftsführer des Kompetenznetzwerk für Oberf lächentechnik, „und um zu zeigen, dass der Einsatz auch in Entwicklung befindlicher Technologie für den Wissensvorsprung in der Oberflächentechnik sehr relevant ist.“
© Andreas Langmann, agentur mark GmbH k
Homogene IT-Landschaft essenziell
Einige Teilnehmer des Workshops konnten die Datenbrille selbst ausprobieren
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Um eine Produktion an wissensbasierten Entscheidungen auszurichten, müssen relevante Informationen valide und schnell zur Verfügung stehen, betonte Martin Altebäumer, Geschäftsführer von AKD Soft ware & Consulting in seinem Vortrag. Dazu sei es notwendig, im Unternehmen eine homogene IT-Landschaft aufzubauen. Heute sei diese in den meisten Unternehmen noch sehr heterogen. Um beispielsweise ein Qualitätssystem zu verbessern und zu beschleunigen, müssten die Kommunikation zwischen Entwicklungsingenieur und Prüfer verbessert werden. Bisher werde diese meistens schrift lich geführt. Zukünft ig können dazu neue Instrumente wie eine Datenbrille, die in ein Kommunikationssystem integriert ist, Abhilfe schaffen.
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Beide Hände frei zum Arbeiten
Eine Datenbrille zeigt zum Beispiel die Prüfplanung im Display an. Sie kann Vorgänge aufzeichnen und abspeichern. „Man kann sich eine Datenbrille als Computer vorstellen, der am Kopf getragen wird, so dass man beide Hände zum Arbeiten frei hat“, erläuterte Dr. Erich Behrendt vom eBusiness-Lotsen Südwestfalen-Hagen. Mit Datenbrillen können die Mitarbeiter im Prozess sinnvoll unterstützt und vernetzt werden. Anwendungen für die Datenbrille fi nden sich in der Logistik und Planung, in der Produktion, zum Beispiel bei der Wartung und Reparatur oder in der Montage. In der Qualitätskontrolle können mit Hilfe der Datenbrille Informationen über den Qualitätsstatus, Prozessparameter oder Alarmmeldungen gewonnen werden.
Datenaufbereitung sollte nicht vernachlässigt werden
Der Einsatz einer Datenbrille bedingt den Umgang mit einer Fülle von Daten. Insbesondere in dem Prozess, Datenmengen aufzubereiten und die richtigen Erkenntnisse daraus zu gewinnen, sei der Mensch gefragt, darauf wies Dr. Lidmila Fusková von Q-DAS Tschechien hin. „Ich glaube nicht, dass man Erkenntnisse aus den Daten automatisch ziehen kann. Hierfür ist immer noch der Mensch zuständig.“ Aufgrund der preiswerten Speichermedien würden sehr viele Daten gespeichert, ohne sie weiter auszuwerten. Um jedoch Erkenntnisse aus einer Datensammlung gewinnen zu können, brauche man Fachleute mit einer entsprechend guten Ausbildung und ausreichende finanzielle Mittel, betonte Fusková.
Erste Muster im Test
Mit dem Einsatz der Datenbrille sind heute noch eine Anzahl ungelöster Fragen verbunden. So ist die Problematik hinsichtlich des Datenschutzes noch nicht gelöst. Einerseits befürchten Arbeitnehmer durch die Brille überwacht zu werden. Andererseits werden Betriebsdaten in einer Cloud abgelegt, um sie für viele Nutzer zugänglich zu machen. Damit werden sie eventuell aber auch leichter zugänglich für Außen-
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stehende. Außerdem gibt es auch noch technische Probleme. So kann die Brille eventuell sehr heiß werden. Aber erste Modelle der Datenbrille sind im Test und so konnten einige Teilnehmer auf dem Workshop die Google-Glass-Brille in einer mit Plakaten simulierten Bäckerei selbst ausprobieren. Es wurden die drei Arbeitsfolgen mixen, backen und konfektionieren simuliert. „In der Brille wurde passend zu dem Vorgang eine Statistik eingeblendet. Die Arbeitsabläufe kann ich mir gut vorstellen, die Zusatzinformationen sind sehr hilfreich“, berichtete Ute Wellmann von der BZV Media GmbH. Christian Großekathöfer von der Bernecker Rohrbefestigungstechnik GmbH haben die eingeblendeten Informationsdiagramme jedoch ein wenig gestört. „Ich denke, dass die Arbeitsbelastung mit der Brille größer wird und man sich mehr konzentrieren muss. Die Sprachsteuerung hat mir sehr gut gefallen.“ Karl E. Dörken, Geschäft sführer der Ewald Dörken AG,
kann sich vorstellen, die Datenbrille in der Anlernphase neuer Mitarbeiter oder beim Aufbau neuer Standorte im Ausland einzusetzen. „Durch die Brille könnte die Anlernphase deutlich verkürzt werden und wir wären in der Lage, Unternehmen schneller wettbewerbsfähig zu machen.“ „Neben dem Wissensmanagement geht es bei dieser Veranstaltung zudem auch um die Frage, wie sich der Mensch in der veränderten Prozessumgebung bewegt“, erläutert Achim Gilfert, Geschäftsführer des Kompetenznetzwerk für Oberflächentechnik, „und um zu zeigen, dass der Einsatz auch in Entwicklung befindlicher Technologie allein schon für den Wissensvorsprung in der Oberflächentechnik sehr relevant ist.“ Almuth-Sigrun Jandel
Weitere Informationen: netzwerk-surface.net – Kompetenznetzwerk für Oberflächentechnik e.V., Hattingen, Tel. 02324 5648-24,
[email protected], www.netzwerk-surface.net