(Aus der Medizinischen Universit4tsklinik Jena [Direk~or: Prof. Dr. W. H. Veil].)
Die pulmonale und pleurale Auswirkung des Fokalinfekts ~. Von
Wolfgang IL Yefl, Jena. iMi~ 10 TexCabbildungen. (Eingegan4Ien am 23. Olctober 1940.) Die Aufgaben einer medizinisehen Klinik sind ihr seit Virchows Z e i t e n - in denen der Sedis morbi endgiiltig in das Organ oder in ein 0rgansystem verleg~ w o r d e n ' i s t - - d i e spezielle 0rganl~thologie und -therapie. ])as tiefgehende ,l~,reignis der medizinischen Epoche, in der wir leben, ist der Aufbruch zu einer vSllig neuen Aufgabe geworden. Jahrzehntelang ist ihr das Schlagwort auch aus berufenem ~V[und vorausgegangen, nieht das lcranke Organ, sondern den kranken "~[enschen zu behandeln. Auch L. Krehl hat dieses gebraucht. Aber dabei wurde mehr an die gesamto menschliche PersSnlichkeit yon ihrem besonderen individuellen Wesen aus gedacht, als an den somatisehen Gesamtorgansimus. Die OrganpatholOgie ist fiir uns Heutige nut noch die Orga~verdr~ingung. Sie ist der letzte Akt einer Erkrar&ung, die al8 Prindira/[ekt begir~nt. Die aus der Auffassung yon der 0rganpathologie hervorgegangene Facheinteilung der Gesamtmedizin hat es mit sich gebracht, dab derjenige, in dessen Gebiet der Prims162 f~ltt, nur diesen, aber nicht das yon ihm ausgehende sekund~re und ~erti~re Krankheitsstadium erkennt und somit auch nich~ die weitreichenden Wirlmngen beurteilen kann, d i e dem Prims lebzten Endes zukommen. Es entbehrt also gewi~ nieht der Berechtigung, wenn einmal ein Forum yon innerer ~Iedizin and dem durch diese Zeitschrift vertretenen Fach geschaffen wird; vor dem das genannte epochale Ereignis zu Worte l~ommt, sei es auch nur vorfibergehend anl~Blieh des T o n uns freudig begrfii]ten Jubils des :Heratisgebers dieser Zeitschrfft. Mag auch das Thema der folgenden Abhandlung zuns ins Fach der Inneren Me~lizin zu geh6ren scheinen, weft in den entspreehend gelagerten F/illen der inhere )/[ediziner Mittel und Wege linden muB, urn aus den Wirrnissen herauszufinden, so wird es doeh meisr dem Mund- und I-Ialsarzt eine ffir ihn schliel]lich unentbehrliche .Vorstellung geben, in welcher Weise sich der gordische Knoten Ton seinem Gebiet aus sehiirzt, ffir dessen LSsung es sehlieBlich kein anderes zweckm~l]iges Mittel gibt, aJs dab er ~ yore Therapenten des tertii~ren Krankheitsstadiums, dem inneren ~ediziner dazu berufen wird, ihn zu zerhauen. I-Ierrn Prof. Zange zum 60. Geburtstag.
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Wolfgang H. Veil:
Die Steliung der Lunge im Geschehen de8 Herdin/ektes beistzt l~eine~wegs die zentrale Bedeutung etwa des Herzens. Obschon auch ffir die kruppSse Pneumonie pathogenetisch Allergie :und Hyperergie sicherlich nieht ohne Bedeutung sind (Lauchel) und obwoh] auch ffir die krupp6se Pneumonie behauptet v~rde; dal] ihr eizie Ang!na vorauszugehen pflege (Matthes und Wiegand2), liegen die Beziehungen andersartiger als dem Kreislaufapparat gegenfiber. Sie werden vielen so unvergleichbar erscheinen, dal3 selbst das Aufwerfen der Frage dieser Beziehungen nichts als l~berrasehungen hervorruft. Insbesondere wenn wir yore konkreten Fall der kruppSsen Pneumonie ausgehen, so handelt es sieh hier um die inkommensurable Lage, dab eine ungeheure und unmittelbare - - wie wir bisher stets angenommen haben - - bakterielle Invasion yon Frgnkelsehen Diplokokken ein sehr ausgedehntes Entziindungsfeld, ira allgemeinen yon der Gr6fle eines Lungenlappens verursaeht: Niemals hs in der alten Medizin der Gedanke Raum gewinnen k6rmen, dab es sieh hierbei um eine ,,falsehe Entziindung" handelt. Vergleichen wir hiermit die yore Fokalinfekt a u s i m allgemeinen zustande kommenden Entzfindungen, wie die Polyarthritis, die rheumatisehe Endokarditis, die doppelseitige h~matogene Nephritis, so finden wir hierbei als eine Art yon Regel oder Gesetz, dab die Entzfindungserreger unauffindbar sind. Aus einer derartig ,,sterilen t]ntzfindung" ist bekanntlich in neuerer Zeit das Dilemma der Fokaltoxikose (A. Slauclc a) gegeniiber der Fokalin~ektion entstanden. Auch in der uns heute noch gel~ufigen wissensehaftlichen Sprache k6nnte man vielleicht der genannten Pneumonie die Bezeichnung der direkten oder primitiven Entziindung geben:im Gegensatz zum indirekten oder allergischen Charakter der rheumatischen oder nephropathischen Entzfindung. Dennoch zeigt uns schon der alte Begrfff der rheumatischen Pneumonie, vor allem abet der rheumatischen Pleuritis, der sich offenbar aus irgendeiner inneren Berechtigung bis in unsere Zeit erhalten hat, dal] doch in irgendeiner Beziehung zwischen dam groBen Gesehehen des Rheumatismus, 'wie wir es heute auffassen (Klinge a, W, TI. Veila), und Vorg/~ngen in der Lunge und an der Pleura ZusammenJh~nge gesehen werden k6nnen. Es mag aber andererseits aueh als bezeichnend erscheinen, dal~ yon diesen gleichgeordneten Zusammenhi~ngen in dem zusammenfassenden schon zitierten Werk yon W. H. Veil nicht die Rede war." Dort begegnen wlr jedoch der eehten krupp6sen Pneumonie in dem seltsamen Zusammenhang mit der sog. Nephrose. Dabei tritt in diesem selben Zusammenhang zwar nicht das gesetzm~l]ige Auftreten. yon krupp6sen Pneumonien, sonclern dasjenige yon Pneumokokkenir~ektionen im weiteren Sinne Ms auch der Pneumokokkenp~ritonitis (Volhard ~, (Tuttentag ~) hervor. Die Form der Nephrepathie, der die charakteristisehen Merkmale der Entzfindung' so sehr abzugehen schienen, dal~ sie 4urch Ft. Mi~ller s einst aus dem Gesamtgeschehen der ~ p h r i t i d e n herausgenommen worden ist und daffir den moderneren Namen der ,,~,ephrose" erh~lten hat, weist
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trotz der Unauffindbarkeit yon bakteriellen Substraten am Entziindungsorte selbst (•iere) das Aufflammen einer Pneumokokken-, d.h. abgewandelVen Streptokokkeninfektion auf. Dies ist u n s u m so verst~tndlicher, wenn wir mit :LSschke g find Guttentag 7 selbst jene Nephrose als einen der gewaltigsten immunopathologischen Vorginge auffassen, die wir kennen und wie wir sie nur noch im rheumatischen Vorgang selbst, namentlich bei der akuten Polyarthritis, beobachten kSnnen. I n weleher F o r e dabel die Pneumokokkenerkrankung:'au~ritt, ob als Pneumonie oder als Peritonitis, bleibt sieh gleieh. Sie sol1 Uns auch n n r als ein Paradigma der allgemeinen Pathologie dienen. Ausgangspunkt~-sei uns die Antigenantik6r~oerreaktion, als welehe Llischke die Nephros e enthiillt hat, und als welehe W. H. Veil:und B~tchholz1~ dureh ihren Komplementschwundnachweis im Blute akuter rheumatischer Gesehehnisse, -wie des akuten Gelenkrheumatismus, der akuten Endokarditis; der akuten GIomerutonephritis, aber aueh tier ehronisehen universellen:Poly~rthrRis, aueh den rheumatisehen Vorgang als solchen bezeiehnen konnten. In beiden F/illen gelingt bisher ein Bakteriennaehweis~ an tier Stelle der Entziindung (Nephrose oder Rheumatismus) eben. deshalb nieht, weft diese entziindlichen Vorg/inge zur Verniehtung des' Antigens infolge der gewaltigen Antik6rperreaktion ffihren. Abet in beiden F/illen kSnnen die Erreger der Streptokokkengruppe pl6tzlich in Form yon. Erkrankungen auftauchen, die vielfach schon mit dem Namen einer ,,Allgemeininfek-~ion" belegt werden, hier bei der Nephrose in Form einer Pneumokokken,,Sepsis", dort beim Rheumatismus, dem rheumatisehen tterzfehler z. B., in Form der Streptococcus viridans-Allgemeininfektion. Die Frage, ob wit bei diesen Erkrankungen, miC:.:einer Spezifit.i~t der Erreger im engeren Sinne, d. h. innerhalb der gr0Ben Streptokokkenfamflie, zu reehnen haben, braueht uns in ~esdm. Zus~mmenhange nieht zu besch/~ftigen. Unsere Erfahrungen hinsiehtlieh tier Endocartitis lenta und des eehten Lentastreptococcus (viridans) machen es unwahrscheinlich. Denn durch zahllose eigene ,Untersuchungen (Anna Katharina Hau ii, A. Sundermann i2) wurde immer wieder festgestellt, dab gerade tier echte Lentastreptokokkus in den Herden des foKalen Infekts so gut wie g a r nicht vorkommt. Die gegens/~tzlichen Angaben tier Literatur, wie wir sie beispielsweise auch bei B. R. Callow ia und Edgar Reye i4 linden, scheint auf der vergriinenden Eigenscha/t der pleomorphen Streptokokken zu beruhen. Die Vergriinung allein bestimmt abet den Lentastrepto kokku~ noch keinexwegs, sondern seine ,,Stabilitiit" im Gegensatz znr Zabilitiit der morphologischen Gestaltun9 der pleomorphen Streptokokken (Mund und Darm). Ftir die-Entstehung der Herzfehler, wie wir die chronische rheumatische Eadocarditis bezeiehnen, kommt 'daher an unserem ~ t e r i a l immer wieder der auch im Blute vielfach yon uns gezfichtete pleomorphe Streptokokkus in Frage. Der Umschlag des Herz/ehlers, d. h. der chronischen rheumatischen. Endocarditis, in die akute
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Endocarditis lenta ist dann nach unseren Beobachtungen nahezu der einzige Entstehungsmodus des echten Lentastreptococcns viridans. Genuine Lentaendokarditiden sehen wir so gut wie gar nicht, sondern lediglich sekund/ire, yon denen man frfiher annahm, daft sie sich auf die rheumatische Endoearditis durch Neuinfektion ,,aufpfropften". ])ann miiBte dieser Erreger an nnd ffir sich eine viel gr61~ere Rolle spielen. So kann eigentlich nur die eine Annahme Giiltigkeit beanspruchen, daft die - - in der Streptokokkenlehre fiberhaupt grunds~tzlich hochwichtige - - Mntation der Keime infolge der Immunvorgs und ,,Umstimmnngen" im menschlichen Organismus die verschiedene Typisierung der Streptokoldcen erkl/irt, deren wit bekanntlich heute Hunderte z~hlen k6nnen. ~hnlich dfirfte auch das Auflreten des Pneumokokkentyps undder Pn~umokokken. allgemeinin/e~ion im Ge/olge der Nephrose verstanden werden. E s ist ufi~ wahrscheinlich, da6 die znr Nephrose ~-iihrende meist sehr ausgesprochene Angina schon durch einen spezifisehen Pneumokol~enbefund gekennzeichnet ist ; vietmehr ist aueh hier der hs oder anh~molytische Streptokokkus vorherrschend. Aber im Krankheitsgeschehen u n d im EinfluB der chronischen AntigenantikSrperreaktion der ~ephrose mutiert sich dieser Keim in den Pneumokokkus, der dann dem 0rganismus das Ende bereitet. Ohne Frage wird es also eine Zukun/tsau/gabe sein, die Beziehungen der echten Pneumokokkenerkrankung der Lunge zur ]okalen Inte~ion ins Auge zu /azsen. Denn nur sie erld~ren aueh die sog. Neigung vieler ~ensehen, die einmal eine kruppSse Lungenentziindung iiberstanden haben, diese Erkrankung in immer erneuten Rezidiven als Begleitung durchs Leben zu schleppen, um schlie61ich vielleieht der sechsten oder siebenten Lungenentzfindung zum Opfer zu fallen. Wir linden diesen Vorgang beim. Erysipel wieder. Aueh bei den Rezidiven der kruppSsen Pneumonie und des Erysipels k6nnen wir Analogien zu den Sehi~ben des Gelenkrheumatismns herstellen. Diese Rezidive sowohl wie die rheumatisch~n Schiibe erkldren sich aus dem st~indig vorhandenen Herdin/ekt, der bei einem Individuum zur krupp6sen Pneumonie mit der Mutation des Streptokokkus (der Tonsillen oder Wurzelspitzenerkrankungen. der Z~hne) in den Pneumokokk~s, beim anderen zur Gesiehtsrose mit d er ~utation in den Fehlei~enseherr-St~eptococctts erysipelat~s, beim dritten zur akuten Polyarthritis rheumatiea miC-Beibelialtung der P]eomorphusart im Blute oder aber auch mit vSlligem Streptokokkenuntergang in der den akuten Gelenkrheumatismus ebenso wie den Rheumatismus im ganzen auszeichnenden universellen ~esenchymentztindung fiihrt. ~Wird der Herd rechtzeitig ausgerottet und die Neuentstehung yon Herden verhindert, so kommt es weder mehr zur kruppSsen Pneumonie noch zum Erysipel, noeh zum Rheumatismus. Nach diesen grunds~tzlichen Erw~gungen, die teils durch umfangreiehe eigene praktische Erfahrungen, auflerdem abcr ffir die krupp6se
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P n e u m o n i e durch die wesentliche Verfechtung des lymphogenen Weges /iir die En~stehun9 der P n e u m o n i e durch A . Zauche gestfitzt sind, seien n u n m e h r folgende thorakale extrakardiale fol~al-infek~iSse K r a n k h e i t s bilder k u_rz geschildert, die die hohe Bedeu~ung des Hals- u n d ~ u n d facharztes auf e i n e m Gebiet erweisen, das die K r a n k e n n i c h t zu ibm, s o n d e r n z u m I n t e r n i s t e n fiihrt. 1..Beobachtung. Exsudative Pleurltis eines 25jdihrigen Mddchens, au/genommen unter dem Verdacht einer tuberkul6sen Pleuritls, abet geheilt dutch Beseitigung yon /okalen In/ekten.
I i tl 11.12.~ lq1s
1:. 1888
I,l I,"Yi.Y.N,
lZ1~.~, 2gg2Z2~2~2q2~g.~R~'f.~. ~. ~. ~. I. g. ~. r 5. ~.
Abb. 1. Verlaufskurve einer akuten exsudativen Pleuritis under dem Einflu~ der radlkalen Entfernung o4ontogener Fokalinfektion. Sippenm~Big unbelastet fiihlte sich die 25j~hrige teehnische Assistentin am 4. I. 39 matt und elend, war schlafrig und arbeitsunf~hig. Am 5. 1. empfand sie eine Zerschlagenhei~ des ganzen KSrpers und Rfiekenschmerzen. Am 6. 1. ring sie plftzlich heftig zu frieren und im Weehsel hiermit zu schwitzen an. AIs sie daraufhin ihre K6rpertemperatur feststellte, erschrak sie fiber die hohe Axillartemperatur yon 39~ Darauf suchte sie einen Arzt auf, der sofor~ eine dutch einen Ergull bedingt~ Dampfung in der linken Brustseite feststellte und seinen Befund aueh rSntgenologiseh erh~rtete. Ers~ am 9. 1. verspiirte sie heftige Stiche in der linken SeRe und Schmerzen fiber der ganzen linken Brust. Jetzt meldete sieh auch ttusten, der abet nieh~ sehr 1/~stig war. Da sie yon Tag zu Tag kranker wurde, liet3 sie sieh am 11.1. in die Klinik einweisen, ttier kon~te durch eingehendes Befragen festgestellt werden, dab sie im september 1938 in den Armen mad im Rfieken rheumatische Besehwerden empfundea hatte. Gleiehzeitig s~ellte sie damals aueh eine gew6hnliche Schleimhaut. erk~ltung lest. Le~ztere hatte sie aueh 1936 und 1937 wiederholB unter Fieber heimgesueht. Von Anginen wuBte sie nicht zu beriehten. Aber wegen ihrer Z~hne sei sie oft in Behandlung gewesen. Die 1,67 m grolle, 55 kg netto wlegende Patientin wies den sehon genannten ~ypisvhen thorakale~ Be/und eines Pleuraergusses auA Entsprechend demselben hatte sie eine hochgradige Oligurie (300 cem ttarn), aus dem die standige Zunahme des Ergusses gemuBmal]~werdea konn~e, die sich dann auch perku~orisch und rSntgenologisch best/i~igte. Ein pathologiseher Befun4 der Oberlappen der Lungen fehlte aber. Die Allgemeinreaktionen waren: Remittierendes Fieber zwischen 38,4 und 39 ~ sparer 38,8 und 39,8 ~ (Abb. 1). W/ihrend die zeilul~re Blutreaktion mit 88 % H/~mo-
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globin und 4,3 Mill. Erythrocyten eine charakteristische in/ekti6se Angmie aufwies, wie sie bei rheumatischen Prozessen niemals fehlt*, bestand eine JLeukopenie,mit 5600 Zellen und ohne besondersar~ige Verschiebung. Die Senkungsreaktion dagegen war 60, 88, 118 in der 1., 2. und 24. S~unde (r/ach Westergren). Na~urgem~B interessier~e aueh die Art des Pleuraexsudats: Es war rein ser6s-fibrinSs. Moritz-Rivalta war positiv. Das spez. Gewicht betrug 1021. Zellular waren bei weitem in der Mehrzahl Lymphovyten vorhanden. Bakteriel! war es steril sow0hl im Ausstrieh als in der Kultu r, ats sehliel]ll.ch~ira Tierversuch. Soviel war hiermit s~chergestellt, dab es sieh nicht um eine Tuberkulose der Pleura handeln konnte. Wohl aber h~tte es sich u m den bei weitem h~iu/igsten Fall eines unsTezi/ischen Exsudats bei einer bestehenden aldi. vierten Tuberkulose einer Lymphdrfise oder einer Lungenspitze handeln kSnnen. Zwar lieferten weder der Auskultationsbefund noch die eingehende r6ntgenologische Untersuchung hierfiir irgendeine ttandhabe. Jedoeh lautet die L~hre bis heute, dab die tuberkulSse Atiologie so vollkommen die Sachlage beherrsche, dab m a n prak~isch nur an diese denken miisse. So lautet die Statistik yon Gsell auf 87 % tuberkulSser Atiologie bei Jugendlichen, auf 77 % bei Erwachsenen. ,,Weitere Ursachen mancher scheinbar idiopathiseher Pleuritiden sind kleine, klinisch nieht diagnostizierbare pneumonisehe tterde . . . . Die rheumatische Genese der Pleuritis wird neuerdings mit l~eeht immer kritischer beurteilt. Je genauer m a n die rheumatischen Pleuritiden analysiert und welter verfolgt, desto mehr stellen sie sich als tuberkulSs heraus. Die Gelenkbesehwerden bei der Pleuritis sind als anaphylaktisehe Vorg~nge ws der Exsudatresorption aufzufassen. Man l~iflt also am beaten den A usdruck ,,rheumatische Pleuritis" ganz /allen" (0. Brun~15). DerselbeAutor seheint aueh heute n0eh der Ansieht zu sein, dab der yon ibm erw~hnte Begriff ,,Pleuritis a frigore" identisch mit dem der rheumatisehen Genese sei. Wir mfissen diese Vorstellung endgiiltig fallen lassen. Denn sowohl der tuberkulSse Infek-t als auch der des Rheumatismus, die streptomykotisehe fokale $nfektion, werden durch Ks ebenso wie durch Vielerlei andere Einfliisse aktiviert. Ohne In/elction abet keine Erlcgltungskranlcheii. Alle diese Erw~tgungen fiihrten zu einer genaueren Analysierung des kSrperliehen Zustandes unserer Patientin. Dabei ergab sich nun, dab die Ton~illen ger6tet, geschwellt, zerkliiftet waren und reichlieh schmieriges Sekre~ ausdriieken lieBen. Zaut Eintragung in die Krankengesvhiehte war ein ,,gepflegtes GebiB" yorhanden, ,,Goldplomben und-Goldbriick en " . Zaut rSntgenologisehem Au/nahmeberieht des Gebisses aber war der Befund der folgende: ,,Links oben 4 und 5 beginnendes Gramtlom, links oben 7 Granulom, links unten 5 grol]es Granulom, links unten 6 und 7 beginnendes Granulom, reeh~s oben 5 und 6 beginnende Granulome, reehts unten 4 beginnendes Granulom" (Abb. 2). ]:)as gepflegte Gebil~ bestand also lediglich in seinem Eindruck nach aul]en, w~hrend seine inneren Verhi~ltnisse yon grSl~ter Trfibse!igkeit * Siehe bei W. H. Veil: Rheuma~ismus und s~reptomykotische Symbiose, S. 85.
:Die pulmonale und ]?leurale Auswirktmg des 1%kalinfekts.
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waren. Diese Festst~llung wird u m so gewichtiger angesichts der 25j/~hrigen J u g e n d d i e s e r P a t i e n t i n . D e n n ihre K o n s e q u e n z k o n n t e n u r i n der E n t f e r n u n g der s/~mtlichen e r w i h n t e n i m R S n t g e n b i l d z u m A u s d r u c k k o m m e n d e n D e s t r u k t i o n e n im Zahnwurzelgebiet bestehen, i n E x t r a k t i o n e n also, a b e t n i c h t etwa i n Resel
Abb. 2. ,,Gepflegtes Gebitl". :~I/tchtigeGranulomeunter den Goldkronen im linken Unter]defer und beginnende Granulome in den gut wurzelbehandclten oberen Z~hnen. einen grollen Sorge vor tier Tuberkuiose erfiill~ war, nahm ich pers6nlich eine abwar~ende Stellung in diesem Falle ein. Diese nun folgenden Tage waren hochinteressant. Denn die Verschleehterung des Zastands war eine progressive. Sie ist ersiehtlich aus der lWieberkurve (Abb. 1), deren abendliche Temperatur stindig anstieg, wihrend die morgendliche Remission zunahm. Der sep~isehe Charakter wurde also immer deutlicher. Abet auch das P1euraexsudat stieg yon Tag zu Tag an, so dal] mit einer grollen therapeutischen Punk~ion gerechnet werden muSte. Die Patientin selbst empfand subjektiv ihr Krankheitsgefiihl zunehmend st/~rker. Sie zchwitzte, namentlieh gegen Abend und aueh in der Nacht, und machte einen immer sehwereren Krankheitseiadruek, indem ihre Augen, abet auch ihr psychischer ZUstand sich zunehmend trfibten. Schlielllich bat sie inst/indig datum, da$ der Vetsuch ihrer Heilung dutch die Extraktion der Z/~hne gemach~ wtirde. Am 21.1.39 wurd en in einer Sitzung samtliche wurzelkranken Z/~hne gezogen: Der unerh6rte EinfluB auf das Krankheitsgeschehen ist aus der Temperaturkurve ohne weiteres ersichtHch. Schon am selben Tage verschwindet die abendliche Spitze des Fiebers und der Entfieberungsvorgang setzt in fast unaufh6rlicher Folge ein. Am 5. 2. ist er praktiseh vollzogen. Von nun an heilte die P~tientin in jeder Beziehung schnell aus. Ohne Punktion sank das Pleuraexsudat herunter, die Urinmenge stieg. A m S. 3.39 kam die Patientin zur Entlassung. Sie ist seitdem gesund und arbeitsf/~hig geblieben.
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Die Beobachtung zeigt also den tiefgreifenden Einf]ufi der fokalen Streptokokkeninfektion aueh auf die thorakalen Organe. Zwar ist es im vor]iegenden Falle nicht zur Pneumonie, sondern ausschliel~lich zur ])leuritis exsudativa gekommen. Nieht ein bakterie]l gekennzeichnetes L~iden also, sondern ez'ne abalcterielle Entziindung, d.h. eine En~zi~ndung
i b b . 3. P o s t a n g l n S s e V e r s c h l i m m e n m g einer geschlossenen t u b e r k u l S s e n perihil~tren I n f i l t r i e r u n g bel einem 9j~hrigen K n a b e n .
mit Keimvernichtung war die Folge. Die :Forderung, die wir heute an den :Begriff des t~heumatischen im engeren Sinne zu stellen haben, erwies sieh als erfiillt. I)er hyperergische Charakter der Entziindung, der einerseits zur Keimvernichtung ffihrt, besteht andererseits, wie wir seit Klinge u. a. wissen, in einer Verquellung der Bindegewebsfibrillen , die eine Art Seitensttick in der serSsen Entziindung besitzt. ~Es rut dabei nichts zur Sache, ob in solchen :Pillen noch eine zweite Infektart mitspielt als diejenige, die wit im vorliegenden ~alle im Bereich der Zahnwurzeln aufdecken konnten, und die, wie wir schon lange
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mit Sicherheit wissen (W. A. PricelS), in 100% der F~lle eine Streptokokkeninfekti0n darstellt. Bakanntlieh ist der Mechanismus der fokalen Infektion derjenige der Sansibilisierung und Allergisierung: des KSrpers naeh A r t der Impfanaphylaxie,: d e r I~echanismus der Entziindung in unserem Falle also der exsudativen Pleuritis - - derjenige der dutch diese Sansibilisierung bedingten Hyperergie. Wenn nun neben der strepto-
_&bb. 4. R e s o r p t i o n 4 e r v e r s t / i r k t e n perihtl/iren I n f i l t r i e r u n g d u t c h die T o n s i l l e k t o m i e .
myk0tischen Fokalinfektion eine tuberkul5se Infektion, wenn auch sehr geringffigiger Ak~ivit~t ~orliegt, so wirl~ diese als Fokus zweiter 0rdnung, x~on dem gleichfalls eine allergisierende Wirkung ausgeht. Die Addition der streptomykotisch bedingten Allergie einerseits, der tuberkul6s bedingten andererseits, ergibt zweifellos eine potenzierte Wirkung. Wir wissen fiber den EinfluB der Streptomykose auf die Aktivierung des tuberkulSsen Prozesses unmi*telbar wenig Sieheres. Um so gewisser aber ist, da]] unter den genannten Bedingungen der rheumatisch zu nennende Verquellungsvorgang, sei es im Bereich der Bindegewebsfibrillen, sei es in Form der serSsen exsudativen Entzfindung, begfinsti~o~ wird. ~r A_rchiv f. O h r e n - , N a s e n - u. ] K e h l k o p f h e i l k u n d e . B d . 149.
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nermen das Zusammenwirken solcher Allergien, die uns l~ngst bekannt ist, nach Moro und Keller 18 Parallergie. Wet sich fiber die Wichtigkeit und sichere Beweiskraft biologischer Gesetze, die die klinisehe l~edizin geschaffen hat, gerne durch das Tierexperiment fiberzeugen l~13t, der orientiere sich fiber die aul3erordentlich wichtige Erscheinung der
2Lbb. 5. F r ~ h i n f i l t r a t e i n e r g e s c h l o s s e n e n T u b e r k u l o s e i m l i n k e n O b e r l a p p e n vor der Tonsfllektomic.
Para]lergie bei R. Bieling is. Eine um so fiberzeugendere Lebendigkeit erhalt dann die alte, yon v. Pirquet hervorgehobene Beobachtung, dab bei bestehender tuberkuI6ser Infektion sowohI l~fasern als Keuehhusten ehm Aktivierung des tuberkul6sen Prozesses zur Folge haben k6nnen. In Beobachtung 1 haben wir nicht den geringsten Anhaltspunkt dafiir. dal~ nebea der fokalea Infektior~ eine tuberkulSse Infektion mitwirkte. Aber aus therapeutischen Gri~nden kann nicht genug darauf hingewiesen werden, wie wichtig die Berficksichtigung und Beseitigung des Fokalinfekts streptomykotischer 17atur auch fiir die gfinstige Beeinflussung der sog. exsudativen tuberkul6sen Pleuritis, d. h. der exsudativen Pleuritis bei Tuberkulose ist.
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Die A b b . 3 u n d 4, die einer 2. B e o b a c h t u n g e n t s t a m m e n , erwe~sen aber, d a b es sich hier n i c h t n u r u m eine ~fir die e x s u d a t i v e P l e u r i t i s giiltige T a t s a c h e h a n d e l t , sondern u m eine solche, die die T u b e r k u l o s e s c h l e c h t h i n angeht.
2Lbb. 6. ~ r t i h i n f i l t r a t einer ~ g e s c h l o s s e n e n T u b e r k u l o s e i m l i n k e n Oberlapl~en 5 l~[onate nach der Tonsfllektomie.
Beobachtung 2. Postangin6se Verschlechterung einer vom Pgdiater angenommenen H ilus~uberkulose, ,,perihilSre In]iltrieru~g" ung Beseitigung derselben dutch Ent/ernung des tonsillogenen lVokalin/elcts. Der 9j~hrige Alexander St. war im Alter yon 7 Jahren yon einem Kinderm~dchen, das sich sparer als tuberkulSs herausstellte, mit Tuberkulose infizier~ worden. Die Ersterkrankung spielte sich in der bekannten gripp6s-bronchitischen Form ab, deren wahrer Charak~er dutch eine positive Morosche Reaktion erkann~ wurde. Einige Jahre sparer trat wiederum Fieber bei ibm ein. Eine katarrhalische ,4ngina wies zun~chst auf die Bedeutung dieser Infektion fiir den Zustand des Kindes bin. Aber die RSntgenkontrolle zeigte, dab yore linken Hilus aus Verdichtungen in das linke L~mgenmittelfeld hinein ausstrahlten, die fiir eine Ausbrei~ung der tuberkul5seu Erkrankung in der Lunge aul~erordentlich wichtig war. 27*
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Der Befund ~nder~e sich zuns nicht mehr, wenn aueh das Fieber abklang. Die erheblich ver~nderten, immer ger6tet und geschwellt bleibenden Tonsfllen erweckten bei mir den Verdaeht, dab die Beteiligung eines fokalen Infektes, der yon den Tonsfllen ausging, unbestreitbar sei. Dementsprechend riet ieh zur Tonsillektomie des Kindes. Dieselbe wurde ausgeffihrt und hatte ein vorztigliches Ergebnis nicht nur auf den Allgemeinbefund des Kindes, sondern aueh auf das l~6ntgenbild der Lunge. Die Verschattung des gesamten Hflus sowohl reehts als links, vor allem aber aueh der Einstra3flungen eines infiltrativen Prozesses in das Mittelfeld der ]inken Lunge bfldeten sich zurtick. Die Weiterentwicklung des Kindes ist eine vorzfigliche und dureh keinerlei Krankheitsanfiille unterbrochene geblieben. A u s dieser B e o b a c h t u n g 2 g e h t also h a n d g r e i f l i c h h e r v o r , dal~ die t u b e r k u l S s e I n f i l t r a t i o n des L y m p h d r i i s e n g e w e b e s - - i m v o r l i e g e n d e n F a l l e e i n e r H i l u s l y m p h d r f i s e - - dutch Beseitigung des 2oarallergisierenden /okalen tonsillogenen In]ektes einer R i i e k b i l d u n g unterlieg~. H i e r b e i scheint es v o r a l l e m d e r Verquellungszustand, d e r i m Stiitzgewebe d e r L y m p h d r i i s e zu suchen sein diirfte~ zu sein, d e r d e r V e r ~ n d e r u n g u n t e r woffen ist. A b e r ffagl0s ist uns auch bei d e r t u b e r k u l 6 s e n Driise d e r I n f i l t r a t i o n s z u s t a n d m i t all seiner 5dematSsen V e r q u e l l u n g d e r A n h a l t s p u n k t fiir seine A k t i v i t ~ t . Eine sich in ihren Schwellungszustand zuriick-
bildende Halslym~ohdriise z.B. gilt uns als dem Ausheitungszu~tande gen~ihert, u n d z w a r m i t R e e h t : Die bliihende E n t w i c l d u n g , die d e r erw~ihnte J u n g e s e i t d e m g e n o m m e n h a t , ]
Beobachtung 3. Postanginfser in/ittrativer linksseitiger Oberlappenwozefl yon der _Form e'iner geschlossenen Tuberkulose, durch Tonoillektomie zur Ausheilunr gebracht. Der 34j~ihrige Arzt Hans W. war seit einer 1925 (also im Alter yon 30 Jahren) durchgemach~en schweren 2gonovytenangina mit fiber 80% Monocyten im Blur anf~tlig und weniger leis~ungsf~hig geblieben. Aber abgesehen yon immer wieder sich erneuernden sehmerzhaften Schluckbeschwerden war er immer arbeitsf~hig geblieben, ja er war imstande, ein aul]erorden~lich grol~es Pensum zu erledigen. Im Juni und Juli 1929 erkrankte er allm/~hlich fieberhaf~ mi~ Temperaturen, die bei Reetalmessung 39 o nieht iiberstiegen. Sein Krankheitsgeffihl war aul3erordentlieh grot] und auch der Krankheitseindruck der einer betraeh~lichen Ersch6pfung. Wiederum standen im Vordergrunde Scbluekbeschwerden. Dazu hatte sieh ein nieht sehr betrachtlicher katarrhalischer Hustenzustand gesellt. Naehtsehweil3e waren nicht vorhanden. Der Befund am 25.7.29 war der folgende: Bei einer Gr6lte yon 1,72 ra ein ~ettogewieht yon 65,5 kg, also ein deutliches Untergewicht. Im Mund bestand ein erheblieher Krankheitszustand. Zunge und aueh die Schleimhau~ des Zahnfleisches war stark belegt, le~ztere gesehwollen. Am schwers~en verandert waren die Tonsillen. Dieselben waxen vergr~ller~, stark zerkliiftet und lieBen reiehliehes Sekret ausdrficken. Die iibrige Untersuehung zeig~e einige nicht klingende Rasselgerausche fiber beMen Unterlappen, welter leicht supraelavieulare D~mpfung reehts uad etwas welches Atmen links ira Subclaviculargebie~. Herz und Blutdruek waren normal, letzt6rer nicht hypotonisch. Eine Milzschwellung fehlte. Dagegen
Die pulmonale und pleurale Auswirkung des 1%kalinfekts.
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waren die regionaren Halslymphdrfisen, der Tonsillitis en~spreehend, geschwolleu und schmerzempfindlich. Die Allgemeinreak~ionen waren, wie schon erw/~hnt, mal]iges Fieber, eine Senkungsreaktion yon 12, 29, 67 in der 1., 2. und 24. Stunde. Das Blutbiid: HSmoglobin 95%, Erythrovyten 5 Mill., Leukocyten 8200, Polymorphkernige (Segment) 66 %, ]3asopkile 1%, Eosinophile 6 %, Monocyten 2 %, Lymphocyten 25 %. Wahrend also die Blu~senkungsreaktion einen wenig nennenswer~en Ausschlag gab, Wies das weifle Blutbild au/ eine svhwere Sensibilisierung and vharakteristische Allerffie bin. Die :Frage des Charak~ers der vorliegenden A]lergie konnte eigentlich sChon aus der Senkungsreaktion raid dem roten Blutbild festgestellt werden. Ware es ans dem fokalen tonsillogenen Infekr heraus zu einer rheumatischen Erkrankung gekommen, so ware einerseits die Senkungereaktion welt s~arker veri.'ndert gewesen mit 30, 40 oder 50 in der 1. Stunde. und auch das rote Blutbild wgire unter die Norm abgesunken. Man kann beide Merkmale fiir die Differentialdiagnose zwischen tuberknlSser und rheumatischer Ir~fektion geradezu als pathognomonisch verwerten. In der Tat ergab das RSn~genbild vom 26. 7. 29 einen ernsten pulmonalen Befund im Shine eines tuberkulSsen Friihinfiltrats im linken Oberlappen und Mter cirrhotiseher Herde in der rechten Spitze bei beiderseitiger verkalkter, oftenbar aus dem Kindesalter stammender Hilusdrtisen~uberknlose. Besonders belastend m/issen in dem R6ntgenbild vom Juli 1929 die proliferativen Herde erscheinen, die yon der Hauptmasse des Friihinfiltrats nach oben auBen ausstrahlen. Die schulm/~Bige B e h a n d l u n g dieses F a l l e s wiire die :B~handlung d e r sicher vorliegenden, w e n n auch n i c h t durch einen bazill/~ren B e f u n d g e s t ~ t z t e n Tuberkulose gewesen. I n d e s s e n schien m i r sowohl die s c h o n 1925 y o n m i r selbst beobaehtete, aul]erordentlieh schwere u n d bei~ngstigende M o n o c y t e n a n g i n a ais auch die zwischenzeitliche A n a m n e s e y o n 1925/29 daffir zu sprechen, d a b a n d e m K r a n k h e i t s b i l d auch d i e s m a l d e r f o k a l e n I n f e k t i o n , die in den Tonsillen saG, eine wesentliche :Bedeutung z u k a m . Infolgedessen en~schloB ich reich, in vollem E i n v e r s t / i n d n i s m i t d e m Kollegen, d e r lieber a n einer fokalen als a n einer t u b e r k u l 6 s e n I n fek-tion e r k r a n l ~ sein wollte, dazu, zun/~chst z u r Tonsillektomie zu sehreiten. Dieselbe verlief normal, rief eine kleine ~Fieberzacke am ersten Tage nach der Operation hervor, der eflm rasche, vSllige Entfieberung folgte. Ja, im Laufe der ersten Woche stieg das K6rpergewieht sogar um 1 kg an. Die Eosinophilie des Blutes nahm zwar zuniehst noeh zu, auch die Senkungsreaktion wurde umfangreicher. Aber dies waren lediglich die Folgen des Eingriffs in den schweren allergischenProzeB. Der Patient erholte sich 4Woehen lang im Laufe desAugust 1929, um dann Anfang September seine volle Arbeit wieder zu fibernehmen. Die R6ntgenbilder yore Dezember 1929 und Oktober 1934 zeigen zunaehst eine erheblich~ Auflockerung des Friihinffltrats mit Riickgang der Streuung naeh oben auBen, sodann (1934) eine Cirrhotisierung des gesamten Prozesses ohne nennenswerte Sehrumpfung der erkrank~en Seite, eine En~wicklung also, die als die gutartigste zu bezeiehnen ist, die ein tuberkul6ser Prozel], und zwar das Friihinfiltrat jemals zu nehmen pflegt: Ein Krankhei~szustand aber hat sich niemals mehr bei dem Patienten eingestellt. W e r d e n K r a n k e n v o r seiner B e h a n d l u n g gesehen h a t t e , w a r zu d e r A n s i c h t gezwungen, d a b sein D a s e i n b i e r in eine Sackgasse g e r a t e n war, aus d e r zun/ichst ein Ausweg nieh~ zu e r b l i c k e n war. So grog w a r d e r
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Wolfgang H. Veil:
:Eindruck seiner ErschSp~ung u n d v o r a l l e m seines g e r a d e z u t o x i s c h zu n e n n e n d e n Aussehens. D e r p r i m a r t u b e r k u l S s e K r a n k e sieht besser u n d weniger geschadigt aus. D e r E r f o l g des Eingriffs, d e r s e h o n ~uBerlich das B i l d y o n einer A r t K a c h e x i e zu einer n e u e n L e b e n s b l i i t e w a n d t e , g a b a u c h dieser Auffassung v o l l k o m m e n reeht. D e n n wo w a r die T u b e r kulose d a n a e h noeh geblieben ~. ~ h e z u 12 J ~ h r e sind vergangen, o h n e dal~ sie d a s L e b e n des P a t i e n t e n auch n u r u m eine einzige A r b e i t s s t u n d e v e r k i i r z t h/~tte. W e s e n t l i c h andere, a b e t o h n e Zweifel die l e h r r e i c h s t e n B e z i e h u n g e n wies die sehr schwere :Erlcrankmng d e r L u n g e n zum f o k a l e n I n f e k t in d e r folgenden 4.. ~Beobaehtung auf.
JBeobachtung 4. Doppelseitige Pleuropneumonie i s beiden Unterlap,pen yon rezidivierendem Charakter und rasche restlose Ausheilung nach der Ent]ernung schwerster ]okaler In/elcte (embolische Pneumonien). M_it~e Oktober 1938 erkrankte die Patientin gelegentlieh einer Reise an einer fieberhaften, mit etwas I-Iusten und l~iickenschmerzen einhergehenden ,,Grippe". Voriibergehend ging es ihr etwas besser. Dann setzte die Erkrankung aufs neue ein, ein Wechselspiel, das slch mehrf~ch wiederholte und jewefls mit starkeren Beschwerden begann. I)ieser Vorgang erschien immer bedenklicher, weil die 65jahrige Patientin sich auf Besueh bei ihrer an einer einseitigen destruierenden, mi~ Thorakoplastik behandelten und infolge einer Fistelbildung immer noch offenen Tuberkulose erkrank~en Toehter befand. Am 17.11: wurde der Zustand durch maBlos heftige Riiekensehmerzen kompliziert, die etwa in Zwereidellgegend um den Brustkorb herum strahlten. Der Arzt, der alle die Wochen hindureh auf seiner Grippediagnose steher~ geblieben war, erklarte diese neue Krankheitsattaeke als Interkostalneuralgie. Aber das annahernd 400 betragende Fieber angstigte die Patientin und ihre Angeh6rigen so sehr, dab sie dringend um ein Konsilium aus Jena ersuchte. Die Patientin war wahrend der letzten Jahrzehnte im wesentlichen gesund gewesen. Si'e hatte eigentlich nur darfiber zu klagen, dal] yon kleinen Phlebektasien aus ~uf kleinste Traumata hin standig blaue Maler auftraten. Auch waren die I(nie haufig schmerzhaf~ und knirschten. Im Kreuz meldeten sieh 6fters rheumatische Beschwerden. Mit 30 Jahren hatte sie nach der Geburt ihres ersten Kindes, der schon erwahnten Tochter, eine Thrombose ihres linken .Beines durchgemaeh~. Sie muBte deshalb damals einigeWoehen langer fin Bert liegen, als es dem puerperalen Zustande allein entsprochen hatte. Die schwerste Erkrankung aber hatte sie als junges Mgdvhen yon 17 Jahren durehgemaeht. Damals per]orierte ein Magengesvhwgr bei ihr, wodureh eine JPaueh/elleiterung zustande kam, die aber nach der operativen Beh~ndluag wleder ausheilte und keinerlei Beschwerden zuriiekliel~. Mit Riieksieht auf diese letztere Erkrankung ist genotypisch beraerkenswert, dab 2 Briider der Patientin his ins h6here Alter infolge kleinerer Duodenalulcera schwer magenleidend waren. Der Vater der Patientin war mit 70 Jahren an Schrumpfniere und Uramie verstorben, die Mutter mi~ 66 Jahren an Mastdarmkrebs. Die Erkrankung des Vaters schlieBt mit den ulcerativen Magenerkrankungen der Briider und der Patientin selbst den Ring der fokal-infekti6sen Krankheitsgruppe, wobei allerdings zunachst der Magen genotypiseh die empfindliehste K6rperstelle zu sein schien. In der Folge aber zeigte sich, dab das genotypisch besonders empfindlieh
er~oheinende Organ eine unwesentlichere Rolle ss unbesehri~nkten M6glivhkeiten selbst.
als die in]ekti6se Noxe mit ihren
Der Eindruek, den die Patientin bei der Konsult~tion am 20. 11.38 machte, war ein auBerordentlieh sehwerer und ernster: Ein standiges kurzes hartes Husten
Die pulmonale und pleurale Aus~virkung des Fokalinfekts.
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mit schmerzhaft ver~ndertem Gesichtsausdruck, der zugleich hochfieberhaft und doch fahl sowie durch Abmagerung entstellt war, war das auff~lligste Symptom. Versuchte m a n aber die Patientin zur Untersuchung hochzusetzen, so schrie sie vor Schmerzen auf, woraus der praktische Arzt auf eine sehr svhwere Interkostal. neuralgie geschlossen hatte. Dal3 es sich um eine solche nlch~ handein konnte, erwies ein sp/irlicher Ausuntr/, den die Patientin hin und wieder beim Husten herausbrachte und der pneumon~ch-hgimorrhagi~ch aussah. Die Untersuchung des Thorax zeigte nun, dab beide Lungengrenzen nicht auffindbar waren, well links mehr als rechts, aber beiderseits eine etwa handbreite D~imlo/ung der Unterlappen bestand. Rechts vorn war die Lungengrenze verschieblich, wahrend sie links vorn gleichfalls unverschieblich infolge einer D/~mpfung war, die bis zum 4. Interkostalraum heraufreichte. Das Atemger~iusvhwar abgeschw~cht und unbestimm~. Abet beiderseits waren /einblasige klingende .Rasselgeriiusche mit Knisterrasseln vermischt zu h5ren. Jeder Atemzug fief grSBte Schmerz/~uBerungen hervor, Auch pleuritisches Reiben war beiderseits hSrbar, N a t u r g e m i i $ fiberraschte d e r dolo,pelseitige bronchopneumonlsche Charakter m i t so schwerer pleurir K o m p l i k a t i o n -con v o r n h e r e i n so sehr, d a b eine ditiologlsche Diagnose schwlerig erschien. Die T u b e r k u l o s e f u r c h t k o r m t e glficklicherweise y o n v o r n h e r e i n m i t Sicherheit v e r n e i n t werden. A u c h ehl m a l i g n e r T u m o r schien n i c h t eben wahrscheinlich. A b e r w a r u m es bei dieser ~Frau nich~ zu e i n e r lob/i,ren P n e u m o n i e , s o n d e r n zu e i n e r d o p p e l s e i t i g e n h/~morrhagischen B r o n c h o p n e u m o n i e g e k o m m e n war, w a r nich~ aufzukl/~ren. Die Mundsch/eimhau~ war in auBerst schlechtem Zustande, und zwar infolge eines vollst/tndigen Briickengebisses, dessert samtliche 1?feller infolge des entziindeten Zahnfleisches mehr als zweifelhaft erschienen. Die Tonsillen waren klein, aber yon iibelriechendem und reichlich ausdrtickbarem eitrigem Sekret erftillt. Mit Rticksieht auf die Unm~gliehkeit, in dem Privathaushalt, in dem die Patientin nur zu Besuche war, eine zweckentsprechende Behandlung durchzufiihren, wurde die Patientin im Krankenwagen nach der Medizinischen Klinik Jena verbracht (23, 11.38). Hier war bereits die Temperatur abgefallen und zwischen 37,5 und 380 koatinuierlich schwankend, also subfebril. Die ~%nkungsreaktionbetrug 51, 90, 141 nach der 1., 2. und 24. Stunde. Das Blutbild war das folgende: H~imoglobin 97 %, Erythro~yten d,4 Mill., Zeukocyten 12300, Polymorphkernige 71% mit 5% Stab, und 66% Segmentkernigen. Eosinophile 5%, Monocyten 8%, Lymphocyten 16%. Besondersartig war die tie/dunkle Urin/arbe ohne jegliche Ikteruseigenschaft der Patientin. Sie betrug mittels Messung durch das Zei[3sche Stufenphotometer und nach Reduktion auf ein spez. Gewicht yon 1020 (Fo) 5,1. EiweiB sowohl als Urobflinogen fehlten dagegen. Die Art der In/ektion, die zu d e r doppelseitigen P l e u r o p n e u m o n i e geftihrt h a t t e , m u t t e , nach denAllgemeinreaktionen zu schlieBen, der streptomykotischen (septischen) Gruppe angehSren. T y p h u s sowohl wie B a n g schieden a u s . Die Eosinophilie yon 5% wies auf eine hypererglsche Entziindung auf d e r Basis einer allergisierenden IrrfekCion bin, die Leukocytose vo~ iiber 12000 ebenso wie die Lymlghol~enie au/ eine StreTto.
kokkengenese. Die wiederholte Untersuchung des Thorax erwles, dab die linksseitige D~tmpftmg noch angestiegen war und dab sich etwas Exsudat hinzugesellt hatte. Sp/iter
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WoNgang K. Veil:
kehrte sieh die Exsudatbildung urn und wurde auf der rechten Seite in~ensiver, w~hrend sie links spoa~un zuriiekging. Die Abb. 7 gibt ei~ sehr instruktives Bild der Lage vom 1. Aufn~hmetag, dem 23.11.38, in der Klinik. DaB sich sehon die ani~ngliehe Vermutung bei der Konsulta~ion in H., dab die Bri~vkenpfeiler des Gebisses schwere In]ekte enthielten, best/~tigte, zeigt die Abb. 8 und der folgende rSntgenologisvhe Be/und des Gebisses: Reehts unten 1 AbszeB. GroBe Cyste zwischen den oberen ersten Inzisivi im Oberkieferknochen. Rechts unten 3--5 Paradentose. Links oben 5--7 Paradentose. Links unten 7 Paradentose.
Abb. 7. Aufnahmebild einer doppelseitlgen hfimatogenen Pleuropneumonie (23.11.38).
M_it Riicksieht auf alle Einzelheiten des Befundes wurde nunmehr angenommen, dab die Erkrankung eine fokal-infektiSse sei. Von den Wurzelspitzenclranulomen vor allem aus sei es zu einer doppelseitigen , echt /okal-in/ekti6sen hyTerergischen PleurobronchoTneumo~ie gekommen/ I-Iinterher wurde allerdings eingesehen, daft der Temperaturabfall yon fiber 400 Kontinua auf eine subfebrile Kontinui~ ebensowenig die Diagnose stiitzen konnte wie der schubweise Verlauf der Erkrankung, der nunmehr schon die 6. Woche erreicht hatte (Abb. 9}. Sehr bemerkenswert mag aueh: der Vergleich dieses Temperaturverlaufs mit demjenigen aus ]]eobachtung 1 sein. Dort sahen wir die Temperatur st/~ndig grSBere und ernstere Dimensionen annehmen, bis die lokale Infek~ion aus-
Die pulmonale und pleurale Auswirkung des :Fokalinfekts.
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gerottet war. So unmittelbar wie in Beobachtung 1 konnten also Beziehungen zwischen Lungen- bzw. Pleuraerkrankung und der l~okalinfektion nicht sein. Das Wesentliche aber war, die Infel~ionsherde zu
Abb. 8. ~i~,chtige Cys~e im Oberkiefer zwischen den beiden ersten Schneidezi~hnen (l~feile !) Riesenhafter Erweichmlgsherd yon den Wurzein der Schneidezt~hne im Unterkiefer ausgehend, wobei der erste r e c h t e Schneidezab-a in die ErweichtmgshShle hineinragt. Man beachte die machtigen Zahnsteinbildungen.
beseitigen. Hierzu wurde am 25. 11. gesctn'itten, und schon am 29. war die Fieberlosigkeit erreicht. Am 2. 12. 38 aber kam ein neuer Krankheitsschub. //nken Un,'~r/appe.,7 i~
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2~bb. 9. Vorlaufsk~rven einer doppelseitigen hfima~ogenen Pleuropneumontc u n t e r dem Einflul~ der orealen Sanierung. N u n m e h r s~ieg rech~sseitig d a s pleuri~ische E x s u d a ~ an. Die T e m p e r a t u r err e i c h t e bis z u m 8. 12. m i t 39,3 ~ ihre grSl~te E r h e b u n g . D a s R e s u l ~ a t einer P l e u r a p u n k ~ i o n w a r d a s folgende: M i k r o s k o p s i c h : M g ~ i g viel S e g m e n t k e r n i g e u n d vereinzel~ L y m p h o c y t e n , keine B~kterien, k e i n e T u b e r k d -
z~24
Wolfgang H. Veil:
bazillen. Kulturell steril. Der Tierversuch, der angese~zt wurde, hatte naeh 2 bis 3 Monaten ein negatives Resultat. Aueh die Blutkultur blieb steril. Die Frage, ob etwa der Kreislauf irgendwelche Beziehungen zu der Erkrankung aufgewiesen haben k6nnte, sei kurz verneint, sowohl der Horeh- als der elektrokardiographische Befund waren bei der 65j/~hrigen Patientin geradezu ideal. Der 15. 12.38 brachte eine Klarung des Gesamtbildes. An diesem Tage klag~e die Patientin fiber Sehmerzen i m linken Oberschenkel. Die Besichtigung ergab,
2kbb. 10. Ausheflung einer doppelseitigen h'~matogenen l~leuropzlcumonie durch umfangreiche o~ale Sanierung. dab die Adduktorenpartie des linken Oberschenkels etwas geschwollen und verstrichen, auch druckempfindlieh war. In wenigen Tagen war das ganze linke Bein intensiv 6dematOs. Eine Thro~nbophlebitis der Femoralls war also nunmehr offenbar geworden. Die Temperaturen dauerten bis zum 22.12. fort, um sieh daIm zu verlieren. Die Beinsehwellung aber blieb unver~ndert. Der thorakale Befund blieb s~ation/~r. Jedoeh hatten sowohl die Sehmerzen als die Expektorationen aufgeh6rk Nut die Grenze des Pleuraexsudats reehts bIieb dieselbe. Deshalb wurde am 27. 12.38 zur Tonsillektomie gesehritten. Jegliehe unliebsame Reaktion blieb aus. Dagegen stiegen a m 3. Tage nach der Tonsillek~omie die Harnmengen yon 3--500 auf 1500 ecm an, und innerhalb weniger Tage waren sowohl das 0dem des thrombophlebitischen Beins einschliel31ich der Venenentzfindung,
Die pulmonale und pleurale Auswirkung des Fokalinfekts.
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selbst auch die Pleuraergtisse versehwunden. Die Abb. 10 zeigt den thorakalen Befund yore 17.1.39, der, abgesehen yon ideinen Adh/~renzen in den Pleurasinus ideal zu nennen ist. Auch der Blutbe/und/inderte sich sch]agartig: Die Senkungsreaktion des 9. 1.39 betrug 11, 25, 91 nach der 1., 2. und 24. Stunde. Das Blutbild verriet mit 88% HSmoglobin und 4,2 Mill. Erythrovyten eine leichte Zunahme der schon anf~nglich angedeuteten Infektan~mie, wie sie fiir den fokal-infekti6sen ProzeB mit rheuma. tischen Folgeerscheinungen charakteristisch ist, mi~ 7600 Leukocyten die l~ormalzahl, die auch bei der weiteren Ausz/ihlung keinerlei Abnormit/i~ mehr enthiel~: Polymorphkernlge 58 % mit 6 % Stab- und 52 % Segmentkernigen, Basophile 1%, Eosinophile 2%, Monoeyten 4% und Zymphocyteni35%. Die Korrektur, die die Diagnose dieses Falles also erleben muBte, war die, dal] die hyperergische Entziindung nicht die Lunge selbst, sondern die Veneq~, offenbar vor a l l e m des Beckens betroffen hat~e. Von hier aus aber war es zu den schubweisen Pneumonien in beiden Unterlappen mit intensiver exsudativer Begleiterscheinung yon seiten icier Pleuren und auBerordentlich heftigen Sehmerzempfindungen derselben gekommen. ~i~r die Allergie, die der hyperergischen Entzfindung zugrunde lag, war tats~chlich der auflerordentlich schwere odontogene Herdin/ekt verantwortlich zu machen, nicht a b e r dieser allein, sondern, wie die fiberraschend schnelle Aufsaugung der Exsudate um die Venen herum sowie i m Pleurar a u m nach der Tonsillektomie aufwies, auch der Tonsillen. Es kann kein Zweffel sein, da~ diese Erkrankung schon jahrzehntelang d e n KSrper beschaftigt hatte, zunachst i n f o r m der ersten schweren Thrombophlebitis im Puerperium, sod~nn in F o r m der Blutextravasate bei leichtesten Traumata, die die Beine trafen, sodann in Form der rheumatischen Beschwerden in den Kniegelenken und in den Lumbal- bzw. Sacralgelenken, um yon der Erwahnung der perforativen l~agenulcuserkrankung hier Abstand zu nehmen. Lange war die Resistenz des K6rpers so groB geblieben, da2 es seitdem;zu einer schwereren StSrung nicht mehr gekommen war. Aber das AJter sowie manchcrlei die Patientin starker erschfitternde ]~r~ignisse hattel~" ihre Widerstandskraft herabgesetzt, so daB, was bei genauerem Befragen nunmehr herauskam, seit dem Frfihjahr 1938 ihre Frische langsam abnahm, 1VIfidigkeit, Schlappheir, Arbeitsunlustigkeit sich einsteUte, und wie sich nunmehr auch zeigte, ein immerwahrendes leicht schmerzhaftes Geffihl beim Schlucken. Man m6chte bei einem Fall wie diesem, der das Glfick hatte, im Alter yon 65 Jahren so v61lig yon einer so schweren Erkrankung, die viele Jahrzehnte im K6rper steckte, zu genesen, viel eher nach den giinstigen als den ungiinstigen genotypischen Eigenschaften forschen. Wie selten ist es, da~ das arterielle Gef~fisystem, das Herz selbst mit seinem ~uskelfleisch und seinen Gefal]versorgungen einer so schweren fokalen Infektion stand zu halten vermag! Die psychische Wirkung, die die Heilung auf die Patientin, aber auch aM ihren Mann ausiibte, entsprach den tats~chlichen selten gliicklichenVerh~ltnissen nicht. Noch heute macht sie sich leider in unliebsamer Weise geltend. Sie ist mig dem
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Wolfgang ~. Veil:
Ver]nst des grauenhaften Brfickengebisses verankert. Die Patientin leidet unter dem Ge/4hl, gealtert zu 8ein (mit 65 Jahren!), well sie anstatt der Bri~cken nunmehr Prothesen tragen muff, und ihr Mann ist fiber diese Form des Alterns untrSs~lieher mi~ ihr als zur Zeit der wochenlangen so schweren und aussichtslos erscheinenden Erkrankung.
Alle diese Beispiele, die aus einem gro2en ~aterial ausgesucht wurden, weft sie besondersartige Zusammenh~inge mit der /okale~ In/Jction aufdeeken, stehen auflerhalb des Kreises der lob~iren Pneumonie sowohl, yon deren gewissen ihr dutch A. Lauche auf Grund sieherer allergischer ~ e r k male zugesprochener ZugehSrigkeit zur fokalen Ir~fektion wir eingangs handelten, als auch der klassischen rheumatischen Pneumonie. Letztere ist eine nicht ganz seltene Begleiterscheinung des schweren ak~ten rheumatischen Syndroms der Polyarthritis, Endocarditis und meist auch Pericarditis. Sie ist der eigentliche und wesentliche Repr~sentant der rheumatischen Lungenver~nderung. Wenn sie auch yon dem ersten wesentlichen deutschen Veffechter der Theorie yon der fokaten Infektion, H. Pae/31er1~, nicht erw~hnt wird, trotzdem der I)berblick, den dieser Autor yon den visceralen Folgeerscheinungen des HerdLrffeldcs gibt, yon staunenswerter Weite gewesen ist, so spielt sie doch in der internationalen Literatur, vor allem der englischen und ffanzSsischen, als ganz spezl]ische Z4"u[3erung des Rheumatismus e i n e Rolle (Raymond 2~ Rabinowitz ~1, Poynton und Paine 22, A. ~ezan;on et Mathieu.Pierre Well ~a u. a.). Naish 24 und Fraser ~s u. a. glauben dabei das charakteristische histologische Substrat des .Rheumatismus, die Granulome also im Lungengewebe, nachgewiesen zu haben. Gunnar Edstr6m ~ sagt zwar: ,,Pneumonien treten nicht so selten bet rheumatischem Fieber auf, besonders in den vorgeschritteneren Stadien, und sie verlaufen nieht so selten tSdlieh." Indessen weist dieser Autor ihrer klinisehen Erscheinung mehr den Charakter einer Komplikation zu, indem er meint, dal~ ,,solche Bronehopneumonien und Pneumonien bet allen sehwereren Infektionen relatlv hs auftreten, wenn der Allgemeinzustand des ~atienten geniigend stark gelitten hat, und dann einen letalen Verlauf nehmen". Ieh selbst glaube gerade deshalb, well ich durchaus nicht finden kann, da]] bet richtiger antirheumatiseher Behandlung diese ,,rheumatische 2neumonie und Bronchopneumonie" den - - letzten Endes - - gutartigen Charakter aueh des sehweren itkuten Rheumatismus ver~ndert, die Prognose keineswegs sonderlieh verschleehtert und den Tod keineswegs in Aussicht siellt, dal~ sie durchaus zum roll ausgebildeten und sehweren akuten Rheumatismus hinzugehSrt und nicht al~ Komplikation betraehtet werden daft. Die rheumatische Pleuritis finder in der Literatur allgemein eine st~rkere Betonung als die Pneumonie. So meint EdstrSm: ,,St~rkere Beachtung als die zweifelhafte pulmonale Affektion verdient die pleurale Lol~alisation der rheumatischen InfekCion. Eine Vorliebe fiir die Pleura weist aber das rheumatische Fieber nieht auL Denkt man die Lokalisation der rheumatischen Infektion in den ser6sen Hi~uten, so ist die
Die pulmonale und pleurale Auswirkung des Fokalirffekts.
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rheumatische Pericarditis bedeutend hs als die rheumatische l~leuritis. '' Jedoch schrs dieser Autor auch diese rheumatische Jku~erung dureh die offenbar st~ndig in ihm lebendig bleibende l~urch~ vor der schwierigen Differentialdiagnose der Tuberknlose gegenfiber ein. ,,~an muB feststellen, dal~ die rheumatisehe Infektion eine bedeutend geringere Affinits zur Pleura zeigt als die tuberkul6se . . . . Die !~"rage, die fiir den Kliniker, wenigstens in Schweden, stets ak~uell ist, sobald es sieh um das rheumatische Pleuritissyndrom h~ndelt, ist die differentialdiagnostische Abgrenzung gegen die tuberkul6se Pleuritis. Letztere ist ja so unvergleichlich viel hs und die Differentialdiagnose kann hier oft /~uBerst schwierig sein." Demgegentiber betonen in einer zusammenfassenden l~bersieht iiber den augenbl/cldichen Stand des l%heumaproblems Heneh, Bauer, Fletcher, Christ, Hall und White~7: ,,Rheumatic pleurisy occurs in 2 to 20 per cent of cases of rheumatic fever and next to carditis, is one o] the most/requent complications O] the disease." Aueh Starr und Parrish2S: ,,Rheumatic pleurisy is commoner than supposed." Tats~chlich haben diese Autoren aueh in vollem Urnfange reeht. Denn Nachpr/ifungen der l~rage dureh die Sektion ergaben bei Individuen, die an ihrem akuten l%heumatismus verstorben waren, in 55%, ja his zu 64% (McClenahar und Paul ~9) pleuritische Ver~nderungen. Der Grund, warurn die vorliegende Abhandlung nicht den iiblichen Weg yeht, den auch die erw(~hnte Literatur au]zeigt, etwa an der Hand yon statistischen Studien solche Zahlen nachzuprtifen, sondern warum sic die Beziehunq des/olcalen In~clots zu - - gleichsam - - besondersartigen ,Fiillen zum Gegenstand der Untersuchung macht, liegt au/ der Hand: Die Wege der Natur in Beobachtungen wie den oben angeffihrten klarzulegen, besltzt den unsehiitzbaren Vorteil, die Bedeutung cites, naturgesetzlichen Grundsatzes wie den des Fokalin/ekts im atlgemeinen Strome des Lebens kennenzulernen und zu wiirdigen. In Beobachtung 1 ist eine absolut sichere DiHerentialdiagnose, dahingehend, ob nieht doeh irgendein kleiner, verstecl~er tuberkul6ser, vielleicht Lymphdrfisenherd vorliegt, nivht zu stellen. Aber es ist absolut sicher feststellbar, dab der Exsudatbildung durch die streptomykotische tterdir~fektion Vorsehub geleistet wurde. Die Entfernung dieser :Fokalinfek~ion bedeutete die I-Ieilung. ]:)as wichtige Ergebnis dieser Untersuchung also ist die tGarstellung der ser6sen Empfindlichkeit dem streptomykotisehen I-Ierdirffekt gegenfiber. Sic ist eine Tatsaehe, mit der der Arzt immer rechnen mul], und wenn er ein pleuritisches Exsudat finder, so wird er in erster Linie die Frage zu stellen haben, ob nicht eine Fokalinfektion die serSse Empfindlichkeit zur Fliissigkeitsabscheidung getrieben hat. Dies gilt ffir Mle diejenigen Erg/isse, bei denen Tuberkelbazillen deshalb nicht aufgefunden
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Wolfgang H. Veil:
werden, weft es sich nicht um eine tuberkul6se ku6tchen~ibers~te Pleura handelt, den so ungiinstigen Fall also der allein echten tuberkul6sen Pleuritis, deren Prognose ebenso ungfinstig ist wie diejenige anderer disseminierter Tuberkuloseformen. Die ,gragestellung lautet also anders, als wie sie der dffferentiMdiagnostisch-~ngstlich belastete Sinn eines medizinischen Schrfftstellers sieht. Letzten Endes lautet sie danach, wie am slchersten gehol]e~ werden kann. Die Beobachtungen 2 und 3 erweisen nun aber mit aller Sicherheit, welche 2Bedeutung die .Fokalin/ektio~ der o/]enkundige~ Tuberkulose gegen/~ber besitzt. Das tuberkul6se Gewebe wird durch unspezffische Ir~filtra tionen, die letzten Endes flit das tuberkul6se Friihinfiltrat, fiir die ehemals ,,Epituberkulose" (Adalbert Czerny) genannte Form der kJ~ndlichen Tuberkulose, mal~geblich sind, in einen ak~iveren Zustand versetzt. Beseitigen wit solche yon der aus der G~websverquellungstendenz des rheumatischenVorgangs, d.h. des Fokalinfekts, zufliel~enden Exsudation, so bringen wir wiederum unseren Patienten denjenigen Igutzen, der ffir die Weiterentwieldung ihres Leidens in gfinstigem Sinne yon grunds~tzlicher Wichtigkeit ist. Die Beobachtung g aber zeigt, wie wesentlieh es ist, bei doppelseitigen Lungen- und Pleuraert~rankn~ngen aueh dann an den embolischen Weg zu denken, wenn zuas aueh nicht der geringste Anhaltspunl~ dafiir vorhanden ist. Hier liegt unzweifelhaft die ganz echte Entwicklung eines rheumatischen Leidens aus dem Fokalinfekt vor, die Endophlebitis und Phlebitis, auf deren pathognomischen Charakter Otto Meyer a~ in zahllosen Schriften aufmerksam macht, und die ihren verderblichen Entwicklungsgang mit der geschilderten Beobachtung in drastischer Weise aufweist. Sie wird vor allem im hSheren Alter Anlal~ zu sehweren Krankheitsbildern geben k6nnen. Es ist abet nicht zu vergessen, dab sie aul]erdem in einer anderen Lebensphase drohend werden kann und dab in dieser Lebensphase die Krankheitsbereitscha[t der Venen besonders stark im Vordergrund steht, niimlich im puer~eralen Zustande. DaB aueh unsere Beobachtung 4 anamnestisch den ersten Krankheitssehub naeh der Gebur~ ihres 1. Kindes, also im Alter yon 30 Jahren, erlebt hat, ist wie eine Illustration auch dieser Naturgesetzliehkeit. Dieselbe lieBe sich an einer durchaus nicht kleinen Zahl yon Fallen, bei denen lediglich die Fokahnfektion zur puerperalen Phlebitis und vielfaeh auch zu Lungenkomplikationen gefiihrt hat, belegen. Beide erkennt der Geburtshelfer heute noch deshalb nicht, weft er der pathologischen Bedeutung des Fokahnfekts und der - - nicht eine pyogene Allgemeininfektion, sondern eine zum 1%heumatismus geh6rende infekti6se P h l e b i t i s - hervorrufenden Streptokokkeaerkrankung der Streptomykose in ihrer iiberaus grol]en pathologisehen Breite ferne steht. 3r eingehenderer Belegung dieses Hinweises aber wiirde der mit dieser Abhandiung beabsiehtigte grunds/~tzliche Zweck fiberschritten sein.
Die pulmonale u n d pleurale Ausw!rkung des Fokalinfekts.
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