Informatik Forsch. Entw. (2005) 19: 187–188 DOI 10.1007/s00450-005-0185-9
EDITORIAL
Bernhard Hohlfeld
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Stefan Kowalewski
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Hans-Werner Six
Editorial zum Themenheft „Automotive Software Engineering”
Online publiziert am 10. Mai 2005 © Springer-Verlag 2005
Bei modernen Fahrzeugen wird die Funktionalität in den Bereichen Antriebstrang, Fahrwerk, Innenraum, aktive und passive Sicherheit sowie Infotainment/Telematik zunehmend durch Software bereitgestellt. Die zugrunde liegende Rechnerarchitektur ist ein verteiltes System, das je nach Fahrzeugtyp aus 20–80 Steuergeräteknoten besteht. Die Knoten sind mit bis zu vier verschiedenen Bussystemen verbunden. Der Programmcode umfasst mehrere hunderttausend bis zu mehreren Millionen Zeilen. Über zwei Drittel aller Innovationen im Automobil sind schon heute softwarebasiert. Ein Anstieg der Softwareentwicklungskosten an den gesamten Entwicklungskosten von derzeit ca. 4% auf über 10% wird prognostiziert. Software im Automobil muss hohen Anforderungen gerecht werden: extreme Zuverlässigkeit bei hohem Kostendruck und beschränkten Rechnerressourcen auf der einen, stark gestiegene Funktionalität und komplexe Systemarchitekturen im Fahrzeug mit hochgradig vernetzen Rechnern auf der anderen Seite. Klassische Methoden des Software Engineering lassen sich in diesem Umfeld nur bedingt einsetzen. Automotive Software Engineering hat sich dadurch zu einem wichtigen Innovationstreiber entwickelt, die Entwicklung von Embedded Software wird zu einer Kernaufgabe im Automobilbau. Automotive Software Engineering verbindet wichtige und aktuelle Themen der Informatik mit dem Wirtschaftszweig Automobilbau, in dem Deutschland nach wie vor führend ist. Das wachsende Interesse von Hochschulen und Industrie am Thema Automotive Software Engineering wird durch B. Hohlfeld DaimlerChrysler AG, Forschung und Technologie, Postfach 2360, 89013 Ulm E-mail:
[email protected] S. Kowalewski Lehrstuhl Informatik XI, RWTH Aachen, Ahornstrasse 55, 52074 Aachen E-mail:
[email protected] Hans-Werner Six FernUniversität in Hagen, Lehrgebiet Software Engineering, Postfach 940, 58084 Hagen E-mail:
[email protected]
die Präsenz auf internationalen und nationalen Konferenzen belegt. „Automotive Software Engineering” wurde auf einer Podiumsdiskussion bei der International Conference on Software Engineering 2003 (ICSE 2003) gemeinsam von Hochschulen und Industrie präsentiert. Workshops mit dem Titel Software Engineering for Automotive Systems (SEAS) sind Teil der ICSE 2004 und der ICSE 2005. Auf der 33. Jahrestagung der Gesellschaft für Informatik (September 2003 in Frankfurt) wurde erstmals ein Workshop Automotive Software Engineering gemeinsam von Hochschulen und Industrie organisiert. Der zweite Workshop Automotive Software Engineering fand auf der GI 2004 in Ulm statt, für die GI 2005 in Bonn ist der dritte Workshop in Planung. Das Themenheft „Automotive Software Engineering” präsentiert überarbeitete Fassungen von vier ausgewählten Beiträgen des zweiten Workshops Automotive Software Engineering im Rahmen der 34. Jahrestagung der Gesellschaft für Informatik im September 2004 in Ulm. Der erste Beitrag „Modellierung von deterministischer Software in Simulink” stammt von Gerald Stieglbauer und Andreas Werner vom Fachbereich Informatik der Universität Salzburg. Der Beitrag stellt die Integration der Timing Description Language (TDL) in das gängige Modellierungswerkzeug Simulink vor. Das Ziel ist die Etablierung eines Entwicklungsprozesses, der die Realisierung von deterministischer Software für verteilte, eingebettete Systeme signifikant vereinfacht. Die Prinzipien von TDL garantieren dem Programmierer, dass Zeit- und Kommunikationsverhalten auf verschiedenen Plattformen identisch sind. In ihrem Beitrag „Integrierte Entwicklung von Automotive Software mit AutoFOCUS” stellen Andreas Bauer, Jan Romberg und Bernhard Schätz vom Institut für Informatik der TU München einen Ansatz zur Beherrschung der komplexen vernetzten und verteilten Funktionen von Automotive Software vor. Grundlage sind eine Beschreibung des zu erstellenden Systems auf verschiedenen Abstraktionsebenen und Regeln für schrittweise Übergänge zwischen diesen Ebenen. Ein einheitliches Berechnungsmodell, ebenenspe-
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zifische Beschreibungstechniken sowie methodische Regeln für die Abstraktionsebenen werden eingeführt und in den Werkzeugprototypen AutoFOCUS integriert. Im dritten Beitrag „Metriken und Regeln für eine zustandsbasierte SW-Entwicklung im Automobilbereich” stellt Martin Mutz, Institut für Programmierung und Reaktive Systeme, TU Braunschweig, ein prototypisches Werkzeug zur Qualitätssicherung im modellbasierten Entwurf vor. Mit dem Werkzeug kann eine automatische Überprüfung von Modellierungsregeln an zustandsbasierten Modellen erfolgen. Des Weiteren ist eine Bewertung des Gesamtsystems durch Software-Metriken möglich. Das Werkzeug wurde im Rahmen eines Automotive-Projekts entwickelt und eingesetzt. Der vierte Beitrag „Ein Testverfahren für optimierende Codegeneratoren” stammt von Ingo Stürmer und Mirko Conrad, DaimlerChrysler AG, Forschung Software-Technologie
B. Hohlfeld et al.
in Berlin. Der Beitrag beschreibt den Aufbau einer modularen Testsuite für Codegeneratoren und schlägt einen Testansatz vor, der eine systematische Prüfung der vom Codegenerator angewendeten Optimierungstechniken ermöglicht. Die im Rahmen der modellbasierten Entwicklung eingebetteter Steuerungs- und Regelungssoftware eingesetzten optimierenden Codegeneratoren müssen einer intensiven Qualitätssicherung unterzogen werden. Dem Einsatz von Testsuiten kommt dabei eine zentrale Rolle zu. Wir danken den Autoren für die Überarbeitung ihrer Workshop-Beiträge und den Herausgebern von Informatik – Forschung und Entwicklung, insbesondere dem Hauptherausgeber Herrn Prof. Dr. Stefan Jähnichen, für die Gelegenheit, das Thema Automotive Software Engineering in einem speziellen Themenheft zu behandeln. Frau Gabi Ambach hat uns dabei kompetent und engagiert unterstützt.