Internist 2002 · 43: 607–617 DOI 10.1007/s00108-002-0606-9
Übersicht R. Duchmann · M. Zeitz Medizinische Klinik I,Universitätsklinikum Benjamin Franklin,Freie Universität Berlin
Fehldiagnosen in der Gastroenterologie
Zum Thema Genaue Daten zu Art,Häufigkeit sowie den medizinischen und sozioökonomischen Konsequenzen von Fehldiagnosen in der Gastroenterologie liegen nicht vor.Wie auch für die anderen Bereiche der Inneren Medizin ist jedoch zu vermuten,dass eine unvollständige Anamnese,Fehler in der klinischen Erfassung der körperlichen Befunde,in diagnostischen Verfahren der Bildgebung,Labor- und Funktionsdiagnostik sowie der histologischen Beurteilung relevante Fehlerquellen darstellen. Über diese vermeidbaren Fehler hinaus tragen trotz des raschen Fortschritts in der Medizin vorhandene Limitationen in unserem Verständnis gastrointestinaler Erkrankungen, ihrer Klassifikation,Ursachen und Diagnostik durch ein unvollständiges Erfassen von Erkrankungen und eine fehlerhafte Befundinterpretation zu Fehldiagnosen bei.Aus der Vielzahl gastroenterologischer Erkrankungen haben wir einige Krankheitsbilder zusammengestellt,bei denen Fehldiagnosen,die wir wegen ihrer Häufigkeit oder Schwere für klinisch bedeutsam halten,aufgrund von Schwierigkeiten in der Differenzialdiagnose besonders leicht entstehen können. Schlüsselwörter Aortoduodenale Fistel · Pankreaskarzinom · Sprue · Chronische intestinale Pseudoobstruktion · Pseudomembranöse Kolitis · Kolondivertikel
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ehldiagnosen entstehen, wenn die richtige Diagnose nicht oder erst zu spät gestellt wird. Ihre Erfassung setzt voraus, dass die Fehldiagnose der fehldiagnostizierenden Person bewusst und von ihr gemeldet wird oder dass die Fehldiagnose durch eine Nachbeobachtung des Krankheitsverlaufs oder eine retrospektive Untersuchung der Patientenunterlagen erkennbar wird. Entsprechende Instrumentarien zur Erfassung von Fehldiagnosen in der Gastroenterologie sind nicht etabliert, die Häufigkeit dieser Fehldiagnosen ist daher nicht bekannt. Es ist jedoch zu vermuten, dass Fehldiagnosen häufig sind. In der großen Studie zur Erfassung der Qualität des Australischen Gesundheitswesens [1] lag das Verhältnis der „errors of omission“ (z. B. übersehene Diagnose, verspätete Diagnose, nicht verordnete indizierte Medizin) zu den „errors of comission“ (z. B. die Gabe von Medizin an den falschen Patienten) bei 2:1 [2]. Sektionen können einen wesentlichen Beitrag zur Qualitätskontrolle in der Medizin und zur Aufdeckung von Fehldiagnosen leisten. In der an 1023 Obduktionen durchgeführten „Görlitzer Studie“ wurden schwerwiegende Diskrepanzen zwischen der Diagnose des Pathologen und der Angabe auf dem Leichenschein in über 30% der Fälle dokumentiert [3].Von 61 in der Notaufnahme einer spanischen Universitätsklinik verstorbenen Patienten zeigten sich in der Sektion bei 44% wesentliche unerwartete Befunde und bei 26% bestanden wesentliche Diskrepanzen zur klinischen Diagnose. Für gastroenterologische Di-agnosen zeigte die obere gastrointestinale Blutung (100%) die beste
Sensitivität während die hämorrhagische Pankreatitis (0%) und der Darminfarkt (0%) sowie Tumorerkrankungen im Allgemeinen (16,6%) die schlechtesten Sensitivitäten zeigten [4]. Auf die unbefriedigende Sektionsrate unter 10% in Deutschland wurde erst kürzlich hingewiesen [5]. Die meisten gastroenterologischen Fehldiagnosen in Deutschland dürften sich, sofern sie keine direkten Konsequenzen haben, einer Erfassung weitgehend entziehen. Zumindest für einen Teil der Fehldiagnosen mit schwerwiegenden Folgen ist jedoch zu erwarten, dass eine Meldung an die Gutacherkommissionen der Bundesländer erfolgt. Wie eine von uns bundesweit durchgeführte Umfrage ergab, sind aus den Meldungen auf dem Gebiet der Gastroenterologie, sofern sie bei den Gutachterkommissionen in einer elektronischen Datenbank gespeichert und damit systematisch auswertbar sind, jedoch in der Regel vor allem Komplikationen und Behandlungsfehler extrahierbar. Eigentliche Fehldiagnosen sind nur in sehr geringem Maße vertreten oder ableitbar. Eine Auswahl relevanter Fehldiagnosen im Datensatz der Gutachterkommissionen Nordrhein und Baden-Württemberg ist in Tabelle 1 dargestellt. Im Rahmen einer Auswertung des Datensatzes der Gutachterkommission für
© Springer-Verlag 2002 Priv.-Doz. Dr. Rainer Duchmann Medizinische Klinik I, Universitätsklinikum Benjamin Franklin, FU-Berlin, Hindenburgdamm 30, 12200 Berlin E-Mail:
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Übersicht Tabelle 1
Auszug exemplarischer Meldungen an die Gutachterkommissionen Baden-Württemberg und Nordrhein Diagnose
Ärztlicher Fehler
Perforiertes Duodenalulkus
Möglicherweise Übersehen des Ulkus bei der Öso phagogastroduodenoskopie Fehldiagnose: Magenverstimmung. Konservative medikamentöse Behandlung Übersehen der Diagnose, medikamentöse Therapie und Akupunktur, verzögerte Überweisung an Internisten Fehldiagnose: Gastroenteritis Fehldiagnose: akuter Bauchschmerz, Erbrechen. Symptomatische medikamentöse Behandlung Fehldiagnose: unklares Abdomen im Rahmen eines Sommerinfektes. Unterlassen der Krankenhauseinweisung Fehldiagnose: Gastroenteritis Übersehen der Diagnose, Koloskopie bis linke Flexur.
Perforierte Appendizitis Perforierte Appendizitis
Perforierte Appendizitis Perforierte Appendizitis Perforierte Appendizitis
Perforierte Sigmadivertikulitis Kolonkarzinom Unterlassen einer kompletten Koloskopie Kolonkarzinom Rektumkarzinom mit Chemotherapie Herzinfarkt
Fehldiagnose: Sigmadivertikulose/itis Übersehen eines Herzinfarktes Fehldiagnose: Magen-Darm-Verstimmung
Die Datensätze wurden freundlicherweise von Herrn Prof. G. Neumann (Baden-Württemberg) und von Frau Dr. Beate Weber und Prof. J. Schoenemann (Nordrhein) zur Verfügung gestellt.
ärztliche Behandlungsfehler bei der Ärztekammer Nordrhein wurden Behandlungsfehlervorwürfe zu gastrointestinalen Organsystemen in 5478 zwischen 1995–1999 abgeschlossenen Verfahren auf Fehldiagnosen in der Erstdiagnostik überprüft. Insgesamt wurden gegen 6112 Ärzte erhobene Behandlungsfehler ausgewertet. Vorwerfbare Fehlbehandlungen wurden bei 2051 beschuldigten Ärzten festgestellt (33,56%). Deutliche Schwerpunkte in den Vorwürfen zur Erstdiagnostik zeigten sich bei der Erkennung der Appendizitis sowie von Tumorerkrankungen des Magen-DarmTraktes. Im Einzelfall war es allerdings nicht immer möglich, eine eindeutige Abgrenzung zu den zudem bestehenden Behandlungsfehlervorwürfen vorzunehmen. Die Fälle der Gutachterkommission Baden-Württemberg wurden aus 79 Meldungen, die gastrointestinale Organsysteme betrafen, extrahiert. Für die praktischen Belange des vorliegenden Artikels möchten wir exemplarisch einige gastroenterologische Erkrankungen darstellen, die aufgrund besonderer Schwierigkeiten in der Differenzialdiagnose zu Fehldiagnosen ver-
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leiten können und die wir aufgrund ihrer Häufigkeit oder Schwere für klinisch bedeutsam halten.
Retrosternaler Schmerz Retrosternale Schmerzen können durch Erkrankung verschiedener intrathorakaler Strukturen verursacht werden. Um Fehldiagnosen zu vermeiden und evtl. gemeinsam vorliegende Erkrankungen nicht zu übersehen, sollten die beiden häufigsten mit retrosternalen Schmerzen assoziierten Organe abgeklärt und eine koronare Herzkrankheit oder eine Erkrankung des Ösophagus ausgeschlossen werden. Da die Anamnese keine ausreichende Diskriminierung zwischen kardialen und ösophagealen Ursachen des retrosternalen Schmerzes erlaubt [6, 7], wird in der Regel aufgrund der höheren prognostischen Relevanz zuerst die koronare Herzerkrankung ausgeschlossen. Sofern hierdurch eine organische Ursache diagnostiziert wird und der Patient unter adäquater Therapie beschwerdefrei wird, erübrigt sich eine weitere gastroenterologische Abklärung. Bei ca. 30% der we-
gen Brustschmerzen koronarangiographierten Patienten zeigen sich jedoch normale Herzkranzgefäße [8], die Ursache der Beschwerden bleibt unklar. Hier können eine gastroenterologische Diagnostik mit Ösophagogastroduodenoskopie (ÖGD) zum Ausschluss entzündlicher oder maligner Veränderungen und die anschließende Funktionsdiagnostik mit pH-Metrie und Manometrie des Ösophagus häufig eine relevante Refluxerkrankung oder Motilitätsstörung als Beschwerdeursache nachweisen und vor Fehldiagnosen bewahren.
Aortoenterische Fisteln Die gastrointestinale Blutung stellt in der Gastroenterologie ein häufiges Problem dar [9]. Bei der Mehrzahl der Patienten erfolgt die diagnostische Zuordnung durch ein endoskopisches Verfahren rasch und eindeutig. Sekundäre aortoenterische Fisteln bei Patienten mit Zustand nach Aortenersatz können demgegenüber leicht übersehen werden und zu Fehldiagnosen führen. Die sekundäre aortoenterische Fistel tritt bei ca. 0,4–4% der Aortenersatzoperationen auf [10] und stellt eine seltene, durch die breite Anwendung von prothetischem Gefäßersatz im aortoiliakalen Stromgebiet jedoch zunehmend häufigere, lebensbedrohende Ursache gastrointestinaler Blutungen dar [11, 12, 13, 14]. Die Blutung manifestiert sich im Mittel 2–5 Jahre nach der Erstoperation [14] und geht häufig mit einer Infektion im Bereich der Prothese einher. In einer Zusammenstellung von 443 Patienten zeigten 69/128 Patienten (54%) ein durch die Operation gesichertes positives Kulturergebnis. Die klassische Trias aus gastrointestinaler Blutung, Sepsis (44%) und abdominalen Schmerzen (30%) liegt jedoch nur bei einem kleineren Teil der Patienten vor.
Daher gilt, dass die Verdachtsdiagnose einer aortoenterischen Fistel für alle Patienten mit Aortenersatz und gastrointestinaler Blutung bis zum Beweis des Gegenteils besteht. Häufig zeigt sich zu Beginn eine geringe Blutungsintensität, die sich in unterschiedlichen zeitlichen Intervallen wiederholen kann und oft in einer fulminanten Blutung endet. Wichtig ist es, an die Möglichkeit einer aortoenterischen Fistel
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Übersicht zu denken und diese frühzeitig in die Differenzialdiagnose mit einzubeziehen. Die aortoduodenale Fistel ist am häufigsten (65%), gefolgt von einer Fistellokalisation im Dünndarm (19%) und Kolon (6%). Die beste diagnostische Sensitivität ergibt sich für die Computertomographie (45%), während die ÖGD (24%), die Aortographie (18%) und die nuklearmedizinische Diagnostik (16%) nur bei einem kleineren Teil der Patienten zur Diagnose führten [11]. Kann bei unklaren gastrointestinalen Blutungen und einem Zustand nach Aortenersatz keine andere Blutungsursache gefunden werden, muss eine Laparotomie zum Ausschluss einer aortointestinalen Fistel erfolgen. Bei bestehender aortointestinaler Fistel besteht ohne eine operative Intervention keine Überlebenschance, die Operationsletalität liegt bei ca. 30% [11].
Pankreaskarzinom Die Inzidenz des Pankreaskarzinoms hat sich in den westlichen Industrieländern seit 1930 nahezu verdoppelt. Bei ca. 30.000 Erkrankungen pro Jahr in der europäischen Gemeinschaft rangiert das Pankreaskarzinom in der Statistik neu aufgetretener Krebserkrankungen bei Männern an 6. Stelle (4,8%), bei Frauen an 7. Stelle (5,3%). Der Altersgipfel liegt im 7. Lebensjahrzehnt, wobei 2/3 aller Patienten älter als 60 Jahre sind [15]. Die typischen Symptome Schmerzen (90%), Gewichtsabnahme (90%) und Ikterus (60–70%) werden in der klinischen Praxis den Verdacht auf ein Pankreaskarzinom begründen und zur Veranlassung der entsprechenden Diagnostik führen. Die Resektabilität als entscheidender Faktor für eine bessere Prognose ist bei der Mehrzahl der zum Zeitpunkt der Diagnosestellung bereits weit fortgeschritten Tumore allerdings nicht mehr gegeben. Für die Praxis ist daher bei entsprechenden Verdachtsmomenten die frühe Einleitung einer geeigneten Diagnostik wichtig.
Probleme der Diagnostik des Pankreaskarzinoms Etablierte allgemeine Risikofaktoren für das Pankreaskarzinom wie das höhere Lebensalter, das Rauchen und die bekannte hohe Assoziation mit dem Diabetes mellitus [16, 17] können bei unklaren
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Symptomen im Einzelfall den Verdacht erhärten, sind aufgrund ihrer geringen Spezifität in der klinischen Praxis jedoch meist von geringer Bedeutung. Patienten mit hereditärer Pankreatitis [18], chronischer Pankreatitis [19] oder positiver Familienanamnese für das Pankreaskarzinom [20, 21] bedürfen aufgrund des erhöhten Risikos für die Entwicklung eines Pankreaskarzinoms einer sehr aufmerksamen klinischen Führung. Effektive Screeningprogramme sind jedoch nicht etabliert und die Unterscheidung zwischen entzündlichen und malignen Tumoren stellt weiterhin ein klinisch relevantes Problem dar.
Fehldiagnose: akute Pankreatitis In der klinischen Praxis sollte daran gedacht werden, dass auch die akute Pankreatitis ein Frühsymptom des Pankreaskarzinoms darstellen und durch Verkennung der Grunderkrankung zur Fehldiagnose führen kann. In einer kürzlich durchgeführten Erhebung wurden anhand eines Fragebogens Daten von 45 Patienten mit akuter Pankreatitis auf dem Boden eines Pankreaskarzinoms erfasst [22]. Die Patienten waren im allgemeinen älter als 50 Jahre, fielen zunächst mit Bauchschmerzen (100%), Gewichtsverlust (33%) und Ikterus (7%) auf und erlebten durchschnittlich 2 Episoden einer meist milden Pankreatitis. Die Diagnose des Pankreaskarzinoms wurde im Durchschnitt erst 34 Wochen nach der ersten akuten Pankreatitis gestellt. Aufgrund der zeitlichen Verzögerung konnten nach Diagnosestellung des Pankreaskarzinoms nur 7 Patienten (16%) kurativ operiert werden. Insbesondere Patienten über 50 Jahren mit einer milden akuten Pankreatitis, bei denen keine spezifischen Ursachen der Pankreatitis (z. B. Alkoholabusus, Gallensteine, Medikamente, Hypertriglyzeridämie, primärer Hyperparathyreoidismus usw.) bekannt sind, sollten daher zum Ausschluss eines Pankreaskarzinoms intensiv diagnostiziert werden. Eine 2,5 Jahre vor der Diagnose des Pankreastumors auftretende akute Pankreatitis ist auch das häufigste Symptom (37%) bei Patienten mit intraduktalem papillärem muzinösem Tumor des Pankreas. Dieser seltene Tumor, der nur 1–2% aller exokrinen Tumore des Pankreas ausmacht, ist in der bildgebenden Diagnostik gut darzustellen [23, 24]. Die
Läsion wird als prämaligne eingestuft und ist häufig bereits in ein invasives Karzinom übergegangen, sodass bei Diagnose die Indikation zur Resektion besteht.
Fehldiagnosen bei chronischer Pankreatitis Wie bereits erwähnt stellt die chronische Pankreatitis ein Risiko für die Entwicklung eines Pankreaskarzinoms dar. Jede Raumforderung bei einem Patienten mit chronischer Pankreatitis muss daher auch bei typischer entzündlicher Konstellation als potenziell maligne angesehen werden.Andererseits ist alleine aufgrund der klinischen Symptomatik eine Unterscheidung meistens nicht möglich. Das CA 19-9 als vorrangiger Tumormarker des Pankreaskarzinoms ist in Frühstadien häufig nicht erhöht, falsch posi-
Tabelle 2
Symptome und Laborbefunde bei Sprue Diarrhö Gewichtsverlust Anorexie Bauchschmerzen Flatulenz Übelkeit Erbrechen Wachstumsstörungen Anämie (Eisen-, Folsäure-,Vitamin-B12-, Vitamin-B6-Mangel) Blutungsneigung Knochenschmerzen Erhöhung der alkalischen Phosphatase Osteoporose Sekundärer Hyperparathyreoidismus Tetanie Periphere Neuropathie Amenorrhoe Infertilität Fehlgeburten Impotenz Unwohlsein Verminderte Leistungsfähigkeit Depression Psychologische und psychiatrische Auffälligkeiten Neurologische Erkrankungen Veränderungen an Haut und Schleimhäuten (Dermatitis herpetiformis, follikuläre Hyperkeratose, trockene Haut, brüchige Nägel, Cheilosis, Glossitis, Ekchymosen)
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Mit der Sprue assoziierte Erkrankungen Assoziierte Erkrankung
Prävalenz
Atopische Dermatitis Dermatitis herpetiformis Trisomie 21 Epilepsie (mit oder ohne zerebrale Kalzifikationen IgA-Defiziens Mesangiale IgA-Nephropathie Insulinabhängiger Diabetes mellitus Primär biliäre Zirrhose Sarkoidose Sjögren-Syndrom Schilddrüsenerkrankungen
U 2%–3% U U 2%–5% U 8% U 8% U 6%–8%
U: unbekannt. (Nach [65])
tive Werte können bei akuter und chronischer Pankreatitis, bei Cholestase und Cholangitiden sowie bei Kolon- und Gallengangskarzinomen beobachtet werden.
Bei begründetem Verdacht auf ein Pankreaskarzinom und nicht eindeutigen Befunden in der Bildgebung kann nur die Operation diagnostische Sicherheit schaffen. Bei Verdacht auf ein Pankreaskarzinom, der sich insbesondere durch Änderungen in der klinischen Symptomatik oder in diagnostischen Befunden ergeben kann, sollte zur differenzialdiagnostischen Abgrenzung nach Durchfüh-rung einer perkutanen Sonographie die Endosonographie, ERCP oder MRCP erfolgen. Beide Verfahren scheinen in spezialisierten Zentren eine vergleichbare Sensitivität und Spezifität zu besitzen [25]. Dennoch kann die Diagnose Pankreaskarzinom auch unter Anwendung aller zur Verfügung stehenden bildgebenden Verfahren präoperativ häufig nicht gesichert werden und auch eine negative Punktionshistologie schließt ein Pankreaskarzinom nicht aus.
Fehldiagnose bei Raumforderungen des Pankreas Beim potenziell operablen Pankreaskarzinom und eindeutigen Befunden in der Bildgebung oder diagnostisch erhöhtem CA 19-9 wird die histologische Sicherung durch die Operation erfolgen. Eine
Feinnadelpunktion sollte in dieser Situation aufgrund der möglichen Tumorzellverschleppung und des erhöhten Risikos einer peritonealen Aussaat vermieden werden. Dessen ungeachtet stellt die Feinnadelpunktion zur histologischen Sicherung beim fortgeschrittenen, inoperablen Pankreaskarzinom eine meist notwendige Maßnahme zur differenzialdiagnostischen Abgrenzung des Adenokarzinoms von endokrinen/neuroendokrinen Tumoren oder Lymphomen dar. Das Spektrum wird durch kasuistische Berichte anderer seltener Erkrankungen in diesem Bereich, wie der in der eigenen Klinik beobachteten Tuberkulose [26], ergänzt.
Oligosymptomatische Sprue Die einheimische Sprue ist definiert durch eine lebenslange Intoleranz gegen Gluten mit charakteristischen, wenn auch nicht spezifischen entzündlichen Darmläsionen. Dies führt zu einer Malabsorption von Nahrungsmitteln, Vitaminen und Spurenelementen, welche ebenso wie die histologischen Veränderungen unter glutenfreier Diät reversibel sind. Zusätzlich unterstützt der Nachweis zirkulierender Antikörper und deren Verschwinden unter glutenfreier Diät die Diagnose. Die Klinik der Sprue mit den klassischen Symptomen der schweren intestinalen Malabsorption hat in den letzten Jahren und Jahrzehnten insofern einen grundlegenden Wandel vollzogen, als ihr klinisches Spektrum sehr viel vielfältiger
ist als zuvor angenommen. Dies deutete sich erstmals Anfang der 1980er Jahre an, als britische Forscher aus der Arbeitsgruppe von Ferguson [27] berichteten, dass die Inzidenz der Sprue in Edinburgh und Umgebung bei Erwachsenen zwischen 1960 und 1980 um den Faktor 3 zugenommen hatte. Zusätzlich stellten sie fest, dass 1960–1965 noch 63% der diagnostizierten Patienten ein typisches Malabsorptionssyndrom aufwiesen, dies in den Jahren von 1975–1980 jedoch nur noch bei 13% der Patienten der Fall war. Mehr als die Hälfte der 1975–1980 diagnostizierten Patienten hatten dagegen keinerlei gastrointestinale Beschwerden und ca. 30% wurden allein aufgrund geringer laborchemischer Auffälligkeiten wie eine Makrozytose der Erythrozyten ohne Anämie diagnostiziert. Die zunehmende Diagnosestellung bei Erwachsenen und bei Patienten mit einer oligosymptomatischen Sprue, z. B. im Rahmen der Abklärung einer Anämie, einer Osteoporose, von Endokrinopathien, einer Infertilität, eines allgemeinen Unwohlseins oder von Hauterscheinungen, ist inzwischen auf breiter Front nachvollzogen worden und wird durch Neuerungen auf dem Gebiet der serologischen wie der bioptisch-histologischen Diag-nostik unterstützt [28, 29]. Eine multizentrische Studie zur Etablierung der nationalen Prävalenz und des klinischen Spektrums der Sprue in Italien [30] ist ein gutes Beispiel dafür, wie die serologische Diagnostik zu einer häufigeren Diagnosestellung der Sprue und damit zu einer steigenden Prävalenz der Erkrankung beiträgt.In dieser Studie wurde bei 17.201 Schulkindern im Alter von 6–15 Jahren zunächst eine serologisches Screening mit Bestimmung von Anti-Gliadinantikörpern (AGA) und antiendomysialen Antikörpern (EMA) durchgeführt.Aufgrund der bekannt hohen Spezifität eines Nachweises von EMA für die Sprue wurden die EMA-postitiven Kinder und Kinder mit einem IgA-Defekt und Nachweis von IgG-AGA zur Diagnosesicherung per Biopsie untersucht. Die Diagnose der einheimischen Sprue wurde so bei 0,54% (entsprechend einer Prävalenz von 1/200) der untersuchten Schulkinder histologisch gesichert. Diese Zahlen zur Prävalenz der einheimischen Sprue werden durch weitere Studien in Skandinavien und bei amerikanischen Blutspendern mit Prävalenzen um 0,4% bestätigt. Der Internist 5•2002
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Übersicht
Abb.1 Zusammenhang zwischen der Zeit zwischen Erstmanifestation der chronisch intestinalen Pseudoobstruktion und Zahl der Laparotomien (r=0,89, p<0,001; nach [39])
Dieses breitere Spektrum an Befunden,das heute der Sprue zugeordnet wird, hat das historische Konzept der einheimischen Sprue modifiziert und erweitert zum Konzept der glutensensitiven Enteropathie. Nach diesem Konzept macht die klinisch manifeste Sprue nach aktueller Datenlage nur 5–10% des Spektrums der Sprue aus, die Mehrzahl der Fälle verläuft als klinisch inapparente oder auch latente Formen. Die differenzialdiagnostische Einbeziehung einer Sprue mit serologischer Untersuchung und ggf. nachfolgender Entnahme von Proben aus dem tiefen Duodenum auch bei eher unspezifischen Symptomen (Tabelle 2) und bei mit der Sprue assoziierten Erkrankungen (Tabelle 3) kann daher Fehldiagnosen verhindern und durch frühzeitigen Beginn einer glutenfreien Diät weitere Beschwerden und Komplikationen vermeiden [31]. So wurde gezeigt, dass im Laufe der Zeit autoimmune Erkrankungen bei Patienten mit nichtdiagnostizierter Sprue zunehmen [32],dass ansonsten asymptomatische Patienten mit Sprue unter glutenfreier Diät eine rasche Besserung der Knochendichte zeigen [33], dass die glutenfreie Diät bei Patienten mit Sprue und schwer einstellbarem Diabetes mellitus Typ I die Diabeteseinstellung wesentlich verbessern kann [34] und dass Frauen mit Sprue unter glutenfreier Diät weniger Fehlgeburten haben [35].
doobstruktion befällt sie häufig generalisiert den Dünndarm, manchmal jedoch auch den Ösophagus, den Magen oder das Kolon. Die CIP verläuft protrahiert und in Schüben und ist klinisch durch rezidivierende Ileuszustände ohne Vorliegen einer mechanischen Obstruktion definiert [36]. Meist vergehen bis zur Diagnosestellung viele Jahre, in denen die Patienten mehrfache Krankenhausaufenthalte und/oder fehlindizierte Laparotomien durchlaufen. In einer kürzlich zusammengestellten Fallsammlung von 9 durch die Essener Arbeitsgruppe diagnostizierten CIP-Patienten war bei allen Patienten zuvor bereits eine umfangreiche Diagnostik erfolgt, wobei Erstdiag-nosen wie „Ileus bei Megakolon“ oder „Verdacht auf chronisch entzündliche Darmerkrankung“ gestellt wurden. Zwischen der Erstmanifestation der Erkrankung und der definitiven Sicherung der Diagnose CIP vergingen im Median 7 Jahre (1–20 Jahre). In diesem Zeitraum waren, bei statistisch signifikantem Zusammenhang zwischen Erkrankungsdauer und Zahl der Operationen (Abb. 1), bei jedem Patienten im Median 5 (Spannweite 1–11) abdominelle Eingriffe erfolgt. Die Eingriffe erfolgten aufgrund der klinisch typischen und be-
Chronische intestinale Pseudoobstruktion Die chronische intestinale Pseudoobstruktion (CIP) ist eine seltene, ätiologisch heterogene und therapeutisch meist schwer beeinflussbare Motilitätsstörung des Gastrointestinaltraktes. Im Gegensatz zur akuten kolonischen Pseu-
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Abb.2 Typisches endoskopisches Bild einer pseudomembranösen Kolitis. (Aus [64])
drohlichen Ileussymptomatik bei akuter Exazerbation der CIP oft notfallmäßig unter dem Verdacht einer mechanischen Obstruktion, ohne dass eine Besserung oder hinreichende Klärung der Beschwerden erreicht wurde. Bei bekannter CIP sind abdominelle Operationen, soweit sie nicht durch eine andere Ursache als die Motilitätsstörung erforderlich werden, kontraindiziert und können durch die zunehmend schwierigere Abgrenzung von postoperativ bridenbedingten Ileuszuständen das klinische Management der Patienten erheblich erschweren.
Symptome und Diagnose Um eine Verbesserung in der Diagnostik und Führung von Patienten mit CIP zu erreichen, ist es daher wichtig, frühzeitig an die Möglichkeit einer CIP zu denken. Insbesondere über Monate und Jahre sich erstreckende Bauchschmerzen mit radiologischem Nachweis von Darmauftreibungen, Übelkeit und Erbrechen ohne dass endoskopisch, radiologisch oder in einer häufig notfallmäßig durchgeführten Laparotomie eine mechanische Obstruktion nachweisbar ist, sollten die Aufmerksamkeit auf die Diagnose CIP leiten. Der klinische Verlauf und die Ausprägung der Beschwerden können hierbei beim einzelnen Patienten sehr variabel sein. Akut auftretende Exazerbationen der Erkrankung mit Ileuserscheinungen bis hin zum Bild des Megakolons können in Phasen völliger Beschwerdefreiheit übergehen. Manche Patienten haben nur milde Symptome einer Obstipation oder Diarrhö, zuweilen begleitet von abdominellen Schmerzen, die die Verdachtsdiagnose eines irritablen Darmes nahe legen. Andere Patienten leiden unter stärksten Schmerzen und Motilitätsstörungen und müssen zur Vermeidung einer Malnutrition
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85 x 240 mm
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intermittierend oder sogar permanent parenteral ernährt werden [37, 38]. Bei Patienten mit entsprechender Klinik und konventionell radiologisch durch eine Bariumpassage ausgeschlossener mechanischer Obstruktion, kann die an spezialisierten Zentren zur Verfügung stehende Dünndarmmanometrie die klinische Verdachtsdiagnose als derzeitiger Goldstandard sichern [39, 40]. Sofern eine mechanische Obstruktion durch eine Laparotomie ausgeschlossen wird, sollten Vollwandbiopsien zur weiteren histologischen Aufarbeitung entnommen werden [37, 38]. Die Ursachen der CIP sind vielfältig. Sie umfassen neben familiär und sporadisch auftretenden myogenen und neurogenen Formen der primären oder chronisch idiopathischen intestinalen Pseudoobstruktion (CIIP) eine Vielzahl sekundärer Formen. Diese kommen bei metabolischen (Hyothyreose, Phäochromozytom, akute intermittierende Porphyrie, Diabetes mellitus, Hyopoparathyreoidismus), entzündlichen (CMVInfekt, Chagas-Krankheit) und Systemerkrankungen (Amyloidose, Kollagenosen) vor oder als Nebenwirkung von Medikamenten (Opiate, Phenothiazine, Clonidin, trizyklische Antideppressiva und Vincaalkaloide; [37, 39]).
Pseudomembranöse Kolitis Die pseudomembranöse Kolitis (PMC) ist fast immer Folge einer durch eine Störung der Darmflora begünstigten Infektion mit Clostridium difficile, dem häufigsten Erreger der Diarrhö bei hospitalisierten Patienten. Häufigste Ursache der PMC (Abb. 2) ist der Einsatz von Breitspektrumantibiotika, wobei prospektive Studien und Fallberichte vor allem für Clindamycin, Cephalosporine und Ampicillin ein hohes Risiko zeigen [41, 42, 43]. Eine vorhergegangene Operation wurde bei 29–67% der Patienten mit PMC berichtet [44]. Bei einer postoperativen Häufigkeit von 6–9% tritt die PMC am häufigsten nach abdominellen und gefäßchirurgischen Eingriffen auf [45]. Auch eine schwere Grunderkrankung und die Chemotherapie von Tumorerkrankungen können Auslöser für eine PMC sein [44]. Die Besiedelung des Dickdarms mit C. difficile ist bei Krankenhauspatienten mit etwa 16–20% häufig. Es ist daher wichtig, die asymptomatische Besied-
lung von der symptomatischen Form, die von leichter meist unblutiger Diarrhö bis hin zur PMC als der schwersten Entzündungsreaktion gegen die Clostridium-difficile-Toxine reicht, zu unterscheiden. Die PMC beginnt meist wenige Tage nach Beginn der Antibiotikatherapie, kann aber auch noch bis zu 2 Monaten nach Absetzen der Therapie auftreten. Diarrhö und Bauchkrämpfe sind normalerweise die ersten Symptome, bei schweren Verläufen können sich Fieber und eine schwere Systeminfektion bis hin zum toxischen Megakolon und Kolonperforationen entwickeln. Schwerste Verläufe von C.-difficile-Kolitiden bei kritisch kranken Patienten auf Intensivstation wurden trotz adäquater konservativer Therapie berichtet [46]. Die Diagnose erfolgt bei klinischem Verdacht unter Einbeziehung der anamnestischen Risikofaktoren durch den Nachweis des Erregers und seiner Toxine im Stuhl sowie den Nachweis der meist zwischen Rektum und linker Flexur lokalisierten entzündlichen Pseudomembranen [47] in der Sigmoidoskopie oder Koloskopie. Im Allgemeinen wird die Diagnose der PMC bei Patienten mit Diarrhö und einem der o. g. Risikofaktoren heute keine wesentlichen Probleme mehr bereiten. Die verbesserte und rasche Diagnostik sowie die etablierte orale Therapie mit Metronidazol oder Vancomycin tragen dabei sicher wesentlich zur meist guten Prognose der Anfang des Jahrhunderts noch mit einer sehr hohen Letalität einhergehenden Erkrankung bei [43].
Die C.-difficile-Kolitis sollte auch bei Patienten auf Intensivstation und unerklärter Verschlechterung auf dem Boden einer beginnenden Sepsis immer in das differenzialdiagnostische Spektrum mit einbezogen werden. Für die tägliche Praxis scheint von Bedeutung, dass nicht alleine Patienten mit bestehender oder vorheriger Einnahme von Antibiotika, sondern auch z. B. Tumorpatienten mit Chemotherapie als Patienten mit erhöhtem Risiko identifiziert werden. Darüber hinaus ist es hilfreich zu berücksichtigen, dass die PMC in großen Serien zu Anfang des letzten Jahrhunderts vorwiegend unter dem Bild der fulminanten Sepsis verlief und
nur zu 25–40% mit einer Diarrhö einherging. Auch bei Patienten mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen (CED), die auf eine Standardtherapie nicht ansprechen und einen komplizierten Verlauf zeigen, sollte eine C.-difficile-Infektion ([48]; (ebenso wie eine CMV-Infektion [49, 50]), ausgeschlossen werden.
Kolondivertikulitis und Kolonkarzinom Die Divertikulose des Kolon,Anfang des letzten Jahrhunderts noch eine Rarität, wurde in den 1970er Jahren bereits bei 30–50% der über 60-Jährigen autoptisch nachgewiesen [51]. Als häufigste Komplikation der Divertikulose werden ca. 10–20% der Patienten mit bekannten Divertikeln im Verlaufe ihres Lebens eine meist im Sigma lokalisierte Divertikulitis entwickeln. Schmerzen und Tenesmen im linken Unterbauch, Unwohlsein und Erbrechen, Diarrhö oder akuter Stuhlverhalt bis Ileus, Fieber sowie entzündliche Laborveränderungen und eine tastbare Walze und ggf. Abwehrspannung im linken Unterbauch stellen typische Symptome und Befunde dieser häufigen Erkrankung dar. Wenig ausgeprägte Befunde insbesondere bei alten oder immunsupprimierten Patienten können das klinische Bild jedoch verschleiern [52]. Klinischer Befund und Lokalisation des entzündlichen Prozesses umfassen naturgemäß eine Reihe gynäkologischer und urologischer Erkrankungen sowie die gastroenterologischen Differenzialdiagnosen einer chronisch entzündlichen Darmerkrankung und einer Darmischämie. Darüber hinaus kann die unkritische Diagnose einer Divertikulitis auch dazu führen, dass ein eigentlich zugrunde liegendes Kolonkarzinom übersehen wird. Dieses betrifft die gleiche Altersgruppe und kann aufgrund der gemeinsamen Symptome Obstruktion, Perforation und Fistelbildung schwer abgrenzbar sein. Patienten mit Divertikulose oder Divertikulitis des Kolons scheinen darüber hinaus ein erhöhtes Risiko für linksseitige Kolonkarzinome zu haben [53, 54]. Die heute in der Erstdiagnostik der Divertikulitis meist durchgeführte CTUntersuchung kann zwischen einem entzündlichen und einem malignen Tumor nicht sicher unterscheiden [55, 56, Der Internist 5•2002
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Übersicht 57]. Eine im Intervall nach Abklingen der entzündlichen Veränderungen durchgeführte endoskopische Untersuchung sollte daher zum Ausschluss einer malignen Ursache routinemäßig erfolgen. Bei weiterhin bestehenden Unklarheiten kann nur die chirurgische Resektion die notwendige Klarheit bringen [58]. Dies gilt meist auch für die seltenen Divertikulitiden im Zoecum und Colon ascendens, die oft erhebliche Probleme in der differenzialdiagnostischen Abgrenzung zur Appendizitis oder zum Kolonkarzinom bereiten [59, 60, 61]. Die Entwicklung von Adenokarzinomen in Divertikeln der Appendix oder des Kolons sind Raritäten [62, 63].
Fazit für die Praxis Soweit aufgrund des vorliegenden Materials abschätzbar, entstehen Fehldiagnosen auf dem Gebiet der Gastroenterologie, die zu Meldungen an die Gutachterkommissionen der Länder führen, vorwiegend durch eine Fehleinschätzung und Verzögerung der Diagnostik bei der Appendizitis oder durch eine verspätete oder unvollständige Diagnostik bei Tumorerkrankungen. Um gastroenterologische Diagnosen nicht zu übersehen, sollte bei Patienten mit retrosternalen Schmerzen und unauffälligem Koronarbefund eine Refluxerkrankung oder eine Motilitätsstörung des Ösophagus ausgeschlossen werden. Bei Patienten mit Aortenersatz und gastrointestinaler Blutung sollte bis zum Beweis des Gegenteils die Verdachtsdiagnose einer aortoenterischen Fistel bestehen. Das Pankreaskarzinom wird aufgrund fehlender Frühsymp-tome weiterhin meist erst spät diagnostiziert. Die akute Pankreatitis kann Frühsymptom des Pankreaskarzinoms sein. Ein Pankreaskarzinom sollte daher insbesondere bei Patienten über 50 Jahren ohne spezifische Ursachen für eine Pankreatitis ausgeschlossen werden. Die hereditäre Pankreatitis, eine positive Familienanamnese für das Pankreaskarzinom und die chronische Pankreatitis gehen mit einem erhöhten Risiko für die Entwicklung eines Pankreaskarzinoms einher und erfordern eine aufmerksame klinische Führung der Patienten. Die glutensensitive Enteropathie (Sprue) ist mit einer Prävalenz von 1/200 häufig. Patienten mit Sprue können sich aufgrund des vielfältigen Beschwerdespektrums bei sehr unterschiedlichen medizinischen Fachrichtungen vor-
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stellen. Die Kenntnis der unterschiedlichen klinischen Facetten der Sprue ist zur frühzeitigen Diagnosesicherung erforderlich. Patienten mit chronisch intestinaler Pseudoobstruktion erleiden auch heute noch zahlreiche operative Eingriffe. Rezidivierende Ileuszustände ohne Nachweis einer mechanischen Obstruktion müssen an diese Diagnose denken lassen. Die Clostridium-difficile-Infektion kann unter dem Bild einer schwersten Sepsis verlaufen. Insbesondere bei Patienten mit erhöhtem Risiko für Störungen der Darmflora (Antibiotikaeinnahme, Chemotherapie bei Tumorerkrankungen, Intensivpatienten) sollte eine pseudomembranöse Colitis daher frühzeitig ausgeschlossen werden. Die Kolondivertikulose und das Kolonkarzinom betreffen die gleiche Altersgruppe und können aufgrund der klinischen Symptomatik und Bildgebung nur unzureichend voneinander abgegrenzt werden. Eine endoskopische Untersuchung des Kolon sollte daher im Intervall nach Rückbildung der Entzündung routinemäßig erfolgen. Danksagung. Wir danken Frau Dr. B. Weber und Herrn Prof. Dr. J. Schoenemann, Gutachterkommissionen Nordrhein, sowie Herrn Prof. Dr. G. Neumann, Gutachterkommission Baden-Württemberg, für die Auswertung und Überlassung von Behandlungsfehlermeldungen auf dem Gebiet der Gastroenterologie.
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