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delikt beabsichtigt, sollte also eine Art Auffangtatbestand für den Fall geschaffen werden, dass dieses Fehlverhalten nicht mit schon vorhandenen Straftatbeständen (angemessen) erfasst werden kann 54. Tatsächlich beschreibt § 19 Abs. 2a TPG aber exakt und vollständig das Verhalten, das die objektive und subjektive Grundlage des im Göttinger Fall erhobenen Vorwurfs eines versuchten Tötungsdelikts ist, nämlich die Manipulation allokationsrelevanter Patientendaten mit dem Ziel einer Bevorzugung der Patienten des Angeklagten. Es ist kaum ein Fall vorstellbar, in dem die Verwirklichung von § 9 Abs. 2a TPG nicht zugleich auch die Voraussetzungen eines (versuchten) Tötungsdelikts erfüllt, hat doch die vom Täter beabsichtigte Besserstellung des einen Patienten als notwendige Kehrseite die für §§ 212, 22 23 Abs. 1 StGB relevante Verschlechterung der Rettungschancen anderer Wartelistenpatienten zur Folge. Dieser Unrechtsidentität steht eine erhebliche Diskrepanz der Strafdrohungen gegenüber, sieht § 19 Abs. 2a TPG doch lediglich Geldstrafe oder Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren vor. Diese Ungereimtheit lässt sich nur vermeiden, wenn man Wartelistenmanipulationen eben nicht als Tötungsunrecht einordnet oder aber § 19 Abs. 2a TPG als abschließende Regelung für derartige Fälle ansieht.
Richtlinienkonformität der Organzuteilung zu gewährleisten. Dem evidenten Bedürfnis für eine strafrechtliche Sanktionierung hat der Gesetzgeber durch § 19 Abs. 2a TPG in wenn auch handwerklich suboptimaler Weise 55 Rechnung getragen. Es bleibt abzuwarten, wie das LG Göttingen und letztlich der BGH mit dem strafrechtlichen Neuland 56 umgehen, das sie mit der Anwendung der §§ 212 ff. StGB auf Regelwidrigkeiten bei der Zuteilung des knappen und überaus kostbaren Guts von Spenderorganen betreten müssen. Die Verurteilung des Angeklagten wegen versuchten Totschlags hätte zweifellos eine starke generalpräventive Signalwirkung, ist jedoch ungeachtet der hier geäußerten dogmatischen Bedenken nicht notwendig, um Wiederholungsfällen vorzubeugen. Abgesehen von der jetzt durch § 19 Abs. 2a TPG möglichen strafrechtlichen Reaktion hat der Göttinger Strafprozess, haben aber auch die öffentlichen, rechtspolitischen und nicht zuletzt konkreten arbeitsrechtlichen Reaktionen auf systematische Richtlinienverstöße einzelner Transplantationsärzte sehr deutlich gemacht, dass die Transplantationsmedizin kein überwachungs- und sanktionsfreier Raum ist.
5. Fazit
54) Vgl. Böse, ZJS 2014, 121. 55) Nicht zu Unrecht spricht Schroth, MedR 2013, 645, angesichts der verschlungenen Tatbestandsfassung von einem „missglückten medizinrechtlichen Schnellschuss“. 56) Rissing=van Saan, DÄBl. 2013, 705.
Die Manipulation von allokationsrelevanten Patientendaten ist nicht als (versuchtes) Tötungsdelikt straf bar, da der Schutzzweck der §§ 212 ff. StGB nicht darin besteht, die
DOI: 10.1007/s00350-014-3739-7
Folgen der Änderung der Berufsanerkennungsrichtlinie für Ärzte und Zahnärzte Heinz Haage I. Einleitung Im Amtsblatt der EU vom 28. 12. 2013 wurde die Richtlinie 2013/55/EU vom 20. 11. 2013 veröffentlicht (ABl Nr. L 354 S. 132), die ihrerseits zum einen die Richtlinie 2005/36/EG über die Anerkennung von Berufsqualifikationen und die Verordnung (EU) Nr. 1024/2012 über die Verwaltungszusammenarbeit mithilfe des BinnenmarktInformationssystems („IMI-Verordnung“) ändert. Die Richtlinienänderung ist relativ umfassend und hat einen längeren und durchaus kontroversen Vorlauf 1. Im Folgenden soll darauf eingegangen werden, welche Folgen die Änderungen in erster Linie für das Aus- und Weiterbildungsrecht für Ärzte und Zahnärzte haben. II. Die Änderungen im Einzelnen 1. Die Reduzierung der Mindestausbildungszeit für die ärztliche Grundausbildung Die Mindestdauer für die Grundausbildung zum Arzt wird von bisher sechs auf fünf Jahre reduziert. Das ist der wesentliche Inhalt der Änderung von Art. 24 Abs. 2 der RL Heinz Haage, Wissenschaftlicher Fachautor, Am Reuterpfad 2, 53359 Rheinbach, Deutschland
(2005/36/EG). Bislang war bei der Grundqualifizierung zum Arzt von „mindestens sechs Jahre oder 5500 Stunden“ die Rede. Zwar ist die „oder“-Formulierung in der Regelung juristisch missverständlich, doch war von Beginn der Richtlinienregelung (Richtlinie 75/362 und 75/363/ EWG) klar, dass es sich hierbei nicht um alternative Voraussetzungen handelt 2. Diese Auffassung wurde auch formal von der Europäischen Kommission vertreten 3. Lediglich Hochschulen, die die Mindestausbildungsdauer von sechs Jahren in der Vergangenheit unterschritten haben, hielten dies nicht für richtlinienwidrig. Die Kriterien hätten also nicht geändert werden müssen, nur um eine kumulative Anwendung sicherzustellen. Entsprechende Vorgaben, wie sie z. B. auch für andere Berufe innerhalb der Richtlinie vorgesehen sind 4, wurden bisher auch in keiner Weise angezweifelt. Gerade die entsprechenden Neuformulierungen der Regelungen dort zeigen, dass es für eine eindeutige Lesart der Richtlinie ausgereicht hätte, die Formulierung eindeutig zu gestalten. Einer gleich-
1) Vgl. Procedure File 2011/0435(COD) – www.europarl.europa.eu, 3. 2. 2014; Vorschlag v. 19. 12. 2011, COM(2011) 883 final; (COM (2011)0883 – C7-0512/2011; vgl. Igl/Ludwig, MedR 2014, 214. 2) Vgl Haage, Ausbildungsrecht Medizin, 1997, S. 27. 3) Vgl. Haage, Das neue Medizinstudium, 2003, S. 66. 4) Art. 31 Abs. 3 der RL, Ausbildung in der allgemeinen Pflege.
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zeitigen Absenkung der Ausbildungsdauer (soweit in Jahren bemessen) hätte es somit nicht bedurft. Eine solche wurde bei Art. 31 Abs. 3 der RL daher auch nicht vorgenommen. Die Reduzierung der Mindestausbildungsdauer von sechs auf fünf Jahre ist somit eine einzelne materielle Änderung der Ausbildungsbedingungen. Die Begründung in Erwägungsgrund 18 der Richtlinie 2013/55/EU ist daher auch nicht überzeugend. Dort heißt es, die Kriterien hätten geändert werden müssen, um ein „hohes Niveau der öffentlichen Gesundheit und Patientensicherheit in der Union zu gewährleisten“. Das Niveau wird aber gerade um ein Sechstel abgesenkt. Wie sich daraus eine bessere Patientensicherheit ergeben soll, führen die Erwägungsgründe nicht weiter aus. Letztlich ist das Gegenteil der Fall. Eine kürzere Ausbildungszeit gefährdet die Ausbildungsqualität, gerade wenn die Inhalte und auch die erforderlichen Ausbildungsstunden unverändert bleiben. Kein anderer in dieser RL geregelter Beruf musste eine Qualitätseinbuße im Hinblick auf die geforderte Mindestausbildungszeit hinnehmen. Die Begründung für die materielle Änderung ist somit falsch. Es ist daher zu vermuten, dass die materielle Änderung auf politische Einflüsse von Mitgliedstaaten zurückzuführen ist, die gerade in der Vergangenheit durch Unterschreitung der Mindestausbildungszeit von sechs Jahren eigentlich gegen die RL verstoßen haben und damit Vertragsverletzungsverfahren oder Sanktionen daraus zu befürchten hatten. Mit Inkrafttreten der RL zum 17. 1. 2014 sind diese Verstöße gegen die RL – zumindest ab diesem Zeitpunkt – nicht mehr gegeben. Die Neuregelung wirkt also ab diesem Zeitpunkt legitimierend für die in der Vergangenheit erfolgte RL-Verletzung. Damit müssen künftig auch Ausbildungsnachweise aus anderen Mitgliedstaaten in Deutschland anerkannt werden, wenn dort nur ein fünfjähriges Medizinstudium vorgesehen ist (Bsp: PMU Salzburg), auch wenn ein solches bis zum 17. 1. 2014 gegen die RL verstoßen hat. Diese Ungereimtheiten werden auch durch den Begründungssatz in Erwägungsgrund 18 der RL deutlich: Dort heißt es: „Ziel dieser Änderung ist es nicht, die Ausbildungsanforderungen für die ärztliche Grundausbildung zu senken.“ Faktisch wird dies aber mit Art. 24 Abs. 2 der RL vollzogen. Musste bislang eine Ausbildung von sechs Jahren angeboten werden, reicht künftig eine fünfjährige Ausbildung aus. Es wird, wie bereits im Vorfeld befürchtet, zu einem „race to the bottom“ kommen 5. Auch wenn die Absenkung evt. vom Richtliniengeber nicht beabsichtigt war, wird sie eintreten und es wird einen Wettbewerb um ein verkürztes Medizinstudium geben. Ob und wann auch eine Verkürzung der Ausbildungszeit in Deutschland realisiert wird, hängt vom Gesetzgeber ab und davon, wie sich das Bundesministerium für Gesundheit positioniert 6. Derzeit ist die sechsjährige Ausbildungsdauer noch in der Bundesärzteordnung (§ 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 4) und der Approbationsordnung für Ärzte (§ 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1) vorgeschrieben. Da aber einige Änderungen in der Richtlinie auch in nationales Recht umzusetzen sind, wären auch entsprechende Änderungen in der BÄO und der ÄAppO vorstellbar. Klargestellt wird endlich, dass sowohl die Ausbildungsdauer, die in Jahren ausgedrückt ist, als auch die Ausbildungsdauer, die in Stunden ausgedrückt ist, eingehalten werden muss. Daraus ergibt sich aber keineswegs eine Pflicht zur Reduzierung der Ausbildungsdauer in Jahren (vgl. erneut die Regelung bei Krankenschwestern in Art. 31 Abs. 3). Die KOM hat hier – auch schriftlich gegenüber Deutschland – seit Jahren klargestellt, dass die beiden Anforderungen nicht alternativ zu verstehen sind. Dies ergab sich bereits auch systematisch aus dem Zusammenspiel von Art. 24 und Art. 25 der RL. Einer Änderung hätte es somit nicht bedurft. Aus der eindeutigen und klaren Regelung des bisherigen Art. 25 Abs. 1 der RL ging hervor, dass die RL bei Art. 24 von einer Mindeststudienzeit von sechs Jahren ausging. Da-
her hätte die KOM auch gegen alle Staaten, die entsprechende Ausbildungsnachweise auch für Ausbildungen ausgestellt haben, die eine solche Mindeststudienzeit nicht erreicht haben 7, vorgehen und ggf. Vertragsverletzungsverfahren einleiten müssen. Wer entsprechende Ausbildungsnachweise bis zum 17. 1. 2014 vergeben hat, hat gegen die Vorgaben der RL verstoßen. In Art. 25 Abs. 1 der RL heißt es als Voraussetzung für die Zulassung zur Weiterbildung, „dass ein sechsjähriges Studium im Rahmen der in Artikel 24 genannten Ausbildung abgeschlossen und als gültig anerkannt worden ist“. Damit wird nicht nur eindeutig auf ein sechsjähriges Studium hingewiesen, sondern auch konkret der Bezug dieser Mindestausbildungsdauer auf Art. 24 der RL hergestellt. Gleiches gilt für die Formulierung in Art. 28 Abs. 1 der RL. Es gab somit zu keinem Zeitpunkt eine wirkliche Unklarheit über die Auslegung von Art. 24 der RL. Es gibt auch keinerlei Hinweise darauf, dass in der Vergangenheit innerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums unter Fachleuten die Meinung vertreten worden wäre, die Ausbildung für Ärzte sei mit sechs Jahren zu lang. Eine Absenkung der Ausbildungszeit ist damit auch fachlich nicht begründet. Insoweit ist die Aussage im Erwägungsgrund 18 „Ziel dieser Änderung ist es nicht, die Ausbildungsanforderungen für die ärztliche Grundausbildung zu senken“, zwar im Ansatz richtig, weil es keinen sachlichen Grund gibt, die Ausbildungsanforderungen an die Ärzteausbildung abzusenken, faktisch wird diese aber vollzogen. Bei gleichbleibender Stundenzahl führt die bloße Absenkung der Mindestzeit bei entsprechender Umsetzung zu einer Verdichtung des Studiums. Zahnärzte müssen im gleichen Zeitraum nur 5.000 Stunden Unterricht erbringen. Konkrete Folgen wird diese materielle Änderung der RL deshalb haben, weil in der Konkurrenz zwischen Anbietern auf gesamteuropäischer Ebene absehbar ist, dass Studierende sich für die Angebote entscheiden werden, die einen Abschluss in der kürzest möglichen Zeit erlauben. Da auch Art. 25 Abs. 1 der RL entsprechend geändert wurde und man damit künftig die Weiterbildung auch bereits nach fünf Jahren Grundausbildung beginnen kann, führt dies dazu, dass man über eine verkürzte Studienzeit ein Jahr früher den Facharzttitel führen kann. Dieser ist in vielen Bereichen ein Zugangskriterium, sei es für eine gehobene Funktionen in Krankenhäusern oder – wie in Deutschland – als Voraussetzung zur Niederlassung in freier Praxis. Die Richtlinienänderung spielt den Modellen in die Hände, die bereits vor dem 17. 1. 2014 ein nur fünfjähriges Medizinstudium angeboten haben, oft als Privathochschulen mit entsprechend hohen Studiengebühren 8. Die Änderung ist damit eher Wirtschaftspolitik und weniger Gesundheitspolitik. Die Europäische Union handelt damit immer noch vorrangig als Europäische Wirtschaftsgemeinschaft. 2. Die Einbeziehung von ECTS-Punkten Neu ist auch, dass der jeweilige Ausbildungsumfang bei den harmonisierten Berufen nicht nur in Jahren, sondern zusätzlich auch in Punkten des Europäischen Systems zur Übertragung und Akkumulierung von Studienleistungen (ECTS) angegeben werden kann. Im Zusammenhang mit 5) Ausschuss für Binnenmarkt und Verbraucherschutz, Kurze Zusammenfassung der Minianhörung über die Umsetzung der Richtlinie über Berufsqualifikationen (2005/36/EG). 6) Vgl. Igl/Ludwig, MedR 2014, 214, 219. 7) So z. B. die Privatuniversität PMU in Salzburg. 8) So auch die Werbung für ein Studium in Kassel, durchgeführt nach einem Franchising-Modell mit Southampton, www.ksminfo.de, www.klinikum-kassel.de, 6. 2. 2014; vgl. dazu auch Geis/ Hailbronner, Rechtliche Anforderungen an Gründungen ärztlicher Ausbildungs- und Forschungsstätten in Deutschland (Franchising-Modelle), Gutachten für den MFT.
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den Bestrebungen europaweiter Vergleichbarkeit von Studienleistungen im Rahmen des sog. Bologna-Prozesses spielt auch die Anerkennung von vergleichbaren Studienleistungen, allerdings allein bezogen auf den zeitlichen Umfang, eine wichtige Rolle. Nach Erwägungsgrund 17 der Richtlinie 2013/55/EU werden die ECTS-Punkte bereits in einer großen Mehrheit der Hochschuleinrichtungen in der Union verwendet und ihre Verwendung werde auch zunehmend in Ausbildungsgängen zum Erwerb von Qualifikationen üblich, die für die Ausübung eines reglementierten Berufs erforderlich sind. Daher sollte die Möglichkeit eingeführt werden, die Dauer eines Ausbildungsprogramms auch in ECTS auszudrücken. Nach dem Wortlaut betrifft dies aber nur die Erfüllung der Vorgabe in Jahren, nicht die Vorgabe in Stunden. So heißt es in Art. 24 Abs. 2: „Die ärztliche Grundausbildung umfasst mindestens fünf Jahre (kann zusätzlich in der entsprechenden Anzahl von ECTS-Punkten ausgedrückt werden)“. Damit ist eine Umfangsangabe in ECTS-Punkten zum einen nicht verpflichtend und zum anderen nur als zusätzliche Nennung möglich. Dass die Ausbildung für Ärzte in jedem Fall aus mindestens 5.500 Stunden theoretischer und praktischer Ausbildung an einer Universität oder unter Aufsicht einer Universität bestehen muss, bleibt davon unberührt. Allerdings ist in der Vergangenheit im Hinblick auf die gegenseitige Anerkennung von ECTS-Punkten immer wieder kritisiert worden, dass diese Größen gegenseitig nicht vergleichbar seien, weil nicht eindeutig festzulegen ist, welche Stunden – insbesondere außerhalb der Präsenzzeiten – und welche Prüfungszeiten damit erfasst werden 9. Laut Erwägungsgrund 17 der Richtlinie 2013/55/EU soll diese Möglichkeit die sonstigen Anforderungen für die automatische Anerkennung nicht berühren. Ein ECTSPunkt entspricht danach 25–30 Unterrichtsstunden, und normalerweise sind 60 ECTS-Punkte für den Abschluss eines akademischen Jahres erforderlich 10. Allerdings ist das System der Festlegung der Mindestausbildungsdauer in ECTS-Punkten innerhalb der Richtlinie in sich nicht schlüssig. Bezogen auf die Ausbildung zum Arzt müsste die Angabe in ECTS-Punkten sich künftig an der Mindestdauer von fünf Jahren ausrichten. Damit wären mindestens 300 ECTS-Punkte nachzuweisen. Davon unabhängig müsste ein Ausbildungsumfang von mindestens 5.500 Unterrichtsstunden nachgewiesen werden. Diese 5.500 Unterrichtsstunden können selbst nicht durch ECTS-Punkte ausgedrückt werden. Geht man von 60 ECTS-Punkten pro Studienjahr aus und setzt die Untergrenze von 25 Unterrichtsstunden pro ECTS-Punkt an, müssten pro Jahr mindestens 1.500 Unterrichtsstunden erbracht werden. Bei einer Mindestausbildungszeit von fünf Jahren wären dies mindestens 7.500 Unterrichtsstunden. Geht man davon aus, dass mit den ECTS-Punkten nicht nur reine Präsenzzeiten erfasst werden, und setzt den Wert bei 30 Stunden pro ECTS-Punkt an, wären pro Jahr 1.800 Stunden zu erbringen. Das würde für die Ausbildung der Ärzte einen Gesamtausbildungsumfang von 9.000 Stunden ergeben. Dies steht dann aber in deutlichem Widerspruch zu den lediglich geforderten 5.500 Stunden theoretischer und praktischer Ausbildung. Zieht man andere Ausbildungen für harmonisierte Berufe innerhalb der Richtlinie heran, zeigt sich, dass das System auch in sich nicht schlüssig ist. So ist für die Zahnmedizin eine Mindestausbildungszeit von fünf Jahren einerseits und – das ist neu – 5.000 Stunden andererseits vorgegeben 11. Hier ist – nach der Absenkung der Mindestausbildungszeit für Ärzte – der Ausbildungsumfang in Jahren identisch mit der ärztlichen Grundausbildung, während die Stundenangabe in der Zahnmedizin um 500 Stunden geringer ist. Dass hier die Präsenzzeiten höher sein sollen ist nicht zu erwarten, da in der Ausbildung zum Zahnarzt – jedenfalls in Deutschland – hohe Präsenzzeiten für die praktische Ausbildung erforderlich sind.
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Bei der Ausbildung von Krankenschwestern und Krankenpflegern für die allgemeine Pflege umfasst die Ausbildung drei Jahre und 4.600 Stunden 12. Hier kommen auf 180 ECTS-Punkte 4.600 Stunden. Rechnet man die ECTS-Punkte mit 30 Stunden, käme man auf 5.400 Stunden, rechnet man nur mit 25, käme man auf nur 4.500 Stunden und würde damit die vorgegebene Stundenzahl bereits unterschreiten. Eine vergleichbare Regelung findet sich für die Ausbildung der Hebammen, mit einer Ausbildungszeit von mindestens drei Jahren und mindestens 4.600 Stunden 13, während die Ausbildungsdauer für Tierärzte nur mindestens fünf Jahre fordert, ohne dass dort eine Stundenangabe für die Mindestunterrichtszeit vorgegeben ist. Bei Hebammenausbildungen, die auf eine absolvierte Pflegeausbildung auf bauen, sieht die RL dagegen mindestens zwei Jahre und mindestens 3.600 Stunden vor 14. Damit muss für die 120 ECTS-Punkte in jedem Fall der Maximalwert von 30 Stunden angesetzt werden, um die Mindeststundenzahl erreichen zu können. Haben in der Pflege Ausgebildete auch noch eine einjährige Berufserfahrung vorzuweisen, sieht die RL nur noch eine mindestens 18-monatige Ausbildung vor, die mindestens 3.000 Stunden umfassen muss 15. Selbst wenn man hier bei 90 ECTSPunkten mit 30 Stunden pro ECTS-Punkt rechnet, kommt man nur auf 2.700 Stunden. Die reine Ausbildungszeit muss aber mindestens 3.000 Stunden erreichen. Hier wird deutlich, dass die Festlegung mit ECTS-Punkten nicht schlüssig dargestellt werden kann. Geht man davon aus, dass die reine Ausbildungszeit in Stunden (für die Ärzte 5.500 Stunden als Mindestanforderung) nur reine Präsenzzeiten umfasst, was auch die Kapazitätsberechnung für das Medizinstudium nahelegt, bei der die 5.500 Stunden auf das Praktische Jahr und die restlichen fünf Ausbildungsjahre verteilt wurden, ließe sich künftig ein Umfang von 9.000 Stunden „workload“ aus 300 ECTS-Punkten (mindestens fünf Jahre) mit jeweils 30 Stunden pro ECTS-Punkt noch darstellen. Dem würde dann aber die Regelung in Art. 41 Abs. 1 Buchst. c der RL widersprechen, weil dort mindestens 3.000 Präsenzstunden zu erbringen sind, die 90 ECTS-Punkte aber maximal 2.700 Stunden ergeben. Dies zeigt auch, dass die RL selbst von unterschiedlicher Ausbildungsdichte ausgeht. Dabei ist die Ausbildung für Ärzte im Vergleich zur Ausbildung der Hebammen eher „dünn“ und diejenige der Zahnärzte noch „dünner“. Ob dies die Ausbildungsrealität abbildet, ist eine andere Frage. Es dürfte für die Organisation der ärztlichen Ausbildung bereits ein erhebliches Problem darstellen, wenn künftig in Deutschland, ggf. unter Beibehaltung des Umfangs des Praktischen Jahres, die 5.500 Unterrichtsstunden auf nur fünf Jahre verteilt werden müssen. 3. Der Europäische Berufsausweis Dieser Ausweis soll nach der Richtlinie 2013/55/EU insbesondere zur Erleichterung der vorübergehenden Mobilität und der Anerkennung im Rahmen der Regelung 9) Vgl. www.uni-potsdam.de, 4. 2. 2014; www.wiwi.uni-rostock.de, 4. 2. 2014; www.f h-studiengänge.de, 4. 2. 2014. 10) Übereinstimmend mit den ländergemeinsamen Strukturvorgaben für die Akkreditierung von Bachelor- und Masterstudiengängen, Beschluss der Kultusministerkonferenz v. 10. 10. 2003 i. d. F. v. 4. 2. 2010, www.kmk.org, 2. 4. 2014; www.studieninfobw.de, 4. 2. 2014; de.wikipedia.org, 4. 2. 2014. 11) Art. 34 Abs. 2 Unterabs. 1 der RL. 12) Art. 31 Abs. 3 der RL. 13) Art. 41 Abs. 1 Buchst. a der RL. 14) Art. 41 Abs. 1 Buchst. b der RL. 15) Art. 41 Abs. 1 Buchst. c der RL.
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der automatischen Anerkennung dienen. Er soll aber auch zur Vereinfachung des Anerkennungsverfahrens nach der allgemeinen Regelung führen. Letztlich geht es – so Erwägungsgrund 4 dieser Richtlinie – um die Stärkung der Freizügigkeit von Berufstätigen und einer effizienteren und transparenteren Anerkennung der Berufsqualifikationen. Zweck des Europäischen Berufsausweises ist es, das Anerkennungsverfahren zu vereinfachen und effektiver zu machen. Der Einführung des Europäischen Berufsausweises für Ärzte (und Zahnärzte) muss aber eine Eignungsbeurteilung der Berufsangehörigen vorausgehen. Die Ärzteschaft und die nationalen Behörden müssen die Einführung beantragen. Erst dann kann die Kommission im Wege entsprechender Durchführungsakte Festlegungen zur einheitlichen Anwendung über Ausgabe und Verwendung des Europäischen Berufsausweises treffen (Art. 4a Abs. 7 der RL). Dies umfasst auch das Format dieses Berufsausweises, die Bearbeitung der Anträge, die Einzelheiten zu den Dokumenten, die vorgelegt werden müssen, sowie zu den Kosten für den Ausweis. Voraussetzung dafür, dass für eine Berufsgruppe dieser Europäische Berufsausweis eingeführt wird, ist nach Art. 4a Abs. 7 Unterabs. 2 der RL, dass es überhaupt eine signifikante Mobilität oder zumindest ein Potenzial dafür gibt (Buchst. a). Dies dürfte für die Gruppe der Ärzte unproblematisch angenommen werden. Im Jahr 2012 befanden sich über 18.000 Ärzte aus dem EU-Ausland in Deutschland. Die Zunahme zum Vorjahr betrug über 16 Prozent 16. Darüber hinaus müssen die betroffenen Interessenträger ein ausreichendes Interesse geäußert haben (Buchst. b). Diese Voraussetzung ist wenig konkret. Es wird aber darauf ankommen, dass die Berufsorganisationen den Wunsch nach einem Europäischen Berufsausweis äußern und dies nicht nur auf wenige Mitgliedstaaten beschränkt ist. Wie sich die deutsche Ärzteschaft hier positionieren wird, ist noch offen. So wurde im Änderungsvorschlag der Bundesärztekammer gefordert, dass der Berufsausweis nur bei Nachfrage des betreffenden Berufsstandes einzuführen sei. Der Textvorschlag sieht sogar die Nachfrage des jeweiligen nationalen Berufsstandes vor 17, was als Indiz für eine gewisse Skepsis gegenüber den Vorschlägen der Europäischen Kommission zu werten ist. Die weitere Voraussetzung, dass der Beruf in einer signifikanten Anzahl von Mitgliedstaaten reglementiert sein muss (Buchst. c), ist für die harmonisierten Berufe generell und damit für Ärzte und Zahnärzte unproblematisch gegeben. Kommt es zu einer Einführung des Europäischen Berufsausweises für eine Berufsgruppe, so erlässt die Kommission die erforderlichen Durchführungsakte nach Art. 58 Abs. 2 der RL. Nach der Definition in Art. 3 Abs. 1 Buchst. k ist der Europäische Berufsausweis „eine elektronische Bescheinigung entweder zum Nachweis, dass der Berufsangehörige sämtliche notwendigen Voraussetzungen für die vorübergehende und gelegentliche Erbringung von Dienstleistungen in einem Aufnahmemitgliedstaat erfüllt oder zum Nachweis der Anerkennung von Berufsqualifikationen für die Niederlassung in einem Aufnahmemitgliedstaat“, d. h. der Berufsausweis soll zum einen das Anerkennungsverfahren für die Niederlassung ersetzen, in dem dieses Anerkennungsverfahren bereits im Verfahren der Erteilung des Berufsausweises durchgeführt wird, und zum anderen soll er auch das Verfahren zur Zulassung als Dienstleistungserbringer ersetzen, je nachdem, ob sich die betroffene Person in einem anderen Mitgliedstaat niederlassen oder dort nur Dienstleistungen erbringen will. So ersetzt nach Art. 4a Abs. 2 der Antrag auf den Berufsausweis das Anerkennungsverfahren nach Titel III, das für Ärzte und Zahnärzte eigentlich vorgesehen ist. Nach Abs. 5 werden die bestehenden Registrierungsverfahren beibehalten und nach Abs. 6 müssen die zuständigen Behörden für die Führung der IMI-Dateien und die Ausstellung der Ausweise
benannt werden. Damit wird das Binnenmarkt-Informationssystem (IMI) stärker genutzt und erhält umfassendere Aufgaben. Dort werden elektronische Daten zu allen relevanten Berufsangehörigen erfasst 18. Nach Abs. 8 ist die Gebührenhöhe für den Europäischen Berufsausweis an den erforderlichen Verwaltungsaufwand gebunden. Nach Art. 4b Abs. 1 der RL erfolgt bereits der Antrag für einen Europäischen Berufsausweis online. Der Herkunftsmitgliedstaat hat alle relevanten Unterlagen auch auf Echtheit zu prüfen. Da Ärzte und Zahnärzte als harmonisierte Berufe unter Titel III Kapitel III der RL fallen, ist für sie nur Art. 4d der RL anwendbar. Nach Abs. 1 prüft die Behörde des Herkunftsstaates auf Antrag die Echtheit und Gültigkeit der in der IMI-Datei hinterlegten Daten. Sie übermittelt den Antrag dann unverzüglich der zuständigen Behörde des Aufnahmemitgliedstaats. Der Herkunftsmitgliedstaat unterrichtet den Antragsteller über den Verfahrensstand zur gleichen Zeit, zu der er den Antrag dem Aufnahmemitgliedstaat übermittelt. Der Aufnahmemitgliedstaat erteilt innerhalb eines Monats den Berufsausweis. Nur bei begründeten Zweifeln können weitere Informationen vom Herkunftsstaat verlangt werden. Ein Arzt muss sich also an den jeweiligen Aufnahmemitgliedstaat wenden. Dies gilt auch dann, wenn er in einem weiteren Aufnahmemitgliedstaat tätig werden will. Die Regelung betrifft hier sowohl die Niederlassung wie die Dienstleistungserbringung. Nach Art. 4d Abs. 6 der RL ersetzen die Maßnahmen zur Erteilung des Europäischen Berufsausweises den Antrag auf Anerkennung der Berufsqualifikation. 4. Automatische Anerkennung auf der Grundlage gemeinsamer Ausbildungsgrundsätze Die Richtlinie 2013/55/EU führt ein neues Kapitel III A in die RL ein. Nach Art. 49a Abs. 2 Buchst. e der RL sind die Regelungen hierfür nicht anzuwenden auf Berufe, die von Titel III Kapitel III erfasst werden. Damit sind Ärzte und Zahnärzte weitgehend nicht erfasst. Allerdings können in Randbereichen der Weiterbildung Anwendungsfälle gegeben sein, wenn z. B. Fachzahnarztnachweise in weniger als 40 Prozent der Mitgliedstaaten vorhanden sind und diese damit nicht der automatischen Anerkennung unterliegen. Nach Erwägungsgrund 25 der RL 2013/55/EU sollten Gemeinsame Ausbildungsgrundsätze die Form gemeinsamer Ausbildungsrahmen, die sich auf ein gemeinsames Spektrum von Kenntnissen, Fähigkeiten und Kompetenzen stützen, oder gemeinsamer Ausbildungsprüfungen annehmen. Gemeinsame Ausbildungsrahmen für solche Fachrichtungen, insbesondere Facharztrichtungen, sollten ein hohes Niveau an öffentlicher Gesundheit und Patientensicherheit bieten. Innerhalb gemeinsamer Ausbildungsrahmen erworbene Berufsqualifikationen sollten von den Mitgliedstaaten automatisch anerkannt werden. Berufsorganisationen, die auf Unionsebene repräsentativ sind, und unter bestimmten Bedingungen nationale Berufsorganisationen oder zuständige Behörden sollten der Kommission Vorschläge für gemeinsame Ausbildungsgrundsätze unterbreiten können, damit die möglichen Konsequenzen solcher Grundsätze für die nationalen Systeme der allgemeinen und beruflichen Bildung sowie für die nationalen Vorschriften zur Regelung des Zugangs zu reglementier16) Vgl. Statistik der Bundesärztekammer, www.bundesaerztekammer.de, 5. 2. 2014. 17) Änderungsvorschläge der Bundesärztekammer v. 16. 3. 2012, www.bundesaerztekammer.de, 5. 2. 2014. 18) Vgl. Igl/Ludwig, MedR 2014, 214.
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ten Berufen gemeinsam mit den nationalen Koordinatoren bewertet werden können. Durch einen gemeinsamen Ausbildungsrahmen dürfen nationale Ausbildungsprogramme nicht ersetzt werden. Der jeweilige Mitgliedstaat muss also nach Art. 49 Abs. 1 der RL aktiv die Anwendbarkeit solch eines Ausbildungsrahmens zulassen. Liegen die Voraussetzungen nach Abs. 2 vor, so muss der Mitgliedstaat auf der Grundlage solch eines gemeinsamen Ausbildungsrahmens erworbene Ausbildungsnachweise mit eigenen gleichstellen. Damit wird im Prinzip das Ziel verfolgt, das bislang mit der Ausbildungsplattform erreicht werden sollte. Art. 15 der RL, der die Plattformen betraf, wurde gestrichen. Die Voraussetzung von Art. 49a Abs. 2 Buchst. a der RL, wonach ein erhöhter Wechsel ins Ausland erreicht werden muss, ist unklar. Zum einen ist nicht erkennbar, ob damit ein Wechsel nach Abschluss der Ausbildung gemeint ist oder ggf. während der Ausbildung. Weiter ist es schwer objektiv festzustellen, ob durch entsprechende Maßnahmen der Wechsel in andere Mitgliedstaaten erleichtert wird. Diese Erleichterung muss dann auch noch darin bestehen, dass die Zahl der Wechsler zunehmen kann. Das Kriterium ist im Grundsatz wohl nur nachträglich zu prüfen, muss aber als Voraussetzung bereits mit Beginn vorliegen. Nach Abs. 7 betrifft die Regelung auch Spezialisierungen, also Ausbildungsnachweise der Fachärzte und Fachzahnärzte, wenn diese nicht selbst der automatischen Anerkennung unterliegen, was bei diesen Weiterbildungen aber nach Art. 21 der RL im Grundsatz und für die Mehrzahl der Weiterbildungen der Fall ist. Eine gemeinsame Ausbildungsprüfung nach Art. 49b Abs. 1 der RL kommt für die Abschlüsse der Ärzte und Zahnärzte, ebenso wie für Fachärzte und Fachzahnärzte, derzeit nicht in Betracht. Die Prüfungen sind hier innerhalb der EU völlig unterschiedlich. Voraussetzung müsste aber sein, dass es sich um eine standardisierte Prüfung handelt, die in allen Mitgliedstaaten zur Verfügung steht und Inhabern einer bestimmten Berufsqualifikation vorbehalten ist. Die Regelung ist in sich aber schlüssig. Wenn eine einheitliche Prüfung bestanden wird, muss diese auch den Zugang in allen Mitgliedstaaten ermöglichen. 5. Weitere Änderungen Die Möglichkeit eines partiellen Zugangs zum Beruf nach Art. 4f der RL gilt nach Abs. 6 nicht für die harmonisierten Berufe und findet damit auf Ärzte und Zahnärzte keine Anwendung. Der Aufnahmemitgliedstaat kann zukünftig nach Art. 8 Abs. 1 der RL Informationen über die Rechtmäßigkeit der Dienstleistung, die gute Führung, strafrechtliche und disziplinarische Sanktionen nur bei berechtigten Zweifeln anfordern. Es stellt sich die Frage, ob damit ausreichend gesichert ist, dass Einschränkungen des Berufsausübungsund Niederlassungsrechts im Herkunfts- oder Niederlassungsmitgliedstaat auch den Aufnahmemitgliedstaaten bekannt werden, in denen der Beruf gerade ausgeübt wird. Es erschließt sich nicht, warum künftig diese Informationen nur noch bei berechtigten Zweifeln möglich sein sollen und worin diese Zweifel bestehen müssen. Damit stellt sich weiter die Frage, wie der Aufnahmemitgliedstaat überhaupt an Informationen kommen soll, die zu berechtigten Zweifeln führen können. Damit wird die Patientensicherheit eher gefährdet. In Art. 14 Abs. 1 der RL geht es um Anpassungsmaßnahmen, die für Ärzte nur in Betracht kommen, wenn bei erworbenen Rechten die geforderte Berufspraxis nicht vorliegt (Art. 10 Buchst. b der RL) oder es sich um Drittstaatsdiplome handelt, die bereits von einem anderen Mitgliedstaat anerkannt wurden (Art. 10
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Buchst. g i. V. mit Art. 3 Abs. 3 der RL). Anpassungsmaßnahmen durften nach dem bisherigen Buchst. a auch verlangt werden, wenn die Ausbildungsdauer mindestens ein Jahr unter der im Aufnahmemitgliedstaat geforderten Dauer liegt. Diese Bedingung wurde gestrichen, d. h. auch dann, wenn die Ausbildung der Ärzte oder Zahnärzte in dem jeweiligen Drittstaat unter vier Jahren lag, dürfen keine Anpassungsmaßnahmen verlangt werden. Für Ärzte und Zahnärzte mit EU-Diplomen ist dies nicht relevant, da alle Mitgliedstaaten die Mindestausbildungsdauer nach Art. 24 (neu: mindestens fünf Jahre) einhalten müssen. Auch unter Fächern, die sich wesentlich unterscheiden, darf nach Art. 14 Abs. 4 der RL künftig nicht mehr auf einen wesentlichen Unterschied der Dauer dieser Fächer abgestellt werden. Es ist aber nicht nachvollziehbar, weshalb gerade beim Abstellen auf Fächer, bei denen es um Kenntnis, Fähigkeiten und Kompetenzen für die Berufsausübung ankommt, nicht in einer erheblichen Abweichung der Ausbildungsdauer ein wesentlicher Unterschied gesehen werden darf. Gerade für die Kompetenzvermittlung ist entscheidend, in welchem Umfang ein medizinisches Thema gelehrt wird. Auch diese Änderung stellt eher einen Qualitätsverlust dar. Nach Abs. 7 muss sichergestellt sein, dass eine Eignungsprüfung spätestens sechs Monate nach Feststellung darüber, dass diese erforderlich ist, durchgeführt werden kann. Damit müssen die gerade neu geschaffenen Regelungen in § 36 Abs. 7 S. 1 und § 37 Abs. 7 S. 1 ÄAppO 19 geändert werden, denn die dortige Regelung ist zum einen nur eine Sollvorschrift und zwei Prüfungen pro Jahr reichen auf Dauer nicht aus, um jeweils innerhalb von sechs Monaten nach einer entsprechenden Entscheidung auch eine Prüfung durchführen zu können. Neu und sinnvoll ist die Regelung in § 25 Abs. 3a der RL, die die Anerkennung von Weiterbildungen betrifft. Es geht dabei um Fälle, in denen eine Weiterbildung abgeschlossen wurde und der Arzt eine weitere Weiterbildung absolvieren will. Bislang war der Arzt – wenn auch umstritten – an die Vorgaben für die Mindestweiterbildungszeit nach Anhang V Nr. 5.1.3. der RL gebunden. Künftig kann im nationalen Weiterbildungsrecht vorgesehen werden, dass bereits im Rahmen einer anderen Weiterbildung abgeleistete Teile im Rahmen der weiteren Weiterbildung angerechnet werden können. Dabei muss die erste Weiterbildung aber abgeschlossen worden sein. Der Text spricht davon, dass die fachärztliche Berufsqualifikation erworben sein muss. Die Verkürzung ist zeitlich begrenzt. Die Anrechnung darf höchstens die Hälfte der Weiterbildungszeit für die weitere Facharztqualifikation betragen. Es fällt auf, dass für andere Weiterbildungen, insbesondere für die Fachzahnärzte, keine entsprechende Änderung der RL vorgenommen wurde. Dies ist systematisch in sich nicht schlüssig, selbst wenn aufgrund der geringeren Zahl möglicher Fachzahnarztqualifikationen faktisch weniger Anwendungsfälle für eine solche Regelung zu erwarten sind. Hier wäre eine systematisch saubere Lösung vorzuziehen, die für alle entsprechenden Weiterbildungsregelungen den Grundsatz aufstellt, dass in abgeschlossenen Weiterbildungen erworbene Kenntnisse und Fähigkeiten in einer weiteren Weiterbildung bis zu einer Höchstgrenze angerechnet werden können. Da diese Regelung für Zahnärzte fehlt, müssen dort weiterhin die vollen Weiterbildungszeiten erfüllt werden. Wenn ein Mitgliedstaat hier intern Zeiten anrechnet, widerspräche dies formal den Vorgaben der RL. Da nunmehr in Art. 25 der RL für Ärzte eine ausdrückliche Anrechnungsvorschrift besteht, kann 19) Vgl. Haage, MedR 2013, 779.
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Haage, Folgen der Änderung der Berufsanerkennungsrichtlinie für Ärzte und Zahnärzte
man eine solche nicht analog für Fälle nach Art. 35 der RL anwenden. Der neue Art. 27 Abs. 2a der RL betrifft besonders erworbene Rechte italienischer Ärzte, die in der Vergangenheit als Zahnärzte tätig waren. Dies geht darauf zurück, dass Italien in der Vergangenheit die ärztliche Ausbildung auch für die Ausübung der Zahnheilkunde vorgesehen hat und letztlich nur durch den Beitritt zur EU gezwungen war, für die Ausübung der Zahnheilkunde einen eigenständigen Beruf einzuführen 20. Auch in Art. 28 Abs. 1 der RL, der die Voraussetzungen für die Zulassung zur besonderen Ausbildung in der Allgemeinmedizin regelt, wird nunmehr allein auf Art. 24 Abs. 2 der RL abgestellt und damit kein sechsjähriges Studium mehr vorausgesetzt. Für die Zahnärzte wurde neben der Regelung für die ECTS-Punkte auch eine Mindeststundenvorgabe für den Unterricht in Art. 34 Abs. 2 der RL eingefügt. Auch dies stellt eine materielle Änderung dar, da bislang auch eine Ausbildung mit weit geringerer Stundenzahl ausgereicht hat, wenn sie sich über fünf Jahre erstreckte. Bei einer Mindeststundenzahl von 25 pro ECTS-Punkt wären in fünf Jahren (300 ECTS-Punkte) mindestens 7.500 Stunden nachzuweisen. Dort wo Studiengänge bislang unabhängig von Stundenanzahlen konzipiert worden sind, kann dies zu Ausweitungen der Pflichtlehre und damit auch zu erhöhten Kosten führen. In Deutschland könnte die Änderung letztlich auch Auswirkungen auf das Zulassungsrecht haben. Dass Art. 35 Abs. 1 der RL bei der Fachzahnarztausbildung (Weiterbildung) auf eine abgeschlossene Ausbildung nach Art. 34 der RL abstellt, kann mangels Übergangsregelungen zu Problemen führen. Künftig erfordert eine Ausbildung als Zahnarzt 5.000 Unterrichtsstunden. Blieb die Ausbildung – bislang richtlinienkonform – dahinter zurück, können so qualifizierte Zahnärzte ab dem 18. 1. 2016 keine Ausbildung nach Art. 34 der RL vorweisen und dürften somit keine Weiterbildung beginnen. Hier hätte es einer Bestandsregelung bedurft. Mit dem neuen Art. 35 Abs. 5 der RL kann die Kommission neue Fachzahnarztbezeichnungen in den Anhang V Nr. 5.3.3. aufnehmen. Voraussetzung hierfür ist, dass eine solche Fachzahnarztbezeichnung in vierzig Prozent der Mitgliedstaaten vorhanden ist. Nach dem Wortlaut zählen bei solchen Regelungen nur die EU-Staaten, nicht aber die EWR-Staaten oder Vertragsstaaten (Schweiz), die nicht selbst EU-Staaten sind. Der Regelungsgehalt des neuen Art. 37 Abs. 3 für erworbene Rechte von Zahnärzten bleibt unklar, weil danach alle Zahnarztdiplome gemeint wären. Nach Sinn und Zweck kann es sich aber nur um die Ausbildungsnachweise nach Art. 37 der RL handeln. Die Ausbildungen müssen bis zum Umsetzungszeitpunkt der RL-Änderung am 18. 1. 2016 begonnen werden. Es handelt sich damit um ein Auslaufdatum für diese Übergangsfälle. Art. 37 Abs. 4 der RL betrifft eine Sondergruppe von spanischen Ärzten, denen erworbene Rechte zugestanden werden. Art. 38 Abs. 1 der RL ist nur insoweit interessant, als dort die Ausbildung für Tierärzte weiterhin nur eine Mindestausbildungszeit in Jahren, nicht aber in Ausbildungsstunden vorsieht. Gleiches gilt für die Ausbildung der Apotheker nach Art. 44 Abs. 2 und für die Architekten nach Art. 46 Abs. 1 der RL. Eine Vereinheitlichung des Regelungssystems wäre hier wünschenswert. Eine Verbesserung der Patientensicherheit stellt der neue Art. 50 Abs. 3a der RL dar, wonach bei berechtigten Zweifeln über eine Aussetzung oder Untersagung der Berufsausübung vom Herkunftsmitgliedstaat eine entsprechende Bestätigung verlangt werden kann. Auch hierfür ist nach Abs. 3b der Datenaustausch über das IMI-System zu nutzen.
Die Anforderungen an die Sprachkenntnisse in Art. 53 der RL sind konkretisiert worden. Nach Abs. 2 reichen Kenntnisse in einer Amtssprache des Mitgliedstaates aus. Diese Anforderung ist bei Ärzten und Zahnärzten unproblematisch, da diese Berufe nach Abs. 3 Auswirkungen auf die Patientensicherheit haben. Nach Abs. 4 müssen die Überprüfungen der Sprachkenntnisse in angemessenem Verhältnis zur auszuübenden Tätigkeit stehen. Es gilt somit der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, der nach deutschem Verwaltungsrecht per se gilt. Allerdings lässt die Regelung offen, ob damit nur die konkret von der Person beabsichtigten Tätigkeiten gemeint sind oder aber alle Tätigkeiten, zu denen die Berufszulassung befugt. Käme es nur auf die beabsichtigten Tätigkeiten an, wäre nicht überprüf bar, ob später, wenn die betreffende Person ihren Tätigkeitsbereich verändert, noch ausreichende Sprachkenntnisse vorliegen. Hier muss der Patientenschutz vorgehen. Aus dem Grundsatz der Angemessenheit folgt nicht nur eine Begrenzung i. S. eines Übermaßverbotes, sondern umgekehrt auch ein Gebot der Verhältnismäßigkeit, d. h. in dem Maße, in dem die konkrete Tätigkeit – z.B. die Ausübung des Berufes als Arzt – Sprachkenntnisse fordert, müssen diese auch überprüft werden. Gegen die Entscheidungen der zuständigen Stellen können Rechtsbehelfe eingelegt werden. Nach Abs. 3 Unterabs. 2 behält die RL den Grundsatz bei, dass die Sprachprüfung unabhängig von der Anerkennung der Berufsqualifikation zu erfolgen hat. Der neue Vorwarnmechanismus nach Art. 56a der RL verbessert ebenfalls die Patientensicherheit. Ist die Berufsausübung untersagt oder eingeschränkt worden, müssen die Behörden die Behörden aller anderen Mitgliedstaaten darüber unterrichten. Dies betrifft nach den Buchst. a, b, d und e Ärzte, Fachärzte, Zahnärzte und Fachzahnärzte. Nach Art. 56a Abs. 2 der RL müssen die Maßnahmen über das IMI spätestens drei Tage nach Erlass der Entscheidung erfolgen. Nach Abs. 3 gilt dies auch für Fälle, in denen die Anerkennung einer Qualifikation beantragt wurde und dabei gefälschte Berufsqualifikationsnachweise verwendet wurden. Nach Abs. 5 muss konsequenter Weise dann auch über den Ablauf solcher Maßnahmen unterrichtet werden. Nach Abs. 6 sind die Betroffenen jeweils zeitgleich zu informieren. Nach Abs. 8 erlässt die Kommission Durchführungsakte über die zuständigen Behörden und den Datenschutz. Art. 57 der RL verpflichtet zukünftig zu einem zentralen Online-Zugang zu den einschlägigen Informationen. Die zuständigen Bundes- und Landesbehörden in Deutschland müssen für den leichten Zugang und für die Aktualität dieser Daten sorgen. Der neue Art. 57a der RL verpflichtet alle Stellen, dass die entsprechenden Verfahren elektronisch abgewickelt werden können. Nur bei begründeten Zweifeln und soweit „unbedingt geboten“ dürfen danach auch beglaubigte Kopien verlangt werden. Dies erhöht die Gefahr von Fälschungen und verringert die Möglichkeiten, solche später zu erkennen. Damit wird die Patientensicherheit stärker gefährdet. Der ebenfalls neue Art. 57b der RL verpflichtet jeden Mitgliedstaat dazu, ein Beratungszentrum zu benennen, das die Bürger und Beratungszentren anderer Mitgliedsstaaten über die einschlägigen Rechtsvorschriften, auch zum Sozialrecht und Berufs- und Standesrecht, informieren muss. Art. 59 der RL enthält eine Transparenzreglung, wonach die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, bis zur Umsetzungsfrist am 18. 1. 2016 entsprechende Daten und Verzeichnisse an die Kommission zu übermitteln. Wie bisher erstellt die Kommission nach Art. 59 Abs. 2 alle fünf Jahre einen Bericht über die Anwendung der RL, 20) Vgl. dazu auch die Regelung in § 20 a ZHG.
Becker, Die Erfolgsgeeignetheit in der vertraglichen Arzthaftung
beginnend mit dem 18. 1. 2019, also drei Jahre nach Ablauf der Umsetzungsfrist. Anhang VII Nr. 1 wird um Buchst. g ergänzt. Es kann künftig auch eine Bescheinigung darüber verlangt werden, dass die Ausübung des Berufs nicht vorübergehend
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oder endgültig untersagt wurde und dass keine Vorstrafen vorliegen, sofern der Mitgliedstaat dies von seinen eigenen Staatsangehörigen verlangt. Hier ist zu erwarten, dass die Liste in § 39 Abs. 1 ÄAppO entsprechend ergänzt wird (im Wege der Umsetzung – bis zum 18. 1. 2016).
Die Erfolgsgeeignetheit in der vertraglichen Arzthaftung – Zugleich ein Beitrag zur Grenze der Therapiefreiheit –
Maximilian Becker I. Einleitung Nach dem gegenwärtigen Stand der Arzthaftung liegt ein Behandlungsfehler unter anderem in der Wahl einer Therapie mit bekanntermaßen unwirksamen Verfahren, sofern diese nicht als Placebos ausgewiesen werden. Auch im alternativmedizinischen Bereich deckt die Therapiefreiheit keine Verfahren, für deren Wirksamkeit keine Anhaltspunkte bestehen. Insofern herrscht Einigkeit. Zur Haftung kommt es dennoch selten, wofür verschiedene Gründe in Betracht kommen, insbesondere herrscht Unklarheit über die Abgrenzung der Wirksamkeit. Patienten entstehen auf diesem Weg zumindest Schäden in Form des gezahlten Honorars und von Kosten für Leistungen und Produkte, die sie im Rahmen der Therapie bei Dritten erwerben mussten. Diese Schadensposten sind über einen Therapie- oder Auf klärungsfehler nur in Ausnahmefällen liquidierbar. Das in unwirksame Behandlungen gesteckte Vertrauen kann überdies zum verkürzten Einsatz konventioneller Therapien 1 sowie zum Verlust wertvoller Zeit 2 führen und (etwa im Fall nutzloser Diäten) auch zu körperlichen Einbußen (z. B. an Gewicht oder Abwehrkräften). Die Problematik fügt sich in das System der Arzthaftung zurzeit als Therapiewahlfehler, also als Schlechtleistung ein – der Behandelnde leistet „nicht wie geschuldet“. Eine dogmatisch passendere Lösung, deren Wertungen und Rechtsfolgen absehbar unwirksamen Behandlungen zudem besser entsprechen, ist die anfängliche Unmöglichkeit (§§ 275 Abs. 1, 311a BGB). Obwohl die Unmöglichkeit der Hauptleistung eine gravierende Leistungsstörung darstellt, fristet sie in der Arzthaftung bislang ein Schattendasein. Dabei können ihre Kriterien in vielen Fällen auch für die Abgrenzung der Therapiefreiheit fruchtbar gemacht werden. Nach der hier vertretenen Ansicht setzt die Unmöglichkeit (erst) an einer Stelle ein, an der für Schul- und Alternativmedizin das Risiko der Beeinträchtigung des medizinischen Fortschritts hinter den beschriebenen Risiken unwirksamer Behandlungen deutlich zurückbleibt. Lehnt man die anfängliche Unmöglichkeit bestimmter Behandlungen als Leistungsstörung im Medizinrecht nicht prinzipiell ab – was einer Begründung bedürfte –, muss sie in die geltende vertragliche Arzthaftung integriert werden. Prof. Dr. iur. Maximilian Becker, Juniorprofessur für Bürgerliches Recht und Immaterialgüterrecht, Universität Siegen, Hölderlinstraße 3, 57068 Siegen, Deutschland
II. Unmöglichkeit als Leistungsstörung im Behandlungsvertrag Eine Leistung ist unmöglich i. S. des § 275 Abs. 1 BGB, wenn sie „nach den Naturgesetzen oder nach dem Stand der Erkenntnis von Wissenschaft und Technik nicht erbracht werden kann“. Dies stellte der BGH 3 für Dienstverträge fest. Hieraus lässt sich die prinzipielle Anwendbarkeit des Unmöglichkeitsrechts auch auf Behandlungsverträge (§§ 630 a ff. BGB) ableiten 4. Gemeint sind nicht Fälle des frühzeitigen Versterbens oder der plötzlichen Genesung des Patienten (Zweckfortfall bzw. -erreichung), der Erkrankung des persönlich verpflichteten Arztes oder des grundsätzlichen Fehlens geeigneter Behandlungsmaßnahmen. Es geht vielmehr um Fälle, in denen die beabsichtigte Wirkung der geschuldeten Behandlung (i. d. R. anfänglich) objektiv unmöglich ist 5. Voraussetzung ist eine genaue Auslegung des Behandlungsvertrags. Gängigster und abhängig von der Vertragsauslegung auch berechtigter Einwand gegen die Unmöglichkeit in Dienstverträgen ist, dass eine Dienstleistung nicht unmöglich ist, wenn die vereinbarten Methoden, Techniken oder Handlungen physisch durchführbar sind 6. Wie verhält es sich also, wenn z. B. das Pendel zur Diagnose tatsächlich eingesetzt oder eine Behandlung nach den Regeln der Bach-Blütentherapie durchgeführt werden kann? Ist die versprochene Leistung dann möglich? Gegenstand eines Dienst- und erst recht eines Behandlungsvertrages sind keine beliebigen, sondern ganz bestimmte, nämlich die „versprochenen“ Dienste bzw. Behandlungen (§§ 611 Abs. 1; 630a Abs. 1 BGB), wobei Behandlungen durch § 630 a Abs. 2 BGB zudem an den jeweiligen fachlichen Standard gebunden sind. Die Leistungshandlung als das, was der Verpflichtete physisch tut, ist vom Leistungserfolg als dem, was die Leistungshandlung zu bewirken bestimmt ist, zu unterscheiden. Darüber schwebt der für das Unmöglichkeitsrecht irrelevante, für 1) Zylka=Menhorn, DÄBl. 2012, A-322. 2) S. a. Ulatowski, DÄBl. 2011, A-864. 3) BGHZ 188, 71, 2. Leitsatz. 4) Becker, Rechtswissenschaft (RW) 2013, 123, 129 ff. 5) Vgl. Becker, RW 2013, 123, 128 f. 6) So für Dienstverträge, die auf übersinnliche Leistungen gerichtet sind, LG Ingolstadt, NStZ 2005, 313, 314 (Kartenlegung sei möglich, da nur „auf Grund der Deutung einer bestimmten Reihenfolge u. ä. von Karten dem Leistungsempfänger irgendwelche Deutungen meistens über die Zukunft“ mitgeteilt würden); Schermaier, JZ 2011, 633, 636 f.; Wolf, in: Soergel, BGB, 12. Aufl. 1990, § 306, Rdnr. 8; Windel, ZGS 2003, 466, 467.