Begutachtung Trauma Berufskrankh 2011 · 13:214–227 DOI 10.1007/s10039-010-1706-8 Online publiziert: 20. März 2011 © Springer-Verlag 2011
H. Hempfling1 · K. Weise2 1 Büro Murnau 2 BG Unfallklinik Tübingen
Ganglien und ihre Begutachtung Die Ätiologie des Ganglions wurde lange als unbekannt angesehen [88, 104, 415], auf verschiedene Theorien ist hingewiesen [524]. Bei einem Ganglion („ganglionic cyst“) handelt es sich um eine zystische Schwellung, ausgehend von einer Gelenkkapsel oder einer Sehnenscheide, bei welcher eine mukoide (schleimige) Flüssigkeit von einer fibrösen Kollagenwand umhüllt wird, d. h. es handelt sich um eine lokalisierte myxoide Veränderung von Bindegewebe [447]. Die durchschnittliche Größe von Handgelenkganglien wird mit 5 mm angegeben [87]. Mit Einführung der Magnetresonanztomographie (MRT) wurde nachgewiesen, dass zumindest Handgelenkganglien [152] häufig mit einer intraartikulären Pathologie assoziiert sind und möglicherweise Folge einer derartigen Veränderung sein können. Dies kann durch arthroskopische Untersuchungen an Handgelenken mit Ganglien [444] bestätigt werden. Diese können in kleinsten Ausmaßen bereits Symptome verursachen, ohne bei der klinischen Untersuchung erfassbar zu sein [316, 480]. Klinisch lassen sich 3 nicht notwendigerweise in dieser Reihenfolge durchlaufene Stadien der Ganglien erkennen [447]: F Stadium der Formation F stationäre Phase F Stadium der Verkleinerung Ganglien entstehen während des ganzen Lebens, gehäuft aber zwischen dem 3. und 4. Lebensjahrzehnt. Den Altersgipfel bei Ganglien am Fuß und Sprunggelenk sahen Weishaupt et al. [604] bei Männern im 3. und bei Frauen im 4. Lebensjahr-
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zehnt. Die Ganglien am Handgelenk finden sich vorwiegend radialseitig und gehäuft dorsoradial [175]. Anmerkung. Im nachfolgenden Text wird der Begriff Degeneration so verwendet, wie in der Literatur angegeben – auch in der Kenntnis, dass er häufig irrtümlich für das Bindegewebe gebraucht wird, denn es handelt sich um eine Begrifflichkeit ausschließlich für die Zellpathologie. Im Abschnitt Diskussion wird der Begriff Degeneration durch Texturstörung ersetzt. Lediglich die aktive Hyaluronansynthese kann als Degeneration im Sinne der Zellpathologie verstanden werden. Für die Gangliogenese wird die in . Tab. 1 aufgeführte Literatur zugrunde gelegt.
Ursprungssubstrat (Bindegewebe) In Frage kommen F peritendinöses [317, 365, 485], F intratendinöses [10, 95, 110, 116, 447, 454, 489, 505, 585, 627], F periostales [45, 58, 83, 173, 200, 292, 584], F subperiostales [83, 173, 208, 249, 440], F intramuskuläres [102, 467, 539, 614], F adventitiales [160, 487, 531, 574], F epi- und intraneurales [4, 29, 63, 73, 106, 167, 196, 262, 266, 288, 291, 295, 309, 323, 351, 380, 391, 397, 403, 472, 479, 482, 529, 530, 531, 532, 543, 548, 634] sowie F intraossäres Bindegewebe [28, 46, 77, 93, 96, 113, 129, 163, 166, 177, 181, 193, 194, 212, 230, 272, 278, 300, 301, 309, 327, 339, 343, 350, 400, 423, 435, 441, 473, 478, 490, 497, 506, 533, 549, 553, 576, 577, 592, 596, 610].
Peritendinöser (synonym periligamentärer) Ursprung Peritendinöse bzw. periligamentäre Gan glien stellen sich histologisch wie alle Ganglien dar [317]. Ihr Entstehungsort und damit ihre Basis befinden sich an der Sehnenscheide [365]. Sie wölben sich von dieser gegen die Sehne vor und verursachen ein entsprechendes klinisches Bild. In aller Regel handelt es sich um isolierte Ganglien, seltenst kommt es zu multiplen Ganglien der Sehnenscheiden [485]. Peritendinöse Ganglien findet man im Bereich der Semimembranosussehnen, an der Sehne der Mm. extensor pollicis longus und brevis sowie an den Peronäalsehnen, selten auch an der Achillessehne.
Intratendinöser Ursprung Intratendinöse Ganglien entstehen durch die Invasion einer Tenosynovitis in die Sehne [505], müssen aber von einem „rheumatoid ganglion“ abgegrenzt werden [116]. Bei beiden Entstehungsarten kann es zur Spontanruptur der Sehne kommen [95, 489]. Die intratendinösen Ganglien sollen sich von der Sehnenoberfläche her ausbilden [627]. Man findet sie an den Sehnen von M. extensor pollicis longus [454], M. extensor pollicis brevis [627], M. extensor peronaeus breDiese Ausarbeitung basiert in Teilen auf einem unfangreichen Text, den der Erstautor federführend für die Kommission „Gutachten“ der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie erstellt hat. An der Ausarbeitung waren beteiligt: Prof. Dr. K. Bohndorf, Augsburg; Dr. M. Gebhard, Augsburg; Prof. Dr. V. Krenn, Trier; Dr. E. Ludolph, Düsseldorf; Prof. Dr. M. Schiltenwolf, Heidelberg und Dr. F. Schröter, Kassel.
Zusammenfassung · Abstract Tab. 1 Theorien der Ganglienbildung Theorie Bruchtheorie Retentionstheorie Degenerationstheorie
Neoplasmatheorie Tumortheorie Theorie der Umwandlung von Bindegewebe
Pathogenese Herniation der Synovialmembran Tendogenes und arthrogenes Ganglion Zysten aus Follicules synoviales Kolloide Degeneration des Bindegewebes (Zystomtheorie) Traumatischer (Mikrotraumen) Entartungsvorgang Multilokuläres unilokuläres Ganglion Versprengte Keime bindegewebiger Gelenkanlagen – Arthromtheorie Proliferation von Bindegewebszellen mit gesteigerter Hyaluronansynthese
vis [110, 447], M. quadriceps femoris [585] und an der langen Bizepssehne.
Periostaler Ursprung Periostale Ganglien sind denkbar selten, sie wurden an der vorderen Tibia [1, 83, 126, 200, 579, 584], am distalen Radius [45, 58, 458], am Femur [132] sowie am Os ilium [400] beschrieben. Ausgehend vom Periost können sich Ganglien über einen Stiel bis hin zur druckbedingten Knochendefektzone ausdehnen [173].
Subperiostaler Ursprung Subperiostal lokalisierte Ganglien sind selten [208, 249]. Sie wurden vorwiegend am distalen Radius gefunden. Es handelt sich um eine mukoide Degeneration als zystenartige Formation des Periosts mit Erosion des kortikalen Knochens und reaktiver periostaler Knochenneubildung, wobei das Periost vom Knochen abgehoben wird. Histologisch gesehen entsteht das Ganglion aus dem Periost [249] und zeigt die gleiche histologische Struktur wie jedes Ganglion.
Intramuskulärer Ursprung Intramuskulär gelegene Ganglien sind Raritäten. Sie wurden im Thenar [102] und im Bizepsmuskel [467] beschrieben. Des Weiteren fand sich ein vom M. extensor digitorum brevis manus (EDBM) umgebenes Ganglion, wobei es sich um eine anatomische Variante am Handrücken handelte [614].
Literatur [30, 55, 151, 246, 591] [161, 205, 303, 552] [319, 432, 462, 523, 554]
[111, 174, 191, 233, 238, 310] [200, 390]
Adventitialer Ursprung Ausgehend von der Adventitia der Gefäßwand wurden Ganglien z. B. in der Wand der A. radialis nachgewiesen [574]. Sie können mit einem volaren Handgelenkganglion in Verbindung stehen [160]. Des Weiteren können palmare Ganglien mit ihrer Wand auf die A. radialis drücken. In solchen Fällen sollte bei der Exstirpation des Ganglions dessen Rückwand an der A. radialis erhalten bleiben [487], um eine Verletzung dieses Gefäßes zu verhindern. Die Tatsache, dass ein von einer Gefäßwand ausgehendes Ganglion mit einem extravasalen Ganglion in Verbindung stehen kann, erinnert an die intra- bzw. peritendinösen Ganglien.
Trauma Berufskrankh 2011 · 13:214–227 DOI 10.1007/s10039-010-1706-8 © Springer-Verlag 2011 H. Hempfling · K. Weise
Ganglien und ihre Begutachtung Zusammenfassung Ganglien entstehen durch Proliferation eines Bindegewebes (bei Texturstörung) mit Hohlraumbildung ohne epitheliale Auskleidung bei gleichzeitiger Hyaluronanbildung. Die Gangliogenese ist an das Vorhandensein von Bindegewebe gebunden und Folge einer Überlastung. Schlüsselwörter Ganglien · Bindegewebe · Gangliogenese · Hyaluronan · Überlastung
Expert opinion on ganglion cysts Abstract Ganglion cysts are the result of connective tissue proliferation (in the case of a texture disorder) involving the formation of a cavity with no epithelial lining at the same time as hyaluronan formation. Ganglion genesis is associated with the presence of connective tissue and the results of overuse. Keywords Ganglion cysts · Connective tissue · Ganglion genesis · Hyaluronan · Overuse
Epi- und intraneuraler Ursprung Diese Ganglien gehen im Allgemeinen von den Nervenscheiden aus, können aber auch als intraneurales Ganglion von der bindegewebigen Umhüllung der einzelnen Faszikel ihren Ausgang nehmen. Somit handelt es sich um eine zystische Texturstörung des Epineuriums [323]. Ein weiterer Weg zur Entstehung des intraneuralen Ganglions ist eine so genannte „synovial invasion“, d. h. die Gangliogenese verläuft entlang einem Nervenast, z. B. vom hinteren Teil der Articulatio fibulotibialis ausgehend [528], bis in die Nervenstruktur hinein. Intraneurale Ganglien findet man am N. ulnaris [397, 548, 634], N. medianus [262], N. tibialis [528], N. peronaeus [266] sowie N. suprascapularis [482], bei LetzTrauma und Berufskrankheit 3 · 2011
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Begutachtung Tab. 2 Wesentliche Kriterien zur Diagnose von Ganglien Immer Gelenknähe A Solitär B Multipel
Gelenkpathologie Sehnenscheidenpathologie Sonstige: periostal, ossär
terem kommt differenzialdiagnostisch auch ein Schwannom in Frage [472]. An der unteren Extremität überwiegen diese intraneuralen Ganglienbildungen am N. ischiadicus [323], N. suralis, N. tibialis posterior und den Nn. digitales [4, 73]. Bei intraneuralen Ganglien entsteht eine Druckschädigung im Nerv selbst, epineurale Ganglien dagegen üben Druck von außen auf den Nerv aus.
Nervenkompressionen
Sie treten an Nervenengstellen auf oder werden durch Kompression von außen hervorgerufen, z. B. als Karpaltunnelsyndrom nach distalen Radiusfrakturen mit Fragmentdislokation und dadurch bedingtem Druck auf den Nerv, aber auch durch Druck von Ganglien auf Nerven. Häufig betroffene Engstellen sind z. B.: F Karpaltunnel [106, 262, 309, 382] F „Guyon’s canal“ [56, 156, 253, 295] („nerve sheat ganglion“) [543] F Radialtunnel [385] F Skapulartunnel a) Supraskapulare Notch [117, 164, 204, 312, 379, 407, 538, 607, 613] b) Spinoglenoide Notch [183, 192, 228, 264, 328, 457, 498, 499, 500, 607, 613, 626] F Quadrilateraler Spalt (N. axillaris [481]) F Piriformislücke (N. ischiadicus [252]) F Tarsaltunnel [344]
Intraossärer Ursprung Intraossäre Ganglien sind häufiger als vermutet [350] und histologisch wie alle Ganglien aufgebaut [441]. Eine Kommunikation mit dem Gelenkspalt, z. B. SL-Spalt (SL: skapholunär) [343], oder zum Pisotriquetral- [592] bzw. Skaphotrapezoidalgelenk [212] ist möglich. Intraossäre karpale Ganglien sind ungewöhnlich [327] und oft mit Handgelenkschmerzen verbunden, ohne dass ein Trauma bekannt wäre. Andererseits werden sie häufiger als angenommen beschrieben [506], daher bedarf es beim
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unklaren Handgelenkschmerz der Abklärung durch herkömmliche Röntgen-, Computertomographie- (CT) und/oder Magnetresonanztomographieuntersuchung (MRT) [350]. Radiologisch handelt es sich um zystische Veränderungen in traossär im Sinne einer lokal begrenzten, bindegewebig zystischen Umgestaltung. Die Interpretation intraossärer Veränderungen ist differenzialdiagnostisch schwierig, u. a. muss an das Osteoidosteom gedacht werden, ebenso an das Chondrom, das aber nicht den dünnen sklerotischen Saum aufweist, des Weiteren an zystische Veränderungen bei Osteoarthritis (Pseudozysten), an das Enchondrom, Riesenzelltumoren sowie reparative Granulome [177].
Lokalisation Ganglien findet man überall am Körper, aber immer in Gelenknähe, vorwiegend treten sie an der oberen Extremität in Handgelenknähe auf (. Tab. 2). Im Vordergrund stehen die Gelenk- und Sehnenscheidenpathologie sowie die solitäre Erscheinung der Ganglien. Sie sind selten multipel zu finden!
Sehnenscheidenganglien Ihre Basis liegt an der Sehnenscheide [365]. Sie bilden sich als mukoide Texturstörung aus und treten gelegentlich zwischen die Fasern der Sehnen ein, meist bei den Extensoren und Flexoren der Finger, auch an der Achillessehne [269]. Die intratendinöse Lokalisation ist zwar selten (1,4%), führt aber zu Spontanrupturen. Die meisten Sehnenscheidenganglien findet man an der Hand sowie an den kleinen Fingergelenken (50%), weniger häufig am Fußrücken.
Schultergelenk Ganglien am Schultergelenk werden von den einzelnen Autoren unterschiedlich bezeichnet:
F „ganglion cysts“ [407], F „ganglia“ [417] oder F „synovial cysts“ [394]. Definitionsgemäß handelt es sich um muzinhaltige pseudozystische Formationen, die von flachen, spindelartigen Zellen ausgekleidet sind. Sie entstehen aus bindegewebigen Strukturen. Die Definition der synovialen Zysten unterscheidet sich hiervon, obwohl auch diese von manchen Autoren als Ganglien bezeichnet werden, auch wenn Ganglien nicht von synovialen Zellen ausgekleidet sind [346]. Gebräuchlich ist auch der Begriff „glenoid labral cyst“ [558]. Für die Diagnosestellung entscheidend ist der histologische Befund. Ganglien im Bereich der Schulter äußern sich häufig in Form von Druckeffekten auf den N. suprascapularis [457] bei inkomplett diskoidem Labrum und meist von diesem ausgehend. Es werden aber auch Schultergelenkkapsel-, selten auch Axillaganglien gefunden [27, 70]. Intraossäre Ganglien sind am Skapulahals selten und müssen von subchondralen Zysten unterschieden werden [211]. Vom Labrum ausgehende Ganglien können sowohl intra- als auch extraartikulär liegen [628], vergleichbar mit der Ganglienausbildung am Außenmeniskus bzw. am SL-Band. Die vom Labrum des Schultergelenks ausgehenden intraartikulären Ganglien werden auch als paralabrale Zysten bezeichnet [628]. Bezüglich ihrer Entstehung werden eine mukoide Degeneration oder ein Leck in der Gelenkkapsel mit gleichzeitigem Austritt der Gelenkflüssigkeit diskutiert [35, 386, 431]. Die glenohumerale Instabilität in Verbindung mit einem Schaden am Labrum bedeutet dessen Überlastung und führt zu einer Texturstörung des Labrums mit Ausbildung eines Ganglions, das sich im Gelenk ausdehnt (intraartikulär) – vergleichbar zur Situation beim Außenmeniskusganglion. Ganglien verlassen das Gelenk nach posterosuperior zwischen M. supraspinatus und M. infraspinatus, nach poste roinferior zwischen dem Ansatz des M. infraspinatus und dem Glenoid, aber auch nach anterior in den Subkorakoidalraum oberhalb der Bursa subscapularis. In Abhängigkeit von der Lokalisation des extraartikulären Ganglions kann es
zur Kompression des N. suprascapularis kommen. Dieser entspringt aus der C5Nervenwurzel oder vom oberen Stamm des Plexus brachialis [117] und erstreckt sich nach lateral zum Foramen suprascapulare durch die Incisura scapulae unter dem Lig. transversum scapulae superius hindurch. Von hier aus verlaufen 2 Äste zum M. supraspinatus und ein sensi bler Ast zum AC- (Akromioklavikular-) sowie zum Glenohumeralgelenk. Im weiteren Verlauf reicht der N. suprascapularis schräg nach lateral um die Spina scapulae durch die Spinoglenoidfurche unter dem Lig. transversum scapulae inferius (Lig. spinoglenoidale) hindurch und teilt sich für den M. infraspinatus in 3–4 motorische Äste. Eine typische Stelle für eine Einengung bzw. Kompression eines Nervs durch ein Ganglion ist die spinoglenoide Notch [171, 304, 436, 457, 613], aber auch der Bereich der Incisura scapulae mit dem Lig. transversum scapulae superius [164, 204, 407, 632]. Der Ursprung für die dort lokalisierten Ganglien wird allgemein am hinteren Labrum diskutiert, wobei auch die SLAPLäsion (SLAP: „superior labrum anterior to posterior“) II ursächlich sein kann. Die meisten Autoren sehen eine Beziehung zwischen dem Ganglion in der spinoglenoiden Notch und der oberen Labrumpathologie, auch dann wenn keine Ruptur des Labrums nachgewiesen wird [96, 393, 558]. Abgesehen von der Ganglionkompression kommt es auch in der Folge direkter Traumen mit entsprechender Weichteilkontusion, durch Frakturen, insbesondere mit Beteiligung der Incisura scapulae, sowie durch sich wiederholende Überlastungsschäden (Überkopfarbeiten) und bei kraftvollen Rotationstraktionstraumen zu Druckerscheinungen auf den N. suprascapularis [328]. Die Engstellen für den N. suprascapularis werden durch die 2 Bänder [Lig. transversum scapulae supe rius, Lig. transversum scapulae inferius (Lig. spinoglenoidale)], unter denen er verläuft, vorgegeben (. Abb. 1). Drückt zudem ein Ganglion auf diese 2 Ligamente, entstehen Kompressionssyndrome. Beim Druck auf die supraskapulare Notch ist der M. supraspinatus betroffen, beim Druck auf die spinoglenoide Notch
Lig. transversum scapulae superius
Abb. 1 7 Lagebeziehung zwischen den dorsalseitigen Ligamenten der Skapula und dem N. suprascapularis, Skapula von dorsal. (Nach [607])
Lig. transversum scapulae inferius = Lig. spinoglenoidale
N. suprascapularis
der M. supraspinatus und der M. infraspinatus.
Resümee
Gemäß oben angeführter Literatur gehen Schultergelenkganglien in aller Regel vom Labrum glenoidale aus. Daher findet man bei ihnen auch begleitende Labrumschäden. Ein Ursprung subakromial wird diskutiert [192], ebenso wurde wegen der häufig begleitenden intraartikulären Pathologie der Vergleich mit einer BakerZyste aufgebracht, diese Überlegung ist jedoch derzeit in den Hintergrund gerückt. Paralabrale Ganglien gehen vom La brum glenoidale aus [464, 607]. Wird eine glenohumerale Instabilität als Ursache für ein Ganglion genannt [558], ist auch ein instabilitätsbedingter Labrumschaden als tatsächliche Ursache für die Ganglionentstehung anzunehmen. Durch den kapsulolabralen Schaden („tear“) gelangt Synovia im Sinne einer „one way“-Strömung in das Ganglion, vergleichbar mit dem Mechanismus beim Außenmeniskus- oder Handrückengan glion [171, 210]. Wie am Außenmeniskus gibt es auch am Labrum des Schultergelenks diskoide, inkomplette Formen mit Ausbildung extraartikulärer Ganglien bis in die spinoglenoidale Notch mit Kompression des N. suprascapularis [457]. Intraossäre Ganglien nahe dem Schultergelenk sind selten, Einzelfälle wurden berichtet [272, 302, 490, 575].
Ellenbogengelenk Das proximale Radioulnargelenk ist selten Ausgangsort eines Ganglions, das sich dann durch Druck auf den N. interosseus posterior unter Ausbildung eines entsprechenden Syndroms äußert. Eine arthroskopische Dekompression wird empfohlen [385].
Am Ellenbogen finden sich gelegentlich intraossäre Ganglien [166, 286], und zwar im proximalen Radius [286], im Olekranon [149, 490] und im Humerus [66, 496].
Handgelenk Man unterscheidet die dorsalen von den palmaren Handgelenkganglien. Frauen sind häufiger betroffen als Männer, in aller Regel finden sich diese Ganglien im 2.– 4. Lebensjahrzehnt. Bis zu 90% aller Ganglien überhaupt bilden sich an den Handgelenken, 60– 70% dorsal und 18–20% volar [401]. Wie auch an anderen Lokalisationen entstehen sie von Sehnenscheiden aus (volare Retinaculumzysten) oder sind mit der Arthrose vergesellschaftet (mukoide Zysten). In nahezu allen Publikationen werden die Ganglien der Hand und des Handgelenks als häufige gutartige Tumoren bezeichnet [86, 97, 175, 521, 537, 555, 629]. Diagnostisch bereiten die sicht- und tastbaren Ganglien in aller Regel keine Schwierigkeiten, das herkömmliche dorsale Handgelenkganglion ist im Vergleich zum okkulten dorsalen Ganglion leicht erkennbar [480, 535]. Letzteres bildet sich intraartikulär, ausgehend vom SL-Band, und wird zusammen mit einem Teil der Gelenkkapsel exzidiert. Allgemeine Abhandlungen über die Diagnostik und Therapie der Handgelenkganglien sind weitgehend identisch [48, 131, 279, 316, 409, 444, 560].
Dorsales Handgelenkganglion
Ganglien gehen im Allgemeinen von einem pathomorphologischen Substrat aus, z. B. des SL- und/oder des LT-Bandes (LT: lunotriquetral) [152, 444, 535, 617]. Dabei ist ein Vergleich mit Baker-Zysten am Knie nicht möglich, weil diese nicht von einer intraartikulären PathomorphoTrauma und Berufskrankheit 3 · 2011
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Begutachtung logie ausgehen, sondern vielmehr die Folge der Reaktion des Knies im Sinne der Ergussbildung bei Meniskus- oder Knorpelschäden sind. Die Baker-Zyste stellt somit eine krankhaft veränderte Bursa semimembranoso-gastrocnemica dar. Am Handgelenk kann der Zusammenhang zwischen intraartikulärer Pathologie (SLBand) und Ganglion, z. B. am dorsalen Handgelenk, auch klinisch im Sinne eines positiven Watson-Tests als Hinweis auf eine Schädigung des SL-Bandes erkannt werden [251]. Häufigste Ausgangspunkte eines dorsalen Ganglions sind das SL-Band [18, 19, 125, 131, 145] oder eine periskaphoidale Bandschädigung [602]. Povlsen u. Peckett [444] gaben in 63% der Fälle das SLund in 13% das LT-Band als Ursprungsort an, wobei in der Hälfte der Fälle arthroskopisch zusätzliche Handgelenkschäden festgestellt werden, z. B. am ST-Band (skaphotriquetrales Band). Beim SL-Ganglion entsteht der Schmerz durch einen Druckanstieg im SL-Band [218], kleine Ganglien sind im Sinne des okkulten Ganglions schmerzhafter als größere [316]. Es wird angenommen, dass der Schmerz durch Druck auf den N. interosseus posterior zustande kommt [125]. Povlsen u. Peckett [444] nahmen an, dass er aus einer geringen SLInstabilität resultiere, das Ganglion selbst sei nicht schmerzhaft. Die postoperative Schmerzreduktion entstehe nicht allein durch die Ganglienentfernung, sondern durch die Narbenbildung im dorsalen Anteil des SL-Bandes aufgrund der Exzision des Ganglionstiels in diesem Bereich. Wird der Ganglionstiel im SL-Band nicht exzidiert, liegt die Rezidivrate bei 50% [175], bei vollständiger Stielexzision treten nur in 2% der Fälle Rezidive auf, ohne dass Instabilitäten im SL-SpaIt entstünden [146, 297]. In Ausnahmefällen führte auch die Exzision der Kapsel mit einem Teil des SL-Bandes zur skapholunären Instabilität [378]. Nach einem Zeitraum von etwa 16 Jahren finden sich nach Ganglionexzision in 80% der Fälle Rotationssubluxationen des Skaphoids, wobei eine klinische Symptomatik nicht obligat ist [602]. Auch nach Ganglionexzision und Mobilisation nach Einsteifung wurde eine solche Rotationssubluxation beschrieben [115].
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Unabhängig davon, an welcher Stelle des dorsalen Handgelenkbereichs die Ganglien zwischen den Sehnen erkannt werden, ist davon auszugehen, dass sie am dorsalen Teil des SL-Bandes entstehen. Ihre Ausdehnung erfolgt über einen Stiel, der verschiedene Wege nehmen kann und sich deshalb auch zwischen verschiedenen Sehnen durch die Gelenkkapsel vorwölbt. Wie Präparationen zeigten [125], entstehen die typischen Ganglien im SLBand, wobei es durch Druckerhöhung zur Vorwölbung durch die Gelenkkapsel kommt. Im Hauptganglion kann es aber auch, z. B. beim Durchtritt durch die Gelenkkapsel, zu kleinen zystischen Veränderungen in der Kapsel kommen, was ebenfalls für die Entwicklung eines von einer Bindegewebsstruktur ausgehenden Ganglions typisch ist.
Palmares Handgelenkganglion
Sie machen etwa 13–20% aller Handgelenkganglien aus [18, 61, 106, 133, 257, 618, 636]. Sie gehen in aller Regel vom radioskaphoidalen, skapholunären, skaphotrapezoidalen oder metakarpotrapezoidalen Gelenk aus [212], 34% entspringen aus dem skaphotrapezoidalen Intervall. Nach Ho et al. [237] bilden sie sich zu 75% von der Articulatio radioscaphocapitatum und vom Lig. radiolunatum longum, zu 25% vom Intervall zwischen Lig. radiolunatum longum und Lig. radiolunatum breve und selten von der Sehne des M. flexor carpi radialis aus [26]. Sie können auch im M.-flexor-carpi-radialis-Tunnel liegen oder diesen durchziehen. Bei Kindern unter 10 Jahren überwiegen palmare Ganglien im Vergleich zu dorsalen und entspringen häufig in der Nähe der radialen Gefäße, sodass differenzialdiagnostisch an ein Aneurysma der A. radialis gedacht werden muss [487], aber auch an eine Synovialitis villonodularis pigmentosa. Bei der chirurgischen Entfernung der palmaren Ganglien sollte die A. radialis geschont werden. Ist das Ganglion an dieser adhärent, was nach Aydin et al. [26] in 65% der Fälle zutrifft, sollte die rückseitige adhärente Wand nicht exzidiert werden, ein Rezidiv würde hieraus nicht entstehen.
SL-Band und Ganglionbildung
Dem SL-Band kommt bei der Ausbildung von Ganglien am Handgelenk eine besondere Bedeutung zu [20, 54, 115, 131, 152, 218, 251, 297, 444, 480, 535, 589, 602, 633]. Am häufigsten werden folgende Überlegungen diskutiert: F Eine SL-Band-Instabilität kann nach einer Ganglionexzision entstehen [378]. F Eine Ganglionbildung führt sekundär zum SL-Schaden, wobei das Ganglion eine vom dorsalen SL-Band ausgehende Herniation sein kann [131]. Auffällig ist zudem, dass die Rezidivrate sinkt, wenn bei der Ganglionexzision ein Teil des dorsalen SL-Bandes mit entfernt wird. Kommt es nach operativer Entfernung eines dorsalen Ganglions bei weiter bestehendem dorsalem Handschmerz zu einem Rezidiv [218], zeigen sich in 80% der Fälle ganglionartige Degenerationen am dorsalen SL-Ligament bzw. 1–2 mm kleine Zysten proximal des distalen Firstes des Skaphoids und des Lunatums („transverse ligament“ entlang der dorsal-distalen Prominenz des Skaphoids und Lunatums). Nach Angaben von Angelides u. Wallace [20] kann das dorsale Handgelenkganglion von seinem Ansatz an der dorsalen Handgelenkkapsel bis zum SL-Band verfolgt werden. Die Autoren nahmen an, dass die Ganglien durch das SL-Band hindurch mit dem SL-Spalt kommunizieren [20] und der Druck der Gelenkflüssigkeit in Letzterem für ihre Gestaltung verantwortlich sei, auch für die Ausbildung eines intraossären Ganglions. Der Stiel des Ganglions verläuft dabei unkontrolliert zwischen Synovialis und Gelenkkapsel [308], sein Kragen liegt zwischen den Bändern der Handgelenkkapsel. In seltenen Fällen bleibt das Ganglion intraartikulär [589], dann müsse der Handgelenkschmerz arthroskopisch diagnostiziert werden. Ausgehend vom SL-Band kann sich das Ganglion auch über einen Stiel um den Processus styloideus radii herum nach palmar ausbilden [506]. Wesentlich seltener als das SL-Band kann auch das LT-Band Ausgangspunkt der Ganglienentstehung sein [444].
Weitere Handgelenklokalisationen
Die Weichteilhandgelenkganglien können in etwa 47% der Fälle mit intraossären Ganglien kombiniert sein [580], wobei in 55% das Lunatum, in 24% das Skaphoid, in 17% das Capitatum und in 4% das Trapezoid betroffen sind. Seltenere Ganglien sind die von Beugesehnenscheiden ausgehenden Formen [2, 427]. Hohlhandganglien entstehen aus den Anularligamenten der Fingergrundgelenke [317, 606], man spricht von einer „sy novial herniation around the A1 pulley“. Ganglien an den Fingergelenken sind seltener und müssen von rheumatoiden zystischen Veränderungen abgegrenzt werden [82, 97, 107, 296]. Bezüglich der Ganglienentstehung sind von den diversen Karpalgelenken das Pisotriquetralgelenk mit Ausbildung des Ganglions nach ulnar [592], das Skaphotrapezoidalgelenk mit Ausbildung nach palmar [212] und das Radioskaphoidgelenk mit Ausbildung zur palmaren Handfläche [109] betroffen. Ganglion am Handgelenkdiskus. Als bindegewebige Substanz ist auch der Handgelenkdiskus Ausgangspunkt für die Ganglienbildung, meist dorsal, durch die Gelenkkapsel hindurch, im Verlauf in etwa mit den Ganglien des SL-Bandes vergleichbar [54, 152, 202, 410, 551, 595, 633]. Es wurde ein interessanter Fall beschrieben, bei dem 2 Jahre nach einer Radiusfraktur eine Ganglienbildung aus dem Handgelenkdiskus heraus nachgewiesen wurde [595].
Rezidivquoten in der Ganglientherapie am Handgelenk
Ein wesentliches Problem der operativen Ganglienentfernung am Handgelenk, sei es dorsal oder palmar, sind die Rezidivquoten. Aus der Literatur geht klar hervor, dass bei der operativen Entfernung weniger Rezidive entstehen als bei konservativer Behandlung. Bei der arthroskopisch kontrollierten Operation mit Stielentfernung und Teilresektion am SL-Band sinkt die Rezidivquote noch weiter. In der Literatur finden sich zwar viele Angaben hinsichtlich von Rezidiven (. Tab. 3), Probleme bereitet jedoch die
zeitliche Zuordnung des Untersuchungszeitpunktes zum Operationsdatum. Aus der klinischen Kontrolle der Ganglien ist bekannt [447], dass nach dem Stadium der Ganglionformation eine stationäre Phase und ein Stadium der Verkleinerung folgen, d. h. es kann zur spontanen Rückbildung kommen. Dies bedeutet, dass die Rezidivquote nicht nur von der Art der operativen Therapie (bzw. von der Art der Behandlung allgemein) abhängt, sondern auch vom Zeitpunkt der Untersuchung. Es ist aber verständlich, dass – und dies trifft für alle Ganglien zu – nach Mitentfernung des pathomorphologischen Substrats, aus welchem sich das Ganglion entwickelt, eine niedrigere Rezidivquote zu erwarten ist als bei Fällen, in denen es nicht mit entfernt wurde. Am Handgelenk bedarf es folglich der Teilentfernung des SL-Bandes und der Exzision der Kapsel, der Stiel muss vom Ganglion aus bis zu seinem Ursprung verfolgt und exzidiert werden. Bei einer derart sorgfältigen operativen Behandlung ist mit einer Rezidivquote um 2% zu rechnen, wohingegen bei der herkömmlichen operativen Behandlung bis zu 50% Rezidive beschrieben sind. Als Leitlinie gilt, dass, unter Außerachtlassung der Spontanremission als Funktion von der Zeit, die Rezidivquote nicht allein von der Art der Therapie, sondern auch vom Zeitintervall bis zur Untersuchung abhängig ist (. Tab. 3).
Resümee
Am Handgelenk und in den Handwurzelknochen sind Ganglien häufig, d. h. in der distalen Ulna [166, 268, 490, 533, 616, 620] und im Radius [282, 490]. Bei den Handwurzelknochen überwiegen das Lunatum [46, 132, 166, 255, 268, 309, 343, 350, 389, 423, 490, 493, 553, 576] und das Skaphoid [7, 128, 132, 272, 278, 300, 301, 350, 377, 435, 490, 580], manchmal finden sich Gan glien bilateral [268, 339, 549], aber auch im Capitatum [67, 119, 268, 350, 490, 580], im Hamatum [272, 350, 361], im Triquetrum [166, 350], im Trapezium [350, 588], im Trapezoideum [76], im Os pisiforme [230] und selten im Metakarpale I [75, 283, 284, 406] sowie interphalangeal [443].
Tab. 3 Rezidivquote Rezidive = f (Operationstechnik und Untersuchungszeitpunkt) Operativ weniger Rezidive als konservativ A Gezielte Stielentfernung und SL-Band-Teilresektion B Ganglienentfernung ohne Stielentfernung Rezidive B>A SL skapholunär
Hüftgelenk An ihm müssen zystische Veränderungen (Iliopsoasbursitis, Obturatorius-externusBursitis u. a.) von Ganglien differenziert werden [363], wobei Letztere aber auch, zumindest klinisch, eine Zyste bis hin zur Femoralhernie vortäuschen können [108]. Die Ganglienproblematik am Hüftgelenk wurde erstmals von McBeath u. Neidhard [368] in Verbindung mit dem Labrum acetabulare diskutiert. Die Ganglien entstünden bei Fehlbelastung des vorderen oberen Labrums, die zu einer zystischen Degeneration, vergleichbar mit den Meniskusganglien [363, 571] führe, und sich vorwiegend bei der Hüftdysplasie zeige [139]. Labrumganglien werden als Weichteilganglion, aber auch als intraossäres Ganglion im Azetabulum gefunden [299]. In aller Regel gehe eine Labrumschädigung voraus, von der aus sich im Sinne der zystischen Degeneration das Weichteilganglion entwickle. Durch den Labrumdefekt hindurch könne die Ganglienbildung aber auch in den Knochen (Azetabulum) hinein erfolgen, was durch eine intraartikuläre Drucksteigerung begünstigt werde [223]: Pathogenese der Labrumganglien [223]. Durch einen abnormalen Druck auf die laterale Portion des Labrum acetabulare entstehe ein intraossäres Gan glion, das durch die äußere Ecke des Knochens breche und somit ein Weichteilganglion bilde. Auch eine intraartikuläre Drucksteigerung fördere den Austritt von Synovialflüssigkeit durch den La brumschaden und damit in die Weichteile am Labrumansatz, was zu einem Ganglion führe.
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Begutachtung 1
paraazetabularen Ganglions (Os acetabulare).
2 3
Liegt das Ganglion mit entsprechender Größe in Höhe des N. ischiadicus, ist eine Nervenkompressionssymptomatik im Bereich der Piriformislücke möglich [252].
4
Abb. 2 8 Intraartikuläre Ganglien (Meniskusganglien) und deren Lagebeziehung, 1 Innenmeniskusvorderhorn Hoffa [494], 2 Außenmeniskusvorderhorn Hämarthros [416], 3 Außenmeniskusvorderhorn interkondylär [51, 468], 4 Außenmeniskushinterhorn interkondylär [121, 260]
2
1
Abb. 3 8 Intra- und extrakapsuläre Lage von Meniskusganglien
Resümee
Für die Labrumganglien der Hüfte gelten folgende Feststellungen: 1. Schäden am Labrum entstehen nicht nur beim Kind, sondern auch bei Heranwachsenden, seltener bei älteren Patienten. 2. Labrumschäden beim Erwachsenen sind meist Folge einer länger bestehenden Hüftdysplasie. 3. Intraossäre Ganglien im Azetabulum sind mit einer Hüftdysplasie, mit einem Labrumschaden oder mit beiden assoziiert. 4. Die Nativröntgenuntersuchung kann Luft innerhalb des ossären oder auch des paraartikulären Ganglions zeigen. 5. Ein Kontrastmittelaustritt in den Labrumschaden kann bei der Hüftarthrographie oder auch der Computerarthrotomographie gesehen werden. 6. MRT und CT sind effektive Maßnahmen zum Nachweis der Labrumgan glien. 7. Die Klinik des „acetabular rim syndrome“ basiert auf einer Druckbelastung des Labrums mit der Folge eines
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Kniegelenk Ganglien am Kniegelenk sind weniger häufig, man findet sie intra- und periartikulär, eine Sonderstellung nehmen die Meniskusganglien ein. Mittlerweile gibt es Hinweise auf postoperative Ganglienbildungen, z. B. nach Kreuzbandersatzplastik im Bereich des tibialen Bohrkanals, bei Verwendung von resorbierbaren Schrauben und nichtresorbierbaren Fäden [507] bzw. nach Implantation einer Knieendoprothese im Quadrizepssehnenbereich [313, 314]. Intraartikuläre Ganglien gehen von den Kreuzbändern (LCA: Lig. cruciatum anterius, LCP: Lig. cruciatum posterius) oder den Menisken aus oder entstehen im Hoffa-Fettkörper. Ihre Lage muss nicht dem Entstehungsort entsprechen, von der Gelenkkapsel ausgehende Ganglien können sich in Richtung Kreuzbänder oder Menisken ausdehnen (. Abb. 2). Bei intraartikulären Ganglien bedarf es der Differenzierung zwischen der intra- und der extrasynovialen Lage, beide Formen sind intrakapsulär – im Gegensatz zu den paraartikulären (extrakapsulären) Ganglien. Eine extrakapsuläre Lage [357] intraartikulär entstandener Ganglien (z. B. Meniskusganglien) ist möglich (. Abb. 3).
Intraartikuläre Ganglien
Sie sind vorwiegend an den Kreuzbändern, aber auch an den Plicae (z. B. Plica alaris-medialis) zu finden. Es gibt intraossäre Ganglien, die vom vorderen Kreuzband, meist tibial, und solche, die vom Hoffa-Fettkörper ausgehen. Sie sind in aller Regel intrakapsulär, aber extrasynovial, da sie von Synovialis (Gelenkinnenhaut) bedeckt sind [141, 142]. Man nimmt bei allen intraartikulären Ganglien an, dass sie aufgrund einer mukoiden Degeneration auch ohne Instabilität, z. B. der Kreuzbänder, entstehen [49]. Es wurden aber auch Traumen angegeben [271, 433], wobei der Begriff Trau-
ma nicht als einmaliges Unfallereignis zu verstehen ist, sondern meist Mikrotraumen umschreibt. Wie bei allen Ganglienlokalisationen gehen die Ganglien auch im Bereich des Kniegelenks von Sehnen und Bändern aus, sind aber auch intraossär zu finden, meist tibial am Ansatz des vorderen Kreuzbandes, selten femoral. Sie haben in aller Regel eine Verbindung zu einem intraartikulären extrasynovialen Ganglion, wie dies auch am Handgelenk bezüglich der intraossären karpalen Ganglien gefunden wird, die ebenfalls mit einem intraartikulären Weichteilganglion in Verbindung stehen können. Die intraartikulären Ganglien im Knie können verschiedene Ausgangspunkte haben [396, 337]: F Plica-alaris-Ganglion [396] F Lig.-mucosum-Ganglion [336, 337] F Kreuzbandganglion [49, 141, 271, 335, 433, 510, 625] F Intraossäres Kreuzbandganglion [374, 515] F Hoffa-Ganglion [14, 79, 120, 275, 387, 623, 624]
Meniskusganglien
Ihre Häufigkeit beträgt unter den am Meniskus operierten Patienten etwa 3% aller Ganglien. Der Außenmeniskus ist 4-mal häufiger betroffen als der Innenmeniskus [198]. Ganglien entstehen am ligamentären Übergang bzw. am ligamentären Aufhängungssystem des lateralen und medialen Meniskus. Hier finden sich prinzipiell die gleichen pathologischen Veränderungen, wie sie auch von anderen Gelenkregionen, z. B. den Sehnen des Handgelenks, bekannt sind. Für das überwiegend gekammerte Ganglion des Meniskusligaments sei eine dysontogenetische Pathogenese wahrscheinlich [475]. Als Matrix werden Reste der Sehnenscheidenduplikatur angesehen. Als Ausgangspunkt für die Ganglienbildung werden heute die beidseits des Mesotendineums etablierten Sehnenscheidenumschlagfalten angesehen. Dies trifft für die von den Sehnenscheiden, aber auch vom Meniskusaufhängeapparat ausgehenden Ganglien zu. Die Ausdehnung der Ganglien über den Gelenkspalt hinaus an die Tibiakopfaußenseite
führt zu Druckzeichen am Knochen [134, 362, 408]. Die Erstbeschreibung des Meniskusganglions erfolgte durch Ebner [148] im Jahr 1904 oder bereits 1883 durch Nicaise (zitiert in Bennett u. Shaw [47]). Meniskusganglien sind Teil der orthopädischen/ unfallchirurgischen Praxis [22, 80, 216, 336, 337, 367, 451, 546, 557]. Vorwiegend ist der Außenmeniskus betroffen [81, 439, 461], aber auch das Hinterhorn [625], selten, in einem Verhältnis von 1:15, des Innenmeniskus [475], wobei die Angaben erheblich schwanken. Mediale Ganglien beidseits sind extrem selten [273], mediale präkapsuläre Ganglien sind pathologisch-anatomisch mit dem dorsalen vom SL-Band ausgehenden Handgelenkganglion vergleichbar [198]. Laterale Meniskusganglien liegen meist im mittleren Drittel subkapsulär vor dem lateralen Seitenband [239], selten gehen sie vom Hinterhorn aus und sind dann interkondylär gelegen [260]. Die medialen Meniskusganglien entstehen im Innenmeniskusvorderhorn und entwickeln sich subkapsulär, aber auch transkapsulär [198]. Unter den sich einer Arthroskopie unterziehenden Patienten findet man Meniskusganglien mit einer Häufigkeit zwischen 0,17% und 1,07%. Betroffen sind Personen im 20.–30. Lebensjahr [64, 81, 242, 247]. Lediglich Becton u. Young [42] setzten das Durchschnittsalter von Patienten mit Meniskusganglien mit 40–50 Jahren an. Ätiologisch wird überwiegend die degenerative Veränderung der Basis des Meniskus angeschuldigt [267, 399, 459, 475, 564], aber auch über ein Ganglion als Tumor des Meniskus nachgedacht [9, 41]. Böhler [60] sah beim Meniskusganglion immer die Verbindung mit einem Meniskusschaden bzw. einer Meniskusruptur gegeben. Platt [439] brachte das Meniskusganglion mit der Korbhenkelruptur in einen Zusammenhang, andere Autoren sahen eine häufige Assoziation zwischen Meniskusganglion und -ruptur von etwa 10% [81, 261], höhere Prozentsätze mit 17–38% gaben Sjovall [518] und Horisberger [242] an. Barrie [35] vermutete die Kombination Ganglion und Meniskusriss bei 100% der Fälle, demgegenüber stellten Vahlensieck et al. [578] eine
solche bei etwa 60% fest. Die Assoziation von Ganglion und Meniskusschaden ist medial häufiger als lateral gegeben [155]. Liegt klinisch eine Pseudozyste vor, soll bei 48% der Fälle ein Meniskusschaden bestehen [395]. Das Ganglion kann aber auch asymptomatisch sein [566] oder auch Gelenkkörper enthalten [226]. Die degenerativ bedingte Ätiologie wurde durch Untersuchungen von Szepesi u. Kullmann [546] mit folgendem Ablauf bestätigt: Das Meniskusgewebe ist eine aus Sehnengewebe und Faserknorpel bestehende Knorpelsehne [32]. In umschriebenen Gebieten sterben die Chondrozyten ab, wodurch kleine zellfreie Gebiete entstehen. Parallel mit der Ausbildung von Zellnekrosen bilden sich mikroskopische Hohlräume, die sich, insbesondere in der degenerierenden Interzellularsubstanz, vergrößern und mit benachbarten zystischen Strukturen verschmelzen, bis die makroskopische multilokuläre zystische Struktur des Ganglions entstanden ist. Dieser Ablauf wurde von Thurner u. Nigrisoll [557] bestätigt. Innenmeniskusganglien [71, 608] sind selten. Besonderheiten sind die Kompression des N. saphenus und die Beteiligung des Hoffa-Fettkörpers, wenn das Innenmeniskusganglion vom Vorderhorn ausgeht [336, 337]. Sowohl Innen- als auch Außenmeniskusganglion sind die Folge eines Popliteussyndroms. Die Überlastung des M. popliteus [216], aber auch der Überlastungsschaden am Außenmeniskus durch den Tractus iliotibialis sollten bedacht werden. Intraartikuläre Außenmeniskusgan glien sind seltener [260]. Sie können mit einem rezidivierenden Hämarthros einhergehen [416]. Das Ganglion in dieser Lokalisation, das in aller Regel von der Peripherie der Menisken (Außenmeniskus bevorzugt) ausgeht, wird deshalb auch klinisch als tumorartige Vorwölbung erkannt. Dennoch sollte eine magnetresonanztomographische Bestätigung erfolgen, um andere Diagnosen auszuschließen, z. B. Tumoren oder Aneurysmen [80, 586]. Normalerweise sind die medialen Meniskusganglien größer als die lateralen, aber dennoch öfter asymptomatisch. Normalerweise befinden sich die Ganglien im
mittleren Drittel des betroffenen Meniskus [169, 170, 429]. Neben den degenerativen Veränderungen an der Basis der Menisken werden auch Kristallablagerungserkrankungen, die rheumatoide Arthritis u. a. als Auslöser diskutiert. Viele, aber nicht alle Meniskusganglien seien mit der myxoiden Degeneration in Verbindung mit einem horizontalen Spaltriss, der sich in die parameniskale Region ausdehnt, vergesellschaftet [35, 169, 170, 197, 429, 431]. Histologisch sind Meniskusganglien (Meniskuszysten) wie alle anderen Ganglien aufgebaut [471]. Bezüglich der Ätiologie werden diskutiert: F Bindegewebsdegeneration („fibrocartilaginous myxoid degeneration“, [243]), d. h. Texturstörung F Extrusion der Synovia durch einen Meniskusriss, Klappeneffekt durch Meniskusflap [243, 434, 453] F Postoperative Folge nach AII-InsideMeniskus-Repair [340] F Trauma [35, 169, 170]
Periartikuläre Ganglien
Es werden unterschieden: F Subperiostales Ganglion [208] F Pes-anserinus-Ganglion [364, 446, 631] F Tibiofibulargelenkganglion [219, 323] Periartikuläre Ganglien sind von Synovialzysten zu differenzieren. Die typische Synovialzyste wäre die Baker-Zyste, bei welcher es sich um eine krankhaft veränderte Bursa semimembranoso-gastrocnemica handelt, die bei nicht krankhafter Beteiligung die typische synoviale Auskleidung als Gleitschicht enthält. Derartige Synovialzysten sind bei Ergussfüllung sowie Wandverdickung differenzialdia gnostisch von der Mitbeteiligung bei rheumatoider Arthritis zu differenzieren [144]. Diese ist u. a. das Resultat der häufigen stielartigen Verbindung des Schleimbeutels mit dem Gelenkinnenraum. Die Verbindung zwischen Schleimbeutel (Bursa semimembranoso-gastrocnemica) und Gelenk wurde bei Leichenuntersuchungen mit 35–55% angegeben, wobei die Häufigkeit mit zunehmendem Alter ansteigt [332, 612]. Trauma und Berufskrankheit 3 · 2011
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Begutachtung Tab. 4 Arthroskopische Klassifikation dorsaler Handgelenkganglien. (Nach [411]) Typ I II a
b
Charakteristika Ganglion und Stiel sind sichtbar. Ganglion oder Stiel wölben sich bei Kompression von außen in das Gelenk vor. Ganglion oder Stiel sind arthroskopisch nicht erkennbar.
Die zystischen Läsionen am Knie können alle Schleimbeutel betreffen, auch den des Pes anserinus, sind aber nicht mit Ganglien identisch. Ganglien entstehen klassischerweise aus Bindegewebe, am Knie folglich aus Muskelfasern oder Sehnenscheiden, sie können mit dem Gelenk kommunizieren oder auch nicht. Wenn sie mit dem Gelenk kommunizieren, ist der Begriff Ganglion nach Meinung einiger Autoren [612] nicht angebracht, sondern es sollte die Bezeichnung Synovialzyste gewählt werden. Stehen sie dagegen nur mit der Gelenkkapsel in Verbindung, sei die Bezeichnung Ganglion korrekt.
Sonstige Ganglien
Hierunter fallen Ganglien F nach LCA-Ersatz [507, 594], F bei LCA-Ersatz-Fehllage [38] und F nach Knie-TEP (TEP: Totalendoprothese) [313, 314] Am Kniegelenk können Ganglien an den Menisken entstehen, mit typischen Druckusuren am Tibiakopf im Bereich der Umschlagfalte der fibrösen Kapsel [8, 159]. Korrespondierende Läsionen am lateralen Femurkondylus sind meist breiter und flacher. Die Usuren unterminieren die Knorpel-Knochen-Grenze. Mediale Meniskuszysten mit entsprechenden Veränderungen an der medialen Seite des Kniegelenks sind dabei weitaus seltener [8].
Sprunggelenk/Fuß SynoviaIe Zysten und Ganglien sind am Sprunggelenk seltener als am Handgelenk. Am Fuß sind sie noch seltener zu finden als am oberen Sprunggelenk. Die Pathomorphologie ist aber identisch mit der der oberen Extremität. Die Ganglien am Sprunggelenk sind vorwie-
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Trauma und Berufskrankheit 3 · 2011
gend bei Frauen zu finden, mit 82% sind sie dorsal und dorsolateral und mit 18% plantarmedial lokalisiert. Die Ganglien gehen von der Sehne des M. tibialis posterior [4], des M. flexor digitorum longus [4] sowie des M. peronaeus brevis aus [463, 598]. Bezüglich der Gelenke können Ganglien vom Talokuboidgelenk [484], vom unteren Sprunggelenk bzw. vom Sinus tarsi [329] stammen sowie von einem Hallux valgus ausgehen [567]. Die histologischen Untersuchungsergebnisse sind mit denen bei anderen Ganglien identisch. Bei der operativen Entfernung der Ganglien im Bereich des oberen Sprunggelenks und Fußes ist bei der Exzision mit einer Rezidivquote von 43% zu rechnen [471]. Intraossäre Ganglien findet man in der Tibia [77, 137, 272, 445, 490, 616], der Patella [89, 366], der Fibula [234, 610] und im Femur [272, 366], im Einzelfall auch vom hinteren Kreuzband ausgehend [270]. Am Sprunggelenk sind sie im Innenknöchel [114, 173, 272, 381, 492, 508, 616], Talus [37, 39, 92, 158, 231, 306, 484, 490], Kalka neus [150], selten im Außenknöchel [6, 37, 272, 490] und extrem selten im Fuß- und Zehenbereich lokalisiert [166, 209, 283, 284, 381, 383, 398, 477, 556, 597, 619]. Am Fuß werden sie am Talus, am Innen- und Außenknöchel, am Os cuneiforme III sowie an den Fußwurzelknochen gefunden [272, 490, 473, 610]. Für die intraossären Ganglien an der unteren Extremität gelten die gleichen Überlegungen wie für alle intraossären Ganglien.
Diagnostik Ein einheitliches diagnostisches Schema im Diagnosespektrum der Ganglien gibt es nicht. Zwar sind alle Ganglien an der oberen und unteren Extremität sowie an der Wirbelsäule histologisch identisch, und, soweit dies derzeit beurteilt werden kann, ist auch der Entstehungsmechanismus bei allen Ganglien der Gleiche. Ganglien sind oft augenfällige Veränderungen, können aber auch im Verborgenen entstehen und klinische Symptome verursachen (okkulte Ganglien). Allein eine Vorwölbung am Handgelenk bedeutet noch nicht, dass hier ein Ganglion vorliegt. Es kann sich auch um Sy novialzysten handeln, aber auch Tumo-
ren, einschließlich maligner Art, sodass auch ein auffälliges Ganglion eigentlich immer einer genauen Diagnostik bedarf.
Radiologische Diagnostik der Ganglien Hierzu ist zu bemerken, dass es nicht nur eine einzige Methode als Goldstandard der bildgebenden Abklärung von Gan glien gibt. Die Sonographie darf als Mittel der ersten Wahl zur Abklärung von Weichteilganglien insbesondere an der Hand angesehen werden. Sie liefert dort vergleichbar gute, wenn nicht sogar u. U. genauere Ergebnisse als die entsprechend aufwändigere MRT, wobei ihr ergänzender Einsatz auch an der Hand sinnvoll sein kann. Bei den großen Gelenken, insbesondere am Kniegelenk und in der Schulter, ist die MRT zur Darstellung von intraartikulären Begleitpathologien die Methode der Wahl. Aber auch hier kann die Sonographie als schnell und einfach durchführbares, nicht belastendes Verfahren primär wegweisend sein. Die CT spielt heute im Vergleich zur MRT in der Diagnostik von Ganglien eine untergeordnete Rolle. Sie wird nur selten als ergänzendes Verfahren zum Einsatz kommen, wenn zweifelhafte Befunde am Knochen abgeklärt werden sollen. Eine Sonderrolle spielt sie im Bereich des Spinalkanals, hier ist sie insbesondere im Anschluss an die konventionelle Myelographie noch weit verbreitet und kann sinnvoll eingesetzt werden, wenn eine MRT wegen bestehender Kontraindikationen nicht durchgeführt werden kann. Vor allem die kürzere Untersuchungsdauer lässt sie als ein Konkurrenzverfahren gerade in der Gruppe der älteren Patienten attraktiv erscheinen, die schmerzbedingt nur schlecht lange Zeit liegend verbringen können. Die Standardröntgenaufnahme hat in der Diagnostik der Ganglien nach wie vor ihre Bedeutung. Insbesondere zur Differenzialdiagnose des unklaren Handgelenkschmerzes bei fehlendem klinischem Nachweis eines Weichteilganglions ist die Röntgenuntersuchung in 2 Ebenen wichtig, um z. B. andere Pathologien wie Lunatumnekrosen, Gefügestörungen und degenerative Veränderungen darzustellen.
Dabei ist sie nicht nur zur Beurteilung intraossärer Ganglien die erste Maßnahme der Bildgebung. Sie zeigt nicht nur sicher intraossäre Ganglienanteile oder zusätzlich zu einem Weichteilganglion bestehende knöcherne Ganglien auf, sondern auch Begleitläsionen [580]. Sie liefert zudem einen validen Ausgangsbefund, der bei der gutachterlichen Beantwortung der Frage, ob später festgestellte Pathologien wie beispielsweise eine skapholunäre Dissoziation bereits präexistent waren, hilfreich sein kann.
Arthroskopie Ganglien als Nebenbefund bei der Kniearthroskopie werden mit einer Häufigkeit von 0,6% angegeben [74, 79]. Bezüglich der Diagnostik ist die Arthroskopie am Knie zur Beurteilung intraartikulär vermuteter Tumoren (Ganglien, Hoffa-Fettkörper u. a.) und am Handgelenk zur Erfassung intraartikulärer Pathologien sinnvoll [190]. Letzteres ist deshalb von Bedeutung, da die Ganglienbildung am Handgelenk vom SL-Band ausgeht und somit dessen Beurteilung eine besondere Rolle spielt. Hierfür wurde die arthroskopische Klassifikation dorsaler Handgelenkgan glien entwickelt (. Tab. 4, [411]). Im Vordergrund aber steht die Rolle der Arthroskopie in der Therapie, z. B. bei dorsalen Handgelenkganglien zur arthroskopischen Resektion des Stiels bzw. der Teilresektion am SL-Band oder bei der Behandlung von Meniskusganglien, aber auch des dorsokranialen Labrumgan glions an der Schulter mit Kompression des N. suprascapularis. Ziel ist die Drainage des Ganglions in das Gelenk durch entsprechendes Débridement und ausreichende Öffnung der Verbindung zwischen Ganglion und Gelenkinnenraum über das Labrum bzw. die Menisken.
Histologie Ganglien haben eine Wand aus dichtem fibrösem Bindegewebe mit einer dünnen Innenschicht vereinzelter flacher Zellen [471, 497], wobei es sich jedoch nicht um synoviale Deckzellen handelt [272, 371]. Sie beinhalten eine klare, hochvisköse Flüssigkeit, die Hyaluronsäure, Glukosamine u. a. enthält.
Fibroblasten
Abb. 4 7 Mukoiddegenerationstheorie
Laut Gazdzik [188] befinden sich in der Ganglienwand neben kollagenen Fasern auch aus Fibroblasten entstandene Myofibroblasten. Ihre Anwesenheit sei ein Hinweis auf eine Regeneration („repair reaction“) oder eine proliferative Antwort auf eine Verletzung der Gelenkkapsel bzw. des periartikulären Gewebes im Sinne eines „chronic trauma“ (. Abb. 4, [375]). Myofibroblasten proliferieren zu einem jungen Bindegewebe (Granulationsgewebe) und synthetisieren Proteo glykane mit hohem Chondroitinsulfatund Hyaluronatgehalt [460]. Elektronenmikroskopisch [412] sind Ganglionstrukturen (der Sehnenscheiden und Gelenkkapseln) mit den nach Sehnenscheidenresektion neu gebildeten Strukturen vergleichbar, d. h. die genannten Gebilde sind die Folge adaptiver Effekte des Mesenchyms bei einem geeigneten Stimulus [437]. Die Oberflächenultrastruktur der Ganglien besteht aus multidirektionalen Lagen kollagener Fasern ohne Zellen, die Ganglienwand erscheint nicht degenerativ oder nekrotisch [448]. Demgegenüber besitzen die Synovialmembran oder auch der Schleimbeutel Zellstrukturen. Die Ganglien entstehen aus den multifunktionellen Mesenchymzellen, die man in ihrer Wand findet und die die intraganglionäre Flüssigkeit produzieren [241]. Ein Stimulus für die Entstehung der Ganglien seien Mikrotraumen [279]. Der Ganglieninhalt stamme vom Abbau der Myofibroblasten sowie von deren Hyaluronatsekretion [188]. Soren [523] beschrieb eine Reihe degenerativer Veränderungen, die in einem Ganglion an verschiedenen Stellen nebeneinander vorliegen können [561]. Diese 4 histologisch erkennbaren Stadien (Phasen) sind für die Ganglienstruktur von Bedeutung, da sie in einem einfachen Gan glion gleichzeitig auftreten und verschiede Entwicklungsphasen nebeneinander aufzeigen. Man kann daraus schließen, dass ein Ganglion arbeitet, womit sich auch erklären würde, dass es aufgebaut werde, in einen statischen Zustand übergehe und sich auch zurückbilden könne.
Myofibroblasten
Granulationsgewebe Hyaluronat
Initialphase. Die kollagenen Fasern schwellen, es komme zur Entmischung, sodass die Fasern auseinanderbrechen. 2. Phase. In ihr werde die Verflüssigung fortgesetzt. Das Gewebe sei mit basophilem Farbstoff anfärbbar. 3. Phase. In ihr käme es zur Spaltbildung mit Flüssigkeitsfüllung. Die Höhlung werde von geformtem Bindegewebe gebildet und sei durch eine Reihe Fibrozyten endothelialen Charakters ausgekleidet [561]. Diese 3. Phase stelle das Ende des degenerativen Prozesses an der Innenwand dar. Die kollagenen Fasern würden ein festes Gefüge bilden, histologisch entstehe der Eindruck, dass der Rand der Innenauskleidung durch Proliferation kollagener Bündel dichter werde. Endphase. In der Endphase [523] zeige das Ganglion einen Rand aus Bindegewebe, der durch Proliferation breiter werde, was durch die Anzahl plumper Fibrozyten und Fibroblasten bewiesen sei. Diese Fi brozyten liegen an der inneren Wand der Höhle verstreut und formen einen inkompletten Abschluss, ähnlich der Synovialis der Gelenkkapsel. Die Mukoiddegenerationstheorie kann jedoch nicht erklären, warum der Prozess oft solitär und selbstlimitierend ist. Zudem lässt sich mit ihr die Entstehung der Rezidive bei subtotaler Ganglienentfernung nicht erklären, ebenso nicht die Prädilektion für Heranwachsende und junge Erwachsene [54]. Intraossäre Ganglien haben den gleichen histologischen Aufbau wie Gan glien im Weichteilgewebe, sind aber in aller Regel subchondral lokalisiert und entstehen primär im Knochen oder durch Penetration eines Weichteilganglions in diesen [471]. Die histologische Untersuchung aller Ganglien sei so identisch, dass McKeon et al. [373] zu der Auffassung kamen, dass histologische Untersuchungen bei gesicherter Gangliondiagnose überflüssig seien (. Abb. 5).
Trauma und Berufskrankheit 3 · 2011
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Begutachtung
Abb. 5 8 Histologischer Aspekt eines zystischen Ganglions, a Übersichtsvergrößerung, 25:1, b Detailvergrößerung 125:1, HEFärbung (HE: Hämatoxylin-Eosin) mit charakteristischem Bild einer Pseudozyste mit von fibrösem Gewebe (Fibroblasten, Fibrozyten und kollagene Matrix) gebildeter Pseudozystenwand, von kollagenen Fibrillen sowie einzelnen Fibroblasten begrenzt, b Nachweis einzelner Lumen begrenzender Zellen (Fibrozyten/Fibroblasten). (Mit freundl. Genehmigung von V. Krenn, Trier)
1
X 3
2
Gelenk
Abb. 6 8 Ganglion (X) in Gelenknähe – Beziehung zu Nerven (1), Gefäßen (2) und Sehnen (3)
Diskussion Ein Ganglion ist eine besondere Form einer Zyste. Es handelt sich dabei nicht um eine echte Zyste, die definitionsgemäß mit Epithel ausgekleidet ist, sondern um eine Pseudozyste. Die Ganglienwand besteht aus teils zellarmem, teils zellreichem Bindegewebe mit Abschnitten ödematöser Gefügelockerung und typischer myxoider (mukoider) Texturstörung kollagener Fasern, die Innenschicht zeigt vereinzelt flache Fibroblasten, aber keine epitheliale Auskleidung. Die Deckzellen sind mesenchymalen Ursprungs, d. h. keine Synoviozyten und kein Epithel. Während Zysten verschiedene Flüssigkeiten (interstitielle Flüssigkeit), Blut oder Eiter enthalten können, sind Ganglien mit einem klaren
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oder gelblichen, flüssigen bis schleimigen Material ausgefüllt, das reichlich saure Mukopolysacharide enthält. Je nach Literaturstelle werden Ganglien unterschiedlich bezeichnet. Synonyme sind: „ganglion cyst“, „mucoid cyst ganglion type“, „cystic tumor-like lesion“, manchmal auch synoviale Zyste. Ganglien sind meist in Gelenknähe oder an Stellen einer vermehrten Stresseinwirkung auf Gewebe, z. B. auf Sehnen hinter dem Außenknöchel, lokalisiert. Des Weiteren fällt auf, dass sie sich normalerweise in der Nähe eines GelenkNerven-Gefäß-Sehnen-Systems finden (. Abb. 6) und auch hier symptomatisch werden. Ganglien haben keine epitheliale und keine synoviale Auskleidung, wie dies bei Schleimbeuteln (Bursae) der Fall ist. Letztere stehen nicht alle mit dem Gelenk in Verbindung, es gibt aber Bursae, bei denen dies regelmäßig der Fall ist, z. B. bei der Bursa semimembranoso-gastrocnemica. Ausgehend von der Entstehungstheorie, dass sich Ganglien aus mukoiden Degenerationsbereichen des Bindegewebes entwickeln, wird verständlich, dass verschiedene Entstehungsorte diskutiert werden können, nämlich alle die Gewebestrukturen, die auch Bindegewebe enthalten, z. B. am Nerv das Epineurium, am Gefäß die Adventitia u. a. [529, 530, 531]. Kommt es zur Ganglienbildung aus einer Gefäßadventitia heraus, ist das Ganglion in aller Regel einem Gelenkast des Gefä-
ßes benachbart gelegen. Ganglien entwickeln sich in der Nähe eines unter Stress stehenden Areals, also in der Nähe eines Gelenkes. Wird ein Ganglion diagnostiziert, muss stets das dazu gehörende pathomorphologische Substrat gesucht werden, welches bindegewebiger Art sein muss. Dies trifft für folgende Strukturen zu: F Sehnen F Sehnenscheiden F Muskelfaszien F Perineurium F Periost F Gefäßwand F Knochen Ausgangsstellen der Ganglienbildung können aber auch spezielle, intraartikulär lokalisierte Strukturen bindegewebiger Art sein: F Labrum glenoidale am Schultergelenk F Labrum acetabulare am Hüftgelenk F Skapholunäres Band F Lunotriquetrales Band F Discus articularis des Handgelenks F Vorderes und hinteres Kreuzband F Menisken Nachdem histologisch alle Ganglien, auch intraossäre Formen, gleichartig aufgebaut sind, mit bindegewebiger Wand sowie einem flüssigkeitsgefüllten Hohlraum, dessen innere Wand nur mit spärlichen Fibroblasten bedeckt ist, kann auch erwartet werden, dass alle Ganglien die gleiche Entwicklung durchlaufen. Dennoch
finden sich in der Literatur verschiedene Theorien zur Erklärung der Gangliogenese. Es wurden tendogene und arthrogene Ganglien unterschieden [151, 246] und auf dieser Überlegung die Bruchtheorie aufgebaut. In der Folge entstanden die Retentions- [205] und die Zystomtheorie [320], Letztere beinhaltet eine gallertartige, kolloide Entartung des Bindegewebes (echte Neubildung), und zwar multilokulärer und unilokulärer Art. Eine weitere Theorie ist der traumatische Entartungsvorgang [432], bis schließlich die Arthromtheorie [174] entwickelt wurde, in welcher die Ganglionbildung aus Keimresten arthrogenen Gewebes bei der Entwicklung synovialer Organe erklärt wird. Diese Theorie nennt man auch Neoplasmatheorie, sie wurde von mehreren Autoren [174, 191, 233], auch von Cotta [111] vertreten. Aus ihr entwickelte sich dann die Tumortheorie, nach welcher die Ganglienentstehung auf eine Proliferation von Bindegewebszellen mit gesteigerter Hyaluronatsynthese zurückgeführt wird. Zu den verschiedenen Theorien wurden auch entzündliche Vorgänge aufgeführt, z. B. an den Sehnenscheiden, aber auch Ausdehnungen anatomischer Schleimbeutel u. a., wobei sich die Definitionen der Zysten und Ganglien vermischten. Berücksichtigt man die Entwicklungsstadien der Ganglien [447] – Stadium der Formation (Entwicklung), stationäre Phase, Stadium der Verkleinerung des Ganglions, möglicherweise mit spontaner Rückbildung, sowie Stadium des Dauerzustandes in der stationären Phase – wird verständlich, dass die Ergebnisse histologischer Untersuchungen abhängig von den einzelnen Entwicklungsstadien voneinander abweichen müssen und somit auch verschiedene Theorien der Entstehung diskutiert werden. Unter Einbezug all dieser Theorien und ausgehend von bindegewebigen Strukturen wird klar, dass es bei einer Proliferation von gesundem Bindegewebe (Tumortheorie 1958 [200]) an einer be- oder überlasteten Stelle zu einer Texturstörung mit Hyaluronatsynthese kommt (Degenerationstheorie, Zystomtheorie 1893 [320]). Aus dieser Kombination von Texturstörung und Hyaluronatproduktion gehen kleine Follicules synoviales hervor (Retentionstheorie 1852 [205]). Vergrößern sich die-
Tab. 5 Umwandlung von Bindegewebe mit Ausbildung von Ganglien Ausgangsgewebe Bindegewebe
Tumortheorie
1958 Proliferation
Degenerationstheorie Zystomtheorie 1893 Texturstörung Hyaluronat synthese
se, entstehen kleine und auch wachsende Ganglien, die bei einer Entwicklung in einem Gelenk als intraartikuläre Ganglien bezeichnet werden. Je nach Lokalisation handelt es sich um intra- oder extrasynoviale Formen. Kommt es durch das Vergrößern der Follicules zu einem Austritt der Ganglien aus einer Gelenkkapsel, entsteht das extraartikuläre Ganglion (Bruchtheorie 1746 [151]). Diese Entwicklung findet bei einer von einem Gelenk ausgehenden Ganglionbildung statt. Bei tendogenem oder neuralem u. a. Gewebe wird eine Unterscheidung zwischen einer Lage des Ganglions inner- oder außerhalb des Entstehungsortes möglich, z. B. zwischen intra- und epineuralem oder zwischen intra- und peritendinösem Ganglion. Somit kann auch die Differenzierung zwischen tendogenem und arthrogenem Gewebe, die im Rahmen der Bruchtheorie als Grundlage für die Ganglienbildung diskutiert wurde [30], Berücksichtigung finden. Die Kombination der Texturstörung von Bindegewebe nach einer Proliferation mit der Hyaluronatsynthese aufgrund einer Degeneration erklärt die Gangliogenese. In diese Entwicklungsreihe zu einem Ganglion können die einzelnen in der Literatur angegebenen Entstehungstheorien in Abhängigkeit vom Entwicklungsstadium eingeordnet werden (. Tab. 5). Der in verschiedenen Abschnitten ablaufende Entwicklungsprozess eines Ganglions zeigt in den einzelnen Phasen verschiedene makroskopische und mikroskopische Erscheinungsformen, die den bisher beschriebenen Theorien zugeordnet werden können. Daraus resultiert, dass nicht nur eine der bisher genannten Theorien gültig ist, sondern mehrere. Eine Theorie erklärt jeweils nur einen der verschiedenen Schritte der Ganglienentwicklung, z. B. die Retentionstheorie die Entstehung der Follicules synoviales, die Bruchtheorie die Lokalisation der
Retentionstheorie 1852 Follicules synoviales
Bruchtheorie
1746 Innerhalb Außerhalb
Des Entstehungsortes
Ganglien intra- und extraartikulär usw. (. Tab. 5). Aus der Sicht der allgemeinen Pathologie treffen 2 Begriffe zu: F die Texturstörung als pathologische Veränderung des kollagenen Fasergeflechts und F die Degeneration als zellpathologischer Begriff bei der aktiven Hyaluronanproduktion aus Zellen. Intra- und extraartikuläre Ganglienbildungen sind nur erklärbar, wenn das pathomorphologische Substrat in einem Gelenk zu finden ist, z. B. ausgehend von den Menisken des Kniegelenks, vom Labrum glenoidale des Schultergelenks (. Abb. 7), aber auch vom Diskus des Handgelenks oder anderen Zwischengelenkscheiben. Deshalb findet sich auch die hohe Rezidivrate, wenn der Stiel des Ganglions nicht bis zum Entstehungsort verfolgt wird. Dies erfordert eine Fensterung der Gelenkkapsel und auch eine Teilresektion des verschleißbedingt veränderten bindegewebigen Substrats. Die Rezidivrate am Handgelenk beträgt 17,7% (0,9–54,3%, [175]). Die Sichtung der Literatur in der Behandlung der Handgelenkganglien zeigt eine sehr hohe Rezidivquote bei konservativer Behandlung sowie bei Aspiration (48–65%). Bei der operativen Entfernung beträgt sie dagegen nur etwa 22%, bei der arthroskopischen Stielresektion sogar nur ungefähr 6%. Dies bedeutet: Je näher man am pathomorphologischen Substrat operiert, desto seltener sind Rezidive. Eine traumatische Genese für die Entstehung eines Ganglions (Meniskusganglion) wurde von Mandl [357], Passler et al. [431] und Smillie [520] angegeben, aber nur in 17% dieser angegebenen Fälle war auch tatsächlich ein Unfall erkennbar [333]. Nachdem die Ganglien vorwiegend in der 3.–4. Lebensdekade festgestellt werden, spricht dies gegen eine Trauma und Berufskrankheit 3 · 2011
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Begutachtung Bizeps Glenoid
Ganglion 1
Ganglion
Labrum
Glenoid
Labrum Gelenkkapsel
2
Ganglion
Abb. 7 9 Intra- (1) und extraartikuläres (2) Ganglion, ausgehend vom Labrum glenoidale des Schultergelenks „overuse“
Trauma
Verletzung
Bindegewebe auch Narbe*
Zelluntergang
Proliferation
Ganglion
Abb. 8 8 Gangliogenese als posttraumatischer Vorgang am Bindegewebe, Stern Narbe entspricht inkompletter pathologischer Regeneration [20]
unfallbedingte Entstehung und eher für einen verschleißbedingten Vorgang [333]. Einer gewissen Vorsicht bedarf auch die Wertung der englischsprachigen Literatur, wenn dort der Begriff „injury“ verwendet wird, denn er bedeutet nicht ein Unfallereignis im Sinne eines durch die gesetzliche oder eine private Unfallversicherung definierten Unfalls, sondern mit „injury“ sind auch die sich wiederholenden Bagatelltraumen (Mikrotraumen) gemeint, die bekannterweise zu Texturstörungen bzw. mechanisch bedingten Überlastungsschäden führen [564]. Diese Aussage bestätigt die Feststellung, dass Ganglien bevorzugt an Überlastungsstellen am Körper zu finden sind, sei es in der Nähe von Gelenken oder auch von Sehnenumlenkstellen. Nachdem allgemein angenommen wird, dass Ganglien aus einer Proliferation von Bindegewebe mit nachfolgender Texturstörung, Hohlraumbildung und Hyaluronatsynthese entstehen, trifft auch die Annahme zu, dass sie aus primärem mesen-
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chymalem Gewebe hervorgehen [35], jedoch ebenso aus der myxoiden Texturstörung am Meniskus oder am Labrum bzw. Diskus mit der Folge einer nicht traumabedingten Schädigung des Gewebes am Meniskus, z. B. im Sinne eines Horizontalrisses [169, 170, 520]. Tritt Gelenkflüssigkeit (Synovia) durch diesen Meniskus- oder Labrumschaden ein, wird auch die Genese der Ganglien von innen nach außen mit einem sich entwickelnden Ventilmechanismus auf dem Boden druckorientierten Gewebes verständlich [333]. Der gesetzlich definierte Unfallbegriff tritt als ätiologischer Faktor für die Entstehung eines Ganglions somit in den Hintergrund. Von vielen Patienten wird anamnestisch ein Trauma angegeben, das lediglich zu Schmerzen führte. Bei dieser Gelegenheit wird dann ein kleines Ganglion festgestellt, welches aber bereits vorher bestanden haben muss, allerdings ohne Probleme zu verursachen [34], denn die
Entwicklung eines Ganglions erfordert Zeit. Somit kann ein unmittelbar nach einem Unfallereignis festgestelltes Ganglion nicht als Verletzung oder als Unfallfolge gedeutet werden. Kommt es zu einer traumatischen Verletzung an einem Meniskus, am Diskus des Handgelenks oder auch am SL-Band, tritt eine so genannte pathologische Regeneration (synonym: reparative Regeneration) ein. Sie liegt dann vor, wenn in einem Zellsystem oder in einem Gewebe durch Zellschädigung Defekte entstanden sind, die durch Regeneration geheilt werden. Es kann zu einer vollständigen pathologischen Regeneration kommen, aber auch zur Ausbildung eines Ersatzgewebes (unvollständige pathologische Regeneration). In aller Regel wird sich am Bindegewebssystem eine unvollständige Regeneration mit Ausbildung einer Narbe einstellen, was als Endzustand zu bezeichnen wäre. Eine Narbe besteht aber aus Bindegewebe und somit gilt, was für alle Bindegewebsstrukturen gilt: Aus einer Narbe kann sich ein Ganglion entwickeln, aber nur wenn diese Entwicklung durch eine überlastungsbedingte Proliferation zustande kommt (. Abb. 8). Nachdem Ganglien nur an „overuse“-Stellen aus Bindegewebe entstehen, trifft dies auch für Narben zu. Voraussetzung für die Gangliogenese sind also Bindegewebe (auch Narbengewebe) und eine Überlastungsreaktion. Zusammengefasst bedeutet dies, dass sämtliche Ganglien gemäß ihrer Definition histologisch einheitlich zu bewerten sind, wobei verschiedene Entwicklungsstadien zu unterscheiden sind. Eine rein traumatische Genese kann nicht angenommen werden, allenfalls im mittelbaren Sinn, wenn sich aus einer durch eine Verletzung entstandenen Narbe, die mechanischen Überlastungen ausgesetzt ist, ein Ganglion entwickelt, was allerdings nur nach einem entsprechenden zeitlichen Abstand vorstellbar ist. In der Literatur jedoch ist eine Narbe bisher als Ausgangspunkt eines Ganglions nicht erwähnt. Hierbei handelt es sich um eine theoretische Überlegung, die aufgrund der Gangliogenese jedoch nicht außer Acht gelassen werden darf. Anders verhält es sich bei Ganglien, die sich infolge einer Berufskrankheit (BK) entwickeln, z. B. aus der Texturstö-
rung eines Meniskus oder eines Labrums, wenn durch eine Gefügestörung der betroffenen Gelenklippe oder des Meniskus eine Gangliogenese in Gang kommt. Dies würde dann einer mittelbaren Folge einer Berufskrankheit entsprechen.
Begutachtung Für die Beantwortung der Kausalitätsfrage bezüglich der Ganglien liegen folgende Fakten vor: F Ein Ganglion ist ein pseudozystischer Tumor, entstanden durch Proliferation aus Bindegewebe. F Ganglien sind an Überlastungsstellen des Körpers meist gelenknah lokalisiert. F Ganglien findet man intra- und/oder extraartikulär. F Ganglien durchlaufen Entwicklungsphasen mit der Möglichkeit einer spontanen Rückbildung. F Ganglien sind Folgen einer Bindegewebsproliferation, ohne induzierenden Verletzungsmechanismus. F Ganglien aus bindegewebigen Narben entstehen durch Überlastung (rezidivierende Mikrotraumen), nicht als Verletzungsfolge. F Ein Ganglion kann eine mittelbare BK-Folge darstellen. F Ganglien entstehen aus texturgestörtem bradytrophem Bindegewebe, lediglich die aktive Hyaluronsäureproduktion aus Zellen kann als eine Art degenerativen Geschehens gesehen werden.
Korrespondenzadresse Prof. Dr. H. Hempfling Büro Murnau, Gabriele-Münter-Platz 2, 82418 Murnau
[email protected] Interessenkonflikt. Der korrespondierende Autor gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
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