Künstl Intell (2012) 26:5–6 DOI 10.1007/s13218-011-0160-5
NAC H RU F
In memoriam John McCarthy
Online publiziert: 12. Januar 2012 © Springer-Verlag 2012
“Intelligence has two parts, which we shall call the epistemological and the heuristic. The epistemological part is the representation of the world in such a form that the solution of problems follows from the facts expressed in the representation. The heuristic part is the mechanism that on the basis of the information solves the problem and decides what to do.” (John McCarthy) In den frühen Morgenstunden des 24. Oktober diesen Jahres, ist John McCarthy in seinem Zuhause in Stanford an einem Herzversagen im Alter von 84 Jahren gestorben. Als einer der Väter der Künstlichen Intelligenz, Namensgeber und Initiator der Dartmouth Conference, die als die Geburtsstunde unseres Gebiets im Jahre 1956 gilt, ist er nicht nur uns KI’lern ein Begriff, sondern weit über unser Fachgebiet hinaus von legendärem Ruf. Sein bekanntester Schüler, Pat Hayes, urteilt: “John McCarthy’s contributions to computer science and artificial intelligence are legendary. He revolutionized the use of computers with his innovations in timesharing; he invented Lisp, one of the longest-lived computer languages in use; he made substantial contributions to early work in the mathematical theory of computation; he was one of the founders of the field of artificial intelligence; and he foresaw the need for knowledge representation before the field of AI was even properly born.” John McCarthy wurde 1927 als Sohn von Ida Glatt und John Patrick McCarty, beides US-Einwanderer aus Litauen und Irland, geboren und wuchs in der Zeit der schweren wirtschaftlichen Verhältnisse in Boston, New York und Cleveland auf: der Vater verlor Haus und Geld in der depression und die Eltern waren zu häufigen Ortswechseln und Wanderjahren gezwungen. Eine tiefgreifende Erfahrung, die uns
John McCarthy (4.9.1927–24.10.2011)
Nichtamerikanern vielleicht am besten durch John Steinbecks Romane bekannt ist und die Johns politische Überzeugungen nachhaltig geprägt hat. John McCarthy war eine sprichwörtliche Hochbegabung und ein „Wunderkind“ mit sehr frühen mathematischen Interessen und Kenntnissen, die er sich weitgehend selbst beigebracht hatte: er wurde aus der Schule entlassen, erneut zugelassen und nachdem er mehrere Klassen übersprungen hatte, ist er bereits mit 16 Jahren im Graduiertenprogramm am Caltech aufgenommen worden. Das geistige Klima im und nach dem zweiten Weltkrieg mit den Anfängen von computer science, Gehirnforschung, Psychologie und dem zunehmenden Verständnis für die neu-
6
Künstl Intell (2012) 26:5–6
ronale Informationsverarbeitung war ebenso faszinierend wie die theoretischen Grundlagen der Informatik, die mit Namen wie Alan Turing, John von Neumann und den Logikern Alonso Church oder Stephen Kleene verbunden sind: das Interesse für Computer, die denken können, war geweckt und sollte ihn nicht mehr verlassen. Zusammen mit Marvin Minsky, Herb Simon, Alan Newell und anderen schuf er die Grundlagen und ersten Ansätze unserer Disziplin. Im Gegensatz zu Marvin Minsky war McCarthy’s Ansatz durch die Logik geprägt und die durch ihn begründete logizistische Schule ist bis heute in der Grundlagenforschung der KI dominant. Die von Marvin vorgetragene Attacke, dass die nichtmonotone Natur unseres Alltagsdenkens wohl kaum durch eine Logik der ersten Stufe mit der inhärenten Deduktionseigenschaft (A → C dann A, B → C) beschrieben werden kann, fand ihre Antwort in den nichtmonotonen Logiken, deren immer mehr verfeinerter Teilchenzoo die künftigen Logiker und theoretischen KI’ler sicherlich noch einige Jahrhunderte beschäftigen wird. Pat Hayes schreibt: “From the standpoint of logicist AI, the development of formal theories such as circumscription that enabled nonmonotonic reasoning was crucial for the survival of the logicist agenda. Critics had correctly pointed out that much commonsense reasoning was nonmonotonic in nature and could not be formalized within a pure first-order logic. Showing that nonmonotonic reasoning could be formalized within an extension of first-order logic provided evidence that the logicist agenda was in fact feasible. Indeed, much of McCarthy’s work during his years at Stanford has focused on showing that the concerns that others have had about the logicist agenda can be addressed in formal logic.” Diese „concerns“sind mit den Begriffen frame problem und reasoning about actions, reification, epistomological reasoning und default reasoning, circumscription und dem qualification problem verbunden und haben unsere Einsicht in die Natur des Alltagsdenkens (common sense reasoning) von Mensch und Maschine grundsätzlich erweitert.
Sie sind heute ebenso selbstverständlicher Bestandteil der Informatik- und KI-Ausbildung sowie der Philosophie des Geistes. Wir trauern um John als einen unkonventionellen und faszinierenden Menschen im persönlichen Umgang, einen brillanten Redner und einen weit über unsere Zeit herausragenden Wissenschaftler, der unser Verständnis der Natur des Denkens nachhaltig geprägt hat. John McCarthy wurde ausgezeichnet mit dem: – – – –
Turing Award (1971) Koyoto Prize (1988) National Medal of Science der USA (1991) Benjamin Franklin Medal in Computer and Cognitive Science (2003)
er wurde aufgenommen: – als Fellow in das Computer History Museum (1999) – in die IEEE Hall of Fame (2011) Einige Referenzen: – http://en.wikipedia.org/wiki/John_McCarthy – homepage: www.formal.stanford.edu/jmc/ – Ulrich Furbach: “Logic and Commono Sense”, IEEE Hall of Fame, 2011 – http://news.stanford.edu/news/2011/october/johnmccarthy-obituary – New York Times: “Computer Design Pioneer John McCarthy, 84, dies”, October 25, 2011 – http://en.wikiquote.org/wiki/John_McCarthy Die fachlich zuverlässigste und menschlich wärmste Würdigung stammt von John McCarthy’s bekanntestem Schüler und meinem Doktorvater Pat Hayes: – On John McCarthy’s 80th Birthday, in Honour of his Contributions, Ai Magazine, vol. 28, no. 4 (2007), ISSN 07384602