Anaesthesist 1999 · 48:698–704 © Springer-Verlag 1999
Redaktion R.Larsen, Homburg/Saar
Originalien W.Wilhelm1 · A. Biedler1 · M.E. Hammadeh2 · R. Fleser1 · V. Grüneß1 Klinik für Anaesthesiologie und Intensivmedizin,Universitätskliniken des Saarlandes, Homburg/Saar 2 Frauenklinik,Universitätskliniken des Saarlandes,Homburg/Saar
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Infusionsanalgesie mit Remifentanil Ein neues Verfahren zur Schmerzausschaltung bei der transvaginalen Follikelpunktion vor In-vitro-Fertilisation
Zusammenfassung Remifentanil ist ein potentes, gut steuerbares Opioidanalgetikum mit schwacher hypnotischer Eigenwirkung, das bei alleiniger Anwendung dosisabhängig eine Schmerzausschaltung ermöglichen kann, ohne daß der Patient das Bewußtsein verliert.Bei kurzen, aber schmerzhaften Eingriffen wie der transvaginalen Follikelpunktion kann dies ein Vorteil sein, wenn dadurch auf die sonst häufig übliche Allgemeinanästhesie verzichtet werden kann.Die Qualität einer solchen Infusionsanalgesie mit Remifentanil bei wachen Patienten sollte in der vorliegenden Studie untersucht werden. Methodik: Patientinnen, bei denen eine transvaginale Follikelpunktion vor In-vitroFertilisation (IVF) geplant war, erhielten keine Prämedikation und wurden wach in den OP gebracht.Die Remifentanil-Infusion wurde mit 0,25 µg/kg/min gestartet; sobald die Frauen z.B.über ein Schwindel- oder Wärmegefühl berichteten, konnte mit der Follikelpunktion begonnen werden.Die Infusion wurde bei Bedarf in Schritten von 0,05 µg/kg/min angepaßt und mit der letzten Punktion beendet.Alle Vitalparameter inkl.der pulsoxymetrisch gemessenen Sauerstoffsättigung (psO2) wurden 2,5minütlich erfaßt, außerdem Dosisbedarf, Nebenwirkungen, Sedierungsgrad und mittels Fragebogen die Patientenzufriedenheit.Zusätzlich wurden die Remifentanil-Plasmakonzentrationen durch pharmakokinetische
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Simulation (3-Kompartimentmodell, STANPUMP-Software®) ermittelt. Ergebnisse: Insgesamt wurden die Daten (x¯±SD) von 50 Frauen im Alter von 31,8±5,1 Jahren erfaßt.Remifentanil wurde bei 70% der Patientinnen durchgehend mit 0,25 µg/kg/min dosiert, in 22% war eine Dosissteigerung auf 0,3 µg/kg/min, in 2% auf 0,4 µg/kg/min erforderlich,bei 6% mußte die Dosierung auf 0,2 µg/kg/min reduziert werden.Währenddessen blieben die Patientinnen meist wach oder waren sofort erweckbar; Blutdruck, Herz- und Spontanatemfrequenz sowie die psO2 waren im Mittel nahezu unverändert.Die berechneten Remifentanil-Plasmakonzentrationen betrugen bei OPBeginn 5,0±1,3, bei OP-Ende 6,6±1,3 und bei Ankunft im AWR 1,2±0,5 ng/ml.Insgesamt berichteten 54% der Frauen über Juckreiz, eine Thoraxrigidität trat nicht auf, 94% aller Patientinnen würden diese „Anästhesieform“ nochmals wählen. Schlußfolgerungen: Bei IVF-Follikelpunktionen ist die alleinige Anwendung von Remifentanil zur Operationsanalgesie eine gute Alternative zur Allgemeinanästhesie.Die Patientenzufriedenheit ist hoch, eine sorgfältige anästhesiologische Überwachung – insbesondere der Atemfunktion – muß aber jederzeit gewährleistet sein. Schlüsselwörter Remifentanil · Infusionsanalgesie · Follikelpunktion · In-vitro-Fertilisation
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ie Gewinnung mütterlicher Eizellen im Rahmen der In-vitro-Fertilisation (IVF) erfolgt heutzutage als Ultraschallgesteuerte transvaginale Punktion gereifter Ovarialfollikel. Der Eingriff dauert lediglich ca. 5–15 min und kann ambulant erfolgen, wird aber von den meisten Patientinnen als sehr schmerzhaft empfunden. In vielen deutschen Kliniken wird die Punktion daher in Allgemeinanästhesie durchgeführt, aber es werden auch andere Anästhesietechniken (z.B. Ataranalgesie mit Ketamin, Spinalanästhesie, etc.) eingesetzt [6, 11]. Hierbei ist nicht auszuschließen, daß die Auswahl des Anästhesieverfahrens und der Anästhetika die IVF-Erfolgsrate beeinflussen kann, so daß ganz allgemein die Anwendung weniger und kurzwirksamer Anästhesiesubstanzen in niedriger Dosierung sinnvoll erscheint. Mit dem neuen Esterase-metabolisierten Opioid Remifentanil steht nun ein potentes µ-Opioid-Analgetikum zur Verfügung, das aufgrund seiner pharmakologischen Eigenschaften eine gut steuerbare und zufriedenstellende intraoperative Schmerzausschaltung er-
Dr.W.Wilhelm, DEAA Klinik für Anaesthesiologie und Intensivmedizin, Universitätskliniken des Saarlandes, D-66421 Homburg/Saar e-mail:
[email protected]& y d & : k c o l b n f /
Anaesthesist 1999 · 48:698–704 © Springer-Verlag 1999
W.Wilhelm · A.Biedler · M.E.Hammadeh R.Fleser · V.Grüneß Remifentanil for oocyte retrieval: A new single-agent monitored anaesthesia care technique
Key words Remifentanil · Monitored anaesthesia care · Oocyte retrieval · In-vitro-fertilisation
Abstract Introduction: Transvaginal puncture for oocyte retrieval is a short-lasting but painful procedure.We hypothesized that a sole infusion of the ultra-short acting µ-agonist remifentanil may be a suitable and well-controllable single-agent analgesic technique that can dose-dependently be applied to spontaneously breathing patients. Methods: Fifty consenting adult women were enrolled in this prospective trial.A sedative premedication was omitted, all patients received 3 L/min of inhaled oxygen, and a sole remifentanil infusion was started with 0.25 µg/kg/min.Remifentanil was adjusted as needed for pain relief (in steps of 0.05 µg/kg/min) and finished after the last puncture.Dosage requirements, vital functions,oxygen saturation (as achieved by pulse oximetry, psO2), adverse drug effects and the level of sedation (LOS 1–5; 1=asleep/unarousable, 4=calm/awake) were recorded.Remifentanil plasma concentrations were achieved by STANPUMP pharmacokinetic simulation.Data are presented as mean±SD. Results: A total of 50 women (31.8±5.1 yr, 67.3±14.3 kg, ASA I or II ) were investigated. Follicular aspiration lasted 10.8±5.2 min, and remifentanil was infused for 19.7±8.3 min.Dosage requirements were 0.25 µg/kg/min in 70% of all patients, 0.3 µg/kg/min in 22%, 0.2 µg/kg/min in 6%, and 0.4 µg/kg/min in 2% of all cases.Vital signs (baseline, after 1st puncture, end of surgery) nearly remained unchanged: heart frequency=85±15, 87±17, 90±17 bpm, systolic blood pressure=129±12, 132±13, 131±14 mmHg; respiratory rate=15±3, 16±4, 15±4 breaths/min; psO2=99±1, 99±1, 99±2%.LOS was 4.0 (all), 3.9±0.3, 3.9±0.3. Remifentanil plasma concentrations were 5.0±1.3 ng/mL at the start, 6.6±1.3 at the end of surgery and 1.2±0.5 at PACU arrival. Adverse drug effects:54% itching, no muscle rigidity.94% of all women would choose this technique again. Conclusions: The sole infusion of remifentanil is a suitable and satisfying single-agent monitored anaesthesia care technique for oocyte retrieval.However, close anaesthetic observation – especially of the respiratory function – is mandatory.
möglichen kann [7], per se aber nur eine geringe hypnotische Potenz besitzt und so bei alleiniger Anwendung i.d.R. keinen Bewußtseinsverlust hervorrufen wird [9]. Aufgrund dieser Eigenschaften und der zuvor genannten Anforderungen an das Anästhesieverfahren bei IVF könnte eine alleinige Infusionsanalgesie mit Remifentanil für die transvaginale Follikelpunktion gut geeignet sein, wenn intraoperativ die Analgesiequalität wirklich ausreichend wäre, gleichzeitig die Spontanatmung der Patientinnen erhalten bliebe und so auf die Allgemeinanästhesie verzichtet werden könnte. Erste Erfahrungen mit diesem Verfahren haben gezeigt, daß in der Regel eine ausreichende Schmerzausschaltung erreicht werden konnte, ohne daß eine Kombination mit anderen Anästhetika erforderlich gewesen wäre. Es war nun das Ziel der vorliegenden Untersuchung, die Qualität einer solchen Infusionsanalgesie mit Remifentanil bei transvaginaler Follikelpunktion genau zu beschreiben. Dabei sollte – neben dem Dosisbedarf – insbesondere der Einfluß auf Hämodynamik, Spontanatmung und Wachheit bestimmt werden. Zusätzlich war geplant, bei allen Patientinnen die Remifentanil-Plasmaspiegel mittels pharmakokinetischer Simulation zu ermitteln, um so die klinischen Ergebnisse besser einschätzen zu können.
Methodik Die Untersuchung erfolgte mit Befürwortung durch die Ethikkommission und mit schriftlichem Einverständnis derjenigen Patientinnen, bei denen im Rahmen des IVF-Programms eine transvaginale Follikelpunktion geplant war und die sich nach einem ausführlichen Aufklärungsgespräch für eine intraoperative Schmerzausschaltung mittels Remifentanil-Infusion entschieden hatten. Auf eine medikamentöse Prämedikation wurde sowohl am Abend als auch am Morgen vor der Operation grund-
sätzlich verzichtet. Alle Patientinnen wurden wach in den OP-Bereich gebracht. Nach Anlage der üblichen Überwachungsgeräte (EKG, nichtinvasive Blutdruckmessung, Pulsoxymeter) wurde eine Venenverweilkanüle angelegt und Vollelektrolytlösung langsam infundiert; zusätzlich erhielten alle Patientinnen eine Sauerstoff-Nasensonde, über die 3 l/min O2 insuffliert wurden.
Remifentanil-Dosierung Bei allen Patientinnen wurde Remifentanil ausschließlich als Infusion und ohne vorherigen Bolus angewandt. Die Dosierung der Remifentanil-Infusion erfolgte initial mit 0,25 µg/kg/min; sobald die Patientinnen über ein Wärmegefühl oder Schwindel berichteten bzw. klinische Zeichen der Opioidwirkung (z.B. Schläfrigkeit, Nystagmus) boten, konnte mit der Punktion begonnen werden. Die weitere Remifentanil-Dosierung erfolgte nach den folgenden Kriterien: ●
●
●
●
Die Patientinnen waren präoperativ instruiert worden, Schmerzen bei der Punktion sofort spontan zu äußern; außerdem wurde das individuelle Schmerzniveau zu folgenden Zeitpunkten strukturiert abgefragt: direkt nach OP-Beginn, dann in 5-min-Abständen und schließlich bei OP-Ende. Bei Angabe von Schmerzen während der Punktion wurde die RemifentanilInfusion in Schritten von 0,05 µg/ kg/min erhöht, bis die Patientinnen Schmerzfreiheit angaben oder zumindest mit der Schmerzausschaltung zufrieden waren. Wurde der Punktionsschmerz als stark oder sehr stark angegeben, konnte zusätzlich ein Remifentanil-Bolus von 50 µg langsam i.v. injiziert werden. Schließlich war mit allen Patientinnen vereinbart worden, daß im Falle sehr starker Schmerzzustände, die auch mit Steigerungen der Remifentanil-Dosierung nicht ausreichend beherrscht werden konnten, auf ein Allgemeinanästhesieverfahren übergegangen werden sollte. In dem Falle, daß eine Patientin unter der laufenden Remifentanil-Infusion Zeichen der Opioid-Überdosierung bot (zunehmende Schläfrigkeit,Abfall der Spontanatemfrequenz), wurde die Remifentanil-Dosierung in Schritten von ca. 0,05 µg/kg/min vermindert. Der Anaesthesist 10·99
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War bei den Patientinnen schließlich eine „optimale individuelle“ Remifentanil-Dosierung ermittelt worden, so blieb diese im weiteren Verlauf unverändert. Unmittelbar nach Ende der letzten transvaginalen Punktion erfolgte eine Spekulum-Einstellung des Scheidengewölbes, um so eine Blutung aus einem der Stichkanäle ausschließen zu können; anschließend wurde die Remifentanil-Infusion ohne vorherige Dosisreduktion beendet.
im OP-Saal während der Infusion und anschließend im Aufwachraum erfaßt. Intraoperativ erfolgte eine Beurteilung durch den betreuenden Anästhesisten; postoperativ wurden alle Patientinnen innerhalb der ersten 60 min nach OPEnde anhand eines strukturierten Interviewbogens nochmals zu verschiedenen Nebenwirkungen (Fragenkatalog: s. Tabelle 2), aber auch zur Patientenzufriedenheit befragt.
Plasmakonzentrationen auch unter Angabe des 95%-Konfidenzintervalls. Die Parameter „Herzfrequenz“,„systolischer Blutdruck“,„Spontanatemfrequenz“ und „Sauerstoffsättigung“ wurden mit Hilfe des Wilcoxon-Tests für verbundene Stichproben analysiert, wobei die angegebenen Werte im Verlauf mit den jeweiligen Ausgangswerten vor Remifentanil-Infusionsbeginn verglichen wurden. Das Signifikanzniveau wurde mit p<0,05 festgelegt.
Pharmakokinetische Simulation Weiterhin wurden folgende Parameter 2,5minütlich protokolliert: Herzfrequenz (HF), nichtinvasiv gemessener systolischer Blutdruck (P syst), Spontanatemfrequenz (AF spontan), die pulsoxymetrisch gemessene Sauerstoffsättigung (psO2) sowie der Wachheitsgrad. Die Spontanatemfrequenz wurde über das EKG mittels Thoraximpedanzmessung ermittelt und bei allen Patienten durch Auszählen der sichtbaren Atemexkursionen kontrolliert. Der Wachheitsgrad wurde anhand der folgenden 5-PunkteSkala erfaßt: ● ● ● ● ●
1=Schlafend, nicht erweckbar 2=Schlafend, schwer erweckbar 3=Schlafend, leicht erweckbar 4=Wach und ruhig 5=Wach und unruhig
Alle Patientinnen sollten nach Ende der Remifentanil-Infusion solange im OPSaal überwacht werden, bis von einer sicheren Wiederkehr des Bewußtseins und ansonsten stabilen Vitalfunktionen ausgegangen werden konnte; anschließend wurden die Frauen in den Aufwachraum transportiert. Die Zeitspanne zwischen „OP-Ende“ und „Verlassen des OP-Saals“ wurde als „postoperative Anästhesiezeit“ definiert,damit sollte die weitere, nach OP-Ende unmittelbar am Patienten erforderliche anästhesiologische Arbeitszeit ermittelt werden. Eine „vorsorgliche“ postoperative Schmerzbehandlung hatte sich schon in der Vergangenheit nach Follikelpunktionen in Allgemeinanästhesie als nicht erforderlich erwiesen und wurde auch hier nicht durchgeführt.
Unerwünschte Arzneimittelwirkungen und Patientenfragebogen Nebenwirkungen der alleinigen Infusionsanalgesie mit Remifentanil wurden
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Ergebnisse Die pharmakokinetische Simulation der Remifentanil-Plasmakonzentrationen erfolgte mit der von S. Shafer entwickelten „STANPUMP“-Software (Revision 5/11/96), basierend auf einem DreiKompartiment-Modell und dem Pharmakokinetik-Datensatz für Remifentanil, der von C. Minto und T. Schnider zur Verfügung gestellt worden war [10]. Die Simulation wurde Computer-unterstützt für alle Patientinnen nachträglich anhand der individuellen biometrischen Daten sowie der mit Zeitangabe intraoperativ protokollierten Infusionsgeschwindigkeiten und Bolusinjektionen durchgeführt.
Datenerfassung und Statistik Alle o.g. Daten wurden im Verlauf auf einem vorgegebenen Datenblatt erfaßt. Die statistische Auswertung erfolgte in Zusammenarbeit mit dem hiesigen Institut für Medizinische Biometrie, Epidemiologie und Informatik mit dem Statistikprogramm SPSS. Die Daten sind als Mittelwert und Standardabweichung (SD) dargestellt, z.T. als Prozentwerte bzw. mit Spannweite, die Remifentanil-
Insgesamt wurden 50 Patientinnen im Alter von 31,8±5,1 Jahren bei einer mittleren OP-Dauer von 10,8±5,2 min untersucht. Alle Patientinnen gehörten der ASA-Gruppe I (n=27) oder der ASAGruppe II (n=23) an; die gesamten demographischen Daten sind in Tabelle 1 wiedergegeben.
Dosierungen Die Infusionsanalgesie wurde initial mit einer Remifentanil-Dosierung von 0,25 µg/kg/min begonnen und dann nach den o.g. Kriterien bedarfsabhängig adaptiert. Bei 70% der Patientinnen konnte diese Remifentanil-Dosierung im Verlauf beibehalten werden, in 22% der Fälle war eine Dosissteigerung auf 0,3 µg/kg/ min, in 2% auf 0,4 µg/kg/min erforderlich, bei 6% der Frauen erfolgte eine Dosisreduktion auf 0,2 µg/kg/min.
Hämodynamik, Atemfrequenz und Wachheit Herzfrequenz, systolischer Blutdruck, Spontanatemfrequenz und der Wach-
Tabelle 1 Demographische Daten
Alter (Jahre) Größe (cm) Gewicht (kg) ASA-Klasse I II OP-Dauer (min) Remifentanil-Infusionsdauer (min)
x¯ ± SD/n
Spannweite/%
31,8 ± 5,1 165,8 ± 5,5 67,3 ± 14,3 27 23 10,8 ± 5,2 19,7 ± 8,3
22 – 42 155 – 176 48 – 129 54% 46% 4 – 25 8 – 46
Angaben als Mittelwert und Standardabweichung bzw. Anzahl sowie von Spannweite bzw. Prozent
Unerwünschte Arzneimittelwirkungen und Patientenzufriedenheit
Abb.1.䉱 Verlauf von Herzfrequenz und systolischem Blutdruck (x¯±SD) während Infusionsanalgesie mit Remifentanil und transvaginaler Follikelpunktion. Beide Parameter bleiben im Verlauf nahezu unverändert, signifikante Unterschiede zum jeweiligen Ausgangswert bestehen nicht.
heitsgrad wurden vor Infusionsbeginn und dann in 2,5minütlichem Abstand protokolliert. Die beiden Hämodynamikparameter HF und P syst blieben sowohl nach Beginn der RemifentanilInfusion als auch im Verlauf der chirurgischen Manipulation nahezu unverändert: Die HF betrug im Mittel vor Infusionsbeginn 86±15, nach OP-Beginn 87±17 und bei OP-Ende 90±17 Schläge/min, der systolische Blutdruck währenddessen 129±12, 132±13 und 131± 14 mmHg (s. Abb. 1). Auch bei der Spontanatemfrequenz zeigte sich ein ähnliches Bild: Die niedrigste Atemfrequenz unter Remifentanil betrug 7 Atemzüge/min, im Verlauf lagen die mittleren Atemfrequenzen bei 15±3, 16±4 und 15±4 Atemzügen/min (s. Abb. 2). Bei allen Patientinnen wurden 3 l/min Sauerstoff über eine Nasensonde insuffliert; pulsoxymetrisch wurden folgende Sauerstoffsättigungswerte ermittelt (x¯±SD, Spannweite): vor Infusionsbeginn 99±1% (95–100%), 2,5 min nach Start der Remifentanil-Infusion 100±1% (98–100%), nach OP-Beginn 99±1% (94–100%) und bei OP-Ende 99±2% (87–100%). Auch der Wachheitsgrad der Patientinnen während Remifentanil-Infusionsanalgesie änderte sich im Mittel nur wenig und wurde immer entweder als „wach und ruhig“ (=4 Punkte) oder als „schlafend, leicht erweckbar“ (=3 Punkte) eingeschätzt.Vor Infusionsbeginn waren alle Patientinnen „wach und ruhig“, nach OP-Beginn betrug der mittlere
Wachheitsgrad (x¯±SD, Spannweite) 3,9±0,3 (3–4 Punkte), 5 min nach OPBeginn 3,8±0,4 (3–4 Punkte) und bei OP-Ende 3,9±0,3 (3–4 Punkte), bei Ankunft im Aufwachraum hatten alle Patientinnen wieder einen Punktwert von „4“ erreicht. In der postoperativen Nachbefragung gaben alle Patientinnen an, sich vollständig an alle Begebenheiten im OP-Saal erinnern zu können. Die postoperative Anästhesiezeit, also die Zeitspanne nach OP-Ende bis der OP-Saal verlassen werden konnte, betrug 6,1±1,6 (Bereich 4–10) min.
Nebenwirkungen der alleinigen Infusionsanalgesie mit Remifentanil wurden im OP-Saal und anschließend im Aufwachraum erfaßt. Die insgesamt am häufigsten berichteten Nebenwirkungen waren Juckreiz (54%), Wärmegefühl (44%), Schwindel (44%), Übelkeit (26%) und Muskelzittern (20%). Juckreiz wurde von den meisten Patientinnen (in 44% der Fälle) während der Remifentanil-Infusion beobachtet, trat aber bei anderen Frauen auch erst nach Infusionsende auf und wurde insgesamt am häufigsten im Bereich von Nase bzw. Gesicht lokalisiert. Übelkeit (26%) und Erbrechen (10%) traten ausschließlich nach der Operation auf, die Intensität wurde von der Hälfte der betroffenen Patientinnen als „mäßig“ oder „stark“, von der anderen Hälfte als „gering“ eingestuft. Eine Muskelsteifigkeit wurde von keiner Patientin beobachtet, allerdings berichteten 10% aller Frauen über subjektiv empfundene geringe oder mäßige Atemschwierigkeiten, die ausschließlich während der Remifentanil-Infusion auftraten. Die Patientenzufriedenheit wurde postoperativ mit Hilfe eines Interviewbogens erfaßt. 94% aller Patientinnen gaben an, bei einer erforderlichen Wiederholung des Eingriffs diese „Anästhesieform“ auf jeden Fall oder wahrschein-
Abb.2.䉱 Verlauf der mittleren Spontanatemfrequenz (x¯±SD) während Infusionsanalgesie mit Remifentanil und transvaginaler Follikelpunktion. Auch die mittlere Atemfrequenz bleibt im Verlauf nahezu unverändert, signifikante Unterschiede zum Ausgangswert liegen nicht vor. Der Anaesthesist 10·99
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Originalien Tabelle 2 Unerwünschte Arzneimittelwirkungen bei bzw. nach Remifentanil-Infusion als alleinigem Verfahren zur Schmerzausschaltung bei der transvaginalen Follikelpunktion Gesamt %
Gering %
Mäßig %
Juckreiz
54
34
14
6
Schwindel Wärmegefühl Übelkeit Erbrechen Muskelzittern Atemschwierigkeiten
44 44 26 10 20 10
20 26 12 6 12 6
12 14 6 2 2 4
12 4 8 2 6 –
0 2 2
– 2 2
– – –
– – –
Muskelsteifigkeit Schluckauf Glücksgefühl
Stark %
Besonderheiten
meist im Bereich von Nase bzw. Gesicht
nur postoperativ nur postoperativ meist postoperativ nur während der Remifentanil-Infusion
Angaben in Prozent aller Patientinnen
lich wiederwählen zu wollen, 6% würden dies vielleicht wieder tun. 96% aller Frauen würden diese „Anästhesieform“ anderen IVF-Patientinnen weiterempfehlen. Zwölf der hier interviewten Frauen hatten sich in der Vergangenheit bereits einer Follikelpunktion in Allgemeinanästhesie unterzogen. Im Erfahrungsvergleich beider Verfahren gaben 3/4 (n=9) dieser Patientinnen an, die alleinige Infusionsanalgesie mit Remifentanil als viel angenehmer oder angenehmer als die Allgemeinanästhesie empfunden zu haben, drei Frauen empfanden die Remifentanil-Infusion als unangenehmer.
Diskussion Die alleinige und ausschließliche Infusion von Remifentanil („Infusionsanalgesie“) als Verfahren zur Schmerzausschaltung bei der Ultraschall-gesteuerten transvaginalen Follikelpunktion i.R. eines IVF-Programms ist eine vielversprechende Alternative zu allen bisher verwendeten Anästhesie- bzw Analgesieverfahren: In der vorliegenden Unter-
suchung an 50 Patientinnen konnten wir zeigen, daß die alleinige RemifentanilInfusion in einer Dosierung von meist 0,25–0,3 µg/kg/min (entsprechend einer Plasmakonzentration von rund 5–7 ng/ ml) geeignet ist, um bei diesem operativen Eingriff eine adäquate Analgesie zu gewährleisten, ohne daß zusätzliche Analgetika bzw. Sedativa oder aber der Übergang zu einer Allgemeinanästhesie erforderlich gewesen wäre. Dies allein ist u.E. schon ein wichtiges Ergebnis auf der Suche nach einem „geeigneten Anästhesieverfahren“ für Patientinnen, die sich einer IVF-Follikelpunktion unterziehen wollen. Prinzipiell sollte die Anästhesietechnik bei der IVF-Follikelpunktion zwei Hauptanforderungen gerecht werden: 1. Jedes Medikament, das vor der Punktion auf die gereiften Eizellen einwirkt, kann möglicherweise die IVF-Erfolgsrate beeinflussen. Diese reproduktionsmedizinische Grundsatzüberlegung sollte bei der Auswahl des Anästhesieverfahrens und der Anästhetika berücksichtigt werden, so daß ganz allgemein die Anwendung weniger und kurzwirksamer Anästhesiesubstanzen in niedriger Dosierung empfohlen wird [3]. Welche Anästhesiesubstanzen im direkten oder indirekten Vergleich einen höheren IVF-Erfolg ermöglichen als andere, ist in der Humanmedizin letztlich ungeklärt; verschiedenen Daten zufolge
Remifentanil-Plasmakonzentrationen Die anhand eines Drei-KompartimentModells pharmakokinetisch simulierten mittleren Remifentanil-Plasmakonzentrationen (x¯ ±SD) betrugen bei OP-Beginn 5,0±1,3 ng/ml und lagen dann 5 min nach OP-Beginn im Bereich von 6,0±1,4 ng/ml (95%-Konfidenzintervall 5,6–6,4 ng/ml) bzw. bei OP-Ende bei 6,2±1,3 ng/ml (95%-Konfidenzintervall 5,8–6,6 ng/ml). Unmittelbar nach Infusionsende sank die mittlere Plasmakonzentration rasch ab: nach 5 min auf 1,9±0,4 ng/ml (95%-Konfidenzintervall 1,8–2,1 ng/ml) bzw. nach 10 min auf 1,1±0,3 ng/ml (95%-Konfidenzintervall 1,0–1,2 ng/ml).
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Abb.3.䉱 Verlauf der pharmakokinetisch simulierten mittleren Remifentanil-Plasmakonzentrationen (x¯±SD) in ng/ml. Für eine ausreichende Schmerzausschaltung während Follikelpunktion sind mittlere Remifentanil-Konzentrationen im Bereich von 5–7 ng/ml erforderlich. Bereits 10 min nach Infusionsende sind die Plasmaspiegel auf etwa 1 ng/ml abgesunken.
scheint aber die Verwendung von Opioiden eher unbedenklich zu sein (ausgiebige Diskussion bei [8]). 2. IVF-Follikelpunktionen werden typischerweise bei jungen und gesunden Frauen durchgeführt, dauern nur wenige Minuten und hinterlassen nahezu kein operatives Gewebetrauma. Damit wird dieser Eingriff heutzutage idealerweise ambulant durchgeführt, und das Anästhesieverfahren sollte diesem Umstand Rechnung tragen. Von einer aktuellen Untersuchung aus den USA ist bekannt, daß der Eingriff dort in 95% der Fälle in verschiedenen Verfahren der Sedierung bzw.Analgosedierung durchgeführt wird [6]. Eine ähnliche Untersuchung für den deutschsprachigen Raum konnte nicht eruiert werden. Unseres Wissens werden die Punktionen hierzulande häufig in Allgemeinanästhesie durchgeführt, auch wenn über andere Anästhesietechniken, z.B. die Ataranalgesie mit Ketamin, berichtet wurde [4, 11]. Mit dem neuesten 4-Anilinopiperidin-Opioid Remifentanil steht nun erstmalig ein Opioidanalgetikum zur Verfügung, das beide o.g. Anforderungen offensichtlich zufriedenstellend erfüllen kann: Remifentanil wird rasch von körpereigenen unspezifischen Blut- und Gewebeesterasen hydrolysiert, und die entstehenden Abbauprodukte verfügen nur noch über eine minimale µ-RezeptorAktivität [5, 7]. Über den Einsatz von Remifentanil bei transvaginaler Follikelpunktion berichteten auch Achwal et al. [1], die Propofol entweder mit Remifentanil oder Fentanyl kombinierten und anschließend in der Follikelflüssigkeit die jeweilige Opioidkonzentration mittels Gasbzw. Flüssigkeitschromatographie und Massenspektrometrie analysierten. Dabei war die Anzahl der Proben, in denen überhaupt ein Opioid nachgewiesen werden konnte, nach Fentanylgabe signifikant höher als nach Remifentanil. Die Autoren folgerten, daß die Opioiddiffusion in die Follikelflüssigkeit bei Remifentanil offensichtlich signifikant geringer ausfalle als bei Fentanyl; zusätzlich berichteten sie für die Patientinnen, die Remifentanil-Propofol erhalten hatten, auch von einer kürzeren Erholungszeit. In einer retrospektiven Analyse von 202 Patientinnen, bei denen entweder Remifentanil als Komponente einer Allgemeinanästhesie oder aber ein Alternativverfahren ohne Remifentanil eingesetzt
worden war, konnten wir keinen Unterschied im Reproduktionserfolg feststellen [8]. Die zweite Forderung – nach einer für ambulante Eingriffe geeigneten Anästhesietechnik – wird mit der hier beschriebenen Infusionsanalgesie mit Remifentanil in nahezu idealer Weise erfüllt: Aufgrund der pharmakokinetischen Eigenschaften der Substanz kann nach isolierter Anwendung von Remifentanil sicher von einer raschen und vorhersagbar verlaufenden postoperativen Erholungsphase ausgegangen werden. Die Ergebnisse der vorliegenden Untersuchung bestätigen dies: Die postoperativ noch erforderliche Verweildauer im OP-Saal betrug nur rund 6 min und entsprach damit im wesentlichen dem Zeitbedarf, der allein für das Entfernen der Überwachungsgeräte und die Vorbereitung des OP-Tisches zum Transport benötigt wurde. Wie anhand der pharmakokinetischen Simulation erkennbar wird, war die Remifentanil-Plasmakonzentration in dieser kurzen Zeitspanne bereits von rund 5–7 ng/ml auf 1/3 (ca. 2 ng/ml) abgefallen und betrug bei Ankunft im Aufwachraum nur noch ca. 1 ng/ml. Auch Bein und Klapproth [4] hatten in einer Untersuchung bei IVF-Follikelpunktionen bereits Ende der 80er Jahre ein Analgosedierungsverfahren anstelle einer Allgemeinanästhesie vorgeschlagen, damals als Kombination aus Midazolam (0,1 mg/kg) und Fentanyl (2 µg/kg) nach einer oralen Prämedikation mit 20 mg Dikaliumclorazepat abends und 2 mg Flunitrazepam am OPMorgen.Auch hier berichteten die Autoren von einer zufriedenstellenden intraoperativen Schmerzausschaltung, aber auch von einer als erwünscht bezeichneten anterograden Amnesie bei 80% der Patientinnen. Alle Frauen wurden anschließend stationär überwacht; der genaue postanästhesiologische Überwachungsaufwand wurde in dieser Untersuchung nicht explizit angegeben, war aber sicherlich deutlich länger als mit dem von uns geschilderten Verfahren. Ein weiteres wichtiges Ergebnis der vorliegenden Untersuchung ist der Befund, daß Blutdruck, Herzfrequenz und Spontanatemfrequenz im Mittel nahezu unverändert blieben. Dies ist insgesamt als Hinweis dafür zu bewerten, daß die Remifentanil-Infusion offensichtlich ausreichend gut an den individuellen
Analgesiebedarf der Patientinnen angepaßt werden konnte, ohne daß bei Plasmakonzentrationen im Bereich von 5–7 ng/ml eine schwerwiegende Überdosierung auftrat oder aber der Übergang zur Allgemeinanästhesie erforderlich geworden wäre. Dieser Befund ist insbesondere für die Spontanatemfrequenz interessant. Einer Untersuchung von Amin et al. [2] an gesunden, unstimulierten Freiwilligen zufolge kann schon die Infusion von 0,025 µg/kg/min zu einer Beeinträchtigung der Spontanatemaktivität führen, bei einer höheren Dosierung von 0,1 µg/kg/min ist dieser Effekt noch ausgeprägter. Allerdings ist festzuhalten, daß bei der Untersuchung von Amin et al. keine schmerzhafte Stimulation stattfand, so daß während einer Operation oder postoperativ durch den verbliebenen Wundschmerz von einer gänzlich anderen Dosis-Wirkungsbeziehung ausgegangen werden muß. Dies zeigen auch die Ergebnisse von Yarmush et al. [12], die in ihrer Untersuchung zur postoperativen Schmerztherapie bei extubierten Patienten die Remifentanil-Infusion bei OP-Ende nicht völlig abstellten, sondern in „analgetischer“ Dosierung fortführten. Nach ihrer Untersuchung war eine postoperative Remifentanil-Dosierung im Median von 0,125 µg/kg/min zur Schmerztherapie erforderlich, im Einzelfall sogar eine Dosierung bis 0,23 µg/kg/min. Für die klinische Anwendung der hier vorgestellten Infusionsanalgesie mit Remifentanil muß nochmals betont werden, daß auf jeden Fall eine sehr sorgfältige Überwachung der Atemaktivität stattfinden muß: Bei immerhin 3 der 50 Patientinnen mußte die RemifentanilInfusion intraoperativ von 0,25 auf 0,2 µg/kg/min reduziert werden. Hier hätte anderenfalls eine schwerwiegende Atemdepression auftreten können; bei einer Patientin wurde dabei ein Abfall der pulsoxymetrisch gemessenen Sauerstoffsättigung auf 87% beobachtet. Wie aus der schon oben zitierten Untersuchung von Amin et al. [2] bekannt ist, sollte im Falle einer kritischen Atemdepression die Remifentanil-Infusion immer ganz unterbrochen werden; dies allein führte zu einem viel schnelleren und sicheren Wiedereintritt der Spontanatemaktivität als die Antagonisierung mit einer sonst üblichen Naloxon-Dosis; in der klinischen NotfallDer Anaesthesist 10·99
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Originalien situation könnte man beide Verfahren kombinieren. Die Tatsache, daß sich auch der mittlere Wachheitsgrad der Patientinnen im Verlauf der Operation kaum änderte, d.h. die meisten Frauen während des Eingriffs wach blieben, ist ebenfalls ein Hinweis für die gut angepaßte Dosierung, im wesentlichen aber durch die bekanntermaßen geringe hypnotische Qualität von Remifentanil zu erklären. Nach einer Untersuchung von Jhaveri et al. [9] ist Remifentanil – gleichermaßen wie Alfentanil – für die alleinige Narkoseinduktion nicht geeignet. Dabei wurden Remifentanil-Boli bis zu 20 µg/kg verwendet, schließlich wurde für den Bewußtseinsverlust unter Remifentanil eine mediane EC50-Gesamtblutkonzentration von 53,8 ng/ml (!) ermittelt, also ein Vielfaches der in unserer Untersuchung erreichten RemifentanilKonzentrationen.
Schlußbemerkungen Zusammenfassend ist festzustellen, daß die Anwendung einer alleinigen Infusionsanalgesie mit Remifentanil eine vielversprechende Alternative zu allen bisher üblichen Analgesie- bzw.Allgemeinanästhesieverfahren bei transvaginaler IVF-Follikelpunktion darstellt. Die Vorteile von Remifentanil ergeben sich aus dem pharmakologischen Profil der Substanz: Intraoperativ ist eine zufriedenstellende Schmerzausschaltung möglich, die Patientinnen atmen spontan, bleiben dabei meist wach oder sind sofort erweckbar, und die anschließende Erholungsphase verläuft sehr rasch. Die Infusionsanalgesie mit Remifentanil ist inzwischen unser Standardverfahren zur Schmerzausschaltung bei der IVF-Follikelpunktion geworden: Die Patientenzufriedenheit ist hoch und die Wechselzeiten sind sehr kurz; wie beim Einsatz anderer potenter Opioide ist eine sorgfältige anästhesiologische Überwachung aber weiterhin erforderlich!
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Der Anaesthesist 10·99
Fazit für die Praxis In der vorliegenden Untersuchung an 50 Patientinnen wird erstmalig über die alleinige und ausschließliche Infusion von Remifentanil („Infusionsanalgesie“) als Verfahren zur intraoperativen Schmerzausschaltung bei Ultraschall-gesteuerter transvaginaler Follikelpunktion i.R. eines IVF-Programms berichtet. Hierbei war die alleinige Infusion von Remifentanil in einer Dosierung von meist 0,25–0,3 µg/kg/ min (entsprechend einer Plasmakonzentration von 5–7 ng/ml) geeignet, um bei diesem Eingriff eine adäquate Analgesie zu gewährleisten, ohne daß zusätzliche Analgetika oder Sedativa erforderlich wurden. Alle Patientinnen erhielten eine Sauerstoff-Nasensonde (3 l/min); Blutdruck, Herzfrequenz, Spontanatemfrequenz und Sauerstoffsättigung blieben im Mittel nahezu unverändert, die meisten Frauen waren während des Eingriffs wach, schlafende Patientinnen konnten sofort erweckt werden. Bereits 6 min nach OP-Ende konnten die Patientinnen dann zügig wach und mit stabilen Vitalfunktionen aus dem OP-Saal transportiert werden. Zusammengefaßt halten wir die alleinige Remifentanil-Infusion für eine gute Alternative zu allen bisher üblichen „Anästhesie“-Verfahren; sie reduziert die Wechselzeiten und wird von den Patientinnen als sehr angenehm empfunden, bedarf aber weiterhin der sorgfältigen anästhesiologischen Überwachung. Die statistische Auswertung erfolgte in Zusammenarbeit mit Herrn Dipl.-Math. T. Georg, Institut für Medizinische Biometrie, Epidemiologie und Informatik der Universitätskliniken des Saarlandes.
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