Virchows Arch. Abt. B Zellpath. 1, 31--48 (1968)
Kerntrockengewicht, DNS-Gehalt und Chromosomen bei akuten Leuk imien im Kindesalter * I~RITZ LAMPERT ** Kinderklinik der Universit~t Erlangen-Niirnberg (Direktor: Prof. Dr. A. WI~DOP~FER) und Pathologisches Institut der Universit~t GieBen (Direktor: Prof. Dr. W. S~DRrr'rv.R) Eingegangen am 15. Dezember 1967
Nuclear Dry Weight, DNA-Content and Chromosomes in Acute Childhood Leukemia Summary. Intefferometric nuclear dry weight-, cytophotometric Feulgen-DNA-measurements and direct chromosome analysis from the bone marrow were carried out in 21 children with acute leukemia, of whom 15 had lymphoblastic, 5 myelocytie and 1 monocytic leukemia. The mean nuclear dry weight (mass) of 6 cell populations of acute lymphoblastic leukemia was significantly higher (53--105--143--109--96--110 • 10-1~ g) than that of normal blood lymphocytes (48 • 10-13 g). The mean dry mass per unit volume was considerably higher in the leukemic nuclei (29 %), as compared to the nuclei of normal lymphocytes (18 %). Each leukemic cell population was characterized by a stemline in DNA-content and chromosome number. There was a strict correlation between DNA-content and chromosome number. 8 of the 15 patients with acute lymphoblastic leukemia had hyperdiploid values of DNA and modal chromosome numbers of 50, 53, 55, 59. The cells of all cases of acute myelocytic leukemia were diploid. Chromosome analysis before chemotherapy and in relapse in acute lymphoblastic leukemia revealed the same karyotype. The surplus chromosomes within an aneuploid cell population were always found in the same chromosome group (e.g. C, D, G). The alteration of the genome, however, was different from patient to patient. As a general feature, especially in the chromosomes of aneuploid leukemic cells, the chromatids appeared clumped. This alteration is discussed as a possible sequence of a persistent virus genome. The mean survival time achieved by intensive chemotherapy was 817 days in 4 patients with aneuploid lymphoblastic leukemic cell populations as compared to only 175 days in 4 patients with (diploid) myelocytic leukemia. Zusammen]assung. Bei 21 Kindern mit akuter Leuk~mie, 15 mit lymphoblastischer, 5 mit myeloblastisch-promyelocytoider und 1 mit Monocytenleuk~mie wurden intefferenzmikroskopische Kerntrockengewiehts-, cytophotometrische Feulgen-DNS- und ,,direkte" Chromosomenbestimmungen ans dem Knochenmark durchgeffihrt. Das Kerntrockengewicht (53--105--143--109--96--110 • 10-12g) der 6 untersuchten lymphoblastischen Leuk~miezellpopulationen war signifikant h6her als das yon normalen Blutlymphocyten (48 • 10-13 g). Dabei war der prozentuale Anteil der Trockenmasse am Volumen mit 29% bei den Leuk~miezellkemen deutlich vergr6gert gegeniiber 18 % bei den Lymphocytenkernen. Bei jeder Leuk~miezellpopulation konnte eine ,,Stammlinie" im DNS-Gehalt und der Chromosomenzahl gefunden werden. Der cytophotometrisch gemessene DNS-Gehalt und die modale Chromosomenzahl entsprachen einander. 8 der untersuchten 15 Patienten mit lymphoblastischer Leuk~mie zeigten eine Hyperdiploidie in DNS-Gehalt und Chromosomenzahl (modale Chromosomenzahlen 50, 53, 55, 59). Die Zellen der myeloischen Leuk~mie waren * Die Arbeit hat in ungekfirzter Form der l~Iedizinischen F a k u l ~ t der FriedrichAlexander-Universit~t Erlangen-Nfirnberg als Habilitationsschrift vorgelegen. ** Mit Unterstiitzung der Deutschen Forschungsgemeinschaft.
32
F. LAMPERT:
immer diploid. Chromosomenuntersuchungen vor der Chemotherapie sowie im Rezidiv der akuten lymphoblastisehen Leuk~mie ergaben denselben Karyotyp. Innerhalb der jeweiligen aneuploiden Zellpopulation waren die ~berz~ihligenChromosomen immer in denselben Gruppen (z.B. C, D, G) anzutreffen und zu erkennen. Die Genomver~nderung war jedoch yon Patient zu Patient versehieden. Als allgemeine qualitative Chromosomenver~nderung land sieh bei den, besonders aneuploiden, Leuk~imiezellen eine Verklumpung der Chromatiden. Diese Ver~nderung wird als Folge eines persistierenden Virusgenoms diskutiert. Die durch intensive Chemotherapie erzielte Uberlebenszeit betrug bei 4 Patienten mit aneuploiden lymphoblastischen Leuk~miezellpopulationen yon Therapiebeginn an gerechnet durchsehnittlich 817 Tage. Die ~berlebenszeit bei 4 Patienten mit myeloiseher (diploider) Leuk~mie war mit durchschnittlieh 175 Tagen signifikant kiirzer. I m Mittelpunkt der Leuk~mieforschung und -therapie steht die erkrankte Zelle, die Leuk~miezelle. Diese Leuk~mieeinzelzellen in Ruhephase, Wachstum und Zellteflung an ihrem Vermehrungsort, dem Knoehenmark, mit quantitativen Methoden der Cytologie im Vergleich zu Normalzellen zu effassen, war das Ziel unserer Untersuchungen. Mit dem Interferenzmikroskop (BAR,R, 1952) wurde das Troekengewieht des Zellkernes, ausgedriickt in 10-1~ g, bestimmt. Mit der Feulgen-Mil~rospektrophotometrie (Lv.uCHTENBWRGV,R et al., 1954) wurde der Desoxyribonueleins~ure (DNS)-Gehalt der Einzelzelle in relativen Einheiten gemessen. Durch ,,direkte" Knoehenmarkspr~paration, d.h. ohne Zellkultur (SANI)B~RG et al., 1962), wurden Chromosomenzahl, Chromosomenverteflung und Chromosomenstruktur der Leuk~miezellen analysiert. Mit diesen drei unabh~ngigen Methoden wurde das Knoehenmark yon 21 Kindern mit akuter Leuk~mie untersucht. AuBerdem wurde fiberprfift, ob eine Beziehung zwischen DNS-Gehalt bzw. Chromosomenzahl der Leuk~miezellen und der ehemotherapeutiseh erzielten Uberlebenszeit besteht. Material und Methodik 21 Patienten unter 18 Jahren mit akuter Leuk~mie, 15 mit lymphoblastischer, 5 mit myeloblastisch-promyelocytoider und 1 mit Monocytenleuk~mie wurden intensiv chemotherapeutisch nach frfiher beschriebenen Richtlinien behandelt (LAMP]~RT, 1966). Cytoplasmagranula galten als morphologisehes Kriterium ffir die nicht lymphoblastischen Leuk~mieformen. Knochenmarksaspirate im Krankheitssehub mit mindestens 50% Leuk~miezellen, meist 80--90%, dienten zur Kerntroekengewichts-, DNS- und Chromosomenbestimmung.
1. Inter/erenzmikroskopische Trockengewichtsuntersuchungen Wenige Tropfen Leuk~mieknochenmark wurden in eisgekfihlte 0,25 M SucroselSsung gegeben, im Reagensglas mit Teflonkolben homogenisiert und durch zweimaliges Zentrifugieren bei 600 • g in Kern- und Cytoplasmaffaktion getrennt. Die im Sediment isolierten Zellkeme wurden in einem Tropfen Sucrosel6sung (n/) = 1,3445) auf einen diinnen, fettfreien Objekttr~ger gegeben, mit einem Deckglas abgedeckt, mit Nagellack luftdicht abgesehlossen und sofort im Zeiss-Interferenzmikroskop mit der Analysatormethode bei ~)limmersion (Achromat 100/1,0 ,,Pol Int. III") gemessen. Dureh die Verdiinnung und das Wasehen in der SucroselSsung lagen die Kerne einzeln, nur etwa 3 bis 5 im Bliekfeld, auf allen Seiten frei im umgebenden Medium. [m monochromatischen Licht (2--~546 nm) wurde dutch Maximal-
DNS-Gehalt und Chromosomen bei akuten Leuk~mien im Kindesalter
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dunkeleinstellung jeweils die optische Wegl~ngedifferenz zwischen Zellkern und Medium (Referenzfeld) gemessen. Die Fl~che wurde durch Mikrophotographie und Planimetrie bestimmt. Das Trockengewicht und das Volumen der Zellkerne wurde nach frfiher mitgeteilten Formeln berechnet (SeHIEMERet al.. 1957; SANDRITTERet al.. 1960; LAMPERTet al., 1967). Der Gesamtfehler der bei diesen Untersuchungen benutzten Methoden und Berechnungen liegt unter 15 % (MIiLLERet al., 1959). Pro Patient wurden jeweils 80--100 Leukiimiezellen interferenzmikroskopisch gemessen, insgesamt 662 Zellkerne.
2. Cytophotometrische DNS-Messungen a) Feulgenf~rbung. Ausstriche des Leuk~mieknochenmarkes wurden 30 min luftgetrocknet, dann 10 min in 96% Ethanol fixiert und bis zur Verarbeitung lufttrocken aufbewahrt. Nach Kurzzeithydrolyse (12 min in 1 N HC1 bei 60~ wurden die Priiparate ffir 1 Std bei Zimmertemperatur in Schiffsches Reagens eingestellt. Das Schiffsche Reagens wurde mit Pararosanilin (Merck Art. Nr. 7601. Charge Nr. 578321) angesetzt. Nach dem F~rben wurden die Pr~parate dreimal 10 min in frisch angesetztem SO2-Wasser gespiilt, dann 15 min gew~ssert und anschlie[3end durch die aufsteigende Alkoholreihe (70%, 96%, 100%, Xylol) gegeben und in Eukitt (nD = 1,494) eingebettet. b) Cytophotometrie. Die Messungen wurden mit dem integrierenden Mikrodensitometer (DEELEY, 1955) der Fa. Barr & Stroud. Glasgow, bei einer Wellenl~nge von 570 nm ausgefiihrt. Im gleichen Arbeitsgang gefgrbte und gemessene menschliche Lymphocyten des peripheren Blutes dienten als Kontrolle des diploiden DNS-Gehaltes. Mel~bedingungen: Kondensor nA 0,3, Objektiv nA 1,3, Ocular ~ 10, Gr6Be der ,,Scanning"Blende entsprechend der Zellkerngr613e. Reproduzierbarkeit der Messungen • 1,5%. Die Meflergebnisse wurden in relativen Arbeitseinheiten (AE = Integratorwert des Mikrodensitometers) angegeben. Nach Fgrbung aller Pr~parate in einem Arbeitsgang wurden pro Patientenknochenmark jeweils 150 Zellen cytophotometrisch gemessen, insges~mt 2100 Leuk~miezellen.
3. Chromosomenanalysen Mehrere Tropfen Leuk~mieknochenmark wurden in 10 ml, 0,004 mg Colcemid enthaltende, warme Thyrode-Serumlosung ( l : l ) gespritzt und bei 37~ 30 min stehengelassen. Das durch Zentrifugierung gewonnene Zellsediment wurde nach 15 min hypotonischer Behandlung (l%ige NatriumcitratlSsung) mit Ethanol-Eisessig (3:1) fixiert und mehrmals in dieser FixierlSsung zentrifugiert. Die Zellen wurden zur Ausbreitung auf unterkfihlte, wasserfeuchte, fettfreie Objekttr~ger getropft und in zarter Flamme getrocknet. Die F~rbung erfolgte mit essigsaurem Orcein (Merck). Nur die gut ausgebreiteten Metaphasenplatten wurden im ZeissPhotomikroskop gez~hlt und photographiert. Der Karyotyp wurde in iiblicher Weise entsprechend den Denver-London-Chicago-Richtlinien geordnet. Pro Patient wurden minimal 10, maximal 102 Metaphasen ausgez~ihlt, insgesamt 719 Metaphasen.
Ergebnisse 1. Das Kerntrocke~gewicht der Leukiimiezellen im K~ochenmark Das E r g e b n i s d e r i n t e r f e r e n z m i k r o s k o p i s c h e n Messungen u n d B e r e c h n u n g e n von 6 K i n d e r n m i t a k u t e r l y m p h o b l a s t i s c h e r Leukiimie, verglichen m i t n o r m a l e n B l u t l y m p h o c y t e n eines 25j~hrigen Mannes, ist in Tabelle 1 zusammengestellt. Die Mittelwerte ( i m i t t l e r e A b w e i c h u n g des Mittelwertes) jedes einzelnen P a t i e n t e n w u r d e n m i t den L y m p h o c y t e n m i t t e l w e r t e n auf Signifikanz m i t Hilfe des S t u d e n t ' s t-Testes fiberprfift. Die ausgerechneten Troekengewichtszahlen in 10-12g sind m e h r als relative W e r t e zu verstehen, d a bei Berechnung des Trockengewichtes aus PhasenverzSgerung u n d Fl~tche Voraussetzungen wie gleiche geometrische F o r m des Zellkernes, gleiche Dicke u n d homogene Verteilung d e r S u b s t a n z ang e n o m m e n wurden. 3
Virchows Arch. Abt. B Zellpath.
34
F. LAMrERT:
d d d d d d , V V V V V V
o
-H
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2=2t
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2
~.'8~8 V V V V V V
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6
~: ~ o~ o d V
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I
Das Gewicht der Leuk~miezellkerne yon allen untersuchten Patienten liegt mit 53, 105, 143, 109, 96, l l 0 • 10 -12 g signifikant hSher als das yon normalen Lymphocytenzellkernen (48 x 10 -13 g). I m Durchschnitt wiegen die Leuk~miezellkerne doppelt soviel wie die Lymphocytenzellkerne. Die Fli~che der Leuk~miezellkerne (42, 55, 68, 66, 52, 63 tz2) ist dabei nicht wesentlich gr6Ber als die Lymphocytenzellkernfl~che (51 ~2). Die Gewichtszunahme ist also weniger durch die Flitche bzw. Volumenzunahme bedingt als durch echte Zunahme an Trockenmasse. Dies ist erkenntlich an der Masse pro Fl~cheneinheit bzw. Trockengewichtsprozent (Masse pro Volumeneinheit). Die Trockengewichtsprozentwerte der Leuk~miezellkerne (27 %) liegen fast doppelt so hoch wie der Trockengewiehtsprozentwert von Lymphocytenzellkernen (18%). Die gefundenen Mittelwerte der Leuk~miezellkerne und die nachgewiesene hohe Signifikanz sind jedoch mit Vorsicht zu betrachten, da es sich bei den Leuki~miezellpopulationen im Gegensatz zu den Blutlymphocyten um waehsende Populationen mit synthetisierenden Zellen handelt. Ein anschaulieheres und zu treffenderes Bild gibt ein Histogramm mit der Einzelwertverteilung. Die Einzelwerte des Kerntrockengewichtes von 6 Kindern mit akuter lymphoblastischer LeukSmie (ALL) wurden in Histogrammform aufgetragen und untereinandergestellt (Abb. 1). Die Kerntrockengewichte normaler Blutlymphocyten wurden damit verglichen (oberes Histogramm Abb. 1). Mit Ausnahme des Patienten H . L . mit einem Gipfelwert bei 50 y. 10 -12 g, lagen die Gipfelwerte der Patienten A.F. mit 80, R.F. mit 90 und G. K. mit 100 • l0 -l~ g bei h6herem Kerntrockengewicht als fiir Blut-
DNS-Gehalt und Chromosomen bei akuten Leuk~mien im Kindesalter
35
% 30
2010
i
BLUTLYMPHOZYIEN
30
ALL HL
20
'10
10
MG
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20
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RF
20 lO
2O
GK I0
2'o
, ~
60
,
i"'1"r~ ,
100 140 180 220
2hO'
3'00
'
'I0-12g
Abb. 1. Trockengewicht isolierter Leuk~miezellkerne von 6 Kindern mit akuter lymphoblastischer LeukEmie (ALL). verglichen mit dem Lymphocytenkerntrockengewicht eines Gesunden
lymphocyten (40 • 10 -~2 g). Eine starke Streuung der Werte wiesen die Patienten M.G. und U.K. auf. Verdoppelungsgipfel sind mit Ausnahme des Patienten H . L . bei allen Leuki~miezellpopulationen angedeutet; ein Zeichen, dab die Trockenmasse bei wachsenden Zellen sich bis zur Mitose verdoppelt. Den mit 100 • 10-12 g hSchsten Gipfelwert ffir das Kerntrockengewicht wiesen die Zellen des Kindes G.K. auf, die auch eine erhShte Chromosomenzahl yon 55 besa6en. 3*
36
F. LAMPERT:
Abb. 2. DNS-Verteilungsmuster im Knochenmark bei 10 Kindern mit akuter lymphoblastiseher Leuk~imie (ALL). n Anzahl der gemessenen Zellen. A E Arbeitseinheiten. M(71 Mittelwert der Ruheinterphase. 2c diploider, 4c tetraploider MeBwert
DNS-Gehalt und Chromosomen bei akuten Leuk~mien im Kindesalter
37
Die fibrigen Zellen der untersuchten Patienten, ebenso wie normale Blutlymphocyten, hatten die normale diploide Chromosomenzahl yon 46. 2. Der DNS-Gehalt der Leulc~imiezellen im Knochenmark
Bei 10 Kindern mit akuter lymphoblastischer Leuk~mie haben wir den cellul~ren DNS-Gehalt im Knochenmark gemessen. Die Einzelwerte wurden in Histogrammform aufgetragen und untereinandergestellt (Abb. 2). Als diploider
Abb. 3. DNS-Verteilungsmuster bei 4 Patienten mit akuter myeloischer Leukiimie (AML). n Anzahl der gemessenen ZeHen. AE Arbeitseinheiten. MG1 Mittelwert der Ruheinterphase. 2c diploider, 4c tetraploider Mel3wert Bezugswert galt der Mittelwert (43 • 2 AE) von 50 normalen menschlichen Blutlymphocyten, die im selben Arbeitsgang gef~rbt und gemessen wurden. Jeder Leuki~miefall weist einen deutlichen Gipfelwert auf, den man als DNS-Stammlinie bezeichnen kann (S]~IDEL u. SANDI~ITTER, 1963). Dieser Wert entspricht dem DNS-Gehalt des ruhenden Interphasekernes (G1-Phase). Die pr~mitotische G2Phase mit dem gedoppelten DNS-Gehalt ist angedeutet. Die zwischen Gz- und Ge-Phase liegenden Mel~werte stellen DNS-synthetisierende Zellen dar (S-Phase). Die DNS-Stammlinien dieser 10 F~lle mit Mittelwerten der G1-Phase yon 80, 77, 55, 59, 74, 60, 69, 60 AE liegen, von zwei Ausnahmen mit je 42 AE abgesehen, zwischen dem diploiden und tetraploiden MeBbereich. Die akute lymphoblastische Leuk~mie ist also vornehmlich charakterisiert durch einen hyperdiploiden bis hypotetraploiden DNS-Gehalt.
38
F. LAMPERT :
-
I
I
~
I~=-I
I ~-=1 I I
I ~1
I
I ~1
I
I
DNS-Gehalt und Chromosomen bei akuten Leuk~imien im Kindesalter
39
I m Gegensatz dazu gruppieren sich die DNS-Stammlinien von 4 Patienten mit akuter myeloischer Leuk~mie um den diploiden DNS-Wert mit G1-Mittelwerten von 49, 46, 42, 43 AE (Abb. 3). 3. Chromosomenzahl und Chromosomenverdnderungen der Leukdmiezellen im Knochenmark
Zum Vergleich und zur ~berprfifung der cytophotometrischen DNS-Bestimmungen wurden zur genauesten cytologischen Identifizierung yon den Patienten Chromosomenanalysen der Leuk~miezellen im Knochenmark ausgeffihrt. Die Ergebnisse bei 11 Patienten mit akuter lymphoblastischer Leuk~mie sind in Tabelle 2 zusammengestellt. Tabelle 3 zeigt die Chromosomenziihlungen bei 3 Patienten mit akuter myeloischer, 1 Siiugling mit Monocytenleukiimie und Tabelle 3. Chromosomena~lalysen aus den, K~wche~,mark bei akuter myeloischer Leuk~imie Patient
Chromosomenzahl
Summe
44 45 46 47 48 49 1. G. H., 31/12Jahre 2. K. G., 22/12Jahre 3. M. H., 174/12Jahre 4. G. F., 5 Monate (Monocytenleuk~mie) 5. A. B., 23/12Jahre (myelomonocytKre)
2
4
--
2
3
4
29 21 31 10 47
1 1
2
--
38 22 33 10 54
1 Kleinkind mit ,,bunter" Myelose. Analog der DNS-Untersuchungen findet man ffir jede Leuk~miezellpopulation eine Anh~ufung um eine bestimmte Chromosomenzahl (Chromosomen-Stammlinie). Bei 2 Patienten (H.F. und U.K.) wurden die Chromosomen der Leuk~miezellen nicht nur vor der Therapie, sondern auch bei einem unter der Behandlung aufgetretenen Rezidiv untersucht. Dabei ergab sich dieselbe modale Chromosomenzahl. Beim l~berblick fiber alle untersuchten Patienten zeigte sich eine v611ige ~bereinstimmung mit den DNS-Untersuchungen. Die Zellen der akuten lymphoblastischen Leuki~mie hatten einen aneuploiden K a r y o t y p mit modalen Chromosomenzahlen yon 50, 53, 55, 59. Patient S.B. mit der h6chsten Chromosomenzahl yon 59 in der Zelle hatte mit 77 AE auch den h6chsten DNS-Gehalt der gleichzeitig cytophotometrisch und cytogenetisch untersuchten Patienten. Die Patienten U . K . und E.N., bei denen im Feulgen-PrKparat ein diploider DNS-Gehalt ihrer LeukKmiezellen gemessen wurde, wiesen auch bei den Karyotypanalysen die diploide Chromosomenzahl yon 46 auf. Ebenfalls in Gleichheit mit den cytophotometrischen MeBergebnissen hatten die Zellen der untersuchten 3 Patienten mit akuter myeloischer Leuk~mie stets eine Chromosomenzahl yon 46. Naeh Bestimmung der modalen Chromosomenzahl jeder Leuk~miezellpopulation wurden die Chromosomenver~nderungen durch mindestens 10 K a r y o g r a m m e pro Knochenmark bzw. Patient n~her analysiert. Zun~chst interessierte besonders der aneuploide K a r y o t y p u s der akuten lymphoblastischen Leuk~mie (ALL), um vielleicht eine einheitliche Chromosomenver~nderung in einer bestimmten Chromosomengruppe festzustellen. Dies war jedoch nicht der Fall. Die zus~tzlichen Chromosomen gehSrten unterschiedlich der Gruppe C (6--12 ~-X), D (13--15),
40
F.
LAbIPERT :
Tabelle 4. Ver~inderunge~t in der Zahl von HomologeJ~ bei karyotypierten ZeUen volt Patient H. F.
Zelle
1
2 3 4 5 6 7 8 9 l0 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30
Chromosomenzahl 5O 5O 50 5O 50 48 51 5O 50 50 50 49 50 50 49 47 50 50 50 50 49 50 50 50 50 50 50 51 50 50
Chromosomengruppe A
B
C
D
+1 +3 +2 +2 +2
+3
+3 +3 +2 +2
E
F
(~
+1 +2 +3 +2
+1 -1 -1
+ 1 Ring
--I
+2 + 2 +2
--2 -1
+ 2
-- 1
+ 1
--1 +2 +2 +2
+ 2 + 2 + 1 +3 + 2 +2 +2 +3 +2 +3 +2 +1 +2 +2 + 1 +2 + 2 53~
andere
+ 2 + 1 +1 +2 + 2 +2 +2 +3 +2 +3 +2 +2 +2 + 2
+ + + + +
2 Ring 1 Ring 1 Frag 2 Frag. 1 Frag.
+2 -- 2 1
-I
+ 2 Frag. -- 1 --2 --1
+2 +1
-I
+1
--2 1 --1 -1 - 1
+ 1 Frag.
+ 1 Ring +1
+ 1 Ring
+1 + 2 +2
+ 1 Frag.
+ 1 50%+2
+ 1 Ring
+ 1 Frag. 23%--1
23%--1 2 7 % + 2
E (16--18), G (21--22 § u n d sogar der F - G r u p p e (19--20) an. A b b . 4 zeigt ein K a r y o g r a m m yon P a t i e n t S.B. m i t d e r m o d a l e n C h r o m o s o m e n z a h l y o n 59. I n A b b . 5 ist ein K a r y o g r a m m d c r P a t i e n t i n G . K . m i t der m o d a l e n Chromosomenzahl y o n 55 dargestellt. Von d e m P a t i e n t e n H . F . m i t d e r m o d a l e n Chromosomenzahl y o n 50 (Abb. 6) wurde bei 30 k a r y o t y p i e r t e n Zellen eine A n a l y s e fiber die K o n s t a n z der Ver/inderung i n n e r h a l b d e r L e u k / i m i e z e l l p o p u l a t i o n angefertigt (Tabelle 4). Es ergab sich, daB sich die Ver/inderungen in d e r Zahl der H o m o l o g e n u m einen Modus y o n je 2 zus~ttzlichen C- u n d D - C h r o m o s o m e n h e r u m g r u p p i e r t e . I n n e r h a l b d e r aneuploiden Leuk/~miezellpopulation wird also meist einheitlich die G e n o m v e r i i n d e r u n g yon Mutterzelle zu Tochterzelle weitergegeben. Die Zellen d e r u n t e r s u c h t e n P a t i e n t e n m i t a k u t e r l y m p h o b l a s t i s c h e r Leuk/imie h a t t e n jedoch n i c h t i m m e r eine aneuploide Chromosomenzahl, s o n d e r n zeigten in 4 F/illen eine n o r m a l e Chromosomenzahl yon 46.
DNS-Gehalt und Chromosomen bei akuten Leuk~imien im Kindesalter
41
Abb. 4. Patient S. B. mit ALL: 59 Chromosomen in der Leuk~miezelle. Die 13 zus~tzlichen, nicht einzuordnenden Chromosomen sind neben dem Metaphasenbild angeordnet
Abb. 5. Patientin G. K. mit ALL: 55 Chromosomen in der Leuk~miezelle. Die 9 zus~tzlichen Chromosomen sind neben dem Metaphasebild angeordnet Alle u n t e r s u c h t e n P a t i e n t e n m i t myeloischer bzw. m o n o c y t a r e r Leuk~mie wiesen in ihren Leuk~miezellen i m m e r eine diploide Chromosomenzahl y o n 46 auf.
42
F. LAMeERT :
Abb. 6. P a t i e n t H. F. mit ALL: 50 Chromosomen in der Leuk~miezelle. Chromosomenver~nderungen: Jr 2 C, § 3 D, -- 1 E
Abb. 7. Patient M. H. mit AML: 46 Chromosomen in der Leuk~miezelle. Zwischen Karyogramm und Metaphasebild sieht man das Bild dieser Zellen in Interphase
DNS-Gehalt und Chromosomen bei akuten Leuk~mien im Kindesalter
43
Abb. 8. Patient S. B. mit ALL: Chromosomen der Gruppe A (1--3) einer Normalzelle mit 46 Chromosomen (oben) und einer Leuk~miezelle mit 59 Chromosomen (unten) aus demselben Knochenmarksaspirat (4000 • ) Abb. 7 zeigt Karyogramm, Metaphase und Interphasezellen eines 171/2 Jahre alten Patienten mit akuter myeloischer Leukiimie (AML). Innerhalb des normalen diploiden K a r y o t y p u s der akuten myeloischen Leuk~mie fund sich als einzige auffallende Ver~nderung bei mehreren karyotypierten Zellen des Patienten G.H. eine sekundi~re Constriction mit Verklebung in einem Chromosomen Nr. 2. Bei allen diesen direkten Chromosomcnanalysen aus dem Leuk~mieknochenmark bei den verschiedenen akuten Leuki~mien im Kindesalter fiel jedoch eine allgemeine, qualitative Veriinderung der Leuk~miechromosomen gegeniiber Chromosomen aus normalcn Zellcn auf: Die einzelnen Chromosomen waren oft miteinander verklebt, die Chromatiden meist mehr oder weniger verklumpt oder entspiralisiert. Am eindrucksvollsten war es bei dem Patienten S.B. zu sehen, wo im Knochenmark neben den Leukiimiezellen mit der modalen Chromosomenzahl yon 59 vereinzelt auch normale, diploide Zellen mit 46 Chromosomen zu finden waren. Abb. 8 zeigt im Vergleich die Chromosomen der Gruppe A yon einer normalen Zelle und einer Leuk~miezelle aus demselben Knochenmark. Man erkennt deutlich die verklumpte Struktur der Leuk~miechromosomen im Vergleich zu den eleganten, fein konturierten Normalchromosomen. Diese Ver~nderungen in den Leuk~miechromosomen werden durch eine StSrung der feineren Spiralisation hervorgerufen und kSnnen in diesem Falle nicht durch ~uBere Einflfisse wie Chemotherapie oder Priiparationstechnik bedingt sein.
44
F. LAMPERT:
4. Beziehung zwischen g?berlebenszeit und Ploidie der Leukiimiezellen
Die durch intensive Chemotherapie erzielte Uberlebenszeit bei den einzelnen Leuk/imiepatienten wurde in Beziehung gesetzt zu der aus Chromosomenzahl bzw. DNS-Gehalt ermittelten Ploidie ihrer Leuk/~miezellen (Tabelle 5). Die 4 bereits verstorbenen Kinder mit akuter lymphoblastischer Leuk/imie fiberlebten alle 500 Tage nach Behandlungsbeginn. Die durchschnittliche l~berlebenszeit der an akuter lymphoblastischer Leuk/imie verstorbenen Kinder betrug 817 Tage, also fiber 2 Jahre ! In jedem Falle war der DNS-Gehalt bzw. die Chromosomenzahl der Leuk/imiezellen hyperdiploid. Von den Patienten mit akuter myeloiseher Leuk/imie sind alle gestorben naeh l~berlebenszeiten yon 107, 124, 144 und 327 Tagen. I m Durchsehnitt haben diese Patienten nut 175 Tage, also noch nieht einmal ein halbes J a h r nach Therapiebeginn fiberlebt. Der DNS-Gehalt bzw. die Chromosomenzahl der Leuk/~miezellen dieser Patienten war diploid. Der Untersehied in der l~berlebenszeit von jeweils 4 Patienten mit aneuploiden lymphoblastischen und diploiden myeloblastischen Leuk/~miezellpopulationen ist mit p < 0 , 0 0 5 statistisch signifikant. Tabelle 5. Beziehu~g zwischen Uberlebenszeit ( M ittelwert • mittlerem quadratischem Fehler) und Ploidie bei 8 bereits verstorbenen Patienten mit akuter Leuk~imie. ALL ~ Akute lymphoblastische Leukdmie, A M L - - Akute myeloische Leu]cdmie. A E - - Arbeitseinheite~ ~ relative DNS-Menge im Ruheinterphasezellkern ; der diploide Re/erenzwert betrdgt dabei 43 d=2 AE
Patient
DNS-Gehalt (AE)
Modale Chromosomenzahl
l~berlebenszeit (Tage)
H. U., $, 3 Jahre, ALL S. B.. ~, 2e/12Jahre. ALL A.P., ~, 5e/12Jahre, ALL G. 0., ~, 33/12 Jahre, ALL C.W., 9, 125/12Jahre, AML G. H., ~, 31/12Jahre, AML K. G., 9, 22/12Jahre, AML M. H., ~, 174/1,,Jahre, AML
80 77 55 59 49 42 46 43
-59 -53 -46 46 46 t-Test:
1285 762 817 • 162 676 545 107' 327 175-~ 51 124 144 p < 0,005
Diskussion
Mit der Bestimmung yon Trockengewicht, DNS-Gehalt und Chromosomenzahl wollten wir Unterschiede der Leuk/imiezellen zu normalen Lymphocyten herausfinden. Der L y m p h o c y t gilt als Prototyp einer menschliehen diploiden Zelle und wird yon YOFFEY (1966) als Stammzelle ffir die Populationen des Knochenmarkes betrachtet. Das mit dem [nterferenzmikroskop bestimmbare Gewieht der Zellkernmasse gibt uns vor allem Aufschlu~ fiber die Zellkernproteine, die etwa 70 % der Trockenmasse ausmaehen (ALLFREY et al., 1955; SALZMA~ et al., 1966). Die gemessenen Lymphocytenkerne hatten, entsprechend ihrem funktionellen Ruhezustand im peripheren Blut, ein stabiles Trockengewicht mit Werten zwischen 40 und 60 • 10 -12 g. Das Trockengewicht der Kerne der akuten lymphoblastischen Leukiimie zeigte zum Teil eine erhebliche Streuung der Werte, wohl bedingt durch ihre
DNS-Gehalt und Chromosomen bei akuten Leuk~imien im Kindesalter
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Protein- und Nucleinsiiurensynthese. In diesen wachsenden Zellpopulationen werden Zellen miterfaSt, die kurz vor der Mitose stehen und ihre Masse schon verdoppelt haben. Vergleicht man aber die Histogramme der Leukiimiezellpopulationen in ihrem Ruheinterphasegipfel mit den Lymphocyten, so weisen, yon einer Ausnahmc abgesehen, alle Leuk~miezellpopulationen ein erh6htes Kerntrockengewicht auf, welches sich um 100, 150, 80, 90, 100 • l0 -12 g gruppiert. Die Leuk~miezellen besitzen also schon im Ruhestand ein zum Tell doppelt so groBes Trockengewicht wie Blutlymphocyten. Diese Trockengewichtszunahme ist nicht durch Volumenzunahme bedingt, da der prozentuale Anteil der Trockenmasse (Masse pro Volumeneinheit) am Gewicht des Leukiimiezellkernes durchschnittlich mit 29 % erheblich h6her liegt als in den Lymphocyten, deren Kerne 18 % Trockenmasse aufweisen. In den sp/irlichen, bisher in der Literatur vorliegenden Trockengewichtsmessungen wurde bei Leuki~miezellen des peripheren Blutes (CHRISTOPH~RSON et al., 1963) und bei Carcinomzellen (SANDRITTERU. KLEINIIANS,1964) ebenfalls ein erhShtes Kerntrockengewicht gefunden. Ein wichtiger Befund unserer Messungen war das erhShte Kcrntrockengewicht auch bei solchen Leukiimiczellen, bei denen ein diploider DNS-Gehalt bzw. eine normale Chromosomenzahl yon 46 gefunden wurde. Die Leuk/imiezellkerne enthalten also im Vergleich zu Normalzellen mehr Protein! Nimmt man Kernproteine als Gen-Repressoren und eine verminderte Gen-Expression durch vermehrte cellulgre Repressoren an (YIELDING, 1967), so kSnnte man spekulieren, dab die Undifferenziertheit der Leukgmiezelle nicht durch eine Enthemmung, sondern im Gegenteil durch eine Unterdrfickung aller Genfunktionen durch zu viel Repressor-Protein zustande kommt. Bei unseren cytophotometrischen DNS-Bestimmungen ergab sich fiir jede Leukiimiezellpopulation eine stabile ,,DNS-Stammlinie" (SANDRITTER et al., 1964) mit einer Gruppierung des DNS-Gehaltes der ruhenden Interphasezellen um einen charakteristischen DNS-Wert. Die DNS-Stammlinien der akuten lymphoblastischen Leukemic lagcn, yon zwei Ausnahmen abgesehen, im hyperdiploiden bis hypotetraploiden Bereich. Die akute myeloische Leukiimic wies immer eine diploide DNS-Stammlinie auf. Der Unterschied im DNS-Gehalt dieser beiden Leuk~mieformen ist signifikant (LAMFERT, 1967b). Durch Chromosomenanalysen des Leuk~mieknochenmarkes derselben Paticnten konnten diese DNS-Befunde best~tigt werden. Bei den aneuploiden Zcllpopulationen der akuten lymphoblastischen Leuk~mie fand sich eine hyperploide modale Chromosomenzahl, wi~hrend die akute myeloische Leukemic durch diploide Zellcn yon 46 charakterisiert war. Diese Ergebnisse zeigen die Korrelation zwischen DNS-Gehalt und Chromosomenzahl. Mit Hilfe der methodisch einfachen Feulgen-Mikrospektrophotometrie kann man somit die Ploidie einer Zellpopulation exakt bestimmen. Feinere Zellkernver~nderungen wie z.B. ein iiberz~hliges G-Chromosom bei Mongolismus kann man jedoch mit der Cytophotometrie nicht erfassen (LAM1)ERT,1967 a). Ebenso wie SA~DBERO et al. (1962) fanden auch wir bei den unter der Therapie aufgctretenen Rezidiven stets denselben Karyotyp der Leuk~miezellen. Die Chemotherapie ver~ndert nichts am urspriinglichen Karyotyp der Zellen; das Rezidiv mul~ sich also aus den von der Therapie verschonten, im KSrper noch vorhandenen Leuk~miezellen entwickeln. Eine einzige chromosomal ver/inderte,
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F.L.A2vIPERT:
lebensf/~hige Zelle kann Ausgangspunkt einer malignen Zetlpopulation sein (ATKIN u. BAKER, 1966). Fiir die kontinuierliche Weitergabe der Chromosomenver/~nderung an die Tochterzellen innerhalb einer aneuploiden Zellpopulation sprieht auch die gleiehartige Gruppierung der Chromosomengewinne bzw. -verluste in dieselben Chromosomengruppen, wie wit es an 30 Karyogrammen desselben Patienten naehweisen konnten. Bei weiterer Analyse aueh der anderen aneuploiden Leuk/imiezellpopulationen konnten wit jedoeh nieht als Regel feststellen, dab die Chromosomengruppen D und G Mufiger dutch Chromosomenverluste als dutch Chromosomengewinne eharakterisiert waren, wie es bei anderen mensehliehen Tumorzellen beobachtet wurde (VANST]~E~IS, 1966: LEVAN, 1966). An den Leuk/imieehromosomen, besonders bei aneuploidem Karyotyp, fanden sieh altgemeine qualitative Ver/~nderungen. Die meist sehlecht ausgebreiteten Leuk/~miemetaphasen fielen dutch ihre plumpen und verklumpten Chromosomen auf, deren Spiralisierung gest6rt zu sein sehien. Es sieht so aus, als ob Leuk/imiechromosomen klebriger sind als Normalehromosomen. KSnnte die Klebrigkeit Ursaehe der Aneuploidie sein ? Durch Verklebungen kann bei dem Auseinanderziehen der Chromosomen in der Anaphase ein Chromosomensehenkel abreigen und daraus eine Zelle mit einem Chromosomensttick zuviel und eine andere, sp/~ter untergehende Zelle, mit einem Chromosomenstiiek zu wenig entstehen. M6glieherweise ist diese Chromosomenverklumpung Folge einer intranucle/iren Virusinfektion mit persistierendem Virusgenom. Virus/ihnliehe Partikel konnten in Plasma, Urin, Lymphknoten und Knochenmark von Leuk/imiepatienten elektronenmikroskopiseh naehgewiesen werden (AMEs et al., 1966; DMOCHOWSX[ et al., 1967). Der bei 8 von 15 Patienten mit akuter lymphoblastiseher Leuk/imie naehgewiesene erh6hte DNS-Gehalt der Leuk~miezellen spielt eine wiehtige Rolle bei dem unterschiedlichen klinisehen Verlauf der akuten Leuk/imie. Es zeigte sieh n/~mlieh unter der bei allen Patienten gleichartig intensiven Chemotherapie mit Amethopterin, 6-Mercaptopurin, Cytosinarabinosid, Vineristin und Prednison, dab die Patienten mit hyperdiploiden Leuk/~miezellpopulationen mit durchsehnittlieh 817 Tagen eine signifikant weir 1/ingere l~berlebenszeit aufwiesen als die Patienten mit diploiden Leuk/imiezellen, die im Durchsehnitt nur 175 Tage naeh Therapiebeginn fiberlebten. Erkl/iren kann man die grSl]ere ehemotherapeutisehe Empfindlichkeit der h6herploiden Zellen dureh die flit die Wirksamkeit der Antimetaboliten entseheidende liingere Interphase. Die l~ngere Interphase und Mitosezeit der Leuk~miezellen wurde dutch kinematographische und autoradiographisehe Untersuehungen (BOLLU. GAUSSES, 1962; KILLMA?CNet al., 1963) nachgewiesen. Der yon uns jeweils gez/ihlte niedrige Mitoseindex der Leukoblasten, besonders bei der leukopenisehen, akuten lymphoblastisehen Leuk/~mie spricht ebenfalls ffir die langsame Proliferationsaktivit~t der Leuk/imiezellen. Da die bei der DNSSynthese notwendige Aufwindung der DNS-Spiralen ein zeitverbrauchender Vorgang ist (CAIR~S, 1963), versteht es sieh, dab Zellen mit mehr und 1/ingeren DNSMolekfilen aueh mehr Zeit ffir die Interphase brauehen. Tetraploide Tumorzellen benStigen die doppelte Zeit ffir ihre DNS-Synthese wie diploide Zellen (LENNARTZ et al., 1966). Eine andere Erklitrung bietet die ver/inderte ehemische Sensitivit~t der zus/itzliehen DNS, wie es durch versehiedene Feulgen-Hydrolyse-Kurven yon
DNS-Gehalt und Chromosomen bei akuten Leuk~mien im Kindesalter
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Tumorzellen i m Vergleich zu Normatzellen nachgewiesen wurde (SANDRITTER11. B6nM, 1964). Fiir wertvolle Hilfe danke ich vielmals Herrn cand. reed. K. H. DECKELNIK,Herrn cand. med. J.U. GAUGER, Fraulein K. SAC~SE, Frau E. v. GEMtiNDE~, Fraulein E. UR~aAN und Fraulein E. K6Pt'L. Literatur
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