Pflfigers Archly, Bd. 254, S. 430--440 (1952).
Aus dem Physiologischen InstituL der Universit~t GSttingen.
Kiinstliehe Veriinderungen der Drosselungstoleranz im Gef~il~system des quergestrei~ten Muskels. Von HANS KLEINSORG und JOHANNES SCHMIER.
Mit 3 Textabbildungen. (Eingegangen am 14. Juni 1951.)
Eine MSgliehkeit, Rfickschlfisse auf das Gleichgewicht zwischen Durchblutung und energetisehen Umsetzungen im Untersuchungsgebiet zu ziehen, scheint in der Untersuchung der ,,Drosselungstoleranz" gegeben zu sein, wie sie H. R~Ix u. Mitarb. 2~ in die Kreislaufphysiologie einfiihrten. Dieses Vorgehen schliei~t die Beobachtung yon oxybiotischen wie anoxybiotischen Stoffweehselvorg~ngen ein. Sie gibt Auskfinfte fiber die durch Sauerstoffmangel entstehenden Stoffwechselprodukte in ihrer Wirkung auf die Durchblutung. H. REIN u. Mitarb. haben im Ansehlul~ an frfihere eigene und Untersuchungen yon A. FLEISC~ 5 U. a. naehgewiesen, dab die Durchblutung yon Organen, die nieht, wie etwa die der Haut, zugleich der Thermoregulation oder anderen Funktionen dient, st~ndig ihrem ,metabolischen Blutbedarf" angep~6t wird. Eine passive, mechanisehe Einsehr~nkung des arterie]len Zustroms kann zu vorfibergehenden ,Mangelerscheinungen" im zugehSrigen Kreislaufgebiet ffihren. Diese sind gekennzeichnet dureh physiologische Gegenmai~nahmen. Sie sind so gerichtet und abgestuft, d~fi das Gleichgewicht zwiscben Blutbedarf und Blutangebot mSglichst wieder hergestellt wird. Als ,,Drosselungstoleranz" wurde jene kfinstliche mechanische Minderung des arterie]len Zustroms (in Prozenten der Ausgangsdurehblutung) bezeichnet, die die Gegenmai~nahmen, z. B. eine ,,kompensatorische Dilatation" noch wi~hrend der Drosselung selbst, nach Freigabe des Blutstroms eine ,,postolig~mische ttyperi~mie" hervortuft.
Die Methode der Bestimmung der ,,Drosselungstoleranz" machten wit uns derart zunutze, dal~ wir sie nicht als Sehwellenph~nomen, also quantitativ, sondern als alternative Rea]ction beobachteten. Wir stellten, mit anderen Worten, fest, ob die Durchblutung dem Bedarf des untersuchten Gewebsgebietes angepa[3t oder ob sie eine echte ,,~bersehu~durchblutung" war. Die t~uhedurchblutung des quergestreiften Muskels ist unter physiologischen Verh~ltnissen genau ausreichend, d.h. die
Kiinstl. Ver~nderungen der Drosselungstoleranz im quergestreiften Muskel. 431 ,,Drosselungstoleranz" ist praktisch gleich Null. Eine wirkliche ,,UberschuBdurchblutung" scheint es physiologischerweise in diesem Gebiet nicht zu geben, ebensowenig arteriovenSse Anastomosen, die natfirlich stSren kSnnten. Unsere Experimente beziehen sich auf neural oder humoral ausgelSste Mehrdurchblutungen. Eingehender haben zu dem Problem der nervSs bedingten Mehrdurchblutung J . H . Bu-g~3, E. Bff~I~I~G und J . H . B U ~ 2, C. ~V~ALTESOSund M. SOH~EID]~Rls, B. FOLKOW und B. Uv~Xs 8 u. a. Stellung genommen. Die Untersucher stimmen offenbar darin fiberein, dab die nerv5se Ausl5sung der Dilatation dureh Atropin unterdriickt werden kann. E. BffLB~INC und J. H. BuRn konnten in der Durchstr5mungsfliissigkeit der Muskulatur der hinteren Extremit/~t yon Hunden nach einer dilatatoriseh wirksamen Grenzstrangreizung eine am Blutegelmuskelpr~parat acetylcholinartig wirkende Substanz nachweisen. Often ist die Frage, ob eine dilatatoriseh wirksame Grenzstrangreizung den Stoftwechsel des Versuchsgebietes ver/~ndern kann. DaB die reine DurchstrSmungs~tnderung als solche denselben nicht beeinfluSt, hat J. R. PAPPE~HEIMER 2~ demonstriert. Von verschiedenen Autoren ist jedoch eine direkte Einwirkung des vegetativen Nervensystems auf die energetischen Umsetzungen des Gewebes angenommen worden. So beriehten I-I. RET~ und IV[. SCH~CEIDE~26 fiber lokale Einsehr/~nkungen des oxydativen Stoffwechsels bei reflektorisch nervSser Durehblutungsdrosselung. Bei gleichen experimentellen Ergebnissen seiner Durchblutungsbeobachtungen k o m m t J . R . PA~rE~HEI~I~ 2~ allerdings zu anderen Deutungen. Er bezieht die gemessenen ~nderungen auf die Er5ffnnng yon arteriovenSsen Anastomosen und meint, was man messe, sei nur eine ,,Apparent oxygen consumption". _~nderungen des Gesamtstoffwechsels dureh das autonome Nervensystem haben u. a. C. I-IEYMANS, A. L. DELAUNOIS 15, die experimentelle Ergebnisse fiber die Beziehungen zwischen Carotissinus und Sauerstoffumsatz referieren, und 0. MEaTE~-S und I-I. t~EI~ e° tats~chlich beobachtet. Die MSglichkeit zentralnervSser Regulierung des oxydativen Gesamtstoffweehsels im Warmbliiterorganismus durch Kohlensiiure als allgemeinen zentralnervSsen l~eiz hat H. REI:N 24 nachgewiesen. H. B ~ t ) ~ und K. H. BUTZENGEIGEI¢x haben die starke, allgemeine eehte Stoftwechseleinsparung bei Aderl~ssen beschrieben. Die Untersuchungen yon H. G~E~rE~S ~ an verschiedenen Objekten und yon CHL. GOLLW~ZEmM~E~ und E. K n t ~ E ~ x° am tterzen gelten in erster Linie der Steuerung der Energetik fiber vegetative Nerven und Hormone. - - Da es sich in unserer Arbeit um die Beobachtung ruhender Organe handelt, diirfen sic vielleieht nieht so sehr beriicksichtigt werden. Wir gingen in unseren Experimenten yon folgenden Arbeitshypothesen aUS :
432
H. KLEI:NSOlCGund J. SC]~MIEI~:
1. Wenn eine kfinstlich hervorgerufene Durchblutungszunahme meehanisch weggedrosselt werden kann, ohne daI~ es zu ,,Mangelerscheinungen" kommt, so wird diese erhShte Durchblutung fiber die metabolischen Erfordernisse des versorgten Muskels hinausgehen~ d. h. es
cTn.3/min Drosse/zu
Drossel euf
~
\
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l/asokonstr/?//'ort
/ 7-
Abb. 1. Die Kurve I zeigt das typisehe Verlmlten einer Ruhedurehblutnng der Skeletmnskulatur auf passive, meehanisehe Drosselung d.es arteriellen Zustroms. lgoeh wS,hrend der Drosselung t r i t t eine ,,kompens~torisehe Vasodilatation." anf, auf Freigabe des Zustroms erfolgt eine ,,postolig~misehe ~ehrdurehblntmlg", im &nsehlug daran, ,naehhinkencl.e Vasokonstriktion". Es handelt sieh urn eine im Gleiehgewieht befindliehe lokale Durehbluttmg = ,,OrthoS,mie". In der Kurve I I verharrt die Durehblatung auf dem gedrosselten lgiveau, eine ,,kompensatorisehe VasodHatation" wird vermiBt, ebenso eine ,,postoligS~misehe tIyper~mie". Naeh Offnen der Drossel stell~ sieh die Durehblutung lediglieh wieder auf ihren Ausgangswert ein -- ,,~bersehul~durehblutung" oder eine l~yper/imie. Kurve I I I erlgutert di e l~eaktionsm6gliehkeil~en bei einer Durehblutungszunahme (A-- B). 1 Iteaktionsablauf, bei dem das erhShte Blutangebot einen erhShten :Bedarf befriedigt, damit einem neuen Gleichgewicht entspricht; 2 BeisDiel einer echten ,,UberschuBdurchblutllng". Bei der einer !VIehrdurchblutung tiberlagerten Drosselung fehlen jegliche Anzeichen einer ,,Mangeldurchblutung".
wird, entsprechend den Ergebnissen und Vorstellungen H. R~I~S, eine ,~berschul3durchblutung" vorliegen. 2. Jede Durchblutungszunahme wird aber dem Bedarf des Gewebes, d. h. dem Stoffwechsel angepal3t gewesen sein, wenn eine voriibergehende noch so geringe meehanische Einsehriinkung derselben (die selbstverst~ndlich nie das vor dieser Durchblutungszunahme bestehende Ausgangsniveau unterschreiten darf) zu dem oben genannten )/[angels y m p t o m einer ,,postolig~mischen Hyper~mie" ffihrt. Das Schema der Abb. 1 erl~utert die zu erwartenden Reaktionen. Methodik. Folgende GrSBen wurden fortlaufend registriert : 1. Der Blutduck aus der Art. brachialis mit einem photoelektrischen Transmissionsmanometer oder mit einem Wismut~auchspulenmanometer.
Kiinstl. Verfinderungen der Drosselungstoleranz im quergestreiften Muskel.
433
2. Der ven6se Riiekflug, bestimmt in einer der beiden Venae femoral, im oberen Drittel des Obersehenkels mit der Diathermie-Thermostromuhr yon I-I. l~m~. Als Versuehsgebiet diente die hintere Extremit/~t -con I-Iunden. Zur Vermeidung einer ~'berlagerung dureh w~irmeregulatoriseh bedingte ~nderungen der t-Iantdurehblutung und der Fehlerm6gliehkeit arteriovenSser Anastomosen wurde die tIaut yon Leistenband distahv~rts bis zum Sprunggelenk unter Vermeidung grSBerer Blutverluste abgeseh~lt. Dadureh wurde erreieht, dab an der 3/[egstelle im oberen Drittel des Obersehenkels fast aussehlieBlieh muskul~ire Durehblutung registriert wurde. Die meehanisehe Einsehr/~nkung des l~lutstromes erfolgte init Sehraubdrosseln (siehe It. I~EI~ und M. SCI~NmD~t~2~) an der Art. iliaea exgerna oder an der Art. femoral, dieht unterhalb des Leistenbandes. Die Art. iliaea interna wurde zur Verhiitung einer anderweitigen Blutversorgung der Extremit/~t unterbunden. Die l~eizung des Grenzs~rangss erfolgte in tIShe des II.--IV. Lumbalsegments mit I-Jilfe LuDwmseher Reizelektroden dureh das yon F. GROSSE-BRocI~O~, H. REI¢~ und W. SC~OEDEL13 besehriebene l~eizger~t mit sinusfSrmigen WeehselstrSmen von wahlweise 50 tIz. Die Injektion der gef/~Berweiternden Stoffe erfolgte mittels einer gleiehm~gig laufenden elektrisehen Infusionsmasehine in die Art. femoral, dureh einen Seitenast dieht unterhMb des Leistenbandes. - - Die Gleiehm~gigkeit des arteriellen Sauerstoffgehaltes wurde dutch die Traehealbeatmung mit einer STa~H~Gsehen Atempumpe gew/~hrleistet. Die Versuehe wurden in den Monaten November 1950 bis Mai I951 durehgefiihrt. Versuehstiere waren 20 ausgewaehsene Hunde beiderlei Gesehleehts im Gewieht yon 9--25 kg. Zur Narkose wurde die Morphin-Pernoetonnarkose in einer Dosierung von 0,004 g/kg Morphin, subeutan appliziert, und 0,05 g/kg Pernoeton in mehreren intramuskul~renDepots verwandt, wie sie von H. REIx und D. SCHnEIDER~5 angegeben wurde. Naeh Beendigung der Operation wurde mit dem Beginn der eigentliehen Messungen 1--2 Std gewartet, um einen eventuell dureh die operativen Eingriffe ausgel6sten Sehoek ausklingen zu ]assen. In dieser Zeit und w~hrend des Versuehes wurde das Versuehstier, unter Kontrolle dureh ein Rektalthermometer, dureh einen Liehtkasten vor W~rmeverlus~en gesehiitzt. Versuehsergebnisse. E i n e selektive R e i z u n g einzelner F a s e r n oder F a s e r g r u p p e n des s y m p a t h i s e h e n Grenzstranges ist bislang n i c h t m6glieh, unseres Wissens jedenfalls noeh n i e h t besehrieben. Fiir F a s e r g r u p p e n , deren elektrische R e i z u n g dilatatorisehe oder konstriktorisehe W i r k u n g e n ergibt, seheinen a m G r e n z s t r a n g gleiche elektrisehe I~eizbedingungen zu gelten. Da bei elektriseher R e i z u n g i n jedem F a l l mehrere verschiedene F a s e r g r u p p e n betroffen werden, ist der Reizerfolg n i e h t vorherzusehen. I n A b w e i c h u n g y o n den A u t o r e n , die eine M e h r d u r e h b l u t u n g bei elektriseher R e i z u n g des Grenzstranges d a d u r e h erleiehterten, dab sie die nervSsen E n d o r g a n e in der Peripherie p h a r m a k o l o g i s e h beeinflugten, h a b e n wit unsere Versuehe n u t ausgefiihrt, w e n n sich D i l a t a t i o n e n ohne weitere M a g n a h m e n einstellten. Alle Zweifel, ob die a n der Vene m i t tIilfe der S t r o m u h r registrierten 3/fehrdurchblutungen etwa einer Auspressung des u n t e r s u e h t e n Gebietes e n t s p r a c h e n , lieBen sieh d u t c h Vergleiehsmessungen a n der zugeh6rigen Arterie aussehlieBen, wie das sehon y o n D. SCI~Ja~DS.R ~s angegeben wurde.
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g. KLEI~SOROund J. SCI~IER:
Den allgemeinenGang unsererVersuche zeigen zun~ehst dieAbb. 2 und 3. Die elektrische Grenzstrangreizung (Abb. 2) fiihrt zu einer Mehrdurchblutung, die nach initialem StoB fiber Minuten gleich bleibt (A---l)). ~berlagert man eine Drosselung durch mechanische Einengung de r zuffihrenden Arterie (B--C), so finden sich alle Anzeichen, die bei solcher Einschr~nkung einer unbeeinfluBtenMuskeldurchblutung beobachte~ werdenk6nnen. Noch w~hrend der Drosselung steigt die Durchblutung wieder an, was als
Abb. 2. Von A - - D elektrische tteizung des Iinken Grenzstranges m i t sinusf6rmigemWechselstrom yon 50 ]~z 1 mA. Der sieh einstellenden Mehrdurehblutung wird yon B-- C eine mechanische EinschrSnkung des arteriellen Zustroms iiberlagert, die die GrSl]e der Ruhedurchblutung nicht untersehreitet. ~ a e h ]~reigabe der Drossel (U) deutliche ,,postoligiimische tIyper~imie". (Versueh v o m 5.3. 1951, 19,5 kg sehwerer m~nnl. Hund; I. pr. art. Arter. braehial. I I . Durchblutung yen. femoral, re.)
Ausdruck der,,kompensatorischen Vasodilatation" gedeutet werden muB. Wird die Drosselung aufgehoben (Abb. 2, C), so erscheint eine deutliche ,,postoligiimische Hyper~mie", die erst kurz vor AbschluB der Grenzstrangreizung wieder den vor der Drosselung vorhandenen Wert erreicht. Nach AufhSren der l~eizung (Abb. 2, D) erfolgt Riickkehr zur Ruhedurchblutung. Die vom Grenzstrang her auslSsbare Dilatation ist, wie fibereinstimmend in der Literatur angegeben wird, mSglicherweise an die Freisetzung von Acetylcholin gebunden. Durch eine gleichmgl~ige, arterielle seitensti~ndige Acetylcholininfusion - - yon 1--10 y/cm3/min - - l~l~t sich eine gleichbleibende Mehrdurchblutung herbeiffihren (Abb. 3). Schr~nkt man unter diesen Umst~nden den Durchblutungszuwachs durch eine mechanische Drosselung ein, so finder man, dab diese Verminderung der ~ehrdttrchblutung keineswegs yon Mangelerscheinungen gefolgt ist. Die Drosselungstoleranz ist betr~chtlich geworden. Die unbeeinflul]te Ausgangsdurchblutung des untersuchten Gebietes (erste H~lfte der Abb. 3)
Ktinstl. Vergnderungen der Drosselungstoleranz im quergestreiRen Muskel. 435 war dem lokalen Bedarf angepal3t. Die yon A - - D durchgeffihrte geringfiigige Drosselung f/ihrte zu einer deutliohen ,,postoliggmischen Hypergmie". Die Steigerung der Dnrchblutung um etwa 40 ~o durch Acetylcholininfusion bedeutet aber keine maximale Weitstellung der betroffenen peripheren Gefgl~e. Im gleichen Versuch erbraohten andere Acetylcholindosen bei gleicher Grunddurchblutung eine Zunahme des venSsen Rfickflusses bis zu 70 ~o. Der mSgliche Einwand, dab die laeriphere Strombahn
-a
~0 120%80
I
Srossel art.lilac zu E. cluf
auf 7 rnir~,
zrt. il/zca Zi.----,.
Abb. 3. Von A-- B Drosselung des arteriellen Zustroms m i t nachfolgender ,,postoliggmischen Hyperg m i e " . Als Folge einer seitenstgndigen arteriellen Aeetylcholininfusion hat sich die iguskelclurehblutung auf ein neues, hSheres, konstantes Xiveau eingestell'~. Von C-- D ist dieser l~Iehrdurehblutung eine mechanisehe Drosselung der zuffihrenden Arterie iiberlagert. Nach deren Ende k o m m t es zu keiner ,,postolig/imischen Hypergmie". (Versueh yore 13.2. 1951, 24,7 kg schwerer mgnnl. Schgferhund; I. pr. art. Arter. braehial. I I . Durehblutung yen. femoral, li.)
schon die Grenze ihrer Erweiterungsf~thigkeit erreicht h~ttte und damit als begrenzender Faktor eine ,,postoliggmische Hyperi~mie" unmSglich mache, kann daher Ms Grund ftir ihr Fehlen nach Drosselung wghrend einer durch Acetylcholininfusionen bewirkten Durchblutungszunahme nicht geltend gemacht werden. Eine andere Substanz, die als {Jbertrggerstoff vegetativer Nerven diskutiert wird, ist das ttistamin (Literatur siehe bei U. S. v. EULEa4). Wie man heute annimmt, ftihrt dieser Stoff zu einer ausgeprggten Dilatation besonders der Capillaren (LReratur siehe bei R. W. HESS14, Tm LEWIS 17, A. K~OG~ 16, I. H. GA~D~Mg). Drosselt man Mehrdurchblutungen, die durch Histamin bewirkt wurden, bis auf die GrSIte der Ruhedurchblutung, so feh]en auch nach Freigabe des Blutstroms jegliche Anzeichen peripherer Mangelerscheinungen. In einigen Versnchen konnte, wie auch beim Acetylcholin, sogar fiir kurze Zeit (bis zu 10 sec) das Niveau der ]~uhedurchblutung u ~ t e r s c h r i t t e n werden, ohne dal~ es zu ,,postoliggmischen Hypergmien" kam. Durch Kontrolldrosselungen, die
436
H. KLEII~SORC~und J. SCHM~ER:
in allen Versuchen vor und nach den experimentellen Durchblutungssteigerungen ausgefiihrt wurden, wurde die Empfindliehkeit des Gef~i~systems gegeniiber ~angeldurehblutungen geprfift, wie das z. B. aueh in Abb. 3 demonstriert wird. lX~eben neuralen Ubertr~gerstoffen spielen in der 5rtliehen Regulation der Durehblutung sieherlich aneh Produkte des intermedi~ren Stoffwechsels eine Rolle. Es ist bekannt, dal~ diese Zwischenprodukte - - z. B. Adenosintriphosphors~ure, Mi]chsgure - - im AusmaB ihres Effektes yon anderen Faktoren abh~ngig sind. So wurde ihre dilatierende Wirkung im Sinne einer ,,Sensibi]isierung" der Gef~l~e gegen das Aeetyleholin zu erkl~ren versueht. Es sehien yon vornherein unwahrseheinlich, da~ die beim Ablauf stoffweehselbedingter ehemiseher Umsetzungen - - z. B. bei einer ErhShung der oxydativen Vorg~nge bei Arbeit - - gebildeten Stoffe ihrerseits den Stoffwechsel und damit Blutbedarf anfachen wfirden. Damit wiirde ein cireulus vitiosus gesehaffen werden, dessen Begrenzung sehr rasch dutch die Erreiehung der gr51~tm5glichen Dilatation gegeben w~re. Als 1Kodellbeispiel im l~ahmen unserer Experimente wurde aus dieser Gruppe gefgi~wirksamer, intermedi~irer Stoffwechselprodukte die Adenosintriphosphorsi~ure und das l~atriumsalz der Milchsi~ure gew~hlt. Beide Substanzen wurden in neutralen isotonisehen LSsungen arterie!l seitenstgndig infundiert. Die Adenosintriphosphors~iure, deren Wirkungsmechanismus und deren Einflul~ auf versehiedene Gef~Bgebiete u. a. yon W. SCHOEDEL 29, A. I~LEISCH und P. WEGE~ 6, sowie B. I~OLKO%V 7, untersucht wurden, ffihrt bei intraarterieller Infusion zu einer in ihrer GrSBe fiber l~ngere Zeit fast unver~ndei't bleibenden Mehrdurehblutung. Eine w~hrend dieser Zeit fiberlagerte Drosselung ffihrte nicht zu Mangelerscheinungen. Als Dosen ffir die Adenosintriphosphors~ure waren 100 y/cmS/min, ffir das Na-Lactat ]0--20 mg/emS/min gewahlt worden. Gelegentlieh wurde w~hrend der Drosselung einer Mehrdurchblutung ein geringffigiger AnsLieg des venSsen Riickflusses beobachtet. Dies kann dureh die w~ihrend dieser Zeit erfolgende KonzentrationserhShung des infundierten Stoffes erkl~trt werden. Entseheidend war ffir unsere FragesteUung das Ausbleiben einer typisehen ,,postolig~tmisehen Hyperamie". W~hrend die Infusion der bisher besprochenen Substanzen yon einer echten ,,Uberschu~durehblutung" gefolgt waren, hatten die experimentellen Untersuehungen mit A&~enalin andere Ergebnisse. Bekanntlich kSnnen kleine Dosen yon Adrenalin, im Gegensatz zu Arterenol, bei einer kurzdauernden sto6artigen Injektion zu einer Vasodilatation ffihren. Ffir diese Vasodilatation ist neben der Empfindliehkeitssehwelle und dem Zustand des Gewebes die Konzentration der zugeffihrten Substanz der aussehlaggebende Faktor. Soll somit bei einer Dauerinfusion yon Adrenalin eine gleiehm~l~ige Mehrdurchblutung erzielt werden, so darf sich die Empfindliehkeitssehwelle in dieser Zeit, und zwar auch dureh den
Kiinstl. Vergnderungen der Drosselungstolera.nz im quergestreiften Muskel. 437 Eingriff selbst, nicht gndern. AuBerdem mul~ die zur Dilatation ffihrende Konzentration an Adrenalin dadurch konstant bleiben, dal3 Zufuhr und Abbau etwa gleich sind. Die Voraussetzungen zur Erffillung dieser Forderungen gndern sich sowohl in der Regel wghrend jedes Versuchs wie auch yon Tier zu Tier. Die Drosselung einer fiber solche lokM-arteriell verabfolgte Adrenalindauerinfusion bewirkten Mehrdurchblutung ergab, abgesehen yon einer Ausnahme, an 5 Tieren in 10 Versuchen stets eine ,,postolig/imische Hyper/imie". Die Tab. 1 bringt eine {~bersicht fiber das gesamte Material unserer Experimente. Tabelle 1. Ubersicht iiber Zald und Ergebnis vo~ Drosselungen, die e~ner neural oder humoral ausgelSsten Mehrdurchblutung iZberlagert wurde,~ und nicht die Ausgangsdurchblutung unterschritten. Eingriff, durch den die Dilatati0n bewirkb wurde
Grenzstrangreizung.. Acet,ylch0lin . . . . . gistamin . . . . . . Adenosintriphosphorsiiure . . . . . . . Na-Lactat . . . . . . Adrenalin . . . . . .
Anzahl der Versuchstiere
Anzahl der Drosselungen
7 11 11 2 2 5
Auftreten eincr postoligfimischenl~Iyper~mie vorhanden ]nicht vorhanden
7 1
ll 10
9
6 2 1
6
2 10
Besprechung der Versuchsergebnisse. Fal3t man die beschriebenen Versuche zusammen, so zeigt sich, da[t eine gewisse 1Jbereinstimmung der Befunde ffir Adrenalin-bedingte und lieural oder besser durch elektrische Grenzstrangreizung ausgelSste 5[ehrdurchblutungen besteht. Fiir den Grenzstrang ffihrten etwas modifizierte Versuche zu gleichen Ergebnissen. Schr/inkte man n/imlich mechanisch eine durch Grenzstrangreizung hervorgerufene Mehrdurchblutung so stark ein, dal3 der Ruhewert unterschritten wurde, so ergab sich eine stiirkere ,postolig/imische H y p e r / i m i e " als nach einer gleichlangen und gleichstarken Drosselung der t~uhedurchblutung der unbeeinflul~ten Muskulatur. Ebenso liel] sich durch eine dilatatorisch wirkende Grenzstrangreizung die Durchblutung wghrend einer Drosselung bis auf das Ausgangsniveau nnd darfiber hinaus heben, ohne dal~ die 1V[angelerscheinungen dadurch etwa verringert wurden. Die ,postolig/imische Hyper/imie" wurde auch in diesen F/illen vergrSl~ert und verlgngert. Die Ergebnisse bei Infusion yon Acetyleholin, Histamin, Adenosintriphosphorsiiure und Na-lactat stimmten darin fiberein, dab die Durchblutungszunahme weggedrosselt werden konnte, ohne dal3 hierdurch die als Test gew/ihlte ,,postolig/imische Hyper/imie" erzwungen worden w/ire.
438
H. KLm~S0RGund J. SCH~InR:
Es gibt Durchblutungssteigerungen, die nach Erreichung eines gleichbleibenden Niveaus die Bedingungen einer Ruhedurchblutung in Hinsicht auf die Drosselungstoleranz erfiillen. Dies ist bei einer Vasodilatation, die durch Grenzstrangreizung oder dureh kleine Dosen intraarteriell infundierten Adrenalins ausgelSs~ ist, der Fall: Hieraus daft vielleicht gefolgert werden, dal~ die ~ehrdurchblutung einem neuen Gleichgewichtszus~and zwischen Bedarf und Angebot entsprieht. Eine meehanische, kiinstliehe Einschritnknng des Blutangebotes durch Drosselung ftihrt zu Mangelerscheinungen. hx unserer Anordnung wird dieser neue Gleichgewiehtszustand aus dem Auftreten einer ,,postoliggmischen Hypergmie" nach Beendigung der Drosselung ersichtlich. In anderen F/illen war die Mehrdurchblutung nicht der Ausdruck eines gestiegenen Blutbedarfs der Peripherie. Offenbar lag eine vermehrte DurchstrSmung vor, die nicht zur Bew~tltigung eines erhShten Stoffwechsels n5tig war, sondern als echte ,,~dberschuBdurchblutung" gewertet werden mu~. So die Durehblutungssteigerungen nach Acetylcholin, ttistamin und verschiedenen intermedigren Stoftweehselprodukten, wie z. B. der yon nns verwandten Adenosintriphosphorsgure und dem Na-lactat. Bei elektrischer Reizung des Grenzstrangs, die zu einer Dilatation ffihrt, ist nach unserer Meinung der Stoftwechsel gesteigert. In der Literatur wird aber fibereinstimmend die Reizung cholinergischer Fasern ffir die durch den Grenzstrang hervorgerufene Dilatation verantwortlich gemacht. Arteriell infundiertes Acetylcholin zeigt aber im Gegensatz zur dilatatorisch wirkenden Grenzstrangreizung bei einer dutch diese Substanz ausgelSsten Mehrdurchblutung eine ErhShung der Drosselungstoleranz, was sicherlich nicht mit Stoffwechselerh6hung vereinbar ist. Auch lgBt sich die Parallelitgt der Eftekte zwischen elektrischer Grenzstrangreizung und kleinen lokal-arteriellen Adrenalindosen damit nicht vereinbaren. Es wgre immerhin denkbar - - leider ist, wie oben gesag~, eine selektive Erregung bestimmter Grenzstrangfasern noch nicht mSglieh - - , dab bei der angewandten Reizung konstriktorische wie dilatatorische Elemente ihre Ubertrggerstoffe in der Peripherie gleichzeitig freisetzen. Wenn auf eine elektrische Grenzstrangreizung eine Dilatation folgt, so w~re die Vermehrung der Durchblutung dutch freigewordenes Acetylcholin mSglich und Steigerung des Stoffwechsels durch gleichzeitig freigesetzte Adrenalin-ghnliche Substanzen. Eine weitere MSgliehkeit bestfinde in der Annahme yon im symPathischen Grenzstrang verlaufenden Nervenfasern, die den Stoftwechsel direkt im Sinne einer Steigerung beeinflussen kSnnen. Wit mSchten es often lassen, ob die yon uns angenommene Stoffwechselsteigerung im Falle einer Mehrdurchblutung nach Grenzstrangreizung einer Interferenz yon gleichzeitig auftretendem Acetylcholin und
Kiins~l.Veri~nderungender Drosselungstoleranzdes quergestreiftenMuskels. 439 Adrenalin entspricht, oder ob sie durch trophisch wirkende Fasern des sympathischen Grenzstrangs unmittelbar bewirkt wird. Wir neigen aber mehr zu der Annahme, dab die letzte MSglichkeit zutrifft. Zuniichst wird es dara~dfankommen, direkt experimentell zu klEren, ob fiberhaupt unsere Deutung des Verhaltens der Drosselungstoleranz im Sinne yon lokalen Stoffwechsel~nderungen erlaubt ist. Darfiber beriehtet eine weitere Ver5ffentlichung.
Zusammenfassung. Unsere Untersuchungen an der ~uskul~tur der hinteren Extremiti~ten yon narkotisierten Hunden befaBten sich mit der Frage neuraler u n d humoral ausgelSster Mehrdurchblutungen und ihrer ,,Drosselungstoleranz". Die Experimente ffihrten zu folgenden Ergebnissen: 1, Bei elektrischer Reizung des lumb~len Grenzstranges kann h~tufig einegleichbleibende Mehrdurchblutung erzieit werden. Die ,,Drosselungstoleranz" ist w~hrend dieser Zeit gleich Null; eine kiinstliche mechanische Einschri~nkung lediglich der Mehrdurchblutung ffihrt zu anschlieBender ,,postolig~mischer Hyperi~mie". Die Durchblutungszunahme deuten wit im Sinne einer Steigerung des Stoffwechse]s in der ~uskulatur. 2. Bei durch lokgle arterielle Acetylcholininfusionen ausgelSsten Steigerungen der Durchblutung zeigt sich die ,,Drosselungstoleranz" vergrS~ert. Wir deuten dies im Sinne einer ech~en ,,UberschuBdurchblutung". 3. Auch durch Hist~mininfusionen bewirkte Dilat~tionen zeigen die ,,Drosselungstolcranz" grSBer als Null ; d. h. auch hier liegt echte ,,~berschuBdurchblutung" vor. 4. Produkte des intermedi~ren Stoffwechsels - - un~ersuch~ wurden in lokal-arterieller Infusion Adenosin~riphosphors~ture und Na-l~ctat ffihren zu einer Mehrdurchblutung, die nach mechanischer Drosselung des arteriellen Zustroms (hSchstens auf den Wert der Ruhedurchblutung) nicht yon einer ,,pos~oliggmischen Hyper~mie" gefolgt ist. 5. Nach einer kfinstlich passiven Verminderung der durch AdrenMin bedingten Mehrdurchblutung finder sich als Ausdruck eines vorher bestehenden Gleichgewichts zwischen Bedarf und Durchblu~ung im Gegensatz zu den Befunden bei Acetylcholin, Histamin, Adenosintriphosphorsi~ure und Na-Lactat eine ,,postolig~mische Hyper~mie". Der Stoffwechsel ist wiihrend der Adrenalindilatation nach unserer Deutung gesteigert. DaB die gefundenen Veri~nderungen der Drosselungstoleranz wirklich stoffwechselbedingt sind, soll in einer nachfolgenden Abhandlung erwiesen werden.
440
KLEINSORG u. SCH~IER: Kfinstl. V e r a n d e r u n g e n d. Drosse]ungstoleranz usw. Literatur.
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