Publizistik (2017) 62:507–508 https://doi.org/10.1007/s11616-017-0366-0 BUCHBESPRECHUNG
Kocks, Jan Niklas: Political Media Relations Online as an Elite Phenomenon Wiesbaden: Springer VS 2016. 235 Seiten. Preis: C 49,99 Klaus Kamps
Online publiziert: 11. September 2017 © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2017
Die Arbeit von Jan Niklas Kocks ist eine Dissertation, die er im Rahmen des DFGProjektes „Politische Kommunikation in der Online-Welt“ in Berlin verfasste und der Widmung nach im Dezember 2015 in den Druck gab (Erhebungszeitraum 2012/13). Das mag man insofern bedenken, als bei dem zugrunde liegenden Generalthema – Digitalisierung – sicher auch der Zeitpunkt der Analyse interessiert. Dazu braucht man nicht gleich an den einigermaßen idiosynkratrisch und folgenreich herumtwitternden US-Präsidenten erinnern: Anwendungen der Online-Kommunikation durch strategische Akteure wandeln sich recht schnell. Insofern sind entsprechende Studien häufig als Momentaufnahmen zu lesen – so eben auch die vorliegende, auf englisch verfasste Arbeit, die sich mit den kommunikativen Beziehungen zwischen Politikern und Journalisten befasst, konkreter mit dem Einfluss digitaler Kommunikation auf kommunikative Beziehungsstrukturen in Deutschland. Dabei wählt Kocks ein zweistufiges Design: Erstens werden politische Sprecher und Journalisten in teilstandardisierten Interviews befragt, wobei deren Wahrnehmung des Einflusses der Digitalisierung auf ihre alltägliche professionelle Kommunikation im Fokus steht. Zweitens analysiert er auf organisationaler und individueller Ebene Adaptionsprozesse – was neben einer Inhaltsanalyse auch eine Soziale Netzwerkanalyse umfasst. Wie also sehen zentrale Personen an der kommunikativen Schnittstelle von Politik und Journalismus die Folgen der Digitalisierung für ihr „Feld“? Wie reagieren sie darauf? Theoretisch rekurriert Kocks dabei – wie es der Titel andeutet – auf (demokratietheoretisch herleitbare) Modelle der Elitentheorie. Im Kern konzentrieren sich dann die theoretischen Vorüberlegungen auf Fragen der Inklusion und Exklusion – ob al-
Prof. Dr. K. Kamps () Hochschule der Medien, Nobelstraße 10, 70569 Stuttgart, Deutschland E-Mail:
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so (welche?) Formen der digitalen Kommunikation auch neue, andere, andersartige Akteure in Strukturen der politischen Kommunikation hierzulande integrieren. Die Ergebnisse der methodisch-handwerklich einwandfreien Arbeit lassen sich kurz zusammenfassen: Kocks belegt zentral eine Wahrnehmungslücke, eine Differenz zwischen dem vermuteten Einfluss der Digitalisierung auf Seiten der befragten Akteure und dem, was sein zweiter Analyseschritt beleuchtet. Die Journalisten und politischen Sprecher und Kommunikationsberater sehen in der Gesamtschau betrachtet doch einen erheblichen Einfluss der Digitalisierung: Blogger, zum Beispiel, oder auch Akteure der Zivilgesellschaft, Verbände und NGOs, die digitale Kommunikation für ihre politischen Zwecke nutzen und damit Einfluss auf herkömmliche Strukturen der politischen Kommunikation nehmen. Die zweite Analyse im Design von Kocks, die Netzwerkanalyse, verweist hingegen auf ein eher konservatives Moment – dass eben die traditionellen Akteure in den Politikfeldern weitgehend unter sich bleiben, respektive, dass Formen der digitalen Kommunikation die eher elitär zu nennenden Strukturen der (häufig politikfeldspezifischen) Interaktion zwischen den beiden befragten Akteursgruppen nicht weiter berühren. Das Establishment, wenn man so will, bleibt unter sich – Digitalisierung hin, Digitalisierung her. Die zentralen und wichtigen Kommunikationsprozesse werden dadurch nicht oder nur marginal berührt. Vielleicht ist es dem besonderen Projektcharakter der Arbeit geschuldet, dass die theoretische „Besinnung“ doch sehr knapp gerät. Bedauerlicherweise fallen Analysen zur informellen Kommunikation in Politikfeldern fast gänzlich aus oder werden nur pauschal adressiert. Eine wichtige, wenngleich etwas ältere Arbeit von Jens Tenscher zu Politikvermittlungsexperten im Spannungsfeld von Politik und Massenmedien, wird nicht herangezogen. Womöglich ist es eine Geschmacksfrage, aber eine Perspektive wie die des Soziologen Uwe Schimank (u. a. von Christoph Neuberger der Kommunikationswissenschaft schon näher gebracht) zum Handeln in Strukturdynamiken hätte vielleicht geholfen, die Befunde weiter einzuordnen: Warum dieser Strukturkonservatismus, wie formieren sich konkret Einbindung und Ausschluss in kompetitiven Politikfeldern und einer weitgehend im digitalen Wandel begriffenen Kommunikationswelt? So bleibt es letztlich doch ambivalent: Eine ordentliche empirische Analyse bleibt theoretisch – zumindest nach dem Geschmack des Rezensenten – allzu bescheiden. Prof. Dr. Klaus Kamps ist Professor für Kommunikationswissenschaft an der Hochschule der Medien, Stuttgart.
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