Z f Bildungsforsch DOI 10.1007/s35834-013-0064-6 Originalbeitrag
Leitbilder an oberösterreichischen Schulen – eine inhaltsanalytische Auswertung David Kemethofer · Sven Janson
Zusammenfassung: Im Zuge von Reformpolitik und Schulmodernisierung erarbeiteten viele Schulen im deutschsprachigen Raum Schulprogramme und Leitbilder. Der vorliegende Beitrag beschäftigt sich mit der inhaltsanalytischen Auswertung dieser Leitbilder als einem Indikator zur Schulprofilierung, mit dem Resultat, verbesserter Schulqualität und Schulentwicklung. Dabei soll der Beitrag die Fragen beantworten, inwieweit die Schulen ihre Leitbilder der Öffentlichkeit zur Verfügung stellen, die Inhalte der Leitbilder wissenschaftliche Merkmale „guter Schulen“ aufweisen und sich schultypenspezifische Unterschiede zeigen. Als Grundgesamtheit für die Analyse wurden 117 oberösterreichische Schulen für Schüler/innen ab der 9. Schulstufe ausgewählt. Die Auswertung der Schulleitbilder zeigt, dass die gewählten Merkmale „guter Schulen“ auch inhaltliche Schwerpunkte darstellen. Qualitätskriterien wie „pädagogische Schwerpunkte“, „Lernumgebung und Lernmöglichkeit“ oder „Schulklima“ sind nicht nur wissenschaftlich anerkannt, sondern nehmen einen hohen Stellenwert im Profil einer Schule ein. Themenbereiche wie „Teamarbeit“, „Teamfähigkeit“ und „Kooperation“ werden in den Leitbildern der Schulen ebenso beschrieben wie ein wertschätzender Umgang. Kaum thematisiert werden hingegen Aspekte der Schulleitung sowie Regeln oder die Schulumwelt. Letztlich sollen die Ergebnisse der vorliegenden Untersuchung ein Bild liefern, inwieweit wissenschaftliche Kriterien einer „guten Schule“ den Einzelschulen in einem Maß bewusst sind, sodass diese in das eigene Leitbild eingearbeitet werden. Schlüsselwörter: Leitbild · Schulprogramm · Schulentwicklung · Inhaltsanalyse
School concepts in Upper Austrian schools: a content analysis Abstract: Many schools in the German speaking countries have elaborated school programmes and school concepts due to reform politics and school modernisation. School concepts can be seen as an indicator of profiling a school leading to increased quality and school development. The paper aims to present and discuss the findings of a content analysis answering the following research questions: Are the schools aware of the importance of having a school concept and is it accessible
Angenommen: 25.07.2013 © Springer Fachmedien Wiesbaden 2013 D. Kemethofer () · S. Janson Johannes Kepler Universität Linz, Altenberger Straße 69, 4040 Linz, Österreich E-Mail:
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for the public? Do the school concepts reflect characteristics of “good schools” as described in scientific literature, and are there differences between various types of schools? The analyses are based on a sample including 117 schools in Upper Austria with students attending 9th grade or higher. The results indicate that the school concepts strongly emphasise topics such as “education”, “learning opportunities” and “learning environment” or “school climate”. Moreover social skills like “teamwork” or “cooperation” as well as “mutual appreciation” are mentioned in school concepts. In contrast topics referring to the school leader and the schools environment such as “rules” or “school milieu” are rarely discussed. The final analysis of the results of this paper show to which extent scientific criteria of “good schools” are part of schools’ own awareness. Keywords: School concept · School programme · School development · Content analysis
1 Problemstellung und theoretische Ausgangslage Mit der ersten Hälfte der 1990er Jahre erlebt das deutschsprachige Schulsystem eine Phase neuer Schulmodernisierung, welche mitunter Fragen der Veränderung der Steuerungsstruktur im Bildungssystem thematisierte. Im Zentrum der Veränderungsprozesse kann aus heutiger Sicht vor allem der Paradigmenwechsel hin zu einem Mehr an einzelschulischen Gestaltungsspielräumen bzw. der Autonomisierung der Schule betrachtet werden (Altrichter und Rürup 2010). Die Grundidee erhöhter Schulautonomie inkludiert dabei „eine Reihe von Entscheidungsrechten und -kompetenzen […] auf jene der Einzelschule zu verlagern“ (Altrichter und Rürup 2010, S. 111). Damit Schulentwicklung auf Basis einzelner Schulen stattfinden kann, müssen auch schulrelevante Akteure eingebunden werden, um letztlich dem Ziel, einer „guten Schule“ (siehe u. a. Altrichter et al. 2009; Ditton 2007; Tillmann 1994) zu entsprechen. Der Schule eröffnen sich dadurch Möglichkeiten, auf unterschiedlichsten Ebenen (finanziell, personell, organisatorisch, pädagogisch) eigenständig zu agieren (Altrichter und Rürup 2010). Im Zuge der erwähnten Reformpolitik und Schulmodernisierung wurden die Schulen im deutschsprachigen Raum aufgefordert, ein Schulprogramm als internes Instrument zur gezielten Weiterentwicklung der Schule zu erarbeiten (Holtappels 2011). Maritzen (2003, S. 248) spricht im Zusammenhang mit Schulprogrammen von Schlagwörtern wie Profil, Programm, Konzept, Leitbild oder Corporate Identity, eine Abgrenzung zwischen den genannten Begriffen ist jedoch oftmals nicht möglich (siehe auch Philipp und Rolff 1998). Jürgens et al. (2004, S. 22) kritisieren etwa, dass „was von dem einen als Schulprogramm bezeichnet wird, titulieren andere als Schulprofil und wieder andere als Leitbild“. Nach Philipp und Rolff (1998) liegt der Unterschied zwischen Schulprogramm und Schulleitbild lediglich in der Ausführlichkeit und dem Grad der Konkretisierung. Das Schulprogramm beinhaltet klare Entwicklungsziele und nennt jene Maßnahmen und Schritte, welche zur Realisierung notwendig sind, das Leitbild hingegen verdeutlicht in einigen knappen und präzise formulierten Leitsätzen die pädagogische Grundorientierung (Holtappels 2011; Feldhoff et al. 2009; Maritzen 2003). Posch (2002, S. 28) definiert das Schulleitbild wie folgt: „Kurze, einprägsame Formulierungen, die einen Einblick in zentrale, längerfristige Zielvorstellungen und Prinzipien vermitteln und […] in den Angeboten der Schule (Schulprofil) und im Schulprogramm zum Ausdruck kommen.“ Daraus lässt sich auch das Ziel eines guten Leitbildes ableiten, nämlich mit wenigen Worten
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die (pädagogische) Grundorientierung einer Schule zu verdeutlichen. Im Idealfall wird das Leitbild durch die Schulleitung, den Lehrkörper sowie externe Interessengruppen im Konsens erstellt. Ein gutes Leitbild beschreibt den von einer Schule angestrebten Zustand und berücksichtigt die bereits existierenden Stärken und die individuelle Ausrichtung einer Schule. Im Prozess der Schulprogrammarbeit stellt das Leitbild ein unverzichtbares Element dar (Holtappels 2011; Maritzen 2003; Philipp und Rolff 1998). Nach Holtappels und Müller (2002) führt ein ausgearbeitetes Leitbild im Schulprogramm dazu, dass das Schulprogramm durch das Vorhandensein eines Leitbildes ein insgesamt besseres Instrument für die Schulentwicklung ist. Die kontinuierlich ansteigende Akzeptanz und Bedeutung dieses Steuerungsinstrumentes unter den österreichischen Schulleitungen spiegeln auch die Ergebnisse von Altrichter et al. (2012, S. 228 ff.) wider. Im Zuge der nationalen Zusatzerhebung zu PISA werden österreichische Schulleitungen seit dem Jahr 2000 gebeten, die Umsetzung einer Reihe von möglichen Qualitätsentwicklungsmaßnahmen zu bewerten. Die regelmäßige Erhebung bietet die Möglichkeit, längerfristige Tendenzen zu erkennen (Haider 2006). Unter anderem wurden die Schulleiter/innen gefragt, ob an ihrer Schule bereits ein schriftliches Leitbild erstellt wurde. Die Ergebnisse zeigen einen deutlichen Anstieg existierender Leitbilder (2000: 47 %, 2003: 74 %, 2006: 80 %, 2009: 93 %) und weisen darauf hin, dass die öffentliche und wissenschaftliche Diskussion innerhalb der Schulen das Bewusstsein für Qualitätsentwicklung und Qualitätssicherung anstiegen ließ. In ihrer Analyse der Webpräsenz von österreichischen Schulen (Hauptschulen, Allgemeinbildende Höhere Schulen und Berufsbildende Höhere und Mittlere Schulen) berichten Rammer und Sommerauer (2008), inwieweit einzelne Schulen ihr Leitbild bzw. Schulprogramm online zur Verfügung stellen. Dabei zeigt sich, dass in 56 % der untersuchten Schulen das Leitbild einen Teil der Webpräsenz darstellt. Das Bewusstsein über die Bedeutung von Leitbildern bzw. deren öffentliche Sichtbarkeit variiert jedoch nach Schultyp und Bundesland (Rammer und Sommerauer 2008). Altrichter et al. (2009) verweisen weiters darauf, dass das Fehlen einer gemeinsamen Vision (z. B. in Form eines Schulprogramms oder eines Schulleitbildes) als Merkmal für problematische Schulen identifiziert werden kann. Basierend auf dem aktuellen theoretischen und empirischen Forschungsstand scheint eine genauere Analyse der Leitbilder als schriftliche Vereinbarung der schuleigenen Qualitätsansprüche, von wissenschaftlicher Relevanz. Letztlich ergeben sich die folgenden Fragestellungen, welche in der vorliegenden Arbeit diskutiert werden: 1. Sind sich Schulen der Bedeutung eines Leitbildes bewusst und stellen dieses als Instrument marktorientierter Schulentwicklung der Öffentlichkeit zur Verfügung? 2. Inwieweit beziehen sich Schulen in ihren Leitbildern thematisch auf die wissenschaftlich anerkannten Kriterien einer „guten Schule“? 3. Existieren schultypenspezifische Unterschiede hinsichtlich der Verfügbarkeit von Leitbildern bzw. den in Leitbildern präsentierten Inhalten? 2 Qualitätsmerkmale „guter Schulen“ Zur systematischen Auswertung und Diskussion der Schulleitbilder und deren inhaltlichem Bezug zu den Qualitätsmerkmalen „guter Schulen“ ist es notwendig, auszuarbei-
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ten, welche Aspekte „gute Schulen“ ausmachen. Nach Terhart (2000, S. 814) beschreibt das Konzept des Qualitätsbegriffs die ganzheitliche und objektive Bewertung eines bestimmten Gegenstandes bzw. einzelner Dimensionen. Für die objektive Beurteilung sind eine Bezugsbasis oder Standards vorausgesetzt. Der Ausdruck Qualität ist gleichfalls ein Kennzeichen hoher Bewertung. Heid (2007, S. 56) definiert Qualität ähnlich, indem sie diese als das Resultat der Beurteilung eines Gegenstandes bezeichnet. In der Diskussion um die Qualität von Schulen macht Fend (1988) darauf aufmerksam, dass die Einzelschule selbst lediglich eine Ebene eines Mehrebenensystems darstellt (siehe auch Creemers und Kyriakides 2012; Ditton 2007). Alle Autoren weisen jeweils auf vier hierarchische Ebenen hin: 1) Individualebene, 2) Klassenebene, 3) Schulebene und 4) Ebene des gesamten Schulsystems. Jede Ebene unterliegt eigenen Kriterien, wenngleich einzelne Ebenen sowohl einen direkten als auch einen indirekten Einfluss auf andere Ebenen ausüben können (Creemers und Kyriakides 2012). Die Ausführungen deuten bereits darauf hin, dass „Qualität und Schule“ ein komplexes Konstrukt darstellen und bei dem Versuch, eine „gute Schule“ zu definieren und zu beschreiben, eine Reihe von Merkmalen zu berücksichtigen sind. In den von Gerecht et al. (2007, S. 12) beschriebenen Skalen zur Schulqualität werden insgesamt zehn Konstrukte angeführt, welche Input- und Prozessqualität auf Schulebene berücksichtigen. Grob zusammengefasst umfassen die Skalen Bereiche der Lernumgebung und Lernmöglichkeit für Schüler/innen (z. B. Klassenklima, Computernutzung), die interne Schulstruktur (z. B. pädagogische Führung, Kooperation) sowie schulische Kontextfaktoren (z. B. Qualität des Schulgebäudes, Elternbeteiligung). In der Literatur werden jedoch nicht nur Merkmale genannt, welche „gute Schulen“ kennzeichnen, oftmals werden auch jene Eigenschaften beschrieben, die schlechte Schulen oder „failing schools“ (Altrichter et al. 2009, S. 716) ausmachen. Für Schulen gilt es, diese Attribute zu vermeiden. Nach Fend (1994, S. 18 f.) stellen „Chaos, Strukturlosigkeit, Vandalismus, Rohheit, Gleichgültigkeit und Verantwortungsentzug“ aber auch „Stimmungen der Ohnmacht und Resignation“ Kennzeichen schlechter Schulen dar. 1. Wenngleich die herangezogenen Kriterien vom Kontext vorhandener Werte und Ziele abhängen, kristallisierten sich nach Jahrzehnten der Schulqualitätsforschung einige zentrale Merkmale heraus. In einer Zusammenfassung der bisherigen Forschung zu Kennzeichen „guter Schulen“ geben Altrichter et al. (2009, S. 714 ff.) einen Überblick über deren von der Forschung identifizierten gemeinsame Merkmale: 2. Eine „gute Schule“ besitzt gemeinsam geteilte pädagogische Vorstellungen, gesetzte Ziele werden durch Kooperation, mit der Möglichkeit individueller Gestaltungsfreiheit, erreicht. 3. Die Schulleitung an guten Schulen sollte in der Lage sein, auf die Wünsche und Bedürfnisse unterschiedlichster schulrelevanter Akteure (Eltern, Schüler/innen, Lehrer/innen) einzugehen und parallel dazu die Schule als Führungskraft zu leiten. 4. Eine gute Schule kennzeichnet sich weiters dadurch, dass deren Schüler/innen gute Leistungen erbringen. Um dieses Ziel zu erreichen, sollten entsprechende Lernumgebungen und Lernmöglichkeiten geschaffen werden. Altrichter et al. (2009) verweisen hierbei nicht ausschließlich auf fachliches Wissen, sondern betonen auch die Bedeutung überfachlicher (intellektueller) Kompetenzen.
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5. An guten Schulen läuft der Schulalltag für alle beteiligten Akteure möglichst reibungslos ab. Hierfür bedarf es klarer und nachvollziehbarer Regeln sowie einer geordneten Schulumwelt. Durch die dadurch gewonnene Berechenbarkeit von Abläufen kann die verfügbare Unterrichtszeit effektiv genutzt werden. 6. In guten Schulen ist der Umgang zwischen Lehrer/innen und Schüler/innen von Respekt und Vertrauen geprägt und den Schüler/innen wird die Möglichkeit zur Partizipation gegeben. Ein derartiger Umgang weist auf ein gutes Schulklima hin. In Schulen mit positivem Klima wird der Entwicklung der Schüler/innen mit viel Engagement begegnet, was letztlich wiederum zu „guten Schulen“ führt. 7. Gute Schulen legen ihren Fokus nicht ausschließlich auf den Bereich Unterricht, sondern nehmen auch das außerunterrichtliche Schulleben entsprechend wahr. Initiierte Projekte werden unterstützt und realisiert, dadurch bieten sich sowohl für Schüler/ innen als auch für Lehrer/innen zusätzliche Erfahrungen. 8. Gute Schulen schotten sich nicht ab, sondern forcieren Beziehungen nach außen. Für Eltern und andere Schulakteure besteht dadurch die Möglichkeit, sich aktiv als Teil der Schule zu engagieren. Letztlich fassen die sieben beschriebenen Merkmale von Altrichter et al. (2009) zusammen, was eine „gute Schule“ ausmacht, wenngleich Fend (1994) betont, dass ein derartiger Kriterienkatalog das Ideal darstellt und der Schulalltag oftmals ein anderes Bild liefert. Die vorliegende Arbeit verwendet die dargestellten und von Altrichter et al. (2009) beschriebenen Qualitätsmerkmale als Referenzrahmen bei der Analyse der Leitbilder und der Beantwortung der Forschungsfragen. 3 Methodisches Vorgehen Die geeignetste Methode zur wissenschaftlichen Auswertung von Textmaterialien stellt die Inhaltsanalyse dar. Mit inhaltsanalytischen Techniken können Rückschlüsse auf vorherrschende Themenschwerpunkte getätigt werden. Früh (2007) betont diesbezüglich, dass die Inhaltsanalyse dann zum Einsatz kommt, wenn sich aufgrund der Fragestellung oder des zugänglichen Datenmaterials keine anderen methodischen Verfahren einsetzen lassen. Je nach Fragestellung ist die qualitative oder die quantitative Inhaltsanalyse besser geeignet, wodurch abhängig von Fragestellung und Kontext der Untersuchung eine der beiden Varianten bzw. eine Kombination zu verwenden ist. Zur Beantwortung der unter Punkt 1 definierten Fragestellungen stützt sich die vorliegende Arbeit auf die Technik der inhaltlichen Strukturierung nach Mayring (2010, S. 98). Bei der inhaltlichen Strukturierung wird ein Kategoriensystem an einen Text herangetragen um „bestimmte Themen, Inhalte, Aspekte aus dem Material herauszufiltern und zusammenzufassen“ (Mayring 2010, S. 98). Die Kategorien werden dabei vorab anhand der Fragestellung theoriegeleitet entwickelt. Wird inhaltsanalytisch gearbeitet, so steht und fällt die Qualität des Datenmaterials mit der Qualität des Codeplans sowie der darin enthaltenen Kategorien (Früh 2007; Galonska 2004). Mayring (2010) betont, dass zusätzlich zu einer genauen Definition, welche Textbestandteile einer Kategorie zugeordnet werden, auch Codierregeln und Ankerbeispiele notwendig sind.
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Das zur Datenerhebung verwendete Kategoriensystem wurde im Rahmen der Lehrveranstaltung „Forschungsprojekt“ aus dem Masterstudium „Politische Bildung“ an der Johannes Kepler Universität Linz erstellt1. Die deduktiv entwickelten Kategorien basieren auf den in der Literatur beschriebenen Merkmalen „guter Schulen“ und greifen auf die zusammenfassende Arbeit von Altrichter et al. (2009, siehe auch Kap. 2) zurück. Ankerbeispiele wurden definiert und Regeln für die Zuweisung einzelner Inhalte zu den Kategorien wurden vorab festgelegt. Anschließend wurde der Codeplan mehrfach an Schulleitbildern anderer Bundesländer getestet und überarbeitet, wodurch nach Früh (2007) die Validität durch die Forscher/innen selbst überprüft wird. Die Reliabilitätsmessung der Datenerhebung erfolgte in kleinen Teams, eine statistische Kennzahl wurde aufgrund der insgesamt großen Anzahl an Codierer/innen sowie der geringen Menge an zu verarbeitendem Material nicht berechnet (siehe u. a. Mayring 2010; Lissmann 2001; Krippendorff 1980). Die Endversion des Codeplans enthält eine umfassende Bandbreite an Kategorien und spiegelt die bedeutendsten Merkmale „guter Schulen“ wider. Zur Gewährleistung der intersubjektiven Nachvollziehbarkeit bietet Tab. 1 eine Auflistung des Kategoriensystems inklusive Codierregeln und exemplarisch angeführter Ankerbeispiele. Als Grundgesamtheit für die Analysen dienen Schulen des Landes Oberösterreich für Schüler/innen ab der 9. Schulstufe, wobei folgende Schultypen berücksichtigt wurden: Höhere Technische Bundeslehranstalten (HTL), Bundeshandelsakademien (HAK) und Bundeshandelsschulen (HAS), Höhere Bundeslehranstalten für Wirtschaftliche Berufe (HLW), Bildungslehranstalten für Kindergartenpädagogik (BAKIP), eigenständige Bundesoberstufenrealgymnasien (BORG), Berufsschulen (BS) und Polytechnische Schulen (PTS). Somit stellen die Schultypen großteils bewusst gewählte Schulformen nach Abschluss der Pflichtschule dar (Ausnahme: PTS). Dem Schulleitbild als Medium des Schulprofils, aber auch als Werbeinstrument, kommt dadurch vermehrt Bedeutung zu. Basierend auf dem Schulführer des Landesschulrats für Oberösterreich (2011) konnten 117 Schulen einem der genannten Schultypen zugeordnet werden und stellten die Basis der Datenerhebung dar. Für die Codierung selbst waren all jene Dokumente von Relevanz, welche auf den Homepages der Schule verfügbar und explizit als Leitbild deklariert waren. Bei der Ergebnisdarstellung und der Dateninterpretation ist zu berücksichtigen, dass ausschließlich online zugängliche Leitbilder ausgewertet wurden. 4 Verfügbarkeit der Leitbilder Auf den Schulhomepages von 74 der insgesamt 117 relevanten Schulen konnte ein Leitbild gefunden werden. Schultypenumfassend bedeutet dies, dass nicht ganz zwei Drittel der Schulen ihr Leitbild der Öffentlichkeit zugänglich machen. Somit ist in 63 % der untersuchten Schulen ein Leitbild online verfügbar womit die von Altrichter et al. (2012, S. 230) ausgewiesenen 93 % nicht erreicht werden. Das bedeutet jedoch nicht, dass insgesamt weniger Schulen ein Leitbild besitzen, vielmehr könnte sich die Differenz der Werte durch die Onlinepräsenz erklären lassen. Möglicherweise existiert in manchen Schulen ein Leitbild nur für interne Zwecke und ist online nicht verfügbar. Ein Vergleich zu den von Rammer und Sommerauer (2008) präsentierten Werten lässt jedoch den Rückschluss zu, dass die Webpräsenz von Leitbildern offensichtlich zugenommen hat.
Leitbilder an oberösterreichischen Schulen Tab. 1: Codierleitfaden Kategorie Definition/Codierregel 1) PädagoDer Kategorie Pädagogische Vorstellungen und gische Kooperation sind Inhalte mit Verweis auf LehrVorstellun- personal (pädagogische Praxis), Qualifikation, gen und Aus- und Weiterbildung, EntfaltungsmöglichKooperation keiten, Lehrmethoden zuzuordnen 2) Schulleitung Unter Schulleitung fallen Inhalte, welche Bezug zur allgemeinen Qualitätsentwicklung (z. B. Bildungsstandards, Evaluation, Bezug auf besondere Leistungen vonseiten der Schule) oder expliziten Bezug zur Schulleitung aufweisen 3) Lernumge- Der Kategorie Lernumgebung und Lernmögbung und lichkeiten werden Inhalte zu den Themenfeldern LernmögAusstattung und Equipment (z. B. Klassenzimlichkeiten mer, Funktionsräume), (Aus-)Bildungsschwerpunkte, Möglichkeiten der Zusatzqualifikation für Schüler/innen (z. B. ECDL) und besondere Angebote vonseiten der Schule (z. B. CLIL), Persönlichkeitsentwicklung von Schüler/innen auf Individualebene (z. B. Selbstverantwortung, Wertebildung) zugeordnet 4) Regeln und Als Regeln und Schulumwelt sind Inhalte mit SchulumBezug zum Umfeld der Schule, Schulregeln, welt der Schulumwelt und dem Standort der Schule definiert 5) Schulklima
6) Schulleben
7) Beziehungen nach Außen
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Exemplarisches Ankerbeispiel Ein zeitgemäßer Unterricht ist unumgängliche Voraussetzung zur Erreichung der Bildungsziele der Schule Die Transparenz der Leistungsbeurteilung ist für die Lehrer/innen eine Verpflichtung Laufend optimierte technische Ausstattung ermöglicht den Einsatz von variierten Arbeitsformen
Ein erfolgreiches „Miteinander“ braucht aber auch Spielregeln, die in einer Hausordnung von den Schulpartnern festzulegen sind Der Kategorie Schulklima werden Inhalte zu Wir sind eine lebendige den Bereichen Kooperation, Kommunikation, Schulgemeinschaft, in der Beziehungen innerhalb der Schule, SchulSchulleitung, Lehrer/innen, klima, Mitsprache, Aspekte des allgemeinen Schüler/innen und Eltern in Wertebilds der Schule (z. B. Ethik/Moral), offener und demokratischer Einbeziehen von Schüler/innen mit besonderen Partnerschaft die Schule von Bedürfnissen und Schüler/innen mit Migrations- heute mit Leben erfüllen und hintergrund (Integration) zugeordnet an der Gestaltung der Schule von morgen arbeiten Sämtliche Inhalte zu Angeboten der Schule, Unsere Schüler werden im welche nicht auf den Unterricht bezogen sind, angeschlossenen Internat z. B. Förderung von außerschulischen Interessen betreut (nicht Förderunterricht), Freizeit, Kultur, Sport, Projekte, Unterbringung, Verpflegung sind der Kategorie Schulleben zuzuweisen In Bereich Beziehungen nach Außen fallen Weinbau und Obstbau in Inhalte, die sich auf Beziehungen zu externen Zusammenarbeit mit LFS Schulpartnern, Vereinen und Organisationen, Krems zur Politik (Kommunal, Land, Bund) und Wirtschaft, zu Universitäten und Hochschulen, anderen Schulen und Behörden (LSR, BSR) beziehen.
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Abb. 1: Online verfügbare Leitbilder nach Schultyp
Der betriebswirtschaftliche Ursprung des Leitbildes zeigt sich in der schultypenspezifischen Auswertung. Abbildung 1 ist zu entnehmen, dass der Anteil an online verfügbaren Leitbildern in den wirtschaftlich orientierten Schulen besonders hoch ist (HLW: 93 %, HAK/HAS: 89 %), wohingegen auf den Homepages von technisch orientierten Schultypen (HTL: 35 %, PTS: 27 %) kaum Leitbilder vorhanden sind. Der Unterschied zwischen wirtschaftlichen und technischen Schulen ist hochsignifikant ( p ≤ 0,001). Bundesoberstufenrealgymnasien und Berufsschulen stellen ihre Leitbilder mehrheitlich online zur Verfügung. Die Auswertung verdeutlicht, dass sich die Schulen tendenziell der Bedeutung eines Leitbildes – auch für die interessierte Allgemeinheit – bewusst sind, gleichzeitig sorgt der unterrichtsinhaltliche Kontext einer Schule für schultypenspezifische Unterschiede. 5 Inhaltsanalytische Auswertung der Leitbilder Im folgenden Abschnitt wird ein zusammenfassender Ergebnisüberblick der inhaltlichen Strukturierung geboten Die Auswertung der einzelnen Kategorien zu den Merkmalen „guter Schulen“ erfolgt dabei analog zur Anordnung in Tab. 1. 5.1 Pädagogische Vorstellungen und Kooperation Die Bedeutung des Lehrpersonals im Bereich der Wissensvermittlung allgemein und speziell im Unterricht ist mehrfach belegt (u. a. Hattie 2009; Meyer 2004). So befinden sich bei Hattie (2009, S. 297 ff.) unter den zehn höchst gereihten Einflussfaktoren für Lernleistung sechs Dimensionen mit unmittelbarem Bezug zur Lehrperson. Schulen unterstreichen diese Bedeutung vor allem mit Begriffen wie Kollegialität oder partnerschaftlicher Zusammenarbeit unter den Lehrenden. Eine von vielen Schulen geteilte pädagogische Vorstellung ist die individuelle Entwicklung der Schüler/innen. Die Schulen verweisen darauf, das nötige Wissen und die nötigen Kompetenzen (z. B. Bedeutsamkeit von Qualifikationen und wirtschaftlicher Wettbewerbsfähigkeit), die für die Eingliederung in die Arbeitswelt und die Gesellschaft relevant sind, zu vermitteln. In sämtlichen untersuchten Schulformen bieten die Leitbilder hierfür auch Hinweise zu den Lehrmethoden, wenn-
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gleich die Schulen eher allgemeine Formulierungen wie „praxisorientiert“ oder „neu“ verwenden. Die genannten Aspekte könnten als Minimalkonsens gewertet werden, wenn es darum geht, dass die Lehrenden, wie von Altrichter et al. (2009, S. 714 f.) beschrieben, in einem kooperativen Prozess gemeinsame Inhalte an die Schüler/innen vermitteln wollen. Ein vertiefter Blick auf konkrete pädagogische Inhalte und Angebote einer Schule zeigt, dass sich die Schultypen thematisch tendenziell in zwei Gruppen teilen lassen. Berufsschulen und Polytechnische Schulen verweisen vor allem auf die vorhandene Fachkompetenz, andere Schulformen (BAKIP, BORG, HAK/HAS, HTL und HLW) verweisen hingegen auf die erweiterte Allgemeinbildung. Dies mag daran liegen, dass gerade diese Schultypen Abschlüsse anbieten, die zur Matura führen und damit die Grundlage für tertiäre Bildungsabschlüsse (z. B. Studium) darstellen. Nichtsdestotrotz unterscheiden sich auch diese Schultypen hinsichtlich ihrer Bildungsangebote deutlich untereinander. Die Bildungsschwerpunkte schwanken dabei je nach Schultyp vor allem zwischen technischen und wirtschaftlichen Angeboten. Kulturelle oder kreative Angebote werden dagegen gar nicht oder wenn, dann nur als zusätzliche Angebote im Rahmen eines breiten für die Allgemeinbildung erwünschten Bildungskanons, angesprochen. Kaum erwähnt werden spezielle Unterrichtsangebote wie der Erwerb von Zusatzqualifikationen oder Exkursionen. Die geringe Betonung spezieller Unterrichtsangebote überrascht vor dem Hintergrund, dass viele Schulen die Lehrplanautonomie dahin gehend nutzen, neue Unterrichtsgegenstände wie Informatik oder Fremdsprachen einzuführen (Schratz und Hartmann 2009). Eine Ausnahme stellt die Fremdsprachenkompetenz dar, auf welche die Leitbilder von Schulen mit einem wirtschaftlichen Schwerpunkt vermehrt verweisen (HAK/HAS, HLW). 5.2 Schulleitung Bereits die Erstellung und Verfügbarkeit eines Leitbildes weist darauf hin, dass sich die Schulleitung bewusst mit der Thematik Schulentwicklung beschäftigt, über die Arbeit der Schulleitung selbst kann auf Basis der Inhalte kaum rückgeschlossen werden. Wird die Schulleitung erwähnt, dann ausschließlich zum Thema Zusammenarbeit zwischen Lehrenden, Schüler/innen und Eltern. Unter Berücksichtigung des Zwecks von Leitbildern, einer knappen schriftlichen Verdeutlichung des Profils und Programms einer Schule, ist dies jedoch nicht sonderlich überraschend. In den Leitbildern von Berufsschulen, Höheren Bundeslehranstalten für Wirtschaftliche Berufe, Bundeshandelsakademien und Bundeshandelsschulen sowie Bildungslehranstalten für Kindergartenpädagogik wird allerdings das Thema Schulentwicklung explizit angesprochen. Die Schulen setzen in ihren Leitbildern Begriffe wie Qualitätssicherung, Qualitätsverbesserung oder Schulentwicklung zwar ein, beschreiben jedoch keine konkreten Maßnahmen, sondern erwähnen eher allgemein die Bedeutung Themenfeldes. 5.3 Lernumgebung und Lernmöglichkeiten Eine passende Lernumgebung und vielfältige Lernmöglichkeiten sind „Aushängeschilder“ von Schulen und „guten Schulen“ ist bewusst, dass zu den Aufgaben des Schul-
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systems die „Vermittlung nachhaltiger Grund- und Fachkompetenz an die Schüler/innen […] sowohl für die berufliche Ausbildung als auch für das lebensbegleitende Lernen“ (Haider und Lassnigg 2009, S. 9) zählt. Die Auswertung zeigt, dass sämtliche Schultypen entsprechend häufig auf Aspekte der Lernmöglichkeiten verweisen, wobei dies vor allem (Aus-)Bildungsschwerpunkte im Unterricht (HAK/HAS, HLW) oder die Persönlichkeitsentwicklung der Schüler/innen betrifft. Als solche überfachliche Kompetenzen werden vor allem Konzepte wie Eigenverantwortung (HBLA, BS), Förderung von sozialer Kompetenz (BORG) oder Teamfähigkeit (HAK/HAS) beschrieben. Altrichter et al. (2009, S. 715) verweisen in Bezug auf das Lernen auch darauf, dass gezielte Weiterentwicklungen und Qualifikationen des Lehrpersonals ebenfalls von Bedeutung sind und dabei helfen können, Schulen im Sinne des eigenen Schulprofils zu entwickeln. Die enge Verbindung zwischen pädagogischer Ausrichtung und dem Lernen der Schüler/innen wird jedoch nicht nur in der Theorie beschrieben, sondern spiegelt sich auch in den Leitbildern der Schulen wider. Themen der Lernumgebung und Lernmöglichkeiten werden in vielen Leitbildern mit Inhalten zur pädagogischen Vorstellung kombiniert. Die schulische Lernumgebung wird nur bei Berufsschulen und Polytechnischen Schulen häufiger genannt, wobei aber auch bei diesen tendenziell nur auf eine „zeitgemäße“ oder „moderne“ Ausstattung bestimmter Fachräume (z. B. Werkstätten) verwiesen wird. Konkrete Aussagen, wie die Lernumgebung mit den Lernmöglichkeiten verknüpft wird, lassen sich jedoch nicht finden. 5.4 Regeln und Schulumwelt Klare Regeln und eine gute Schulumwelt sind wichtige Aspekte, wenn es darum geht, Lernen und Lehren zu organisieren. Insofern scheint es wenig erstaunlich, dass eine Reihe von Schulen diesen Themen einen entsprechenden Stellenwert widmet, eine Ausnahme stellen die Polytechnischen Schulen dar. Auffällig ist, dass die Schulen unter dem Merkmal Regeln und Schulumwelt meist Begriffe wie Offenheit, Zuverlässigkeit, Hilfsbereitschaft, Ehrlichkeit oder Toleranz aneinanderreihen, ohne diese explizit zu erklären. Das Hauptaugenmerk liegt dabei auf Aspekten wie Verantwortung, gegenseitige Wertschätzung und Toleranz. Sehr oft lässt sich in den Leitbildern feststellen, dass das Stichwort Integration mit der Umwelt der Schule verknüpft wird. Schultypenübergreifend stellt die Integration einen der wichtigsten Grundwerte der verschiedenen Schultypen dar. Die Schulen scheinen die Relevanz von Integration für moderne Gesellschaften und die eigene Verantwortung hinsichtlich dieses Themas erkannt zu haben. 5.5 Schulklima Sämtliche Schultypen betrachten das Schulklima als wichtiges Kriterium, um als „gute Schule“ wahrgenommen zu werden und betonen dies auch als Richtlinie und Vision. Einen sehr hohen Stellenwert nimmt das Schulklima in Bildungslehranstalten für Kindergartenpädagogik ein, am wenigsten kommen schulklimabezogene Inhalte in den Leitbildern Polytechnischer Schulen vor. In der Literatur (Eder und Haider 2012; Altrichter et al. 2009; Fend 1988) nimmt das Schulklima einen hohen Stellenwert in Bezug auf die Entwicklung der Qualität von Schulen ein. Altrichter et al. (2009, S. 716) betonen, dass
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„gute Schulen“ ein Schulklima aufweisen, „das durch Engagement für die SchülerInnen im Kollegium und dem Gefühl auf Schülerseite, als Person anerkannt und geschätzt zu werden, gekennzeichnet ist“. In diesem Zusammenhang ergab die qualitative Analyse, dass die Schulen einen gesteigerten Wert auf das Verantwortungsbewusstsein der Schüler/innen zur Verbesserung des Schulklimas legen. Dies drückt sich durch verschiedene Aspekte wie der Mitbestimmung im Rahmen des Schulalltags und bei der Gestaltung der Lehr- und Lerninhalte aus. Dadurch soll den Schüler/innen der direkte Zugriff auf die Entwicklung der Unterrichts- und Schulqualität ermöglicht werden, was wiederum zu einer Verbesserung des Klimas und damit letztlich zur Qualitätssteigerung der Schule führen kann (Eder 2002). 5.6 Schulleben Außerschulische Aktivitäten wie Feste und Feiern oder sportliche Veranstaltungen werden in den Leitbildern der Schulen nur in einzelnen Fällen erwähnt. Bloß Bildungslehranstalten für Kindergartenpädagogik und Bundesoberstufenrealgymnasien verweisen häufiger auf unterschiedlichste Angebote und Projekte und ein außerunterrichtliches Schulleben mit entsprechenden Angeboten. Zumeist wird jedoch über keine konkreten Projekte berichtet, sondern lediglich auf die Teilnahme an solchen verwiesen. Altrichter et al. (2009, S. 716) weisen darauf hin, dass das außerunterrichtliche Schulleben sowohl für Schüler/innen als auch für Lehrer/innen zusätzliche Lern- und Erfahrungsmöglichkeiten bieten könnte. Die Bedeutsamkeit dieser Möglichkeiten spiegelt sich in den Schulleitbildern kaum wider. 5.7 Beziehungen nach Außen „Gute Schulen“ kennzeichnen sich durch Offenheit und Kontakte zu relevanten Schulpartnern, wie Politik, Wirtschaft, Vereine oder Universitäten und Hochschulen. In den Leitbildern der Schule wird auf derartige Beziehungen jedoch nur in wenigen Ausnahmefällen Bezug genommen. Wenn über die Zusammenarbeit mit externen Schulpartnern geschrieben wird, dann werden hauptsächlich Kontakte zur Wirtschaft erwähnt und hier sind es vor allem die Berufsschulen, die solche Beziehungen hervorheben. Berufsschulen müssen jedoch schon aufgrund ihres Schultyps Netzwerke zur Wirtschaft pflegen, weshalb diese Kontakte kein wirkliches Alleinstellungsmerkmal darstellen. Im Gegensatz zu diesen schultypbedingt notwendigen Verbindungen sind die von den anderen Schultypen dargelegten Kontakte zur Wirtschaft weitgehend vage formuliert. Einzig der Verweis zu regionalen Betrieben wird häufig wiederholt. Dies kann als Indiz dafür genommen werden, dass die Schulen sich einerseits in ihrer Region einbinden wollen und andererseits von ihrer Region ebenfalls eingebunden werden wollen. Nur in wenigen Fällen verweisen die Leitbilder auf Kooperationen mit anderen Schulen oder Universitäten bzw. Hochschulen (HAK/HAS, PTS). Die am häufigsten erwähnte Beziehung nach außen ist die Beziehung der Lehrenden zu den Eltern. Die intensive Kooperation mit Eltern und Erziehungsberechtigten ist eines der entscheidendsten Merkmale von Qualität im Bereich Schulpartnerschaft und Außenbeziehungen. So nennt Fend (2008, S. 179) die aktive Mitarbeit der Eltern als Zeichen
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guter Schulen. Auch die Schulen scheinen dies erkannt zu haben und sprechen zumindest in ihren Leitbildern von einer intensiven gegenseitigen Zusammenarbeit. Dabei bleibt allerdings weitgehend offen, wie diese Zusammenarbeit gestaltet wird und welchen Einfluss Schüler/innen und Eltern auf die schulinternen Entscheidungsfindungen tatsächlich haben. Sacher (2008) erwähnt etwa, dass erhöhte Mitbestimmung der Eltern zu einer Reduzierung der Partizipation von Schüler/innen führen kann. Weiters engagieren sich Eltern vor allem dann, wenn es um das Wohl des eigenen Kindes geht und für allgemeine Interessen weniger Bereitschaft zum Engagement besteht. Bezug nehmend auf Schülerpartizipation verweist Budde (2010, S. 397) auf die Grenzen der Mitbestimmung durch gegebene hierarchische Strukturen innerhalb einer Schule. 6 Zusammenfassung und Ausblick Die Analyse der online verfügbaren Schulleitbilder zeigt, dass die erste Forschungsfrage, ob sich die Schulen der Bedeutung eines Leitbildes bewusst sind und ihre Leitbilder als Instrument marktorientierter Schulentwicklung der Öffentlichkeit zur Verfügung stellen, für die Mehrheit der untersuchten Schulen bejaht werden kann. 74 von insgesamt 117 Schulen der ausgewählten Grundgesamtheit besitzen ein online zugängliches Leitbild, das der interessierten Allgemeinheit auf der schuleigenen Homepage zur Verfügung gestellt wird. Mit Ausnahme der stark technisch orientierten Schultypen wie den Höheren technischen Bundeslehranstalten und den Polytechnischen Schulen bieten jeweils mehr als drei Viertel der Schulen ihr Schulleitbild auf der Homepage an. Besonders häufig sind Leitbilder von wirtschaftlich orientierten Schulformen (HLW, HAK/HAS) online zu finden. In weiterer Folge wurden die Inhalte der Leitbilder ausgewertet und untersucht, inwieweit wissenschaftlich anerkannte Merkmale für eine „gute Schule“ thematisiert werden (Forschungsfrage 2). Die inhaltsanalytische Auswertung zeigt, dass sämtliche Kriterien zumindest vereinzelt in den Schulleitbildern vorhanden sind. Eine Vielzahl der Schulen verweisen in ihren Leitsätzen auf die Themenfelder „pädagogische Vorstellung“, „Lernumgebung und Lernmöglichkeit“ oder „Schulklima“. Die Leitbilder nehmen beispielsweise Bezug zu den inhaltlichen Angeboten und Schwerpunkten einer Schule und wie diese durch die vorhandene Fachkompetenz und bereitstehender Lernmöglichkeiten vermittelt werden können. Einen hohen Stellenwert in den Leitbildern nehmen Formulierungen mit Bezug zum Schulklima ein, vor allem Kooperation und Kommunikation sind bedeutende Bestandteile der Selbstdarstellung. Trotz der wissenschaftlich belegten Bedeutung der Schulleitung und des Schullebens werden diese Themenfelder nur vereinzelt genannt. In Anbetracht der eigentlichen Idee eines Leitbildes, die Angebote der Schule zu kommunizieren, überrascht die inhaltliche Nichtberücksichtigung der Schulleitung wenig. Werden konkrete Inhalte den einzelnen Merkmalen „guter Schulen“ zugeordnet, beziehen sich diese in den meisten Fällen auf die schuleigenen Schwerpunkte, wodurch das Leitbild auch dem geforderten Maß an Bezug zur individuellen Stärke einer Schule entspricht. Letztlich ist der thematische Bezug zu den wissenschaftlich anerkannten Kriterien einer „guten Schule“ vor allem unter Berücksichtigung der eigentlichen Ziele von Leitbildern vorhanden. Die zweite Forschungsfrage, ob sich die Leitbilder auf
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die wissenschaftlich anerkannten Kriterien einer „guten Schule“ beziehen, kann somit bejaht werden. Inwieweit schultypenspezifische Unterschiede in den Inhalten der Leitbilder gegeben sind (Forschungsfrage 3) kann pauschal nicht beantwortet werden. Zwar beschreiben die Einzelschulen der jeweiligen Schulformen unter dem Mantel einzelner Qualitätsmerkmale unterschiedliche Aspekte (z. B. Ausstattung, Fremdsprachen), gleichzeitig existiert jedoch eine Reihe von Inhalten, die von allen Schultypen in den Leitbildern beschrieben werden (z. B. Bedeutung der Persönlichkeitsentwicklung von Schüler/innen). Zusammenfassend zeigen die Analysen, dass das Leitbild als Instrument der Schulentwicklung und Qualitätssicherung akzeptiert und in großem Maße ausgearbeitet scheint. Inwieweit das Leitbild im Schulalltag tatsächlich von allen schulrelevanten Akteuren umgesetzt, akzeptiert oder gekannt wird, ist eine Frage, welche auf Basis der vorliegenden Daten nicht beantwortet werden kann. Zu betonen ist ebenfalls, dass der Qualitätsentwicklungsprozess einer Schule nicht mit dem Erstellen der geforderten Instrumente abgeschlossen ist, es bedarf auch der entsprechenden Umsetzung im täglichen Schulbetrieb. Anmerkung 1
Folgende Personen nahmen als Studierende an der Lehrveranstaltung teil: Astrid Dums, Judith Gschwendtner, Ludwig Karl Josef Heinisch, Sven Janson, Monika Kampmüller, Karl Krückl, Céline Meirlaen, Regina Maria Mitter, Edith Möschl, Evelin Müller, Daniela Nömeyer, Stefan Rothschedl, Friederike Schwarz, Doris Thurnhofer-Jahoda, Karin Theres Tolar-Hellmuth, Margit Weniger. Die Weiterverarbeitung der Daten erfolgte in Rücksprache mit den Studierenden.
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