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Automatisierte Mikroskopie
Mikroskopie und Analyse der Wundheilungsassays LEONIE RIEGER 1 , ULF RÄDLER 2 , JOËL MAILLIET 3 , BRAD LARSON 1 1 BIOTEK INSTRUMENTS INC., WINOOSKI, USA 2 IBIDI GMBH, MARTINSRIED 3 BIOTEK INSTRUMENTS GMBH, BAD FRIEDRICHSHALL
The scratch wound assay is a powerful method to analyze cell migration which plays a central role in the wound healing process. In this application, we tracked the ability of HT-1080 fibrosarcoma cells to move into a created gap and heal the wound. The obtained results show that the combination of an easy experimental setup, time-lapse imaging and precise data analysis facilitate the study of collective cell migration, crucial for the development of novel therapeutics. DOI: 10.1007/s12268-017-0801-9 © Springer-Verlag 2017
ó Die Zellmigration spielt eine zentrale Rolle bei physiologischen und pathologischen Prozessen wie Gewebeaufbau, Wundheilung und Immunantwort sowie bei Vorgängen wie Tumorinvasion und Metastasierung [1]. Daher sind fundierte Kenntnisse der Mechanismen der kollektiven Migration von Zellen unerlässlich für die Entwicklung neuartiger Therapiestrategien zur Kontrolle der Zellinvasion, beispielsweise bei der Metastasierung von Tumoren. Ein leistungsfähiges Werkzeug zur Untersuchung der Zellmigration ist der Wundheilungsassay. Nach Herstellung einer künstlichen Lücke in einem Monolayer von konfluenten Zellen, entweder durch Kratzen oder durch Entfernen einer Wachstumsbarriere, verfolgt der Assay die Migration von Zellen von den Rändern, bis ein neuer Zelle-zu-Zelle-Kontakt entsteht und die Lücke wieder geschlossen wird. Ausmaß und Geschwindigkeit der Wundheilung geben Aufschluss über die Migrationseigenschaften, die Zellgesundheit und die Fähigkeit zur Interaktion mit anderen Zellen sowie darüber, wie Testmoleküle sich auf die einzelnen Parameter auswirken. Im Rahmen dieser Applikation haben wir Versuche durchgeführt, um die Fähigkeit von Fibrosarkomzellen zu verfolgen, in eine entstandene Lücke einzuwandern, also die Wunde zu heilen. Außerdem wurde die Hemmung
BIOspektrum | 03.17 | 23. Jahrgang
der Wundheilung durch Cytochalasin D untersucht, welches bekanntermaßen die Aktinfilamentfunktion und somit die Zellmigration hemmt [2]. Zur Durchführung des Wundheilungsversuchs wurden die Zellkultureinsätze und 35-Millimeter-μ-Dishes von ibidi verwendet, da sie eine genau definierte, zellfreie Lücke ergeben (Abb. 1). Die Zellen werden in beiden Reservoirs kultiviert, anschließend wird der Silikoneinsatz von der Oberfläche genommen. Dadurch ergeben sich zwei präzise definierte Zellflecken, die durch eine Zone voneinander getrennt sind, die exakt die Breite der Trennwand von 500 Mikrometer aufweist (Abb. 1A). HT-1080-Fibrosar-
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komzellen wurden in einem T75-Kolben bis auf 80 Prozent Konfluenz kultiviert. Die Zellen wurden resuspendiert und in die beiden Kammern des ibidi-Zellkultureinsatzes (Culture-Insert) gegeben; danach wurde gewartet, bis die Zellen sich an den beschichteten Boden der Kulturschale anhefteten. Nach der Entfernung der Kunststoffeinsätze wurden die Zellen mit 10.000, 100 oder 0 nM Cytochalasin D behandelt. Der Wundverschluss wurde mit dem vollautomatisierten Mikroskop Lionheart™ FX von BioTek durchgeführt (Abb. 1B), während die Zellanalyse der aufgenommenen Kinetikbilder automatisiert mit der Gen5™ 3.0-Software erfolgte. Die mit Gen5 aus der Maske berechnete Kennzahl (sum area)t kann verwendet werden, um den Fortschritt der Zellmigration als Funktion der Zeit im Kinetikassay quantitativ zu bestimmen. Dazu werden die durchschnittliche Wundbreite als Funktion der Zeit, der prozentuale Anteil der Konfluenz auf der Wundfläche und der prozentuale Anteil der Konfluenz in einer Wundlücke mit definierter Breite herangezogen. Die Gen5 berechnete außerdem auch die höchste Steigung der Kurve der Ist-Wundfläche, um die maximale Wundheilungsrate in Quadratmikrometer pro Minute anzugeben. Abbildung 2 zeigt die Fähigkeit des Lionheart FX, den Prozess des Lückenschlusses durch HT-1080-Fibrosarkomzellen genau auf-
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˚ Abb. 1: Experimentelle Umsetzung des Wundheilungsassay. A, Versuchsablauf für den Wundheilungsassay im ibidi-Zellkultureinsatz: (1) Beimpfung und Anheften der Zellen; (2) Entfernen des Einsatzes nach Kultivierung; (3) Überschichtung der Zellen mit Kulturmedium. Das in Schritt 3 verwendete Medium enthielt 10.000, 100 oder 0 nM Cytochalasin D. B, Das vollautomatisierte Mikroskop Lionheart FX (BioTek) mit dem Reagenzinjektor und dem Gas-Kontrollmodul. Die Abdeckung dient der Kontrolle der Umgebungsbedingungen und ermöglicht die Inkubation bis 40 °C sowie eine effektive Herstellung der gewünschten CO2/O2-Bedingungen.
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höchsten Inhibitorkonzentration behandelten HT-1080-Zellen eine konstante durchschnittliche Wundbreite. Cytochalasin D verlangsamt die Wundheilung, bis der Wert bei der höchsten getesteten Konzentration null erreicht (Abb. 3D). Diese Ergebnisse des kombinierten Versuchsverfahrens stimmen mit den in der Literatur berichteten früheren Ergebnissen überein. Zusammen liefern sie aussagekräftige Informationen und ermöglichen ein umfassendes Verständnis der Wundheilung und der Möglichkeiten, wie der Prozess durch Zugabe einer hemmenden Substanz beeinflusst werden kann.
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˚ Abb. 2: Bildgestützte Beobachtung der Migration von HT-1080-Fibrosarkomzellen. Gezeigt sind Kinetikbilder von Zellen, die mit 0 nM (A), 100 nM (B) bzw. 10.000 nM (C) Cytochalasin D behandelt wurden.
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˚ Abb. 3: Quantitative Analyse der Zellmigration und der Wundheilung mithilfe der Gen5-Software. A, Konfluenz [%] in der Wunde, bezogen auf die Wundfläche. B, Konfluenz [%] in der Wunde, bezogen auf die Wundlücke mit definierter Breite. C, durchschnittliche Wundbreite. D, maximale Wundheilungsrate [μm2/min].
zunehmen. Die Zelltypen wurden mit 10.000, 100 oder 0 (Kontrolle) nM Cytochalasin D behandelt, und die Bilder wurden über 20 Stunden im Abstand von 30 Minuten mit Phasenkontrast und Vierfach-Objektiv aufgenommen. Die HT-1080-Zellen zeigten eine kollektive phänotypische Bewegung, durch die sich die Lücke nach acht Stunden schloss (Abb. 2A). Während die Wundheilung durch 100 nM Cytochalasin D leicht gehemmt wurde (Abb. 2B), verhinderte Cytochalasin D in der höheren Konzentration von 10.000 nM die Zellmigration vollständig im Vergleich zur Kontrolle (Abb. 2C). Abbildung 3A zeigt zeitaufgelöste Diagramme über 21 Stunden für HT-1080-Zellen bei drei verschiedenen Cytochalasin-D-Kon-
zentrationen. Die zellfreie Lücke wurde von den HT-1080-Zellen nach sieben bis zehn Stunden geschlossen. Berechnungen mit einer definierten Wundfläche (Abb. 3B) können zur Erklärung der Schwankungen beitragen, die zwischen den Replikaten beobachtet werden. Dies ist insbesondere dann wichtig, wenn die Zellen zu migrieren beginnen, bevor das erste Bild aufgenommen wird. Zur Darstellung des tatsächlichen Wundverschlusses wird die durchschnittliche Breite der Wunde über der Zeit aufgetragen (Abb. 3C), was Aufschluss über die eigentliche Zellbewegung gibt. In Abwesenheit von Cytochalasin D bewegen sich die HT-1080-Zellen zusammen, sodass die Lücke auf einen Wert nahe null verengt wird. Im Vergleich dazu zeigten die mit der
Fazit Der Wundheilungsassay ist eine effiziente Methode zur Untersuchung der Zellmigration. Der Zellkultureinsatz und das 35-Millimeter-μ-Dish von ibidi erleichtern die Durchführung und ermöglichen die einfache Zugabe von Substanzen. Aufgrund der regulierten Umgebungsbedingungen, wie Temperatur und CO2/O2-Konzentration, sowie einer Feuchtekammer ist das neue automatisierte Mikroskop Lionheart FX optimal für Langzeitkinetikassays und Live-Zellbildgebung geeignet. Die Gen5-Software platziert automatisch Masken um die Objekte, die den vorgegebenen Zellanalyseparametern entsprechen, und bietet benutzerfreundliche Methoden zur Überwachung der Wundheilung anhand alternativer Kennzahlen. Des Weiteren wertet die Gen5 die einzelnen Kurven aus, um die maximale Wundheilungsrate zu bestimmen. Die Kombination aus einfacher Versuchsanordnung, Bildgebung und präziser Datenanalyse ergibt ein einfach anzuwendendes, automatisierbares und leistungsfähiges Werkzeug zur Untersuchung der Zellmigration. ó
Literatur [1] Ilina O, Friedl P (2009) Mechanisms of collective cell migration at a glance. J Cell Sci 122:3203–3208 [2] Henson JH, Nazarian R, Schulberg KL et al. (2002) Wound closure in the lamellipodia of single cells: meditation by actin polymerization in the absence of an actomyosin purse string. Mol Biol Cell 13:1001–1014
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