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[email protected] · www.bdi.de Diabetologe 2009 · 5:391–394 DOI 10.1007/s11428-009-0466-1 © Springer Medizin Verlag 2009 Redaktion W. Wesiack, Hamburg
Editorial
Arzt-Navigator: Massive Kritik an „Ärztepranger“ im Internet wegen öffentlicher Bewertungsportale für Patienten
AOK will ein Arzt-Bewertungsportal noch in diesem Jahr online stellen und dafür ihre 25 Millionen Versicherten zur öffentlichen Bewertung ihrer Ärzte im Internet aufrufen. Er erwarte einen „Aufschrei“ der Mediziner, sagte der Vize-Vorsitzende des AOKBundesverbands, Jürgen Graalmann. Das Arzt-Bewertungsportal „AOK-Arzt-Navigator“ ziele auf Verbesserungen der Behandlungsqualität ab. Zum AOK-Standard solle bundesweit ein telefonisches Angebot der AOK Rheinland/Hamburg werden, mit dem die Versicherten innerhalb von drei Tagen einen Arzttermin bekommen sollten. Kriterien für
die Ärzte-Bewertung durch Patienten würden mit Medizinern entwickelt. Erst wenn mehrere Bewertungen zusammengekommen und somit aussagekräftig seien, sei die Freischaltung geplant. Ausdrücklich ziele das Angebot nicht nur auf Service ab, sagte Graalmann. Er räumte zugleich ein, dass der „Ärzte-Navigator” der AOK auch einen Vorteil im Wettbewerb mit anderen Krankenkassen verschaffen solle. Bereits für alle freigeschaltet wurde eine Seite zur Suche nach Krankenhäusern bei bestimmten Behandlungen. „Wenn die AOK tatsächlich mit einer eigenen Plattform diesen Weg beschreiten sollte, erweist sie den berechtigten Ansprüchen ihrer Mitglieder auf qualitätsgesicherte Information einen Bärendienst. Im Gegensatz zu professionellen Qualitätssicherungsverfahren hat der im Internet anonym bewertete Arzt keine Möglichkeit, auf unberechtigte Kritik zu reagieren und Missverständnisse aus-
zuräumen“, sagte der Präsident der Bundesärztekammer Hoppe. „Jeder Patient hat ein Anrecht darauf, sich bestmöglich behandeln zu lassen und sich über die Qualität der Behandlung im Vorfeld zu informieren. Doch es ist unseriös, anonyme Fragebögen als Grundlage für Rankings zu nutzen, wie das einige Arztbewertungsportale im Internet bereits jetzt praktizieren.“ Die Patientenbeauftragte der Bundesregierung, Helga KühnMengel (SPD), erklärte sich dagegen grundsätzlich einverstanden mit den Plänen. Sie begrüße alles, was das Gesundheitssys tem transparenter mache - solange das Portal „absolut seriös und wissenschaftlich begleitet organisiert“ werde und Diskriminierung oder üble Nachrede verhindert werden könnten. Der Trend zu Arztbewertungsportalen im Internet hat längst begonnen. Die Anbieter solcher Bewertungsportale, die oft mit Arztsuchdiensten kombiniert werden, sind bisher in der Regel private Unternehmen. Zu den bekannteren Anbietern gehören Topmedic, DocInsider, Imedo und Jameda. Erst Anfang 2009 hatten Forscher der Friedrich-AlexanderUniversität Erlangen-Nürnberg Ärztebewertungsportale untersucht - und waren zu einem ernüchternden Befund gekommen. Keine der Plattformen könne „derzeit höheren Ansprüchen genügen“, bilanzierte Projektleiter Martin Emmert. Einige Qualitätskriterien würden von den Portalen „vollkommen vernachlässigt“. (Martin Emmert vom Lehrstuhl für Gesundheitsmanagement der Uni Nürnberg 2.09) Arzt-Empfehlungen im Internet sind modern, die diesbezüglichen Neugründungen sind nicht überschaubar. Die aktuell verfügbaren Angebote sind offenkundig noch quantitativ und qualitativ unzureichend, um einen echten Alltagsnutzen zu bieten. Und – wichtiger noch - die qualitative
Prüfung der bereits bestehenden Angebote fehlt komplett. Die Patienten müssten Medienkompetenz erlangen, um die angebotenen Informationen kritisch einstufen zu können: Wer ist der Anbieter, wo finde ich die Angaben dazu, welches Interesse bzw. Geschäftsmodell verfolgt wird, wie ist die Glaubwürdigkeit der Informationen, welche Anzeichen für oder gegen Glaubwürdigkeit sind erkennbar, wie ist die Reichweite der Informationen auf mein eigenes Handeln etc. Andererseits müssen sich Ärzte damit auseinandersetzen, nachdem klar ist, dass in der Regel juristisch dagegen nicht vorzugehen ist (außer bei falschen Tatsachenbehauptungen und ehrverletzenden Äußerungen). Die Innovatoren unter den betroffenen Ärzten scheinen konstruktiv damit umzugehen, wie Rechtsanwalt Christoph von Drachenfels empfiehlt : „Ärzte können die Foren auch konstruktiv nutzen, indem sie zum Beispiel zufriedene Patienten auf die Portale und die Möglichkeit der Bewertung aufmerksam machen.“ (Stiftungsbrief 3 / 2007, Stiftung Gesundheit, Hamburg).
Fazit Die AOK versucht auf dem Rücken ihrer Versicherten und auf Kosten der Ärzte Wettbewerbsvorteile gegenüber anderen Krankenkassen zu erhalten. Es geht den zuständigen Stellen nicht um die Qualität, die ein Arzt und sein Team anbieten, sondern um Strukturen, die sie selbst beeinflussen können. Das Thema der Terminvergabe gehört genauso dazu wie weitere, die noch folgen werden. Mit der Angst der Kollegen vor evtl. negativen Aussagen werden Ärzte „eingefangen“, sich hier einem Netzwerk anzuschließen, welches im Namen der AOK gefüttert wird. Wer brav ist und alles so macht, wie die AOK es möchte, kommt auch im Netz gut weg. Oder wie sollen wir die AkDer Diabetologe 5 · 2009
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tion Ärzteportal der AOK bewer- sucht werden. Die Ärzte sollten ten? Wer führt dieses Portal, wer sich ihrerseits rechtzeitig um die füttert es, welche Angaben dür- rechtlichen Maßnahmen kümfen unter dem Namen der AOK mern, da das Thema Verleumpubliziert werden? Wer entschei- dung auch dazu führen kann, det das alles? Bereits bei vielen ganze Praxen und somit Existenanderen Aktivitäten hat die AOK zen zu ruinieren. Kann die AOK sich mit diesen Spielchen Rechte dafür haftbar gemacht werden herausgenommen gegenüber an- oder der jeweilige Patient, der deren Kassenanbietern, die jegli- auf Empfehlung der AOK seinen cher Grundlage entbehren, aber Arzt schlechtgemacht hat? von Seiten des Ministeriums Wird wieder einmal ein unterstützt oder zumindest ge- „mieses Spiel“ zwischen Patient duldet wurde. Aber übernimmt und Arzt „initiiert“ um eigene die AOK auch die Haftung für Pöstchen zu sichern, aber ohne die Fälle, die schief gehen kön- die möglichen Folgen tragen zu nen oder taucht sie dann, wie müssen? auch der Gesetzgeber unter? Das Hat sich die PatientenbeaufMäntelchen ist bekanntermaßen tragte der Bundesregierung, Helgroß unter dem die Verantwort- ga Kühn-Mengel (SPD), dies lichen sich bei Nichtgelingen im- auch überlegt, welche Konsemer wieder verstecken. quenzen das für Patienten haben Ärzteportale als Werbemaß- kann, wenn Ärzte sie wegen Rufnahme im Kassenwettbewerb schädigung oder übler Nachrede sind wie die von privaten An- verklagen? Kann das im Sinne eibietern ein qualitativ und recht- ner positiven Patienten-Arzt-Belich ungeklärtes Problem. Deswe- ziehung sein? Wohl kaum, gute gen sind die von der AOK ange- Ärzte lassen sich gerne an Quakündigten Ärzte- und Kranken- lität messen, aber nicht an unhaus-Navigatoren abzulehnen, durchschaubaren Machtspielsolange jegliche Nachweise einer chen der Kassen und Politik! qualitativen Grundlage fehlen. Es ist entlarvend und bedarf schon Dr. med. Thomas Eversmann keiner weiteren Nachfrage, wenn Vorsitzender der Sektion Endokrinoauf dieser Basis Vorteile im Wett- logie/Diabetologie im BDI e.V. bewerb mit anderen Kassen ge-
HSK diskutiert berufsübergreifende Gesundheitskammer (Der Gelbe Dienst dpa) „HealthBeteiligten die Teamarbeit schwer. Professionals“ oder nur „Nichtärzt Bei den Kollegen drehe sich die liche Hilfskräfte“ - schon die BeDiskussion zunehmend im Kreise zeichnung grenzt in Deutschland „um Geld und Hierarchie“. Dabei den Ärztestand klar gegen den sei die europaweite Öffnung zuRest der Gesundheitstruppe, die mindest bei der Ausbildung infolanderen Heilberufe mit eindeuge des Bologna-Prozesses auch tiger Ober- und Unterordnung ab. für die Medizin vorgezeichnet. International gerät das bundes„Common Trunk“ heißt die Formel, deutsche Gesundheitswesen mit mit der hier ein Teil des Weges für dieser vertikalen Schichtung was alle Berufsgruppen zusammen ab Vernetzung und Verzahnung besolviert wird. trifft zunehmend in Erklärungsnot. Die überkommene SichtweiEkkernkamp nennt das Bundesse macht nach Meinung von Proland Nordrhein-Westfalen als fefessor Dr. Axel Ekkernkamp allen derführend bei der Gründung ei-
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ner Fachhochschule für die Ge- groß. Die vielfach geäußerte sundheitsberufe. Gemeinsame Angst vor einer ausufernden Erfahrung „bringt die Kommu- Bürokratie ist unberechtigt. „Es nikation auf Augenhöhe“, ent- hängt an der Frage wie wir das wirft der Mediziner am Un- ausgestalten“, so Steinecke zufallkrankenhaus Berlin das Zu- versichtlich. Die Struktur müsse kunftsszenario in der HSK Dis- nicht unbedingt auf den Status kussionsrunde unter dem provo- einer öffentlich rechtlichen Körkanten Titel „Säulenheilige con- perschaft hinauslaufen. tra Arbeitsteilung“. Marie-LuiProfessor Heinz Lohmann, se Müller, Präsidentin des Deut- Vorsitzender der Initiative Geschen Pflegerates stellt die Gret- sundheitswirtschaft, stuft das chenfrage nach der Verantwort- Kammersystem dagegen absolichkeit für die bundesweite Im- lut negativ ein. Die Forderung plementierung des Modells. Di- sei ein Blick zurück. Er beurteilt es scheitere an der Länderhoheit den Drang zur Kammer als reine bzw. dem Kompetenzwirrwarr Statusdiskussion, weil man sich in der Gesundheitspolitik. Es „nicht wertgeschätzt und akzepbedürfe zur Übertragung heil- tiert“ fühle. Es sei falsch, die gekundlicher Tätigkeiten der Ärzte forderte Anerkennung mit einem einer Struktur der Zuweisung an obrigkeitsstaatlichen Instrument die Berufsgruppen, die in die- aus dem 19. Jahrhundert anzusem Feld tätig sind. Müller for- streben. Die Revolution finde dert deshalb „seit über 12 Jahren“ heute auf Seiten der Nachfrager, eine Gesundheitskammer, um der Patienten statt. Diese seien den Trend aufzufangen und zu der große Treiber für Gesamtkanalisieren. lösungen. Denn sie wollen „keiAuch Ulrike Steinecke vom ne IKEA-Medizin mit der Frage: Deutschen Verband für Physio- Organisierst du noch oder heilst therapie (ZVK) spricht sich na- du schon?“ Unstrukturiertes Armens ihrer Berufsgruppe für die beiten sei dementsprechend passé. Verkammerung aus, „weil wir ein Manager könnten im Gegensatz ungeschützter Beruf sind“. Das dazu als Verbündete gewonnen Interesse an Berufsausübungsre- werden. „Kammerpräsidenten gelungen sei dementsprechend sitzen im Bremserhäuschen!“
Krankenkassen trotz scharfer Kritik für Ärzte-TÜV mann, hatte am Freitag angekündigt, dass die Allgemeine Ortskrankenkassen ihre 25 Millionen Versicherten zur Bewertung ihrer Ärzte im Internet aufrufen wollen. Das Portal «AOK-Arzt-Navigator» solle im Lauf des Jahres starten und ziele auf Verbesserungen der Behandlungsqualität ab. Die Bewertungs-Kriterien würden mit Medizinern entwickelt. Barmer-Sprecherin RüsbergUhrig sagte, das Echo auf den eigenen Krankenhausnavigator im Netz zeige, «dass der Bedarf durchaus da ist». Sie schränkte aber ein: «Nur wenn Ärzte und Der Vize-Vorsitzende des AOK- Wissenschaftler einen KriterienBundesverbands, Jürgen Graal- katalog entwerfen, kann das ein
(dpa) Ungeachtet von scharfen Ärz teprotesten haben sich weitere Krankenkassen offen für das AOKVorhaben gezeigt, Mediziner von ihren Patienten im Internet bewerten zu lassen. Es könne aber nicht darum gehen, dass die Patienten pauschal Ärger oder Zufriedenheit äußerten, sagte die Sprecherin der Barmer Ersatzkasse, Susanne Rüsberg-Uhrig dem Berliner «Tagesspiegel». Ärztevertreter kritisierten den AOK-Plan als unseriös und warn ten vor einem Ärzte-TÜV und einem «digitalen Ärztepranger».
Mitteilungen des BDI sinnvolles Instrument sein.» Die Sprecherin der Techniker Krankenkasse (TK), Dorothee Meusch, verwies im «Tagesspiegel» auf eigene Erfahrungen mit Patientenbefragungen, die seit einiger Zeit in den Krankenhausführer der Kasse einfließen. «Wir werden das, was die AOK tut, mit Interesse verfolgen. Die Patientenperspektive in die Qualitätssicherung einzubeziehen, halten wir für sinnvoll», sagte sie. Florian Lanz, der Sprecher des GKV-Spitzenverbandes, der Vertretung der gesetzlichen Krankenkassen, wollte sich zwar nicht konkret zum AOK-Modell äußern. «Wir begrüßen aber alles, was zu mehr Transparenz und besserer Versorgung führt», sagte er der Zeitung. Der Vorstandschef der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung, Jürgen Fedderwitz, warnte dagegen in der «Süddeutschen Zeitung», solche Bewertungsportale seien erfahrungsgemäß extrem missbrauchsanfällig. «Da muss die AOK aufpassen, dass sie kein populistisches System mit Hitparadencharakter aufbaut.» Über gute Medizin könne man nicht einfach abstimmen wie bei «Deutschland sucht den Superstar».
Der Präsident der Bundesärz- Hatte der Branchenbericht 2009 tekammer, Jörg-Dietrich Hop- des Bundesverbandes Medizinpe, kritisierte in der «Berliner Zei- technologie (BVMed) doch noch tung»: «Es ist unseriös, anonyme vor kurzem fast gejubelt: „Es gibt Fragebögen als Grundlage für keine gravierenden Hürden für Rankings zu nutzen.» Wenn die innovative Medizintechnik in AOK tatsächlich mit einer eigenen Deutschland, die nicht im bePlattform diesen Weg beschreiten stehenden System überwunden sollte, erweise sie den berechtigten werden könnten.“ Doch dieser Ansprüchen ihrer Mitglieder auf Satz musste sich nun durch den qualitätsgesicherte Information ei- Gesetzgeber doch eine gewisse nen Bärendienst. Der Sprecher der Einschränkung gefallen lassen. Kassenärztlichen Bundesvereini- Nach Meinung von Joachim M. gung (KBV), Roland Stahl, warn- Schmitt, BVMed-Geschäftsfühte in den «Stuttgarter Nachrichten» rer und Vorstandsmitglied, fühund der «Kölnischen Rundschau» ren die neuen Bestimmungen vor einem «digitalen Ärztepran- zu „unnötiger Bürokratie“, ohne ger». mehr Sicherheit zu bringen. MeDie Patientenbeauftragte der dizintechnische Innovationen Bundesregierung, Helga Kühn- einzuführen, werde durch die Mengel (SPD), nahm das AOK- Neuregelungen teurer, verzögere Vorhaben positiv auf. Patienten sich und stelle nicht jene Standseien oft bei der Suche nach den ortförderung dar, die den Herrichtigen Ärzten und Spezialisten stellern vorgeschwebt hatte. Stattüberfordert. Ein Arzt-Navigator dessen fürchten sie jetzt nach den wie von der AOK geplant könne Worten Schmitts Nachteile für eine Orientierung bieten, sagte Deutschland als Kompetenzzensie der «Süddeutschen Zeitung». trum für Gesundheit. Wichtig sei aber, dass die BewerSchmitts Statement zum Getung wissenschaftlich fundiert setz spiegelt nicht nur seine Entund seriös sei. «Ich will nicht, dass täuschung wider, sondern bePatienten Ärzte öffentlich diskri- bildert zugleich das kompliminieren können», sagte sie der zierte Procedere, das schon zu«Berliner Zeitung». vor Vorschrift war: „Das bisher etablierte umfangreiche Verfahren vor einer klinischen Prüfung mit einem detaillierten Prüfplan, einer umfangreichen Prüfung durch die Ethikkommission, der Klärung der sicherheitstechnischen Unbedenklichkeit und der weiteren Prüfung durch Staatssekretär im BMG Rolf Schwa- die Probandenversicherungen hat sich grundsätzlich bewährt.“ nitz: „Für Medizinprodukte muss Hinter dieser eher diplomavor dem Markteintritt deren techtischen Stellungnahme, die freinische Sicherheit belegt und die lich eine gewisse Bitternis nicht Erfüllung der medizinischen ganz verleugnen kann, steckt Zweckbestimmung durch klinicht irgendwer. Der BVMed vernische Bewertungen nachgewietritt mehr als 200 Industrie- und sen werden.“ Das MedizinproHandelsunternehmen, die rund duktegesetz (MPG) bietet damit für einen alten Wein im neuen 170.000 Menschen Lohn und Schlauch ein Zeitziel an. Das BunArbeit geben. Für Medizinprodesinstitut für Arzneimittel und dukte geben die Deutschen etwa Medizinprodukte (BfArM) als zen23 Milliarden Euro per anno aus. trale Anlaufstelle muss die gesetzDrei Bundesministerien sind mit lich geforderten klinischen Prüdem Thema befasst: Gesundheit, fungen innerhalb von 30 Tagen Wirtschaft und Forschung. Das genehmigen. Das Verfahren findet Bundesministerium für Bildung aber alles andere als die ungeteilte und Forschung (BMBF) kommt Zustimmung der Industrie. der Industrie mit ihrem Stand-
Hürdenlauf bei Innovationen in der Medizintechnologie (Der Gelbe Dienst dpa) Der Deutsche Bundestag hat Ende Mai 2009 das Gesetz zur Änderung medizinprodukte-rechtlicher Vorschriften verabschiedet. Sie sollen erst ab März 2010 gelten, enthalten aber einige zusätzliche Reglementierungen, die der Industrie nicht nur eitel Freude machen, wenngleich das Bundesgesundheitsministerium (BMG) das Gesetz als „Beitrag für mehr Produkt- und damit für mehr Patientensicherheit“ preist. Eine Formulierung, die in den Ohren von Herstellern nicht ganz so euphemistisch klingen könnte, wie die Ministerialbürokraten das formuliert haben. Zusätzlich verlautbarte der Parlamentarische
punkt, medizinischer Fortschritt sei als „Herzstück der Gesundheitswirtschaft“ aufzufassen, gewiss recht nahe. Das BMBF zeigt Wege zur gezielten Projektförderung auf. Sein aktueller Förderkatalog führt Vorhaben zwischen 100.000 Euro und 20 Millionen Euro auf. Dr. Claudia Herok vom BMBF rechnet, ohne dass sie absolute Zahlen nennen könnte, mit Förderungsgesamtsummen zwischen 25 bis 30 Millionen Euro per anno. Der BVMed stellt seinerseits seinen Mitgliedern einen Kompass mit Fragen zur Verfügung, mit deren Hilfe sie sich auf das Ziel staatliche Forschungshilfen einordnen können: „Welche Regeln müssen Unternehmen und medizinische Einrichtungen bei der Forschungsfinanzierung durch Drittmittel einhalten? Wann und wie sind Förderungen erlaubt?“ Vor zwei Jahren hatten Repräsentanten deutscher medizinischer Hochtechnik anlässlich eines Symposiums des BVMed noch geklagt, sie seien schon dankbar, wenn sich die unterschiedlichen Ministerien nicht im Weg stünden. Damals schlug der Verband einen staatlichen Koordinator vor, der namentlich mittelständischen Unternehmen den Umgang mit Fördergeldern erleichtern sollte. Sie seien, so der BVMed-Geschäftsführer damals, zwar häufig innovationswillig, aber personell und damit auch finanziell überfordert. - Den Koordinator haben sie zwar nicht bekommen, aber inzwischen finden so genannte MedTech-Werkstattgespräche statt, bei denen sich Vertreter aus den drei oben schon genannten Ministerien gemeinsam mit Industrievertretern bemühen, Innovationen der Medizintechnologie schneller in den Markt zu bekommen als bisher. Franz Knieps, Abteilungsleiter im Bundesgesundheitsministerium, sagte dazu auf einer BVMedKonferenz im Frühjahr: „Wir sind Marktführer in der Medizintechnologie in der Welt. Dann kann es nicht sein, dass innovative Produkte im Heimatmarkt nicht oder nur verzögert zum Einsatz komDer Diabetologe 5 · 2009
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men.“ Und Knieps weiter: „Zu- voller als beim Autoabwracken. sammen mit dem Wirtschafts- „Ein zweiter Engpass wird in der ministerium schauen wir auf die Phase der Überführung einer inProzesse, um Innovationshemm- novativen Technologie in der Kos nisse abzubauen.“ tenerstattung der Gesetzlichen Demgegenüber bleibt nun Krankenversicherung gesehen“, freilich abzuwarten, wie das schreibt der Bericht. Da obliegt MPG sich in der Praxis auswirkt. der gewünschte Erfolg wohl Der Teufel steckt nämlich noch in eher dem Verhandlungsgeschick anderen Details, die der BVMed- der Innovateure und ihrer LobBranchenbericht beklagt: „Die byisten. Schmitt bleibt da nämPhase der klinischen Forschung lich am Ball, wenn er sagt: „Nur und Validierung einer innova- durch ein schnelles und unbürotiven Medizintechnologie kann kratisches Anzeigeverfahren von mit hohen Kosten einhergehen klinischen Prüfungen können und muss refinanziert werden.“ medizintechnische Innovationen Doch da hilft - wie oben schon zukünftig weiterhin zeitnah einerwähnt - der Staat passend zum geführt und dem Patienten zur Zeitgeist und womöglich sinn- Verfügung gestellt werden.“
Kassen befeuern Debatte über Einschnitte für Patienten (dpa) Für Schwerkranke sind neue Medikamente gegen bestimmte Krebsarten und seltene Krankheiten eine echte Hoffnung. Die Krankenkassen befürchten aber kräftige Ausgabenschübe wegen der zunehmenden Zahl solcher neuen Mittel. Nun fordern sie strenge Regeln gegen die befürchtete Kostenexplosion durch die meist gentechnischen Neuerungen und befeuern dabei die Debatte über mögliche Einschnitte für Patienten. Programmiert ist der Aufschrei von Industrie und Patientengruppen.
Beispiel Morbus Gaucher: Die Arzneitherapie gegen die vererbte Stoffwechselkrankheit koste für jeden der rund 2000 Patienten im Jahr in Deutschland 600.000 Euro, rechnet Johann-Magnus von Stackelberg vor, Vize-Chef des Spitzenverbands der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Pharmafirmen setzen verstärkt auf Spezialmittel, da Patente bei Medikamenten gegen verbreitete Krankheiten auslaufen und es im Genlabor Fortschritte bei Mitteln gegen seltene Leiden und bestimmte Krebs-
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hand solcher Kriterien sei keine Zukunftsmusik. Der höchste Kassenverband beteuert, auch der Kampf gegen seltene Krankheiten müsse solidarisch finanziert bleiben, liefert aber selbst neuen Zündstoff in der Diskussion um Einschnitte für Patienten. «Wir sind in der Priorisierung im Gemeinsamen Bundesausschuss schon lange drin», sagt Stackelberg. Das Kassenund Ärzte-Gremium entscheidet auf Basis wissenschaftlicher Expertise, was die Kassen den Versicherten bezahlen. Ärztepräsident Jörg-Dietrich Hoppe hatte mit der Forderung nach einer Priorisierung – also nach gesetzlichen Vorranglisten in der Medizinversorgung – erst kürzlich einen Sturm der Entrüstung ausgelöst. Stackelberg schränkt ein, zumindest gebe der Ausschuss bereits heute Hinweise, nach denen
Arzneimittel nur in bestimmten Fällen bezahlt werden sollen. «Das wird weitergehen.» Die Arzneiausgaben steigen schließlich ständig – trotz Gegensteuerns. So sparten die Kassen zuletzt 4,3 Milliarden Euro im Jahr durch Obergrenzen für die Erstattung bei ganzen Arzneigruppen. In den kommenden zwölf Monaten werde es zudem die ersten Höchstbeträge für einzelne Mittel geben – eine Möglichkeit der Gesundheitsreform 2007. Die nun geforderte Festlegung von Erstattungspreisen für neue Mittel, für die es keinen Vergleich mit anderen Pillen gibt, wäre hierzulande aber neu. Der Verband forschender Arzneimittelhersteller mahnt dagegen, neue Mittel brächten große Therapiefortschritte und seien kein Alarmsignal für die Kassen.
Schlechte Noten für Gesundheitsfonds
arten gibt. Der Beitragszahler in Deutschland zahle den Löwenanteil der Forschung international tätiger Konzerne, kritisiert Stackelberg. Auch der Bremer Arz- Berlin (dpa)) – Die Bürger stellen Montag in Berlin berichtete. Die nei-Experte Gerd Glaeske findet der Gesundheitspolitik der gro Zahlen beziehen sich auf alle Bedie «hohen Preise» nicht in Ord- ßen Koalition insgesamt ein fragten, die vom Fonds schon nung. schlechtes Zeugnis aus. 51 Proeinmal gehört hatten. Das sind Sind solche Arzneimittel als zent sehen die Absicherung bei 78 Prozent. wirksam anerkannt und auf dem Krankheit durch die gesundheitsAuch die Hausarztprogramme, Markt zugelassen, können die politischen Veränderungen verdie die Koalition bis Ende Juni für Hersteller die Preise bestimmen. schlechtert, wie eine Umfrage im alle Kassen zur Pflicht gemacht Ein Fünftel der Steigerungsraten Auftrag der Kassenärztlichen Bun- hat, erhalten ernüchternde Nobei den GKV-Arzneimittelausga- desvereinigung (KBV) ergab. Die ten. Von den Versicherten, die ben, die 2008 mehr als 28 Milli- Forschungsgruppe Wahlen hatte daran teilnahmen, gaben 69 Proarden Euro ausmachten, gingen im März mehr als 2000 erwachsezent an, es habe sich nichts veränlaut GKV-Verband auf diese neu- ne Bundesbürger befragt. dert. 14 Prozent sagen, ihre Veren Mittel zurück. Die Hersteller sorgung habe sich dadurch verhätten «direkten Zugriff auf un- In der Kritik steht vor allem der schlechtert. 13 Prozent sehen Versere Kassen». Gesundheitsfonds, in dem die besserungen. Die unter finanziellem Druck Beiträge aller gesetzlich VersiInsgesamt 77 Prozent der stehende GKV fordert, den Her- cherten gesammelt werden. Eine Bürger sprechen von einer guten stellern die freie Preisgestaltung Mehrheit von 51 Prozent fürchtet oder sehr guten Absicherung im in diesem Bereich zu entziehen. eine schlechtere gesundheitliche Krankheitsfall - bei den gesetzAls Einstieg könne das Bundesge- Versorgung durch den Fonds lich Versicherten 75, bei den Prisundheitsministerium die Preise - nur 5 Prozent erwarten Verbes- vatversicherten 90 Prozent. festsetzen, sagt Stackelberg. Not- serungen. falls müsse man Kosten und Nut38 Prozent erwarten keine zen eines einzigartigen Mittels Veränderungen, wie die KBV am auch daran bemessen, wie viele Lebensjahre Todkranke dazugewinnen und wie ihre Lebensqualität dabei ist. Eine Bewertung an-