CME Weiterbildung · Zertifizierte Fortbildung Nervenarzt 2006 · 77:1521–1536 DOI 10.1007/s00115-006-2188-6 © Springer Medizin Verlag 2006
B. Ertl-Wagner1 · C. Rummeny1 · H. von Voss2 · M. Reiser1 1 Institut für klinische Radiologie, Campus Großhadern, Ludwig-Maximilians-Universität,
München 2 Institut für Soziale Pädiatrie und Jugendmedizin, Ludwig-Maximilians-Universität,
München
MRT-Diagnostik bei Anlagestörungen des Gehirns CME.springer.de – Zertifizierte Fortbildung für Kliniker und niedergelassene Ärzte Die CME-Teilnahme an diesem Fortbildungsbeitrag erfolgt online auf CME.springer.de und ist Bestandteil des Individualabonnements dieser Zeitschrift. Abonnenten können somit ohne zusätzliche Kosten teilnehmen. Unabhängig von einem Zeitschriftenabonnement ermöglichen Ihnen CME.Tickets die Teilnahme an allen CME-Beiträgen auf CME. springer.de. Weitere Informationen zu CME. Tickets finden Sie auf CME.springer.de. Registrierung/Anmeldung Haben Sie sich bereits mit Ihrer Abonnementnummer bei CME.springer.de registriert? Dann genügt zur Anmeldung und Teilnahme die Angabe Ihrer persönlichen Zugangsdaten. Zur erstmaligen Registrierung folgen Sie bitte den Hinweisen auf CME.springer.de. Online teilnehmen und 3 CME-Punkte sammeln Die CME-Teilnahme ist nur online möglich. Nach erfolgreicher Beantwortung von mindestens 7 der 10 CME-Fragen senden wir Ihnen umgehend eine Bestätigung der Teilnahme und der 3 CME-Punkte per E-Mail zu. Zertifizierte Qualität Diese Fortbildungseinheit ist zertifiziert von der Landesärztekammer Hessen und der Nordrheinischen Akademie für Ärztliche Fort- und Weiterbildung und damit auch für andere Ärztekammern anerkennungsfähig. Folgende Maßnahmen dienen der Qualitätssicherung aller Fortbildungseinheiten auf CME.springer.de: Langfristige Themenplanung durch erfahrene Herausgeber, renommierte Autoren, unabhängiger Begutachtungsprozess, Erstellung der CME-Fragen nach Empfehlung des IMPP mit Vorabtestung durch ein ausgewähltes Board von Fachärzten. Für Fragen und Anmerkungen stehen wir Ihnen jederzeit zur Verfügung: Springer Medizin Verlag GmbH Fachzeitschriften Medizin/Psychologie CME-Helpdesk, Tiergartenstraße 17 69121 Heidelberg E-Mail:
[email protected] CME.springer.de
Zusammenfassung Die MRT bietet exzellente Voraussetzungen zur Diagnostik von Anlagestörungen des Gehirns. Um solche erkennen und einordnen zu können, ist ein Grundverständnis für die embryologischen Entwicklungsvorgänge des Gehirns wichtig. Kortikale Entwicklungsstörungen werden klassischerweise eingeteilt in 1. Störungen der neuronalen Proliferation, also Störungen der Stammzellproliferation im Bereich der periventrikulären germinalen Matrixzone, 2. Störungen der neuronalen Migration, also der radiären Wanderung der Neuronen von der germinalen Matrixzone zur Kortexoberfläche, und 3. Störungen der kortikalen Organisation. Weitere Anlagestörungen des Gehirns sind Defekte des Balkens, Enzephalozelen und Holoprosenzephalien. Malformationen aus dem Chiari- und Dandy-Walker-Formenkreis sind relativ häufige primär infratentorielle Malformationen. Seltenere infratentorielle Anlagestörungen sind das Joubert-Syndrom, die Rhombenzephalosynapsis und das Lhermitte-Duclos-Syndrom.
Schlüsselwörter Kortexmalformationen · Balkenagenesie · Holoprosenzephalie · Migrationsstörung · Kleinhirnfehlbildung
MR imaging in congenital disorders of the brain Abstract MR imaging is an excellent tool for use in diagnosing congenital malformations of the brain. Such malformations cannot be reliably recognized or classified without an insight in to the basic processes of the fetal development of the brain. Cortical malformations are classically divided into (1) malformations of neuronal proliferation, i.e. of stem cell proliferation in the periventricular germinal matrix zone, (2) disorders of neuronal migration, i.e. of the radial migration of the neurons from the periventricular germinal matrix zone to the cortical surface, and (3) disorders of cortical organisation. Other cerebral malformations are agenesis or dysgenesis of the corpus callosum, encephaloceles and various kinds of holoprosencephaly. Chiari malformations and disorders on the Dandy-Walker spectrum are relatively common, primarily infratentorial disorders. Rarer infratentorial disorders are Joubert syndrome, rhombencephalosynapsis and Lhermitte Duclos syndrome.
Keywords Cortical malformations · Callosal agenesis · Holoprosencephaly · Heterotopia · Cerebellar malformations Dieser Beitrag erschien ursprünglich in „Der Radiologe 09/2005 Der Nervenarzt 12 · 2006
| 1521
Die MRT ermöglicht mit ihrem hervorragenden Weichteilkontrast und ihrer guten Ortsauflösung eine genaue Differenzierung und Klassifikation der Anlagestörungen des Gehirns, die sich am besten von dessen embryonaler und fetaler Entwicklung her verstehen lassen. Während der Entwicklung der Großhirnrinde werden Stammzellen in der direkt subependymalen, periventrikulären Region – der germinalen Matrixzone – gebildet, die dann radiär zur Hirnoberfläche wandern und dort in Schichten angeordnet werden. Auch der Balken wird während einer kritischen Phase der Hirnentwicklung gebildet. Ist die physiologische Entwicklung des Neurokraniums gestört, kann es zu verschiedenen Fehlbildungen des Gehirns kommen, die in der MRT ein jeweils charakteristisches Bild bieten. Nach Lektüre dieses Artikels wird der Leser in der Lage sein, die verschiedenen Anlagestörungen des Großhirns und der infratentoriellen Strukturen zu erkennen und diagnostisch einzuordnen.
Störungen des Balkens
Der Balken wird „von vorne nach hinten“ gebildet
7 Balkenagenesie
Ein indirektes Zeichen der Balkenagenesie ist ein direktes Einstrahlen der Sulci in den III. Ventrikel 7 Kolpozephale Konfiguration
7 Balkenlipom
7 Interhemisphärenzyste
1522 |
Der Nervenarzt 12 · 2006
Der Corpus callosum entsteht in einer für die Hirnentwicklung sehr wichtigen Phase. Ist seine Entwicklung gestört, liegen nicht selten auch andere Fehlbildungen des Gehirns vor. Der Balken wird im Prinzip „von vorne nach hinten“ gebildet – zunächst entstehen das Genu, dann der Corpus und schließlich das Splenium. Zuletzt wird – als Ausnahme zu dieser Regel – das Rostrum gebildet. Dies bedeutet, dass bei einer Minderanlage des Balkens, also einer Balkenhypogenesie bzw. partiellen Balkenagenesie, die posterioren und nicht die anterioren Teile fehlen. Liegt ein Defekt in weiter anterior gelegenen Teilen des Corpus callosum vor, während weiter dorsal gelegene Strukturen intakt sind, handelt es sich um eine sekundäre Schädigung des Balkens und nicht um eine Anlagestörung. Die einzige Ausnahme sind die Holoprosenzephalien, bei denen der anteriore Anteil des Balkens fehlt, obwohl eine Anlagestörung vorliegt (vgl. auch Abb. 8d). Für eine 7Balkenagenesie gibt es in der MRT verschiedene Zeichen [1]. Am einfachsten lässt sie sich in der sagittalen Schichtführung diagnostizieren. Bei Kindern mit einer Entwicklungsverzögerung sollte immer mindestens eine sagittale Sequenz angefertigt werden. Bei Neugeborenen kann es bisweilen schwierig sein, den Balken abzugrenzen, da er aufgrund der weitgehend fehlenden Myelinisierung noch sehr volumenschwach ist. Ein indirektes Zeichen ist dann ein direktes Einstrahlen der Sulci in den III. Ventrikel, da bei vielen Kindern mit einer Balkenagenesie zugleich das Cingulum fehlt bzw. nach außen gerichtet ist. In der axialen Schichtführung liegt typischerweise eine 7kolpozephale Konfiguration der Seitenventrikel vor. Die Hinterhörner der Seitenventrikel sind aufgeweitet, da die Formstabilität durch die dicht gepackte Struktur des Balkens fehlt. Zudem zeigt sich eine stierhornförmige Konfiguration der Corpora der Seitenventrikel. In der koronaren Schichtführung sind die Vorderhörner der Seitenventrikel meist halbmondförmig konfiguriert. . Abbildung 1 zeigt eine Balkenagenesie bei einem 20 Monate alten Jungen mit einer Entwicklungsverzögerung. Die Vorderhörner der Seitenventrikel sind in der koronaren Schichtführung halbmondförmig konfiguriert, die Sulci strahlen in der sagittalen Schichtführung direkt in den III. Ventrikel ein. Bei genauer Betrachtung fallen zudem eine fokale Polymikrogyrie (. Abb. 1c) sowie subependymale Heterotopien (. Abb. 1d) auf. Balkenagenesien gehen nicht selten mit anderen Mittellinienfehlbildungen, wie 7Balkenlipomen oder Interhemisphärenzysten, einher. Erstere stellen wahrscheinlich fehldifferenzierte Zellen aus der Meninx primitiva, der embryonalen Hirnhaut, dar [12]. Sie bedürfen in der Regel keiner Therapie. In der MRT imponieren sie als fettisointense Strukturen innerhalb des Interhemisphärenspalts. Die Gefäße der Mittellinie ziehen durch das Lipom hindurch und werden von ihm nicht verdrängt. Im Verlauf kommt es häufig zu Verkalkungen, v. a. im Randbereich. 7Interhemisphärenzysten sind Zysten der Mittellinie, die in 3 Unterformen eingeteilt werden [4]:
Weiterbildung · Zertifizierte Fortbildung
Abb. 1 8 Axiale T2w- (a), T1w IR- (b, e), sagittale T2w- (c) und koronare T1wIR-Sequenzen (d, f) bei einem 20 Monate alten Jungen mit einer Balkenagenesie, a, b erweiterte Hinterhörner der Seitenventrikel, gerade Corpora, c Sulci direkt in den III. Ventrikel einstrahlend, fokale Polymikrogyrie links frontomedial, d halbmondförmig konfigurierte Vorderhörner, d, f subependymale Heterotopien
F Beim Typ I liegt eine einzelne, große Interhemisphärenzyste vor, die mit dem III. Ventrikel kommuniziert und meist raumfordernd wirkt. F Beim Typ II finden sich zusätzlich Fehlentwicklungen des Kortex. F Interhemisphärenzysten vom Typ III sind septiert und oft asymmetrisch konfiguriert.
Entwicklungsstörungen des Kortex Sie lassen sich am besten aus der Entwicklung des Gehirns in der Embryonal- und Fetalzeit verstehen [5]. Die Neuronen werden nicht direkt an der Hirnoberfläche, sondern in der Tiefe des Gehirns, der so genannten 7germinalen Matrixzone, gebildet. Sie liegt direkt periventrikulär subependymal. Die Bildung von neuronalen Stammzellen in ihr beginnt bereits in der 7. Embryonalwoche und dauert bis etwa in die 34. Woche hinein an. Von ihrem Ursprungsort wandern die Neuronen in einem radiären Verlauf zur Peripherie, bis sie die Hirnoberfläche erreichen, einen Vorgang, den man auch als 7Migration bezeichnet. Bei Erreichen der Hirnoberfläche werden die Neuronen in verschiedenen Zellschichten angeordnet, eine 7kortikale Organisation findet statt. Zu Beginn der Embryonal- und auch der Fetalentwicklung ist das Gehirn noch vollständig glatt. Erst ab etwa der 22. Woche beginnt es, sich einzufalten. Eine Gyrierung, wie wir sie von den Gehirnen älterer Kinder oder Erwachsener her kennen, ist erst um den reifen Geburtstermin herum zu verzeichnen, aber selbst bei der Geburt sind die Sulci und Gyri noch deutlich flacher als später.
7 Germinale Matrixzone
7 Migration 7 Kortikale Organisation
Der Nervenarzt 12 · 2006
| 1523
Abb. 2 9 Axiale T2w- (a) und T1w-Sequenzen (b) bei einem 17-jährigen Jungen mit DNET, „blasig“ konfigurierte, multizystische Raumforderung des Temporallappens
Abb. 3 8 Axiale T2w- (a), T1w- (b) und koronare T2w-Sequenzen (c) bei einem 12 Monate alten Jungen mit inkompletter Lissenzephalie, die Anzahl der Gyri und Sulci sind deutlich vermindert, das Rindenband erscheint verplumpt
Störungen der Kortexentwicklung werden in Störungen der neuronalen Proliferation, der neuronalen Migration und der kortikalen Organisation unterschieden
1524 |
Der Nervenarzt 12 · 2006
Störungen der Kortexentwicklung werden in Störungen der neuronalen Proliferation, der neuronalen Migration und der kortikalen Organisation unterschieden [2]. Diese klassische Einteilung wurde von Barkovich et al. [3] 2001 weiterentwickelt und modifiziert. Zu den Störungen der neuronalen Proliferation zählen die Hemimegalenzephalie, die Mikrolissenzephalie und die transhemisphärischen kortikalen Dysplasien (Dysplasien mit Ballonzellen). Zudem werden die Gangliogliome und Gangliozytome sowie die dysembryoplastischen neuroepithelialen Tumoren (DNET) zu ihnen gerechnet [3]. Als Störungen der Migration werden die subkortikalen und subependymalen Heterotopien und die Lissenzephalien einschließlich der Pflastersteinlissenzephalie bezeichnet. In der neueren Klassifikation werden die bandförmigen Heterotopien inzwischen als Unterform der Lissenzephalien geführt [3]. Zu den Organisationsstörungen des Kortex zählen die Polymikrogyrie, die Syndrome der bilateralen Polymikrogyrie und die Schizenzephalien. Diese Störungen werden inzwischen zum Polymikrogyrie-Schizenzephalie-Komplex zusammengefasst. Auch die fokalen kortikalen Dysplasien und die Mikrodysgenesie werden zu den Organisationsstörungen des Kortex gerechnet [3]. In einer 4. Kategorie werden Störungen zusammengefasst, die anderweitig nicht zu klassifizieren sind. Hierunter werden auch metabolische Erkrankungen gezählt, die zu einer kortikalen Fehlentwicklung führen [3].
Weiterbildung · Zertifizierte Fortbildung Störungen der neuronalen Proliferation Hemimegalenzephalie Bei ihr kommt es zu einer hamartomatösen Vergrößerung einer Hemisphäre oder eines Teils einer Hemisphäre. Sie ist eine seltene Erkrankung, der eine Störung der neuronalen Proliferation zugrunde liegt. Aber auch Merkmale von Migrationsstörungen und kortikalen Organisationsstörungen lassen sich meist abgrenzen. Die betroffenen Kindern leiden in der Regel seit früher Kindheit an einer schweren, medikamentös nicht adäquat zu kontrollierenden Epilepsie und einer tiefgreifenden Entwicklungsverzögerung. In der MRT zeigt sich eine Vergrößerung einer Hemisphäre oder eines Teils davon. Im Gegensatz zu Tumorerkrankungen, z. B. einer Gliomatosis cerebri, sind die Seitenventrikel in der Regel nicht komprimiert, sondern ebenfalls vergrößert.
Bei Hemimegalenzephalie zeigt sich in der MRT eine Vergrößerung einer Hemisphäre oder eines Teils davon
Mikrolissenzephalie Lissenzephalie bedeutet wörtlich übersetzt „glattes Gehirn“. Das bedeuted, dass die Gyrierung nicht bzw. nicht ausreichend ausgeprägt ist. Bei einer Mikrolissenzephalie liegt der Kopfumfang mindestens 2, bei einer extremen Mikrolissenzephalie mindestens 3 Standardabweichungen unter der Norm. Als Ursache nimmt man eine verminderte neuronale Stammzellproliferation und eine vermehrte Apoptose (programmierter Zelltod) an. Die betroffenen Kinder haben in der Regel eine tief greifende Entwicklungsstörung, wobei es je nach Ausprägungsgrad der Mikrolissenzephalie zu einem variablen Schweregrad kommen kann. Oft liegt zudem eine Epilepsie vor. In der MRT fällt neben dem deutlich verminderten Volumen des Neurokraniums eine Verminderung der Gyrierung auf. Je nach Schweregrad der Erkrankung können eine gering verminderte Gyrierung oder ein nahezu glattes Gehirn mit wenigen flachen Gyri vorliegen.
In der MRT fallen ein deutlich vermindertes Volumen des Neurokraniums sowie eine Verminderung der Gyrierung auf
Transhemisphärische kortikale Dysplasien Sie werden auch als Dysplasien mit Ballonzellen bezeichnet, da man bei ihnen histologisch Zellen mit einem vergrößerten („ballonierten“) Zytoplasma findet. Bei ihnen handelt es sich wahrscheinlich um nichtdifferenzierte neuronale Stammzellen. Die betroffenen Patienten leiden meist an fokal eingeleiteten epileptischen Anfällen. Um kortikale Dysplasien nicht zu übersehen, sollten bei allen Patienten mit einer Epilepsieanamnese hoch auflösende Sequenzen angefertigt werden. In der MRT fällt eine 7Dysplasiestraße auf, die von der ehemaligen germinalen Matrixzone, also der Ventrikeloberfläche, bis zur Hirnoberfläche reicht. In der angrenzenden grauen Substanz ist in der Regel eine Unschärfe des Mark-Rinden-Übergangs zu sehen.
7 Dysplasiestraße
Gangliogliome, Gangliozytome und dysembryoplastische neuroepitheliale Tumoren (DNET) Es handelt sich um Fehlbildungstumoren, die zu den Störungen der neuronalen Proliferation zählen. Meist werden sie bei Kindern oder jungen Erwachsenen diagnostiziert. Die betroffenen Patienten haben zu diesem Zeitpunkt häufig schon eine langjährige Epilepsieanamnese. Am häufigsten treten diese Tumoren im Bereich des Temporallappens auf; sie können aber auch in anderen Hirnarealen entstehen. Oft findet sich begleitend eine kortikale Dysplasie. Gangliogliome lassen sich von Gangliozytomen nur histologisch differenzieren. Sie werden gemäß der WHO-Einteilung als Grad-I- oder -II-Tumoren klassifiziert. Selten kann es zu einer malignen Degeneration der glialen Komponente kommen. In der MRT zeigt sich klassischerweise eine zystische, kortexständige Raumforderung, die randständig oft nodulär Kontrastmittel aufnimmt. Das Enhancement kann auch ringförmig oder solide sein. Verkalkungen sind relativ häufig. DNET sind gutartige, fokal intrakortikale Tumoren. Sie stellen sich in der MRT als multizystische, kortexständige Raumforderungen mit einer keilförmigen Konfiguration
Gangliogliome und Gangliozytome sind nur histologisch unterscheidbar
DNET stellen sich in der MRT als multizystische, kortexständige Raumforderungen mit keilförmiger Konfiguration dar Der Nervenarzt 12 · 2006
| 1525
dar. Die Tabula externa der Kalotte ist in diesem Bereich oft ausgedünnt. Meist findet sich kein pathologisches Enhancement. . Abbildung 2 zeigt ein DNET bei einem 17-jährigen Jungen mit einer seit längerer Zeit bestehenden Temporallappenepilepsie. Es wurde eine Teilresektion des Temporallappens durchgeführt; der Junge blieb seither anfallsfrei.
Störungen der neuronalen Migration Heterotopien Bei Heterotopien erreichen die Neuronen nicht die Kortexoberfläche
In der MRT sind Heterotopien immer in allen Sequenzen isointens zum Kortex
Knötchen der subependymalen Heterotopien sind nicht kortexisointens
Sie sind die klassischen neuronalen Migrationsstörungen – bei ihnen erreichen die Neuronen die Kortexoberfläche nicht. Sie bleiben als Zellnester liegen – entweder im Bereich der ehemaligen germinalen Matrixzone, also subependymal, oder im Bereich der weißen Substanz, also fokal subkortikal. Bei den bandförmigen Heterotopien liegt ein breitbasiger Arrest der neuronalen Migration vor, es entsteht der Eindruck eines gedoppelten Rindenbands. Sie werden nach der neueren Klassifikation inzwischen den Lissenzephalien zugeordnet. Die betroffenen Kinder werden häufig durch eine Entwicklungsverzögerung klinisch auffällig. Nicht selten leiden sie auch an einer Epilepsie. Da Heterotopien oft mit anderen Entwicklungsstörungen des Kortex gemeinsam vorkommen, sollte das Rindenband immer genau betrachtet werden. Gerade in dem Bereich des Kortex, der der Heterotopie zugeordnet ist, kommen häufig kortikale Fehlbildungen, insbesondere Polymikrogyrien, vor. In der MRT sind Heterotopien immer in allen Sequenzen isointens zum Kortex. Dies ist das wichtigste Unterscheidungskriterium zur Differenzierung von anderen Prozessen, z. B. von Marklagerläsionen. Subependymale Heterotopien. Sie stellen sich meist als kleine, fokale Knötchen dar, die in den Ventrikel protrudieren. Selten können sie so massiv sein, dass sie ihn nahezu vollständig auskleiden. Die Ursache ist dann meist chromosomal. Bei der tuberösen Sklerose kommen ebenfalls fokale subependymale Knötchen vor, die in den Ventrikel protrudieren, und den subependymalen Heterotopien von der Lage und von der Konfiguration her gleichen können. Allerdings sind sie – im Gegensatz zu subependymalen Heterotopien – nicht kortexisointens, sodass eine sichere Differenzierung bei genauer Betrachtung unschwer möglich ist. . Abbildung 1 zeigt subependymale Heterotopien bei einem 20 Monate alten Jungen mit einer Balkenagenesie (. Abb. 1e, f). Die subependymalen Läsionen stellen sich kortexisointens dar; sie liegen im Bereich der ehemaligen germinalen Matrixzone. Fokale subkortikale Heterotopien. Sie imponieren in der MRT als Zellnester, die ebenfalls in allen Sequenzen isointens zum Rindenband sind. Die zugehörige Wand des Seitenventrikels ist oft etwas ausgezogen, die entsprechende Kortexregion weist häufig eine Gyrierungsstörung auf. Bei einem Verdacht auf eine Entwicklungsstörung des Kortex ist es also hilfreich, neben der genauen Betrachtung des Rindenbands auch die Ventrikelkonfiguration zu analysieren. Bandförmige Heterotopien. Sie stellen sich in der MRT als kortexisointenses Band innerhalb der weißen Substanz dar. Es entsteht der Eindruck eines gedoppelten Rindenbands. Beidseits dieses 2. Kortexbands liegt normale weiße Substanz. Bandförmige Heterotopien sind häufig X-chromosomal vererbt.
Lissenzephalie
7 Agyrie 7 Pachygyrie
1526 |
Der Nervenarzt 12 · 2006
Der Ausdruck bedeutet eigentlich „glattes Gehirn“. Während der Embryonal- und Fetalentwicklung ist eine fehlende Gyrierung physiologisch; erst im Lauf der Fetalentwicklung – etwa ab der 22. Woche – beginnt die Einfaltung der Kortexoberfläche. Man unterscheidet die 7Agyrie – eine vollständige Lissenzephalie – von einer 7Pachygyrie, bei der die Gyrierung vermindert, aber zumindest teilweise vorhanden ist. Letztere kann auch fokal vorkommen.
Weiterbildung · Zertifizierte Fortbildung
Abb. 4 8 Axiale T2w- (a), FLAIR- (b) und T1w-Sequenzen (c) bei 15 Jahre altem Jungen mit Zustand nach konnataler Zytomegalievirusinfektion, pachygyre und polymikogyre Kortexanteile
Abb. 5 9 Axiale T2w- (a), T1w-Sequenzen (b) und FLAIR- (c) sowie koronare T1w–IR-Sequenzen (d) bei 12-jährigem Jungen mit rechtsseitiger Open- und linksseitiger Closed-lip-Schizenzephalie, Spalten mit dysplastischer grauer Substanz ausgekleidet, angrenzende Kortexareale polymikrogyr verändert
Der Nervenarzt 12 · 2006
| 1527
Abb. 6 8 Axiale (a) und koronare (b) T2wSequenzen bei 15-jährigem Jungen mit fokaler kortikaler Dysplasie, präzentrales Rindenband fokal signalintensitätsgesteigert und verplumpt, unscharfer Übergang zur weißen Substanz
Abb. 7 8 Axiale (a), sagittale (b) und koronare (c) T2w-Sequenzen bei 5 Monate altem Mädchen mit frontoethmoidaler Enzephalozele, Hirnstrukturen, Meningen und Liquor durch Knochenlücke nach kaudal tretend; rechte Orbita nach lateral verdrängt
7 Pflastersteinlissenzephalie
7 Klassische Lissenzephalie
7 „Figure 8 lissencephaly“
1528 |
Der Nervenarzt 12 · 2006
Eine Sonderform der Lissenzephalien sind die 7Pflastersteinlissenzephalien. Bei ihnen liegt – im Gegensatz zur klassischen Lissenzephalie – kein Arrest der Migration, sondern eine Übermigration der Neuronen vor. Oft ist begleitend eine kongenitale Muskeldystrophie vorhanden. Pflastersteinlissenzephalien sind mit den sehr seltenen Syndromen der Fukuyama-Muskeldystrophie, dem Walker-Warburg-Syndrom und der „muscle-eye-brain“-Erkrankung assoziiert. Bei diesen liegen charakteristische weitere Veränderungen des Gehirns vor, z. B. Augenfehlbildungen, subkortikale Zysten oder Myelinisierungsstörungen. Bei 7klassischen Lissenzephalien sind eine Verminderung bzw. ein Arrest der Neuronenmigration auslösend. Die Ursache ist hierbei häufig chromosomal und insbesondere auf dem X-Chromosom und auf Chromosom 17 zu suchen. Kinder mit einer Lissenzephalie werden meist durch tief greifende Entwicklungsstörungen und oft auch epileptische Anfälle klinisch auffällig. In der MRT ähnelt die Konfiguration des Gehirns bei der kompletten Lissenzephalie in der axialen Schichtführung der Zahl 8 7(„figure 8 lissencephaly“). Die Hirnoberfläche ist glatt; die sylvische Fissur führt bilateral zu einer fokalen Einziehung. Bei der häufi-
Weiterbildung · Zertifizierte Fortbildung geren inkompletten Lissenzephalie liegen zwar Gyri vor, sie sind jedoch verplumpt. Die Sulci sind flacher, der Kortex ist meist verdickt. Im Gegensatz zur Polymikrogyrie ist der Übergang zur weißen Substanz bei der Lissenzephalie glatt und nicht gewellt. . Abbildung 3 zeigt eine inkomplette Lissenzephalie bei einem 12 Monate alten Jungen mit einer tief greifenden Entwicklungsverzögerung. Die Gyri und Sulci sind deutlich reduziert, das Rindenband erscheint verplumpt. Die Myelinisierung ist in diesem Alter physiologisch noch nicht abgeschlossen.
Bei der Lissenzephalie ist der Übergang zur weißen Substanz glatt und nicht gewellt
Organisationsstörungen des Kortex Polymikrogyrien Nach der neueren Klassifikation werden sie sowie die Schizenzephalie zu einem Komplex zusammengefasst. Der Übersichtlichkeit halber sollen sie hier jedoch getrennt besprochen werden. Bei der Polymikrogyrie liegen zu viele, zu kleine Gyri vor. Die betroffenen Kinder fallen meist durch Entwicklungsstörungen auf; auch Epilepsien sind häufig. Die Ursachen können vielfältig sein. Zum einen treten Polymikrogyrien gehäuft nach konnatalen Infektionen, insbesondere nach einer Infektion mit dem Zytomegalievirus, auf. Zum anderen muss auch an genetische Ursachen gedacht werden, insbesondere, wenn es sich um eine bilateral symmetrische Ausbreitung, z. B. im Sinn einer bilateralen perisylvischen Polymikrogyrie handelt – man bezeichnet diese Krankheitsbilder als die 7Syndrome der bilateralen Polymikrogyrien. Häufig wird die Ursache allerdings nicht geklärt. In der MRT findet sich eine Vielzahl kleiner und kleinster Gyri in der betroffenen Region. Im Gegensatz zur Pachygyrie erscheint der Übergang von der grauen zur weißen Substanz gewellt und nicht glatt. Um eine Polymikrogyrie nicht zu übersehen und um sie von einer Pachygyrie unterscheiden zu können, sollte eine hoch auflösende, dünnschichtige MRT angefertigt werden. Wenn bei einem Kind eine Region mit einer Polymikrogyrie auffällt, muss immer auch genau nach anderen Entwicklungsstörungen des Kortex untersucht werden, u. a. nach Pachygyrien und Heterotopien. . Abbildung 1c zeigt eine fokale Polymikrogyrie bei einem 20 Monate alten Jungen, bei dem zugleich eine Balkenagenesie und Heterotopien vorliegen. Frontomedial links sind fokal zu viele und zu kleine Gyri zu sehen. . Abbildung 4 zeigt ein Nebeneinander von pachygyren und polymikrogyren Kortexanteilen bei einem 15-jährigen Jungen mit einem Zustand nach konnataler Zytomegalievirusinfektion. Es sind z. T. zu viele und zu kleine, z. T. verdickte, verplumpte Gyri vorhanden.
Bei der Polymikrogyrie sind zu viele, zu kleine Gyri vorhanden
7 Syndrome der bilateralen Polymikrogyrie Der Übergang von der grauen zur weißen Substanz erscheint bei Polymikrogyrie gewellt und nicht glatt
Schizenzephalien Bei ihnen liegt eine Spaltbildung im Gehirn vor, die von der Ventrikeloberfläche bis zur Hirnoberfläche reicht [10]. Man unterscheidet so genannte 7Open-lip-Schizenzephalien, bei denen die Spalte klafft, also in ihrer gesamten Länge mit Liquor aufgefüllt ist, und 7Closed-lip-Schizenzephalien, bei denen die Lippen direkt aneinander liegen. In etwa 60% der Fälle ist die Spaltbildung unilateral, in 40% bilateral [10]. Dies bedeutet, dass immer genau die kontralaterale Hemisphäre betrachtet werden muss, wenn die Diagnose einer Schizenzephalie einer Hemisphäre gestellt wird. Gerade Closed-lip-Schizenzephalien sind nicht immer auf den ersten Blick offensichtlich. Die betroffenen Kinder werden in der Regel früh durch Entwicklungsstörungen klinisch auffällig. Der Grad des neurologischen Defizits hängt u. a. auch von der Breite des klaffenden Spalts ab. Häufig kommt eine Epilepsie hinzu [10]. In der MRT zeigt sich eine Spaltbildung, die durch die gesamte Hemisphäre reicht, also vom Ventrikelependym bis zur Kortexoberfläche. Die Spalte ist immer in ihrer gesamten Länge mit grauer Substanz ausgekleidet. Dies ist ein wichtiges Unterscheidungskriterium, um Open-lip-Schizenzephalien von Defektzonen, beispielsweise nach einem Infarkt, zu differenzieren. Auch erleichtert dieses Kriterium das Auffinden von Closedlip-Schizenzephalien innerhalb der weißen Substanz. Zudem zeigt sich bei diesen im Bereich der Ventrikeloberfläche eine fokale Ausziehung, die ebenfalls auf das Vorliegen einer Schizenzephalie hindeutet.
7 Open-lip-Schizenzephalie 7 Closed-lip-Schizenzephalie
Die Spalte ist immer in ihrer gesamten Länge mit grauer Substanz ausgekleidet
Der Nervenarzt 12 · 2006
| 1529
Abb. 8 7 Axiale T2w- (a) und T1w- (b) sowie koronare (c) und sagittale (d) T2w-Sequenzen bei 9-jährigem Mädchen mit semilobärer Holoprosenzephalie, anteriorer Anteil der Hemisphären nicht unterteilt, Balken im vorderen Anteil nicht angelegt
Abb. 9 7 Sagittale T2w-Sequenzen bei neugeborenem Mädchen mit ChiariMalformation vom Typ II bei Zustand nach thorakaler Meningomyelozele, hintere Schädelgrube zu klein, Kleinhirntonsillen extrem tief stehend, Pons und IV. Ventrikel abgeflacht
1530 |
Die graue Substanz innerhalb der Spalte entspricht nicht normalem Rindenband; sie ist immer dysplastisch. Angrenzend an die Spalte ist der Kortex im Bereich der Hirnoberfläche ebenfalls verändert – sie weist immer eine Polymikrogyrie auf. . Abbildung 5 zeigt eine rechtsseitige Open-lip-Schizenzephalie bei einem 12-jährigen Jungen mit Gesichtsfeldeinschränkungen und einer Epilepsie. Die Spalte ist mit grauer Substanz ausgekleidet, die angrenzenden Kortexareale sind polymikrogyr. Bei genauer Der Nervenarzt 12 · 2006
Weiterbildung · Zertifizierte Fortbildung Betrachtung zeigt sich auch links parietookzipital eine Closed-lip-Schizenzephalie, die ebenfalls mit dysplastischer grauer Substanz ausgekleidet ist.
Fokale kortikale Dysplasie ohne Ballonzellen Bei ihr liegt eine Kortexdysplasie im Bereich des Rindenbands vor. Im Gegensatz zu transhemisphärischen kortikalen Dysplasien mit Ballonzellen reicht die Dysplasie nicht durch die weiße Substanz hindurch, es findet sich also keine Dysplasiestraße. Die betroffenen Kinder werden meist durch eine fokal eingeleitete Epilepsie klinisch auffällig. In der MRT sind fokale kortikale Dysplasien nicht immer einfach zu erkennen. Oft fällt lediglich eine Unschärfe am Übergang von der grauen zur weißen Substanz auf. Das Rindenband ist fokal meist etwas verplumpt. In der FLAIR-Sequenz liegt in diesem Bereich oft eine Signalintensitätssteigerung vor. Gerade vor geplanten epilepsiechirurgischen Eingriffen sollten unbedingt hoch auflösende MRT-Sequenzen durchgeführt werden. Bei Temporallappenepilepsien sind koronare und axiale Sequenzen, die sich an der Achse des Temporallappens orientieren, obligat. . Abbildung 6 zeigt eine fokale kortikale Dysplasie bei einem 15-jährigen Jungen mit einer seit langem bestehenden, fokal eingeleiteten Epilepsie. Es finden sich eine fokale Verplumpung und Unschärfe des präzentralen Rindenbands.
Bei einer fokalen kortikalen Dysplasie ohne Ballonzellen liegt eine Kortexdysplasie im Bereich des Rindenbands vor
In der MRT sind fokale kortikale Dysplasien nicht immer einfach zu erkennen
Enzephalozelen Es kommt zu einem Durchtritt von Hirnparenchym durch einen Defekt der Kalotte oder der Schädelbasis [9]. Von 7Meningozelen spricht man bei einem Durchtritt von Meningen und Liquor, von Gliozelen bei einem Durchtritt einer mit Gliazellen ausgekleideten Liquorzyste. Bei einer 7atretischen Zele treten lediglich Duraanteile und Bindegewebe durch einen schmalen Kanal. Enzephalozelen finden sich am häufigsten okzipital und frontoethmoidal [9]. In der MRT sollten nach Möglichkeit hoch auflösende Sequenzen angefertigt werden, um die genauen Lagebeziehungen zwischen Hirnparenchym und Durchtrittsstelle zu klären. Zudem sollte immer auch auf andere Anlagestörungen des Gehirns geachtet werden, insbesondere auf Fehlentwicklungen des Kortex wie Polymikrogyrien oder Heterotopien. . Abbildung 7 zeigt eine frontoethmoidale Enzephalozele bei einem 5 Monate alten Mädchen, das durch einen Schiefstand der Augen aufgefallen war. Hirnparenchym, Meningen und Liquor treten durch eine frontobasale Knochenlücke nach kaudal. Die rechte Orbita wird nach lateral verdrängt.
7 Meningozele 7 Atretische Zele
Holoprosenzephalien Ursächlich ist eine Fehldifferenzierung des Prosenzephalons während der Embryonalentwicklung. Das Gehirn teilt sich nicht oder nicht vollständig in 2 Großhirnbläschen, also 2 Großhirnhemisphären, auf. Es können chromosomale oder erworbene Störungen zugrunde liegen. Holoprosenzephalien werden in alobäre, semilobäre und lobäre Formen eingeteilt. Die 7alobäre Holoprosenzephalie ist die schwerste Form. Die Kinder sind sehr schwer beeinträchtigt, und die Lebenserwartung ist meist kurz. Es hat keine Differenzierung der Großhirnhemisphären stattgefunden – sowohl der Interhemisphärenspalt als auch der Balken fehlen vollständig. Es liegt ein Holoventrikel vor, der oft in eine Zyste mündet. Bei der semilobären Holoprosenzephalie ist das Gehirn nur partiell differenziert. Seine dorsalen Anteile – die Hinterhörner der Seitenventrikel, der dorsale Anteil des Balkens und der dorsale Interhemisphärenspalt – sind regelrecht ausgebildet. Der anteriore Teil dagegen ist nicht differenziert – der anteriore Anteil des Balkens, die Vorderhörner der Seitenventrikel und der vordere Anteil des Interhemisphärenspalts sind nicht ausgebildet. Der anteriore Anteil des Großhirns wirkt „verschmolzen“. . Abbildung 8 zeigt eine semilobäre Holoprosenzephalie bei einem 9-jährigen Mädchen mit nicht voneinander
Bei der Holoprosenzephalie teilt sich das Gehirn nicht oder nicht vollständig in 2 Großhirnhemisphären auf 7 Alobäre Holoprosenzephalie
Bei der semilobären Holoprosenzephalie ist das Gehirn nur partiell differenziert
Der Nervenarzt 12 · 2006
| 1531
Abb. 10 7 Sagittale T2w- (a) und T1w- (b) und axiale T2w- (c) und T1w-Sequenzen (d) bei 18 Monate altem Mädchen mit Dandy-WalkerMalformation, IV. Ventrikel durch Zyste ausgeprägt dilatiert, Vermis und Kleinhirnhemisphären linksbetont hypoplastisch
Abb. 11 7 Axiale T2w- (a) und kontrastverstärkte T1w-Sequenzen (b) bei 47-jähriger Patientin mit LhermitteDuclos-Syndrom, innerhalb der Läsion der rechten Kleinhirnhemisphäre alternierend hyper- und isointense Anteile
1532 |
Der Nervenarzt 12 · 2006
Weiterbildung · Zertifizierte Fortbildung getrennten vorderen Anteilen der Großhirnhemisphären und nicht angelegten Vorderhörnern der Seitenventrikel und des anterioren Anteils des Balkens. Bei der 7lobären Holoprosenzephalie ist die Differenzierung der Großhirnhemisphären weiter fortgeschritten. Die Vorderhörner der Seitenventrikel sind zumindest partiell angelegt. Das Septum pellucidum fehlt meist. Der Übergang zur septooptischen Dysplasie kann fließend sein.
7 Lobäre Holoprosenzephalie
Fehlbildungen aus dem Chiari-Formenkreis Sie sind verhältnismäßig häufige Malformationen. Sie werden in 3 Typen eingeteilt, wobei die Chiari-Malformation vom Typ III außerordentlich selten ist; bei ihr kommt es zusätzlich zu einer Zelenbildung im Bereich des kraniozervikalen Übergangs. Bei einer 7Chiari-Malformation Typ I findet sich ein Tiefstand der Kleinhirntonsillen [8]. Oft zeigen sich zudem Fehlbildungen der HWS, wie Blockwirbelbildungen. Es kann es zu Liquorzirkulationsstörungen und zu einer Syringohydromyelie kommen. In der MRT sollten immer sagittale Schichten angefertigt werden. Die Kleinhirntonsillen sollten physiologisch nicht tiefer als 5–6 mm unter einer Verbindungslinie zwischen Basion und Opisthion stehen – bei der Chiari-Malformation liegen sie tiefer. Phasenkontrastuntersuchungen zeigen einen verminderten Fluss im Bereich des Foramen magnum und eine erhöhte Beweglichkeit des Hirnstamms. Differenzialdiagnostisch ist eine Chiari-Malformation vom Typ I von einem Liquorunterdrucksyndrom zu differenzieren, bei dem es ebenfalls zu einem Tiefstand der Kleinhirntonsillen kommen kann. Eine 7Chiari-Malformation Typ II – die die eigentliche „Arnold-Chiari-Malformation“ darstellt – ist nahezu immer mit einer Meningomyelozele im Rahmen einer Spina bifida aperta assoziiert. Die Meningomyelozele wird direkt nach der Geburt korrigiert, um das Infektionsrisiko zu reduzieren. In der MRT gibt es zahlreiche typische Zeichen für eine Chiari-Malformation vom Typ II. Das Tentorium setzt tief an, die hintere Schädelgrube ist zu klein ausgeprägt. Kleinhirntonsillen und Vermis stehen tief, die Kleinhirnhemisphären scheinen den Hirnstamm zu umgreifen. Der IV. Ventrikel erscheint konsekutiv länglich und schmal konfiguriert, der Pons wird gegen den Clivus gedrückt und erscheint hierdurch abgeflacht. Durch eine Liquorzirkulationsstörung kann es aber auch zu einem so genannten „gefangenen IV. Ventrikel“ kommen, der infolgedessen balloniert erscheint. Die Medulla oblongata wird ebenfalls nach kaudal disloziert; hierdurch kommt es am Übergang zum Halsmark zu einer Knickbildung, dem so genannten 7„medullary kinking“. Die 4-Hügel-Platte wird verdrängt und nimmt eine „schnabelartige“ Konfiguration an 7(„tectal beaking“). Durch die Parenchymverschiebungen kommt es häufig zu einer Liquorzirkulationsstörung mit einem Hydrocephalus non-communicans. Auch liegen häufig andere Anlagestörungen des Gehirns vor, wie beispielsweise eine Balkenagenesie oder eine Entwicklungsstörung des Kortex. . Abbildung 9 zeigt eine Chiari-Malformation vom Typ II bei einem neugeborenen Mädchen mit Zustand nach thorakaler Meningomyelozele. Es besteht ein extremer Tiefstand der Kleinhirntonsillen bis auf Höhe HWK7. Pons und IV. Ventrikel sind abgeflacht.
7 Chiari-Malformation Typ I
Die Kleinhirntonsillen sollten physiologisch nicht tiefer als 5–6 mm unter einer Verbindungslinie zwischen Basion und Opisthion stehen
7 Chiari-Malformation Typ II
7 Medullary kinking 7 Tectal beaking
Fehlbildungen aus dem Dandy-Walker-Formenkreis Hierzu rechnet man die eigentliche Dandy-Walker-Malformation, die Dandy-Walker-Variante und die Megacisterna magna. Bei der 7Dandy-Walker-Malformation ist der IV. Ventrikel durch eine ausgedehnte zystische Fehlbildung erweitert. Diese kann große Anteile der hinteren Schädelgrube einnehmen. Der Vermis ist volumenreduziert oder kann vollständig fehlen. Die hintere Schädelgrube ist charakteristischerweise vergrößert. . Abbildung 10 zeigt eine Dandy-Walker-Malformation bei einem 18 Monate alten Mädchen. Der IV. Ventrikel ist durch eine zystische Formation linksbetont ausgeprägt erweitert. Kleinhirnhemisphären und v. a. der Vermis sind hypoplastisch.
7 Dandy-Walker-Malformation
Der Nervenarzt 12 · 2006
| 1533
7 Dandy-Walker-Variante
7 Megacisterna magna
Bei der 7Dandy-Walker-Variante ist die hintere Schädelgrube im Gegensatz zur eigentlichen Dandy-Walker-Malformation nicht vergrößert. Es liegen jedoch eine zystische Erweiterung des IV. Ventrikels und eine Volumenminderung des Vermis vor. Der Begriff ist in der Literatur teilweise umstritten. Bei der 7Megacisterna magna ist die Cisterna magna zystisch aufgeweitet. Die hintere Schädelgrube ist vergrößert. Vermis und IV. Ventrikel sind normal.
Andere Fehlbildungen des Kleinhirns
7 Lhermitte-Duclos-Syndrom
Das Lhermitte-Duclos-Syndrom zeigt in T2-gewichteten Sequenzen typischerweise alternierend hyperund isointense Anteile
7 Rhombenzephalosynapsis
7 Joubert-Syndrom
Es gibt zahlreiche andere Malformationen des Kleinhirns, die allerdings deutlich seltener sind als die Erkrankungen des Chiari- und des Dandy-Walker-Formenkreises [11]. Beim 7Lhermitte-Duclos-Syndrom kommt es zu einer gestörten Zytoarchitektur eines Teils des Kleinhirns. Es liegt ein dysplastisches Gangliozytom vor [7]. Oft wird es nur als Zufallsbefund entdeckt, da die Patienten meist nur eine blande Symptomatik aufweisen oder asymptomatisch sind. Es kann allerdings auch zu einer Liquorzirkulationsstörung kommen. Es ist eine Assoziation mit dem Cowden-Syndrom bekannt, bei dem es zu multiplen Hamartomen und einem erhöhten Krebsrisiko für Mamma- und Schilddrüsenkarzinome kommt. In der MRT stellt sich das Lhermitte-Duclos-Syndrom sehr charakteristisch dar [7]. Meist ist der Prozess auf eine Kleinhirnhemisphäre begrenzt, gelegentlich aber beide Hemisphären oder der Vermis beteiligt. Am besten lässt sich das Lhermitte-Duclos-Syndrom in den T2-gewichteten Sequenzen abgrenzen – hier zeigen sich typischerweise alternierend hyper- und isointense Anteile, was ein gestreiftes, „zebraartiges“ Muster ergibt. In der T1-Wichtung ist die Raumforderung relativ signalärmer, ein Kontrastmittelenhancement findet sich in der Regel nicht. . Abbildung 11 zeigt ein Lhermitte-Duclos-Syndrom bei einer 47-jährigen Patientin. Vor allem in der T2-Wichtung fallen alternierend hyperintense und isointense Areale auf. Bei der 7Rhombenzephalosynapsis haben sich die beiden Kleinhirnhemisphären nicht vollständig voneinander getrennt; der Vermis fehlt meist vollständig. Die klinische Symptomatik der betroffenen Patienten ist relativ variabel. Häufig liegen noch weitere Fehlbildungen des Gehirns oder ein Hydrocephalus non-communicans vor. In der MRT stellen sich aufgrund des Fehlens des Vermis parallele, direkt aneinander anliegende Kleinhirnhemisphären dar. Sie sind meist im dorsalen Anteil miteinander verschmolzen. Koronare, stark T1-gewichtete Sequenzen können für die Diagnosestellung hilfreich sein. Beim 7Joubert-Syndrom kommt es charakteristischerweise zu episodisch auftretenden Hyperpnoeattacken; oft liegen bei den betroffenen Kindern auch eine Entwicklungsverzögerung und Augenbewegungsstörungen vor [6]. Das Syndrom ist durch eine Hypoplasie des Vermis, eine gestörte Konfiguration der Kleinhirnschenkel und eine Dysplasie der Kleinhirnhemisphären gekennzeichnet. In der MRT kommt es zu einer typischen, „fledermausflügelartigen“ Konfiguration des kaudalen Anteils des IV. Ventrikels („bat wing fourth ventricle“). Im oberen Anteil ist dieser dreieckig konfiguriert. Die parallel verlaufenden oberen Kleinhirnschenkel und das schmächtige Mittelhirn bieten das Bild eines Backenzahns („molar tooth sign“).
Korrespondierender Autor PD Dr. B. Ertl-Wagner Institut für klinische Radiologie, Campus Großhadern, Ludwig-Maximilians-Universität, Marchioninistraße 15, 81377 München E-Mail:
[email protected] Interessenkonflikt: Der korrespondierende Autor versichert, dass keine Verbindungen mit einer Firma, deren Produkt in dem Artikel genannt ist, oder einer Firma, die ein Konkurrenzprodukt vertreibt, bestehen.
1534 |
Der Nervenarzt 12 · 2006
Weiterbildung · Zertifizierte Fortbildung Literatur 1. Barkovich AJ, Norman D (1988) Anomalies of the corpus callosum: correlation with further anomalies of the brain. AJR Am J Roentgenol 151: 171–179 2. Barkovich AJ, Kuzniecky RI, Dobyns WB, Jackson GD, Becker LE, Evrard P (1996) A classification scheme for malformations of cortical development. Neuropediatrics 27: 59–63 3. Barkovich AJ, Kuzniecky RI, Jackson GD, Guerrini R, Dobyns WB (2001) Classification system for malformations of cortical development: update 2001. Neurology 57: 2168–2178 4. Barkovich AJ, Simon EM, Walsh CA (2001) Callosal agenesis with cyst: a better understanding and new classification. Neurology 56: 220–227 5. Golden JA (2001) Cell migration and cerebral cortical development. Neuropathol Appl Neurobiol 27: 22–28 6. Joubert M, Eisenring JJ, Andermann F (1968) Familial dysgenesis of the vermis: a syndrome of hyperventilation, abnormal eye movements and retardation. Neurology 18: 302–303 7. Kulkantrakorn K, Awwad EE, Levy B et al. (1997) MRI in Lhermitte-Duclos disease. Neurology 48: 725–731 8. Meadows J, Kraut M, Guarnieri M, Haroun RI, Carson BS (2000) Asymptomatic Chiari type I malformations identified on magnetic resonance imaging. J Neurosurg 92: 920–926 9. Naidich TP, Altman NR, Braffman BH, McLone DG, Zimmerman RA (1992) Cephaloceles and related malformations. Am J Neuroradiol 13: 655–690 10. Packard AM, Miller VS, Delgado MR (1997) Schizencephaly: correlations of clinical and radiologic features. Neurology 48: 1427–1434 11. Patel S, Barkovich AJ (2002) Analysis and classification of cerebellar malformations. Am J Neuroradiol 23: 1074–1087 12. Truwit CL, Barkovich AJ (1990) Pathogenesis of intracranial lipoma: an MR study in 42 patients. AJR Am J Roentgenol 155: 855–865
Der Nervenarzt 12 · 2006
| 1535
Fragen zur Zertifizierung
o o o o o
o o o o o
Eine Ausnahme zu der Regel, dass bei partiellen Anlagestörungen des Balkens der posteriore und nicht der anteriore Anteil fehlt, ist die ... Schizenzephalie. Holoprosenzephalie. Hemimegalenzephalie. Polymikrogyrie. Lissenzephalie. Sie untersuchen einen 3-jährigen Jungen mit einer Entwicklungsverzögerung in der MRT. Ihnen fällt eine Aufweitung der Hinterhörner der Seitenventrikel und eine stierhornartige Konfiguration der Corpora auf. Zudem sind die Vorderhörner der Seitenventrikel halbmondförmig konfiguriert. An welche Diagnose denken Sie? Holoprosenzephalie Joubert-Syndrom Lhermitte-Duclos-Syndrom Balkenagenesie Schizenzephalie
o o o
o o o o o
o o o o o
o o
Sie untersuchen ein 6-jähriges Mädchen mit epileptischen Anfällen und einer Entwicklungsverzögerung. Ihnen fallen kleine, direkt subependymal gelegene Knötchen auf. Bei genauer Betrachtung zeigt sich, dass diese in allen Sequenzen kortexisointens sind. Sie stellen die folgende Diagnose: Subependymale Heterotopien Tuberöse Sklerose
Neurofibromatose vom Typ I Schizenzephalie Hemimegalenzephalie Sie führen eine fetale MRT in der 22. Schwangerschaftswoche durch. Ihnen fällt auf, dass das Gehirn des Fetus nahezu vollständig glatt ist. Lediglich im Bereich der Sylvi-Fissur liegt eine geringe Einziehung vor. Sie denken an eine ... Komplette Lissenzephalie. Inkomplette Lissenzephalie. Pachygyrie. Polymikrogyrie. in diesem Lebensabschnitt physiologische Situation.
o o o o o
o
o o o o o
Zu den klassischen Störungen der neuronalen Migration zählen ... Polymikrogyrie. Schizenzephalie. Heterotopien. Balkenagenesie. Hemimegalenzephalie.
Bitte beachten Sie: Antwortmöglichkeit nur online unter: cme.springer.de Die Frage-Antwort-Kombinationen werden online individuell zusammengestellt. Es ist immer nur eine Antwort möglich.
o
o o
o
o
In wie viel Prozent der Fälle tritt eine Schizenzephalie bilateral auf? In <1% In etwa 5% In etwa 20% In etwa 40% In etwa 80% Eine Holoprosenzephalie ist eine ... Störung der Aufteilung des Großhirns in 2 Hemisphären. Störung der neuronalen Migration. Spaltbildung in einer Großhirnhemisphäre. Verschmelzung beider Kleinhirnhemispären. Gyrierungsstörung mit zu vielen, zu kleinen Gyri und Sulci.
o o o o
o o o o o
Sie untersuchen ein 8-jähriges Mädchen mit einer Entwicklungsverzögerung. Ihnen fällt eine Vergrößerung der hinteren Schädelgrube auf. Der IV. Ventrikel ist durch eine große Zyste erweitert. Der Vermis erscheint sehr schmächtig. Sie stellen folgende Diagnose: Chiari-Malformation Rhombenzephalosynapsis Dandy-Walker-Malformation Joubert-Syndrom Lhermitte-Duclos-Syndrom Das Lhermitte-Duclos-Syndrom ist mit folgendem Syndrom assoziiert: Cowden-Syndrom Chiari-Malformation Aicari-Syndrom Morning-glory-Syndrom Joubert-Syndrom Sie untersuchen einen 4-jährigen Jungen mit einer episodisch auftretenden Hyperpnoe. Ihnen fällt auf, dass der untere Anteil des IV. Ventrikels fledermausartig konfiguriert ist („bat wing fourth ventricle“). Das Mittelhirn und die Kleinhirnstiele erinnern an einen Backenzahn („molar tooth sign“). Sie denken an folgende Erkrankung: Lhermitte-Duclos-Syndrom Dandy-Walker-Malformation Chiari-Malformation Holoprosenzephalie Joubert-Syndrom
Diese Fortbildungseinheit ist 12 Monate auf cme.springer.de verfügbar. Den genauen Einsendeschluss erfahren Sie unter cme.springer.de.
D Mitmachen, weiterbilden und CME-Punkte sichern durch die Beantwortung der Fragen im Internet unter cme.springer.de 1536 |
Der Nervenarzt 12 · 2006