Osterr. Bot. Z. 121, 99--105 (1973) 9 by Springer-Verlag 1973
Aus dem
Botanischen
Institut der Universit/it Wien
Multiple DNS-)Iengen in Zellkernen haploider und diploider (lametophyten bei der L a u b m o o s g a t t u n g D r e p a n o d a d u s * Von
Walter Nagl und tIeinrich Ullmann, Wien Mit 2 Abbildungen
(Eingegangen am 8. Juni 1972)
Einleitung Ws die endomitotische Polyploidisierung bei den Angiospermen als welt verbreitet bekannt ist (GEITLEI~ 1953, TSCHERlgAKWOESS 1971), ist fiir die B r y o p h y t a erst in jtingster Zeit das Vorkommen yon Kernen mit multiplen DNS-Mengen nachgewiesen worden (HALLE~ 1970b). Bei diesea Untersuehungen wurden auf Grund mikrospektrulphotometrischer DNS-Messungen in verschiedenen Geweben des Gametophy~en yon Polytrichum formosum H]~DW. bis zu oktoploide Kerne
gefunden.
Die Entdeckung der Endopolyploidie bei tier Sektion Warnstorfia (Drepanocladus, Amblystegiaceae) erfolgte im Rahmen eines Programms zur Erfassung tier 5kotypischen und modifikatorisehen Variubiliti~t der Formen.
Material und Methode Als Material dienten Proben yon Drepanocladus exannulatu8 (B~. Eu~.) WA~aZ~ST. und D. fluitans (HEDw.) W~:aZ~ST. (Amblystegiaceae), zwei pleurokarpen Laubmoosen, die im Botanischen Garten der Universit/it Wien in Wasser und auf Torf kultiviert werden. Der Be]eg v o a D. exannulatus stummt aus einem kleinen oligotrophea See in den 0tztaler Alpen (Weg yon Obergurgl zum l~amolhaus, 2225 m), w/ihrend D. fluitans einer kleinen Flarkblgnke im Hoehmoor Rotmoos bei * Dem Fonds zur FSrderung der wissenschaf~lichen Forschung und der Rockefeller Foundation sei for Sachbeihilfen bestens gedankt. Frau Univ.Prof. Dr. ELISABETI-ITSC]tEIaMAK-WoEssund Herrn H. GttEILHIY~]~I~danken wir ffir manche Anregung und Unterstiitzung. 7*
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W. NAGL und H. ULLMANN:
Weiehselboc[en (Steiermark, 700 m Seeh6he, bei Vermessungspunkt 44 - - vgl. ULL~AZCZV1970) entnommen wurde. Junge SproBspitzen wurden 24 Stunden lang in Alkohol-Eisessig (3 : 1) fixiert und hierauf naeh FEULGEX gefgrbt (naeh den Angaben r o e STOW~LL 1945). Die ttydrolysezeit wurde jedoeh auf 12 Minuten ausgedehnt, dig Fgrbezeit auf 4 Stunden. Dauerprgparate wurclen naeh der Troekeneis-Methode hergestellt (Co~GER und FamCmLD 1953) and in Euparal eingesehlossen. Die mikrospektralphotometrisehen DNS-Messungen erfolgten an den F~uLGEx-gef/irbten Kernen naeh der ,,plug"-Methode bei einer Wellenlgnge yon 560 nm (Swift und lgAsc~ 1956; vgl. im einzelnen NAGL 1967).
Ergebnisse Drepanocladus exannulatus Die Zellkerne weisen neben einer euehromatischen Grundstruktur uad einigen sehr kleinen Chromozentrell ein gro[~es, 4em Nukleolus anliegendes Chromozentrum auf (Abb. 1 a). Die Kerne der Blattfliigelzellen nnd vor allem der Paraphysenzellen (Abb. 1 b) sin4 cleutlieh gr6Ber als die im Blattmeristem. Im gleiehen AusmaB nimmt aueh die Gr6ge der Chromozentren zu. Die mikrophotometrisehe Analyst ergab, dab die DNS-Werte cter Kerne in den jugendliehen Blattzellen 2 Gruppen (C und 2 C) bilden. Es handelt sieh offenbar um Kerne in den Stadien G1 und G~ (zum Teil sieherlieh aueh in S) des mitotisehen Zyklus (Abb. 2a, vgl. aueh HALLET 1970a). Die Kerne der Blattfliigelzellen fielen hingegen alle in die 4 CKlasse, die cfer Paraphysenzellen in die 8 C-Klasse (Abb. 2a). Allerdings ist anzunehmen, dab die deutlieh kleineren Kerne der basalen Paraphysenzellen, die nieht in die Messungen einbezogen wurden, niedxigere Grade vort Endopolyploidie aufweisen (vgl. bach Abb. ld, f).
Drepanocladus ]luitans Bei dieser im Gametophyten diploiden Art (siehe die Diskussion) fallen die Kerne der Blattfliigel- uad Paraphysenzellen noeh mehr dutch ihre GrSl3e auf. Dabei sind bereits die Kerrte der meristematisehen Blattzellen grSBer als bei D. exannulatus (vgl. Abb. l a mit 1 c). Strukturm/~gig gleiehen die Kerne denert der vorhin behandelten Art, doeh linden sieh h/~ufig statt einem einzigen, vor allem bei den Blattfliigelzellen, zwei grol~e Chromozentren am Nukleolus (Abb. 1 e). Wahrseheinlieh beruht diese Erscheinung auf der Diploidie yon D. fluitans. Die Kerne der Blattfliigelzellea und insbesondere der Paraphysenzellea erseheinen, bei gleieher Chromatindiehte ude in den meristema,tisehert
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Blattzellen, stark vergrSgert. Das grol~e Chromozentrum umgibt den Nukleolus oft schalenf6rmig (Abb. 1 d, f). Die DNS-Messungen zeigten, dal3 die Werte fiir die K e r a e im mitotischen Zyklus (B]attmeristem) mit 2 C u n d 4 C doppelt so hoch liegen wie die entsprechenden Werte bei D. exannulatus (Abb. 2b). Die Messungeu an den K e r n e n der Blattfliigelzelleu ergaben zum iiberwiegenden Tell Werte yon 8 C, vereinzelt wurden Werte yon 16 C erreicht. Die Kerne der mehr basalen Paraphyseazellen besitzen einen lop
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Abb. 1. Arbeitskerne yon Drepanocladus (nur Nukleolen und Heteroehromatin dargestellt), a, b D. exannulatus (n = x): a Blattzelle, Kern-DNS: 1C; b Paraphysenzelle, Kern-DNS: 8C. c - - f D. ]luitans (n = 2x): c Blattze]le, Kern-DNS : 2 C ; d mittlere Paraphysenzelle, Kern-DNS : 16 C ; e Blattfl/igelzelle, Kern-DNS : 4 C ; f endstgndige Paraphysenzelle, Kern-DNS : m6glieherweise 32C DNS-Gehalt von 8 C, die mehr apikal gelegenell einen von 16 C (Abb. 2 b). Es konnte sogar ein deutliehes M a x i m u m bei 32 C festgestellt werden, doch miissen diese Werte als vorlgufig gelten, da sie durchwegs y o n stark ellipsoidischen Kernen der Endzellen s t a m m e n (Abb. l f), deren DNSGehalt mit der ,,plug"-Methode Ilieht exakt gemessen werden kann.
Diskussion Die vorliegenden Ergebnisse liefern einen weiteren Naehweis fiir die bei den L a u b m o o s e n vermutlich h~ufiger v o r k o m m e n d e Vervielfachung des DNS-Gehalts im Zuge der Differenzierung. Als Ursache ist wohl - - im Vergleich mit den Verhitltnissen bei den Angiospermen - - endomitotische Polyploidisierung anzunehmen. Da abet die
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W. NaGi~ und H. ULL}IANN:
Struktur der Kerrte w/thrend der Differenzierung nieht im einzelnen untersueht wurde und kein Zerst/iubungsstadium (vgl. GEITLE~ 1953, T s c ~ E ~ a ~ - W o E s s 197t) beobaehtet werdea koa~lte, kSnr~ten aueh interphasisehe Chromosomeavermehrung (Endoreduplikation) im Sinne N
C
2C
4C
8C
16C
32C
I
o'
]
I 10
I 1 I 1 4
r~
D
e e . | 1 7 4 o o g ~ e o
J - 1,6
~ 1,9
o5o~o, 2.2
2,5
2.8
--s 3.1
b 3.4
Ig DNS
Abb. 2. DNS-Gehalt in Zellkernen yon Drepanocladus exannulatus (a) und D. ]luitans (b); 9 meristematisehe Blattzellen, (-) Blattfl/igelze]len,///Paraphysenze]len (unterbrochene Sehraffur: unsichere Werte, vgl. den Text). Abszisse: rela~iver DNS-Gehalt (logarithmiseh), Ordinate: Anzahl der gemessenen Kerne voll LEV~X und }{AUSCHK• (1953) oder erhShte Polynemie als Ursache in Frage kommen. Bei JDrepanocladu8 exannulatus wurden in derl Paraphysenzellen maximal 8 C-Werte gefundem Den selben Maximalwert stellte I-[ALLET (1970b) bei Polytrichum formosum lest. Bei D. fluitans erreiehten die DNS-Werte in den apikalen Zellen der Paraphysell sicher 16 C, vielleicht sogar 32 C.
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Es ergeben sieh zwei interessante Aspekte. Erstens liegt auf Grund der DNS-Werte und fiberschlagsm/tBiger Chromosomenz/ihlungen oftenbar eine generative Polyploidiereihe vor, die auch in den Endopolyploidieverh/Htnissen zum Ausdruck kommt. Fiir D. exannulatus wird eine Chromosomenzahl yon n = 12 (VAA~AYtA 1953, KHAN~A 1967) bzw. n = 11 (SMIT~ and Ns~WTON 1968) angegeben, w/ihrend fiir D.fluitans die Zahlen n = 22 (VAARAMA 1953), n = 24 (YA~o 1957) nnd n ~ 20 (SMITg und NEW~ON 1968) bekannt sind. Wieweit die geringen Zahlenunterschiede durch Dysploidie bedingt sind and cytotaxonomische Differenzierungen vorgenommen werden kSnnen, sollen laufende Untersuchnngen des zweitgenannten Autors kl~tren. Welters bietet das offensichtliehe Vorkommen yon Endopolyploidie bei den untersuchten Arten vielleieht die MSglichkeit, dieses Merkmal bei der Erfassung der 5kotypischen und modifikatorischen Variabilit/~t zu verwerten. Es ist yon Angiospermen bekannt, dab der Endopolyploidiegrad yon Xnderungen in der Feuchtigkeit and Ern~hrung beeinfluBt wird (ScJ:ILAYEIr 1971) und auch yore Salzgehalt des Bodens abh~tngt (~ATARIlq-O1968/69). Die im l~ahmen des oben erw~thnten Programms in Kultur genommenen Moospopulationen stammen nicht nnr yon teilweise sehr unterschiedlichen Standorten, sondern kSnnen auch durch Xnderung der Kulturbedingungen in ihrer morphologischen Auspr/~gung sehr stark ver~ndert werden (ULnMA~X, nnverSffentlicht; vgl. LODGE 1960). Die routinemg.Bige Erfassung des Endopolyploidiegrades w/ire daher vielleicht eine lohnenswerte Aufgabe. Zusammenfassung
An F E v L c ~ - g e f ~ r b t e n Zellkernen des Gametophyten yon Drepanocladus exannulatus und D. fluitans (Amblystegiaeeae) wurden mikrospektralphotometrisehe DNS-Messungen durchgefiihrt. Fiir die Blattfliigel- und Paraphysenzellen konnte ein vervielfachter DNS-Gehalt der Kerne nachgewiesen werden. J3ei der haploiden Art D. exannulatus entsprechen die Maximalwerte 8 C, bei der diploiden Art D. fluitans mit Sicherheit 16 C, vielleicht sogar 32 C. Die Befunde werden als ein weiterer Hinweis anf Endopolyploidie bei Bryophyten gedeutet. Es wird die MSglichkeit diskutiert, den Endopolyploidiegrad als ein Merkmal der 5kotypischen bzw. modifikatorischen Variation heranzuziehen. Summary Multiple DNA-amounts in Nuclei of Haploid and Diploid Gametophytes of the Moss Genus Drepa~ocladus
The DNA content of FEVLG~-stained cell nuclei in Drepanocladus exannulatus and D. fluitans (Amblystegiaceae) was studied mierophoto-
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W. NAG~ und H. ULLMANN:
metrically. Presence of multiple a m o u n t s of D N A has been established for the cells at the basal angles of the leaves a n d for the cells ol the paraphyses. I n the haploid species D. exannulatus the highest values o b t a i n e d are e q u i v a l e n t to 8 C. Those f o u n d i n the diploid species D. fluitans are e q u i v a l e n t to 16 C, a n d possibly even to 32 C. The results can be i n t e r p r e t e d as a n o t h e r example of endopolyploidy in the bryophytes. Moreover, the possibility is discussed to use the multiple D N A - a m o u n t s as a characteristic of eeotypie a n d modifieat o r y v~riatiom
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