Schwerpunkt: Personalisierte Medizin Internist 2013 · 54:188–193 DOI 10.1007/s00108-012-3155-x Online publiziert: 1. Februar 2013 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013 Schwerpunktherausgeber
M. Hallek, Köln J. Wolf, Köln
Die in den letzten Jahrzehnten gebräuchliche Einteilung des malignen Melanoms orientiert sich an deskriptiven Parametern wie dem superfiziell spreitenden oder primär knotigen Wachstum oder an histomorphologischen Befunden. In den vergangenen 10 Jahren waren jedoch große Fortschritte in der Identifizierung genetischer Aberrationen zu verzeichnen, die dem Melanom zugrunde liegen. Diese Erkenntnisse ermöglichen es, eine neue, molekular definierte Einteilung vorzunehmen. Da zeitgleich zahlreiche therapeutisch nutzbare Substanzen mit spezifischen molekularen Angriffspunkten entwickelt wurden, hat die patientenbezogene Mutationsanalyse sehr schnell Eingang in den klinischen Alltag gefunden. Im Folgenden sollen die wichtigsten Ansätze beschrieben werden, die die Therapie des Melanoms zu einem herausragenden Beispiel einer individualisierten onkologischen Therapie machen. Während das Melanom im Frühstadium mit einer vertikalen Tumordicke nach Breslow <1 mm als isolierter Primärtumor in der überwiegenden Zahl der Fälle durch eine chirurgische Exzision kurativ behandelt werden kann, gestaltet sich die Therapie in fortgeschrittenen Stadien äußerst schwierig [1]. Primärtumoren mit einer Eindringtiefe >4 mm haben etwa in der Hälfte der Fälle bereits metastasiert. Die 5-Jahresüberlebensrate nach lokoregionärer Lymphknotenmetastasierung beträgt je nach Ausmaß des Befalls 40–78% [2].
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M. Schlaak · N. Kreuzberg · C. Mauch · P. Kurschat Klinik für Dermatologie und Venerologie, Hauttumorzentrum im CIO Köln-Bonn, Uniklinik Köln
Personalisierte Therapiekonzepte beim malignen Melanom Vor diesem Hintergrund werden adjuvante Therapieoptionen dringend benötigt. Das bislang eingesetzte Interferon-α bringt jedoch nur einer kleinen Untergruppe einen messbaren Vorteil [3]. Im Stadium der Fernmetastasierung werden Zytostatika als Monotherapien oder in Kombinationen eingesetzt. Für diese konnte in kontrollierten klinischen Studien jedoch bislang keine Verlängerung des Gesamtüberlebens nachgewiesen werden, weshalb das fortgeschrittene Melanom weiterhin zu den am schwierigsten zu therapierenden Tumorentitäten zählt [1, 4].
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Die Therapie des malignen Melanoms in fortgeschrittenen Stadien gestaltet sich äußerst schwierig
Erst die in den letzten Jahren entwickelten molekularen und immunologischen Therapieansätze haben die Behandelbarkeit spürbar verbessert. Diese Therapien sind jedoch mit z. T. schweren Nebenwirkungen verbunden und führen nur bei einem Teil der Patienten zu einem anhaltenden Ansprechen. Darüber hinaus sind einige Behandlungsoptionen zeit- und kostenintensiv. Entsprechend wichtig ist die Identifizierung prädiktiver Biomarker, die die Entscheidung erleichtern, welche Patienten von einer bestimmten Therapie profitieren. Um die für eine zielgerichtete Therapie benötigten Zielstrukturen im konkreten Einzelfall nachzuweisen, sind daher Analysen am Tumormaterial notwendig, insbesondere Mutationsanalysen und
der immunhistochemische Nachweis von Zielantigenen. Dieses Vorgehen ermöglicht es, die Therapie individuell auf den Patienten zuzuschneiden. Das Ergebnis ist eine personalisierte Medizin, die bereits zu einer messbaren Verbesserung der Erfolgsaussichten geführt hat. Im Folgenden soll zusammengefasst werden, welche personalisierten Therapiekonzepte heute in den verschieden Tumorstadien zur Verfügung stehen.
Personalisierte Therapien im Stadium der Fernmetastasierung Hemmung der mutationsaktivierten Signaltransduktion Seit einigen Jahren wird die Diagnose von Krebserkrankungen zunehmend durch molekulargenetische Untersuchungen ergänzt. Dadurch konnten profunde Erkenntnisse bezüglich der molekularen Signalkaskaden beim malignen Melanom gewonnen werden [5]. Eine hohe Zahl an melanozytären Tumoren mit Ursprung in intermittierend sonnenexponierten Arealen zeigt aktivierende Mutationen im BRAF-Gen [6]. Diese genetischen Veränderungen sind in etwa 40–50% aller Patienten nachweisbar, wobei Patienten im jüngeren Alter eine deutlich höhere Wahrscheinlichkeit einer BRAF-Mutation aufweisen [7, 8]. Des Weiteren konnten Veränderungen im c-Kit-Gen gefunden werden; diese waren v. a. in melano-
Rezeptortyrosinkinase Zellmembran Vemurafenib Dabrafenib
Ras BRAF
PI3K
MEK Trametinib Pimasertib MEK 162
AKT ERK
Schutz vor Zelltod
Zellteilung
zytären Tumoren der Schleimhäute und der Akren nachweisbar [9]. D Seit jüngerer Zeit sind erste
Medikamente zur Behandlung von Melanomen mit BRAF- oder c-Kit-Mutationen verfügbar. Aufgrund der rasanten Entwicklung von Medikamenten und dem zunehmenden Erkenntnisgewinn ist zu erwarten, dass bereits in naher Zukunft weitere, sich in der Zulassung befindliche oder in Studien untersuchte Inhibitoren als Monooder Kombinationspräparate zur Verfügung stehen werden (. Abb. 1). Vemurafenib, ein selektiver BRAF-Inhibitor, zeigte in Phase-II- und Phase-III-Studien eine Verlängerung des progressionsfreien Überlebens und des Gesamtüberlebens. Das ermutigende Ergebnis dieser Studien führte zur Zulassung des Medikaments durch die U.S. Food and Drug Administration (FDA) und die European Medicines Agency (EMA; [10, 11]). Die Behandlung führt bei einem Großteil der Patienten mit nachgewiesener V600-Mutation zu einem schnellen Ansprechen mit deutlicher Tumormassenreduktion. Beispielhaft wird in . Abb. 2 ein in unserer Klinik behandelter Patient dargestellt. Allerdings führt die Therapie mit BRAF-Inhibitoren im Verlauf zu Resistenzentwicklungen durch Reaktivierung der Mitogen-activated-protein-kinase(MAPK)-Signalkaskade. Durch Kombinationstherapien mit BRAF- und MEK-Inhibitoren, die derzeit
Abb. 1 9 Intrazelluläre Signaltransduktionswege der „mi togen-activated protein kinase“ (MAPK) und Phosphatidylinositol-3-Kinase (PI3K). (Adaptiert nach [28])
in klinischen Studien überprüft werden, soll der Resistenzentwicklung entgegengewirkt werden. In Phase-I- und PhaseII-Studien war eine Kombination von Dabrafenib und Trametinib der Monotherapie mit Dabrafenib deutlich überlegen. So betrug die 1-Jahresüberlebensrate in der Kombinationstherapie 41%, während unter Monotherapie nur 9% der Patienten überlebten [12]. In einer aktuellen chinesischen PhaseII-Studie wurden mit dem c-Kit-Inhibitor Imatinib bei einem metastasierten malignen Melanom und bestehender c-Kit-Mutation Ansprechraten von 23,3% erreicht [13]. Die Studie macht auch deutlich, dass c-Kit-Mutationen v. a. in asiatischen Bevölkerungsgruppen nachgewiesen werden, in Europa aber nur bei <5% der Melanompatienten. Neben den o. g. Mutationen konnten weitere molekulargenetische Veränderungen beschrieben werden. Aktivierende Mutationen im NRAS-Gen führen ebenfalls zu einer Aktivierung der MAPKSignalkaskade (. Abb. 1). NRAS-Mutationen wurden bei etwa 20% der Patienten nachgewiesen und gehen mit einer schlechteren Prognose einher [14]. Klinische Studien zur Evaluierung der Wirksamkeit von MEK-Inhibitoren sind in Vorbereitung und werden in Deutschland Anfang 2013 initiiert. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Mutationsanalyse heute einen wichtigen Stellenwert in der Diagnostik des fortgeschrittenen malignen MelaDer Internist 2 · 2013
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Zusammenfassung · Abstract noms besitzt. Den Patienten ermöglicht sie einen personalisierten Therapieansatz.
Individualisierte Chemotherapie Die Effektivität der zytostatischen Therapie des metastasierten Melanoms ist weitgehend enttäuschend. Die am häufigsten eingesetzte Substanz Dacarbazin (DTIC) erreichte in großen Studien eine Ansprechrate <10%. Polychemotherapien, z. B. Kombinationen mit Platinverbindungen wie DVP oder Carboplatin/Taxol, erreichen zwar höhere initiale Ansprechraten von bis zu 40%, doch auch diese toxischen Behandlungen führen nicht zu einer statistisch signifikanten Verlängerung des Gesamtüberlebens [15]. Die Studien legen den Schluss nahe, dass nur eine kleine Untergruppe von einer zytostatischen Therapie profitiert. Zur Vermeidung unnötiger und nebenwirkungsreicher Therapien wäre es daher wichtig, Patienten mit Aussichten auf einen Therapieerfolg im Sinne eines personalisierten Ansatzes im Vorfeld zu identifizieren. Eine mögliche Strategie ist die Entnahme von Tumorgewebe zur Anzucht der Melanomzellen in vitro mit nachfolgender Chemosensitivitätstestung. In einer Phase-II-Studie von 2006 [16] korrelierte sowohl die Prognose als auch das Therapieansprechen mit den Ergebnissen der Chemosensitivitätstestung in vitro. Die guten Ergebnisse veranlassten die Arbeitsgemeinschaft Dermatologische Onkologie (ADO), eine prospektive, multizentrische Phase-III-Studie zu initiieren, deren Ergebnisse in naher Zukunft erwartet werden. Der Stellenwert einer individualisierten Auswahl des Chemotherapeutikums kann somit noch nicht abschließend beurteilt werden.
Systemische Immuntherapien im Stadium IV Das Melanom ist bereits seit langer Zeit als außerordentlich immunogener Tumor bekannt. Eine gegen den Tumor gerichtete Immunantwort mit tumorinfiltrierenden Lymphozyten lässt sich regelhaft in der histopathologischen Analyse von Primärtumoren beobachten, auch wenn die Stärke dieser Reaktion nicht zur Vernichtung der Tumorzellen ausreicht. Entspre-
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Internist 2013 · 54:188–193 DOI 10.1007/s00108-012-3155-x © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013 M. Schlaak · N. Kreuzberg · C. Mauch · P. Kurschat
Personalisierte Therapiekonzepte beim malignen Melanom Zusammenfassung Das metastasierte Melanom gehört zu den am schwierigsten zu therapierenden Tumorentitäten. Bis zum Jahr 2011 war keine medikamentöse Therapie verfügbar, die in prospektiven, randomisierten Studien eine Verlängerung des Gesamtüberlebens nachweisen konnte. Die bis dahin v. a. eingesetzten zytotoxischen Behandlungsansätze führten nur bei einer Minderheit zu klinisch messbaren Remissionen. Das wachsende Verständnis der Molekularpathologie des Melanoms und die Entdeckung häufiger Mutationsmuster ermöglichten es, Tumoruntergruppen zu definieren, die einer zielgerichteten Therapie zugänglich sind. Etwa die Hälfte aller Melanome weist eine aktivierende Mutation im BRAF-Gen auf und kann mit spezifischen In-
hibitoren behandelt werden. Weitere Mutationen, die sich für eine gezielte Therapie eignen könnten, finden sich im c-Kit- und NRASGen. Ein vielversprechender Ansatz sind darüber hinaus Immuntherapien, welche die Aktivierung zytotoxischer T-Zellen verstärken. Ein monoklonaler Anti-CTLA-4-Antikörper wurde nach überzeugenden klinischen Studien bereits zugelassen. Antikörper gegen PD-1 oder PD-L1 befinden sich in klinischer Erprobung. Aufgrund dieser Fortschritte stehen erstmals lebensverlängernde Therapien zur Verfügung. Schlüsselwörter Zielgerichtete Therapie · BRAF · CTLA-4 · c-Kit · PD-1
Personalized therapy concepts for malignant melanoma Abstract Metastatic melanoma is commonly regarded as one of the most difficult tumor entities to treat. Up to 2011 no systemic therapy had been able to achieve a prolongation of overall survival in controlled randomized trials. Cytotoxic chemotherapy resulted in objective remission in only a small subgroup of patients. The growing insight into the molecular pathology and the discovery of frequent mutations made it possible to define melanoma subgroups suitable for targeted therapies. In approximately 50 % of melanomas activating mutations of the BRAF gene were identified and can be treated with specific inhibitors. Further mutations which can be ap-
chend wurde in der Vergangenheit mit zahlreichen Substanzen versucht, diese Immunreaktion zu verstärken, z. B. mit rekombinantem Interleukin-2. Leider waren diese unspezifischen Therapieansätze in klinischen Studien nicht ausreichend wirksam, nur eine kleine Patientensubpopulation profitierte davon. In den letzten Jahren sind jedoch einige vielversprechende Therapien entwickelt worden. An erster Stelle ist hier der rekombinante Antikörper Ipilimumab zu nennen. Er richtet sich gegen den Cytotoxic-T-lymphocyte-associated-protein(CTLA)-4-Rezeptor auf T-Zellen, der physiologisch nach Bindung an B7-Mo-
proached by targeted therapies are found on the c-Kit and NRAS genes. Another promising approach is immunotherapy aimed to activate cytotoxic T cells. A monoclonal antibody directed against CTLA-4 was approved after convincing results in clinical trials and antibodies against PD-1 or PD-L1 are currently under clinical investigation. Through these achievements life prolonging therapies are available for melanoma patients for the first time. Keywords Targeted therapy · BRAF · CTLA-4 · c-Kit · PD-1
leküle auf antigenpräsentierenden Zellen an der Induktion einer immunologischen Toleranz beteiligt ist (. Abb. 3). Durch die Blockade von CTLA-4 wird somit ein hemmendes Signal der T-Zellaktivierung ausgeschaltet, was eine Verstärkung von T-zellabhängigen Immunreaktionen zur Folge hat. In der klinischen Zulassungsstudie führte der Einsatz von Ipilimumab bei Melanompatienten im Stadium der Fernmetastasierung nach erfolgloser Erstlinienchemotherapie in etwa 20% der Fälle zu einem Langzeitüberleben (Überlebenszeit in Stadium IV >3 Jahre). Das Gesamtüberleben aller behandelten Patienten war statistisch signifikant verlän-
Dendritische Zelle
T-Zelle
B7
T-Zellaktivierung (im Lymphknoten)
CTLA-4
Ipilimumab
Melanomzelle
gert [17]. Aufgrund dieser erfolgreichen Ergebnisse wurde der Antikörper Ipilimumab von der EMA im August 2011 für die Zweitlinientherapie des metastasierten Melanoms zugelassen. Ein weiterer Ansatzpunkt zur Verstärkung der T-zellvermittelten Immunantwort ist die Blockade der Interaktion zwischen „programmed death 1“ (PD-1) und dem PD-1-Liganden [18]. Durch die Interaktion dieser Zelloberflächenmoleküle können Tumorzellen im Sinne eines Immune-escape-Mechanismus bereits aktivierte und gegen den Tumor gerichtete TZellen hemmen (. Abb. 3).
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Ipilimumab ist für die Zweitlinientherapie des metastasierten Melanoms zugelassen
In 2 kürzlich veröffentlichten Arbeiten erwies sich der Einsatz von blockierenden Antikörpern gegen das auf T-Zellen lokalisierte PD-1 oder gegen den auf den Tumorzellen lokalisierten PD-1-Liganden als therapeutisch effektiv [19, 20]. Einen vielversprechenden personalisierten Therapieansatz bietet eine mit den Arbeiten assoziierte translationale Stu-
PD-1 PD P PDL1 PD-L1
Effektorphase (im Tumor)
Abb. 2 8 Patient unter Vemurafenibtherapie. a Juli 2012, vor Therapie, mit multiplen 18F-Fluordesoxyglukose(FDG)-anreichernden Metastasen in der Positronenemissionstomographie-Computertomographie. b Nach 8 Wochen Therapie zeigten sich im September 2012 deutlich regrediente Metastasen
Anti-PD-L1
Anti-PD-1
Abb. 3 8 Inhibitorische Signale der T-Zellaktivierung. Bei der Aktivierung von T-Zellen durch antigenpräsentierende Zellen im Lymphknoten vermittelt die Interaktion von B7 und CTLA-4 ein hemmendes Signal. Im Bereich des Tumors reduziert wiederum die Bindung von PD-L1 an PD-1 eine gegen den Tumor gerichtete Immunantwort. Beide Wechselwirkungen können spezifisch durch Antikörper blockiert werden, was zur Verstärkung der Immunreaktion führt. CTLA-4 „Cytotoxic T-lymphocyte-associated protein 4; PD-1 „programmed death 1“; PD-L1 „programmed death ligand 2“
die, in der sich zeigte, dass nur bei Patienten mit immunhistochemisch nachgewiesenen PD-1-Liganden im Tumorgewebe erfolgreiche Remissionen nachgewiesen wurden. Aufgrund der Einordnung des Melanoms als immunogene Tumorentität sind in den vergangenen 20 Jahren verschiedene Ansätze einer Vakzinierungstherapie im Stadium IV entwickelt worden [21]. Die Behandlung mit in vitro generierten und mit melanomspezifischen Peptiden beladenen autologen dendritischen Zellen wurde in einer Phase-III-Studie mit der DTIC-Standardtherapie verglichen. Hierbei zeigte sich eine im Vergleich zu DTIC gleichwertige und insgesamt nicht zufriedenstellende Effektivität [22]. Auf der Jahrestagung der American Society of Clinical Oncology (ASCO) 2011 wurde über eine Pilotstudie berichtet, in der autologe tumorinfiltrierende Lymphozyten in Kombination mit Interleukin-2 in 40% der Fälle zu einem objektiven Ansprechen mit deutlich verlängerter Gesamtüberlebenszeit führten. Die weitere Entwicklung dieser Behandlungsansätze bleibt abzuwarten.
Adjuvante Therapie Sowohl Patienten mit fortgeschrittenen Primärtumoren und entsprechend hoher vertikaler Tumordicke als auch Patienten mit lokoregionärer (Stadium III) oder systemischer Metastasierung (Stadium IV) haben nach vollständiger chi rurgischer Entfernung aller Tumormanifestationen ein Rezidivrisiko von >50% [2]. Die adjuvante Chemotherapie erwies sich in zahlreichen Studien als nicht wirksam. Der bislang in seiner Wirkung am besten abgesicherte Therapieansatz ist die Gabe von Interferon-α [23]. Die großen Therapiefortschritte im fernmetastasierten Stadium lassen jedoch erwarten, dass die neuen Konzepte personalisierter Therapien auch im adjuvanten Stadium Anwendung finden werden.
Interferon-α Die einzige zur adjuvanten Therapie zugelassene Substanz, Interferon-α, ist ein Zytokin, das eine unspezifische antivirale und antitumorale Wirkung entfaltet, u. a. über die Aktivierung natürlicher Killerzellen [24]. Interferon-α wird in niedriger Dosierung beim malignen Melanom in StaDer Internist 2 · 2013
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Schwerpunkt: Personalisierte Medizin dium II und in hoher Dosierung in Stadium III eingesetzt. Es kann zu einer Verlängerung der rezidivfreien Überlebenszeit führen [25, 26]. Kritisch anzumerken ist jedoch, dass nur ein geringer Anteil von etwa 5% der Patienten tatsächlich von der Therapie profitiert, die bei der Mehrzahl der Patienten mit teils stärkeren Nebenwirkungen verbunden ist.
Anti-CTLA-4-Antikörper und Vakzinierungsstrategien Die adjuvante Behandlung mit dem Anti-CTLA-4-Antikörper Ipilimumab in einer, im Vergleich zur zugelassenen Therapie, erhöhten Dosierung von 10 mg/ kgKG wurde in einer großen Phase-IIIStudie der European Organisation for Research and Treatment of Cancer (EORTC) durchgeführt. Die Ergebnisse dieser Studie werden in Kürze erwartet. Ein weiterer personalisierter Ansatz zur adjuvanten Vakzinierungstherapie von Patienten im klinischen Stadium III mit positivem Nachweis des melanomassoziierten Antigens A3 (MAGE-A3) im Tumorgewebe [27] wurde kürzlich in einer großen Phase-III-Studie überprüft. Bei Patienten mit malignem Melanom wird von einer positiven MAGE-A3-Expression in etwa 60% der Fälle ausgegangen. Phase-II-Studien lieferten Hinweise auf eine Verbesserung des progressionsfreien Überlebens, die Ergebnisse der Phase-III-Studie stehen noch aus.
Inhibitoren der Signaltransduktion Nach der erfolgreichen Anwendung von BRAF-Inhibitoren bei Patienten mit inoperablem, metastasiertem Melanom soll in zukünftigen Studien überprüft werden, ob die adjuvante Therapie der BRAFund MEK-Inhibitoren das progressionsfreie Überleben verlängern kann. In ähnlicher Weise ist zu erwarten, dass der Einsatz von MEK-Inhibitoren bei Melanomen mit NRAS-Mutation sukzessive in die adjuvante Situation übertragen werden wird.
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Fazit für die Praxis Die zeitgemäße Therapie des metastasierten Melanoms erfolgt in zunehmendem Maße im Rahmen personalisierter Behandlungsansätze: F Die Mutationsanalyse bezüglich einer aktivierenden BRAF-Mutation gehört bereits zum medizinischen Standard. Etwa 50% der Melanome weisen eine entsprechende Mutation auf, in jüngeren Lebensjahren ist sie deutlich häufiger. F Mit Vemurafenib ist bereits ein selektiver BRAF-Inhibitor zur Therapie des fortgeschrittenen Melanoms in Europa und den USA zugelassen, die Freigabe von Dabrafenib, einer weiteren BRAF-inhibierenden Substanz wird in naher Zukunft erwartet. F Neben der BRAF-Analyse sind derzeit die Suche nach c-Kit- und NRAS-Mutationen weitverbreitet. Ein c-Kit-Inhibitor steht mit Imatinib bereits zur Verfügung, NRAS-Inhibitoren befinden sich derzeit in klinischer Erprobung. F Therapien zur Aktivierung einer gegen das Melanom gerichteten Immunantwort haben sich in Studien als wirksam erwiesen. Der Anti-CTLA4-Antikörper Ipilimumab ist bereits für die Zweitlinientherapie zugelassen, Antikörper gegen PD-1 oder den PD-1-Liganden werden vermutlich in nächster Zeit als neue Therapieansätze hinzukommen. F Insbesondere für die gegen PD-1 oder den PD-1-Liganden gerichtete Therapie ist zu erwarten, dass mithilfe von Expressionsanalysen am Tumorgewebe eine patientenbezogene Auswahl der möglichen Behandlungen erfolgen wird.
Korrespondenzadresse PD Dr. P. Kurschat Klinik für Dermatologie und Venerologie, Hauttumorzentrum im CIO Köln-Bonn, Uniklinik Köln Kerpener Str. 62, 50937 Köln
[email protected]
Interessenkonflikt. Der korrespondierende Autor weist für sich und seine Koautoren auf folgende Beziehungen hin: M. Schlaak, N. Kreuzberg und P. Kurschat erhielten Referentenhonorare von den Firmen Roche Pharma AG und Bristol-Myers Squibb.
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