KOSTEN RECHNUNGS PRAXIS
Kosten- und Ergebnisrechnung
ZEITSCHRIFT FÜR CONTROLLING, ACCOUNTING & SYSTEM-ANWENDUNGEN
Prozeßorientiertes Produktionscontrolling Andreas Klein/Reinhold Mayer/Alfons Raps
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Prozeßorientiertes Controlling erlaubt eine umfassende, differenzierte und zielgerichtete Steuerung des Produktionsprozesses. Besondere Bedeutung kommen dabei der Beachtung der Controllingkriterien vor einer Entscheidung sowie dem Forward-Controlling zu. Abhängig vom Produktionstyp ist das Controllinginstrumentarium unterschiedlich zu gestalten. Während für die Einzelfertigung Kostenkriterien im Vordergrund stehen, stellen für die Serien-/Prozeßfertigung Ressourcen, Termine und die internen und externen Qualitätsfaktoren die wesentlichen Controllingkriterien dar. Dipl.-Kfm. Dr. Andreas Klein ist Project Manager bei Plaut International Management Consulting – D-85737 Ismaning, Maxvon-Eyth-Straße 3 – und Lehrbeauftragter am Fachbereich IV der Universität Trier.
Entscheidungs- und zielorientierte Steuerung des Produktionsprozesses Zeitgemäße Methoden der Steuerung der Produktion stellen neue Anforderungen an die operativen Organisationseinheiten und an das Controlling. Traditionell abgewickelte Steuerungsaufgaben des (zentralen) Controlling werden weitestgehend in die Geschäftsprozesse verlagert. Bisher funktional ausgerichtete Organisationen bewegen sich in Richtung prozeß- und zielorientierter Entscheidungsfindung. Damit übernehmen Manager auf allen Ebenen der Unternehmenshierarchie in wachsendem Maß Controllingaufgaben (Planung und Steuerung). Mit dem Konzept des Prozeßcontrolling kann dieser Wandel entscheidend unterstützt werden. Das Prozeßcontrolling schafft die Voraussetzungen für die operative Steuerung des Produktionsprozesses auf Basis der im Rahmen des Strategischen Management definierten Unternehmensziele. Es hilft dem Prozeßowner zu erkennen, ob der Geschäftsprozeß optimal abläuft. Dem Sachbearbeiter werden Controllingkriterien an die Hand gegeben, die es ihm erlauben, seine Entscheidungen in Kenntnis ihrer Aus-
Dipl. Volksw. Reinhold Mayer ist Senior Berater bei Plaut International Management Consulting – 85737 Ismaning, Max-vonEyth-Straße 3 – und derzeit als Projektleiter für die Geschäftsprozeßgestaltung und das Prozeßcontrolling bei zwei Firmen der Hueck-Gruppe tätig.
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Alfons Raps, Schlesierstraße 16, 95632 Wunsiedel ist Gesellschafter der Plaut-Gruppe, Salzburg. Er ist zuständig für die Leitung von Projekten in den Bereichen Kostenmanagement, Einführung von Standardsoftwaresystemen unf Prozeßkostenmanagement..
wirkungen auf das Unternehmensergebnis zu treffen. Das Prozeßcontrolling ist somit Effizienzcontrolling und Entscheidungscontrolling zugleich. Der Geschäftsprozeß und sein Nutzen für die Unternehmung stehen dabei im Mittelpunkt der Betrachtungen. Das Prozeßcontrolling ermöglicht die dynamische Überwachung des Geschäftsprozesses der Produktion: Grundlage hierfür ist die Delegation der Entscheidungsund Steuerungsverantwortung an den Prozeßverantwortlichen. Durch Aufzeigen der Abweichungen zwischen dem Plangeschäftsprozeß entsprechend der Vorgabe der Geschäftsprozeßgestaltung (GPO, GPG) und dem tatsächlich ablaufenden Geschäftsprozeß soll das Ergebnis der GPO für die Erreichung eines dauerhaften Unternehmenserfolges abgesichert werden (Continuous Improvement). Nicht die retrospektive Sicht, sondern das zukunftsgerichtete Entscheidungscontrolling (Forward-Controlling) ist der Weg zu diesem Ziel. Ein optimierter Produktionsprozeß ist somit die Voraussetzung für ein erfolgreiches Prozeßcontrolling. Der Geschäftsprozeß wird für die Zwecke des Prozeßcontrolling in seine Teilprozesse und Funktionen untergliedert. Für diese Funktionen werden dann die relevanten Entscheidungsebenen herausgearbeitet. Dabei wird soweit differenziert, daß für jede Entscheidung bzw. für jede steuerungsrelevante Funktion alle teilprozeßindividuellen Controllingkriterien festgelegt werden können, um den Prozeß (Effizienzkriterien) und die Entscheidungen im Prozeß (Entscheidungskriterien) steuern zu können. Es kommen aber nur solche Controllingkriterien zur Anwendung, die in einem unmittelbaren Zusammenhang mit den Unternehmenszielen stehen. Dies reduziert den Einführungsaufwand, erleichtert aber auch den späteren Routineablauf. Die betriebswirtschaftlichen Plandaten, gegen die
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Abbildung 1: Der Weg zum Erfolg die Entscheidungen im Sinne des ForwardControlling zu prüfen sind, liefert dabei die auf der Unternehmensstrategie basierende integrierte Unternehmensplanung. Das Prozeßcontrolling setzt dort an, wo erkennbare Einsparungspotentiale durch dauerhaftes, dynamisches Feintuning und eine laufende Feinoptimierung erzielt werden können. Der Zeitwettbewerb wird nur dann gewonnen, wenn es gelingt, die zur Steuerung des Produktionsprozesses notwendigen Controllingkriterien schnell, konsistent und im benötigten Umfang den Entscheidern zur Verfügung zu stellen. Die definierten Grenzwerte sichern den „Normalablauf“ des Geschäftsprozesses und gewährleisten, wenn jede Entscheidung im Prozeß gegen sie geprüft wird, daß Abweichungen von
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den Planvorgaben schon zum Zeitpunkt der Entscheidung erkannt und somit möglichst vermieden werden.
Einordnung des Produktionscontrolling in den Controllingprozeß In den vorangegangenen krp-Beiträgen zum „Prozeßorientierten Controlling“ wurde bereits ausführlich auf wesentliche Controllingprozesse eingegangen. Das Produktionscontrolling hat in diesem Zusammenhang eine besondere Stellung: ■ Zum einen zählt die Gestaltung und Steuerung der Geschäftsprozesse in der
Produktion zu den wichtigsten Führungsaufgaben im Unternehmen, da sie neben der Produktgestaltung direkten Einfluß auf die Wirtschaftlichkeit der Produktion und damit auf das Ergebnis der Unternehmung nimmt. ■ Zum anderen sind die bereits beschriebenen Controllingprozesse wichtige Informationslieferanten, aber auch prägende Determinanten für das Produktionscontrolling. Dies gilt naturgemäß vor allem für das Entwicklungscontrolling, aber auch das Investitions- und Vertriebscontrolling. Das Produktionscontrolling läßt sich in eine Reihe von Teilprozesse untergliedern und umfaßt eher langfristig wirkende Aspekte wie Verfahrensauswahl, Fertigungstiefenoptimierung, langfristige Produktions- und Kapazitätsplanung sowie eher kurzfristig wirkende Aspekte wie die gesamte operative Produktionsplanung und -steuerung. Die wesentlichen Einflußfaktoren auf die Wirtschaftlichkeit sind bei der industriellen Fertigung typischerweise in den langfristigen Festlegungen zu sehen (s.a. Klein 1997). Doch auch die operativen Einflußmöglichkeiten auf die Geschäftsprozesse sind nicht zu vernachlässigen, da hier wichtige Kostenentstehungsfaktoren, vor allem in Folge innerbetrieblicher Unwirtschaftlichkeiten, bestehen. Nicht zuletzt kann auch auf die – für die Kundenzufriedenheit wichtigen – Determinanten Lieferqualität und -geschwindigkeit entscheidender Einfluß genommen werden. Alle diese Prozesse können nur dann zielgerecht gesteuert werden, wenn ein effektives und effizientes Informationssystem zur Entscheidungsunterstützung zur Verfügung steht. Diese Aufgabe wird vom Produktionscontrolling übernommen (s.a. Hoitsch 1994, S. 423). Von essentieller Bedeutung für die Ausgestaltung dieses Controllingsystems und die Auswahl der einzusetzenden Instrumente ist der zugrundeliegende Produktionstyp. In der industriellen Fertigung lassen sich die folgenden Produktionstypen unterscheiden (bspw. Kern 1992, S. 86ff.; Raps/Nuppeney 1993, S. 146f.): ■ Einzel- und Projektfertigung: Die Erzeugung von Einzelobjekten im direkten Kundenauftrag; prinzipiell ist jedes Erzeugnis ein Unikat, das Design erfolgt in Abstimmung mit dem Kunden, auch wenn Wiederholungen vorkommen wie
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Prozeßorientiertes Produktionscontrolling
bspw. im Großmaschinen- oder Schiffsbau. Üblicherweise sind vor der Festlegung und Einplanung von Fertigungsaufträgen keine standardisierten Stücklisten und Arbeitspläne vorhanden. ■ Kleinserien- und Wiederholfertigung: Die Erzeugung einer beschränkten Anzahl einheitlicher Produktarten auf Basis von Stücklisten und Arbeitsplänen; es handelt sich um eine anonyme Fertigung, häufig ohne direkten Kundenbezug, für die eine Zuordnung von Ist-Kosten zu Fertigungsaufträgen möglich ist. ■ Großserien- und Prozeßfertigung: Die Erzeugung gleichartiger Erzeugnisse in relativ großen Produktionsmengen auf Basis von Stücklisten bzw. Rezepturen und Arbeitsplänen; die Fertigung erfolgt ohne abrechnungstechnisch abgrenzbare Fertigungsaufträge. Das prozeßorientierte Produktionscontrolling ist in Abhängigkeit vom Produktionstyp unterschiedlich auszugestalten. Dieser Gliederung folgt deshalb auch die weitere Darstellung der drei unterschiedenen Produktionstypen.
Produktionscontrolling in der Einzelfertigung
werden (s.a. Abb. 2), die im folgenden kurz erläutert werden. Am Anfang der Prozeßkette steht die Durchführung einer an den erwarteten Absatzmengen ausgerichteten Jahresplanung; idealerweise sollte diese mehrere Planjahre umfassen und revolvierend sein. Im Rahmen derartiger Planungen sind vorhandene Aufträge sowie erwartete Auftragsvolumina und Umsätze (auf Basis der laufenden und zu erwartenden Kundenprojekte) mit den vorhandenen Kapazitäten und mit den Kosten in Übereinstimmung zu bringen. Im Fall langfristiger Fertigung gewinnt die Umsatzplanung zusätzliche Bedeutung: Um drohenden Liquiditätsengpässen vorzubeugen, ist eine enge Abstimmung mit dem Cash-Management zu schaffen. Die eigentliche Abwicklung einzelner Kundenaufträge erfolgt im Rahmen der Teilprozesse Zwei bis Sechs: ■ Technisches Konzept erarbeiten: Im Rahmen der sog. Projekt-Vorphase sind potentiellen Kunden vorzulegende Konzepte funktional, terminlich und finanziell auf Basis bereits durchgeführter Projekte auszuarbeiten. Aufgrund der Unsicherheit dieser Phase – weniger als ein Viertel, in manchen Branchen nur fünf bis zehn Prozent derartiger Anfragen führen auch zu Aufträgen – sind diese Konzepte nur als relativ grobe Ab-
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schätzungen anzusehen. Moderne Softwarekonzepte können hier Unterstützung leisten: Das Projekt wird zuerst grob strukturiert und dann über den Rückgriff auf Strukturen, technische Daten und Kalkulationen ähnlicher Produkte ein erster Grobentwurf unter Berücksichtigung der speziellen Kundenanforderungen formuliert. Neben der Eingrenzung der Kosten können auf dieser Basis auch bereits konkrete terminliche Ziele vorgegeben werden. Angebot erstellen: Kommt es zur Weiterverfolgung des technischen Konzepts, wird im Rahmen der Angebotsphase ein Feinkonzept erstellt, das bereits alle Kundenanforderungen – Funktionen, Preise, Termine – berücksichtigt. Soweit wesentliche Komponenten zugekauft werden, sind die potentiellen Lieferanten in diesen Prozeß einzubeziehen. Neben einer genauen Ermittlung der Zielkosten ist auch der Terminplanung besondere Bedeutung beizumessen. Als Besonderheit der Einzelfertigung ist zu erwähnen, daß auf den Ansatz kalkulatorischer Kosten weitgehend verzichtet werden kann und statt dessen eine genaue Erfassung und Zuordnung des tatsächlichen Kostenanfalls erfolgt. Aufgrund des Volumens des einzelnen Geschäfts ist eine direkte Zurechnung bspw. von Ver-
Der Geschäftsprozeß „Abwicklung Kundenaufträge Einzelfertigung“ In einer weiten Fassung des Begriffs umfaßt die Kundeneinzelfertigung letztlich alle Produkte, die im direkten Kundenauftrag gefertigt, bzw. Leistungen, die kundenindividuell erbracht werden (z.B. Kundendienstaufträge). Die Kundeneinzelfertigung ist wesentlich von zwei Merkmalen geprägt: Zwischen Produzent und Abnehmer des Produkts (Leistung) besteht eine unmittelbare Geschäftsbeziehung und der Abnehmer nimmt starken Einfluß auf die Ausgestaltung des Produkts, das als Unikat oder in sehr geringer Stückzahl nach kundenindividuellen Anforderungen gefertigt wird. Man spricht in diesem Zusammenhang auch vom Projektcharakter der Kundeneinzelfertigung. Der Geschäftsprozeß „Abwicklung Kundenaufträge Einzelfertigung“ kann in ingesamt sechs Teilprozesse untergliedert
Abbildung 2: Der Geschäftsprozeß „Abwicklung Kundenaufträge Einzelfertigung“
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triebs-, Entwicklungs- und Werkzeugkosten wesentlich einfacher durchzuführen, aber aufgrund der Höhe dieser Kosten im Hinblick auf das einzelne Geschäft auch erforderlich. Das Angebot ist schließlich mit den Kunden zu verhandeln. Produktentwicklung realisieren: Nach Auftragserteilung ist in enger Abstimmung mit dem Kunden das Produkt zu gestalten, aber auch das damit verbundene Projekt technisch, terminlich und finanziell differenziert zu planen und mit Verantwortlichkeiten zu versehen. Hierzu ist das Gesamtprojekt in sinnvoll separierbare Teilprojekte und Aufträge zu zerlegen, die häufig mit Netzplänen verbunden und visualisiert werden. Eine zweckmäßige Detaillierungstiefe ergibt sich daraus, inwieweit man es – ökonomisch bzw. technisch bedingt – für erforderlich erachtet, die drei Perspektiven Funktion, Termine, Kosten im Hinblick auf Verantwortlichkeiten differenziert betrachten zu können. Gegenseitige Abhängigkeiten zwischen den Teilprojekten müssen berücksichtigt werden, um eine weitestmögliche Parallelisierung der verschiedenen Aktivitäten zu ermöglichen. Nur so kann die Dreiecksbeziehung im Gleichgewicht gehalten werden. Betriebsmittel erstellen: Wesentliche Voraussetzung für die eigentliche Produktion ist die Bereitstellung der erforderlichen Produktionsmittel. Ein Prozeß der nicht selten aufgrund der damit verbundenen Komplexität selbst bereits Projektcharakter hat. Produktion durchführen: Auf Basis der zu erarbeitenden Produktionsfeinplanungen kann dann mit der eigentlichen Produktion begonnen werden. Die Istdatenerfassung und Projektverfolgung erfolgt grundsätzlich auf Ebene der Teilpojekte und Aufträge, die bezüglich der Einhaltung von Terminen und Kosten im Detail zu überwachen sind. Die verschiedenen Teilprojekte können zwar jederzeit über Verdichtungen bis zum Gesamtprojekt aggregiert werden, die Zuordnung von Teilverantwortlichkeiten und die Projektsteuerung sind jedoch nur auf der jeweiligen Elementarebene sinnvoll durchführbar. Im letzten Schritt ist schließlich die Ablieferung bzw. Installation beim Kunden durchzuführen.
Instrumente des Produktionscontrolling in der Einzelfertigung Für die vielfältigen Aufgaben im Rahmen der Kundeneinzelfertigung stehen eine Vielzahl von Controllinginstrumenten zur Verfügung. Hieraus sollen drei wichtige Instrumente – die Projektabwicklung, das „Target Costing“ und die konstruktionsbegleitende Kalkulation – herausgegriffen und kurz beleuchtet werden. Die Projektabwicklung mit ihrer Gliederung in dispositions- und controllinggerechte Aufträge bzw. Teilprojekte stellt ohne Frage die Basis des gesamten Produktionscontrolling dar. Die Projektabwicklung wird primär aus dispositiven Gründen eingesetzt. Exemplarisch genannt seien ■ die Strukturierung eines komplexen Entwicklungs- und Produktionsprozesses, ■ der Einsatz von Planungs- und Terminierungsfunktionen, ■ das Management der erforderlichen Ressourcen. Die weiteren, insbesondere wertorientierten Controllingfunktionen ergeben sich quasi automatisch als willkommene, aber auch notwendige Ergänzungen. Dies betrifft insbesondere das bewältigbare Volumen, die Möglichkeit zur Verschachtelung von Projekten und Teilprojekten sowie Funktionen für die Behandlung technischer, terminlicher, funktionaler und finanzieller Risiken. Leistungsstarke edv-gestützte Informationssysteme stellen für die Projektabwicklung und -steuerung umfangreichen Funktionalitäten einschließlich der Verknüpfung mit Netzplänen und Netzaufträgen zur Verfügung. Die Gewinnung der Planungsvorgaben selbst kann mit Hilfe des „Target Costing“ entscheidend unterstützt werden. Prozeßauslösendes Ereignis für den Produktionsprozeß der Einzelfertigung ist ein vorliegender Kundenauftrag. Dieser kann im wesentlichen auf zwei Arten formuliert worden sein: ■ Der Kunde teilt lediglich eine mehr oder weniger detaillierte Beschreibung seiner Anforderungen an die Funktionalität des zu erstellenden Produkts mit, ohne genaue Spezifikation seines Preislimits, oder ■ er teilt neben einem Lastenheft gleichzeitig den von ihm erwarteten Preis des Produkts, also das Target, mit.
Im ersten Fall hilft die Methode des Target Costing, die Zielkosten des neuen Produkts zu ermitteln. Dabei sollten die Zielkosten jedoch nicht direkt auf Baugruppen oder Komponenten (bspw. Achsen mit Federung und Bremsen), sondern zunächst auf virtuelle Funktions- bzw. Konstruktionsgruppen (gesamte Bremsanlage) und erst danach auf Baugruppen und Materialien projeziert werden (Zielkostenspaltung). Alle konstruktiven Maßnahmen werden sodann vor ihrer Umsetzung gegen diese Target-Costs (Herstellkosten, Sondereinzelkosten) geprüft. Es werden nur solche Lösungsansätze realisiert, die innerhalb der Target-Costs liegen. Im zweiten Fall wird mittels einer Vorkalkulation verifiziert, ob das Produkt zu dem vom Kunden gewünschten Preis tatsächlich realisiert werden kann. Dabei wird auf bekannte, bereits kalkulierte Lösungsansätze ähnlicher Produkte zurückgegriffen. Die Ergebnisse der Vorkalkulation werden dann als Targets für das Projekt festgeschrieben. Auch in diesem Fall werden nur die Lösungsansätze realisiert, die die Target-Costs nicht überschreiten. In beiden Fällen kann die konstruktionsbegleitende Kalkulation wichtige Hilfestellung leisten. Ausgangspunkt der Kostenschätzung sind bereits abgewickelte Projekte bzw. Produkte. Geeignete Verfahren sind algorithmische Modelle, Modelle mit Lösungsspeicher oder auch aus beiden kombinierte Verfahren (s. hierzu u. im folgenden Klein 1997, S. 159ff., sowie die dort angegebene Literatur). Typische Vertreter algorithmischer Modelle sind Kurzkalkulationen. Ihr Einsatz bietet sich vor allem in der Anfrage- und Angebotsphase, jedoch weniger in der Entwicklungsphase an. Wesentliche Objektparameter wie Gewichte, Materialarten etc. werden dazu mit der Kostenentstehung in eine funktionale Beziehung gesetzt. In der einfachsten Form einer Kurzkalkulation wird bspw. das Gewicht des Konstruktionsobjekts mit einem festen Satz multipliziert (DM pro kg Druckmaschine). Anstelle des Gewichts kommen auch andere Determinanten – Kostenarten (bspw. Materialkosten) oder leistungsbestimmende Parameter des späteren Endprodukts (Leistung einer Maschine: DM pro kw) – in Frage. Für die Produktentwicklungsphase geeignet sind jedoch nur solche Verfahren, in denen das Produkt nicht mehr als Einheit, sondern bereits in mehrere Funktionsträger
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Prozeßorientiertes Produktionscontrolling
aufgelöst betrachtet wird. Dies ist über eine sog. differenzierte Kurzkalkulation möglich, bei der durch Kombinieren mehrerer Kostenfunktionen genauere Kalkulationsergebnisse möglich sind. Besser sind hierfür jedoch Modelle mit Lösungsspeicher – wie Suchkalkulationen – geeignet. Diese arbeiten auf Basis von Ähnlichkeiten zu bereits bestehenden Lösungen. So enthalten Suchkalkulationen als Modellkomponenten ■ Sammlungen repräsentativer Objekte, charakterisiert anhand übergreifender Beschreibungsmerkmale, ■ Algorithmen zur Abstandsberechnung sowie ■ Algorithmen zur Einteilung der verschiedenen Objekte nach ihrer Nähe zum Kalkulationsobjekt. Analog zu bereits erfaßten Referenzobjekten wird das zu kalkulierende Objekt anhand der in der Objektdatenbank erfaßten Beschreibungsmerkmale charakterisiert. Danach wird der Abstand zwischen den Ausprägungen der Beschreibungsmerkmale des Kalkulationsobjekts und den in der Datenbank erfaßten Vergleichsobjekten bestimmt. Das Objekt mit der geringsten Distanz zum Kalkulationsobjekt im mehrdimensionalen Merkmalsraum wird als das ähnlichste angesehen (s.a. Abb. 3). Die für dieses Objekt erfaßten Kosten werden im weiteren auch für das Kalkulationsobjekt unterstellt. Beide Verfahren besitzten gewisse Schwächen, weshalb Modelle entwickelt wurden, die beide Kalkulationsformen kombinieren. Bei der Suchkalkulation mit Kostenfunktion werden zuerst das ähnlichste Objekt oder die ähnlichsten Objekte identifiziert. Hiervon ausgehend wird dann mit Hilfe einer einfachen Kostenfunktion in Richtung auf den Ähnlichkeitsvektor interbzw. extrapoliert (s.a. Abb. 3). Es wäre verfehlt, die Ergebnisse derartiger Verfahren unreflektiert zu übernehmen. In jedem Fall sind die Ergebnisse auf ihre Plausibilität vor dem Hintergrund der aktuellen betrieblichen Bedingungen zu überprüfen. Nach Abschätzung aller Positionen sind diese dann in die Projektkalkulation zu übernehmen. Etwa noch vorhandene Überschreitungen der Zielkosten sind nun durch „Kneten der Vorgaben“ unter Beteiligung aller betroffenen Abteilungen zu beseitigen. Gerade bei größeren Projekten erfolgt hieraus meist ein Iterationskreislauf, der gegebenenfalls auch Veränderungen des
Funktionsumfangs – selbstverständlich in Absprache mit dem Kunden – mit einbezieht. Sowohl für die Entwicklungsphase des Produkts wie auch für alle Änderungen am Produkt während der Produktion (ob vom Kunden oder von den eigenen Entwicklern veranlaßt), gilt, daß alle Änderungen der Stückliste oder der Arbeitspläne vor der Realisierung konstruktionsbegleitend zu kalkulieren und gegen die Targets zu prüfen sind. In einem ganzheitlichen Ansatz sind nicht nur Kosten-Targets zu definieren, sondern ebenfalls die Targets für Mengen, Ressourcen, Zeiten und Qualitäten mit ihren gegenseitigen Abhängigkeiten zu betrachten. Dabei gilt immer, daß eine Abweichung der Mengen-, Ressourcen-, Zeitund Qualitätstargets zu einer Abweichung der Kosten-Targets und damit zu einer Abweichung vom geplanten Unternehmensergebnis führen wird.
Controllingkriterien zur Steuerung des Produktionsprozesses Das Produktionscontrolling kann erheblich erleichtert werden, wenn die zielkonforme
Einhaltung aller durchzuführenden Teilprozesse noch vor ihrer Ausführung anhand von situationsspezifischen Maßstäben überprüft werden kann. Dies ist die Aufgabe entscheidungsorientierter Controllingkriterien. Für jeden Geschäftsvorfall sind die vorher festgelegten Kriterien im einzelnen zu prüfen. Erscheint dies bei Einführung des Systems noch als kaum bewältigbar, wird der Ablauf bei geeigneter EDV-Unterstützung bereits nach kurzer Zeit zur Selbstverständlichkeit. Die meisten Geschäftsvorfälle können mit minimalem Prüfungsaufwand abgewickelt werden. Nur die Geschäftsvorfälle, die die vorher festgelegten Kriterien nicht erfüllen, werden einer eingehenden Prüfung unterzogen. Die Entscheidung, ob diese – vor dem Hintergrund der Kundenbeziehung – dann dennoch unverändert oder mit entsprechenden Anpassungen abgewickelt werden, ist nicht mehr als Controlling, sondern als Managementaufgabe anzusehen (Klein/Vikas 1999). Abbildung 4 gibt hierzu ein Beispiel wieder. Ähnliche Beispiele lassen sich leicht konstruieren. Zwar kommt von den Controllingkriterien – Menge, Ressource, Preise/Kosten, Zeit und Qualität – in der langfristigen Einzelfertigung der Preis-/KostenSeite das größte Gewicht zu; aber auch die
Abbildung 3: Interpolation auf Basis von Ähnlichkeiten im Rahmen einer Suchkalkulation
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bei der Einzel-/Projektfertigung mit langen Durchlaufzeiten, den Kostenvolumina (mit der speziellen Problematik höherer Kosten als der fixierte Preis) und allen anderen Risiken ein besondere Bedeutung zukommt.
Produktionscontrolling in der Serienund Prozeßfertigung T e r-
Der Geschäftsprozeß „Abwicklung Lageraufträge“
Abbildung 4: Einsatz von Controllingkriterien im Effizienzcontrolling übrigen Kriterien sind für den Einzel-/Projektfertiger wichtige Faktoren. Die nachfolgende Tabelle gibt für die Teilprozesse des Geschäftspozesses „Abwicklung Kun-
denen Kosten
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denaufträge Einzelfertigung“ eine Reihe von Controllingkriterien wieder: Abschließend sei noch darauf hingewiesen, daß gerade dem Forward-Controlling
Der Geschäftsprozeß Abwicklung von Lageraufträgen gliedert sich in zwei wesentliche Teilbereiche, in die mittel- und kurzfristige Planungsphase sowie in die operative Umsetzung der Fertigungsaufträge. Die Planungsphase bildet die Rahmenbedingungen ab, unter denen die Fertigung letztlich ablaufen muß. Durch sie werden insbesondere Maschinen- und Personalkapazitäten zum richtigen Zeitpunkt in der richtigen Menge bereitgestellt und die Versorgung mit den notwendigen Materialien für die Produktion gewährleistet. Eine integrierte Mengen- und Werteflußplanung ist daher Voraussetzung für eine reibungslose Produktion. Die operativen Phasen des Produktionsprozesses befassen sich dagegen mit der physischen Abwicklung der Produktion für Wiederholfertigung oder Neuanläufe, mit der Materialbereitstellung, dem Rüsten, der Fertigung selbst, der Nacharbeit und dem Ausschuß. Auch der Geschäftsprozeß „Abwicklung Lageraufträge“ gliedert sich in mehrere Teilprozesse (siehe Abb. 5). ■ Jahresplanung erstellen: Den Ausgangspunkt für die Jahresplanung stellt die – detailliert meist nur schwer vom Vertrieb abverlangbare, aber sachlich unerläßliche, rechtzeitige – Absatzplanung des Vertriebs dar. Auf dieser Basis wird die mengen- und wertmäßige, integrierte Unternehmensplanung mit ihren Komponenten Bestands-, Material-, Kapazitäts- und Personalplanung aufgebaut, mit dem Ziel, den Ressourcenbedarf frühzeitig abzusichern, aber auch eine aussagefähige PlanDeckungsbeitrags- und Ergebnisrechnung sowie die Finanz- und Liquiditätsplanung für das kommende Geschäftsjahr zu ermitteln.
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Prozeßorientiertes Produktionscontrolling
Grobplanung vornehmen: Die Grobplanung wird rollierend auf der Basis von Planaufträgen, in denen die aktuelle Absatzplanung wie auch schon terminierte Kundenaufträge berücksichtigt sind, durchgeführt und dient in erster Linie der zeitpunktbezogenen Bereitstellung der erforderlichen Ressourcen Material, Kapazitäten und Personal. ■ Feinplanung durchführen: In diesem Teil-Prozeß werden unter Berücksichtigung der aktuellen Bestände aus Planaufträgen definierte Fertigungsaufträge, für die die entsprechenden Fertigungsverfahren, der Ressourceneinsatz und insbesondere die Fertigungsreihenfolge genau bestimmt und mit den Kapazitäten abgeglichen sind. ■ Neuanläufe abwickeln: Im Zusammenhang mit Neuanläufen ist insbesondere die Rolle der Werkzeuge für die Erstellung der Bauteile und Baugruppen sowie die kapazitive Einplanung der Vorserie in den Produktionsprozeß zu berücksichtigen. ■ Serienproduktion durchführen: Hier erfolgt die eigentliche Produktionsabwicklung, von der Bereitstellung des Materials, über das Rüsten der Maschinen, die terminlich und mengenmäßig optimierte Verfügbarkeit des benötigten Personals, die laufende Qualitätssicherung bis hin zum Abtransport der Waren. ■ Ausschuß und Nacharbeit bearbeiten: In diesem Teil-Prozeß werden die Gründe für Nacharbeiten untersucht, die Nacharbeiten unter Berücksichtigung der bestehenden Fertigungsaufträge und -termine durchgeführt und, wenn nicht zu vermeiden, der Ausschuß entsorgt. Das Entscheidungs- und Effizienzcontrolling muß firmenspezifisch auf diese beiden sehr unterschiedlichen Phasen der Planung und der operativen Umsetzung der Fertigungsaufträge zugeschnitten werden. Auch wenn ein funktionierendes Forward-Controlling immer alle Controllingkriterien, also Mengen, Ressourcen, Preis/ Kosten, Zeit und Qualität, zu berücksichtigen hat (Klein/Vikas 1999), spielt das Kriterium der Zeit beim industriellen Serienfertiger eine dominante Rolle, da der Wettbewerb heute maßgeblich über die Zeit gewonnen wird. Durch den hohen Automatisierungsgrad, der die meisten Serienfertiger auszeichnet, geschieht die Beeinflussung der Kosten in der Produktion heute hauptsächlich über die Minimierung von ■
Abbildung 5: Der Geschäftsprozeß „Abwicklung Lageraufträge“ Ausfall-, Stillstands- und Rüstzeiten sowie die Bereitstellung der erforderlichen Personalressourcen. Tatsächlich ist der Grad der Beeinflussung der Produktkosten in der Fertigung eher gering, da die wesentlichen Festlegungen bereits in der Produktentstehungsphase erfolgen.
Instrumente des Produktionscontrolling in der Serien- und Prozeßfertigung Beim industriellen Serienfertiger stellt die Absatzplanung, in der festgelegt wird, welche Mengen im Planungszeitraum am Markt abgesetzt werden sollen, den zentralen Teil der Unternehmensplanung dar. Von ihr leiten sich alle anderen Teilpläne ab, insbesondere zunächst der Produktionsplan. Bewegt sich die Unternehmung in einem dynamischen und komplexen Umfeld und ändern sich die Marktverhältnisse, wird die systematische Auseinandersetzung mit der Zukunft zu dem zentralen Erfolgsfaktor der Unternehmensführung (Becker/List 1997). Diese systematische Auseinandersetzung mit der Zukunft muß sich im Absatzplan wiederspiegeln. Er darf also nicht nur auf Vergangenheitsdaten basieren, sondern muß die zukünftigen Entwicklungen am Markt vorwegnehmen (Mayer/Zehetner 1999). Nur dann findet sich diese Zukunftsorientierung in den nachfolgenden Teilplänen, vor allem in der Kapazitäts-, Investitions- und Personalpla-
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nung. Unternehmerische Fehlentscheidungen, die auf diesen letztgenannten Plänen basieren, können nur mit hohem Aufwand, nachdem der Schaden schon entstanden ist, wieder korrigiert werden. Ist der Produktionsplan unter Berücksichtigung der Lagerbestandsplanung aus der Absatzplanung abgeleitet, können über die technischen Mengengerüste (Stücklisten, Arbeitspläne) der Beschaffungsplan und der Leistungsbedarf der Fertigungskostenstellen ermittelt werden. Steht die Leistungsplanung, beginnt eine der klassischen Tätigkeiten des herkömmlichen Controlling (s.a. Abb. 6). Mit Hilfe der Leistungsmengen werden die Planbezugsgrößenmengen der Fertigungsstellen ermittelt, die Kosten auf den Kostenstellen geplant, mit den technischen Mengengerüsten kalkuliert und somit die Dekkungsbeitrags- und Ergebnisplanung ermöglicht. Erst die Abstimmung all dieser Teilpläne schafft auch die Voraussetzung für eine integrierte Finanzplanung. Nicht integrierte, d.h. nicht auf der Absatzplanung basierende Konzepte zur Produktionsplanung und -steuerung führen dazu, daß die nachfolgenden Produktionsplanungsgebiete der Material- und Zeitwirtschaft nicht rechtzeitig mit den Ressourcen der Produktion abgestimmt werden (Glaser/Geiger/Rhode 1992). Probleme in der Materialdisposition, insbesondere aber in der Einhaltung dem Kunden zugesagter Termine sind dann unausweichlich (Mayer/Zehetner 1999). Gerade beim Einsatz flexibler Arbeitszeitmodelle kommt einer rollierenden Per-
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Abbildung 6: Integration der Mengen- und Werteflußplanung am Beispiel SAP R/3®
sonalplanung für die Fertigungskostenstellen, mit der schnell auf Änderungen des Marktes reagiert und das gesamte, an der Leistungserstellung beteiligte Personal betrachtet werden kann, eine hohe Bedeutung
zu. Zwar sind nahezu alle modernen Softwaresysteme, die sich mit dieser Problematik befassen, in der Lage, die Absatzplanung als Grundlage der Personalplanung heranzuziehen, jedoch berechnen die-
se Systeme die Planbeschäftigung meist nur aufgrund des in den Arbeitsplänen berücksichtigten Personals. Diese Lösung läßt den Aspekt völlig unberücksichtigt, daß zur Leistungserstellung einer Fertigungskostenstelle nicht nur das über die Arbeitspläne ermittelbare Fertigungspersonal benötigt wird, sondern in zunehmenden Maße, bedingt durch die immer stärker in den Vordergrund tretende Automatisierung der Fertigungsprozesse, auch Nicht-Fertigungspersonal wie Elektroniker, NC-Programmierer etc. Dieses findet sich aber in den Arbeitsplänen, die sich auf die Maschinenzeit beziehen, nicht wieder. Abhilfe kann hier eine auf die Plan-Bezugsgrößenmenge ausgerichtete analytische Kostenplanung schaffen, in der die Personalstunden je Kostenstelle/Bezugsgröße und Kostenart differenziert nach Herkunftsbegriffen (Lohngruppen etc.) geplant sind. Damit kann auch für die NichtFertigungslöhne der Planbedarf je Kostenstelle und höhere Verdichtungsbegriffe ermittelt werden. Über dieses integrierte Planungsverfahren sind die zuständigen Organisationseinheiten in der Lage, rollierend, aktuell und auch in Form von Simulationsrechnungen zuverlässige Aussagen über die Über- bzw. Unterdeckung an Personalstunden zu treffen und somit rechtzeitig – im Sinne eines Forward-Controlling – steuernd einzugreifen. Eine wesentliche Voraussetzung für eine erfolgreiche Anwendung der flexiblen Arbeitszeit ist somit gegeben. Das Beispiel zeigt aber auch deutlich, daß die herkömmliche jährliche Planung, die bislang als Zielvorgabe und Meßlatte diente, gegenüber einer rollierenden Planung mit aktuellen Forecasts an Bedeutung verliert (Vikas 1998).
Controllingkriterien zur Steuerung des Produktionsprozesses Am Beispiel des Teilprozesses „Serienproduktion durchführen“ werden im folgenden wesentliche Controllingkriterien für ausgewählte Aktivitäten dargestellt: (siehe nebenstehende Tabelle). Von grundlegender Bedeutung ist hierbei, daß die Kriterien immer in ihrem kausalen Zusammenhang zu sehen sind, niemals einzeln und losgelöst vom Einfluß wei-
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Prozeßorientiertes Produktionscontrolling
terer Kriterien. So macht es zum Beispiel wenig Sinn, bei der Festlegung der Auftragsreihenfolge ausschließlich die Kundenwunschtermine zu berücksichtigen, ohne die Rüstzeiten der Maschinen, die Bereitstellungstermine für Material und Werkzeuge und die technischen Daten der Maschinen und Anlagen gleichzeitig zu bedenken. Können diese Kriterien gänzlich oder nur zum Teil nicht erfüllt werden, sind in der Regel kostenintensive Sondermaßnahmen (zusätzliches Personal, Überstunden etc.) notwendig, um den zugesagten Kundenwunschtermin einhalten zu können. Die Sondermaßnahmen bedeuten aber immer eine Belastung des Deckungsbeitrags des jeweiligen Auftrags und damit des Ergebnisses des Unternehmens. Ein Controlling im Vorfeld der Entscheidung versucht diese Abweichung von vornherein zu vermeiden, führt also dazu, daß zu einem frühen Zeitpunkt ein positives Signal in Richtung Unternehmensergebnis ausgeht.
Nachkalkulations- und Herstellkosten-Soll-IstVergleich
und pro Schicht, um kurzfristig gegensteuern zu können. Kostenseitig ist zwischen dem auftragsweisen Nachkalkulations-Soll-Ist-Vergleich und dem Herstellkosten-Soll-Ist-Vergleich auf aggregierten Verdichtungsebenen bzw. periodisch je Artikel zu unterscheiden: Der Nachkalkulations-Soll-Ist-Vergleich setzt die Erfassung der effektiven Materialverbräuche und Ist-Fertigungszeiten voraus. Auf diese Weise können im Nachkalkulations-Soll-Ist-Vergleich die tatsächlichen Kosten des Auftrages ermittelt und positionsweise mit den Auftrags-Sollkosten verglichen werden. Beim Herstellkosten-Soll-Ist-Vergleich ist die Erfassung der Ist-Materialverbräuche und der Ist-Fertigungszeiten nach Fertigungsaufträgen nicht möglich oder – trotz Istkosten-Erfaßbarkeit – nur eine periodische kostenmäßige Auswertung sinnvoll. Die Ermittlung der Auftrags-Sollkosten erfolgt ebenfalls artikel-/auftragsweise über die erfaßten Ausbringungsmengen je Artikel. Die Istkosten können aber oft nur auf aggregierten Ebenen, wie etwa nach Kostenträgergruppen differenziert, oder gar nur auf Bereichs-/ Werksebene, bei den Materialien als Istver-
brauch je Materialnummer, bei den Fertigungsleistungen in Summe je ausführender Kostenstelle/Bezugsgröße, erfaßt werden. In diesem Falle können die Abweichungen nur in Summe je Materialnummer oder je Kostenstelle/Bezugsgröße erfaßt und den nach den gleichen Herkunftsbegriffen verdichteten AuftragsSollkosten gegenübergestellt werden. Es können auch für diesen Umfang die verschiedenen Abweichungsarten ermittelt und ausgewiesen werden, allerdings nicht je Auftrag und Artikel. Damit ist aber, zumindest auf den Verdichtungsebenen, der Ausweis der verschiedenen KostenträgerAbweichungen nach Abweichungsarten durchführbar. Die Abweichungsarten sind bei Nachkalkulations- und Herstellkosten-Soll-IstVergleich gleich zu sehen (siehe Abb. 9, Nuppeney/Raps 1993,S. 151). Zunächst können, unabhängig von der Ist-Fertigung, auf der Planseite zu jedem beliebigen Zeitpunkt Abweichungen zwischen der Plankalkulation („frozen Standard“) und der (aktuellen) Sollkalkulation aufgezeigt werden. Da die beiden zugrundeliegenden Mengengerüste (Stücklisten und Arbeitspläne) mit den gleichen PlanWertansätzen bewertet werden, handelt es sich bei dem Delta um reine Mengen-Ab-
Auch wenn das prozeßorientierte Produktions-Controlling bereits zum Zeitpunkt der Entscheidung die Auswirkungen aufzeigt und somit Abweichungen zu vermeiden hilft, auch wenn Mengen-, Ressourcen-, Termin- und Qualitäts-Controlling immer mehr an Bedeutung gewinnen, wird man auf die klassische Abrechnung der Fertigungsaufträge und das Kosten-Controlling nicht verzichten können. Dies gilt insbesondere für die Einzelund Projektfertigung, wo nach wie vor die Kosten des Auftrages und damit der produzierten Einheit ein wichtiges Controlling-Kriterium darstellen. Dagegen kommt der Kostenseite in der Serien- und Fließ-/Prozeßfertigung nicht diese Bedeutung zu, zumal es sich hier meist um feststehende, nur schwer änderbare Fertigungsverfahren und kurze Durchlaufzeiten handelt. Hier sind Rüst- und Maschinenlaufzeiten, Stillstandszeiten, Ausschuß und Produktivität viel mehr controllingrelevant, und zwar nicht zum Zeitpunkt des Auftragsabschlusses und der Auftragsabrechnung, sondern „real time“
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Andreas Klein/Reinhold Mayer/Alfons Raps
Zusammenfassung Das Produktionscontrolling bietet – bei richtigem Einsatz – vielfältige Ansätze zur Einflußnahme auf die Kosten der Produktion. Nach wie vor sind diese Kosten eine der wichtigsten Komponenten der Gesamtkosten. Daneben können durch das prozeßorientierte Controlling bedeutende Faktoren für die Kundenzufriedenheit wie Einhaltung von Lieferzeitpunkten und Qualitätsansprüchen nachhaltig verbessert werden. Dieser Erfolg rechtfertigt den Aufwand für ein solches, richtig dimensioniertes Instrument also in jeden Fall.
Literaturhinweise
Abbildung 7: Abweichungen der Kostenträgerrechnung
weichungen, also beispielsweise um das Rationalisierungs-Ergebnis. Vergleicht man die aktuelle Sollkalkulation zum Zeitpunkt der Eröffnung eines Fertigungsauftrages mit den Sollkosten des Auftrages, so können sich durch auftragsspezifische Änderungen in den Plan-Mengendaten (andere Auftragsmenge, auftragsspezifisch geänderte Stücklisten- und Arbeitsplanpositionen oder alternative Fertigungsverfahren) andere Sollkosten ergeben. Diese „Abweichungen aus Disposition“ sind ebenfalls reine Mengen-Abweichungen. Im Nachkalkulations-Soll-Ist-Vergleich werden diese Auftrags-Sollkosten mit den auftragskontierten, tatsächlichen Istkosten verglichen und als Differenz die produktionsspezifischen Ist-Abweichungen einschließlich der Preis-Abweichungen ausgewiesen. Auch im Herstellkosten-Soll-IstVergleich werden die Produktions-Abweichungen gezeigt, so daß auch hier die Überleitung zur Kostenträger-Zeitrechnung und die Abstimmung zum externen Rechnungswesen gewährleistet ist. Nur können dort, in Abhängigkeit von der Istkosten-Erfaßbarkeit, diese Abweichungen nur auf aggregierter Ebene ermittelt und gezeigt werden. Durch die Möglichkeit, die einzelnen Kalkulationsarten miteinander zu verglei-
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chen, um jeweils die unterschiedlichen Mengen- und Preis-Abweichungen getrennt analysieren zu können, sind diese Abweichungen auch nach Verantwortlichkeiten (Fertigungsplanung, Produktion, Logistik etc.) differenzierbar. Stellt man die beiden Alternativen – Nachkalkulations- und HerstellkostenSoll-Ist-Vergleich – gegenüber, so ist die Zielsetzung die gleiche, nämlich die Istkosten der Produktion mit den in der Plankalkulation bzw. auftragsspezifisch ermittelten Sollkosten zu vergleichen und die Abweichungen nach ihren Ursachen differenziert zu analysieren und zu beeinflussen. Selbstverständlich ist der Nachkalkulations-Soll-Ist-Vergleich mit dem exakten Ausweis dieser Abweichungen für jeden einzelnen Fertigungsauftrag die beste Lösung. Ist aber eine auftragsweise IstkostenErfassung aus technischen oder Aufwandsgründen nicht möglich, so ist der Herstellkosten-Soll-Ist-Vergleich, der die Produktions-Abweichungen nach der gleichen Logik, nur eben nicht auftragsweise, sondern auf Verdichtungsebenen darstellt, als adäquates Steuerungsinstrument zu sehen.
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-Kostenrechnungspraxis, 44. Jg., 2000, H. 1