Weiterbildung · Zertifizierte Fortbildung Rechtsmedizin 2005 · 15:235–249 DOI 10.1007/s00194-005-0333-3 Online publiziert: 16. Juli 2005 © Springer Medizin Verlag 2005 Redaktion B. Madea · Bonn Die Beiträge der Rubrik „Weiterbildung · Zertifizierte Fortbildung“ sollen dem Facharzt als Repetitorium dienen und dem Wissensstand der Facharztprüfung für den Arzt in Weiterbildung entsprechen. Die Rubrik beschränkt sich auf gesicherte Aussagen zum Thema.
S. Pollak · Institut für Rechtsmedizin der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg/Br.
Rechtsmedizinische Aspekte des Suizids Zusammenfassung
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Die Selbsttötung ist eine wichtige Erscheinungsform des nichtnatürlichen Todes und muss von anderen gewaltsamen Todesarten, aber auch von unerwarteten Todesfällen aus natürlicher Ursache abgegrenzt werden. Die Unterscheidung gründet sich einerseits auf die Erhebung und Interpretation der postmortal erhobenen (rechts)medizinischen Befunde, andererseits auf die ganzheitliche Berücksichtigung der Vorgeschichte und der kriminalistischen Umstände am Fundort der Leiche. Voraussetzung für eine Beurteilung durch den Leichenschauarzt und/oder den Rechtsmediziner ist die Kenntnis der Methoden der Suizidbegehung und ihrer pathomorphologischen Korrelate. Dazu gehören neben suizidtypischen Befundkonstellationen und Verletzungsbildern auch ungewöhnliche Manifestationsformen. Einen hohen Auffälligkeitswert haben kombinierte Suizide, bei denen verschiedene Selbsttötungsmethoden gleichzeitig oder nacheinander angewandt werden, sowie gemeinschaftliche und erweiterte Suizide. Auch manche Ereignisorte verdienen besondere Aufmerksamkeit. Mit der Möglichkeit der Simulation und der Dissimulation einer Selbsttötung muss in der forensischen Praxis gerechnet werden.
Schlüsselwörter Selbsttötung · Kombinierter Suizid · Erweiterter Suizid · Ortsaugenschein · Selbsttötungsmethoden
Forensic aspects of suicide Abstract Suicide is a significant form of unnatural death and must be differentiated as such from other violent manners of death (homicide, accident), but also from unexpected deaths due to natural causes. The distinction is made on the basis of a careful collection and correct interpretation of post-mortem forensic findings on the one hand, the general background of the case and the criminal investigation at the scene on the other. For competent assessment by the post-mortem medical examiner and/or forensic pathologist, a thorough knowledge of the numerous methods of committing suicide and their pathomorphological correlates is indispensable. This not only includes the constellation of findings and injury patterns typical of suicide, but also unusual manifestations. Highly conspicuous are complex suicides, in which several methods are applied simultaneously or one after the other, as well as joint suicides and combined homicide-suicides involving several persons. Certain settings also deserve special attention. Moreover, simulated or dissimulated suicide is a possibility that must always be borne in mind in forensic practice.
Keywords Suicide · Complex suicide · Homicide-suicide · Inspection of the scene · Methods of suicide Rechtsmedizin 4 · 2005
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Der Begriff „Suizid“ bezeichnet eine absichtlich herbeigeführte Selbsttötung 7 Suizidversuch 7 Vollendeter Suizid
7 Suizidziffer
7 Nichtnatürlicher Tod
Der Leichenschauarzt muss bei (Verdachts-)Diagnose eines Suizids den Sterbefall unverzüglich an die Polizei melden
D
er Begriff „Suizid“ bezeichnet eine absichtlich herbeigeführte Selbsttötung. Eine Suizidhandlung kann entweder unvollendet bleiben (7Suizidversuch) oder den Tod zur Folge haben (7vollendeter Suizid). Obwohl keine verlässlichen Statistiken zur Häufigkeit von Suizidversuchen vorliegen, geht man davon aus, dass ihre Zahl jene der vollendeten Selbsttötungen um ein Mehrfaches übertrifft. Bei den nicht tödlich verlaufenden Suizidversuchen überwiegen die Frauen gegenüber den Männern. Auch wenn bei mancher dieser Handlungen der Tod nicht ernsthaft intendiert zu sein scheint und der demonstrativappellative Charakter im Vordergrund steht (suizidale Geste), muss auch eine solche Tat – nicht zuletzt wegen der Wiederholungsgefahr und der Möglichkeit eines unkalkulierbar fatalen Verlaufes – ernst genommen werden. Tatsächlich zeigen Personen, die durch eigene Hand aus dem Leben geschieden sind, an ihrem Körper oft Residuen von vorausgegangenen Suizidversuchen (z. B. vernarbte Pulsaderschnitte). Die 7Suizidziffer gibt die in 1 Jahr registrierten vollendeten Selbsttötungen je 100.000 Einwohner an. Das Statistische Bundesamt weist – bezogen auf das Jahr 2003 – für die Bundesrepublik Deutschland eine Gesamtzahl von 11.150 Sterbefällen durch „vorsätzliche Selbstbeschädigung“ aus, was einer Suizidziffer von 13,5 entspricht. Die Zahl der Selbsttötungen liegt damit wesentlich über jener der tödlichen Unfälle im Straßenverkehr (6684 im Jahr 2003). In Anbetracht der niedrigen Sektionsrate muss allerdings von einem beträchtlichen Dunkelfeld ausgegangen werden; dies belegen zahlreiche „Zufallsentdeckungen“ bei unsystematisch zustande gekommenen Obduktionen [5]. Anders als bei den Suizidversuchen dominieren bei den vollendeten Selbsttötungen die Männer: Ihre Suizidziffer beträgt 20,3, jene der Frauen nur 7,0. Die Altersverteilung hängt u. a. von der demographischen Struktur der Wohnbevölkerung ab; ein hoher Anteil der Suizidenten entfällt auf die Gruppe der über 60-Jährigen. Der Suizid stellt eine der Alternativen des 7„nichtnatürlichen Todes“ gemäß § 159 StPO dar. Nach juristischer Definition hat der durch Selbstmord, Unfall, durch eine rechtswidrige Tat oder sonst durch Einwirkung von außen herbeigeführte Tod als nicht natürlich zu gelten. Für den Leichenschauarzt begründet die (Verdachts-)Diagnose eines Suizids die Verpflichtung, den Sterbefall unverzüglich an die Polizei zu melden [17]. Es ist zu vermuten, dass vor allem suizidale Intoxikationen älterer Menschen irrtümlich als natürliche Todesfälle aufgefasst werden, sofern charakteristische Umstände oder äußere Hinweiszeichen einer Selbsttötung fehlen. Die nahezu unerschöpfliche Fülle des Themas erfordert eine Beschränkung auf die wesentlichsten Kernprobleme aus Sicht der medizinischen Kriminalistik. Im Mittelpunkt der nachstehenden Ausführung sollen daher das Erkennen von vollendeten Suiziden und deren Abgrenzung von Fremdtötungen stehen.
Grundlagen und Begriffsbestimmungen Bilanzsuizid
7 Risikogruppen
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Der Ausdruck „Bilanzsuizid“ beschreibt eine Selbsttötung, die auf einer bewussten und selbst verantworteten Entscheidung beruht, nachdem die Bilanz des bisherigen Lebens im Zusammenhang mit der gegenwärtigen Situation gezogen und als negativ bewertet worden ist. Inwieweit Suizide tatsächlich aus freiem Willen („Freitod“ im Sinne einer souveränen, rationalen Selbstverfügung) begangen werden, oder ob äußere Anlässe (z. B. lebensgeschichtliche Krisen) bzw. psychopathologische Dispositionen zur Ausbildung von suizidalen Gedanken und Impulsen führen, wird in der philosophischen und medizinischen Literatur uneinheitlich beurteilt. So hat der bekannte Psychiater Erwin Ringel die Auffassung vertreten, dass der Selbstmord grundsätzlich den „Abschluss einer krankhaften psychischen Entwicklung“ (mit psychodynamischer Einengung der Wertwelt) darstelle [27]. Ein Brückenschlag zwischen den Extrempositionen könnte darin bestehen, jede Suizidhandlung dahingehend zu überprüfen, wie groß der krankhafte Anteil ist und welche Rolle die Bilanzierung spielt. Zu den bekannten 7Risikogruppen gehören depressive und schizophrene Patienten, Drogen- und Alkoholabhängige, vereinsamte und entwurzelte Personen sowie Menschen mit suizidalen Krisen oder Suizidversuchen in der
Weiterbildung · Zertifizierte Fortbildung Vorgeschichte. Es gibt auch Fälle von kurzschlussartigen, nicht vorhergesehenen Selbsttötungen (z. B. nach einem scheinbar banalen Streit oder wegen des Entzugs der Fahrerlaubnis).
Kombinierte Suizide Die kriminalistische und rechtsmedizinische Beurteilung von Suiziden kann schwierig werden, wenn innerhalb eines Tatgeschehens gleichzeitig oder in rascher Aufeinanderfolge 2 oder mehr Methoden der Selbsttötung zur Anwendung kommen. Man spricht in solchen Fällen von „kombinierten Suiziden“ („complex suicides“), die ihrerseits in primäre (geplante) und sekundäre (ungeplante, improvisierte) Kombinationsformen unterteilt werden [3, 20]. Anstelle der Bezeichnung „sekundär kombinierter Suizid“ wurde auch der Begriff „protrahierter Suizid“ vorgeschlagen. Bei 7primär kombinierten Suiziden soll der tödliche Ausgang durch ein geplantes Zusammentreffen bzw. durch wechselseitige Beschleunigung von 2 oder mehr Methoden sichergestellt werden (z. B. Zufügung einer Schussverletzung und Erhängen). Von einem 7sekundär kombinierten Suizid spricht man, wenn sich die zunächst angewandte Methode als untauglich erweist oder nicht rasch genug zum Tod führt oder starke Schmerzen verursacht, sodass der Suizident spontan (ungeplant) zu einer anderen Begehungsart wechselt (z. B. oberflächliche Pulsaderschnitte in der 1. Phase und Vollendung der Tat durch anschließendes Erhängen).
7 Primär kombinierter Suizid
7 Sekundär kombinierter Suizid
Gemeinschaftliche Selbsttötung Der Terminus „gemeinschaftliche Selbsttötung“ (Doppel- bzw. Mehrfachsuizid, „suicide pact“) bezeichnet die Handlungsweise von 2 oder mehr Menschen, die miteinander aus dem Leben scheiden wollen und deshalb einvernehmlich entweder sich selbst töten oder vom Partner töten lassen [19]. Als typisch gelten folgende Merkmale: F F F F F
gleichzeitige oder unmittelbar aufeinander folgende (Selbst-)Tötungshandlungen; Anwendung der gleichen Suizidmethode; Tatbegehung an derselben Örtlichkeit (meist Wohnbereich); enge (meist heterosexuelle) Partnerbeziehung zwischen den Beteiligten; schwere körperliche Krankheit als vorherrschendes Suizidmotiv.
Erweiterter Suizid Ein erweiterter Suizid (7Mitnahmesuizid, „homicide-suicide“) liegt dann vor, wenn eine zur Selbsttötung entschlossene Person einen (oder mehr) Menschen ohne dessen/deren Einverständnis oder gegen dessen/deren Willen in die Tötungshandlung einbezieht; meist handelt es sich bei den Betroffenen um nahe stehende Angehörige (Familienmitglieder, Intimpartner) [21]. Ausgenommen sind, wie oben erwähnt, gemeinschaftliche Suizide mit einvernehmlicher Partnertötung. Nicht zu den erweiterten Suiziden gehören auch jene Selbsttötungen, die erst im Anschluss an einen Homizid – quasi als Reaktion auf diesen – verübt werden und wesentlich von Reue, Schuldgefühl und Furcht vor Strafe bestimmt sind. Ein wichtiges Merkmal des erweiterten Suizids ist die rasche Aufeinanderfolge von Fremd- und Selbsttötung. Männliche Täter führen die Tötungshandlungen mehrheitlich mit Schusswaffen, seltener durch einen komprimierenden Halsangriff oder durch scharfe Gewalt aus; bevorzugte Methoden der anschließenden Selbsttötung sind Erschießen und Erhängen. Homizid und Suizid werden meist am selben Ort oder in räumlicher Nähe begangen.
7 Mitnahmesuizid
Berufsbezogener Suizid
Personen mit speziellen Kenntnissen, Fähigkeiten und Berufserfahrungen wenden diese auch bei Suizidhandlungen an
Nicht selten begegnet der Rechtsmediziner einem berufsbezogenen Suizid („occupation-related suicide“; [31]). Es ist gut nachvollziehbar, dass Personen mit speziellen Kennt-
Ein wichtiges Merkmal des erweiterten Suizids ist die rasche Aufeinanderfolge von Fremd- und Selbsttötung
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Abb. 1 8 Berufsbezogener kombinierter Suizid eines 55-jährigen Metzgers: In der ersten Tatphase hat sich der Mann mit einem sog. Ausbeinmesser (c) 2 penetrierende Bruststiche (b) in der Präkordialregion zugefügt; keine Entblößung des Oberkörpers, sondern Durchstechung zweier Kleiderschichten! (a); die achsenparallelen Wundkanäle endigten – nach scharfer Durchtrennung einer Rippe bzw. eines Interkostalraumes – im Fettgewebe vor dem Herzbeutel. In der 2. Tatphase wurde ein Bolzenschuss in die Scheitelregion (d) abgegeben [Viehbetäubungsapparat vom Typ Kerner (f) mit 2 einander gegenüberliegenden Gasaustrittsöffnungen in der Kopfplatte]; paarig angeordnete Schmauchhöfchen neben der gleichfalls schmauchgesäumten Hautausstanzung (e). Im Schädelinneren senkrecht nach unten verlaufender Wundkanal mit Haut- und Knochenimprimat im Bereich der Crura cerebri
nissen, Fähigkeiten und Berufserfahrungen diese auch bei Suizidhandlungen anwenden. Dazu kommt in manchen Tätigkeitsbereichen der einfache Zugang zu potenziellen Suizidmitteln, die für andere nicht ohne Weiteres verfügbar sind. Bekannte Beispiele sind die Selbsttötungen durch Schuss bei Waffenträgern (Polizeibeamte, Soldaten, Jäger, Sportschützen), die Ver wendung von Viehbetäubungsapparaten bei Metzgern (. Abb. 1), Schlachthausarbeitern und Landwirten sowie die suizidale Benutzung von Explosivstoffen bei Sprengmeistern. Tödliche Zyanidvergiftungen kommen besonders häufig bei Chemikern vor. Elektriker konstruieren manchmal Vorrichtungen, die mit Hilfe von Zeitschaltuhren einen tödlichen Stromschlag während des Schlafes herbeiführen sollen. Bei Ärzten und anderen Medizinalpersonen dominieren die Suizide durch Intoxikation nach oraler oder parenteraler Zufuhr von Medikamenten; eine andere „berufstypische“ Begehungsart ist die schmerzlose Zufügung von Schnittwunden mit einem Skalpell nach Lokalanästhesie [8]. Die angewandte Methode kann aber auch mit besonderen anatomi-
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Weiterbildung · Zertifizierte Fortbildung schen/postoperativen Gegebenheiten eines Patienten zusammenhängen (z. B. Durchtrennung eines zur Hämodialyse angelegten Shunts).
Dissimulation Sowohl versuchte als auch vollendete Suizide können nachträglich dissimuliert werden. Die Motive für solche Verschleierungen des wahren Sachverhalts sind vielfältig. In der Vergangenheit mögen religiöse Gründe und der Wunsch nach Ermöglichung eines kirchlichen Begräbnisses eine Rolle gespielt haben. Auch in der heutigen Zeit befürchten die überlebenden Partner manchmal Schuldzuweisungen durch die Familie des Suizidenten, besonders wenn die Beziehung konfliktreich war. Es sind auch Fälle bekannt, in denen der Suizident selbst die Tat wie eine Fremdtötung inszeniert hat, um den Hinterbliebenen die volle Auszahlungssumme der Lebensversicherung zukommen zu lassen. Suizidale Schussverletzungen werden mitunter so ausgeführt, dass sie den Eindruck eines Unfalls erwecken sollen (vorgeblich ungewollte Schussauslösung bei der Jagd oder beim Reinigen der Waffe). Ähnliches gilt für Selbsttötungen im Straßenverkehr, die ohne hinweisende Umstände (z. B. vorausgegangene Suizidankündigungen, zusätzlich vorhandene Selbstverletzungen im Sinne eines kombinierten Suizids) nur schwer oder gar nicht von echten Unfällen unterschieden werden können. Nach unvollendet gebliebenen Suizidhandlungen wird manchmal versucht, sich als Opfer einer Straftat auszugeben. Als Beispiele für die (versuchte) 7Vertuschung von Selbsttötungen durch Angehörige seien genannt: Beseitigung des Strangwerkzeugs und Anlegen einer Kinnbinde, bevor der Leichenschauarzt verständigt wird; Veränderung der Auffindungssituation, z. B. durch Entfernung von Hinweiszeichen auf einen Suizid (Abschiedsbrief, leere Medikamentenpackungen, Trinkglas); Beseitigung eines über den Kopf gestülpten Plastikbeutels. Davon zu unterscheiden sind Leichenschaufehldiagnosen ohne bewusste und gewollte Irreführung des Untersuchers. Kriminalistisch besonders gravierend sind Fälle von Suizidvortäuschung zum Zweck der Verdeckung eines Tötungsdeliktes. Immer wieder wurde darauf hingewiesen, dass eine Schusswaffe in die Hand des Opfers gelegt worden sein könnte, um eine Selbsttötung glaubhaft zu machen. Tatsächlich sind nur wenige Fremdtötungen bekannt, die auf solche Weise verschleiert werden sollten. Umgekehrt gibt es viele Beobachtungen von erwiesenen Selbsttötungen durch (Kopf-)Schüsse, bei denen die Waffe in der Hand des Suizidenten verblieben ist (nach Krauland in 28 der Fälle [15]). Oberflächliche Schnitte an den Unterarmen und am Hals können bei Fremdtötungen den Eindruck von Probier- oder Zauderschnitten erwecken und damit einen Suizid vortäuschen – unabhängig davon, ob dies vom Täter beabsichtigt war oder nicht [1]. Bei Leichenfunden im Bahnbereich muss an die Möglichkeit einer Fremdtötung (z. B. durch Erschießen) mit anschließender Vortäuschung eines Eisenbahnunfalls oder -suizids gedacht werden. Eine besonders wichtige, in der angloamerikanischen Literatur unterschätzte Fallgruppe umfasst vorgebliche Erhängungssuizide, denen in Wahrheit eine Tötung durch fremde Hand zugrunde liegt. Dabei sind grundsätzlich 2 Vorgangsweisen zu unterscheiden:
Sowohl versuchte als auch vollendete Suizide können nachträglich dissimuliert werden
7 Vertuschung
Kriminalistisch besonders gravierend sind Fälle von Suizidvortäuschung zum Zweck der Verdeckung eines Tötungsdeliktes
1. das Erhängen als eigentliche Tötungsmethode und 2. das nachträgliche Aufhängen eines zuvor auf andere Weise (z. B. durch Schläge, Würgen oder Drosseln) verletzten oder getöteten Opfers. In diesem Zusammenhang sei Böhmer [2] zitiert: „Die Gefahr mangelhafter Sorgfalt liegt wohl nirgends so nahe wie bei der Besichtigung Erhängter, darum auch die Gefahr, dass eine strafbare Handlung unentdeckt bleiben kann.“
Nachahmungstaten Dass Suizidhandlungen, über die öffentlichkeitswirksam berichtet wurde, labile Menschen zu Nachahmungstaten motivieren können, ist spätestens seit Goethes Roman „Werther“ bekannt. Seriöse Journalisten beschränken sich daher auf ihre Informationspflicht
Suizidhandlungen, über die öffentlichkeitswirksam berichtet wird, können labile Menschen zu Nachahmungstaten motivieren Rechtsmedizin 4 · 2005
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und vermeiden eine spektakuläre Wiedergabe von Einzelheiten, besonders hinsichtlich der Vorgangsweise bei der Tatbegehung. Ein bekanntes Beispiel dafür, dass Presseerzeugnisse tatsächlich Imitationshandlungen induzieren können, ist die massive Zunahme von suizidalen Selbsterstickungen in übergestreiften Plastikbeuteln nach dem Erscheinen des Buches „Final Exit: The Practicalities of Self-Deliverance and Assisted Suicide for the Dying“ von Derek Humphry (New York, 1991; [9]). In der rechtsmedizinischen Praxis begegnet man Nachahmungstaten nicht nur im Kontext mit Selbst- und Fremdtötungen, sondern auch bei Selbstverletzungen im Rahmen vorgetäuschter Straftaten.
Kriminalistisch wichtige Erscheinungsformen und Ereignisorte von Suizidhandlungen Die Vorkommenshäufigkeit der Suizidmethoden unterliegt zeitabhängigen, kulturellen und regionalen Einflüssen 7 Kohlenmonoxidvergiftung
7 Suizidgifte
7 Suizidörtlichkeit 7 Badewanne
7 Stromtod
7 Häufigkeitsverteilung der Suizidmethoden
Die Vorkommenshäufigkeit der einzelnen Suizidmethoden unterliegt zeitabhängigen, kulturellen und regionalen Einflüssen. Der gesellschaftliche Wandel kommt auch in der Verfügbarkeit bestimmter Suizidmittel zum Ausdruck, was sich besonders gut anhand der 7Kohlenmonoxidvergiftung zeigen lässt: Das Leuchtgas, das in der Zeit nach dem 2. Weltkrieg als Vergiftungsquelle eine herausragende Rolle gespielt hat, ist seit langem durch das CO-freie Erdgas ersetzt. Seither werden nichtakzidentelle Kohlenmonoxidvergiftungen meistens durch Einleitung von Auspuffgasen in das Fahrzeuginnere herbeigeführt. Ein vergleichbarer Panoramawandel ist auch bei anderen 7Suizidgiften zu registrieren: Die autoptisch verifizierten Arsenikvergiftungen sind drastisch zurückgegangen, ebenso die vor dem 2. Weltkrieg häufig beobachteten Intoxikationen durch ätzende und lokal irritierende Substanzen (Säuren, Laugen, bestimmte Metallsalze, Phenol und seine Derivate). In den 50er- und 60er-Jahren des vorigen Jahrhunderts wurde E 605 (Parathion), ein Insektizid aus der Substanzklasse der Phosphorsäureester, so häufig als Suizidmittel und zur Begehung von Giftmorden benutzt, dass man geradezu von einer „E-605Mode“ sprach. Auch das Spektrum der Medikamentenvergiftungen hat sich in der jüngeren Vergangenheit geändert (Abnahme der Barbituratintoxikationen, zunehmende Verwendung von trizyklischen Antidepressiva, Neuroleptika und parenteral zugeführten Insulinpräparaten als Suizidmittel). Eine 7Suizidörtlichkeit, die seit etwa 3 Jahrzehnten wachsende Bedeutung erlangt hat, ist die 7Badewanne [33]. Neben herkömmlichen Begehungsarten (z. B. Zufügung von Pulsaderschnitten, Halsschnitten oder Herzstichen) begegnet man zunehmend kombinierten Selbsttötungen durch überdosierte Arzneimittel-/Alkoholzufuhr und nachfolgendes Ertrinken im Badewasser. Der mehrheitlich von Frauen als Suizidmethode gewählte 7Stromtod in der Wanne wirft erhebliche diagnostische Probleme auf, da elektrothermische Hautläsionen in Form von Strommarken sehr häufig fehlen. Die Stromeinwirkung kann in solchen Fällen oft nur indirekt aus den elektrotechnischen Gegebenheiten des Falles erschlossen werden. Aus kriminalistischer Sicht muss bei Stromtodesfällen im Badezimmer immer auch an die Möglichkeit eines Unfalles oder eines Tötungsdeliktes gedacht werden. Regionale Unterschiede in der 7Häufigkeitsverteilung der Suizidmethoden lassen sich z. T. durch Besonderheiten der Bebauung und der Verkehrsmittel erklären [6, 32]: So findet man „U-Bahn-Selbstmorde“ naturgemäß nur in großstädtischen Ballungsräumen; suizidale Stürze aus der Höhe kommen in Städten mit mehrgeschossigen Gebäuden vor, aber auch an Orten mit hohen Einzelbauwerken (Talbrücken, Aussichtstürme etc.) oder an tiefen Abgründen (Klippen, Felsabbrüche). In der Nähe von natürlichen Gewässern (Flüsse, Teiche, Seen) zählt das Ertrinken zu den bevorzugten Selbsttötungsmethoden, was in ortstypischen Redewendungen bei Suizidankündigungen zum Ausdruck kommen kann (man wolle „ins Wasser gehen“). In ländlichen Regionen mit einer großen Dichte an jagdlich verwendeten Schusswaffen werden diese verständlicherweise auch häufig zur Selbsttötung eingesetzt („sich die Kugel geben“).
Suizid unter Einfluss von Drogen Ein hoher Prozentsatz der Suizidenten steht zum Zeitpunkt der Tatbegehung unter Alkoholeinfluss. Nach einer Untersuchung an einem großen Kollektiv von Erhängten [20] wie-
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Weiterbildung · Zertifizierte Fortbildung sen 45 der Männer und 7 der Frauen BAK-Werte >0,3 auf (Durchschnittswert der Alkoholpositiven 1,5). Am größten ist der Anteil der Alkoholisierten im 3.–5. Dezennium. Eine Alkoholisierung mäßigen Grades wird im Zusammenhang mit Suizidhandlungen auch als 7„Courage-Dosis“ bezeichnet. Nach der Definition des Bundeskriminalamtes werden bei 7Betäubungsmittel-Konsumenten auch die „Selbsttötungen aus Verzweiflung über die Lebensumstände oder unter Einwirkung von Entzugserscheinungen“ unter dem Begriff des 7„Drogentodes“ subsumiert [26]. Die Abgrenzung zwischen ungewollt letal verlaufenden Überdosierungen und intendierten Suizidhandlungen („goldener Schuss“) ist schwierig oder ganz unmöglich, wenn nicht die äußeren Umstände (entsprechende Ankündigung, Abschiedsbrief etc.) einen diesbezüglichen Hinweis geben. Ähnlich wie bei Selbsttötungen durch überdosierte Medikamentenzufuhr muss damit gerechnet werden, dass verdachtsbegründende Utensilien von Mitbewohnern oder Angehörigen beseitigt werden, noch bevor der Leichenschauarzt den Verstorbenen untersuchen kann. Nicht selten werden Drogentote an eine andere Stelle verbracht und dort abgelegt („Dumping“), um den eigentlichen Sterbeort geheim zu halten und polizeiliche Ermittlungen in der Drogenszene zu erschweren. Manche Drogen mit psychodelischer Wirkung wie LSD, Meskalin und Psilocybin modifizieren und steigern das emotionale Erleben und die Sinneseindrücke, lösen Illusionen und Halluzinationen aus oder verändern das Raum-, Zeit- und Körperempfinden; mitunter rufen sie auch Omnipotenzgefühle hervor, die von tödlichen Unfällen gefolgt sind (z. B. Sturz aus der Höhe unter dem Eindruck, fliegen zu können). Auch in solchen Fällen ist die Abgrenzung zwischen Unfall und (drogeninduzierter) Suizidhandlung problematisch.
7 „Courage-Dosis“ 7 Betäubungsmittel-Konsumenten 7 „Drogentod“
Suizid im Straßenverkehr Auf die Benutzung von 7Kraftfahrzeugen als Suizidmittel wurde schon hingewiesen. Die Selbsttötung durch Einleiten von Auspuffgasen ins Wageninnere oder durch Laufenlassen des Motors in einer geschlossenen Garage hat seit der flächendeckenden Ausrüstung mit Katalysatoren zahlenmäßig abgenommen. Eine andere Begehungsart besteht darin, dass die Suizidenten absichtlich einen tödlichen Verkehrs-„Unfall“ herbeiführen. Man schätzt, dass bei mindestens 1 der Todesfälle im Straßenverkehr (ohne Fußgänger) ein suizidaler Hintergrund vorliegt [10]. Darüber hinaus ist mit einem erheblichen Dunkelfeld zu rechnen, da bei mutmaßlichen Alleinunfällen nicht selten auf eine Obduktion und auf die Einholung eines technischen Sachverständigengutachtens verzichtet wird. Ein Suizid im Straßenverkehr ist immer dann in Erwägung zu ziehen, wenn ein Fahrzeug ohne erkennbare äußere Ursache und ohne Reaktion des Lenkers mit hoher Geschwindigkeit gegen ein festes Hindernis, in den entgegenkommenden Schwerverkehr, in ein tiefes Gewässer oder in einen Abgrund gesteuert wird. Für einen Suizid können sprechen: ein Abschiedsbrief, Selbstmordankündigungen, wirtschaftliche und persönliche Schwierigkeiten, das Fehlen von Brems- und Schleuderspuren. In der rechtsmedizinischen Literatur finden sich zahlreiche Berichte über ganz ungewöhnliche Formen der Selbsttötung unter Zuhilfenahme eines Kraftfahrzeuges. Für geplante Methodenkombinationen, die auf eine besonders weitgehende Destruktion des eigenen Körpers abzielen, wurde der Terminus 7„Suizidexzess“ vorgeschlagen [16]. Differenzialdiagnostisch sind die Selbsttötungen in/mit Kraftfahrzeugen von echten Verkehrsunfällen, aber auch vom natürlichen Tod am Steuer und von Fremdtötungen (mit versuchter Verschleierung durch Inszenierung eines Pseudoverkehrsunfalles) abzugrenzen [29].
7 Kraftfahrzeuge
Schätzungsweise liegt bei mindestens 1% der Todesfälle im Straßenverkehr ein suizidaler Hintergrund vor
7 „Suizidexzess“
Suizidbegehung in Krankenanstalten Auch die Suizidbegehung in Krankenanstalten und Betreuungseinrichtungen verdient gesonderte Erwähnung [23]. Man schätzt, dass etwa 3 aller Selbsttötungen von Patienten in stationärer Behandlung verübt werden. Davon entfällt etwa die Hälfte auf Menschen, die sich in psychiatrischen Einrichtungen befinden (darunter besonders viele Patienten mit Psychosen des schizophrenen Formenkreises und mit endogenen Depressionen). Im
Etwa 3% aller Selbsttötungen werden von Patienten in stationärer Behandlung verübt
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nichtpsychiatrischen Krankengut dominieren die Suizidenten mit Malignomen. Bevorzugte Methoden der Tatbegehung sind der Sturz aus großer Höhe (z. B. aus dem Fenster eines oberen Stockwerkes) oder das Erhängen.
Suizide in Polizeigewahrsam und in Justizvollzugsanstalten
Bei jedem Sterbefall im Strafvollzug oder Polizeigewahrsam ist eine autoptische Abklärung indiziert
Eine spezielle Fallgruppe stellen die Suizide im Polizeigewahrsam und in Justizvollzugsanstalten dar [30]. Der Altersgipfel dieses Kollektivs, das sich fast ausschließlich aus Männern zusammensetzt, liegt im 3. Lebensjahrzehnt. Mehrere Studien kamen zu dem Schluss, dass Suizide besonders häufig während der Untersuchungshaft und zu Beginn des Strafvollzugs vorkommen. Die bevorzugte Methode der Tatbegehung ist das Erhängen, wobei die in einer Zelle verfügbaren Gegenstände wie Bettlaken oder Kleidungsstücke als Strangwerkzeuge verwendet werden. Die Befestigung der Schlinge erfolgt z. B. an einem Fensterriegel, Gitterstab oder Heizungsrohr. Seltener werden suizidale Intoxikationen oder vollendete Selbsttötungen durch scharfe Gewalt beobachtet. Bei jedem Sterbefall im Strafvollzug oder Polizeigewahrsam ist eine autoptische Abklärung indiziert. Dabei werden neben Suiziden, unfallbedingten Traumen (sub-/epidurale Hämatome!) und Verletzungen durch fremde Hand auch natürliche Todesursachen (z. B. ischämische Herzkrankheit, Myokarditis) nachgewiesen.
Suizide im Wasser
Bei Selbsttötungen in der Badewanne und in natürlichen Gewässern sind Frauen überrepräsentiert
Tatsächliche oder vermeintliche Suizide im Wasser stellen hohe Ansprüche an den Untersucher, auch wenn man von den oben erwähnten Badewannentodesfällen absieht [34]. Bei Selbsttötungen in der Badewanne und in natürlichen Gewässern sind Frauen überrepräsentiert. Die Unterscheidung zwischen Suizid, Unfall, Fremdtötung und natürlichem Tod im Wasser kann – nicht nur nach längerer Postmortalzeit – schwierig sein. Fesselungen kommen sowohl bei Suiziden als auch bei Fremdtötungen vor, ebenso Gewichte (Steine, Hanteln etc.), die den Körper beschweren und ein Auftauchen verhindern sollen. Manchmal spricht die Anwesenheit von Probierschnitten oder -stichen für eine (sekundär kombinierte) Suizidhandlung. Begleitverletzungen durch das initiale Hineinstürzen ins Wasser, durch Anstoßen an Hindernissen und durch Treiben über dem Grund eines Fließgewässers können die Unterscheidung zwischen Selbsttötung, Fremdtäterschaft und Unfall zusätzlich erschweren. Die meisten Suizidenten, die sich im Freien ertränken, sind vollständig bekleidet. In vielen Fällen besteht eine erhebliche Alkoholisierung.
Selbstverbrennung
Der Anteil psychotischer Patienten ist besonders hoch
7 „Mordbrand“
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Die suizidale Selbstverbrennung hat, verglichen mit früheren Jahrzehnten, zahlenmäßig zugenommen [28]. Während in den 60er- und 70er-Jahren des vorigen Jahrhunderts die Selbstverbrennung ein Mittel des politischen Protestes darstellte und Nachahmungstaten zur Folge hatte, lassen die meisten gegenwärtigen Suizidhandlungen keinen politischen oder religiösen Hintergrund erkennen. Wie bei anderen Selbsttötungen mit außergewöhnlichen Methoden ist der Anteil psychotischer Patienten besonders hoch. Im Regelfall benutzen die Suizidenten einen Brandbeschleuniger (Benzin, Spiritus, Terpentin etc.). Aus der Vorgeschichte sind oft Suizidversuche bekannt. Die Verbrennungen sind typischerweise an der oberen Körperhälfte stärker ausgeprägt als an den unteren Gliedmaßen, was sich durch eine anfänglich aufrechte Haltung erklären lässt. Die COHb-Konzentration kann auch bei eindeutig vitalen Verbrennungen sehr niedrig sein; COHb-Werte >30 sind selten. Die Selbstverbrennung kann mit anderen Suizidmethoden (z. B. Stich- oder Schnittwunden, Sturz aus der Höhe, Kopfschuss, Erhängen) kombiniert werden [4]. Aus forensischer Sicht steht die Unterscheidung zwischen unfallbedingter Verbrennung, Selbstverbrennung, Brandmord und Mordbrand im Vordergrund [18]. Fremdtötungen durch Verbrennen („Brandmorde“) werden entweder durch direktes In-Brand-Setzen bzw. durch Verbrühen des Opfers verübt oder dadurch, dass ein Gebäude/Fahrzeug mit Tötungsvorsatz in Brand gesteckt wird. Davon abzugrenzen sind Fälle von 7„Mord-
Weiterbildung · Zertifizierte Fortbildung brand“; man versteht darunter eine vorsätzliche Tötung mit dem anschließenden Versuch, durch Legen von Feuer die Spuren des Verbrechens und soweit wie möglich auch das Opfer zu beseitigen.
Strangulation Der Tod durch Erhängen wird oft zu einseitig mit Suizidhandlungen in Zusammenhang gebracht. Akzidentelle Selbsterhängungen (z. B. im Kindesalter oder bei autoerotischer Betätigung) sind zwar in Fachkreisen bekannt, können aber von Leichenschauärzten übersehen werden, wenn die Auffindesituation nicht eindeutig ist oder nachträglich verändert wurde. Das Erhängen/Aufhängen im Rahmen oder im Gefolge von Fremdtötungen ist in der deutschsprachigen Literatur seit langem bekannt. Es wurde geschätzt, dass auf 1000 Erhängungssuizide 1 Fall von Fremdtötung kommt [25]. Auch bei Homiziden ist ein vitales Erhängen möglich: entweder als primäre Tötungshandlung oder sekundär, wenn die andersartige initiale Einwirkung zum Zeitpunkt der Suspension (noch) nicht zum Tod geführt hat. Die Meinung, dass eine Erhängung durch fremde Hand nur bei einem erheblichen Kräftemissverhältnis zwischen Täter und Opfer oder bei einer vorbestehenden Beeinträchtigung des Betroffenen (z. B. durch Alkohol oder Drogen) möglich sei, ist nicht uneingeschränkt gültig. „Typische“ Erhängungssituationen (symmetrischer Strangmarkenverlauf und Knotenposition in der hinteren Mittellinie, freie Suspension des Körpers) werden in Fällen von Fremdtötung unverhältnismäßig häufig angetroffen. Zu den möglichen Hinweiszeichen auf eine Fremdtäterschaft zählen u. a.: erhängungsunabhängige Verletzungsspuren am Hals (Drosselmarke, Würgespuren) und am übrigen Körper, Kampf- und Schleifspuren, bedenkliche Auffindesituation (fehlende Aufstiegsmöglichkeit bei freier Suspension, zu kurze Distanz zwischen Hals und Aufhängungspunkt, Zugrillen vom Hochziehen des Körpers). Erhebliche diagnostische Schwierigkeiten kann auch die Unterscheidung zwischen suizidaler und homizidaler 7Drosselung bereiten [14]. Neben allgemein-kriminalistischen Gesichtspunkten (unverdächtige Schließverhältnisse, Abschiedsbrief, fehlende Kampfspuren) können folgende Feststellungen für die Möglichkeit einer Selbsterdrosselung sprechen: abseits der Drosselmarke keine weiteren Halsverletzungen, keine Hinweise auf eine vorausgegangene körperliche Überwältigung, keine Deckungsverletzungen, Drosselwerkzeug in zusammengezogenem Zustand am Hals). Eine Mehrzahl von Drosselwerkzeugen und/oder eine Mehrfachverknotung oder die Verwendung eines Knebels schließen eine Selbsttäterschaft ebenso wenig aus wie die Einklemmung von Haaren oder Halsschmuck. Die zusätzliche Anwesenheit von eindeutigen Probierschnitten/-stichen stützt die Annahme eines (sekundär kombinierten) Suizids. Die Stauungszeichen sind bei Selbsterdrosselung meist besonders intensiv (Dunsung, Zyanose, petechiale Blutungen oberhalb des Drosselungsniveaus). Andererseits kann die nach Entfernung des Drosselwerkzeugs sichtbare Hautmarke sehr unscheinbar sein; mitunter beschränkt sich der Lokalbefund auf eine zirkuläre Aussparung der Totenflecke [24]. Brüche des Kehlkopfgerüstes sind bei Selbsterdrosselungen sehr selten.
7 Drosselung
Scharfe Gewalt Verletzungen durch scharfe Gewalt kommen bei Suizidversuchen wesentlich häufiger vor als bei vollendeten Selbsttötungen. Suizidale Stichwunden sind ganz überwiegend in der Präkordialregion lokalisiert, wobei die Zahl der dort vorliegenden Verletzungen sehr stark variieren kann (von einem singulären Bruststich bis zu mehr als 100 Einzelläsionen). Oft finden sich zusätzlich weitere Verletzungen durch scharfe Gewalt (Pulsader- und/oder Halsschnitte). Als typisch für eine Selbstbeibringung gelten folgende morphologische Kriterien [11]: Lokalisation in der Herzgegend, gruppierte Anordnung der Einzelläsionen mit weitgehend parallelen Wundachsen, Anwesenheit seichter Zauderstichverletzungen, Kombination mit Probierschnitten, Fehlen von Abwehr- und Deckungsverletzungen. Während die 7Durchstechung der Kleidung in einigen älteren Lehrbüchern als deutlicher Hinweis auf eine Fremdtäterschaft gewertet wurde, ist heute allgemein anerkannt,
Suizidale Stichwunden sind ganz überwiegend in der Präkordialregion lokalisiert
7 Durchstechung der Kleidung
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Abb. 2 8 Suizid eines 26-jährigen Mannes, der unter Verfolgungsideen litt, aber nicht in psychiatrischer Behandlung stand. Zufügung von multiplen Stich- und Schnittverletzungen (a) mit einem Küchenmesser (c) aus der elterlichen Wohnung. Mehrfache Durchstechung von T- und Sweatshirt im unteren Brust- und angrenzenden Oberbauchbereich. Gruppierte Einstiche mit achsenparallelen Wundkanälen in der linken unteren Brustregion und im Epigastrium, singulärer „Probierstich“ oberhalb des rechten Rippenbogens (b). Keine Verletzung von Brustorganen, aber Anstechung der Leber. Mehrere quer oder schräg verlaufende, durchweg seichte Schnittwunden an den Vorderseiten der Unterarme (e, f). Tief reichende, klaffende Schnittwunde an der Halsvorderseite (d) mit spitz zulaufenden Einkerbungen des linken Wundwinkels (als Beleg dafür, dass die Schneide im Wundspalt hin und her bewegt wurde). Tod durch massiven Blutverlust in Verbindung mit Blutaspiration und venöser Luftembolie
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dass die „Regel“ von der Entblößung der Brusthaut beim Suizid viele Ausnahmen kennt (. Abb. 1, 2). Gerade bei psychotischen Patienten kommt die Durchstechung von Kleidungsstücken keineswegs selten vor. Das Tatwerkzeug wird üblicherweise unweit der Leiche angetroffen (. Abb. 3), kann aber auch im Körper stecken oder – bei länger erhalten gebliebener Aktionsfähigkeit – vom Suizidenten selbst beiseite geschafft worden sein. Hin und wieder sind suizidale Stiche auch im Halsbereich (. Abb. 3), in der Oberbauchregion, in der Leistengegend oder an den Armen lokalisiert. Bei hochgradig atypischen Suizidhandlungen (z. B. Nackenstich) kann die Abgrenzung von Fremdtötungen im Einzelfall schwierig sein. Auch in Bezug auf Schnittverletzungen lassen sich die oben genannten Kriterien mutatis mutandis zur Differenzierung von Selbst- und Fremdtötungen heranziehen. Prädilektionsstellen für suizidale Schnittwunden sind die Vorderseiten der distalen Unterarme und der Hals. Neben „klassischen“ Befundkonstellationen mit einer Vielzahl achsenparalleler, gleichmäßig seichter Probierschnitte gibt es ausnahmsweise auch Selbsttötungen mit nur einer tief reichenden Gewebsdurchtrennung, wobei mehrere Ausläufer im Bereich der Wundwinkel anzeigen können, dass die Klinge wiederholt hin und her bewegt wurde (. Abb. 2). Sowohl an den Unterarmen als auch am Hals sind quere und schräge Verläufe möglich. Manche Suizidenten fügen sich sogar Schnitte in der Längsachse des
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Abb. 3 8 Auffindungsort eines 52-jährigen Suizidenten in der nicht mit Wasser gefüllten Badewanne (a). Trotz reichlicher Blutantragungen im Wanneninneren ist das Spurenbild insgesamt „ruhig“. Am Wannenrand ist das zur Tatbegehung benutzte Tranchiermesser (b) abgelegt. An der rechten (c, d) und linken (e) Halsseite jeweils 2 benachbarte, tief reichende Stichwunden mit Verletzungen des Rachens und Zungengrundes. Drei weitere Stiche am Übergang von der linken vorderen Brustwand zum Oberbauch (davon 2 oberflächliche Probierstiche und 1 penetrierender Bauchstich). Tatmotiv: Zustand nach operativer Resektion eines malignen Gehirntumors, gravierende neurologische Symptomatik. Am ehemaligen Aufbewahrungsort des Tatmessers wurde ein handgeschriebener Abschiedsbrief aufgefunden
Armes zu. Bei etwa der Hälfte aller Suizidenten mit Pulsaderschnitten sind diese an beiden Unterarmen lokalisiert, in den übrigen Fällen meist an jener Seite, die der Gebrauchshand gegenüberliegt (also mehrheitlich links). Bei suizidalen Halsschnitten bleibt die Kleidung in der Regel unbeschädigt. Nicht selten wird die Tat in der leeren oder wassergefüllten Badewanne verübt (. Abb. 3).
Schussverletzungen Schusswaffen sind in Deutschland und in anderen Ländern mit restriktiven Waffengesetzen nicht für jeden Suizidwilligen verfügbar. Es verwundert daher nicht, dass andere Selbsttötungsmethoden wie das Erhängen oder die Medikamentenintoxikation in der Häufigkeitsskala vor dem Erschießen rangieren. Erfahrungsgemäß ist die medizinische Beurteilung von Schussverletzungen besonders fehleranfällig – nicht zuletzt wegen der großen Variabilität und Komplexität der Schussbefunde, die selbst für Experten manchmal schwer zu interpretieren sind [22]. In öffentlichkeitswirksamen Fällen wird die Frage der Selbst- oder Fremdbeibringung von Schussverletzungen immer wieder kontrovers diskutiert; als Beispiele aus der jüngeren Vergangenheit seien die Selbsttötungen der RAF-Aktivisten Baader und Grams genannt. In Anbetracht der großen Vielfalt suizidaler Schussverletzungen können die im Folgenden genannten Kriterien [13] nur eine grobe Orientierungshilfe darstellen. Einschusslokalisation. Als suizidtypisch gelten die Schläfenregion (rechts häufiger als links, keine strenge Korrelation mit der Händigkeit), der Mund (intraorale Schussabgabe), die Herzgegend (in 4 von 5 suizidalen Brustschüssen wird der Einschussbereich nicht entblößt), die Stirnregion, die Submentalregion („Mundbodenschüsse“). Bei Verwendung von Langwaffen kommen Schläfenschüsse seltener und Brustschüsse häufiger
Als suizidtypisch gelten die Schläfenregion, der Mund, die Herzgegend, die Stirnregion, die Submentalregion
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vor als bei Faustfeuerwaffen. Viehbetäubungsapparate werden – so wie bei Schlachttieren – meist in der Stirnregion aufgesetzt. Treffer im Oberbauchbereich werden meist als „verrutschte Herzschüsse“ aufgefasst. Zu den „atypischen“ suizidalen Einschusslokalisationen zählen die Hinterhaupts-, Nacken- und Scheitelregion, wobei Letztere bei Bolzenschüssen durchaus zu den oft gewählten Einschussörtlichkeiten gehört (. Abb. 1). Hin und wieder werden auch Schüsse in das Ohr oder in ein Auge beobachtet; grundsätzlich kann der Einschuss in allen mit der eigenen Hand erreichbaren Körperregionen gelegen sein.
Üblicherweise findet man die Zeichen des absoluten Nahschusses
7 Mehrfachschussverletzungen
Schussentfernung. Der Suizident gibt den Schuss im Regelfall mit aufgesetzter Waffenmündung ab. Dementsprechend findet man üblicherweise – von intraoralen Schüssen abgesehen – die Zeichen des absoluten Nahschusses (Schmauchhöhle, Stanzmarke und evtl. sternförmige Hautaufplatzung). Interponierte Textilien können, vor allem bei Brustschüssen, den Befund modifizieren und trotz aufgesetzter Mündung zu einer externen Beschmauchung rund um den Einschuss führen. Äußere Schmauchantragungen sind auch bei fast/ locker/inkomplett aufgesetzten Waffen („near/loose/incomplete contact“) oder bei verkanteter Mündung („angled contact“) möglich. Selbstverständlich beweist ein absoluter Nahschuss, selbst wenn er in einer „suizidtypischen“ Körperregion lokalisiert ist, für sich allein noch keine Selbsttötung: So können Schläfen-, Stirn- und Submentalschüsse auch exekutionsartig von fremder Hand zugefügt werden, etwa an wehrlosen Opfern (Geiseln). Suizidale Schüsse aus größerer Entfernung sind mit Hilfe spezieller Vorkehrungen möglich (z. B. Fixierung der Waffe in einem Schraubstock, Betätigen des Abzugs mit einem Bindfaden). Zahl der Treffer. Bei fraglichen Suiziden mit mehr als einer Schussverletzung ist zu prüfen, ob die primär gesetzte Verletzung ein Fortdauern oder Wiedereinsetzen der Aktionsfähigkeit zugelassen hat. Unter dieser Voraussetzung sind Selbsttötungen mit 2 oder mehr Schüssen in die Brust (bzw. in die angrenzende Bauchregion), in den Kopf oder in Brust und Kopf möglich. Gründe für das Erhaltenbleiben der Handlungsfähigkeit nach einer Gehirnschussverletzung sind vor allem die Verwendung energiearmer Munition und/oder ein Schusskanalverlauf, der die „targets of immediate incapacitation“ verschont [12]; meist ist in solchen Fällen entweder nur das Stirnhirn oder einer der Schläfenlappen betroffen. Als weitere Ursachen von suizidalen 7Mehrfachschussverletzungen kommen in Betracht: primäre Streifschüsse oder Gliedmaßentreffer, Verwendung automatischer Waffen, simultanes Abfeuern zweier Waffen oder zweier Läufe, das Auftreten von „Tandem-Geschossen“ (ein mattes, im Lauf stecken gebliebenes Geschoss wird durch das nächste ausgetrieben) und das so genannte „Doppeln“ (ungewolltes Abfeuern von mehr als 1 Schuss bei 1-maliger Betätigung des Abzugs infolge Störung des Unterbrechermechanismus). Schusskanalverlauf. Die Frage, ob ein vorgefundener Schusskanalverlauf mit der Annahme einer eigenhändigen Schussabgabe kompatibel ist, lässt sich nicht generell, sondern nur in Abhängigkeit von der Tatwaffe (Lang- oder Faustfeuerwaffe), der Waffenhaltung, der eingenommenen Körperposition und der Art, wie der Abzug betätigt wurde, beantworten.
7 Schusshand 7 Haltehand
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Befunde an den Händen. Nicht selten kommen bei Suizidenten beide Hände zum Einsatz: die 7Schusshand im eigentlichen Sinn (mit dem Zeigefinger oder Daumen am Abzug) und die 7Haltehand, mit der die Laufmündung positioniert und festgehalten wird (meist durch zirkuläres Umfassen des Laufendes). Wichtig ist in jedem Fall die sorgfältige Sicherung und Dokumentation aller Schusshandbefunde, wobei Art und Umfang des Nachweises von Rückständen des Zünd- und/oder Treibsatzes vor der Sektion mit dem Auftraggeber und den kriminaltechnischen Sachbearbeitern abgeklärt werden sollten. Bezüglich der technischen Durchführung solcher Untersuchungen und der Ergebnisinterpretation muss auf die einschlägige Spezialliteratur verwiesen werden [13]. Rückschleuderspuren von Bluttröpfchen und Gewebspartikeln („backspatter“) sind nur relativ selten an der Schusshand eines Suizidenten zu finden (nach Di Maio in weniger als 5 der Fälle [7]). Verletzungen durch das zurückgleitende Verschlussstück gehören zu den Raritäten. Dass Schusswaffen in der Hand des Suizidenten verbleiben können, wurde schon an anderer Stelle erwähnt.
Weiterbildung · Zertifizierte Fortbildung Schlusswort Im Rahmen dieses Beitrags konnten nur wenige Facetten des komplexen Problemfeldes „Suizid“ beleuchtet werden. Die rechtsmedizinische Diagnostik in fraglichen Suizidfällen ist eine anspruchsvolle Tätigkeit, die neben einem umfangreichen Wissen und Können auch viel Berufserfahrung erfordert. Gerade der erfahrene Sachverständige ist sich der vielfältigen Fehldeutungsmöglichkeiten bewusst und strebt daher eine ganzheitliche Sicht des Falles unter Einbeziehung der kriminalistischen Umstände an.
Korrespondierender Autor Prof. Dr. S. Pollak Institut für Rechtsmedizin, Universitätsklinikum Freiburg, Albertstraße 9, 79104 Freiburg E-Mail:
[email protected] Interessenkonflikt: Der korrespondierende Autor versichert, dass keine Verbindungen mit einer Firma, deren Produkt in dem Artikel genannt ist, oder einer Firma, die ein Konkurrenzprodukt vertreibt, bestehen.
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Weiterbildung··Zertifizierte Zertifizierte Fortbildung Weiterbildung Fortbildung Bitte beachten Sie: Antwortmöglichkeit nur online unter: cme.springer.de Die Frage-Antwort-Kombinationen werden online individuell zusammengestellt. Es ist immer nur eine Antwort möglich.
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Welche Aussage zu den Themen Leichenschau und Suizidhäufigkeit trifft nicht zu? Der Suizid ist eine der Kategorien des nichtnatürlichen Todes im Sinne des § 159 StPO. Die in den Landesgesetzen vorgesehene Meldung eines nichtnatürlichen Todesfalles an die Polizei ist nur bei erwiesenem Fremdverschulden verpflichtend. Die Zahl der vollendeten Suizide ist in Deutschland höher als die Zahl der Todesfälle im Straßenverkehr. Die Suizidziffer der Männer ist wesentlich höher als jene der Frauen. Die Gefahr, dass suizidale Arzneimittelintoxikationen bei der Leichenschau verkannt werden, ist bei alten Menschen besonders hoch. Welche Aussage zu besonderen Suizidformen trifft nicht zu? Bei kombinierten Suiziden kommt mehr als eine Suizidmethode zur Anwendung. Bei sekundär kombinierten Suiziden stehen Pulsaderschnitte oft am Anfang der Tathandlung. Ein Doppelsuizid liegt vor, wenn 2 Menschen einvernehmlich und gemeinsam aus dem Leben scheiden. Viehbetäubungsapparate sind ein berufstypisches Suizidmittel bei Metzgern, Landwirten und Schlachthausarbeitern. Die Simulation eines Erhängungssuizids zur Verdeckung eines Tötungsdeliktes ist ausgeschlossen.
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Fragen zur Zertifizierung Welche Aussage zu den Kapiteln Intoxikation und Selbstverbrennung trifft nicht zu? Parathion ist ein Insektizid, das auch als Suizidmittel benutzt wird und dessen Toxizität auf der Inhibition der Azetylcholinesterase beruht. Nach der Definition des Bundeskriminalamtes werden Selbsttötungen von Btm-Konsumenten aus Verzweiflung über die Lebensumstände oder unter Einwirkung von Entzugserscheinungen zu den Drogentodesfällen gezählt. Suizidale Selbstverbrennungen werden meist mit Hilfe von Brandbeschleunigern durchgeführt. Bei Selbstverbrennungen sind COHb-Werte < 30% die Regel. Eine Selbstverbrennung kann nicht mit einer anderen Suizidmethode kombiniert werden. Welche Aussage zu kriminalistisch bedeutsamen Todesumständen ist falsch? Stromtodesfälle in der Badewanne können suizidal, akzidentell oder homizidal sein. Der Ausdruck „Courage-Dosis“ bezeichnet eine mäßiggradige Alkoholisierung zum Zeitpunkt der Suizidbegehung. Selbstfesselungen im Rahmen von Suizidhandlungen sind ausgeschlossen. Suizide im Polizeigewahrsam und Strafvollzug werden mehrheitlich durch Erhängen begangen. Ein Suizid durch Ertrinken wird üblicherweise in bekleidetem Zustand verübt.
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Welche Aussage zu Strangulationsfällen ist unrichtig? Ein Erhängungssuizid kann durch Beseitigung des Strangwerkzeuges und/oder Anlegen einer Kinnbinde dissimuliert werden. Bei suspendierten Leichen mit erhängungsunabhängigen Halsverletzungen besteht der Verdacht einer Fremdtötung. Selbsterdrosselung mit einer Mehrzahl von Drosselwerkzeugen ist unmöglich. Bei Selbsterdrosselungen sind oberhalb der Drosselmarke deutliche Stauungszeichen zu erwarten. Eine zur Selbstdrosselung verwendete Schlinge kann mit Hilfe eines Knebels (Querholz) in festgezogenem Zustand gehalten werden. Welche Aussage zu Stichwunden trifft nicht zu? Die Zufügung von Stichen durch die Kleidung beweist eine Fremdtötung. Bei einem suizidalen Herzstich kann das Tatmesser im Körper zurückgelassen werden. Nach Selbstbeibringung einer Herzstichverletzung kann die Aktionsfähigkeit noch kurze Zeit erhalten bleiben. Bei suizidalen Stichen kann neben der Präkordialregion auch der benachbarte Oberbauch betroffen sein. Stichwunden im Halsbereich schließen eine Selbsttäterschaft nicht aus.
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Welche Aussage zu Schnittwunden ist unrichtig? Suizidale Pulsaderschnitte verlaufen ausschließlich quer zur Längsachse des Unterarmes. Eigenhändig zugefügte Schnittwunden sind oft an beiden Unterarmen lokalisiert. Die Kombination von suizidalen Pulsader- und Halsschnitten ist möglich. Selbstverletzungen durch Schnitte können demonstrativ-appellativen Charakter haben. Bei tiefreichenden Halsschnitten können neben dem Blutverlust auch eine Blutaspiration und eine venöse Luftembolie todesursächlich sein. Welche der folgenden Aussagen zur Einschusslokalisation ist unzutreffend? Die Stirn zählt zu den suizidtypischen Einschussregionen. Bei suizidalen Herzschüssen wird meistens auf eine Entblößung der Brusthaut verzichtet. Die Mundhöhle gehört bei Suiziden zu den bevorzugten Einschussregionen. Suizidale Nacken- und Hinterhauptsschüsse sind unmöglich. Bei Bolzenschüssen gehört die Scheitelgegend zu den bevorzugten Einschussregionen.
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Welche Behauptung zu suizidalen Schussverletzungen ist unrichtig? Die eigenhändige Zufügung einer Schussverletzung mit anschließendem Hineinfallen in eine umgelegte Erhängungsschlinge stellt eine primär kombinierte Selbsttötung dar. Jede Herzschussverletzung führt zu schlagartig einsetzender Aktionsunfähigkeit. Suizidhandlungen mit simultanem Abfeuern von 2 Schusswaffen gegen den Kopf sind möglich. In der Regel wird bei einem Suizid durch Schläfenschuss die Waffenmündung aufgesetzt. Das Vorliegen einer Stanzmarke und einer Schmauchhöhle beweist einen absoluten Nahschuss. Welche Aussage zur eigenhändigen Schussabgabe ist unzutreffend? Die Haltehand des Suizidenten fixiert und positioniert die Tatwaffe am Einschussort. Daumen und Zeigefinger der Haltehand können sichtbare Beschmauchungen zeigen. Feine Blutspritzer an der Schusshand des Suizidenten sind nicht immer nachzuweisen. Ein absoluter Nahschuss kommt nur bei Suizidhandlungen vor. Die Tatwaffe kann in der Hand des Suizidenten verbleiben.
In dieser Rubrik sind in 2005 folgende Beiträge geplant oder bereits erschienen: Heft 1: Alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit. Teil 1 Heft 2: Alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit. Teil 2 Heft 3: Gewahrsamstauglichkeit, Vernehmungsfähigkeit, Verhandlungsfähigkeit Heft 4: Rechtsmedizinische Aspekte des Suizids Heft 5: Schütteltrauma. ShakenBaby-Syndrom (SBS) Heft 6: Postmortale Chemie Alle Fortbildungseinheiten sind für Abonnenten kostenfrei verfügbar. Nähere Informationen finden Sie unter cme.springer.de
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