Gesellschaftsberichte Sitzungsbericht 1995 der Ophthalmologischen Gesellschaft in Wien Präsident: R. Menapace Schriftführer: C. Scholda
Sitzung vom 9..länner 1995 Vortrag
Hommer, A. (Wien): Carboanhydrasehemmer und Prostaglandine als neue, lokal zu applizierende Antiglaukomatosa
Obwohl heute bekannt ist, daß nicht nur ein erhöhter intraokularer Druck für die glaukomatösen Schäden am Sehnervenkopf verantwortlich ist, gilt das Hauptinteresse in der medikamentösen Behandlung der Entwicklung drucksenkender Augentropfen. Als wesentlicher Fortschritt ist die Entwicklung von zwei neuen lokal zu applizierenden Antiglaukomatosa, den topisch anwendbaren Karboanhydrasehemmern und den Prostaglandinen zu sehen. Topische Karboanhydrasehemmer: Systemische Karboanhydrasehemmer werden in der Glaukomtherapie seit mehr als 38 Jahren verwendet. Nebenwirkungen wie gastrointestinale Beschwerden, Parästhesien, Müdigkeit, Schwindel und Kopfschmerzen sowie Elektrolytverschiebungen beeinträchtigen die therapeutischen Möglichkeiten. Einige der systemischen Nebenwirkungen sind auf die Hemmung der ubiquitär im ganzen Körper als Schlüsselenzym vorkommenden Karboanhydrase zurückzuführen. Die ersten lokal zu applizierenden Karboanhydrasehemmer, wie Azetazolamid und seine Derivate scheiterten jedoch an der unzureichenden Penetration durch die Hornhaut und die damit verbundene insuffiziente Drucksenkung. Von den inzwischen sieben bekannten Karboanhydrasen ist die Karboanhydrase II für die Steuerung der Kammerwasserproduktion und Regulierung des Augeninnendruckes hauptverantwortlich. Die wesentlichen Ziele bei der Entwicklung eines topischen Kar waren daher: 1. die selektive Wirkung auf das-boanhydrsem Schlüsselenzym Karboanhydrase II, 2. dadurch möglichst geringe systemische Nebenwirkungen und 3. gute Drucksenkung in der Langzeittherapie. Drei Substanzen der Thienothiopyran-2-Sulfonamidgruppen wurden besonders untersucht. MK-507 (Dorzolamid, Handelsname Trusopt ® ) zeigte die besten pharmakokinetischen und drucksenkenden Eigenschaften. Bei dreimal täglicher lokaler Gabe von Dorzolamid war die Senkung mit ungefähr 22% etwas besser als mit Betaxolol (21%) und etwas schwächer als mit Timolol (25%). Als günstigste Konzentration erwies sich die 2%ige Lösung. Eine gute additive Drucksenkung mit zweimal täglicher Applikation zeigte sich bei bereits mit lokalen Betablockem vorbehandelten Patienten. Als Nebenwirkungen können Brennen, Stechen, Verschwommensehen, Tränen und lokaler Juckreiz auftreten. Diese Beschwerden waren kurzzeitig und führten nicht zu einem Abbruch der Therapie. Allergisch bedingte Bindehaut- und Lidreizungen traten bei ungefähr 5% der behandelten Patienten auf und bildeten sich durchwegs nach Absetzen der Therapie
wieder zurück. In ungefähr 20% der Fälle trat für wenige Minuten ein bitterer Geschmack auf, bedingt durch die Hemmung der Karboanhydrase auf der Zunge. Pupille und Akkomodation blieben unbeeinflußt. Systemische Nebenwirkungen im Sinne einer Hemmung der Karboanhydrase im Blut traten nicht auf. Es wurden auch keine Blutbildungsstörungen beobachtet. Indiziert sind dorzolamidhältige Augentropfen bei allen Glaukomformen, sowohl in der Monotherapie als auch in der Kombinationstherapie. Aufgrund unterschiedlicher Wirkmechanismen ist Additivität mit allen lokalen Antiglaukomatosa zu erwarten. Kontraindikationen sind Sulfonamidallergie, schwere Nierenfunktionsstörungen und Patienten mit einer Neigung zu Hornhautödemen. Zur Erhaltung der Transparenz der Hornhaut hat die Karboanhydrase eine wesentliche Funktion. Ob es hier zu einer negativen Beeinflussung durch die lokale Applikation kommt, ist derzeit nicht sicher auszuschließen. Ein möglicherweise günstiger Einfluß dieses lokalen Karboanhydrasehemmers auf die okuläre Perfusion ist Ziel weiterer Studien. Prostaglandine: Mit Latanoprost (PhXA41), einem synthetischen Prostaglandin, wird eine völlig neue medikamentöse Therapiemöglichkeit des Glaukoms intensiv erforscht. Latanoprost ist in der veresterten Form eine „prodrug", die in der Hornhaut durch die dort natürlich vorkommende Enzymesterase in die aktive Form umgewandelt wird. Die Senkung des intraokularen Druckes erfolgt über eine Steigerung des uveoskleralen Abflusses. Dieser ist für 10% des Kammerwasserabflusses verantwortlich. Die Kammerwasser wird dabei nicht signifikant reduziert. Auch auf die Blut -produktin keinen relevanten Einfluß. -KamerwschnktLaoprs Die Senkung des intraokularen Druckes beginnt 3-4 Stunden nach der Applikation, der Maximaleffekt ist nach 8-12 Stunden erreicht und dauert 24 Stunden an. Es hat sich bei Dosisfindungsstudien gezeigt, daß mit der Konzentration von 0,005% (50 ul/ml) und einer einmaligen abendlichen Gabe die optimale Drucksenkung zu erzielen ist. Dabei ist der drucksenkende Effekt in der Monotherapie mit Timolol b.i.d. zumindest gleichwertig, wenn nicht sogar etwas besser. In Kombinationsstudien konnte eine gute additive Drucksenkung bei Augen, die bereits mit lokalen Betablockern, Sympathomimetika, Miotika oder peroralen Karboanhydrasehemmern behandelt wurden, festgestellt werden. Intraokulare Entzündungszeichen konnten bei einer Applikation in der antiglaukomatösen Dosierung nicht festgestellt werden. Die lokale Verträglichkeit ist mit der derzeit etablierten Glaukommedikation vergleichbar. Bei manchen melierten Augen (Iris: braun-grün, braun-blau, braun-gelb) konnte eine Zunahme der Pigmentierung festgestellt werden. Diese Veränderungen sistieren mit Beendigung der Therapie, sie sind aber nicht reversibel. Eine verstärkte Pigmentierung des Trabekelwerkes konnte nicht beobachtet werden. Für eine maligne Entartung sind bei diesen Veränderungen keine Anhaltspunkte gegeben. Der völlig neue Wirkmechanismus und die nur einmal tägliche
223
Applikation sind bei diesem Medikament sehr vielversprechend. Für die breite Anwendung wird es aber aller Voraussicht nach erst 1997 verfügbar sein. Vortrag Stegmann, R. C., Pretoria (a. G.): Visco-Canalostomy, a promising surgical procedure for open angle glaucoma
The controversy regarding the most successful treatment of glaucoma by the surgical or medical route is yet to be resolved. In Africa the problem is compounded because of the greater severity of the desease as well as earlier onset and also the fact that intra-ocular pressures are higher than pressures recorded in Europe on average. A three phase study was commended 6 years ago that has culminated in a procedure which we have named visco-canaliculostomy and has a success rate of 87% in African patients at present. The technique is aimed at restoring normal drainage via Schlemm's canal to lower intraocular pressure and the average pressure drop in the latest phase of the study is ± 67%. The longest follow-up is 6 years and the shortest 3 months. The technique will be demonstrated using high definition videos and 35 mm slides. Diskussion Stepanik zu Hommer: Bei der Analyse einer Augendrucksenkung ist
es ratsam, den trotz vielfacher, ernsthafter Bemühungen, immer noch hypothetischen Begriff „uveoskleraler Abfluß" außer acht zu lassen. Dagegen ist ein Abfall des episkleralen bzw. extrokularen Venendruckes als möglicher Faktor für die gemessene Drucksenkung zwingend in Erwägung zu ziehen, umso mehr, als ja den Prostaglandinen allgemein eine, wenn auch breit gefächerte Wirkung auf die Gefäße zugesprochen wird. Fanden sie in der Literatur Hinweise, oder besser noch, Meßergebnisse in letzterer Richtung? Vecsei zu Hommer: Warum werden Prostaglandine, die laut Vortrag bei höherem Augendruck in höheren Spiegeln intraokular vorhanden sind, als antiglaukomatöse Therapie verwendet und um welche Prostaglandine handelt es sich? Steinkogler zu Stegmann: How would you explain that the intraocular pressure is decreasing when Healon GV is still present in the Schlemm's canal? Schlußbemerkung
Hommer zu Vecsei: Es wird angenommen, daß Prostaglandine als Reaktion des Körpers auf entzündliche Prozesse und damit verbunden erhöhten Vorkommen von großen Molekülen produziert werden. Moleküle, die nicht über das trabekuläre Maschenwerk die Vorderkammer verlassen können sollen über den uveoskleralen Abfluß und lymphatische Strukturen abgeführt werden. PGE2 und PGF2a haben in allen untersuchten Spezies eine drucksenkende Wirkung gezeigt. Bei Latanoprost handelt es sich um ein PGF2a. Hommer zu Stepanik: Diskutiert wird sowohl ein drucksenkender Effekt von Latanoprost auf den episkleralen als auch extrokulären Venendruck, wie auch eine relaxierende Wirkung auf die Ziliarmuskelfasern und damit eine Vergrößerung des interstitiellen Raums. Ein Abfluß über die Lymphgefäße bei Affen hat Anders Bill mit radioaktiv markiertem Albumin nachgewiesen (A. Bill: Aqueous humor dynamics in monkeys. Exp Eye Res 11: 195, 1971). Es gibt keine atraumatische Meßmethode für den uveoskleralen Abfluß. Townsend und Brubaker kalkulierten den uveoskleralen Abfluß mit 0,8 µl/min unter der Annahme eines episkleralen Venen bei Patienten, die einer Tumorope--druckesvon8mHg.ABilhat ration unterzogen wurden, den uveoskleralen Abfluß mit radioaktivem Albumin gemessen und ermittelte dabei 0,2-0,3 µl/min, das entspricht 10% des gesamten Abflusses. Interne Untersuchungen durch die Herstellerfirma (Pharmacia) mit radioaktiv markiertem Albumin ergaben in Studien mit Affen eine signifikante Erhöhung des uveoskleralen Abflusses unter Latanoprost-Therapie versus Placebo. Stegmann zu Steinkogler: Healon GV is 98.6% water and consists of long chanes of polysaccharides which is very permeable to water itself and/or nutrients. This we have observed in test tubes where an
aqueous solution of fluorescein was instilled into Healon GV and in a very short while the Healon was seen to suffuse throughout the entire test tube. The pore size in the trabecular meshwork is approximately 6 microns which offers a barrier to Healon GV in the anterior chamber. Healon GV in Schlemm's canal occupies a space approximately 300 microns by 100 microns immediately after surgery since it was injected into the canal using very fine cannula with an outer bore of 150 microns. Observation at surgery shows that collector channels may have a similar bore and so allow the long chain polysaccharide molecules to pass relatively unhindered from the canal into the venous system for bio-chemical metabolism in the liver. Postoperative intraocular pressures at 24 hours are usually under 10 mmHg reduced from an average preoperative pressure of 42 mmHg through a series of more than 180 patients. Sitzung vom 13. März 1995 Vortrag Gabel, V. -P. (a.G., Regensburg): Operative Möglichkeiten bei Maculaerkrankungen
Die operative Behandlung von epiretinalen Membranen und die Lasertherapie bei choroidalen Neovaskularisationen sind Behandlungsverfahren, die seit etwa 15 Jahren in die Klinik Eingang gefunden haben. In der Zwischenzeit sind aber auch Verfahren entwickelt worden, andere Makulaerkrankungen operativ zu behandeln. Bei Makulaforamina kann in vielen Fällen durch die Entfernung epiretinaler Membranen eine Entspannung der Netzhaut und damit eine Verkleinerung des Foramens, zum Teil mit Visusverbesserung, erreicht werden. Bei altersbezogener Makuladegeneration wird versucht, durch subretinale Chirurgie choroidale Neovaskularisationen (CNV) mit Blutungen zu entfernen und so den ungünstigen natürlichen Verlauf positiv zu beeinflussen. Diskussion
Nicht eingelangt. Sitzung vom 3. Apri11995
Vortrag Fabricius, E. -M. (a.G.): Augensymptome bei HIV-Infektion: Pathogenese, Diagnostik und neueste Trends in der Therapie
Die Augen werden in vielfältiger Weise bei der HIV-Infektion in Mitleidenschaft gezogen. 20-30% aller AIDS-Patienten erleiden eine opportunistische Infektion an den Augen in Form einer Retinitis oder Choroiditis, die spezifisch chemotherapeutisch behandelt werden muß, da sie sonst zur Erblindung führen kann. Häufiger noch findet sich eine retinale Mikroangiopathie (Cotton wool spots, kleine Blutungen), deren Pathogenese und Zusammenhang mit vaskulären Prozessen in anderen Organen noch nicht geklärt sind. Diese Durch sind derzeit nicht behandlungsbedürftig. Seltener-blutngsöre sind die Augen an malignen Neoplasien beteiligt. Einige Augensymptome scheinen Ausdruck immunologischer Reaktionen oder direkt HIV-assoziiert zu sein. Die häufigste opportunistische Infektion ist die Cytomegalievirus-Retinitis (Prävalenz: etwa 20% aller AIDS-Patienten). Bei 3% der AIDS-Patienten stellt sie die erste opportunistische Infektion dar. Ihre Behandlung ist in 10 Jahren intensiver Forschung ständig verbessert worden; andererseits werfen die verlängerte Überlebenszeit der AIDS-Patienten und ihre multiple Medikation neue Probleme auf. Standard ist die lebenslange intravenöse Therapie mit Virustatika, wobei in etwa 2/3 der Fälle primär Cymeven ® (Ganciclovir) und in etwa 1/3 der Fälle Foscavir ® (Foscarnet) verwendet werden. Das unterschiedliche Nebenwirkungsspektrum erlaubt einen Medikamentenwechsel von einer Monotherapie auf die andere oder eine Kombination beider Mittel zur Wirkungssteigerung und Nebenwirkungsreduktion. Neue Zusatzmedikationen können die Nebenwir-
224 kungsrate senken. Geeignete Fälle können mit Cymeven ® -Kapseln zur Sekundärprophylaxe oral behandelt werden, die demnächst im Handel erscheinen. Zur Zeit befindet sich ein intraokular zu implantierendes, abgekapseltes Ganciclovir-Depot in der klinischen Erprobung, um dem Patienten die Infusionstherapie zu ersparen und damit seine Lebensqualität zu erhöhen. Diskussion Velikay zu Fabricius: Welche Erfahrungen haben sie mit Diabetes
und HIV? Haben die Mikroangiopathien beider Erkrankungen einen additiven Effekt? Schlußwort
Nicht eingelangt.
Sitzung vom 12..luni 1995 Kurzvortrag Derka, H. (Wien): Uber die Dezentration von Brillengläsern, die Verläßlichkeit ophthalmologischer Längenmeßgeräte und den therapeutischen Wert schwacher Prismengläser
Nach den seit Jahrzehnten gültigen Gütebestimmungen des Augen (RAL RG 915) gelten Brillengläser mit einer-optikerhandws dezentrationsbedingten prismatischen Nebenwirkung von mehr als 0,5 cm/m für Divergenz, bzw. 1,0 cm/m für Konvergenz als Fehlfertigung und dürften nicht abgegeben werden. Bei etwa der Hälfte von 289 untersuchten Gläsern waren aber die zuverlässigen Werte vor allem nach temporal zum Teil weit überschritten. Alle Träger solcher Brillen waren dennoch beschwerdefrei. Die den RAL -Tabellen zugrundeliegenden physiologischen Annahmen sind daher revisionsbedürftig. Für diese Studie erfolgte die Bestimmung von Pupillardistanz und Mittenabstand mit modernsten elektronischen Geräten. Deren Anzeigegenauigkeit von nur 0,5 mm ist jedoch für alle Arten asphärischer Gläser wie z. B. Multifokalbrillen viel zu gering. Ein weiterer Unsicherheitsfaktor sind Ergebnisschwankungen von mindestens 0,5 mm bei Mehrfachmessung. Forderungen der Glashersteller nach punktgenauem Einarbeiten sind daher ebenso praxisfern wie sämtliche RAL -Tabellentoleranzen unter 1 mm. Durch menschliche wie technische Unzulänglichkeit bedingt gibt es somit eine große Zahl unfreiwilliger Prismenbrillenträger, die ihre Gläser jahrelang beschwerdefrei tragen. Es sollte dies ein Anlaß sein, zu prüfen, ob der gezielten Rezeptur schwacher Prismen tatsächlich therapeutischer Wert oder nur Placebowirkung zukommt.
Vortrag Jacobi, K. W. (a.G.): Haben multifokale Intraokularlinsen eine Zukunft?
Die moderne Kataraktchirurgie mit Intraokularlinsenimplantation hat sich wie kaum ein anderes Gebiet der operativen Medizin zu einem perfekten Behandlungsverfahren entwickelt. Material und Design der Kunstlinse, von Polymethylmethacrylat (PMMA)- Linsen verschiedener Optiken und Haptiken bis zu faltbaren Linsen bieten eine Vielzahl an individuellen Möglichkeiten. Die große Vielfalt der Operationstechniken hat letztlich das Ziel, den Eingriff für den Patienten sicherer, effektiv und schnell durchführen zu können mit rascher optischer und physischer Rehabilitation. Hierzu gehören als Verfahren der Wahl Kleinschnittinzision und Phakoemulsifikation. Die Implantation einer monofokalen Intraokularlinse mit Nahkorrektur durch Brille ist zur Zeit die am häufigsten geübte Vorgangsweise. Kann zukünftig einem Teil unserer Patienten durch Implantation von Multifokallinsen ein noch besserer Weg eröffnet werden? Theoretische Überlegungen und klinische Erfahrungen werden diskutiert.
Diksussion Harrer zu Derka: Ihre Ausführungen sind von großer praktischer
Bedeutung: 1. Sie relativieren die Methode der Vollkorrektur nach H. J. Haase, bei der ein exakter Phorieausgleich bis zu einer Genauigkeit von mindestens 1/2 dpt gefordert wird. 2. Selbst bei identer Verordnung können die fertigen Brillen bis zu 1/2 dpt bei unterschiedlicher prismatischer Wirkung variieren. Zu berücksichtigen bei der Beurteilung von Brillenunverträglichkeit und Regressansprüchen. Frey/er zu Jacobi: Im Zusammenhang mit der Implantation von multifokalen Linsen genügt es nicht, Astigmatismus -neutral zu operieren. In vielen Fällen wird es nötig sein, anti- astigmatische SchnittTechniken bzw. Naht-Techniken anzuwenden. Ich denke nur an die Häufigkeit des Astigmatismus gegen die Regel im Katarakt -Krankengut älterer Menschen. Bei welcher Höhe des Astigmatismus würdest Du die Grenze für die Anwendbarkeit multifokaler IOL ansetzen? Schlufibemerkung Derka zu Harrer: Bei der Wiener Innungstagung der Optiker im
Dezember 1994 wurden einige hier vorgestellte grundlegende Daten und die daraus folgenden Schlüsse vorgetragen. Alle aufgezeigten Probleme wurden in der anschließenden Diskussion eher negiert. Die Haassche Vollkorrektur kam nicht zur Sprache, obwohl gerade hier bei der gezielten Herstellung eines schwachen Prismas die Geräte eine verhältnismäßig massive Abweichung vom ange--mißwesung strebten Wert verursachen muß. Die Darstellung der ungünstigen Relation zwischen theoretisch geforderter und tatsächlich erzielbarer Fertigungsgenauigkeit wurde kommentarlos hingenommen. An der Gültigkeit der RAL -Tabellen schließlich konnten keine Zweifel geweckt werden. Es scheint, daß die Optikerschaft am derzeitigen Zustand festhalten will.
Sitzung vom 9. Oktober 1995 Vortrag Flammer, J. (a.G., Basel): Die Pathogenese des Glaukomschadens
Es ist außer Zweifel, daß ein erhöhter Augendruck zu einem Glaukomschaden führen kann. Die Existenz des Normaldruckglaukoms, die Tatsache, daß viele Patienten mit erhöhtem Augendruck keinen Schaden entwickeln und schließlich die Beobachtung, daß das Fortschreiten des Schadens extrem schwach mit der Höhe des Augendruckes korreliert ist, weisen aber darauf hin, daß noch andere Faktoren mitbeteiligt sein müssen. Es gibt viele Faktoren, die nicht zu beeinflussen sind, wie z. B. Alter, Rasse oder Refraktion. Daneben gibt es aber potentiell therapierbare Faktoren wie die hämodynamischen Veränderungen. Dabei stehen zwei Faktoren im Vordergrund, nämlich a) die arterielle Hypotonie und b) die Tendenz zu Vasospasmen. Die arterielle Hypotonie, vor allem mit ihren nächtlichen Blut führt nicht nur zur Senkung des Perfusionsdruckes-druckabfälen sondern zur reaktiven Steigerung des lokalen Flußwiderstandes. Die Vasospasmen stören die Autoregulation und führen bei Provokation durch Kälte oder emotionalen Streß zur Minderperfusion des Sehnervenkopfes. Beide Bedingungen sind potentiell heute behandelbar. Diskussion Vecsei zu Flammer: Werden an ihrer Abteilung regelmäßig FarbDuplexuntersuchungen bei Glaukompatienten durchgeführt? Wenn ja, welche Ergebnisse liegen vor? An unserer Klinik wird derzeit eine Farb-Duplex-Studie an Niederdruckglaukom-Patienten durchgeführt, bei der Pentoxifyllin als Therapie zur Anwendung kommt. Lukas zu Flammer: Haben Sie auch Untersuchungen durchgeführt, inwieweit Adhesion Molecules wie ICAMs etc. eine Rolle bei
225 gliovaskulären Degenerationsprozessen im Rahmen des Glaukoms spielen? Strasser zu Flammer: Wie schätzen Sie die Wertigkeit medikamentöser Radikalfänger für die Behandlung des „vaskulären" Glaukoms ein? Strenn zu Flammer: Wie steht es um die Bedeutung des intraokularen Druckes beim Nonnaldruckglaukom: welche Höhe kann man noch akzeptieren, wann operieren Sie? Stepanik zu Flammer: Ihre aufschlußreiche Darstellung der zur Zeit aktuellen Pathophysiologie des Blutkreislaufs beim Glaukom läßt einmal mehr den Schluß zu, daß Sympathomimetika zwar den Augendruck senken, aber zur Behandlung des chronischen Glaukoms nicht geeignet sind. Wie ist Ihr persönlicher Standpunkt zu dieser Frage? Schlußwort Flammer zu Vecsei: Wir führen routinemäßig bei sämtlichen Glau-
kompatienten eine Farbduplexuntersuchung durch. Dies primär aber aus wissenschaftlichen Gründen. Es hat sich dabei gezeigt, daß Glaukompatienten statistisch signifikant von den Gesunden verschieden sind. Dieser Unterschied ist besonders deutlich bei Patienten mit Normaldruck-Glaukom. Inwieweit die Farbduplexuntersuchung uns im klinischen Alltag in der Diagnose weiterhelfen wird, ist noch offen. Hierzu braucht es noch etwas mehr klinische Erfahrung. Für das Studium von Medikamenteneffekten eignet sich die Methode aber sicher. Flammer zu Lukas: Nein, wir haben keine solche Studien durch rt. -gefüh Flammer zu Strasser: Radikalfänger haben sicher generell eine wichtige Bedeutung für unsere Gesundheit. Sie scheinen eine prophylaktische Wirkung in Arteriosklerose zu haben. Ob sie auch einen Effekt haben bei funktionellen vaskulären Dysregulationen, wie sie vor allem beim Normaldruckglaukom vorkommen, ist noch nicht bekannt. Weiter ist es fraglich, ob es sinnvoll ist, Radikalfänger in Form von Tabletten zu geben. Möglicherweise ist es angepaßter, wenn dies in Form von frischen Gemüsen und Früchten zu sich genommen wird. Dies garantiert ein ausgewogenes Verhältnis der verschiedene Radikale bindenden Substanzen. Flammer zu Strenn: Der Glaukomschaden entsteht meist durch das Zusammenspiel verschiedener Risikofaktoren. Recht häufig beobachten wir in der Praxis Patienten mit noch normalem Augendruck, sagen wir z. B. 20 oder 21 mmHg mit gleichzeitig vorkommenden anderen Risikofaktoren wie z. B. Vasospasmen oder tiefer Blutdruck. Ist der Schaden sehr weit fortgeschritten, dann müssen selbstverständlich alle Faktoren gleichzeitig angegangen werden. Besteht aber noch kein Schaden oder nur geringer Schaden, dann kann man vorerst den Risikofaktor angehen, der bei der Entstehung des Schadens mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit die Hauptrolle spielt. Ist der Blutdruck nur mäßig tief oder sind nur mäßige Vasospasmen vorhanden, der Augendruck aber an der oberen Normgrenze, dann würden wir als erstes diesen Augendruck senken. Ist dieser Augendruck aber eher in der Größenordnung von 15 und sind andere Risikofaktoren ausgeprägt, dann würden wir zuerst die anderen Risikofaktoren angehen. Mit anderen Worten möchte ich darauf hinweisen, daß es keine allgemeinen Rezepte gibt, viel mehr müssen im Einzelfall je nach Ausprägung der Risikofaktoren und je nach Schweregrad des Glaukomschadens die Risikofaktoren angegangen werden. Falls eine deutliche Augendrucksenkung bei einem Patienten mit Normaldruck notwendig ist, würden wir eindeutig der chirurgischen Therapie gegenüber einer medikamentösen oder Laser-Therapie den Vorzug geben. Normaldruck-Glaukompatienten mit einem fortschreitenden Glaukomschaden werden von uns normalerweise operiert. Flammer zu Stepanik: Diese Frage ist sehr berechtigt. Aufgrund meiner klinischen Erfahrung und des theoretischen Wissens würde ich in solchen Fällen extrem vorsichtig sein mit Sympathimimetika. Leider aber gibt es wenig gut kontrollierte klinische Studien, sodaß diese Frage noch nicht mit endgültiger Sicherheit beantwortet werden kann.
Sitzung vom 13. November 1995 Vortrag Barraquer, J. (a.G., Barcelona): Corneal Grafts, Cataract Surgery and IOL
The advances in ocular microsurgery, viscosurgery and precision instrumentation facilitate delicate surgical maneuvers and reduce surgical trauma to a minimum. The surgical microscope with coaxial light should have a slitlamp adapted to perform precise intraoperative biomicroscopy. Viscosurgery is a fundamental accessory to maintain intraocular structures separated. Its use is imperative in combined operations (keratoplasty + trabeculectomy + ECCE + posterior chamber IOL + synechiotomy + reconstruction of the pupil + vitrectomy) and is also very useful in certain single procedures (trabeculectomy, keratoplasty, cataract surgery) to avoid intra- and postoperative flat anterior chamber etc. Modem pharmacology (antibiotics, immunosuppressors, antiinflammatory and chemotherapeutic drugs, etc.) permit very efficient management and adequate prophylaxis of important complications. Pathology, pharmacology, surgical techniques, complications and results of anterior segment surgery (keratoplasty, cataract, glaucoma, single and multiple procedures) are discussed and demonstrated presenting illustrative cases from the author's personal casuistics. Diskussion Menapace zu Barraquer: You showed a case with a capsular bag
hyphaema and reported a spontaneous resorption. In our experience, this is not always the case, so a YAG laser discussion of the posterior capsule is necessary. Is this in accordance with your experience? Harrer zu Barraquer: How do you manage congenital cataracts? We should operate especially unilateral cataracts as early as possible. Do you implant IOLs?
Schlußwort Barraquer zu Menapace: Yes, this is in accordance with our experi-
ences.
Barraquer zu Harrer: 1. We manage congential cataracts by aspiration-irrigation, using Healon to maintain the anterior chamber depth and to avoid mechanical trauma to the corneal endothelium and the iris. 2. Congenital cataracts, especially in unilateral cases should be operated between 3 and 6 months of age. 3. We do not yet implant IOLs in children. Sitzung vom 11. Dezember 1995 Vortrag Neuhann, T. (a.G., München): Flexible Introkularlinsen aus der Sicht des Klinikers
Faltbare Linsen erfüllen den lange gehegten Traum, die kleine Inzision der Phakoemulsifikation auch für die Implantation nutzen zu können. Gleichzeitig haben sie neue Fragen, Probleme, Überlegungen aufgeworfen. Ich werde einen Überblick über die heutigen Materialien und Designs geben, die chirurgischen Aspekte der Implantationstechniken besprechen und das Verhalten der einzelnen Materialien und Linsen im Auge erörtern. Den Abschluß des Referates bildet der — sehr subjektive — Versuch, rational fundierte Entscheidungskriterien in der Vielzahl der Implantate zu erarbeiten. Vortrag Apple, D. (a.G., Charleston, USA): Flexible Introkularlinsen — (patho)anatomische Befunde
Anatomische und histologische Untersuchungen von post mortem gewonnenen Augen sowie experimentelle Untersuchungen an Tierund Leichenaugen geben Aufschluß über Sitz und Verträglichkeit verschiedener Faltlinsen nach Implantation. Die Ergebnisse werden
226 veranschaulicht und sowohl untereinander als auch mit den bei PMMA-Linsen gefundenen Ergebnissen verglichen. Diskussion Menapace zu Neuhann: 1. Glauben Sie, daß die Technik der Linsen
mit einem verformbaren Polymer in absehbarer-kapselufüng Zukunft klinisch umsetzbar ist? 2. Welcher Optikdurchmesser ist für Augen mit kontroll- und eventuell einmal therapiebedürftigen äquatorialen Degenerationen vorteilhafter: 5 mm oder 7 mm (bei jeweils großer Rhexis)? 3. Lohnt Ihrer Meinung nach die minutiöse Politur des vorderen Kapselblattes und des Kapselsackfornix zwecks Entfernung von Linsenepithelzellen wie von Rentsch propagiert den Zeitaufwand und die Lichtbelastung der Makula? Wird die Nachstarrate durch die Politur nachhaltig verringert? Kulnig zu Neuhann: What do you recommend as the earliest time to implant IOLs in children's eyes and what type of IOL would you prefer? Have you any pathohistological experience with IOL implanted autopsy eyes of children concerning possible complications not being detectable by routine clinical examination? Schlußwort Neuhann Neuhann zu Menapace: ad 1.) Der „akkomodationsfähigen" Kunst-
linse steht nicht so sehr im Wege, daß wir kein geeignetes Polymer hätten — solche Polymere gibt es funktionsfähig aus Tierversuchen bereits und würden ggf. sicher rasch von den Polymerchemikern erfunden werden, wenn nicht das eigentliche Hindernis noch bestün-
de, nämlich die ungelöste Nachstarproblematik. Erst wenn wir in der Lage sind, einen nahezu vollständigen Kapselsack völlig frei von Linsenepithelzellen zu bekommen, sodaß es weder fibröse noch regeneratorische Nachstarbildung geben kann, werden wir eine akkomodationsfähige Kunstlinse bekommen. Wenn ich das Adjektiv „absehbar" in ihrer Frage z. B. mit der noch vorhersehbaren Zeit meiner Berufstätigkeit beschreiben sollte, so glaube ich nicht, daß wir dies in dieser Zeit noch erleben werden. Ich habe aber als Prophet noch nie besonderen Erfolg gehabt. ad 2.) Ich glaube, daß beide Optionen, was die Therapie anbelangt, ziemlich gleichwertig sind. Die kleinere Linse hat sicher in der ersten postoperativen Zeit einen Vorteil bezüglich der ophthalmoskopischen Peripheriekontrolle. Was die Therapie anbelangt, so wird man ohnehin Kontaktgläser vom Panfundoskop-Typ verwenden, bei denen der Linsendurchmesser belanglos ist. Insgesamt bin ich der Meinung, daß es für einen Optikdurchmesser von 7,0 mm bei Intra -okularinse keine vernünftige Indikation mehr gibt. ad 3.) Eindeutig nein: Solange wir Linsenepithelzellen nicht bis auf die letzte Zelle entfernen können, werden die verbliebenen Zellen, unabhängig von ihrer Zahl, immer wieder proliferieren. Zum anderen gibt es bisher nur eine Studie von H. Gimbel, die dies prospektiv untersucht hat und einen signifikanten Vorteil nicht finden konnte. Ergebnisse, die einen signifikanten Vorteil belegen können, sind mir nicht bekannt. Schlußwort Apple
Nicht eingelangt.
Eröffnungsansprache der Präsidenten der ÖOG MR Dr. Matthias Skopek zur 37. Tagung am 16. Mai 1996 in Linz Gestatten Sie mir bitte, daß ich am Ende eines zur Neige gehenden Jahrhunderts ein distanziert beobachtetes und doch brennend werdendes Bild der Gegenwart der Medizin an die Wand male: Vom Treibenden aus der Kraft der Naturwissenschaft zum Getriebenen einer neuen Epoche, von der die Historiker allen Ernstes meinen, sie sei das Ende der Naturwissenschaft: Der Abwehrkampf der Mediziner gegen neue Ideologien sei zum Scheitern verurteilt: Bislang basierte das Menschenbild der naturwissenschaftlich bestimmten Medizin auf der „Cellularpathologie" nach Rudolf Virchow. Heute wenden sich immer mehr Ärzte den Alternativmethoden zu, die Zahl der Patienten, die „Chemie" ablehnen, wird immer größer. Der uns allen bekannte Prof. Spitzy spricht vom „dialogischen Denken", dem Übergang von der medizinischen Theorie zur ärztlichen Praxis. Beispiele gefällig? In unserem Fortbildungsreferat der Kammer liegen folgende Ansuchen vor, die Ärzte ihren Patienten als Alternativen anpreisen möchten — und dies nur ein Auszug aus den letzten Monaten: Kinesiologie, Bachtherapie, Vibrations- und Magnetfeldtherapie, Ayurveda, Esoterik, TUINA, chin. Heilmassage usw. usw. Das Kontrastprogramm: Wir versuchen in diesem unserem Zentralthema Makulopathie Dia Prognose, Zustandsbild und Therapie zu entschlüsseln und-gnose, propagieren — und zum gleichen Zeittraum tritt in einer quotenträchtigen Sendung — und nur dies zählt im Zeitalter der Mediokratie — ein Heiler aus Dänemark auf, der unsere erfolglosen Fälle mit Akupunktur heilt. Und dem anwesenden netten Professor aus Graz wird von der Dame der helfenden Sendung der Tip mitgegeben, sich auch mit solch guten Methoden zu befassen. Immer sicherer und breiter wirkende Antiphlogistica werden entwickelt — und auf der anderen Seite spricht kein geringerer als Prof. Nemec heute über die lindernde Wirkung des kühlen Wassers — ein Flug 2 Jahrtausende zurück zu Hippokrates oder ein Flug bereits ins
kommende dritte Jahrtausend? Und nicht nur aufgrund des Ökonomiegebotes! Dem zu äußersten Sparen gezwungener Verband der Sozialversicherung — heuer ein Defizit von 4 Milliarden — steht gegenüber ein boomender Markt der Alternativmedizin mit ebenfalls einem locker ausgegebenen Milliardenvolumen. Den immer produktiver und effizienter arbeitenden Kollegen im Krankenhaus — und anders ist bitte eine deutliche Reduktion der KHAufenthaltstage doch nicht erreichbar — steht gegenüber eine im Fernsehen auftretende Hexe, eine richtige Hexe, die wirklich zaubern kann! Est verum? oder bloß Vera? All unseren neuen Bestimmungen über Ausbildung, Fortbildung, Produkthaftung, Zertifizierung stehen gegenüber die tatsächlichen Intentionen von Minister Ditz, den Beruf des „Lebensberaters" ein vielleicht eine austrifizierte Variante des Heilpraktikers,-zuführen— die alle nach einigen Kursen im Volkshochschulstil die Ärzte entlasten könnten. Dem Gespräch, der Aufklärung, der Zuwendung steht gegenüber Cyberspace, virtual imagines, chating im Internet. Das neue Diplomfortbildungsprogramm ist endgültig installiert — und im offiziellen Fortbildungskalender der ÖÄK (Referat für kom -plemntär Medizin) wird ein Irisdiagnostik-Kurs erwähnt. Wir alle sind aufgefordert, alte Türen zu schließen und neue Tore zu öffnen, zu beachten und zu beobachten, die Wahrheit zu suchen und dem Wahren zu dienen. FELIX QUI POTUIT RERUM COGNOSCERE CAUSAS. Selig, wem es gelang, die Gesetze der Welt zu erkennen! Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit! MR Dr. Matthias Skopek
ÖOG-Präsident
Linz, 16.5.1996 Eröffnungsrede Kongreß Designe-Center Linz