Sozial Extra 9|10 2012: 44-46
DOI 10.1007/s12054-012-1013-7
Durchblick Social Media
Social Media Marketing Strategien freier Träger der Sozialen Arbeit Handlungsansätze aus der Praxis
Nahezu die Hälfte aller Unternehmen in Deutschland setzt mittlerweile Soziale Medien zur Steigerung des Bekanntheitsgrades, zur Kundenakquise oder zur Beziehungspflege ein (BITKOM 2012, 11). Ob in der Automobil-Branche oder im Fastfood-Gewerbe: Fiat und Burger King setzen auf Facebook und rufen in ihren Werbespots zum „teilen“ und „liken“ ihrer Produkte auf. Und was ist mit den Non-Profit Unternehmen? Wie und warum nutzen Non-Profit-Unternehmen Social Media?
Sina König *1986 B.A. Soziale Arbeit, Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Fakultät Management, Soziale Arbeit, Bauen an der HAWK in Holzminden. sina.koenig@ hawk-hhg.de
Kathrin Tegeler *1987 B.A. Sozialpädagogin/Sozialarbeitern und Studentin des Master-Studiengangs Soziale Arbeit an der HAWK in Holzminden. kathrin.tegeler@m. hawk-hhg.de
Um diesen Fragen nachzugehen, wird zunächst auf die Rolle von Social Media in Non-Profit-Organisationen eingegangen, um daraufhin im Kontext aktueller Forschu ngsergebn isse den Nutzen aufzuzeigen. Nach dieser theoretischen Einführung wird der Fokus auf die Praxiserfahrungen mit Social Media gerichtet, indem der Umgang von zwei ausgewählten Einrichtungen exemplarisch dargestellt wird. Diese verfolgen verschiedene Strategien und eignen sich gerade aufgrund ihrer Unterschiedlichkeit für eine genauere Untersuchung.
Spielen Social Media in Non-ProfitOrganisationen eine Rolle?
Ein Klick auf „Gefällt mir“ ist vermutlich die einfachste Art, um ein Produkt oder eine Dienstleistung zu bewerten. Doch Soziale Medien bieten durchaus mehr Möglichkeiten als die bloße Beurteilung. Mittels Facebook, Twitter und Co. können schnell und unkompliziert potentielle Kundinnen und Kunden erreicht, Meinungen eingeholt und Inhalte geteilt werden. Auf den ersten Blick scheint es, als erübrige es sich für Non-Profit-Unternehmen aufgrund der Gemeinnützigkeit, mit Hilfe von Werbung auf sich als Einrichtung aufmerksam zu machen. Doch der erste Eindruck täuscht. Nicht nur profitorientierte Wirtschaftsunternehmen können von dieser erweiterten Kommunikationsform profitieren. Auch Einrichtungen im Non-Profit Bereich haben die Möglichkeit, durch differenziertes Social Media Marketing (SMM) Strategien die eigene Tätigkeit transparent
und publik zu machen, Wünsche und Bedürfnisse der Zielgruppen zu analysieren sowie Netzwerke zu initiieren. Gegenüber profitorientierten Unternehmen stellen sich jedoch im Non-Profit-Bereich andere Bedingungen und Anforderungen an das Social Media Marketing als im kommerziellen Sektor. Warum Soziale Medien nutzen?
Nach einer repräsentativen Untersuchung des Branchenverbandes BITKOM aus dem Jahr 2011 sind 76 Prozent der Internetnutzer in mindestens einem Sozialen Netzwerk angemeldet; 73 Prozent davon als aktive Nutzer. Dabei führen jüngere Internetnutzer die Mitgliedschaft in Sozialen Netzwerken mit 96 Prozent an und sind auch die Aktiveren. 43,5 Prozent der deutschen Internetnutzer sind Mitglied bei Facebook (Stand: Februar 2011) und loggen sich regelmäßig ein (BITKOM 2011, 3). Was die Unternehmenskommunikation angeht, stellt Facebook das am häufigsten genutzte Netzwerk dar, gefolgt von Twitter, YouTube und XING. Mittels YouTube lassen sich Imagefilme präsentieren, und auf XING werden Leitbild, Angebote und Zielsetzungen sowie Biographien der Mitarbeitenden abgebildet. Twitter sollte das tägliche Kommunikationstool sein, um persönliche Beziehungen zur Zielgruppe aufzubauen. Welche Netzwerke sich für die Vermarktung von Angeboten für definierte Zielgruppe eignen, lässt sich leicht mittels des Socialmediaplaners (www.socialmediaplaner.de) herausfinden (vgl. Weinberg 2011, 341-344). Praxisbeispiele
Im Folgenden werden zwei Einrichtungen der Sozialen Arbeit vorgestellt, die in freier Trägerschaft geführt werden und im Kontext des vorliegenden Artikels als Praxisbeispiele dienen. Die durch Internetrecherche ausgewählten Institutionen
Abstract / Das Wichtigste in Kürze Nicht nur Wirtschaftsunternehmen können vom Einsatz Sozialer Medien profitieren, in Abhängigkeit von der jeweiligen Zielsetzung können ebenso gemeinnützige Einrichtungen ihre Angebote öffentlich darstellen, Beteiligung ermöglichen und Veränderungswünsche evaluieren.
Keywords / Stichworte Social Media Marketing Strategien, Non-Profit-Organisationen, Praxisbeispiele. 44
sollten den Kriterien entsprechend im Internet leicht auffindbar zu sein und mehrere Soziale Medien zu nutzen. Mittels der verschiedensten Social-Media-MarketingStrategien werden individuelle Zielsetzungen verfolgt – etwa Spendenakquise, Realisierung von Partizipation oder Steigerung des Bekanntheitsgrades. Die Einrichtungen wurden informiert, dass sie im Kontext der Praxisbeispiele erwähnt und vorgestellt werden, sodass sichergestellt werden konnte, dass die interne Perspektive der Träger mit einfließt.
Das Waldhaus ist eine sozialpädagogische Jugendhilfeeinrichtung in Hildrizhausen (Baden-Württemberg), welche mit benachteiligten und straffällig gewordenen jungen Menschen sowie deren Familien arbeitet. Durch verschiedene Projekte und Handlungsbereiche bietet die Einrichtung ein umfassendes Betreuungsangebot, welches auf der detailliert strukturierten Internetpräsenz dargestellt wird (Waldhaus gGmbH, o.J.). Bereits auf der Startseite http://www. waldhaus-jugendhilfe.de wird ersichtlich, welche Angebote vorgehalten werden und welche Neuigkeiten es gibt. Zudem nutzt das Waldhaus die Homepage als Plattform, um Gelder einzuwerben, da sofort darauf aufmerksam gemacht wird, dass auch Spenden erbeten sind und diese durch wenige Klicks überwiesen werden
können. Dieses Vorgehen ist bisher bei wenigen anderen Einrichtungen zu erkennen, wo der Verweis auf Spenden eher versteckt erfolgt und der Zugang somit durch Barrieren erschwert ist. Auch in seiner Facebook-Präsenz zeigt das Waldhaus eine professionelle Selbstdarstellung. Die wesentlichen Entwicklungsstadien der Einrichtung sind bis zur Gründung 1957 zurückzuverfolgen, wobei der eigentliche Beitritt zur Facebook-Community erst im April 2010 erfolgte. Seitdem werden dort Events und Neuigkeiten stetig aktualisiert, mit vielen Bildern veröffentlicht und zur Diskussion gestellt. Mittlerweile hat die Waldhaus Jugendhilfe Seite ca. 200 „Gefällt mir“Klicks (Stand: Mai 2012) und die verschiedenen Fotoalben spiegeln ein umfangreiches Angebot bildhaft wider.
Das Seehaus Leonberg ist ein 2001 gegründetes Projekt von Prisma e.V. (BadenWürttemberg) im Bereich der Jugendhilfe und der Kriminalprävention. Zielgruppe sind straffällig gewordene Jugendliche, die durch die Teilnahme an dem Projekt die Chance erhalten, den Strafvollzug in freier Form zu verbringen und in dem Projekt Wiedergutmachung zu leisten. Die Jugendlichen setzen sich im Rahmen des Projekts intensiv mit der Straftat auseinander und können von dem durchstrukturierten Tagesablauf im Hinblick auf ihre individuelle Entwicklung profitieren (Pris-
Literatur
Soziale Arbeit
Mechthild Seithe
Schwarzbuch Soziale Arbeit Das ‚Schwarzbuch Soziale Arbeit‘ versteht sich als Beitrag zur ‚Thematisierung und Skandalisierung der Folgen neoliberaler Sozialpolitik für die Soziale Arbeit. Es wird gezeit, dass die Sparzwänge die Professionalität der Sozialen Arbeit behindern und immer weiter einschränken, dass gesetzliche Ansprüche, z.B. nach SGB VIII nicht mehr zuverlässig umgesetzt werden, dass Klienten im Kontext von Ökonomisierung und aktivierendem Staat nicht mehr auf Unterstützung hoffen können, wenn sie nicht zu denen gehören, die die Sozialpolitik als lohnend und effizient erachtet, dass sich Soziale Arbeit zunehmend in ein standardisiertes Industrieprodukt verwandelt, dessen Anwendung nur mehr angelernter Kräfte aber keiner eigenständigen und autonomen Profession Soziale Arbeit bedarf, und schließlich, dass Soziale Arbeit im Zuge der Hartz-Gesetzgebung wieder (einmal) autoritäre und ordnungspolitische Gedanken aufgreift. 2., durchges. u. erw. Aufl. 2012. 469 S. Br. € (D) 24,95 ISBN 978-3-531-18070-0
BUNDESVERBAND INFORMATIONSWIRTSCHAFT, TELEKOMMUNIKATION UND NEUE MEDIEN E.V., BITKOM (HRSG.) (2011).
Soziale Netzwerke. Eine repräsentative Untersuchung zur Nutzung sozialer Netzwerke im Internet. Berlin. www.bitkom.org/files/documents/BITKOM_Publikation_Soziale_Netzwerke.pdf [letzter Zugriff: 19.05.2012] BUNDESVERBAND INFORMATIONSWIRTSCHAFT, TELEKOMMUNIKATION UND NEUE MEDIEN E.V., BITKOM (HRSG.) (2012).
Social Media in deutschen Unternehmen. Berlin. http://www.bitkom.org/files/documents/ Social_Media_in_deutschen_Unternehmen.pdf [letzter Zugriff: 10.06.2012] PRISMA E.V. (2012).
Über uns. Jugendstrafvollzug in freien Formen. Leonberg. http://www.prisma-jugendhilfe.de/sachsen/index.html [letzter Zugriff: 19.05.2012]
springer-vs.de Einfach bestellen:
[email protected] tel +49 (0)6221 / 3 45 – 4301
WALDHAUS GGMBH (O.J.).
Sozialpädagogische Einrichtungen der Jugendhilfe. Hildrizhausen. http://www.waldhaus-jugendhilfe.de/ [letzter Zugriff: 19.05.2012] WEINBERG, TAMAR (2011).
Social Media Marketing. Strategien für Twitter, Facebook & Co. 2.Auflage. Köln: O’Reilly Verlag.
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Durchblick Social Media ma e.V., o.J.). Die Internetpräsenz www. seehaus-ev.de gibt Auskunft über alle wesentlichen Hintergrundinformationen zu dem Projekt und verlinkt auf die Präsenzen des Seehauses in Sozialen Netzwerken. Die Homepage wird derzeit überarbeitet, wodurch ein aktueller Eindruck entsteht. Die Facebook-Seite hat seit dem Beitritt im Januar 2011 mittlerweile über 110 Fans („Gefällt-mir“-Angaben, Stand: Mai 2012). In der Chronik wird über aktuelle Ereignisse informiert, Werbung für besondere Aktionen gemacht sowie zusätzlich auf Flickr und Youtube verwiesen. Parallel zu dem Facebook-Profil ist das Seehaus Projekt ebenfalls im Januar 2011 Flickr beigetreten und nutzt diese Plattform, um Bilder von gemeinsamen Aktionen, Besuchen von bedeutsamen politischen Personen oder auch dem alltäglichen Leben in mittlerweile zwölf Alben zu veröffentlichen. Diese Alben wurden in Abhängigkeit von der Aktualität unterschiedlich oft betrachtet, sodass sich die intensiven Verlinkungen sowie die Aktualität der Inhalte viele Interessierte zum Bleiben und Stöbern animieren. Die Präsenz bei Youtu-
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be besteht seit 2009, dort finden sich Videos zur Selbstdarstellung des Projektes, eine Präsentation der ehrenamtlich Tätigen sowie Videos der Jugendlichen selber. Die Vernetzung der medialen Auftritte steht im Vordergrund, sodass die einzelnen Internetdienste zu einander verweisen und zwischen den Netzwerken gut vermittelt wird. Zusammenfassung und Schlussfolgerung
Die angeführten Beispiele zeigen einen heterogenen Umgang beim Einsatz Sozialer Netzwerke. Welche Medien und Netzwerkdienste eine Einrichtung oder ein Projekt nutzt, hängt individuell davon ab, welche zeitlichen Ressourcen zur Verfügung stehen und welche Zielsetzung verfolgt wird. Ohne spezifische Zielsetzung und Abstimmung der Kommunikation auf die zu erreichende Zielgruppe nützt der beste Wille nichts. Grundsätzlich lässt sich feststellen, dass die Kombination mehrerer Sozialer Medien zu einer erhöhten Besucherquote und Beteiligung führt. Im Kontext der individuellen Zielsetzung haben die beiden untersuchten Einrichtungen ein
stimmiges Konzept für den Einsatz von Social Media umgesetzt, was auch nochmals verdeutlicht, dass die zur Verfügung stehenden personellen und zeitlichen Ressourcen stets mit bedacht werden müssen. Social Media Marketing basiert auf Offenheit und Transparenz. Werden die Hauptziele und Wertvorstellungen gegenüber der Öffentlichkeit transparent dargestellt, muss seitens der Sozialen Medien keine schlechte Publicity befürchtet werden (Weinberg 2011, 26). Social Media Marketing ist folglich keine einmalige Angelegenheit – zumindest sollte es dies nicht sein, um langfristigen Erfolg zu gewährleisten – sondern bedeutet dauerhafte (Inter-) Aktion. Eine Präsenz, die nicht gepflegt wird, hinterlässt schnell einen negativen Eindruck bei den Besuchenden und kann zu Desinteresse führen. Wenn die genutzten Online-Medien nicht regelmäßig aktualisiert werden, wird auch schnell die Wirkung nachlassen. Ohne Zweifel bedeutet die Aufrechterhaltung der Beziehungen Arbeit, aber auch Offline-Partnerschaften bleiben ohne die Investition von Zeit nicht lange bestehen (Weinberg 2011, 349ff.). s
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