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Social Media wird mobil – Grundlagen, Gebrauch und Gestaltung mobiler sozialer Medien Der Artikel gibt einen Einblick in die theoretischen Grundlagen mobiler sozialer Medien und zeigt anhand von Anwendungsbeispielen, wie sich die Ort- und Zeitsensibilität für die Kundenanalyse, -ansprache und -bindung über den Kommunikationskanal nutzen lassen. Abschließend werden drei zentrale Aspekte vorgestellt, die Unternehmen bei der Gestaltung mobiler Marketingaktivitäten berücksichtigen sollten: Beachtung der Privatsphäre, Bedeutung für den Konsumenten und Begeisterung der Massen. ANDREAS M. KAPLAN
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oziale Medien werden als „Gruppe von Internetanwendungen“ definiert, „die auf den technologischen und ideologischen Grundlagen des Web 2.0 aufbauen und die Herstellung und den Austausch von User Generated Content ermöglichen“ (Kaplan/ Haenlein 2010, S. 61). Trotz ihres „jungen Alters“ vollziehen sie bereits einen massiven Wandel hin zu standortbezogenen Social Media, also der Nutzung auf mobilen Endgeräten. Für jede der sechs verschiedenen Arten sozialer Medien (Abbildung 1) lässt sich eine Vielzahl an Beispielen finden, die auch eine Nutzung auf dem Handy ermöglichen: So kann man beispielsweise von unterwegs Informationen von Wikipedia abrufen, seinen Status auf
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Facebook aktualisieren oder auch in die virtuelle Welt des OnlineRollenspiels „World of Warcraft“ eintauchen. Neben diesen fast schon traditionellen sozialen Medien sind auch etliche neue Anwendungen entstanden, die die spezifischen Möglichkeiten des Mobiltelefons integrieren. Bekanntere Akteure sind Facebook Places, Google Latitude, Groupon Now, Loopt oder Yelp. Das prominenteste Beispiel ist allerdings wohl das im Jahr 2009 gegründete soziale Netzwerk „Foursquare“. Es ermöglicht dem Nutzer durch Geolokalisierung, an seinem aktuellen Standort „einzuchecken“. Für solche Check-ins erhält der Benutzer Punkte und gelegentlich Abzeichen, sogenannte „Badges“. Marketing Review St. Gallen
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Social Media wird mobil – Grundlagen, Gebrauch und Gestaltung mobiler sozialer Medien
Abb. 1 Klassifikation von sozialen Medien Soziale Präsenz/Medienreichhaltigkeit
Impression-Management/ Self-disclosure
Niedrig
Mittel
Hoch
Hoch
Blogs und Mikroblogs (z.B. Twitter)
Soziale Netzwerke (z.B. Facebook)
Soziale virtuelle Welten (z.B. Second Life)
Niedrig
Kollektivprojekte (z.B. Wikipedia)
Content communities (z.B. YouTube)
MMORPGs (z.B. World of Warcraft) Quelle: Kaplan/Haenlein 2010, S. 62
Auch Firmen haben diese neuen Plattformen für sich entdeckt, mittels derer sie mit den Kunden immer und überall in Kontakt treten können – Tendenz steigend. Dieser Artikel gibt einen Einblick in die theoretischen Grundlagen standortbezogener sozialer Medien, ihre Gebrauchsmöglichkeiten für Unternehmen sowie Hinweise zur Gestaltung von erfolgreichen Firmenaktionen im Bereich der mobilen sozialen Medien.
Grundlagen mobiler sozialer Medien Sowohl mobile als auch nicht mobile soziale Medien haben zusammen mit viralem Marketing neben den vier klassischen Kommunikationsinstrumenten Werbung, Public Relations, Direktmarketing und Verkaufsförderung eine fünfte Gruppe gebildet. Im Gegensatz zu eher traditionellen, nicht mobilen Social Media, ermöglichen mobile soziale Medien es Unternehmen, Marketingnachrichten zu verbreiten, die nur für bestimme Orte oder Zeitperioden relevant sind. Die Orts- und Zeitsensibilität sind daher zwei wesentliche Eigenschaften mobiler sozialer Medien, auf die im Folgenden weiter eingegangen wird. Die beiden genannten Dimensionen werden außerdem für die Klassifizierung der verschiedenen Typen mobiler sozialer Medien genutzt.
Ortssensibilität Im weiteren Sinne ist Ortssensibilität nichts Neues im Marketing, da geografische Faktoren in Marketingentscheidungen bereits seit langem berücksichtigt wurden. Beispiele hierfür sind die Planung von Verkaufsstandorten (Inman et al. 2009; Ozimec et al. 2010) und Nachfrageprognosen (Yang/Allenby 2003). Heutzutage machen es jedoch Technologien wie GPS, GSM, Bluetooth und RFID möglich, die exakte Position eines mobilen Endgeräts zu einer gegebenen Zeit zu bestimmen. Die beeindruckende Masse an verfügbaren ortsbezogenen Daten kann man nur erahnen, wenn man sich den Fall von Malte Spitz anschaut: Der Politiker der Partei der Grünen zwang seinen Mobilfunkanbieter, ihm Einblick in seine Datensammlungsgewohnheiten zu gewähren. Innerhalb eines halben Jahres sammelte die Deutsche Telekom mehr als 35.000 Mal seine Koordinaten. Für dieses Verhalten des Mobilfunkanbieters gibt es zwei Gründe: Um Anrufe auf dem effizientesten Weg weiterzuleiten, bestimmt des MobilMarketing Review St. Gallen
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funkanbieter schätzungsweise alle sieben Sekunden den Sendeturm, der dem Mobiltelefon am nächsten gelegen ist. Des Weiteren wird aus Rechnungsgründen überprüft, woher ein Anruf kommt und wie lange er dauert. Außerdem können diese Daten unter anderem für das Angebot kundenspezifischer Informationen (z. B. Fahranweisungen), die Lokalisierung des Geräts oder der damit verbundenen Person (z. B. Eltern-/Kinderüberwachung) genutzt werden.
Zeitsensibilität Durch Zeitsensibilität können Nachrichten erstellt und übermittelt werden, die zu einem bestimmten Zeitpunkt relevant sind. Ein Unternehmen kann z. B. spontan entscheiden, Verkaufsförderungsmaßnahmen in Gang zu setzen, die nur für eine Stunde gelten und Informationen darüber an alle mobilen Endgeräte innerhalb einer bestimmten Reichweite senden. Solche Aktionen können sehr erfolgreich sein, da sie ein Gefühl des unmittelbaren „Dabeiseins“ erzeugen (Vosgerau et al. 2006). Außerdem können Nutzer per Handy leichter auf impulsive und spontane Gedanken reagieren – im guten wie im schlechten Sinne. Eine besonders befriedigende Serviceerfahrung kann z.B. sofort mit allen Facebook-Freunden geteilt werden, während frustrierende Erlebnisse ebenfalls zu einer unmittelbaren Bekanntgabe führen können. Mobile soziale Medien sind deshalb prädestiniert, um eine sogenannte „Ambient Awareness“ zu schaffen (Kaplan 2012; Kaplan/Haenlein 2011a), d.h. Bewusstsein, entstanden durch regelmäßigen und konstanten Empfang und/oder Austausch von Informationsfragmenten durch soziale Medien. Zu wissen, an welchen Orten eine Person über den Tag verteilt war, gekoppelt mit beiläufigen Kommentaren hier und dort, kann oft mehr über einen Freund sagen als eine seitenlange Mail.
Ortszeit Je nachdem, ob die Applikation Orts- und/oder Zeitsensibilität ermöglicht, kann zwischen vier verschiedenen Typen mobiler sozialer Medien unterschieden werden (Abbildung 2). ■ Applikationen, die weder zeit- noch ortssensibel sind, werden als „Slow-Timers” bezeichnet. ■ Applikationen, die Zeit und Ort berücksichtigen, werden „Space-Timers” genannt. 17
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Abb. 2 Klassifikation von mobilen sozialen Medien Ortssensibiltät
Zeitsensibilität
Nein
Ja
Ja
Quick-Timers (Transfer traditioneller Social- Media-Applikationen auf mobile Endgeräte, um Unmittelbarkeit zu erhöhen, z.B. das Posten von Twitter-Nachrichten oder FacebookStatus-Updates)
Space-Timers (Austausch von Nachrichten, die für einen spezifischen Standort zu einem spezifischen Zeitpunkt relevant sind, z.B. Foursquare)
Nein
Slow-Timers (Transfer traditioneller Social-Media-Applikationen auf mobile Endgeräte, z.B. Ansehen eines YouTube- Videos oder Lesen eines Wikipedia-Artikels)
Space-Locators (Austausch von Nachrichten, die für einen bestimmten Standort relevant und mit einem bestimmten Ort markiert sind und später von anderen gelesen werden, z.B. Yelp) Quelle: Kaplan 2012, S. 132
■ Applikationen, die nur eine der zwei Dimensionen berücksichtigen, sind entweder sogenannte „Space-Locators” (ortssensibel, jedoch nicht zeitsensibel) oder „Quick-Timers” (zeitsensibel, jedoch nicht ortssensibel). Auf Basis dieser Klassifikation wird deutlich, dass Space-Timers die fortschrittlichste Form mobiler Social-Media-Applikationen sind. Der Beitrag konzentriert sich daher nachfolgend auf diesen Typ mobiler sozialer Medien.
Gebrauch mobiler sozialer Medien Es gibt mindestens drei Situationen, in denen es möglich ist, mobile soziale Medien für Marketingaktionen zu nutzen: ■ Bei der Kundenanalyse vor dem Kauf, ■ zur Kundenansprache bei der Kaufentscheidung und ■ zur Kundenbindung nach dem Kaufakt. Insbesondere jüngere Konsumenten machen Gebrauch von mobilen Social Media – ein Segment, das mit klassischen Kommunikationsinstrumenten immer schwieriger zu erreichen ist. Aber auch ältere Zielgruppen verwenden vermehrt Social Media (Bruhn et al. 2011).
Kundenanalyse Mobile soziale Medien liefern Daten über Offline-Konsumentenbewegungen in einem Detailgrad, der bisher nur von Online-Unternehmen erreicht werden konnte. Jedes Unternehmen kann nun in Erfahrung bringen, zu welchem Zeitpunkt ein Kunde einen Laden betreten hat und welche Kommentare während des Besuchs von ihm gemacht wurden. Bisher haben Unternehmen große Anstrengungen unternommen, um ihrem anonymen Kundenstamm ein Gesicht zuzuordnen. Heutzutage machen es Applikationen wie Foursquare möglich, sowohl generelle Statistiken wie die tägliche Anzahl an Check-ins, Geschlecht und Altersgruppe als auch individuelle Nutzer-Statistiken zu erhalten, z.B. welche Kunden am häufigsten oder als letztes eingecheckt haben. Wenn traditionelle Lebensmitteleinzelhändler, Musikläden und Auktionshäuser diese Informationen mit hochentwickelten Datamining-Techniken verbinden, können sie so effizient werden wie Amazon, iTunes oder eBay. 18
Als Inspiration muss man sich nur die jüngste Kooperation zwischen Safeway, Nordamerikas zweitgrößter Supermarktkette, PepsiCo und Foursquare ansehen. So bot Safeway allen Kunden, die ihr Foursquare-Konto mit ihrer Kundenkarte verlinkten, exklusive Rabatte auf ausgewählte PepsiCo-Produkte an – jeweils angepasst an individuelle Foursquare-Gewohnheiten. „Morgenmenschen“, die durch ihre vielen frühmorgendlichen Check-Ins identifiziert werden konnten, erhielten beispielsweise Preisnachlassangebote auf Tropicana-Orangensaft. Fitnessstudiobesucher, erkennbar am „Gym Rat Badge”, erhielten hingegen Rabatte auf SoBe Lifewater.
Kundenansprache Mobile soziale Medien ermöglichen verschiedene Formen der Kundenansprache. Zum Filmstart von „Valentine’s Day” wurde beispielsweise eine PR-Aktion gestartet, die Nutzer dazu aufrief, an einem von 50 romantischen Orten in Boston, Chicago, Los Angeles, New York City und San Francisco einzuchecken – die fünf Städte, in denen der Film gedreht wurde. Nutzer, die an zwei der Orte eincheckten, erhielten den besonderen Valentine’s Day Badge (ein pinkfarbenes Herz) und die Nachricht: „Oh, là, là! Dies ist dein zweiter Check-in an einem großartigen Date-Ort für den Valentinstag. Wie romantisch! Nächster Schritt: Schau dir mit deinem Date Valentine’s Day an. Ab dem 12. Februar in deinem Kino“. Des Weiteren ermöglichen mobile soziale Medien auch innovative Absatzförderung: Die Wirtschaftszeitung Financial Times bietet zum Beispiel ein Premium FT.com-Abonnement im Wert von ca. 230 Euro an – doch nur für Foursquare-Nutzer, die regelmäßig in bestimmten Cafés in der Nähe der London School of Economics oder New York’s Columbia University einchecken. Neben der Kommunikation von Unternehmen zu Kunden bieten mobile Social Media auch die Förderung von nutzergenerierten Inhalten (User-Generated Content, UGC). Foursquare selbst unterstützt die Erstellung von UGC sowohl durch das Angebot einer „Shout“-Funktion, die es sowohl erlaubt, Nachrichten in Form von „virtuellem Graffiti“ an einem Standort zu hinterlasMarketing Review St. Gallen
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sen, als auch durch die Auszeichnung mit „Swarm Badges“, wenn mehr als 50 Foursquare-Nutzer am gleichen Ort zur gleichen Zeit einchecken.
Kundenbindung Letztlich kommt Langzeitwachstum nicht von einzelnen einmaligen Transaktionen, sondern von wiederholten Geschäften und Kundentreue. Foursquare-Nutzer, die einem bestimmten Ort treu sind und am häufigsten innerhalb der letzten 60 Tage eingecheckt haben, werden „Mayor“, d. h. der Bürgermeister dieses Ortes. Dies kann bemerkenswerte Vorteile mit sich bringen. Bei der Restaurantkette Golden Corral kann der Mayor zum Beispiel einmal am Tag umsonst essen und trinken. Eine besonders ausgefallene Art und Weise Kundentreue zu fördern, wird von Granata Pet, einem deutschen Hersteller von Premium-Tiernahrung, durch eine interaktive Plakatwand mit dem Namen „Check-in, Snack-out“ durchgeführt. Sobald ein Nut-
» Mobile Nutzer können per Handy leichter auf impulsive und spontane Gedanken reagieren – im guten wie im schlechten Sinne. «
vermeiden, ihre Kunden zu stören. Im Unterschied zu Computern, die hauptsächlich für die Arbeit, Recherchen oder Transaktionen genutzt werden, dienen mobile Endgeräte in erster Linie oft der Kommunikation mit Freunden und Bekannten. Wenn ein Kunde eine Firmenapplikation installiert, kann dies als starkes Zeichen seines Vertrauens gedeutet werden und demonstriert seine Bereitschaft, eine kommerzielle Freundschaft mit dem Unternehmen einzugehen (Price/Arnould 1999). Unternehmen sollten dieses Vertrauen daher nicht ausnutzen, z.B. durch Überhäufung des Kunden mit Standardwerbenachrichten oder Kundenumfragen. Ansonsten laufen sie Gefahr, die Freundschaft zu zerstören, bevor sie angefangen hat. Eine Möglichkeit für Unternehmen, ihre Aktivitäten in das tägliche Leben der Nutzer zu integrieren, wird durch die FoursquareApplikation von Explore Chicago, der offiziellen Tourismusseite der Stadt Chicago, demonstriert. Explore Chicago liefert Informationen zu 77 verschiedenen Nachbarschaften, 552 Parks und über 7.000 Restaurants für Touristen und die Einwohner Chicagos. Nutzer können drei verschiedene Abzeichen erhalten, wenn sie an ausgewählten Orten einchecken. Sarah Best vom Touristenbüro der Stadt Chicago beschreibt die Applikation als „einen neuen Weg, die Menschen raus in die Stadt zu bekommen“.
Bedeutung für den Konsumenten
Bei der Gestaltung von Marketingaktionen sollten Unternehmen insbesondere folgende drei Aspekte berücksichtigen: 1. Beachtung der Privatsphäre, d.h. keinesfalls stören, sondern die Marketingaktion in das Konsum- und Nutzungsverhalten integrieren; 2. Bedeutung für den Konsumenten, d.h. die Marketingaktion muss für den Konsumenten von Relevanz sein; 3. Begeisterung der Massen, d.h. Firmen sollten als Endziel die Schaffung eines viralen Effekts anpeilen.
Unternehmen haben mindestens zwei Möglichkeiten, um die Relevanz mobiler Social-Media-Aktivitäten für den Konsumenten zu erhöhen: Personalisierung und Einbindung. Dank Geolokalisierung ist es zum Beispiel möglich, Nachrichten der geografischen Gegend anzupassen, in der sich der Konsument befindet. Die mobile Social-Media-Applikation Fearsquare vergleicht beispielsweise Check-ins mit offiziellen Polizeistatistiken, die unter anderem Überfälle und gewalttätige Verbrechen beinhalten, um Nutzern einen Eindruck von der Sicherheit ihres aktuellen Standorts zu geben. Geolokalisierung in Verbindung mit der Möglichkeit von Echtzeitantworten ermöglicht es, fesselnde Unterhaltungen mit aktuellen und potenziellen Kunden zu führen. Die effektivsten mobilen Social-Media-Kampagnen involvieren daher den Nutzer oft in eine Art interaktiver Geschichte oder Spiel, um ein gemeinsames Erlebnis zwischen dem Unternehmen, dem Nutzer und möglicherweise seinem sozialen Netzwerk zu erschaffen. So organisierte zum Beispiel der malaysische Modedesigner Jimmy Choo in London eine Schatzsuche mit dem Namen „Catch-aChoo“. Foursquare-Nutzer sollten einem bestimmten Pfad folgen, auf dem Weg an ausgewählten Orten einchecken und versuchen, als erste das Ziel zu erreichen, an dem ein Paar JimmyChoo-Sneakers in der Größe und dem Modell ihrer Wahl auf sie wartete. Laut der Social-Media-Agentur Fresh Networks nahm jeder 17. Foursquare-Nutzer in London an der „Catch-a-Choo“Kampagne teil.
Beachtung der Privatsphäre
Begeisterung der Massen
Die Privatsphäre hat eine Schlüsselfunktion im Bereich mobiler sozialer Medien. Unternehmen sollten es daher mit allen Mitteln
Selbst wenn Firmen die zuvor genannten Ratschläge befolgen und sich auf integrierte, personalisierte und mitreißende Unterhaltun-
zer bei der Plakatwand durch Foursquare eincheckt, wird ein Signal an einen eingebauten Essensspender gesendet. Dieser gibt dann eine kleine Menge Hundefutter für den pelzigen Freund des Nutzers aus. Sollte der Hund auch nur im entferntesten Sinne dem sprichwörtlichen Pawlow’schen Hund gleichen, wird er sehr schnell lernen, wo das kostenlose Essen herkommt. Folglich wird der Check-in-Prozess und das Beobachten des Hundes, während er sich an seinem kostenlosen Essen erfreut, schnell zu einem Teil der täglichen Routine. Zudem sind die positiven Effekte einer solchen Strategie nicht auf Tiere beschränkt, da „klassische Konditionierung“ in der Werbeforschung seit langem auch beim Menschen nachgewiesen wurde (Mitchell/Olson 1981; Shimp 1981).
Gestaltung mobiler Marketingaktionen
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gen mit ihren Kunden einlassen, werden Unternehmensnachrichten nie so effektiv sein wie Mundpropaganda zwischen Konsumenten. Der „heilige Gral“ der Nutzung (mobiler) sozialer Medien ist daher, die Erstellung von User Generated Content anzuregen, um virales Marketing zu entfachen (Kaplan/Haenlein 2011b, 2012). Ein Beispiel hierfür ist die Foursquare-Applikation des Restaurantführers Zagat. Nutzer, die in von Zagat bewerteten Restaurants einchecken, können nicht nur den „Foodie Badge“ erhalten, sondern haben außerdem Zugang zu Kommentaren von anderen Nutzern – z.B. mit Vorschlägen für Aktivitäten oder Gerichte, die man am jeweiligen Ort bestellen sollte. Um die Nutzergemeinschaft noch mehr einzubinden, erhalten die Mayors der jeweiligen Restaurants sogar die Chance, auf der Zagat-Website in Form eines Videos oder Interviews in der „Meet the Mayor“-Sektion vorgestellt zu werden. Das Auslösen von User Generated Content ist nicht einfach und viele Unternehmen können dies trotz erheblichen Aufwands nicht erreichen. Nichtsdestotrotz sollten Firmen zumindest darauf achten, negative Kommentare über ihre Aktionen innerhalb der Foursquare-Gemeinschaft zu vermeiden, da diese bei einer solch anspruchsvollen Kundengruppe sehr leicht entstehen können. So musste Starbucks zum Beispiel viel harsche Kritik hinnehmen, als bekannt wurde, dass viele der Starbucks-Mayors tatsächlich die dort arbeitenden Baristas waren.
Das Weite suchen, die Nähe erleben Im weiteren Sinne ermöglichen mobile soziale Medien eine tiefergehende Integration des virtuellen und realen Lebens. Durch StatusUpdates auf Facebook und Twitter können Nutzer genau wissen, was ihre Freunde in einem bestimmten Moment tun. Durch Facebook Places und Foursquare-Check-ins können sie jedoch außerdem sehen, wo ihre Freunde sich physisch befinden und sich ihnen und ihren Aktivitäten anschließen. Genau wie Impulsivität Menschen dazu bewegen kann, Nachrichten in mobilen sozialen Medien zu veröffentlichen, können solche Nachrichten die impulsive Entscheidung hervorrufen, darauf zu reagieren und sich mit Freunden von Angesicht zu Angesicht auf den neuesten Stand zu bringen. Ursprünglich waren Forscher davon überzeugt, dass es durch das Internet weniger Kommunikation, weniger soziale Beteiligung und weniger Wohlbefinden geben würde (Kraut et al. 1998). Heute wissen wir, dass das Gegenteil wahr ist (Kraut et al. 2002). Und es ist wahrscheinlich, dass mobile soziale Medien diese positiven Effekte sogar noch verstärken. Soziale Netzwerkseiten werden oft genutzt,
DOI: 10.1365/s11621-012-0146-1
Der Autor Prof. Dr. Andreas M. Kaplan Professor für Marketing und Director of Brand and Communication Europe an der ESCP Europe Business School (Pariser Campus) E-Mail:
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um mit alten Arbeitskollegen oder Schulfreunden in Kontakt zu bleiben. Mit der Ausweitung auf mobile Endgeräte haben sie sogar das Potenzial, Menschen, die in der gleichen Gegend oder Nachbarschaft wohnen, näher zusammenzubringen. Natürlich sind auch moralisch zweifelhafte Entwicklungen denkbar. So ist es beispielsweise theoretisch möglich, einen Unbekannten auf der Straße zu fotografieren und mittels Gesichtserkennungstechnologie direkt dessen Facebook-Daten zu erhalten. Es wird am Gesetzgeber liegen, diese technologischen Möglichkeiten gesetzlich einzugrenzen. Derzeit ist die Gesichtserkennung für Freunde, Bekannte oder auch für die Nutzer selbst verfügbar. Ein Foto von sich selbst zu machen, es automatisch mit dem Namen und dem Standort zu versehen und an alle Facebook-Freunde zu schicken, um dann zu warten, wer darauf reagiert und eventuell sogar dazustößt, ist bereits Realität. Interessanterweise ähnelt diese Art des näheren Zusammenkommens dem Grund, aus dem soziale Medien ursprünglich erschaffen wurden. Es sollte nicht vergessen werden, dass es die anfängliche Absicht des Facebook-Gründers Mark Zuckerberg war, eine Applikation zu erstellen, die ihm helfen könnte, mit anderen (weiblichen) Bewohnern des Studentenwohnheims der Harvard Universität in Kontakt zu bleiben oder zu kommen.
Literaturverzeichnis
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