STANDORT (2016) 40:205–217 DOI 10.1007/s00548-016-0446-9
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Dat lütje Hamborg – Von der Industriebrache zur lebendigen Innenstadt Dat lütje Hamborg – diesen Beinamen trug das damals schon wirtschaftlich erfolgreiche Elmshorn Anfang des 20. Jahrhunderts – war im Mai Ziel einer DVAG-Exkursion. Die Lage an Krückau und Ochsenweg bot schon immer viele Vorteile für die wirtschaftliche Entwicklung. Mit dem Anschluss ans Eisenbahnnetz (1844) und dem Ausbau des Hafens stieg Elmshorn dann Anfang des 20. Jahrhunderts zum drittgrößten Getreideumschlagsplatz Deutschlands auf. Ausgehend von der Vermarktung und Weiterverarbeitung landwirtschaftlicher Produkte konnten mit der neuen Infrastrukturanbindung dann kleine Betriebe, Zulieferer und Anlagenbauer zu Industriebetrieben heranwachsen. Mitten in der Wirtschaftsregion Unterelbe gelegen, profitiert Elmshorn, das in diesem Jahr sein 875-jähriges Bestehen feiert, auch von der schnellen Erreichbarkeit aus Hamburg. So ist die als Mittelzentrum im Verdichtungsraum Hamburg klassifizierte Stadt heute die sechstgrößte in Schleswig-Holstein und kann eine deutlich positive Einwohnerentwicklung auf heute 50.000 Einwohner verzeichnen. Die industrielle Geschichte prägt das Stadtbild aber bis heute. Streckenweise wenig ansprechend konzentriert sich die Stadtentwicklung in den nächsten Jahren auf die Entwicklung hin zu einer lebendigen und vitalen Innenstadt. Nach dem Bau der Hafenspange mit Klappbrücke zur Verlagerung der Verkehre aus der Innenstadt werden sich in den nächsten Jahren die innenstadtprägenden Bereiche sichtbar verändern. Spannende Einblicke in die städtischen Planun-
gen, in das Stadtmarketing und in die ersten Umsetzungsschritte vor Ort gaben Silke Faber (Leiterin des Amtes für Stadtentwicklung der Stadt Elmshorn), Manuela Kase (Stadtmarketing Elmshorn), Arne Bielenberg (Bauleiter bei Semmelhaack Wohnungsunternehmen) sowie Dr. Paul Raab (IHK zu Kiel, Zweigstelle Elmshorn) im Rahmen einer Exkursion des DVAG-Arbeitskreises Stadtentwicklung und des regionalen Forums Hamburg auf Einladung der IHK zu Kiel am 20. Mai 2016. Innenstadtentwicklung und Bahnhofsumfeld im Fokus Wesentlicher Schwerpunkt der Stadt entwicklung liegt derzeit in der Innenstadtentwicklung der Bereiche Krückau-Vormstegen und der Umgestaltung des Bahnhofsumfeldes. Im Rahmen des Städtebauförderprogramms „Stadtumbau West“ werden für die Sanierungsbiete voraussichtlich rund 100 Millionen Euro investiert, hinzukommen erhebliche private Investitionen. Dem Sanierungsgebiet Krückau-Vormstegen kommt mit seiner Größe von 18,5 ha und seiner Lage direkt südlich der Innenstadt eine zentrale Rolle auch für die gesamtstädtische Entwicklung Elmshorns zu. Derzeit durch ein Brachfallen gewerblich genutzter Bereiche geprägt, wird es die vorhandene Innenstadt erweitern und kann zukünftig als Brückenkopf die heute vom Flüsschen Krückau abgetrennten Stadtbereiche anbinden. In dieser Zielrichtung soll das Areal zu einem vitalen, gemischt genutzten und zentralen Stadtraum entwickelt werden, der zum Flanieren und Verweilen einlädt. Dazu soll der Marktplatz, der „Buttermarkt“ mit der Markthalle, ganz neu gestaltet werden und ein neues Rathaus aufnehmen. Wichtiges Element dabei ist, dass sich die
Nutzungen in bestehenden und neuen Innenstadtbereich gegenseitig befruchten und Besucherströme auch weiterhin in die bestehende Fußgängerzone gelenkt werden. Hierfür steht eine Anbindung an die Innenstadt über eine zentrale Wegeachse im Blickpunkt. Entsprechend dieser Zielrichtung könnten an der Nordseite des Buttermarktes neue Wohnhäuser mit Gewerbeflächen im Erdgeschoss entstehen, an der Südlage könnten Gastronomiebetriebe mit Außenbereich die vorhandenen Innenstadtnutzungen ergänzen. Auch durch die Gestaltung neuer Freiflächen, die zwischen der neuen Bebauung am Buttermarkt und dem Flüsschen Krückau entstehen, kann die Verbindung zwischen neuen und alten Innenstadtbereichen gestärkt werden. Die Revitalisierung von Uferbereichen der Krückau und die Betonung des Hafenbereichs als charakterstiftender Hauptbestandteil der Innenstadt bieten die Chance, Aufenthaltsqualitäten am Wasser zu schaffen und damit die Anziehungskraft der Innenstadt insgesamt zu steigern. Angesichts der positiven Einwohnerentwicklung und entsprechend des städtischen Leitmotivs einer „Stadt der kurzen Wege“ werden auch im neuen Quartier Krückau-Vormstegen 400 bis 600 neue Wohnungen in unterschiedlichen Wohnformen entstehen. Dazu zählen auch die 156 Wohneinheiten im Kibek-Areal, welche die Baufirma Semmelhaack Wohnungsunternehmen im ehemaligen Kibek-Hochhaus – einem weithin sichtbaren Wahrzeichen Elmshorns – und umgebenden Neubauten umsetzt. Diese ergänzen bereits realisierte Neubauquartiere (wie beispielsweise am Henry-Dunant-Ring mit 226 Wohnungen oder am Schleusengraben), um den steigenden Bevölkerungszahlen Rechnung zu tragen. Neben baulichen und infrastrukturellen Maßnahmen setzt sich auch das
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Stadtmarketing Elmshorn für eine attraktivere Innenstadt ein. Neben dem „Elmshorner Gutschein“, einem Parkgebühren-Rückerstattungssystem oder Events wie dem Picknick-Open-AirKino arbeitet das Stadtmarketing als Aufgabenträger auch mit Hilfe von Business Improvement Districts (BIDs) an der Attraktivität der Innenstadt. Als eine der ersten Städte Schleswig-Holsteins wurde bereits 2007 ein in Schleswig-Holstein sogenannter PACT (Partnerschaft zur Attraktivierung von City-, Dienstleistungs- und Tourismusbereichen) zur Finanzierung der Weihnachtsbeleuchtung realisiert, der sich bereits in der zweiten Laufzeit befindet. Ein weiterer PACT zur Begrünung der Königstraße wurde 2014 umgesetzt. Die Kooperationen zwischen Gebäudeeigentümern und Gewerbetreibenden sowie zwischen privater und öffentlicher Seite zeigte sich aber nicht nur in diesem Rahmen als Erfolgsfaktor, sondern auch im Dialogprozess der Stadt mit den wirtschaftlichen Akteuren zu den anstehenden Sanierungsmaßnahmen. Im Fazit hinterließ die Exkursion angesichts der Dimensionen des Stadt umbaus – sowohl flächenmäßig als auch vom Investitionsvolumen – bei
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den Teilnehmern erstaunte, wenn nicht gar beeindruckte Erwartungen an die weitere Entwicklung des „lütje Hamborg“ an der Krückau. Liane Faltermeier
Die Immobilienwelt des Lebensmittel einzelhandels Studierende der WWU Münster auf Entdeckungstour Discounter sind relativ kleinflächig, verströmen mit ihren auf Paletten präsentierten Waren in etwa so viel Charme wie eine Tiefkühlpizza am Sandstrand und trumpfen mit verspottend preiswerten Eigenmarken auf. Jüngst hat Aldi-Süd jedoch die Filiale der Zukunft mit deutlich erhöhter Aufenthaltsqualität vorgestellt und Lidl zieht mit dem Willen zur Modernisierung nach. Wie stellt sich heute ein klassischer Supermarkt dagegen auf? Hinzu kommt die Konkurrenz durch den online-Handel. Ist eine neue Ära des Lebensmitteleinzelhandels ange-
brochen? Und wie werden sich die Veränderungen auf den Markt für Handelsimmobilien auswirken? Diesen und weiteren Fragen widmeten sich Münsteraner Studierende Ende Mai dieses Jahres unter der Leitung von Dr. Maike Dziomba (AK Immobilien) im Rahmen eines Blockseminars mit externen Vorträgen und an zwei Exkursionstagen zum Standort Düsseldorf. Eingebettet ist das Seminar in das Oberthema „Immobilienwirtschaftliche Standort- und Marktanalyse“. Bereits im Jahre 2012 veröffentlichten Dr. Maike Dziomba und Dr. Christian Krajewski (Akademischer Oberrat an der WWU) einen AAG-Arbeitsbericht mit dem Titel „Die Immobilienwirtschaft als geographisches Berufsfeld“. Seit 2010 bietet Maike Dziomba hierzu fast jedes Jahr als externe Lehrbeauftragte an der WWU ein praxisorientiertes Seminar an. Auch in der universitären Lehre des geographischen Instituts werden hier zunehmend Themen aus der Immobilienwirtschaft behandelt. Im Mittelpunkt des Seminars stand dieses Jahr der Lebensmitteleinzelhandel (LEH), an dessen Beispiel typische geographische Aufgaben und Berufsfelder rund um die Handelsimmobilie verdeutlicht wurden. Aktuelle Entwicklungen und Trends im Lebensmitteleinzelhandel (LEH)
Die Exkursionsgruppe in Elmshorn. (Foto: DVAG)
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Mehrere Mega-Themen bestimmten das Seminar: die weiter zunehmende Verkaufsfläche und das Aufweichen der typischen Unterschiede zwischen den klassischen Betriebsformen, der wachsende Anteil des online-Handels im LEH sowie der Einfluss gesellschaftlicher Trends – vom Convenience-Shopping bis zum demografischen Wandel. Auch aktuelle Pressemitteilungen wurden diskutiert, beispielsweise könnte im Discountsegment davon ausgegangen werden, dass die Discounter, wie wir sie kennen, bald der
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Vergangenheit angehören. Die Meldungen lassen erwarten, dass hinsichtlich des Ambientes, der schieren Flächengröße und des Kundenservice (massiv) aufgerüstet werden wird. Beim Konkurrenzkampf unter den Vollsortimentern geht es bereits zunehmend um Wohlfühlkonzepte, hochwertige Gestaltung und steigende Flächenbedarfe. Kleinflächige Marktkonzept scheinen der Vergangenheit anzugehören. Begründen lassen sich die Trends im Nachfrageverhalten der Verbraucher: Zum einen gibt es eine wachsende Verbraucherschicht, die gewillt ist, sich ihre Nahrung, die „Lebens-Mittel“, mehr kosten zu lassen. Laut Daten der GfK stiegen die Umsätze des Lebensmittelhandels im vergangenen Jahr um 0,8 %. Prädikate wie „regional“, „lokal“ und „slowfood“ erhalten ebenso wie „bio“ und „fair trade“ immer größere Bedeutung. Aus Sicht der Anbieter geht damit eine steigende Nachfrage nach großen Verkaufsflächen einher, um die Präsentation ihrer Genusswelten adäquat bewerkstelligen zu können. Diese und weitere Aspekte beleuchtete Henrik Stohr, Leiter der nationalen Standortbegutachtung der REWE Group, der dem Seminar als externer Referent sowohl zu hoher Aktualität als auch zu einem starken Praxisbezug verhalf. Auf Basis seiner Empfehlungen hatten die Studierenden zudem im Vorfeld eine Reihe von unterschiedlichen LEH-Standorten in Eigenregie besichtigt.
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den. Gerade in verdichteten Lagen kann es aufgrund von Reurbanisierungstendenzen und einem gewandelten Mobilitätsverhalten der Verbraucher sinnvoll sein, innerstädtische Flächen durch kleinere „To-Go“- oder Expressformate zu nutzen. Viele der Städter von heute möchten „convenient“ shoppen. Damit geht eine Steigerung der Nachfrage nach Klein- und sogar Kleinstflächen in Hochfrequenzlagen und an ÖPNV-Knotenpunkten einher. Fachlich bereichert wurde das Seminar zusätzlich durch den externen Referenten Stefan Kruse (Junker + Kruse, Dortmund). Junker + Kruse beraten Kommunen, Länder, Bund und Institutionen bei der Konzeption einer nachhaltigen Stadt- und Regionalentwicklung. Der Einzelhandel stellt dabei einen elementaren Wirkbereich dar. Die bereits angesprochenen wachsenden Flächenansprüche begründen im Zusammenspiel mit anderen Faktoren die Herausforderung für Kommunen, die städtebauliche Integration des Einzelhandels in den definierten bzw. zu überarbeitenden zentralen Versorgungsbereichen zu fokussieren. Stefan Kruse vermittelte den Studierenden einen Einblick in das tägliche Arbeitsfeld von Geographinnen und Geographen im Hinblick auf
kommunale Einzelhandelskonzepte, Verträglichkeitsgutachten und städtebauliche Wirkungsanalysen. Zudem wurde der spannenden Frage nachgegangen, welche einzelhandelsrelevanten Festsetzungen in Bebauungsplänen es den Kommunen ermöglichen, eine nachhaltige Stärkung der städtischen Nahversorgungszentren zu realisieren. Anschauungsobjekte in Münster und Düsseldorf Praxisbeispiele suchten die Studierenden zunächst in Münster; dort besichtigten sie verschiedene Standorte, Konzepte und Größenordnungen eigenständig und besprachen sie im Detail. In Düsseldorf nahm die Gruppe gemeinsam ein SB-Warenhaus, die Düsseldorf Arcaden, einen prämierten Edeka-Markt sowie eine neue Filiale eines Aldi-Nord-Marktes in der Düsseldorfer Innenstadt in Augenschein. Vielfältige berufspraktische Fragen konnten beim Termin mit dem international tätigen Unternehmen CBRE in dessen Düsseldorfer Geschäftsräumen besprochen werden. Zudem erhielten die Teilnehmenden einen Überblick über die Entwicklung des Retail-Invest mentmarktes in Düssel-
Vielfältigkeit und Widersprüchlichkeit der Handelswelt Deutlich wurde zudem, dass die Handelswelt vielfältig ist und scheinbar widersprüchliche Trends durchaus harmonisch koexistieren können. Stohr warnte die jungen Studierenden daher vor Absolutismen á la „Die Kleinfläche ist tot“. So kann etwa eine Wiederbelebung von City-Märkten auf Kleinflächen im urbanen Raum beobachtet wer-
Die Teilnehmenden des Immobilienseminars in Münster. (Foto: privat)
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dorf – auch am konkreten Transaktionsbeispiel Düsseldorf Arcaden. Dipl.-Geogr. Anja Scholz (Senior Analyst – Research), Georg Hölz (Head of Investment) und Felix Meyer (Consultant) standen den Studierenden Rede und Antwort darüber, wie der Standort Düsseldorf im bundesweiten Vergleich abschneidet, was diesen auszeichnet und wie das Unternehmen bei der Vermittlung von Objekten vorgeht. Darüber hinaus gab es Hinweise auf die vielfältigen beruflichen Tätigkeitsfelder, welche in einem Unternehmen wie CBRE für Geographen bestehen. Gerade die für Geographinnen und Geographen typische interdisziplinäre, ganzheitliche Betrachtungsweise – verknüpft mit dem fachimmanenten Raumbezug – wurde hierbei als wesentliche Stärke herausgestellt. Auf dieser Basis gelingt vielen Geographie-Absolventen der Einstieg in den klassischen Research-Bereich. Nach Abschluss eines berufsbegleitenden Aufbaustudiums steht dann auch der Einsatz in weiteren Unternehmensbereichen offen – und der Aufstieg bis in die Geschäftsführungsebene. Nicht zuletzt durch solche Seminare gelingt es dem Lehrpersonal an der WWU Münster, die theoretische Lehre mit praxisnahen Aspekten und Expertenwissen zu verknüpfen. Vielen herzlichen Dank an dieser Stelle an alle Beteiligten! Patrik Völtz Josephine Bohlmeyer WWU-Masterstudiengang Humangeographie
Geographiestudium und dann? Berufseinstieg leicht gemacht Während für Jura- oder Medizin-Studierende recht klar ist, in welchen Berufen sie nach dem Studium arbeiten werden, stehen Geographie-Studie-
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Aufmerksam lauschende Teilnehmer bei der DVAG-Veranstaltung zum Berufseintritt. (Foto: privat)
rende nicht selten vor der Frage: „Was machst du denn damit?“ Da das Geographiestudium inhaltlich sehr breit angelegt ist, gibt es kein eindeutiges Berufsbild für Geographinnen und Geographen – sie können beispielsweise in der Marktforschung genauso einen Arbeitsplatz finden wie in der Stadtplanung, in der Immobilienwirtschaft oder in der Entwicklungszusammenarbeit. Wie in diesem unübersichtlichen Arbeitsmarkt für Geographie-Absolventen der Berufseinstieg gelingen kann, war Thema einer Veranstaltung des DVAG, die am 3. Juni 2016 am Geographischen Institut der Universität Bayreuth stattfand. Organisiert durch DVAG-Vorstandsmitglied Luisa Linek und Sebastian Norck von der Abteilung Stadt- und Regionalentwicklung der Universität Bayreuth, sollte das Praxisforum einen Überblick über Berufsmöglichkeiten nach dem Geographiestudium bieten. Geograph/ innen aus der Berufspraxis und Personalreferenten sprachen über Kompetenzen, die Berufsanfänger mitbringen sollten. Mehr als 40 Interessierte diskutierten mit den Referenten über den Berufseinstieg als Geograph.
In kurzen Vorträgen stellten Lea Gulich (TenneT TSO GmbH, Bayreuth), Maximilian Stöhr (Büro PLANWERK, Nürnberg und Schwarzenbach a. d.Saale), Luisa Linek (GfK Geomarketing GmbH, Hamburg) und Michael Kreißl (Regierung der Oberpfalz, Regensburg) ihr jeweiliges Berufsfeld vor. Sie referierten über die Fähigkeiten, die sie aus dem Geographiestudium für ihren Arbeitsalltag, der von der Energiewirtschaft bis zur Landes- und Regionalplanung reicht, mitnehmen konnten. Tino Benker-Schwuchow (BNP Paribas Real Estate Holding GmbH, Frankfurt am Main) berichtete als Leiter des Human-Ressource-Bereichs eines international tätigen Unternehmens darüber, worauf bereits im Studium für den weiteren Berufsweg geachtet werden sollte. Selbstbewusst eigene Kompetenzen zeigen Die Referenten motivierten die Teilnehmenden der Veranstaltung, selbstbewusst mit ihren fachlichen und methodischen Kompetenzen in den Arbeitsmarkt einzutreten und mit dem
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im Geographiestudium vermittelten vernetzten Denken zu wuchern. Außerdem wurde empfohlen, sich nicht nur kontinuierlich über den Arbeitsmarkt zu informieren, sondern sich schon während des Studiums auch über die eigenen Anforderungen an das künftige Arbeitsgebiet Klarheit zu verschaffen, um sich gezielt spezialisieren zu können. Um vom Generalisten, als welche Geographinnen und Geographen gemeinhin gelten, zum Spezialisten für bestimmte Berufsfelder zu werden, gibt es im Studium viele Möglichkeiten, Weichen frühzeitig zu stellen: beispielsweise durch Praktika, die dabei helfen, Berufsfelder kennenzulernen, durch Nebenfächer und spezielle Methodenkurse oder durch die Vertiefung spezieller Kenntnisse in der Abschlussarbeit. Alle Referent/innen stellten zudem die Bedeutung funktionierender Netzwerke für einen erfolgreichen Berufseinstieg heraus, sei es im Kreis der Kommilitonen oder durch die Mitgliedschaft in Vereins- und Verbandsstrukturen wie dem DVAG oder dem Verein BcG Alumni an der Universität Bayreuth. Letzterer unterstützte die Veranstaltung auch finanziell, wofür ebenso wie an die Referenten für ihre
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sehr persönlichen Einblicke in ihre beruflichen Lebensläufe der Dank der Organisatoren gilt. Sebastian Norck
Immobilien wirtschaft und Stadtentwicklung
DVAG-Exkursion durch Berlin-Pankow am 4. Juni An einem ausgesprochen sonnigen Sommernachmittag trafen sich rund zwanzig DVAG-Mitglieder und Gäste zu einer Exkursion durch Berlin-Pankow, den „unspektakulären“ und auch für viele Berliner/innen unbekannten Stadtteil im Berliner Nordosten. Höchst kenntnisreich führte Maike Dziomba, Vorstandsmitglied des DVAG und Expertin für Immobilienwirtschaft und -geographie, durch das Quartier. Sie hat selbst mit ihrer Familie mehrere Jahre in Pankow gewohnt und sich durch eine Reihe von Lehrveranstaltungen zu Fragen der Stadtentwicklung und Immobilienwirtschaft diesen besonderen Stadt-
Die Exkursionsteilnehmer vor dem Parksanatorium. (Foto: Bauer)
raum auch wissenschaftlich erarbeitet. Angesichts der Bevölkerungsentwicklung sind gegenwärtig alle Berliner Bezirke Wachstumsräume, für Pankow gilt dies jedoch in besonderer Weise. Pankow und das benachbarte Niederschönhausen waren immer schon begehrte Wohnstandorte; in der Erwartung, dass der derzeit noch massive Fluglärm mit der Schließung des Flughafens Tegel aufhört, nimmt jedoch die Attraktivität als zentrumsnahes Wohnviertel weiter zu. Umfangreiche Sanierungen und Aufwertungen des Altbaubestandes, Umnutzungen und Neubauten sind die Folge. Seit 2000 ist der bezirkliche Verkehrsknoten des Bahnhofs Pankow nicht nur durch die S-Bahn erreichbar, sondern auch mit der U-Bahn, nachdem die Linie 2 bis hierher verlängert wurde. Ein wichtiger Akteur im Stadtviertel ist die GESOBAU, eines der sechs großen kommunalen Wohnungsunternehmen Berlins. Sie besitzt in Pankow rund 9000 Wohnungen, von denen mittlerweile rund 8000 modernisiert sind. Beispiele dafür aus dem Altbaubereich, aus der Zwischenkriegszeit wie auch Plattenbauten aus der DDRZeit konnten in Augenschein genommen werden. Daneben hat eine ganze Reihe von privaten Investoren Bauten aus der Gründerzeit, die lange leer standen und entsprechend kaputt waren, aufwändig saniert und zu Eigentumswohnungen umgebaut: etwa das „Parksanatorium“, 1899 als Sanatorium gebaut, später für unterschiedlichste Nutzungen verwendet, heute ein schmuckes Objekt mit 27 Eigentumswohnungen. Wie stark der Fluglärm unter der östlich des Flughafens Tegel gelegenen Ein- und Abflugschneise ist, konnten die Teilnehmer/-innen an der Exkursion an diesem Nachmittag selbst erleben. Immer wieder müssen kurzzeitig Gespräche und Erläuterungen unterbrochen werden. Ohne diese Belastung wird das Quartier zukünftig sicherlich noch attraktiver werden, zumal da noch die großen Grünräu-
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Breit aufgestellt mit klarem Profil
Praxisforum Unternehmensberatung des DVAG-Regionalforums Erlangen-Nürnberg
Die Mälzerei in Pankow – heute ein beliebtes Wohnareal. (Foto: Bauer)
me vorhanden sind: der Schlosspark Schönhausen und der Bürgerpark. Gut auch an diesem warmen Tag, dass die Exkursionsgruppe an der Parkgastronomie des Bürgerparks vorbeikam und eine Pause mit kühlen Getränken einlegen konnte. Paradebeispiel für die gelungene Umnutzung eines alten Industrieareals zu Wohnzwecken im Stadtviertel Pankow ist die Mälzerei in der Mühlenstraße. Die Berliner Brauerei Schultheiss hatte hier seit 1874 in der damals üblichen Klinkerbauweise einen großen Komplex zur Herstellung von Braumalz aus Gerste errichtet. In der DDR-Zeit wurde das Areal als Lager genutzt, seit 1977 stand es unter Denkmalschutz. 2007 erwarb die terraplan aus Nürnberg das brachliegende Gelände von der Schultheiss-Eignerin Brau und Brunnen und entwickelte hier bis 2011 150 Eigentumswohnungen mit Tiefgarage und sorgfältig gestalteten Garten- und Spielflächen, sehr geeignet für die Mittelschichtsfamilien, die sich Pankow als Wohnort wünschen. Maike Dziomba präsentierte auch große Neubauprojekte wie die Flora-
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gärten, die auf dem Areal einer ehemaligen Elektrokeramikfabrik gebaut wurden, als fünf- bis sechsgeschossige Wohnbebauung, ebenfalls Eigentumswohnungen. Die Anknüpfung an das Gesicht des gründerzeitlichen Berlins ist hier sehr gut gelungen, das Projekt offensichtlich erfolgreich, Leerstand nicht zu beobachten. Die jüngsten Neuentwicklungen Pankows auf der Wollankstraße ragen schon in den angrenzenden Wedding hinein. Nahe des S-Bahnhofs Wollankstraße sehen wir schließlich noch das seit 1921 bestehende Franziskanerkloster, das heute weit über den Bezirk hinaus bekannt ist und sich mit seiner Suppenküche und Kleiderkammer um die Menschen kümmert, die sich die zuvor durchwanderten Wohnlagen nicht leisten können. Christof Ellger Sprecher Regionalforum Berlin/ Brandenburg/Mecklenburg-Vorpommern
Consulting ist in der Geographie schon seit langem kein Fremdwort mehr. Unzählige Geograph/innen beraten erfolgreich Politik und öffentlichen Dienst – und Unternehmen! Neben einer gehörigen Portion betriebswirtschaftlichem Know-how wird dabei auch die Interdisziplinarität zur Kernkompetenz, von klugen Antworten auf raumbezogene Fragestellungen ganz zu schweigen. Im Rahmen des 8. Praxisforums Geographie, das im Juni 2016 am geographischen Institut der Universität Erlangen stattfand, diskutierten zwei Unternehmensberater über ihre Tätigkeit im Consulting. Morgens früh aufstehen, mit dem Zug, Auto oder Flugzeug in eine andere Stadt reisen, um an verschiedenen Orten in Deutschland Unternehmen der Gesundheitswirtschaft beratend zu unterstützen – für Philipp Köppe ist das Alltag. Köppe ist Unternehmensberater im Bereich Gesundheitswirtschaft bei Rödl & Partner in Nürnberg – und Geograph. Wie passt das zusammen? Philipp Köppe erklärt, dass er vor seinem Geographie-Studium in Erlangen eine Ausbildung zum Rettungssanitäter gemacht hat, sich dann aber neu orientieren wollte. Um sein Studium zu finanzieren, hat er auch weiterhin nebenbei im Rettungsdienst gearbeitet und gegen Ende des Bachelor-Studiums habe es dann ‚klick‘ gemacht: „Mein damaliger Professor hat mir geraten, dass ich mich auf Themen der Gesundheitsgeographie spezialisieren solle. Das sei zwar kein Mainstream, aber so könne ich mir ein klares Profil aufbauen.“ Gesagt – getan. Fortan orientierte sich Köppe an Gesundheitsthemen, ein studentisches Forschungsprojekt zur Gesundheits-
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versorgung im ländlichen Raum ist da nur ein Beispiel. Die Abschlussarbeit über die optimale Stationierung von Rettungshubschraubern ein weiteres: „Das klingt natürlich erstmal sehr speziell, hat aber viele Parallelen zu Christallers Theorie der zentralen Orte.“ Der Berufseinstieg war dann kein großes Problem mehr: Aufgrund seiner mehrjährigen Berufserfahrung fand Köppe schnell eine Anstellung; ehe er sich versah, war er Geschäftsführer des Zweckverbandes für Rettungsdienst und Feuerwehralarmierung Amberg, zunächst mit Personalverantwortung für 20, später als Regionalvorstand der Johanniter in Oberfranken für bis zu 200 Mitarbeiter. Nach einer Initiativbewerbung ist er seit 2015 für Rödl & Partner tätig. Insbesondere seine Praxiserfahrung und sein klares Profil haben den Einstieg als Unternehmensberater bei der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft ermöglicht. Zu seinen Tätigkeiten zählt nun unter anderem die Beratung von Pflegeeinrichtungen, Kliniken, Krankenkassen, medizinischen Versorgungszentren oder Wohlfahrtsverbänden. Das Spektrum reicht von der Prozess- und Organisationsberatung bis hin zu Sanierungs- und Restrukturierungsberatung sowie Interimsmanagement. Natürlich ist das bisweilen sehr BWL-lastig, aber auch die Geographie kommt nicht zu kurz: „Gerade bei Fragen der medizinischen Infrastruktur und potenziellen Standortschließungen denken wir die Region natürlich immer mit.“ Wenn Köppe nach mehreren Tagen auf Achse abends wieder in seine Nürnberger Wohnung zurückkehrt, braucht er Sport, Familie und Freunde als Ausgleich zum fordernden Job – auch wenn sich diese Aktivitäten auf wenige Tage komprimieren. Für Köppe kein Problem: „Der Beruf des Unternehmensberaters macht mir große Freude – insbesondere die sehr abwechslungsreichen und unterschiedlichen Projekte. Dafür nimmt man gerne
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Reisen oder auch längere Arbeitszeiten in Kauf.“ Beratung für (fast) alle Standortfragen Etwas familiärer geht es bei „Markt & Standort“ in Erlangen zu, wo Dipl.-Geogr. Magdalena Blank als Projektleiterin tätig ist. Und der Unternehmensname ist Programm: Zu den Kernkompetenzen der Beratungsgesellschaft zählen Markt- und Standortanalysen. Konkret geht es um die Beratung von Shopping Centern, Einzelhändlern, Banken, aber auch Kommunen. Wenn es also um die Filialentwicklung oder die SB-Konzepte einer Sparkasse geht, dann ist Markt & Standort in Person von Magdalena Blank zur Stelle. Kartographische Aufbereitungen mit geographischen Informationssystemen, aber auch die Datenerhebung direkt vor Ort gehören dabei zum Standardrepertoire. Auch Kriterien wie Pendlerverflechtungen oder die Bevölkerungsentwicklung spielen eine Rolle, die regionale Kaufkraft ist bei derartigen Fragestellungen quasi gesetzt. Und in diesem Kontext habe sie als Geographin natürlich Wettbewerbsvorteile gegenüber manchen Kollegen: „Den Betriebswirten fehlt häufig eine räumliche Perspek-
tive, den Architekten bisweilen das Verständnis für ökonomische Zusammenhänge …“ Ihre Tätigkeit bei Markt & Standort in Erlangen ist nach dem Geographie-Studium in Würzburg ihre erste Arbeitsstelle: „Ich hatte damals nach kurzer Bewerbungszeit zwei Vorstellungsgespräche – und bei meinem jetzigen Arbeitgeber hat die Chemie von Anfang an gestimmt, deswegen fiel die Entscheidung leicht“, weiß Blank zu berichten. Das angenehme Arbeitsklima spiele nach wie vor eine wichtige Rolle: „Wir sind alle per Du, die Türen beim Chef sind immer offen und das erfahrene Team arbeitet perfekt zusammen, das spüren auch unsere Kunden.“ Schon während ihres Studiums hat sich Blank für die geographische Handelsforschung interessiert und einschlägige Seminare besucht. Im Bereich GIS habe allerdings die Grundlagenausbildung ausreichen müssen, dafür hat sie sich dann selbständig in die Software im Büro eingearbeitet und ist nun für den gesamten Geomarketingbereich zuständig. Diese Fähigkeit ist ihr auch bei den Praktikanten wichtig, die sie betreut: „Eigeninitiative und Engagement zahlen sich da natürlich aus – wir merken sofort, ob jemand Gas gibt oder nicht
Magdalena Blank (li) und Philipp Köppe (re) im Gespräch mit Markus Neufeld (Foto: Simon Reichenwallner)
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und fordern unsere Praktikanten dementsprechend. Das Arbeiten mit geographischen Informationssystemen kommt im Studium leider oft zu kurz, dabei kann man sich gerade über diese Spezifikation als Geograph von der Masse abheben.“ Auch Magdalena Blank ist viel unterwegs: „Wir sind in der glücklichen Situation, dass viele Kunden an uns herantreten.“ Trotzdem kann man sich natürlich nicht aussuchen, wo das nächste Projekt ist. Die Kunden sind deutschlandweit verstreut, aber auch Anrainerstaaten wie Luxemburg oder Frankreich spielen für Markt und Standort eine Rolle. „Der Wechsel zwischen Büro und der Arbeit vor Ort macht für mich den Unterschied.“ Nach den straffen Außendiensttagen ist Blank froh, wieder am Schreibtisch zu sein. Aber sobald dort die Arbeit aufgearbeitet wurde, darf es auch schon wieder losgehen. Für Philipp Köppe und Magdalena Blank ist die Unternehmensberatung derzeit ein absoluter Traumjob: arbeitsintensiv, aber abwechslungsreich. Tiefgehende Branchenkenntnis, gepaart mit einer gehörigen Portion Interdisziplinarität. Breit aufgestellt, mit klarem Profil. Das macht die Unternehmensberatung so spannend. Auch für Geographen? Gerade für Geographen!
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viele Chancen hat. Man muss sich nur trauen und sich bewerben.“ Felix Grocholl, BA-Student: „Beim 8. Praxisforum mit Schwerpunkt ‚Unternehmensberatung‘ fiel deutlich auf, dass die Geographie eine Fülle an Möglichkeiten bereithält und unsere Stärken auch in der Interdisziplinarität liegen. Das Geographiestudium bietet einem sozusagen das ‚Kochbesteck‘, kochen muss man jedoch selbst. Das heißt für uns Studenten: Breit aufgestellt zu sein hilft uns sehr, um über den Tellerrand hinaus zu blicken und Sachverhalte zu verstehen. Jedoch ist eine Spezialisierung in einem Teilbereich (etwa im Master-Studium) nicht verkehrt, um seine Kernkompetenzen zu stärken und seine Berufschancen zu erhöhen.“ Praxisforum Geographie Das Praxisforum Geographie findet jedes Semester mit wechselnden thematischen Schwerpunkten am Institut für Geographie der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) statt. Organisiert wird es vom DVAG-Regionalforum Erlangen-Nürnberg. Kooperations-
Stimmen zum 8. Praxisforum Geographie: Unternehmensberatung Johanna Nitsch, MA-Studentin: „Die beiden Forumsgäste gaben sehr detaillierte und auch interessante persönliche Einblicke in ihre Tätigkeit als Berater. Dabei war es spannend zu sehen, dass ihre Beratungstätigkeit so breit und vielfältig, in einem Fall sogar fast fachfremd sein kann. Beide fühlen sich als Geographen in ihrem Job jedoch gut aufgehoben. Das macht wieder einmal Mut, dass man mit seinem eigenen spezifischen Profil als vermeintlicher Quereinsteiger
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Die Klimakommune Saerbeck. (Fotos: Jana Werring)
partner sind die Alumniarbeit der Fränkischen Geographischen Gesellschaft und die Fachschaftsinitiative Geographie. Die Podiumsdiskussion mit berufstätigen Geographen dient der Berufsorientierung von Geographie-Studenten und gewährt dabei Einblicke in Berufseinstieg, Karriereplanung und Praxisalltag. Markus Neufeld
Exkursion in die „Klimakommune Saerbeck“
An einem außergewöhnlichen Vortragsort im Fuße eines Windrades hat Thomas Möller vom Amt für Klimaschutz und Nachhaltigkeit des Kreises Steinfurt die Veranstaltung am 16. Juni 2016 eröffnet. Im Fokus standen die Zusammenhänge zwischen der lokalen Energiewende, der regionalen Wertschöpfung und der Wirtschaftsförderung. Im Anschluss wurde das Gelände des Bioenergieparks – ein ehemaliger Munitionsdepotstandort – in seinen beeindruckenden Dimensionen zwischen
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Windkraft- und Photovoltaikanlagen, Kompostwerk und Biogasanlage unter fachkundiger Führung des Fördervereins Klimakommune e. V. erkundet. Der nächste Standort im Zentrum von Saerbeck (gläserne Heizzentrale und Energielehrpfad) zeigte, welche wichtige Rolle Öffentlichkeitsarbeit und Beteiligung im Prozess spielen. Anna Heuck, Jana Werring
InfrastrukturGroßprojekt in Münster
Ausbau der „Stadtstrecke“ des Dortmund-Ems-Kanals Im Baucontainer neben der Großbaustelle der Kanalbrücke Schillerstraße in Münster trafen sich am 7. Juli 2016 knapp 20 Geograph/innen, um sich über die verkehrswirtschaftliche Bedeutung, den Planungsprozess und die stadträumlichen Konsequenzen, die der Ausbau des Dortmund-Ems-Kanals auf der Stadtstrecke Münster mit sich bringt, zu informieren.
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Seit drei Jahren sind Bauarbeiten am Kanal sichtbar, die Planungen reichen mehr als 14 Jahre zurück. Was konkret hinter den Bauzäunen vor sich geht, erklärte Heinz-Jakob Thyßen, Sachbereichsleiter „Ausbau Dortmund-Ems-Kanal“ im Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt Rheine. Die wichtige verkehrswirtschaftliche Verbindungsstrecke zwischen Rhein und Mittellandkanal wurde in der Vergangenheit sukzessive ausgebaut, um der technischen Weiterentwicklung der Binnenschifffahrt Rechnung zu tragen und somit für größere Ladungsträger schiffbar zu machen. Als letztes bis dato nicht ausgebautes Nadelöhr wird der Ausbau der Stadtstrecke Münster vorgenommen. Da der Kanal für die Münsteraner Bürger eine große Bedeutung für die Freizeitgestaltung hat und zugleich durch dicht besiedelte Stadträume führt, wurden und werden die Beteiligung im Planungsprozess und die Kommunikation mit den Anliegern regelmäßig gesucht. Besondere bautechnische Herausforderung auf der Stadtstrecke Münster ist die unmittelbare räumliche Nähe zwischen Stadthafen-Düker und der
Schillerstraßen-Brücke. Anhand einer 3D-Grafik erklärte Heinz-Jakob Thyßen anschaulich, welche Baumaßnahmen unter der Erdoberfläche durchgeführt werden. Zum Abschluss der Exkursion besichtigte die Gruppe die Schillerstraßen-Brücke, die bereits am Kanal gelagert ist, bevor sie im Herbst „eingeschwommen“ und auf die Widerlager montiert wird. Bis der gesamte, 4,2 km lange Abschnitt der Stadtstrecke fertig gestellt sein wird, kann die Regionalgruppe wohl noch eine Exkursion zu diesem Großprojekt planen … Anna Heuck, Jana Werring
Zwischen Konkurrenz und Erneuerung –
Die Einzelhandelslandschaft im Rhein-Main-Gebiet
Das Rhein-Main-Gebiet zählt zu den wirtschaftsstärksten- und kaufkräftigsten Metropolregionen Deutschlands. Das macht es für den Einzelhandel und die Einzelhandelsprojektentwicklung besonders interessant. Die Shopping-Metropole Frankfurt, selbst durch Stadterneuerung und Centerentwicklungen gestärkt, konkurriert im südöstlichen Rhein-Main-Gebiet mit aufstrebenden Mittel- und Großstädten wie Hanau, Darmstadt/Weiterstadt und Offenbach. Diese Städte haben sich in jüngster Vergangenheit mit neuesten Centerentwicklungen oder gezielter (Handels-)Stadtentwicklung „hübsch“ gemacht und buhlen um die Kaufkraft der Menschen in der Region. Der DVAG AK Einzelhandel hatte 2010 die Städte Frankfurt, Darmstadt und Hanau aufgesucht, um sich mit Der Dortmund- den Planungen für solche Projekte verEms-Kanal. (Fotos: traut zu machen. Sechs Jahre später, Jana Werring)
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am 20. Mai 2016, standen die gleichen Stätten in Frankfurt und Hanau im Rahmen einer eintägigen Fachexkursion mit den überwiegend realisierten und in Betrieb gegangenen Objekten erneut im Mittelpunkt, um die Ansätze der Stadtentwicklung und Stadtreparatur sowie deren Auswirkungen aus erster Hand zu besichtigen und einen Blick hinter die Kulissen zu werfen. Zentrales Thema der Exkursion war der Vergleich abgeschlossener und aktueller privater städtebaulicher Einzelhandelsinvestitionen (rund um die Goethestraße/Innenstadt Frankfurt), öffentlicher städtebaulicher Einzelhandelsinvestitionen (Römer/ Frankfurt, Europaviertel/Frankfurt) und institutioneller Stadtentwicklung (Skyline Plaza/Frankfurt, Forum Hanau/Hanau) sowie deren Wirkung auf ihr Stadtumfeld. Spitzenmieten in der Frankfurter City befeuern Verdrängungswettbewerb Sven Buchsteiners Cityexkursion führte die Gruppe durch die Frankfurter City und das Umfeld der Goethestraße, Frankfurts Luxusmeile. Rund um die Goethestraße steigen die La-
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denmieten unaufhörlich. Internationale Ketten zahlen nahezu jeden Preis, um sich langfristig Ladenlokale zu sichern, da vor allem asiatische und amerikanische Touristen den Umsatz und damit die Mieten treiben. Auf der Luxusmeile Goethestraße kann sich ein Einzelhändler laut dem Unternehmen CBRE derzeit für eine Durchschnittsmiete von 270 Euro pro Quadratmeter (Referenz 100 m², 5 m Front) einmieten. „Wir erleben hier einen regelrechten Boom“, informierte Sven Buchsteiner, denn Deutschland werde „in Zeiten weltweiter Krisen als sicherer Markt angesehen.“ Und Frankfurt ist zu einem Bestseller geworden. Überwiegend internationale Luxuslabels besetzen die besten Plätze. Der ständige Konkurrenzkampf um die besten Flächen setzt die regionalen mittelständischen Mieter unter Druck und verdrängt diese in die Nebenlagen des Frankfurter Luxusquartiers. In der Goethestraße, einst ein Traditionsstandort des Frankfurter Handels, halten noch vier der angestammten Geschäfte durch, Tendenz fallend. Zuletzt räumten dort das Modehaus Möller & Schaar und gleich nebenan der Schuhsalon „Linda“ das Feld; die Marke „Burberry“ nutzt jetzt beide
Die DVAG-Exkursionsgruppe mit Sven Buchsteiner und Harald Fiedler sowie Teilnehmern in der Frankfurter City am Roßmarkt. (Foto: Kersten Peter)
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Läden als einen. Aufgrund des Nachfrageüberhangs ist mittelfristig mit einem Anstieg der Spitzenmiete auf 320 €/m² zu rechnen. Und das, obwohl in den Straßen und Gassen, die mittlerweile als Luxuserweiterungslagen angesehen werden, ringsum ein umfassendes Neubauprogramm im Gang ist, so dass das Angebot breiter wird. Auf rund 5000 zusätzliche Quadratmeter Mietfläche schätzte Sven Buchsteiner die demnächst „in der zweiten Reihe“ (ver)mietbaren Räume. Diese Nutzungsentwicklung, weg von den Funktionen Verwaltung und Zulieferung für die Goethestraße hin zu Einzelhandel und Wohnen wird sowohl durch den Freizug des Verwaltungsgebäudes der Deutschen Bank am Goetheplatz/ Rossmarkt und in den Randlagen der Goethestraße als auch den Freizug der Allianzgebäude am Opernplatz möglich. Die nachfolgenden im Rohbau schon fertiggestellten neuen Gebäude wie das MARO (Neue Rothofstraße/Ecke Neue Mainzer Straße) werden in den Erdgeschosslagen primär durch ein- bis zweigeschossige Einzelhandelsläden und in den Obergeschossen mit Luxuswohnungen belegt. Ziel der Projektentwickler ist es, mit neuen Gebäuden eine höhere Aufenthaltsqualität in den bis dato eher funktional geprägten Straßen zu schaffen, indem Impulse für neue Laufwege gesetzt werden. Der öffentliche Raum zwischen den Gebäuden wird durch die privaten Investoren mit modernen Pflasterungen aufgewertet, Begrünung ist bisher noch nicht vorhanden. Auch die Stadt Frankfurt selbst reagiert auf die, im Vergleich zu anderen deutschen Metropolen, geringe Ausstattung mit Verkaufsfläche der Frankfurter City. Der zentrale Goetheplatz/ Rossmarkt, der durch Entwicklung des OneGoethePlaza nun auch zur Luxuslage gezählt wird, soll durch eine zusätzliche Blockrandbebauung eine neue städtebauliche Kontur erhalten. Die Stadt Frankfurt bereitet die Ausschreibung für zusätzliche mischgenutzte Gebäude vor.
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Rekonstruktion der Frankfurter Altstadt Michael Guntersdorf, Geschäftsführer der Frankfurter DomRömer GmbH, erläuterte der DVAG-Gruppe eine der derzeit spannendsten deutschen Quartiersentwicklungen: die vervollständigende Rekonstruktion der im II. Weltkrieg komplett abgebrannten Altstadt von Frankfurt rund um den Frank furter Römer südlich der Zeil. Hierzu musste zunächst ein gesellschaftlicher und städtebaulicher Wertewandel in den Köpfen von Politik und Bürgern stattfinden: weg von der funktionalen autogerechten Stadt und der deutschen „demokratischen“ und auch unwirtlichen Innenstadtarchitektur. Dafür mussten in der Frankfurter Altstadt die grauen monolithischen Waschbetonmauern des sanierungsbedürftigen technischen Rathauses aus den 1970er Jahren abgerissen werden. Der Abriss des für seine günstige Bauweise prämierten Verwaltungsgebäudes ermöglichte die Rekonstruktion der Frankfurter Altstadt und die städtebauliche Integration des Frankfurter Doms mit dem Römerberg. Auf insgesamt 7000 Quadratmetern werden die alten Gassen und Plätze der im II. Weltkrieg untergegangenen Altstadt in rekonstruierten und gleichermaßen modern interpretierten Gebäuden wiedererstehen. Die Verbindung zwischen Dom und Römer wird auf das historische Straßenniveau abgesenkt werden, sodass der berühmte, historische und derzeit überbaute Krönungsweg der deutschen Könige und Kaiser wieder begehbar wäre. Die Idee – in einem Planungsworkshop gemeinsam mit den Bürgern der Stadt entwickelt – fand überdurchschnittliche Resonanz. Sie wird nun – nach ausgiebigen Planungen und der Entscheidung in einem mehrstufigen Architekturwettbewerb – von der städtischen DomRömer GmbH umgesetzt. Insgesamt 35 Häuser auf historischem Stadtgrundriss werden in den kommenden Jahren mit vielen his-
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torischen Details geschaffen. 15 detailgetreue Rekonstruktionen und 20 Neubauten, welche die typischen Stil elemente der Frankfurter Altstadt aufgreifen, wachsen in einer gelungenen Mischung aus alt und neu zu einem altstadttypischen Wohnquartier zusammen. Dabei werden Gebäude aus verschiedenen bauhistorischen Epochen rekonstruiert, teilweise noch mit Originalbauteilen der ursprünglichen Gebäude. Hier werden rund 200 Menschen ein neues Zuhause, vor allem in Form von Eigentumswohnungen, finden. Wie früher soll es in dem Viertel kleine Läden als Raum für lokale Gewerbetreibende – davon nur zwei Restaurants – und Plätze geben. Das Vermietungskonzept bezieht sich dabei primär auf mittelständische regionale Händler und Handwerker, auf filialisierten Einzelhandel wird bewusst verzichtet. So soll das neue DomRömer-Quartier nach Vorstellungen der DomRömer GmbH ein lebendiges Wohnquartier, ein Treffpunkt für Bürger und Besucher werden. Die Stadt Frankfurt tritt dabei als Generalmieter der Handelsflächen auf und kann hierdurch sowohl inhabergeführten Läden günstige Mietbedingungen bieten als auch aktiv den Besatz steuern. Die Wohnungen werden hingegen als Eigentumswohnungen verkauft. Bereichert wird das neue Quartier durch das „Stadthaus am Markt“, das den südlichen Abschluss des Viertels markiert. Es wird künftig als Veranstaltungs- und Begegnungszentrum allen Bürgern zur Verfügung stehen und den Archäologischen Garten nicht nur schützend überbauen, sondern in einem großzügigen, frei zugänglichen Ausstellungsraum auch eine moderne museale Präsentation dieser bedeutenden historischen Funde ermöglichen. Das Stadthaus am Markt ist in Anlehnung an die dortige merowingische Kaiserpfalz entstanden. Der über den Grundmauern der Pfalz frei schwebende Krönungssaal soll an die historische Bedeutung des Gebäudes für die deutsche Geschichte erinnern. Die
DVAG-Gruppe hatte das große Glück, als eine der ersten von Michael Guntersdorf durch diese Halle geführt zu werden. Kurioses am Rande: Nur ein Bruchteil der neuen Wohnungen des Quartiers wird mit Aufzügen erschlossen, obwohl die Gebäude höher als 15 Meter sein werden. Keine idealen Voraussetzungen für den Bezug des Quartiers durch Familien und die ältere Generation. Dennoch ist Michael Guntersdorf sicher, dass ein lebendiges Stadtquartier entstehen wird. Laut seiner Aussage sind die meisten Käufer der Wohnungen mittleren Alters. Dabei wurde ein Großteil der zwischen 80 und 300 m² großen Wohnungen zu Preisen von 4500 bis 7000 Euro pro m² verkauft. Ob bei diesen Verkaufspreisen die angestrebte Lebendigkeit des Quartiers erzielt werden kann, wird die Zeit zeigen. Frankfurter Europaviertel im Retrolook Im völligen Kontrast zum DomRömer Quartier befinden sich die Wohnquartiere im Europaviertel rund um die tangentiale Europaallee und das zentrale Skyline Plaza Einkaufszentrum. Während in der Altstadt ein pittoreskes Viertel entsteht, erschafft die Stadt Frankfurt mit ihren baurechtlichen Leitplanken im Europaviertel sozialistisch anmutende monofunktionale Wohnquartiere, die mit den Wohnblöcken der Berliner Karl-Marx-Allee vergleichbar sind, so die Meinung der DVAG-Gruppe, die sich das Europaviertel unter den Ausführungen der AK-Sprecher Harald Fiedler, Sven Buchsteiner und Kersten Peter erschlossen hat. Tenor der Gruppe war, dass solche Stadtentwicklungsmuster eigentlich der Vergangenheit angehören würden, jedoch in den Ideen der ausführenden Architekten „wiederbelebt“ wurden. Auch das Einkaufszentrum Skyline Plaza wird dem Anspruch des ursprünglich hier vorgesehenen Urban
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Entertainment Centers nicht gerecht. Aus dem erlebnis- und freizeitorientieren Ansatz aus der Ausschreibungsphase wurden nur ein Park auf dem Dach und ein Fitnesscenter umgesetzt. Auffällig war, auch im Kontrast zum integrativen Planungsansatz des DomRömer-Quartiers, dass eine städtebauliche Integration der angrenzenden Stadtquartiere nicht angestrebt wurde. Es wurde versäumt, klar wahrnehmbare, fußläufige Verbindungen ins benachbarte Gallus- und Bahnhofsviertel zu schaffen, sodass der Eindruck entsteht, sowohl das Center als auch das Europaviertel seien allein auf die Bürogebäude rund um die Frankfurter Messe ausgerichtet. Gleiches gilt für die Integration zum Westend Süd, zur City West und Bockenheim. Es scheint, dass sich hier der automobile Fortschrittsglaube der 1950er Jahre, als Frankfurt nach den Kriegsschäden zur autogerechten Stadt umgeplant werden sollte, 70 Jahre später im Europaviertel wieder manifestiert hat. Der nahezu vollständige Verzicht auf öffentliche Begrünung der Europa allee hat diesen Eindruck bei vielen Exkursionsteilnehmern verstärkt. Die vorgezeichnete Struktur lässt im öffentlichen Raum kein Leben zwischen den Häusern zu. Hanauer Metamorphosen In Hanau waren die vollständige Zerstörung der Innenstadt und deren unsozialer Aufbau mit dem Denken und der Funktionalität der Nachkriegshandelsarchitektur Ausgangspunkt einer vollständigen Innenstadtmetamorphose. Keine andere westdeutsche Stadt hat in jüngerer Zeit ihr Zentrum so radikal umgestaltet wie Hanau. Hans-Ulrich Weiker vom Stadtplanungsamt Hanau führte bei der DVAG-Exkursion aus, wie sich die lokale Politik ab 2008 auf die Suche nach einem potenten Immobilieninvestor gemacht hatte, um die hessische Gebrüder-Grimm-Stadt für die verschärfte interurbane Konkurrenz um Kunden
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und einkommensstarke Haushalte zu stärken. Dies geschah mit Hilfe des „Wettbewerblichen Dialogs“, eines bis dahin in der bundesdeutschen Stadtplanung noch nicht erprobten aufwändigen Vergabeverfahrens. Ähnlich wie bei der Rekonstruktion der Frankfurter Innenstadt wurde auch hier in einem hohen Maße Wert auf Bürgerbeteiligung und Bürgerdialog gelegt – auch um Protesten gegenüber den umfänglichen Erneuerungsmaßnahmen aus dem Weg zu gehen. Den Dialog gewann die Hanseatische Betreuungs- und Beteiligungsgesellschaft (HBB). Im September 2015 eröffnete der Hamburger Konzern am zentral gelegenen Freiheitsplatz das Forum Hanau, ein Einkaufszentrum mit 90 Läden und 36.400 Quadratmetern Fläche. Rund 200 Millionen Euro hatte HBB in das Projekt investiert. Zu den Mietern zählen neben den Filialisten Toys ‚R‘ Us, Zapata, Rewe, New Yorker, H&M und dm auch die Kommune, die im Forum Räume für die Stadtbibliothek, das Stadtarchiv, ein Medienzentrum, die Wetterauische Gesellschaft für Naturkunde und den örtlichen Geschichtsverein nutzt. Stadtplätze mit individuellem Profil Der Fokus des Stadtumbaus lag auf dem so genannten 5-Plätze-System und der Verbindung von Hanau mit „Neu-Hanau“ sowie dem wettbewerblichen Dialog. Die Besonderheit der Hanauer Innenstadt besteht darin, dass fünf fußläufig miteinander verbundene Plätze die prägende städtebauliche Struktur darstellen. In Süd-Nord-Richtung reihen sich der Kirchplatz, der Marktplatz, der Freiheitsplatz, der Altstädter Markt sowie der Schlossplatz aneinander. Durch gezielte Stadtentwicklungsmaßnahmen sollte eine umfassende Integration und Aufwertung der Hanauer Innenstadt erreicht werden. Bei den Entwicklungen am Kirchplatz mit der markanten Kirchenruine, wurde der Fokus auf die Aufwertung der Wohnbebauung und die Umschich-
tung des bestehenden Sozialgefüges gelegt. Rund um den Kirchplatz wird derzeit die Wohnbebauung abgerissen und durch neue hochwertigere und teurere Wohnungen ersetzt. Die Wohnbebauung der 1950er und 1960er Jahre entspricht nicht mehr den modernen Anforderungen, was sich zum einen im Ausbau und der Qualität, zum anderen im Mietpreis und im sozialen Gefüge der umgebenden Wohnquartiere ausdrückt. Diese Aufwertungen des Quartiers haben bereits Veränderungen bewirkt, da viele der einkommensschwächeren Bürger durch die Nassauische Heimstätte sowie eine andere Wohnungsbaugesellschaft über ganz Hanau verteilt wurden und vorerst aus der Innenstadt „umgezogen“ werden. Die neuen Gebäude werden unter anderem auch als Eigentumswohnungen vertrieben und zu einem Preis zwischen 2500 bis 3500 €/m² verkauft. Laut Hans-Ulrich Weicker finden die Wohnungen sehr guten Absatz, da die Verkaufspreise für das Rhein-Main-Gebiet als moderat angesehen werden. Der Wohnungsbau war ursprünglich Teil des von der HBB gewonnenen Dialoges, die Gesellschaft hat allerdings das Baurecht bzw. die Bauverpflichtung weiterveräußert. Insgesamt soll die Parkplatzzahl im Nahbereich reduziert und der Kirchplatz begrünt werden, um so eine erhöhte Aufenthaltsqualität zu schaffen. Der Marktplatz, einer der zwei Hauptplätze Hanaus, zählt zu den größten Marktplätzen Hessens. Um diesen etwas einzurahmen, wurden zwei neue Blöcke entlang der Hammerstraße und der Fahrgasse gebaut. Die Randbebauung wurde viel diskutiert, doch die zwei doppelstöckigen Seitenriegel scheinen nun gemeinhin akzeptiert zu werden. Gastronomie ist die vorherrschende Nutzung, was sich bei der vorherrschenden Platzsituation auch anbietet. Die Fahrgasse ist neben der Nürnberger Straße die Top-Einkaufsstraße in Hanau und wurde umfassend neu gestaltet, um eine verbesserte Verbindung zwischen
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Freiheits- und Marktplatz zu schaffen. Ebenso wurde viel Wert auf eine neue Stadtmöblierung gelegt. Der Freiheitsplatz, zuvor ausschließlich Parkplatzfläche und Busbahnhof wurde umfassend umgestaltet. Hier befindet sich nun das Shopping Center Forum Hanau, der neu gestaltete Busbahnhof sowie eine weitere Fläche für öffentliche Veranstaltungen. Im Rahmen der Stadterneuerungsmaßnahmen wurden jedoch die dort angepflanzten Platanen abgeholzt, nur eine einzelne große Platane auf dem Vorplatz wurde stehen gelassen. Hier hat sich eine attraktive Ecke für Gastronomie entwickelt, die das Straßenbild deutlich belebt. Städtebauliche Aufwertung durch Renovierung der Wohnbebauung und Gastronomie Hervorzuheben ist auch die Renovierung der seitlichen, denkmalgeschützten Wohnbebauung durch die Nassauische Heimstätte, welche in den Erdgeschossflächen auch Ladenlokale vorhält. Auch diese Erneuerung schuf nicht nur einen Rundlauf in der Stadt, sondern verbesserte das allgemeine Stadtbild deutlich. Dies kann als eine deutliche Aufwertung gegenüber dem ursprünglichen Zustand verstanden werden. Durch eine Öffnung des Forum Hanaus in Richtung Altstadt ist der Eingang nun für jeden deutlich wahrnehmbar und wirkt einladender als früher. Die vom Freiheitsplatz abgehende Marktstraße ist die Verbindungsachse zum Altstädter Markt. Dieser wurde im Rahmen des wettbewerblichen Dialogs allerdings kaum verändert. Zwei neue Gastronomiebetriebe wurden angesiedelt sowie die Gebäude zum Platz hin geöffnet. Eine Erhöhung der Gastronomiekompetenz der Hanauer Altstadt ist durch die Umbaumaßnahmen zu erwarten, wenngleich die städtebauliche Integration und Frequenz noch Wachstumspotenzial besitzt, da der fünfte Platz, der Schlossplatz noch nicht fer-
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tig gestellt ist. Der Schlossplatz ist der Vorplatz des ehemaligen Stadtschlosses des Grafen von Hanau, welches bis auf wenige Wirtschaftsgebäude während des Krieges komplett zerstört wurde. Die Planungen für die Aufwertung des Schlossplatzes sind noch nicht abgeschlossen. Offen werden der Umzug der Volkshochschule sowie die Ansiedlung eines Hotels in diesen Bereich der Innenstadt diskutiert. Zum finalen Abschluss der Planungen gibt es noch keine konkreten Aussagen. Das integrierte Center „Forum Hanau“ Diana Schreiber, Centermanagerin des Forum Hanau, holte die DVAG-Gruppe am Marktplatz ab und führte sie über ein Stück Fußgängerzone, die Fahrgasse, zum Center. Die Integration des Centers ist gelungen. Vor allem durch die direkte Anbindung an den ZOB, der mit ca. 20.000 Personen pro Tag viel Frequenz bringt. Von Design und Ausführung her ist das Center ansprechend umgesetzt. Die Platane auf dem vorderen Platz wirkt auf Verweilende einladend. Die Besonderheit des Centers ist, dass es eine Mall besitzt, die von außen nicht als solche wahrzunehmen ist. Durch eine Untertunnelung und eine Brücke, die die beiden größten Baukörper des Centers verbinden, wurden hier neue Laufwege geschaffen. Zum Zeitpunkt der Exkursion war das Center gut frequentiert, wenngleich noch Leerstände in allen Etagen sowie den Außenflächen zu beobachten waren. Der Branchenund Mietermix scheint für eine Stadt dieser Größe adäquat. Einige Hauptmieter wie Esprit oder H&M sind aus den 1A-Lagen (Hammer Straße/Nürnberger Straße) gezogen. Dennoch kann eine umfassende Lageverteilung in der Stadt nach einem Jahr Betrieb des Centers nicht festgestellt werden. Dies sind Indikatoren für eine gelungene Integration des Centers in der Stadt. Problematisch ist aus Sicht der AK Sprecher, dass integrierte und/oder
offene Center in der Vergangenheit überwiegend nur eingeschränkt funktioniert haben. Dies liegt unter anderem auch daran, dass in der Regel auf Grund der baulichen Struktur nur schwer Ankermieter mit einer ausreichend großen zusammenhängenden Fläche an den passenden Positionen platziert werden können. Zusätzlich kann der Effekt der Frequenzziehung durch die Anker, im Gegensatz zu einer geschlossenen Mall, auf Grund verschiedener Ein- und Ausgänge oder offener Plätze abgeschwächt zu werden. Auf der anderen Seite eröffnet sich die Möglichkeit einer Centerveranstaltung, die in einer geschlossenen Mall „hinter geschlossenen Türen“ stattgefunden hätte, den Flair eines Straßenfestes zu verleihen und damit die Integration in die Stadt weiter zu verstärken. Die Verbindung mit der Bücherei und den weiteren öffentlichen Einrichtungen ist gut gelungen. Vor Kurzem zogen die Vertreter der im Forum Hanau ansässigen Kultureinrichtungen eine positive Bilanz ihres Umzugs an den neuen Standort, wobei sie ebenfalls den Synergie-Begriff bemühten. Und insbesondere die Stadtbibliothek hob hervor, dass sich die Neuanmeldungen im Jahr 2015 gegenüber 2014 mehr als verdoppelt hätten. Der Wettbewerbliche Dialog der Stadt Hanau ist noch nicht komplett, aber gerade mit der umfassenden Umgestaltung des Freiheitsplatzes zu einem großen Teil abgeschlossen. Mit den Maßnahmen wurde eine deutlich wahrnehmbare Erhöhung der Aufenthaltsqualität der Stadt erreicht. Eine weitere DVAG Veranstaltung wird sicherlich ein abschließendes Fazit zur städtebaulichen Aufwertung und zum wettbewerblichen Dialog geben können. Sven Buchsteiner Harald Fiedler Verena Isenberg Kersten Peter Sprecher des DVAG AK Einzelhandel
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