Entwicklung
Neue Motoren
Technischer Fortschritt durch Evolution – Neue VierzylinderOttomotoren von Mercedes-Benz auf Basis des erfolgreichen M111 Teil 2 Der überarbeitete M111-Vierzylinder-Ottomotor kommt in der neuen C-Klasse sowie auch im SLK, CLK sowie der E-Klasse zum Einsatz. Im ersten Teil dieses Beitrags wurden das Motorkonzept sowie die Abgasanlage des neuen M111 vorgestellt. Dieser Beitrag behandelt die Themen Abgasreinigung, Motorsteuerung, Zündung und Akustik. Außerdem werden die erzielten Abnahmendaten sowie die Fahrzeugintegration beschrieben. 3.6 Abgasreinigung In Ergänzung zu den Standardfunktionen einer TWC-Abgasanlage mit Lambdasonde wird die schnelle Betriebsbereitschaft des Katalysators durch Sekundärlufteinblasung, Zündungsspätverstellung und Getriebeschaltpunktanhebung beim Automat gewährleistet. Beim Saugmotor wird die Sekundärlufteinblasung durch eine elektrisch angetriebene Luftpumpe realisiert. Bei den aufgeladenen Motoren erfolgt die im Abgaskonzept vorgesehene Sekundärlufteinblasung mit Hilfe des mechanischen Laders. Dazu wird Luft vor der Drosselklappe entnommen und in die Auslasskanäle im Zylinderkopf eingeblasen. Der erforderliche Förderdruck wird vor der Drosselklappe über die Stellung der Umluftklappe eingestellt. Durch den variabel einstellbaren Druck kann daher der Sekundärluftmassenstrom in weiten Kennfeldbereichen geregelt werden. Beim Vorgänger-Motor wurde die erforderliche Luftmasse für die Sekundärlufteinblasung über die Motorsteuerung vorgesteuert und schon direkt nach dem Lader entnommen. Beim neuen M111 wird die erforderliche Sekundärluft dagegen erst nach dem Luftmassenmesser (HFM) entnommen. Dieser somit durch die Messung bekannte Luftmassenstromanteil eröffnet die Möglichkeit, sowohl das Brennraum-Lambda als auch das Lambda im Abgasstrom getrennt einstellen zu können.
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Mit Hilfe dieser idealen Lambda-Steuerung wird eine sehr gute Nachverbrennung im Auspuffkrümmerbereich erzielt. Einerseits wird die Rohemission des Motors damit deutlich reduziert und andererseits wird gleichzeitig durch diese gewollte Exothermie im krümmernahen Bereich die Abgastemperatur erhöht und somit das Aufheizen des Katalysators stark beschleunigt. In Tabelle 2 sind die wesentlichen Daten der eingesetzten Katalysatoren der Firma Engelhard zusammengestellt.
3.7 Motorsteuerung Die Motorsteuerung SIM4 SE/LE umfasst alle für das Motormanagement notwendigen Funktionen. Darüber hinaus beinhaltet sie einige zusätzliche Funktionalitäten, die der Fahrzeugintegration dienen, sowie Komfort und Logistikfunktionen ermöglichen. 3.7.1 Basisfunktionen
Der neue Motor M111 verfügt – wie bereits beschrieben – über eine verstellbare Einlassnockenwelle. Die Nockenwellenposition wird mit einem Hall-Sensor erfasst, der eine True-Power-On-Eigenschaft hat und ein entsprechendes Markierungssegment an der Nockenwelle bereits im statischen Zustand erkennen kann. Mit dieser Eigenschaft konnte eine gewünschte Schnellstart-Funktion implementiert werden.
Die Verfasser Dr. Manfred Fortnagel ist Leiter der Entwicklung Motor und Triebstrang bei der DaimlerChrysler AG.
Dipl.-Ing. Bernhard Heil ist Leiter der Entwicklung Ottomotoren bei der DaimlerChrysler AG.
Dipl.-Ing. Jost Giese ist Leiter des Projektes Neue Vierzylinder-Ottomotoren bei der DaimlerChrysler AG.
Dipl.-Ing. Mario Mürwald ist Leiter der Kompetenz für Konstruktion Ottomotoren bei der DaimlerChrysler AG.
Dipl.-Ing. Hans Karl Weining ist Leiter der Kompetenz für Vebrennungsentwicklung Ottomotoren bei der DaimlerChrysler AG.
Dipl.-Ing. Peter Lückert ist Leiter der Kompetenz für Mechanikentwicklung Ottomotoren bei der DaimlerChrysler AG.
Die Kennfeldzündung arbeitet mit Einzelzündspulen und zylinderselektiver, ad-
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Neue Motoren Tabelle 2: Daten der verwendeten Engelhard-Katalysatoren
Grenzwertkombination EU 4 bzw. LEV
Table 2: Data of the used Engelhard catalysers
Saugmotor
Kompressormotoren
Kat.-Volumen (l) Stirnfläche ( inch ; cm2 ) Länge ( inch ) Zellenzahl pro square-inch Pt – Anteil ( g/l ) Pd – Anteil ( g/l ) Rh – Anteil ( g/l ) Kat.-Volumen (l) Stirnfläche ( inch; cm2 ) Länge ( inch ) Zellenzahl pro square-inch Pt – Anteil ( g/l ) Pd – Anteil ( g/l ) Rh – Anteil ( g/l )
aptiver Klopfregelung. Zylinderindividuelle Einspritzung und adaptive Lambdaregelung sorgen für exakte Kraftstoffzumessung im Zusammenhang mit der HFMLufterfassung. Zur Realisierung der Ladersteuerung in Verbindung mit den vorgestellten Abgaskonzepten sind weiterhin Bausteine zur Steuerung der Drosselklappe und der sogenannten Umluftklappe sowie für die Sekundärlufteinblasung und die Lambda-Erfassung vorgesehen. 3.7.2 Momentengeführtes System
Die Motorsteuerung SIM4 ist eine Neuentwicklung und basiert auf der Idee, die wichtigsten Funktionen über eine Momentenschnittstelle zu koordinieren. Hierzu gehören einerseits Informationen zu den externen Systemen wie Getriebe- und Fahrdynamiksteuerung und sind andererseits die motorspezifischen Funktionen wie Fahrervorgabe über E-Gas, Tempomat oder eine Antiruckelfunktion realisiert. 3.7.2.1 Momentenschnittstelle Die Momentenschnittstelle arbeitet auf Basis des Kurbelwellenmoments des Motors. Die externen Steuergeräte kommunizieren mit der Motorsteuerung über einen CANDatenbus. Das bereits im ersten Teil vorgestellte Bild 1 zeigt auch die Prinzipdarstellung des CAN-Bus „Antriebsmanagement“ mit den beteiligten Steuergeräten. Über diesen CAN-Bus tauschen alle Steuergeräte ihre Informationsbotschaften aus. Da sich diese Informationen funktional zuordnen lassen, gibt es zum Beispiel einen Signalbaustein, über den die Anzeigen in der Anzeigetafel gesteuert werden können. Ein weiterer Baustein enthält und übergibt die
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Stirnwandkatalysator
Unterbodenkatalysator
0,9 6 x 4; 122 3 400 0,20 2,80 0,20
1,35 6,68 x 3,18; 118 4,5 400 1,35 0,25
ohne
3,2 7,28 x 3,54; 140 3+6 400 1,35 0,25
Informationen zum Fahrberechtigungssystem. Die reale Ausführung der HFM-Motorsteuerung SIM4 als Platine zeigt Bild 7. Die Steuergeräte des Antriebsstrangs wie das für die Fahrdynamikregelung, jenes für die Getriebesteuerung und das Motorsteuergerät kommunizieren ihre Momentenanforderungen und Rückmeldungen über das Informationspaket „Momentenschnittstelle“. Die Motorsteuerung ist funktional in zwei Bereiche getrennt, in den sogenannten Antriebskoordinator und in die eigentliche Motorregelung mit ihren Funktionen. Im Allgemeinen können mehrere der aufgezählten Funktionen gleichzeitig Anforderungen an die Motorsteuerung richten. Die Motorsteuerung kann jedoch nur jeweils eine dieser Anforderung einstellen. Aber welche wird das sein? Der Antriebskoordinator löst diese Aufgabenstellung. Er priorisiert alle eingegangenen Momentenanfor-
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Grenzwertkombination EU 3 bzw. D 4 Stirnwandkatalysator
Unterbodenkatalysator
ohne
2,3 6,68 x 3,18; 118 7,5 400 1,35 0,25
ohne
2,5 7,28 x 3,54; 140 7 400 1,35 0,25
derungen und leitet die mit der höchsten Priorität an die eigentliche Momenteneinstellung in der Motorsteuerung weiter. Dabei wird unterschieden, ob dieser Momentenwunsch möglichst schnell, das heißt mit Zündungseingriff, oder wirkungsgradoptimal, das heißt mit reiner Laststeuerung über die Drossel- und Umluftklappe zu erfolgen hat. 3.7.2.2 Momenteneinstellung, Lasterfassung und -einstellung Für die Momenteneinstellung wird das vom Fahrer über die Ersatzgröße E-GasStellung angeforderte Motormoment in der Motorsteuerung auf einen Lastwert umgerechnet. Die Lasteinstellung erfolgt modellbasiert. Das Modell umfasst den gesamten Frischluftpfad inklusive Luftfilter, Hochdruckteil, Saugrohr und Abgastrakt. Als Eingangsgrößen werden die Umgebungsbedingungen, der Motorbetriebszustand
Bild 7: Platine des Steuergerätes der HFM-Motorsteuerung SIM4 Figure 7: Control-unit board of the HFM engine management SIM4
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und die Drossel- und Umluftklappenposition, die die Ladedruckeinstellung beschreiben, berücksichtigt. Durch die genaue Nachbildung der physikalischen Systemeigenschaften erhält das Modell sehr gute dynamische Eigenschaften. Besonders die Umluftklappe kann durch die Modellrechnung somit ohne Leerweg so genau positioniert werden, dass ihre Stellung immer gerade an die Toleranzgrenze zur Androsselung des Ladedrucks gelegt werden kann. Um die stationäre Genauigkeit zu gewährleisten, wird das Modell auf den Lastsensor abgeglichen. Weltweit erstmalig wird dabei während des Motorlaufs und abhängig vom Betriebspunkt zwischen druckgeführter und luftmassengeführter Lasterfassung umgeschaltet. Das Modell dient gleichzeitig auch der Lasterfassung und Momentenerfassung. Der mit dem aktuellen Lastsensor abgeglichene Modell-Lastwert dient der Vorsteuerung der Einspritzmenge und geht in die Momentenberechnung ein. 3.7.2.3 Funktionen auf Basis des momentengeführten Systems Das Fahrerwunschmoment wird aus einem hinterlegten Kennfeld in Abhängikeit von der Fahrpedalstellung und der Motordrehzahl gebildet. Dadurch konnte einerseits sehr gute Dosierbarkeit im Anfahrbereich und andererseits Spontanität im normalen Fahrbetrieb erzielt werden. Zusätzlich wird der Fahrerwunsch in Relation zur geodätischen Höhe und im Hinblick auf die Ansauglufttemperatur korrigiert. Der Fahrer hat somit höhenunabhängig immer das gleiche Fahrverhalten über seine Pedaleinstellung. Mit Hilfe der Momentenschnittstelle konnten somit in der SIM4 zum einen eine dynamische Momentenführung über die Motorfüllung und zum anderen eine sehr wirksame Antiruckelfunktion über Zündungseingriffe implementiert werden. Lastwechsel können damit sehr spontan und dennoch ruckelfrei umgesetzt werden.
pomatfunktion in der SIM4 integriert. Im Stadtverkehr oder sonstigen Zonen mit Geschwindigkeitsbegrenzungen kann die variable Geschwindigkeitsregelung aktiviert werden. Die eingestellte Geschwindigkeit wird im Kombi-Instrument der Armaturentafel angezeigt. Die Funktionen „Tempomat“ und „Variable Geschwindigkeitsbegrenzung“ arbeiten mit Getriebeeingriffen, um in beiden Fällen die eingestellte Geschwindigkeit konstant zu halten. Für externe Funktionen bietet die geregelte Momenteneinstellung ebenfalls große Vorteile. Vorgaben vom Fahrdynamiksystem (ESP) und Vorgaben der Getriebesteuerung können sehr exakt eingestellt werden. Dies steigert die Sicherheit und den Komfort in kritischen Fahrsituationen und während der Schaltvorgänge. 3.7.2.4 Sonstige Funktionen In der SIM4 sind darüberhinaus folgende Funktionen implementiert, die teilweise schon direkt oder indirekt genannt wurden, der Übersichtlichkeit halber hier nochmals zusammengefasst sind: – Adaptive Leerlaufregelung – kapazitive Erfassung der Öltemperatur, des Ölstands und der Ölqualität – magnetische Kurbelwinkelerfassung, Inkrement-System – E-Gas System mit Drei-Ebenen-Sicherheitskonzept – magnetische und damit berührungslose Pedalwerterfassung – Nachlaufsteuerung und Spannungsversorgungskonzept mit vollständiger Abschaltung – Wegfahrsperre. 3.7.2.5 Diagnosefunktionen Im integrierten Modul zur On-Board-Diagnose (OBD-II) werden alle abgasrelevanten Komponenten auf korrekte Funktion überprüft. Dies schließt auch eine weitere Lambda-Sonde nach dem Katalysator ein. Alle Sensoren und Aktuatoren im definier-
ten System werden auf Kurzschlüsse und Leitungsunterbrechung diagnostiziert. Erkannte Fehler werden im Flash-Speicher abgelegt. Das aufwendige Fehlerspeichermanagement bietet die Möglichkeit zur statistischen Auswertung nach einer mehrfachen Prüfung der abgelegten OBDII-Diagnoseergebnisse, verhindert die Ablage von Folgefehlern durch Fehlerverriegelung und gewährleistet die Ausgabe detaillierter Fehlerinformationen. Entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen wird bei einer Fehlfunktion der Abgasreinigungsanlage die Check-Engine-Lampe angesteuert, um den Fahrer über eine mögliche Fehlfunktion zu informieren. Für Diagnose- und Prüfzwecke wurde zur Nutzung in Werkstätten eine Diagnoseschnittstelle nach Vorgabe des KeywordProtocol 2000 implementiert. 3.7.2.6 Flash-Speicher und Variantenkonzept Funktionsprogramm und Applikationsdaten sind im integrierten Flash-Speicher abgelegt. Die Programmierung ist über die serielle Kommunikationsschnittstelle möglich. Zur Vermeidung einer sehr großen Steuergeräte-Vielfalt werden die Geräte mittels Variantenkodierung im Werk auf den in den Produktionspapieren dokumentierten spezifischen Fahrzeugaufbau kodiert.
3.8 Zündung Motorenkonzepte mit hoher Aufladung und starker Gemischbewegung im Brennraum stellen hohe Ansprüche an die Zündkerzen – insbesondere hinsichtlich Verschleiß und Zündsicherheit. Als erster Motorenhersteller in Europa verwendet DaimlerChrysler daher eine von NGK speziell entwickelte Iridium-Zündkerze, die auf Grund weitgehender Erprobungsergebnisse die Anforderungen umfassend erfüllt, Bild 8.
Die Motordrehzahlbegrenzung arbeitet über den Füllungspfad sehr komfortabel mit entsprechenden Momentenvorgaben. Durch eine Drehzahlprädiktion werden Überdrehzahlen vermieden. Falls der Fahrer bei voraus erkennbaren Konstantfahrphasen Entlastung bei der Gaspedalbetätigung wünscht, ist eine Tem-
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Bild 8:Vergleich der Zündkerzen für den M111; rechts die neue Ausführung Figure 8: Spark plug comparison of the M111; improved type on the right
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Die hohe Lebensdauerforderung von mindestens 100.000 km wird durch die Ausstattung der Elektroden mit Legierungen aus Iridium und Platin erreicht. Das hervorragende Verschleißverhalten dieser Materialien ermöglicht eine sehr filigrane Ausführung der Mittelelektrode. Der Durchmesser der Iridium-Spitze beträgt nur noch 0,6 mm, was zu einer erheblichen Verbesserung der Entflammungseigenschaften führt und eine deutliche Reduzierung des Zündspannungsbedarfs zur Folge hat, verglichen mit den heute üblichen Elektrodendurchmessern von 2,0 bis 2,5 mm. Der durch die Elektrodengeometrie reduzierte Zündspannungsbedarf ermöglicht einen auf 1,0 mm vergrößerten Elektrodenabstand. Der durch diese Änderungen verminderte Quenching-Effekt rund um den Isolationskörper der Mittelelektrode erweist sich als Vorteil und führt zu einer stabilen Flammkernausbildung und einer schnelleren Flammenausbreitung, was zur Optimierung der Gesamtentflammung beiträgt.
3.9 Akustikmaßnahmen Hauptziele im Sinne eines effektiven Akustikdesigns war die Reduzierung des Gesamt- und verschiedener Einzelpegel sowie die Optimierung des subjektiven Geräuschempfindens. Umgesetzt werden konnte dies durch eine Vielzahl von Einzelmaßnahmen: – Veränderter Strömungsverlauf im Einund Auslasskanal im Zusammenhang mit verbrennungsseitigen Anpassungen – Optimierung der Betriebsgeräusche des Laders ML bei den aufgeladenen Motoren – die Kettenräder der Steuerkette mit den Komponenten: Das Rad auf der Auslassnockenwelle, das Rad im Nockenwellenversteller und das Kurbelwellenrad sind gummiert, ebenso die Spur der Ölpumpenkette auf der Kurbelwelle – Gezielt verripptes Kurbelgehäuse, sowie angepasste und versteifte Flanschverbindung zum neuen Schaltgetriebe (NSG) – Verbesserte Schaftsymmetrie durch Einführung des Crack-Pleuels – akustisch optimiertes Saugrohr mit allen Luftführungsteilen und Anschlüssen (Umwicklungen, Verrippungen, Verstärkungen) – Saugrohrabdeckung auch als Bauteil für das Akustikdesign – Schwingungsoptimierung durch Entkopplungen an Systemen hinsichtlich geringerem Körper- oder Luftschall (EGas und Umluftsteller)
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– bombierte Ölwanne mit vergrößerter Wandhöhe und verrippter Struktur – Luftfilteranordnung. Etwas detaillierter, weil sehr komplex, soll auf die Ladergeräusch-Thematik eingegangen werden. Im Sinne einer weiteren Komfortsteigerung sollte – zum Beispiel für die neue C-Klasse – der Fahrzeug-Innengeräuschpegel im Vergleich zum Vorgängerfahrzeug nochmals abgesenkt werden. Dies entpuppte sich bei der Weiterentwicklung des M111 als eine große Herausforderung. Geräusche dieser Art waren zum Beispiel Frequenzanteile und ordnungsabhängige Begleittöne des mechanischen Laders M 45, der gegenüber seinem Vorgänger kleiner baute und mit höheren Drehzahlen betrieben werden konnte. Diese Geräusche wurden subjektiv durch „Laderheulen“ oder „Laderpfeifen“ je nach Beobachter verbal beschrieben. Geprägt werden die dafür verantwortlichen Frequenzanteile durch das Drehzahlband des Laders und vorwiegend als Pulsationspfeifen abgestrahlt. Diese Pulsationsgeräusche entstehen beim Lader – der, das zur Erinnerung, ein Rootsgebläse ist – sowohl auf der Saug- wie auch auf der Druckseite. Sie steigen in der Intensität mit dem eingestellten Druckniveau im Motorkennfeld deutlich an. Diese dem statischen Luftstrom aufgeprägten Schwingungen werden auf dem Weg von der Ansaugöffnung bis zum Zylinderkopf von den Kontaktbauteilen entsprechend deren Baustrukturen abgestrahlt und auch durch Körperschall übertragen. Insbesondere die flexiblen Schlauchverbindungen und der Ladeluftkühler sind dadurch sowohl im Fahrzeugaußen- als auch beim Innengeräusch auffällig. Aufgrund seiner Bauweise erzeugt der mechanische Lader im Luftführungssystem eine Pulsationsanregung sechster Ordnung, die in Verbindung mit der Laderübersetzung einer dreizehnten Motorordnung entspricht und den Frequenzbereich von 500 bis 1500 Hz dominiert. Wegen dieses breiten Frequenzbands scheiden übliche Resonatoren als wirkungsvolle Dämfungsbausteine aus, da diese nur schmalbandige Frequenzfilter darstellen. Eingesetzt wurde daher eine Breitbanddämpfertechnik auf Helmholtz-Basis, wie sie DaimlerChrysler bereits bei den neueren aufgeladenen PkwDieselmotoren erfolgreich anwendet. Um die vorher beschriebenen laderbedingten Pulsationsgeräusche zu dämpfen, wurden also spezielle Pulsationsdämpfer entwickelt. Hierbei handelt es sich um sogenannte Mehrkammerdämpfer, die pro
Kammer einen Frequenzbereich von etwa 500 Hz mit rund 20 dB bedämpfen können. Als durchströmtes Bauteil konzipiert, benötigt das Teil ein zusätzliches Volumen von etwa 0,7 l, um das infrage kommende Frequenzband zu bedämpfen. Der daraus resultierende Saugdämpfer stellt mit einem integrierten Ölabscheider eine hundertprozentige Kunststofflösung dar, während der Druckdämpfer nur im Innenteil aus Kunststoff besteht. Das Außenteil des Dämpfers ist aus Temperaturgründen aus Aluminium gefertigt. Bild 9 zeigt die Luftführung in alter und neuer Ausführung des Kompressormotors im W 203 als CAD-Grafiken, Bild 10 zeigt in 3DDarstellung den entsprechenden Realaufbau der neuen Ausführung für den W 203. Durch die beschriebenen Einzelmaßnahmen und die dargestellten Anordnungen der einzelnen Bauteile konnte schließlich erreicht werden, dass das objektive und subjektive Geräuschniveau des neuen Motors im Vergleich zum Vorgänger einen deutlichen Fortschritt sowohl im Gesamtpegel in dB(A) als auch im harmonischen Verlauf (keine Überhöhungen) widerspiegelt. Bild 11 zeigt einen Vergleich zum Thema Geräusch des alten Aufbaus zum neuen Konzept des W 203 bei gleichen Bedingungen.
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Abnahmedaten des neuen Ottomotors M111
Die auf Basis des M111 konzipierten und ausführlich erprobten neuen Ottomotoren erfuhren im Rahmen der Projektarbeit über 150 Änderungen gegenüber ihren Vorgängern. Bild 12 zeigt die zertifizierten Leistungs- und Drehmomentkurven. Die aus der kompletten Überarbeitung des M111 resultierenden Verbesserungen des spezifischen Verbrauchs im üblichen Referenzpunkt pme=2 bar bei n=2000/min zeigt die Tabelle 3. Im bekannten Vergleichsdiagramm der FEV-Untersuchungen sind damit die drei Varianten des überarbeiteten M111 ebenfalls sehr günstig plaziert, Bild 13. In Bild 14 ist als Beispiel für die erfolgreiche Entwicklungsarbeit das Verbrauchskennfeld des neuen M111E20 ML dargestellt. Eine Gesamtansicht des neuen M111E20 mit Kompressoraufladung in 3D-Darstellung zeigt Bild 15, wobei hier die Variante für den Einbau in den W 203, die Limousine der neuen C-Klasse, dargestellt ist. Charakteristisch für den Einbaufall in der neuen C-Klasse sind die Luftführung mit
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Entwicklung Bild 9: Luftführung des Kompressormotors M111 ML in alter (links) und neuer (rechts) Ausführung Figure 9: Air ducting system of the compressor-engine M111 ML in the old (left) and new (right) version
Bild 10: Einbauverhältnisse der Luftführungsteile in der neuen C-Klasse Figure 10: Installation conditions of the air conducting parts for the new C-Class
geräuschminderndem Breitbanddämpfer, quer vor dem Motor angeordnetem Dämpferfilter, eine dem Fahrzeugvorbau angepasste Ölwanne mit hintenliegendem Ölsumpf sowie die optisch ansprechende Gestaltung der im Sichtfeld liegenden Bauteile einschließlich der Abdeckung oberhalb des Saugrohrs. Der im Teilschnitt gezeigte mechanische Lader M 45 ist eine Weiterentwicklung des bisher verwendeten Kompressors, dessen Überarbeitung zusammen mit Eaton durchgeführt wurde. Die Abnahmediagramme der für den Einbau im W 203
Bild 11:Vergleich der Motorgeräuschpegel der Luftführungen ,alt’ gegen ,neu’
Bild 12: Drehmoment und Leistung der neuen Vierzylinder-Ottomotoren auf Basis des M111
Figure 11: Comparison of engine noise level of the air ducting system 'old' versus 'new'
Figure 12:Torque and power of the new 4-cylinder gasoline engine, based on M111
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Tabelle 3: Spezifische Verbrauchswerte Table 3: Specific fuel consumption
Bild 14:Verbrauchskennfeld des neuen M111E20 Kompressor Figure 14: Fuel consumption map for the M 111 E 20 compressor
Bild 13: Spezifische Verbräuche;Vergleich im FEV-Diagramm Figure 13: Specific fuel consumption; comparison to FEV scatterband
vorgesehenen Motorvarianten auf Basis des M111 zeigen Bild 16 und Bild 17.
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Figure 15:The new MY 2000 compressor engine M111E20 ML
Motorenpalette für die neue C-Klasse von Mercedes-Benz
Die Entwicklung und Technik der neuen CKlasse von Mercedes-Benz ist in der ATZ 7/8-2000 ausführlich dargestellt. Die Auswahl der Motoren für den Antriebsstrang der neuen C-Klasse erfolgte im Hinblick auf ein möglichst umfassendes und attraktives Angebot für den Kunden. So finden sich Saug- und Ladermotoren im Programm, die sowohl den Wünschen nach Agilität, hoher Durchzugskraft bereits im unteren Drehzahlbereich, großem Fahrspaß und sportlicher Dynamik entsprechen können, als auch souveräne Fahrleistungen bieten und dabei günstigste Fahrverbräuche erreichen. Das vollständige Ottomotorenprogramm für die neue C-Klasse mit zwei Varianten des überarbeiteten neuen M111 ist in der Tabelle 4 zusammengefasst:
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Bild 15: Der neue M111E20 ML ab Baujahr 2000
Tabelle 4: Ottomotorenprogramm für die neue C-Klasse von Mercedes-Benz Table 4: Gasoline engines program for the new C-Class from Mercedes-Benz
C 180
C 200 Kompressor
C 240
C 320
Hubraum
cm3
1998
1998
2597
3199
Bohrung
mm
89,9
89,9
89,9
89,9
Hub
mm
78,7
78,7
68,2
84,0
Zylinderzahl
4
4
6
6
Ventilzahl pro Zylinder Verdichtung ε
4 10,6
4 9,5
3 10,5
3 10,0
Drehmoment bei Drehzahl
Nm min-1
190 4000
230 2500-4800
240 4500
310 3000-4600
Leistung bei Drehzahl
kW min-1
95 5300
120 5300
125 5500
160 5700
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Bild 16: Einstiegsmotorisierung M111E20 für den C 180 der neuen C-Klasse; Drehmoment und Leistung im Vergleich zum M111E18, Serie 1998
Bild 17: Aufgeladener M111E20 ML für den C 200 Kompressor der neuen CKlasse; Drehmoment und Leistung im Vergleich zum M111E20, Serie 1998
Figure 16: Base engine M111E20 for the C 180 of the new C-Class; torque and power output in comparison to the M111E18, series 1998
Figure 17: Supercharged engine M111E20 for the C 200 compressor of the new C-Class; torque and power output in comparison to the M111E20, series 1998
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Zusammenfassung
Die anspruchsvollen Rahmenbedingungen, Gründe der schnelleren Durchführbarkeit sowie Wirtschaftlichkeitsüberlegungen führten zu der Entscheidung, derzeit noch kein grundsätzlich neues Motorkonzept für die Vierzylinder-Ottomotoren einzuplanen. Die sich trendmäßig verändernden Anforderungen der Kunden können vorerst auch mit der kompletten Überarbeitung des bewährten M111 erfüllt werden. Im Konzeptansatz wurden ein Saug- und zwei Lademotoren beschlossen, wobei die sehr erfolgreiche Kompressoraufladung zum Beschlusspaket gehörte. Statt des M 62-Laders kommt der neuentwickelte, geräuschoptimierte Lader M 45 der Firma Eaton zur Anwendung.
Durch über 150 konstruktive Überarbeitungen und Veränderungen an den Bauteilen des M111 konnten schließlich nach nur 21 Monaten Überarbeitungszeit erste kundenfähige Saug- und Auflademotoren aufgebaut werden, die alle im Hinblick auf die europäische Abgasgesetzgebung nach EU3 beziehungsweise EU4 zertifiziert sind. Für die 2,3-Liter Kompressor-Variante wurde auch ein US-Zertifikat entsprechend der LEV-Gesetzgebung erworben. In der gerade vorgestellten neuen C-Klasse werden die Ottomotoren M111E20 und der M111E20 ML dieser Evolutionsstufe sowie die Sechszylinder-Motoren M112E26 und M112E32 eingesetzt. Diverse weitere Applikationen der neuen M111-Varianten werden in Kürze folgen.
Danksagung: Die Autoren bedanken sich bei den Herren Dipl.Ing. Detlef Panten, Dipl.-Ing. Werner Engelin, Dipl.-Ing. Klaus Schwedler, Dipl.-Ing. Klaus Joos sowie Dipl.-Ing. Alf Lehner für die redaktionelle Mitarbeit bei Text und Grafik.
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