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Untersuchungen fiber die Struktur des Centroplasmas und die Drehrichtung einiger OsdUatoHaarten V o n R A G N A IIATHSACK-K~JNZENBACH AUS d e m Institut fiirBiophysik der Deutschen Akademie der Wissenschalten zu Berlin, Direktor: Prof. Dr. K. Lohs Manuskript eingegangen am 13. Februar 1967
Die Bewegung der Oscillatoriaceen hat immer wieder das Interesse der Forscher auf sich gelenkt. So sind im letzten Jahrzehnt umfangreiche Arbeiten erschienen [2, 7, 11, 121, welche u. a. die Bewegtmg dieser Algen zum Gegenstand haben. Neben derartigen physiologischen Untersuchungen fitllt in rein systematischen Blaualgenarbeiten auf, dass neben der Beschreibung der morphologischen Kennzeichen einer Oscillahrria- oder Phormidiumart auch gelegentlich ihre Drehrichtung w~hrend der Vorw~i~tsbewegung angegeben wird. Dieses hAufig erw~hnte Merkmal hat uns zu der Frage geftihrt, ob die Drehrichtung der Oscillatorien ein Artmerkmal ist oder ob die bei der Bestimmung der Algen beobachtete Drehrichtung nur rein zuf~.llig ist. Bei Untersuchungen an acridinorangegef~rbten Trichomen yon Oscillatorien war uns aufgefallen, dass sich im gelbgriin fluoreszierenden DNS-haltigen Centroplasma hAufig deutliche L~ngsstmkturen erkennen lassen. Derartige Strukturen sind bei FUHS [41 an Oscillatoria amoena gefunden und ausfiihrlich beschrieben worden. Es soU datum bier nicht auch noch einmal auf ihre Bedeutung fttr die Cyanophyceenzelle eingegangen werden. In unseren Untersuchungen, die zun~chst an der thermophilen Oscillat,oria terebriformis durchgeftthrt wurden, liess sich mater geeigneten Bedingungen erkennen, dass die L~ugsstrukturen ausserdem in der Zelle besonders orientiert waren. Sie verliefen nicht etwa parallel zu den L~ngsw~tnden, sondern waren schr~tg zu ihnen in der Zelle angeordnet. Diese Beobachtung, n~nlich die Ausrichtung des nukleinsiiurehaltigen Centroplasmas, war der Anlass ftir die folgenden Untersuchungen an einigen weiteren Oscillatoriaarten. Material und M e t h o d e
Folgende 50scillatoriaarten wurden untersucht: O. terebriformis (1964 aus der ungarischen ThermalqueUe Hark~_uy isoliert), 0. margaritifera (1964 aus der ungarischen Thermalquelle Hdviz isoliert), O. animalis (yon Blumenerde eines Gew~chshauses seit 1961 in Kultur), O. amoena und O. formosa. Die beiden letztgenannten Arten wurden uns freundlicherweise von Herrn Dr. habil. KOCH aus der G6ttinger
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Algensammlung zur Verfitgung gestellt. Die fflr die Versuche verwendeten Algen stammten aus Kulturen, die auf fliissigem Medium nach HUGHES, GORHAM und ZEHNDER [9] angezogen worden waxen. Die Anflirbung mit Acridinorange erfolgte 3 Minuten fang in einer Verdiinnung 1:5000 bei einem pH yon 7,5. Das ftlr die Versuche nStige Blaulicht lieferte eine HBO 50 unter Verwendung des Filters BG 12 (ZEISS). Fttr die Beobachtung bedienten wir uns des Sperrfilters OG 1. Bei dieser Anordnung hebt sich das gelb bis gelbgrlin fluoreszierende Centroplasma deutlich vom dunkelroten chlorophyUftlhrenden Chromatoplasma ab. Resultate
O. Wtebriforrnis Wie bereits eingangs erwAtmt wurde, zeigten die L~h-xgsstmkturen des DNS-haltigen Centroplasmas eine schrAge Anordnung in jeder Zelle dieser Alge. Die dicht gelagerten ,st~.bchen,-artigen hellgriin fluoreszierenden Gebilde verliefen im mikroskopischen Bild von clinks unten~ nach *rechts oben,. Wie die Abbildung 1 zeigt, war die Anordnung in jeder Zelle gleich. In sich teilenden Zellen war sie nur an den SteUen, an denen sich die Querwand einschiebt, unterbrochen. Nicht bei jeder Einstellung des Mikroskopes wurde dieses Bild gleich deutlich. Es empfahl sich, das Objektiv auf die obere ~Fl~che ~ des Centroplasmas einzustellen. Ferner liessen sich nur dann deutliche Strukturen des Centroplasmas nachweisen, wenn man junge Trichome aus frischen Kulturen verwendete. In Mten Trichomen, die aus Kulturen mit einem weitgehend verbrauchten Niihrmedium stammten, war die Orientierung nicht mehr zu beobachten, wie fiberhaupt die Feinstruktur weitgehend verwischt war. In der Abbildung 2 ist die Anordnung des Centroplasmas noch einmal schematisch dargestellt. Hellfelduntersuchungen zeigten, dass diese 0. t, rebriformis sich rechtsdrehend fortbewegte. Die Drehrichtung der Alge entsprach also ihrem inneren Ball.
Abbildung 1
Oscillatona terebvi[ormis im Fluoreszenzlicht nach Anf~irbung mit Acridinorange. Die hell erscheinenden Strukturen des Centroplasmas verlaufen schr~ig zur Trichomachse.
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O. animalis Diese Alge, deren Trichome schm~ler sind als bei tier vorangegangenen Art, liess zun~chst nach der Anf~rbung mit Acridinorange keine so deutliche Strukturierung erkennen. Das Centroplasma war offensichtlich nicht so rein aufgeteflt wie bei O. terebriformis. Daffir konnten wit bei dieser Alge eine weitere interessante Beobachtung machen. Das grfin fluoreszierende Centroplasma lag nicht immer vollkommen in der Mitte der ZeUen. Es war sehr h~iufigetwas an die L~gsw~nde gedriickt. So entstand tier Eindruck einer leicht ~wellenf6rmigen, Verteilung des Centroplasmas innerhalb eines Trichoms. Bei Bet~tigung tier Mikrometereinstellung am Mikroskop ergab sich aber, dass die Anordnung nicht nur in 2 Dimensionen, sondern r~iumlich verl~uft. In einem vollkommen gestreckten Trichomabschnitt schienen somit die Kern~quivalente yon O. animalis eine Spirale zu bflden (Abbfldung 3). Um genauere Aufschliisse da~ber zu erhalten, benutzten wir jetzt ffir unsere Versuche gut wachsende Algen aus 4 Tage alten Kulturen. In solchem Material war die Strukturierung des Centroplasmas sehr gut sichtbar. Jetzt liess sich auch tier Spiralbau des Protoplasten an den Kera~quivalenten deutlich nachweisen. Die Windungen waxen nach rechts gerichtet. Bei entsprechender Einstellung des Mikroskopes auf die
Abbildung 2 O. terebri]ormis. Schematische Darstellung der Strukturanordnung des Centroplasmas.
Abbildung 3 O. animalis. Das Centroplasma, das nach AnfArbung mit Acridinorange hier hell hervortritt, zeigt
,weLlenf6rmige, Anordnung.
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dem Betrachter zugewandte Seite verliefen die Liingsstrukturen yon links unten nach rechts oben; an jenen Stellen also, an denen auch die Windungen der Spirale dem Objektiv am niichsten waren. In den entfemteren Windungsabschnitten waxen die Strukturen entgegengesetzt gerichtet. Dieser Befund bestiLtigte unsere Vermutungen, dass die scheinbar wellenf~rmige Anordnung der Kem~iquivalente (Abbildungen 3 und 4) innerhalb eines Trichoms in Wirklichkeit eine Spirale darsteUt. Abbildung 5 zeigt eine solche schematische DarsteUung der Centroplasmaanordnung. Die Windungsrichtung der Spirale entsprach der im HeUfeld beobachteten Drehrichtung dieser Art.
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"a::z-"; ".'~,. ) Abbildung 4 Schematische Darstellung der Centroplasmastrukturen in jungen Trichomen yon O. animalis.
Abbildung 5 Stark schematisierte Vorstellung fiber die Anordnung des Centroplasmas in einem Trichom yon O. aniraalis.
Abbildung 6 O. mavgariti/era. Schematische Darstellung der Centroplmsmastrukturen in einem Trichom.
O. margaritifera Als weitere Art untersuchten wir 0. margaritifera. Das vorliegende Material zeigte bei der Lebendbeobachtung stets Linksdrehung im Mikroskop. Nach Anfiirbung mit Acridinorange war auch hier die Feinstruktur des Centroplasmas wegen der grossen inhaltsreichen Zellen ~iusserst schwer zu erkennen. Es erschien eher granuliert, als dass st~ibchenf6rrnige Gebilde zu erkennen gewesen w~iren. Bei Einstellung des Objektives auf die dem Betrachter zugewandte ,Fl~iche, der Kernliquivalente, also bei oberer MikroskopeinsteUung, entstand ein Bild, wie es in Abbildung 6 schematisch dargestellt ist. Auch hier l~isst sich eine spiralige Anordnung erkennen. Sie ist aber anders geartet als bei O. terebriformis trod wiirde eher zu dem Typ yon O. animalis passen, bei der die Spirale tiber mehrere ZeUen verl~iuft. Entsprechend der Linksdrehung der Art windet sich auch die, Spirale, links um die Trichomachse. Eine Ahnliche ~bereinstimmung zwischen der Anordnung der Kem~iquivalente und der Drehrichtung der Alge konnten wit auch bei den beiden folgenden Arten feststellen.
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O. formosa liess zwar nur recht undeutlich l_Angsstrukturen erkennen, doch waxen diese nach rechts gerichtet, was auch der Drehrichtung der Alge entsprach. Der Zellanfbau iitmelte im Fluoreszenzlicht weitgehend dem von O. animalis, doch war die Feinstruktur des Centroplasmas nicht so gut zu erkenen. Das verwendete Material entstammte Alteren Kulturen. Um den genauen Aufbau des Centroplasmas besser studieren zu k~nnen, miissten die Versuche noch einmal an 3-4 Tage alten Kulturen wiederholt werden. 0. amoeba zeigte schwache, nach links gerichtete Strukturen im Centroplasma, entsprechend der Drehrichtung der Alge im HeUfeld. Lgver den spiraligen Ban, nicht nut des Trichoms, wie z. B. bei Spirulina, sondem auch des Protoplasten in geraden Trichomen, finden sich bereits bei GEITLER und RUTTI~ER [6] Hinweise ftir Plecto~ema woUei, bei Einstellung auf das Chromatoplasma, sowie yon MARGALEF(1945) ffir die Scheide yon Hydrocoleum brebissonii. Auf den spiraLigen Bau des Centroplasmas einer nicht n~.her beschriebenen Oscillatoriaart weist GEtTLER [5] in seinem B u c h , Schizophyzeen, in einer Abbildung bin (S. 12). Er vermutet ferner (S. 111), dass die Windungsrichtung ffir einige Blaualgen arteigentitmlich ist. Wie welt er damit nut die Spirulinaarten meint oder ob er auch die Drehrichtung der Oscillatorien und Phormidien mit einbezieht, geht nicht eindeutig daraus hervor. Wit konnten nun diese Vermutungen GEITLERSbestiitigen und a n H a n d eigener Untersuchungen ffir einige Oscillatorien den Spiralbau des Centroplasmas nachweisen. Darfiber hinaus zeigten unsere Beobachtungen deutlich, dass die Anordnung der KernAquivalente und vermutlich auch des gesamten Protoplasten mit der Drehrichtung der untersuchten Arten fibereinstimmt. Wit vermuten, dass auch die Phormidien einen iihnlichen Bau zeigen. - Es scheint bier eine Struktur-Funktions-Beziehung vorzuliegen. - Zumindest ist aber der Spiralbau bereits so stark in der Zelle fixiert, dass die Windungsrichtung der beweglichen Oscillatorien sicher kein Zufall ist. Darfiber binaus scheint dieser Bau genetisch fixiert zu sein und ffihrt zu der Annahme, dass somit auch die Drehrichtung der Oscillatorien artspezifisch ist. Die Bestimmung der Oscillatorien bereitet immer wieder Schwierigkeiten. Neben der grossen Variationsbreite der Trichomdurchmesser innerhalb einer Art ist auch das Vorhandensein oder Fehlen bestimmter Zelleinschlfisse, das mitunter emiihrungsphysiologisch bedingt ist, nicht immer ein sicheres Artmerkmal. Datum erscheint uns die Angabe der Drehrichtung dieser Algen in lebendem Material bei allen Artbeschreibungen ein wichtiges Hilfsmittel. Ob Ahnliche Verh~ltnisse auch bei den Phormidien vorliegen, mfissen splitere Untersuchungen zeigen.
Zusammenfassung .~n vier verschiedenen Artender Gattung Oscillatoria konnte nach Anf~irbung mit Acridinorange im Fluoreszenzmikroskop die Feinstruktur des Centroplasmas beobachtet werden. Besonders deutlich liessen 0. animalis und 0. terebriformis feine L~.ngsstrukturen erkennen, die schr~g zur Trichomachse ausgerichtet waren und auf einen spiraligen Bau des gesamten Protoplasten schliessen liessen. Voraussetzung ffir
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diese Versuche waren junge Algen aus 3-4 Tage alten Kulturen. Die A n o r d n u n g der nukleins~urehaltigen Strukturen in den ZeUen stimmte rnit der D r e h r i c h t u n g der lebenden Algen tiberein. Es wird angenommen, dass die W i n d u n g s r i c h t u n g der 0scillatorien artspezifisch ist. SUMMARY I t was possible, after staining with acridin orange, to observe in the fluoromicroscope the fine structure of the centroplasm of four different species of the genus Oscillatoria. Especially in the case of 0. animalis and 0. terebri/ormis, fine longitudinal structures could be distinguished; they run obliquely towards the triehome axis and could be a sign of spiral structure of the whole protoplast. Such structures can be observed only on young algae taken from cultures 3 or 4 days old. The arrangement of the nucleinate structures in the cells corresponds to the twisting movement of the live algae. It can be supposed that the twisting direction taken by the Oscillatoria is characteristic of the species.
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