HAUPTBEITRAG / VIER JAHRE DOCU-BLOGGING
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Vier Jahre Docu-blogging im IT-Gipfel-Prozess der Bundesregierung Partizipation und Dokumentation leicht gemacht Justus Bross · Matthias Kohnen Patrick Schilf · Christoph Meinel
Die Serie der IT-Gipfel Seit dem ersten nationalen IT-Gipfel geht von den jährlich stattfindenden Spitzentreffen der Branche der Informations- und KommunikationsTechnologie (IKT) ein gemeinsames Signal von Politik, Wirtschaft und Wissenschaft aus: Der IKT-Standort Deutschland soll mittelfristig an die Weltspitze geführt werden. Hierfür wollen alle Interessensgemeinschaften gemeinsam neue Chancen für Wachstum und Arbeitsplätze eröffnen, zukunftsträchtige Wachstumsfelder entwickeln und die wichtigen Handlungsfelder zielstrebig angehen [4]. Dabei gilt die IKT in Deutschland schon länger als Schlüsselbranche, die für den Wirtschaftsstandort Deutschland insgesamt, aber auch für die Weiterentwicklung anderer wichtiger Industriesektoren von essenzieller Bedeutung ist. Dies wird auch in der letzten Untersuchung des Statistischen Bundesamtes zur ,,Informationsgesellschaft in Deutschland“ aus dem vergangenen Jahr deutlich. In dem betrachteten Zeitraum von 2003 bis 2007 ist die Zahl der in der deutschen IKT-Branche tätigen Unternehmen um 27 % auf rund 60.000 gestiegen. Im Jahr 2007 haben die 855.000 Beschäftigten dieser Unternehmen insgesamt ca. 223 Mrd. Euro erwirtschaftet, was gegenüber dem Jahr 2003 einer Steigerung von 19 % entspricht [13]. Der erste nationale IT-Gipfel fand am 18. Dezember 2006 am Hasso-Plattner-Institut (HPI) in Potsdam statt. Hier traten erstmals die acht prominent besetzten Arbeitsgruppen, die sich bereits im Vorfeld des Gipfels konstituiert und mit der thematischen Arbeit begonnen hatten, zusammen. In Abb. 1 ist eine Auflistung dargestellt, welche thematischen Teilaspekte dabei rund um das Thema IKT
in Deutschland in diesen Arbeitsgruppen im Rahmen des Arbeitsprozesses des IT-Gipfels eingehend behandelt und diskutiert wurden. Die Ergebnisse der acht Arbeitsgruppen wurden jeweils in eigenen Positionspapieren festgehalten und in Form der zwölf ,,Potsdamer Thesen“ pointiert zusammengefasst. Dieses erarbeitete Handlungsprogramm beinhaltet ein Bündel von Maßnahmen, dessen Umsetzung Politik, Wirtschaft und Wissenschaft als gemeinsame Aufgabe in gemeinsamer Verantwortung verstehen [6]. Diese thematische Struktur wurde in den darauffolgenden drei Jahren grundlegend beibehalten, wobei 2007 die Arbeitsgruppe ,,E-Justice“ unter Vorsitz der damaligen Bundesjustizministerin Zypries hinzukam. Für den IT-Gipfel 2010 in Dresden hat das federführende Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie im März 2010 eine schlankere thematische Struktur angekündigt [5]. Zum einen wurde die inhaltliche Arbeit der Arbeitsgruppen neu ausgerichtet; hierbei wurden die Themen neu gruppiert und neue Arbeitsgruppen gebildet, außerdem wurden zwei jährlich wechselnde Arbeitsgruppen zu jeweils einem Sonderthema und einem Regionalthema eingeführt. Zum anderen werden die Arbeitsgruppen zukünftig von einer Doppelspitze geleitet, ein Vorsitzender einer jeden Arbeitsgruppe ist ein Vertreter eines Bundesministeriums bzw. eines Landesministeriums, während der andere VorDOI 10.1007/s00287-010-0499-2 © Springer-Verlag 2010 Justus Bross · Matthias Kohnen · Patrick Schilf Christoph Meinel Hasso-Plattner-Institut, Prof.-Dr.-Helmert-Str. 2–3, 14482 Potsdam E-Mail:
[email protected]
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Zusammenfassung Beim ersten nationalen IT-Gipfel 2006 in Potsdam wurde erörtert, wie der deutsche IKTStandort wieder an die Weltspitze kommen kann. Politik, Wirtschaft und Forschung diskutierten über neue Wachstumschancen und Arbeitsplätze sowie über Möglichkeiten, wie zukunftsträchtige Wachstumsfelder nachhaltig entwickelt werden können. Zahlreiche – darunter prominente – Stimmen kritisierten jedoch im Nachhinein, dass die breite und interessierte Öffentlichkeit von dieser Diskussion ausgeschlossen blieb. Vor diesem Hintergrund wurde die Möglichkeit erörtert, die erwähnten inhaltlichen Resultate des IT-Gipfels über eine internetbasierte Kommunikationsplattform zur öffentlichen Diskussion bereitzustellen und damit der eingangs formulierten Kritik konstruktiv zu begegnen. Das Hasso-PlattnerInstitut initiierte am 15. Juni 2007 als Antwort hierauf den IT-Gipfelblog. Inwieweit dieses Weblog bis heute dabei geholfen hat, neue, kreative und visionäre Ideen und Beiträge aus der interessierten Öffentlichkeit zu den auf dem IT-Gipfel gestellten Fragen, den dort erarbeiteten Inhalten und den beschlossenen Maßnahmen anzuregen und einzusammeln, ist Thema dieses Beitrags.
sitzende die Wirtschaft vertritt. In Abb. 1 ist sowohl die bisherige Struktur als auch die neue Struktur zu erkennen, für das Sonderthema und das Regionalthema sind hier die Themen des IT-Gipfels 2010 in Dresden dargestellt.
Der Bedarf an Dokumentation – Entstehung des IT-Gipfelblogs In der Nachbearbeitung des ersten IT-Gipfels zeigte sich jedoch, dass die Inhalte der Arbeitsgruppen der breiten interessierten Öffentlichkeit nicht in geeigneter Form zur Information und Diskussion zur Verfügung gestellt wurden. Eine öffentliche Diskussion über die Themen der IT-Gipfelreihe und den dort erarbeiteten Inhalten war demnach nicht oder wenn, dann nur eingeschränkt möglich. In Folge dessen mehrten sich kritische, darunter teilweise prominente Stimmen (Bundesdatenschutzbeauftragter [9], Bündnis 90/Die Grünen [2] etc.) darüber, dass in der Vorbereitung, der Durchführung und der Nachbearbeitung des Gipfels wichtige Interessengemeinschaften entweder unzureichend oder überhaupt nicht im Arbeitsprozess des Gipfels repräsentiert waren. Obwohl die Ausrichtung eines ersten nationalen IT-Gipfels (verglichen mit anderen europäischen Ländern) in Deutschland weit überfällig und demnach für die Branche ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung war, musste dieser berechtigten Kritik in angemessener Weise entgegengetreten werden [3]. Um die interessierten Bürger besser über Inhalte und Ergebnisse der IT-Gipfel zu informieren und eine Diskussion – auch ohne Anwesenheit bei den IT-Gipfeln – zu ermöglichen, initiierte das HassoPlattner-Institut demnach am 25. Juni 2007 den ITGipfelblog [3]. Dessen erklärtes Ziel ist es, nicht nur die hochrangigen und prominenten Experten am Veranstaltungsort, sondern möglichst viele interessierte Bürger und bisher nichtberücksichtigte Interessensgruppierungen am Prozess und den Diskussionen
Abb. 1 Die Arbeitsgruppen des IT-Gipfels und die ihnen vorsitzenden Ministerien bzw. Unternehmen
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Abstract The first national IT-summit in Germany had the goal to communicate the common conviction and objective target of the German government as well as economic and scientific organizations that Germany is on its way to become the ICT-market number one worldwide. Critiques however soon started to complain about the inaccurate representation of SME’s and the German public in general in the planning phase, the event itself, and the follow up process of the IT-summit. The offline community of the ITsummit was therefore migrated into a virtual online counterpart: the “IT-summit-blog” initiated by the Hasso-Plattner Institute on June 15th 2007. The objective of this project was to improve the efficiency and ability to support the sharing of information and knowledge in a timely fashion about summit topics. Even among all those that could not participate in the discussion yet. To what extent this weblog met the beforementioned expectations till the present day is the main focus of the following work.
der IT-Gipfel teilhaben zu lassen. Jeder sollte hierdurch die Möglichkeit haben, unabhängig von Ort und Zeit mit anderen zu diskutieren und somit an der Konsensbildung zu partizipieren. Das Internet wird hierdurch nicht nur als reines Informationsmedium genutzt, sondern als multidirektionaler Mediator [7]. Die Kommunikation verläuft partizipativ, wobei es um die Nutzung der kollektiven Intelligenz und Kreativität aller Interessierten geht. Ermöglicht wird zudem der Rückfluss des gemeinsam erarbeiteten Wissens der IT-Gipfelblog-Gemeinschaft in die weiterführende Arbeit der IT-Gipfel-Arbeitsgruppen. Ein anderer Schwerpunkt des IT-Gipfelblogs liegt des Weiteren in der dokumentarischen Aufbereitung des IT-Gipfel-Prozesses. Hierzu soll das Geschehen rund um die IT-Gipfel in Form von Videointerviews und Textbeiträgen aufgezeichnet und dauerhaft online zum Abruf bereitgestellt werden. Begonnen hat der IT-Gipfelblog mit einem einführenden Beitrag der jeweiligen Leiter der Arbeitsgruppen, weiterhin wurden Kurzinterviews mit verschiedenen Experten produziert. Diese Beiträge wurden auf der Website in Kategorien, die
den Arbeitsgruppen entsprachen, den Nutzern zum Abruf bereitgestellt. Die Besucher des Blogs hatten ebenfalls die Möglichkeit, diese Beiträge zu kommentieren. Im Rahmen einer Evaluation der ersten drei Monate wurde festgestellt, dass im Verhältnis zu anderen Blogs zu selten neue Inhalte eingestellt wurden. Weiterhin wollten die Nutzer nicht nur Beiträge kommentieren, sondern auch eigene Beiträge einstellen [3]. Folglich wurde im Oktober 2007 der ITGipfelblog neu strukturiert und der Aufbau der Website am Design anderer Blogs ausgerichtet. Seitdem sind die Beiträge in umgekehrt chronologischer Reihenfolge abrufbar, womit der neueste Beitrag – wie in Blogs üblich – auf der Startseite ganz oben steht. Die vorherige Zuordnung zu den Arbeitsgruppen wurde aber nicht komplett entfernt, da durch die Kategorisierung eines Beitrags für eine oder mehrere Arbeitsgruppen ein thematischer Zusammenhang weiterhin dargestellt wird. Als letzte Neuerung bekamen die registrierten Nutzer die Möglichkeit, neben den Kommentaren zu fremden Artikeln eigene Artikel einzustellen und somit den IT-Gipfel-Prozess durch eigene Impulse zu bereichern. Im Vorfeld des zweiten IT-Gipfels hatten die Nutzer zum ersten Mal die Möglichkeit, den hochrangigen Teilnehmern der Diskussionsrunden auf dem IT-Gipfel Fragen zu stellen, indem sie diese in Textform oder als Video im IT-Gipfelblog einstellten. Die Antworten wurden dann wiederum im Blog veröffentlicht, um dort den Nutzern zum Abruf und zur erneuten Kommentierung zur Verfügung zu stehen. Diese Möglichkeit der Partizipation wurde auch bei den folgenden IT-Gipfeln fortgesetzt. Beim vierten und fünften IT-Gipfel wurden die öffentlichen Teile der Veranstaltung wie die Plena, die Pressekonferenzen und auch die Podiumsdiskussionen live und exklusiv über den IT-Gipfelblog als Stream übertragen und im Anschluss an den IT-Gipfel zum erneuten Abruf als Mitschnitt zum Download online gestellt. Initiativen wie diese begrüßte auch die Bundeskanzlerin Angela Merkel in Ihrer jährlichen Grußbotschaft an die Redaktion des IT-Gipfelblogs im Vorfeld des Dritten IT-Gipfels [12]. Sie wisse, dass der IT-Gipfelblog eine exzellente Dialogplattform in der Internetcommunity biete, schrieb sie. In der Zeit zwischen den IT-Gipfeln führt die Redaktion Interviews mit Persönlichkeiten aus Informatik_Spektrum_34_1_2011
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Politik, Wirtschaft und Wissenschaft, um die Diskussion zu verschiedenen Themengebieten der IKT zu beleben und die verschiedenen Meinungen zu dokumentieren.
Typologisierung Docublog Diese Dokumentation verschiedener Meinungen als ein Ziel des IT-Gipfelblogs unterscheidet sich schon auf den ersten Blick von den Zielen vieler anderer Blogs, in denen die Blogger ihre persönliche Ansicht zu bestimmten Themen darstellen möchten und nicht immer neutral berichten. Aus diesem Grund könnte eine Einordnung des IT-Gipfelblogs in die üblichen Typologien für Blogs, für die es in der akademischen Literatur verschiedene Ansätze gibt, schwierig werden. Krishnamurthy beispielsweise sortiert Blogs in ein Koordinatensystem mit vier Quadranten ein. Hierbei wird in zwei Dimensionen, zum einen die der Autoren und zum anderen in die des Inhalts, unterschieden. Bei den Autoren betrachtet man, ob ein Blog von einem Autor (,,Individual“) oder von mehreren Autoren gemeinsam (,,Community“) gepflegt wird. Inhaltlich unterscheidet man zwischen persönlichen Blogs (,,Personal“) und themenspezifischen Blogs (,,Topical“) [10]. Der IT-Gipfelblog ist anhand dieser Einteilung eindeutig themenspezifisch, da er sich ausschließlich mit dem Themengebiet der Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) beschäftigt und nicht aus dem Leben der Redaktion berichtet. Bei der Dimension der Autorenschaft ist dies nicht so leicht zu klären, da Artikel sowohl von der Redaktion als auch von interessierten Bürgern eingestellt werden können. An anderen Stellen wird versucht, die Blogs auf ihren Inhalt beziehungsweise ihr Genre bezogen zu klassifizieren, sofern dies möglich ist [8]. An dieser Charakterisierung könnte problematisch sein, dass in einigen Bereichen die Klassifizierung zu detailliert ist, während sie in anderen Bereichen komplett fehlt. In die von Koschnick vorgeschlagene Klassifizierung [8] konnte der IT-Gipfelblog überhaupt nicht eingeordnet werden. Hierbei fällt auf, dass die Autoren der Artikel im IT-Gipfelblog nicht über sich selbst oder ihre Erlebnisse schreiben, sondern der IT-Gipfel-Prozess dokumentiert wird und im Rahmen dieser Dokumentation die Ansichten der Interviewpartner dargestellt werden. Diese Form des Blogs, bei der nicht die Ansichten des Bloggers, sondern die Positionen
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verschiedener Personen und die Betrachtung dieser über einen längeren Zeitraum im Mittelpunkt stehen, wurde bisher noch nicht bezeichnet. Aus diesem Grund führen wir den Begriff Docublog (als Kunstwort aus dem englischen ,,Documentation“ und ,,Weblog“) ein. Ein Docublog dokumentiert die Entwicklung in einem bestimmten Themengebiet, wobei Autoren nicht wertend eingreifen dürfen und möglichst neutral und umfassend berichten sollen. Durch die blogtypische Struktur und die Techniken des Web 2.0 gibt es für die Nutzer des Docublogs natürlich weiterhin die Möglichkeit, Beiträge zu kommentieren. Somit kann nicht nur über das jeweilige Themengebiet berichtet werden, sondern diese Dokumentation auch durch Kommentare interessierter Nutzer ergänzt werden. Der Blog kann folglich zu einer umfassenderen Darstellung des Meinungsbildes dieser Thematik herangezogen werden.
Die inhaltliche Entwicklung des IT-Gipfelblogs Der Inhalt eines jeden Blogs ist ein entscheidendes Kriterium für die Wirkung in der Öffentlichkeit. Für einen wie durch uns definierten Docublog ist eine umfassende, detaillierte und möglichst neutrale Dokumentation des jeweiligen Themengebietes besonders wichtig. Allerdings könnte bei einem Docublog ein anderer Maßstab für die Zeiträume, innerhalb derer neue Beiträge veröffentlicht werden, gelten, als für andere Blogtypen. Mithilfe der Abb. 2 und 3 wird die Entwicklung verschiedener Metriken für den Blog im Zeitraum zwischen dem Start des IT-Gipfelblogs im Juni 2007 und dem Redaktionsschluss für diesen Artikel im November 2010 betrachtet. Abbildung 2 stellt die Anzahl der Kommentare, Artikel und Nutzerregistrierungen dar, die im betrachteten Zeitraum von Mitte 2007 bis zur Entstehung dieses Artikels erstellt wurden. Diese Größen werden kumulativ dargestellt, wobei die Artikel, die von Nutzern des IT-Gipfelblogs erstellt wurden, gesondert aufgeführt sind. Durch senkrechte Linien sind die Zeitpunkte der wichtigsten Veranstaltungen, die durch den IT-Gipfelblog dokumentiert wurden, veranschaulicht. Die größte Aktivität im IT-Gipfelblog ist regelmäßig im zeitlichen Kontext der IT-Gipfel zu verzeichnen. So ist in Abb. 2 zu erkennen, dass in diesen Zeiträumen die Anzahl der neuen Artikel
Abb. 2 Anzahl der Artikel, Kommentare und Nutzerregistrierungen im IT-Gipfelblog
sprunghaft ansteigt, da während dieser Veranstaltungen die meisten Interviews mit Teilnehmern der IT-Gipfel geführt werden. Im Rahmen der CeBIT 2008 wurden nur wenige Interviews geführt. Viele Einzelinterviews wurden hingegen während der CeBIT 2009 durch die Redaktion des IT-Gipfelblogs geführt, was am starken Anstieg der Artikelanzahl deutlich zu erkennen ist. Im Jahr 2010 war der IT-Gipfelblog nicht auf der CeBIT vertreten. Die Zahl der Kommentare ist vor allem in den ersten beiden Jahren kontinuierlich gestiegen. Zum Start des IT-Gipfelblogs und den besonderen Veranstaltungen ist diese Anzahl sprunghaft auf ein höheres Niveau gestiegen. Seit dem Sommer 2009 wurden allerdings zwischen den Veranstaltungen weniger Kommentare erstellt. Im Jahr 2010 ist eher ein passives Interesse der Nutzer zu erkennen, da sich kontinuierlich neue Nutzer registrieren, diese allerdings nur wenige Kommentare erstellen. Bei den Kommentaren erwarten wir mit Blick auf den 5. IT-Gipfel im Dezember 2010 eine ähnlich sprunghafte Steigerung, wie sie bereits zu den vergangenen IT-Gipfeln zu beobachten war. Die Zahl der Nutzerregistrierungen verhält sich bis zum 4. IT-Gipfel ähnlich wie die Zahl der
Kommentare, anschließend ist die Zahl der Nutzer kontinuierlich gestiegen. Hierbei ist auffällig, dass vor allem während der IT-Gipfel viele neue Nutzer begrüßt werden konnten. Allerdings registrierten sich bei jedem weiteren IT-Gipfel weniger neue Nutzer. Diese Sättigung könnte darauf zurückgeführt werden, dass sich bereits registrierte Nutzer nicht erneut registrieren müssen und die Zahl der am IT-Gipfel besonders interessierten Bürger in Deutschland limitiert ist. Es ist außerdem zu erkennen, dass die Zahl der Artikel, die von Nutzern erstellt wurden, seit dem dritten IT-Gipfel nicht mehr gestiegen ist. Eine allgemeine Zurückhaltung der Nutzer ist allerdings nicht erkennbar, da im gleichen Zeitraum die Artikel aus der Redaktion von den Nutzern weiterhin kommentiert wurden und sich neue Nutzer registriert haben. Im Jahr 2010 hat die Redaktion verstärkt zwischen den beschriebenen Veranstaltungen Interviews geführt, um die Meinungsbildung rund um die Themen des IT-Gipfels durch häufigere Interviews zu verstärken. Dies erklärt die kontinuierliche Steigerung der Artikelzahl. Die Zahl der Artikel durch Nutzer stieg aufgrund einer Kooperation mit der Plattform CeBIT push, deren Redakteure diInformatik_Spektrum_34_1_2011
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Abb. 3 Anzahl der Anfragen (Hits) an den Server des IT-Gipfelblogs
verse eigens recherchierte Artikel im IT-Gipfelblog veröffentlicht haben.
Einfluss externer Faktoren auf Zugriffszahlen Für den IT-Gipfelblog sind Veranstaltungen von besonderer Bedeutung, da in diesem Rahmen die meisten Interviews geführt werden und somit neue Beiträge entstehen. Mithilfe der in Abb. 3 dargestellten Daten lässt sich überprüfen, ob sich diese Bedeutung auch auf die Zugriffszahlen übertragen lässt. In Abb. 3 werden die Anfragen an den Webserver des IT-Gipfelblogs (engl. ,,Hits“) jeweils pro Woche dargestellt. Wie in Abb. 2 sind durch senkrechte Linien die dokumentierten und besonders wichtigen Veranstaltungen dargestellt. Weiterhin sind die Zeitpunkte, an denen einflussreiche Medienvertreter – wie zum Beispiel die Website des ZDF [11] und die Nachrichtensendung ,,ZDF heute in Deutschland“ [1] – über den IT-Gipfelblog berichtet haben, annotiert. Neben diesen Berichten im Rahmen der Veranstaltungen werden die Zugriffszahlen auf den
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IT-Gipfelblog regelmäßig durch Kooperationspartner und die Information der Nutzer über weitere Kanäle wie iTunesU, Twitter und RSS-Feeds beeinflusst. Die Daten wurden mithilfe von zwei Verfahren erfasst: AW-Stats wertet die Daten, die der Webserver in Log-Dateien speichert, aus, während Stat-Traq/Slimstats als Plug-in für die Blogsoftware Wordpress die Zugriffe auf den Blog direkt zählt. Die Kombination beider Analysewerkzeuge ermöglicht es, gesicherte Aussagen über die Zugriffszahlen zu erhalten. Im Juli, August und September 2008 fehlten Daten für AW-Stats, jedoch konnte mithilfe von Stat-Traq/Slimstats die Entwicklung der Anfragen weiterhin abgeschätzt werden. Bis auf diesen Zeitraum ist für beide Verfahren eine ähnliche Entwicklung der Anfragen zu erkennen. Bei näherer Betrachtung von Abb. 3 wird deutlich, dass die größten Steigerungen bei Anfragen auf den IT-Gipfelblog direkt nach dem Start des Blogs und während der IT-Gipfel zu verzeichnen waren. Auffällig ist zudem, dass die Zahl der Anfragen direkt im Anschluss an die IT-Gipfel für einen kurzen Zeitraum deutlich abfiel.
Während der CeBIT 2008 und 2009 sind ebenfalls Steigerungen zu erkennen, die auf diese Veranstaltung zurückgeführt werden können, wobei anders als bei den IT-Gipfeln Veröffentlichungen in der Presse eine deutlich geringere Rolle gespielt haben. Während der CeBIT 2010 kann auch eine Steigerung abgelesen werden, allerdings war der IT-Gipfelblog in diesem Jahr nicht auf der CeBIT vertreten. Diese Steigerung könnte auf eine kontinuierliche Erstellung neuer Beiträge in diesem Zeitraum und die Kooperation mit der Plattform CeBIT push zurückgeführt werden (Abb. 2). Vergleichen kann man in diesem Zusammenhang auch die Deutschen IPv6-Gipfel, die vom Deutschen IPv6-Rat am Hasso-Plattner-Institut durchgeführt wurden. Der IPv6-Rat möchte den nötigen Umstieg des IP-Protokolls, das dem Internet zugrunde liegt, auf die neue Version IPv6 vorantreiben. Bei den IPv6-Gipfeln werden die aktuellen Zwischenergebnisse beim Umstieg besprochen und das weitere Vorgehen abgestimmt. Der Verlauf des zweiten IPv6-Gipfels wurde durch die Redaktion des IT-Gipfelblogs ausführlich dokumentiert und die Einschätzungen und Kommentare der Gipfelteilnehmer im Blog veröffentlicht; hieraus resultierte eine größere Zahl neuer Beiträge. Obwohl auf die Dokumentation durch den IT-Gipfelblog in der Berichterstattung zum IPv6-Gipfel nicht explizit eingegangen wurde, ist die Zahl der Zugriffe in diesem Zeitraum sichtbar gestiegen. Der erste und der dritte IPv6-Gipfel wurden durch den IT-Gipfelblog deutlich geringer dokumentiert. Dies könnte erklären, weshalb hier keine Steigerung der Anfragen erkennbar ist. Betrachtet man den gesamten Zeitraum, ist zu erkennen, dass die Zahl der Anfragen auf den IT-Gipfelblog in den Jahren 2007 und 2008 durchschnittlich niedriger war als im Jahr 2009. Auch sinken die Zugriffszahlen in den Sommermonaten regelmäßig ab. Dies könnte auf die (politische) Sommerpause zurückgeführt werden, da in diesem Zeitraum grundsätzlich weniger Veranstaltungen durchgeführt werden und weniger Entscheidungsträger Interviews führen möchten. Das niedrigere Niveau im Jahr 2010 könnte darauf zurückgeführt werden, dass der IT-Gipfel im vierten Jahr seines Bestehens nichts Neues und Besonderes mehr ist, was auch den IT-Gipfelblog beeinflusst. Wie in den Vorjahren kann jedoch für den 5. IT-Gipfel eine erneute
deutliche Steigerung der Zugriffzahlen erwartet werden. Insgesamt betrachtet ist erkennbar, dass durch eine besondere Berichterstattung in den Medien wie zu den IT-Gipfeln die Zahl der Zugriffe signifikant steigt. Allerdings kann auch ohne diese explizite Berichterstattung ein Zuwachs festgestellt werden, wenn es einen inhaltlichen Zusammenhang zwischen der Veranstaltung und dem Inhalt des Blogs gibt.
Partizipation leicht gemacht Ein wichtiges Ziel des IT-Gipfelblogs ist es, interessierten Bürgern Möglichkeiten zur interaktiven Teilnahme an den IT-Gipfeln zur Verfügung zu stellen. Erfolgreich war hierbei besonders die Möglichkeit zur Kommentierung der eingestellten Beiträge. Bereits vor dem Beginn eines IT-Gipfels konnten die interessierten Bürger in schriftlicher Form und per Video Fragen stellen. Während der Diskussionsforen wurden ausgewählte Fragen der Nutzer des IT-Gipfelblogs den Teilnehmern gestellt. Die Antworten wurden anschließend im IT-Gipfelblog veröffentlicht, wodurch die Bürger erneut die Möglichkeit zur Kommentierung hatten. Seit dem vierten IT-Gipfel im Jahr 2009 können Interessierte das Geschehen während des Gipfels live im IT-Gipfelblog verfolgen. Die öffentlichen Teile der Veranstaltung wie Eröffnung, Diskussionsforen und Abschlussplenum werden hierbei per Video- und Audio-Stream direkt ins Internet übertragen und können dort einfach abgerufen werden. Anders als die Teilnehmer vor Ort können die Besucher des IT-Gipfelblogs leicht zwischen den parallel stattfindenden Plena wechseln und somit die für sie interessanteste Diskussion betrachten. Darüber hinaus können diese Aufzeichnungen im Anschluss an den IT-Gipfel erneut betrachtet und heruntergeladen werden. Hierdurch haben alle Bürger auch im Nachhinein die Möglichkeit, die Diskussionen erneut zu verfolgen und somit den Entscheidungsprozess nachvollziehen zu können. Die Nutzer des IT-Gipfelblogs können dann weiter über die Inhalte der Plena diskutieren, so die Diskussion fortsetzen und die Ideen weiterentwickeln. Auch zwischen den IT-Gipfeln haben die interessierten Bürger die Möglichkeit, die vom Redaktionsteam geführten Interviews zu kommentieren. In diesen Interviews kommen regelmäßig Informatik_Spektrum_34_1_2011
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auch Experten zu Wort, die beim IT-Gipfel nicht anwesend waren. Aber auch interessierte Bürger können eigene Artikel für den IT-Gipfelblog schreiben und diese dort veröffentlichen. Durch diese Möglichkeiten kann sich die Diskussion das ganze Jahr über fortsetzen und viele weitere Bürger können sich am IT-Gipfel-Prozess beteiligen.
Die Zukunft Auch im vierten Jahr seines Bestehens wird der IT-Gipfelblog als offizielle Diskussionsplattform der Bundesregierung allen Interessierten die Möglichkeit bieten, hautnah und aktiv am nationalen IT-Gipfel-Prozess der Bundesregierung teilzunehmen. So wird die Redaktion auch weiterhin interessierte Nutzerinnen und Nutzer regelmäßig mit Interviews und Berichten über den Fortschritt der Arbeitsgruppen informieren und somit die Entwicklung der IKT in Deutschland insgesamt und nachvollziehbar dokumentieren. Über 5 Mio. Zugriffe insgesamt, nahezu 800 registrierte Autoren sowie mehr als 1000 eingestellte Text- und Videobeiträge zeigen bislang eindrucksvoll, dass die Einbeziehung der interessierten Öffentlichkeit in die IT-Gipfelreihe über solch eine Diskussionsplattform der richtige Schritt war und wohl auch bleiben wird (Stand November 2010).
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