PRAXIS | MAGAZIN
Konferenz-Review
Volatilität nutzen – flexible Strategien, agile Organisationen
DOI: 10.1365/s12176-012-0359-9
Bericht vom fünften Campus for Strategy & Leadership am 27. März 2012 in Vallendar
Auf Einladung der WHU – Otto Beisheim School of Management diskutierten hochkarätige Redner sowie über 100 Teilnehmer beim Campus for Strategy & Leadership strategisch und personalwirtschaftlich relevante Aspekte rund um das Leitthema „Volatilität nutzen – flexible Strategien, agile Organisationen“. Die speziell an Führungskräfte gerichtete Konferenz bestand aus fünf Praxisvorträgen und einem interaktiven World Café, im Rahmen dessen die Teilnehmer gemeinsam mit Praxismoderatoren die unterschiedlichen Facetten von Volatilität diskutieren konnten und Lösungsansätze erarbeiteten. Weiterhin boten ein gemeinsames Mittagessen sowie eine abschließende Poster-Session den Teilnehmern die Möglichkeit für intensive Diskussionen und Networking bei entspannter Atmosphäre und herrlichem Wetter. Die Begrüßungsrede hielt Professor Dr. Lutz Kaufmann vom WHU-Lehrstuhl für Internationales Management & Beschaffung. Er betonte, dass das Thema Volatilität derzeit allgegenwärtig sei und Organisationen in vielen Bereichen eine Zunahme von Marktschwankungen erlebten. Um diesen begegnen zu können, istl ein erhöhtes Maß an Flexibilität und Agilität notwendig, um rasch auf Veränderungen reagieren zu können. Getreu dem Kongress-Motto müsse es aber darum gehen, Volatilitäten gerade auch als Chance zu begreifen. In dem Eröffnungsvortrag der Konferenz zeigte die WHU-Absolventin, Dr. Sabine Bach, Präsident von Siemens Management Consulting, wie sich Siemens auf zukünftige Volatilitäten vorbereitet. Dabei setzt das Unternehmen auf sein Frühwarnsystem, das globale Trends permanent analysiert. Siemens, ein Großkonzern, der oft als großer, unbeweglicher Tanker wahrgenommen wird, ist aber vor allem deshalb erfolgreich aus den vergangenen Krisen hervorgegangen, weil der Konzern seinen Pioniergeist bewahren konnte. So wurde beispielsweise innerhalb von nur sechs Monaten der neue Sektor „Infrastructure & 172
Cities“ mit 87.000 Mitarbeitern geschaffen, um das Marktpotenzial wachsender Megacities auszuschöpfen. Abschließend resümierte Frau Bach, dass Unternehmen nur dann einen Nutzen aus der Volatilität ziehen können, wenn sie stets den Mut haben, Neues tatsächlich zu wagen. Dr. Heiko Schäfer, Head of Operations – Fashion adidas der adidas Group, erläuterte in seinem anschließenden Beitrag, dass sich adidas aufgrund saisonaler Schwankungen sowie wiederkehrender Großereignisse wie Olympiaden oder Fußballweltmeisterschaften kontinuierlich mit dem Thema Volatilität auseinander setzen müsse. Diese planbaren Zyklen stellen aber vor allem Chancen dar, da sie beispielsweise die Einführung neuer Modelle und Kollektionen ermöglichen. Um diese Chancen optimal auszunutzen, setzt adidas ganz bewusst auf modernste Technologien, um beispielsweise die Dauer von Produktneuentwicklungen radikal zu verkürzen. Eine weitere Herausforderung ergibt sich für adidas aus der Auslagerung eines Großteils der Produktion ins Ausland. Diese Internationa lisierung erfordert einen schnellen und flexiblen Umgang mit volatilen Rohstoffpreisen, Wechselkursschwankungen sowie sich ändernden Zollbestimmungen. Wahre Krisen wie zum Beispiel der Ausfall eines Lieferanten aufgrund einer Umweltkatastrophe seien ohnehin nicht planbar; in diesen Fällen hilft meist nur eine hands-on Task Force, welche unabhängig vom Tagesgeschäft zeitnahe Lösungsansätze erarbeitet. Dr. Georg Schreiner, Partner bei der Strategieberatung Bain & Company, ging in seinem Vortrag auf die Frage ein, ob Strategien in volatilen Zeiten überhaupt noch helfen. Das Problem sei vor allem eine zunehmende Komplexität, die dazu führe, dass Unternehmen enorme Schwierigkeiten haben, nachhaltig zu wachsen. Dabei helfen Schreiner zufolge keine klassischen Strategien, die auf Zahlen, Daten und Fakten beruhen, sondern nur eine strategische Ausrichtung, die glasklar auf
Prof. Dr. Lutz Kaufmann
Urs Meier
Reduktion von Komplexität, Fokus auf das Kerngeschäft, klare Unternehmensstrukturen und kontinuierliche Weiterentwicklung setzt. Diese Strategie verdeutlichte der Berater am Beispiel des Unternehmens Apple, das innerhalb von nur fünf Jahren sein Kerngeschäft vom Macintosh in Richtung iPhone neu definiert hat. Eine Konsequenz der zunehmenden Volatilität ist die Notwendigkeit, schnelle Entscheidungen zu treffen. Neben dem Topmanagement von Unternehmen trägt diese Verantwortung auch ein Spitzen-
ZfCM | Controlling & Management
56. Jg. 2012, H.3
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v. l. n. r.: Dr. Gerrit Reepmeyer, Dr. Heiko Eckert und Ludwig Allgöwer
v. l. n. r.: Oliver Teich und Dr. Peter Wessmann
schiedsrichter. Der ehemalige FIFASchiedsrichter Urs Meier griff dieses Thema in seinem ebenso unterhaltsamen wie informativen Vortrag über Entscheidungen unter Druck eindrucksvoll auf. Anhand vieler Beispiele aus seiner langjährigen Erfahrung als Spitzenschiedsrichter erläuterte er strategische Themen wie Entscheidungsgeschwindigkeit, Führung, Fairplay, Teamwork und Mitarbeitermotivation. Die größte Herausforderung für einen Schiedsrichter ist demnach, in kürzester Zeit Entscheidungen zu treffen und das vor tausenden Stadionbesuchern und einem kritischen Publikum vor den Bildschirmen. Meier betonte, dass Führungskräfte ebenso solche Entscheidungen zu treffen haben und dabei immer auch ein gewisses Risiko eingehen. Abschließend thematisierte der ehemalige Schweizer „Schiedsrichter des Jahres“, dass Fairplay nicht nur im Sport grundlegend für einen wirklich dauerhaften Erfolg sei: Unternehmen, die langfristig erfolgreich sein wollen, müssten mit allen Stakeholdern fair umgehen.
Jürgen W. Müller, Chefvolkswirt der Daimler AG, betonte im abschließenden Vortrag des Kongresstages, dass es Vola tilität schon sehr lange gibt und beispielsweise in der Automobilindustrie die Norm sei. Dabei hat sich in all den Jahren noch keine „Vollkaskoversicherung“ entwickeln lassen, um mit den Marktschwankungen erfolgreich umzugehen. Um auf Marktschwankungen jedoch bestmöglich vorbereitet zu sein, setzt der Automobilhersteller auf hochentwickelte Frühwarnsysteme. Müller zufolge kommt es dabei aber in erster Linie darauf an, auch die richtigen Schlüsse zu ziehen und die dafür passenden Werkzeuge zu entwickeln, die beispielsweise eine hohe Flexibilität in der Produktion ermöglichen. Der Chefvolkswirt zeigte aber auch die Grenzen solcher Prognosen auf. So macht ein Blick in die Vergangenheit deutlich, dass Unternehmen durchschnittlich ein Mal pro Jahr mit einem exogenen Schock, wie zum Beispiel dem Tsunami im Jahre 2004 oder der Lehman
Brothers-Pleite im Jahr 2008, umgehen müssen, den sie nicht eingeplant hatten. Die zunehmende Globalisierung könne dabei lokale Schocks zwar dämpfen, andererseits haben große lokale Schwankungen inzwischen einen Einfluss auf den gesamten Weltmarkt. Zusätzlich zu den Beiträgen bot das World Café die Möglichkeit, konkrete Lösungsansätze zum Umgang mit den unterschiedlichen Facetten von Volatilität zu erarbeiten. Im Fokus des Gedankenaustausches standen dabei folgende Themen: Agilität der Organisation, Mitarbeiter motivation in Zeiten des Umschwungs, Wohin wollen die Besten?, Dynamik im Einkauf sowie Planung unter Volatilität. Weitere Informationen und filmische Eindrücke zur Veranstaltung finden sich unter www.strategyandleadership.de. Der nächste Campus for Strategy & Leadership findet am 12. April 2013 auf dem neuen WHU-Campus in Düsseldorf statt.
Gavin Meschnig, Vallendar
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