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American Heart Association zur kardiovaskulären Prävention
Wie viel und oft Essen verträgt das Herz? Fragestellung: Welchen Einfluss hat das heutige Ernährungs-
Material und Methoden: In dieser wissenschaftlichen Stellung-
verhalten auf kardiovaskuläre Erkrankungen?
Originalie St-Onge MP, Ard J, Baskin ML et al. American Heart Association Obesity Committee of the Council on Lifestyle and Cardiometabolic Health; Council on Cardiovascular Disease in the Young; Council on Clinical Cardiology; and Stroke Council. Meal Timing and Frequency: Implications for Cardiovascular Disease Prevention: A Scientific Statement From the American Heart Association. Circulation. 2017 Feb 28;135(9):e96-e121.
nahme der American Heart Association sollen die Auswirkungen von spezifischen Ernährungsmustern: (A) Auslassen des Frühstücks, (B) intermittierendes Fasten, (C) Anzahl der täglichen Mahlzeiten (Häufigkeit) und (D) Essenszeiten bzw. Anlass auf die kardiometabolische Gesundheit überprüft werden. Darüber hinaus werden für den Einsatz in der Forschung neue Definitionen für Mahlzeiten, Snacks und Essenszeiten gegeben. Dazu wurde eine systematische Suche in MEDLINE PubMed durchgeführt. Es wurden nur Artikel, die Originaldaten enthielten, zur Bewertung herangezogen.
Hintergrund: Das Ernährungsverhalten variiert zunehmend. Typische Mahlzeiten wie Frühstück, Mittagessen und Abendessen sind schwer zu unterscheiden, weil das Überspringen von Mahlzeiten und das sogenannte Snacking immer häufiger wird. Solches Essverhalten kann verschiedene Effekte auf Einflussfaktoren der kardiometabolischen Gesundheit wie Fettleibigkeit, Fettstofffwechsel, Insulinresistenz und auf den Blutdruck haben.
Ergebnisse: Die Daten deuten darauf hin, dass unregelmäßige
Ernährungsmuster weniger günstig sind, um ein gesundes kardiometabolisches Profil zu erreichen.
Schlussfolgerung: Bewusstes Essen mit entsprechender Auf-
merksamkeit auf Zeit und Häufigkeit könnte dazu führen, einen gesünderen Lebensstil zu haben und das kardiometabolische Risiko zu reduzieren.
– Kommentar von Dr. Marie-Christine Simon
Bewusste Mahlzeiten dreimal am Tag – das ist wohl am besten
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In|Fo|Diabetologie 2017; 11 (2)
trition Examination Survey) aus den 1970er Jahren mit 62.298 Teilnehmern berichteten Frauen im Alter von 20 bis 74 Jahren basierend auf den Hauptmahlzeiten von einer Abnahme der
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Der humane Organismus ist daruf angewiesen, neben Sauerstoff, Wasser und Mikronährstoffen auch Energie in Form von Kohlenhydraten, Fetten und Proteinen mit der Nahrung aufzunehmen. Während auf zellulärer Ebene ein konstanter Energieverbrauch stattfindet, erfolgt die Energieaufnahme üblicherweise in Form von Mahlzeiten die mehr oder weniger regelmässig über den Tag verteilt aufgenommen werden. Physiologisch wird die Nahrungsaufnahme durch Hunger und Sättigung reguliert, was im Idealfall in einem konstanten Körpergewicht im Erwachsensenalter resultiert. Die steigende Prävalenz für Adipositas und Diabetes [1] sowie Essstörungen wie Anorexia nervosa und Binge eating disorder [2] deutet aber darauf hin, dass dieser Regulationsmechanismus häufig versagt. Zweifelsohne spielen bei der komplexen Regulation der Nahrungsaufnahme nicht nur die vielschichtigen hormonellen und metabolische Faktoren eine entscheidende Rolle, sondern auch die psychosozialen Faktoren. In dieser wissenschaftlichen Stellungnahme der American Heart Association wurde nun die epidemiologische und klinische Evidenz, die verschiedene Ernährungsmuster mit kardiometabolischen Gesundheitsmarkern bei Erwachsenen verknüpfen, untersucht. Konzentriert wurde sich auf Ernährungsmuster, Anzahl der täglichen Mahlzeiten und Essenszeiten und weniger auf diätetische Profile und die Nährstoffbilanz. So hat sich das Essverhalten nicht nur bei amerikanischen Erwachsenen in den letzten 40 Jahren stark verändert. Basierend auf den Angaben von NHANES (National Health and Nu-
Öfter mal eben einen schnellen Happen ...
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... zwischendurch zu essen ist nicht nur in Bezug auf die Insulinresistenz bedenklich.
schen Praxis könnten diese Informationen dazu verwenden werden, um dem Patienten ein bewusstes Essen vorzuschlagen, sich auf bestimmte Tageszeiten und Häufigkeiten von Mahlzeiten zu konzentrieren um damit die Grundlage für einen gesünderen Lebensstil und ein verbessertes Risikofaktormanagement zu bilden. Diese bewusste Annäherung – oder Rückbesinnung auf Hauptmahlzeiten, kann für viele herausfordernd sein, denn es erfordert eine gewisse Planung und zeitliche Einteilung, nicht nur um die Kalorienzufuhr über den Tag zu verteilen. Denn es waren ja genau diese Faktoren, nämlich zeitliche Einschränkungen Mahlzeiten zu planen und vorzubereiten, die dazu fürten, dass vermehrt Snacks und Fast Food verwendet werden [7, 8], was wiederum in häufig in zu großen Portionen mit schlechter Qualität resultierte. Obwohl mehr direkte translationale Forschung benötigt wird, deuten die aktuellen Daten darauf hin, dass die zeitliche Planung und Festlegung der Anzahl der Mahlzeiten von Vorteil sein kann. Durch die Fokussierung auf definierte Mahlzeiten können die Patienten auch direkt deren Qualität verbessern und damit Gewichtsreduktion induzieren, ohne eine primäre Notwendigkeit der Kalorienbeschränkung. Letztlich sollte es das Ziel sein, dem Patienten zu helfen, die Energie in einer ausgewogeneren Weise über den Tag verteilt aufzunehmen, anstatt sich auf eine Mahlzeit am Tag zu beschränken oder die Nahrung kontinuierlich über den Tag aufzunehmen. Das bedeutet nicht, dass Energieaufnahme und Makronährstoffe ignoriert werden können, sondern, dass die Festlegung von Zeitpunkt und Häufigkeit der Mahlzeiten am Tag die Grundlage für bewusstes Essen mit allen positiven Effekten auf die kardiometabolische Gesundheit, liefern kann.
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Energieaufnahme (total energie intake: TEI) von 82% in den 1970er Jahren auf 77 % in 2010 und von einer Zunahme des Energieaufnahme durch Snacks von 18 % auf 23 % [3]. Der Anteil der Männer und Frauen, der angab, sich in Form von 3 Standardmahlzeiten zu ernähren, ging von 73 % auf 59 % bei Männern und von 75 % auf 63 % bei Frauen zurück [3], was die Veränderungen in den Ernährungsgewohnheiten veranschaulicht. Tatsächlich konnte das traditionelle Frühstück-Mittagessen-Abendessen in einer Bevölkerungsgruppe von gesunden Erwachsenen (ohne Schichtarbeit) kaum noch beobachtet werden [4]. So reichte die Anzahl der Mahlzeiten, definiert als jede Nahrungsaufnahme oder ein Getränk mit mindestens 5 kcal, in dieser Studie von 4,2 bis 10,5 mal pro Tag, was deutlich zeigt, dass während eines Tages kaum noch Fastenperioden auftreten. Das kann schwerwiegende Auswirkungen auf die Entwicklung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen (CVD), Typ-2-Diabetes-mellitus und Fettleibigkeit haben [5, 6]. Das intermittiernde Fasten hat in den letzten zehn Jahren an Popularität gewonnen und es gibt Hinweise, dass es zu Gewichtsverlust führt. Obwohl es noch keine Daten gibt, die angeben, ob der Gewichtsverlust langfristig aufrechterhalten werden kann, mag es außerdem vorteilhaft sein, um Nüchterninsulin und Insulinresistenz sowie den Blutdruck zu senken. Ein Mindestgewichtsverlust von 6 % scheint hierfür erforderlich zu sein, zumidest um einen Effekt auf den Blutdruck zu sehen. Dies lässt vermuten, dass allein ein isokalorisch verändertes Essverhalten nicht ausreicht, um das Körpergewicht zu senken oder die herkömmlichen kardiometabolischen Risikofaktoren zu verringern, sondern nur eine geringere Energieaufnahme durch intermittierendes Fasten. Unter Betrachtung einer breiten Palette von verschienden Definitionen für Mahlzeiten und Snacks deuten die untersuchten Daten insgesamt darauf hin, dass unregelmäßiges Essen weniger günstig für die Erhaltung des Körpergewichts und der optimalen kardiometabolischen Gesundheit ist. In der klini-
Literatur 1. International Diabetes Federation. IDF Diabetes, 7 ed. Brussels, Belgium: International Diabetes Federation, 2015. http://www.diabetesatlas.org 2. Gaetani S, Romano A, Provensi G et al. Eating disorders: from bench to bedside and back. J Neurochem. 2016 Dec;139(5):691-9. 3. Kant AK, Graubard BI. 40-Year trends in meal and snack eating behaviors of American adults. J Acad Nutr Diet. 2015;115:50–63. 4. Gill S, Panda S. A smartphone app reveals erratic diurnal eating patterns in humans that can be modulated for health benefits. Cell Metab. 2015;22:789–98 5. Garaulet M, Gómez-Abellán P. Timing of food intake and obesity: a novel association. Physiol Behav. 2014;134:44–50. 6. Oosterman JE, Kalsbeek A, la Fleur SE, Belsham DD. Impact of nutrients on circadian rhythmicity. Am J Physiol Regul Integr Comp Physiol. 2015;308:R337–R350 7. Larson NI, Nelson MC, Neumark-Sztainer D et al. Making time for meals: meal structure and associations with dietary intake in young adults. J Am Diet Assoc. 2009;109:72–79 8. Pelletier JE, Laska MN. Balancing healthy meals and busy lives: associations between work, school, and family responsibilities and perceived time constraints among young adults. J Nutr Educ Behav. 2012;44:481–9
Marie-Christine Simon, PhD MSc RD Bäckhed Lab, Wallenberg Laboratory, University of Gothenburg Bruna Stråket 16, 413 45 Göteborg – Sweden
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