Originalien Nervenarzt https://doi.org/10.1007/s00115-017-0469-x
J. Schaumberg1 · M. Trauscheid3 · B. Eckert2 · D. Petersen5 · W. Schulz-Schaeffer4 · J. Röther1 · W. Heide3 1
© Springer Medizin Verlag GmbH, ein Teil von Springer Nature 2017
Neurologie, Asklepios Klinik Altona, Hamburg, Deutschland Neuroradiologie, Asklepios Klinik Altona, Hamburg, Deutschland 3 Neurologie, Allgemeines Krankenhaus Celle, Celle, Deutschland 4 Institut für Neuropathologie, Universitätsklinikum des Saarlandes, Homburg, Deutschland 5 Institut für Neuroradiologie, Universität zu Lübeck, Lübeck, Deutschland 2
Zerebrale Amyloidangiopathie assoziiert mit Inflammation Die zerebrale Amyloidangiopathie assoziiert mit Inflammation („cerebral amyloid angiopathy related inflammation“, CAA-RI) ist eine seltene Form einer potenziell reversiblen Enzephalopathie bei einer Untergruppe von Patienten mit zerebraler Amyloidangiopathie (CAA). Bei der CAA kommt es zu Ablagerungen von Beta-Amyloid-Peptid in der Gefäßwand zerebraler und leptomeningealer Gefäße, typischerweise in kleinen Arterien und Arteriolen sowie in den Kapillaren [28]. Dieses führt zu degenerativen Veränderungen bis zur Zerstörung der Gefäßwand mit resultierenden Mikroaneurysmen, Gefäßverschlüssen und fibrinoiden Nekrosen. Aus diesen Veränderungen resultieren intrazerebrale Blutungen sowie zerebrale Infarkte und eine flächige subkortikale und periventrikuläre zerebrale Leukenzephalopathie [29]. Im Jahre 2001 wurden die „BostonKriterien“ sowie 2010 die „modifizierten Boston-Kriterien“ (. Tab. 1) validiert [12, 18], die auch ohne Hirnbiopsie bildmorphologisch die Diagnose einer wahrscheinlichen CAA ermöglichen. Dabei werden Blutungslokalisationen in lobärer, kortikaler oder kortikosubkortikaler Lage bei Patienten über 55 Jahre sowie die Abwesenheit anderer Ursachen gefordert [17]. Die Entwicklung einer CAA ist dabei mit dem Vorkommen des Apolipoprotein-E-ε4-Allels assoziiert [23], das homozygot (APOE-ε4/ε4Genotyp) in über 70 % der Patienten mit einer CAA-RI vorkommt, bei der nichtentzündlichen CAA in <5 % [6, 8, 10]. Das Vorkommen des Apoliproproteins-
E-ε2-Allels ist mit der Entstehung von Blutungen bei der CAA assoziiert [21]. Die zerebralen Amyloidablagerungen können in einzelnen Fällen eine Entzündung vorwiegend in den Gefäßwänden und ein multifokales Marklagerödem hervorrufen, was seit 1974 mehrfach beschrieben und 2005 von Scolding et al. [26] im Vergleich zu 6 Fällen mit primärer Angiitis des Zentralnervensystems (ZNS) ohne CAA als eigene diagnostische Entität („Abeta-related angiitis“: „primary angiitis of the central nervous system associated with cerebral amyloid angiopathy“) definiert und detailliert beschrieben wurde. Dabei können monophasische, schubförmige oder primär progrediente Verlaufsformen auftreten [15]. Klinisch manifestiert sich die CAARI mit dem Bild einer akuten/subakuten Enzephalopathie, Kopfschmerzen, epileptischen Anfällen und fokal-neurologischen Defiziten [14]. Verschiedene Synonyme sind für die Erkrankung in der Literatur zu finden wie Amyloidangiopathie, granulomatöse Angiitis des ZNS, zerebrale Amyloidangiitis, zerebrale amyloidinflammatorische Vaskulopathie, zerebrale Amyloidangiopathie mit assoziierter Riesenzellarteriitis und Beta-Amyloid-assoziierte Angiitis (ABRA; [10, 11]). Wir bevorzugen wie Kinnecom et al. [14] und Chung et al. [9] den Begriff CAA-RI. Die Diagnosekriterien der CAA-RI beinhalten ein Alter über 40 Jahre, ein akutes oder subakutes Auftreten der Symptome mit Kopfschmerzen, kognitiven Defiziten oder fokalneuro-
logischen Defiziten bzw. epileptischen Anfällen sowie in der Magnetresonanztomographie (MRT) darstellbare flächige T2-hyperintense Signalanhebungen des Marklagers und typische Veränderungen einer CAA mit Mikroblutungen und einer kortikalen superfiziellen Siderose (. Tab. 2). Eine paraneoplastische (z. B. eine Meningeosis carcinomatosa) oder infektiöse Ursache der MRTVeränderungen sollte mittels Lumbalpunktion ausgeschlossen werden. Das durchschnittliche Alter der Patienten liegt bei 67 Jahren, wobei Männer und Frauen in etwa gleich betroffen sind [10]. Im Liquor kann sich eine Pleozytose oder eine Eiweißerhöhung finden. Eine intrathekale Immunglobulin(Ig)-G-Synthese durch den Nachweis oligoklonaler Banden im Liquor ohne korrespondierenden Nachweis von Banden im Serum findet sich nicht [26].. Histologisch finden sich die typischen Veränderungen einer CAA mit Zeichen von frischen und älteren Ischämien oder Blutungen. Die histologische Untersuchung von bioptischem Material der CAA-RI zeigt in Nachbarschaft zu den Amyloidablagerungen chronisch entzündliche Veränderungen mit Makrophagen, multinukleären Riesenzellen und Lymphozyten [15]. Dabei werden perivaskuläre entzündliche Infiltrate ohne Gefäßbeteiligung als CAARI bezeichnet und von der ABRA mit transmuralen lymphozytären Infiltraten (Vaskulitis) unterschieden [2, 9, 22, 24, 25]. Es handelt sich also letztlich um ein Kontinuum von der CAA – CAA-RI –
Der Nervenarzt
Originalien Tab. 1 Modifizierte Boston-Kriterien zur Diagnose einer zerebralen Amyloidangiopathie nach Linn et al. [18] und Block et al. [3] 1)
Sichere CAA (postmortale pathologische Untersuchung) – lobäre, kortikale oder kortikosubkortikale Blutung – Schwere CAA mit Vaskulopathie – Keine anderen Pathologien
2)
Wahrscheinliche CAA mit unterstützender Pathologie (klinische Daten und Gewebeuntersuchung) – Lobäre, kortikale oder kortikosubkortikale Blutung – Nachweis von CAA im Gewebe – Keine anderen Pathologien
3)
Wahrscheinliche CAA (klinische Daten und Bildgebung mittels cCT und cMRT) – Mehrere Blutungen in lobären, kortikalen oder kortikosubkortikalen Regionen (Kleinhirnblutungen sind erlaubt) oder – Einzelne Blutung in einer lobären, kortikalen oder kortikosubkortikalen Region und Nachweis einer fokalen (≤3 Sulci) oder disseminierten (≥4 Sulci) superfiziellen Hämosiderose – Alter über 55 Jahre – Keine anderen Ursachen für die Blutung oder die superfizielle Hämosiderose
4)
Mögliche CAA (klinische Daten und Bildgebung mittels cCT oder cMRT) – Einzelne Blutung in lobärer, kortikaler oder kortikosubkortikaler Region oder – Nachweis einer fokalen (≤3 Sulci) oder disseminierten (≥4 Sulci) superfiziellen Hämosiderose – Alter über 55 Jahre – Keine anderen Ursachen für die Blutung oder die superfizielle Hämosiderose
CAA zerebrale Amyloidangiopathie, cCT kranielle Computertomographie, cMRT kranielle Magnetresonanztomographie
Tab. 2 Diagnosekriterien der zerebralen Amyloidangiopathie assoziiert mit Inflammation nach Kinnecom et al. [14] und Chung et al. [9] Wahrscheinliche CAA-RI (bei Vorliegen aller Kriterien wahrscheinlich) 1. Akuter oder subakuter Symptombeginn 2. Patienten über 40 Jahre 3. Mindestens eines der folgenden Symptome: Kopfschmerzen, Wesensveränderung oder kognitive Defizite, fokalneurologische Defizite oder epileptische Anfälle 4. cMRT zeigt konfluierende oder fleckige Hyperintensitäten in der T2- oder FLAIR-Wichtung mit folgenden Charakteristika: a: häufig asymmetrisch b: mit oder ohne Raumforderung c: mit oder ohne leptomenigeale oder parenchymatöse Kontrastmittelaufnahme 5. Nachweis einer vorbestehenden CAA in den SWI-Sequenzen durch: multiple kortikale und subkortikale Hämorrhagien und/oder Mikrohämorrhagien und/oder aktuelle bzw. abgelaufene Lobärblutung 6. Fehlender Nachweis einer paraneoplastischen, infektiösen oder anderen Ursache der Erkrankung Definitive CAA-RI Diagnosekriterien der wahrscheinlichen CAA-RI plus histopathologische Bestätigung durch: 1. Perivaskuläre, transmurale und/oder intramurale Entzündungszeichen 2. Nachweis von Amyloidablagerungen in den Gefäßen der betroffenen Hirnregion im Kortex sowie leptomenigeal CAA-RI zerebrale Amyloidangiopathie assoziiert mit Inflammation, cMRT kranielle Magnetresonanztomographie, FLAIR „fluid attenuated inversion recovery“, SWI suszeptibilitätsgewichtete MR-Bildgebung
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ABRA hin zur primären ZNS-Angiitis (. Abb. 1). Die Differenzialdiagnose umfasst ein posteriores reversibles EnzephalopathieSyndrom (PRES), eine akute disseminierte Enzephalomyelitis, eine progressive multifokale Leukenzephalopathie, eine Neurosarkoidose, eine HashimotoEnzephalopathie, eine Herpes-simplexoder Autoimmunenzephalitis und eine primäre Angiitis des ZNS und eine progrediente multifokale Leukenzephalkopathie (PML). Therapeutisch spricht die CAA-RI gut auf Kortikosteroide an und die MRT-Veränderungen bilden sich hierunter zurück, was die Diagnose bestätigt [10, 15]. Die nachfolgend dargestellten sieben eigenen Fälle mit CAA-RI zeigen die diagnostischen Probleme des wenig spezifischen klinischen Bildes, die Bedeutung der Histologie, die spezifische immunhistochemische Techniken erfordert, und die Wertigkeit des MRT-Befundes. Wird die Diagnose rechtzeitig gestellt, so ist die Prognose unter einer Steroidmedikation recht gut, wie die Nachbeobachtung über bis zu 3 Jahre zeigt. Die demographischen Daten, klinischen Symptome, MRT-Veränderungen und die Follow-up-Verläufe unserer Patienten sind in . Tab. 3 zusammengefasst.
Kasuistik 1 Ein 84-jähriger Patient kam mit seit 4 Monaten zunehmender Antriebslosigkeit, Schlaflosigkeit und Wortfindungsstörungen mit dem Verdacht auf eine Demenz zur Aufnahme. Außer einer geringen Kurzzeitgedächtnisstörung bestand kein fokal-neurologisches Defizit. Die FLAIR („fluid-attenuated inversion recovery“) -Sequenz des cMRT zeigte disseminierte subkortikale Hyperintensitäten mit frontoparietaler Betonung ohne Kontrastmittelaufnahme und ohne Diffusionsstörung. In der suszeptibilitätsgewichteten Sequenz (SWI) stellte sich eine miliare Ausbreitung punktförmiger Hämosiderinablagerungen (Mikroblutungen) in der gesamten Rinde sowie zerebellär dar (. Abb. 2). Die Liquordiagnostik ergab bei normaler Zellzahl eine Schrankenstörung mit deutlicher Eiweißerhöhung auf 1600 mg/l (Norm-
Zusammenfassung · Abstract wert <500 mg/l). Das Beta-Amyloid war erniedrigt. Es fand sich kein Hinweis auf die o. g. Differenzialdiagnosen. Bei wahrscheinlicher CAA-RI erfolgte eine Kortikoidtherapie mit 1 mg/kg/ Körpergewicht (KG), unter der es im weiteren Verlauf zu einer kompletten Restitution der klinischen Symptomatik sowie der bildmorphologischen Veränderungen mit vollständiger Rückbildung des subkortikalen Ödems kam. Es zeigte sich ein stabiler Befund über 3 Jahre ohne weitere Kortisontherapie (Dauer initial 6 Monate).
Kasuistik 2 Eine 77-jährige Patientin kam als Notfall zur Aufnahme aufgrund einer Exazerbation vorbestehender kognitiver Defizite mit Gedankenzerfahrenheit und misstrauisch wahnhaftem Erleben. Die zeitlich desorientierte Patientin, der es schwer fiel, komplexe Aufforderungen umzusetzen, wies keine weiteren fokalneurologischen Defizite auf. Im MiniMental-Status-Test (MMST) erreichte die Patientin 15 von 30 Punkten. In der cMRT zeigte sich ein flächiges Marklagerödem bifrontal und temporobasal rechts (FLAIR) sowie in der SWI multiple punktförmige Blutungsresiduen ohne Nachweis eines frischen Infarkts oder Blutung. Die Schilddrüsenantikörper waren negativ. In der Elektroenzephalographie (EEG) zeigte sich eine leichtgradige Allgemeinveränderung. Der Liquor zeigte einen Normalbefund, das Beta-Amyloid im Liquor war erniedrigt. Im klinischen Verlauf zeigten sich anfänglich wiederholte delirante Episoden, welche auf Neuroleptika ansprachen. Bei wahrscheinlicher CAA-RI erfolgte eine Therapie mit gewichtsadaptierten Kortikosteroiden (1 mg/kgKG), in der es im Verlauf zu einer Besserung der psychiatrischen Störungen sowie des bildmorphologischen Befundes mit deutlich rückläufigem Ödem kam. Die demenzielle Entwicklung wurde nicht durch die Therapie beeinflusst.
Kasuistik 3 Eine 75-jährige Patientin stellte sich akut mit einer Hemihypästhesie links sowie
Nervenarzt https://doi.org/10.1007/s00115-017-0469-x © Springer Medizin Verlag GmbH, ein Teil von Springer Nature 2017 J. Schaumberg · M. Trauscheid · B. Eckert · D. Petersen · W. Schulz-Schaeffer · J. Röther · W. Heide
Zerebrale Amyloidangiopathie assoziiert mit Inflammation Zusammenfassung Die zerebrale Amyloidangiopathie (CAA) assoziiert mit Inflammation (CAA-RI) ist eine seltene Form einer potenziell reversiblen Enzephalopathie bei einer Untergruppe von Patienten mit CAA. Die zerebralen Amyloidablagerungen können in einzelnen Fällen eine Entzündung vorwiegend in den Gefäßwänden und ein multifokales Marklagerödem hervorrufen. Dabei können monophasische, schubförmige oder primär progrediente Verlaufsformen auftreten. Wir stellen sieben Kasuistiken mit unterschiedlichen Verläufen der Erkrankung dar und geben einen Überblick über die Pathophysiologie, Klinik und Therapie der Erkrankung unter Berücksichtigung der aktuellen Literatur. Die dargestellten Fälle
weisen ein sehr unterschiedliches und oft differenzialdiagnostisch schwieriges klinisches Bild auf und verbesserten sich alle unter einer Steroidmedikation ohne Anhalt für einen Rückfall der Erkrankung im Verlauf. Dabei zeigt sich, dass das Erkennen und die frühzeitige konsequente Behandlung der entzündlichen Verlaufsform der CAA mit und ohne direkte entzündliche Gefäßbeteiligung für die erfolgreiche Therapie entscheidend sind. Schlüsselwörter Zerebrale Amyloidangiopathie (CAA) · Beta-Amyloid-assoziierte Angiitis (ABRA) · Entzündung · Superfizielle Siderose · Primäre Vaskulitis des zentralen Nervensystems
Cerebral amyloid angiopathy associated with inflammation Abstract Cerebral amyloid angiopathy (CAA) associated with inflammation is a rare form of a potentially reversible encephalopathy in a subgroup of patients with CAA. The cerebral amyloid deposition can in isolated cases induce an inflammation predominantly of the cerebral blood vessels and a multifocal edema of the cerebral white matter. The courses can occur as monophasic, relapsing remitting and primarily progressive forms. We present seven cases with different courses of the disease and give an overview of the pathophysiology, clinical aspects and treatment of the disease with reference to the current literature. The cases presented show a very different
Dysarthrie und Mundastschwäche links vor. Vorbestehend wurde eine demenzielle Entwicklung und eine paranoid-halluzinatorische Psychose diagnostiziert. Klinisch neurologisch zeigte sich über die o. g. Symptome hinaus kein fokal-neurologisches Defizit. Das cMRT ergab ein flächiges Marklagerödem rechts frontal ohne Diffusionsstörung und Kontrastmittelanreicherung sowie multiple Signalauslöschungen parenchymatös, subkortikal und im Bereich der subarachnoidalen Liquorräume im SWI (. Abb. 3). Es fand sich kein Hinweis auf die o. g.
and often difficult differential diagnostic clinical picture and all showed a significant improvement under steroid medication without signs of recurrence of the disease during the course. The recognition and early consistent treatment of inflammatory forms of CAA with and without direct inflammatory involvement of vessels can be decisive for successful treatment. Keywords Cerebral amyloid angiopathy (CAA) · Amyloidbeta related angiitis (ABRA) · Inflammation · Superficial siderosis · Primary angiitis of the central nervous system
Differenzialdiagnosen und der Liquorbefund war regelrecht. Das EEG zeigte eine leichte Allgemeinveränderung und Zeichen der subkortikalen Funktionsstörung. Im MMST erreichte die Patientin 25 von 30 Punkten. Bei wahrscheinlicher CAA-RI erfolgte eine Therapie mit gewichtsadaptierten Kortikosteroiden(1 mg/kgKG), unterder es im Verlauf zu einer deutlichen Regredienz der klinischen Symptomatik sowie des bildmorphologischen Befundes kam.
Der Nervenarzt
Originalien
Abb. 1 8 Die Ablagerung von Amyloid ist Kennzeichen der CAA, CAA-RI und ABRA im Gegensatz zur PACNS. Die Differenzierung zwischen CAA-RI und ABRA ist nur histopathologisch möglich. CAA zerebrale Amyloidangiopathie, CAA-RI zerebrale Amyloidangiopathie assoziiert mit Inflammation, ABRA „Abeta-relatedangiitis“,PACNSprimäre Angiitis des Zentalnervensystems.(Mod.nach[22],mit freundl. Genehmigung)
Kasuistik 4
Kasuistik 5
Die notfallmäßige Aufnahme der 78-jährigen Patientin erfolgte aufgrund einer rapiden Verschlechterung der Spontansprache sowie des Gehens. Die Patientin war bereits 2 Wochen vor der Aufnahme anarthrisch und bettlägerig. Eine demenzielle Entwicklung war bei der Patientin bekannt. Zum Aufnahmezeitpunkt zeigte sich eine agitierte, anarthrische Patientin ohne Sprachverständnis. Im cMRT zeigten sich multiple, subkortikale und kortikale Blutungsresiduen (SWI) sowie eine ausgedehnte Leukenzephalopathie mit Balkenbeteiligung (FLAIR). Im EEG stellte sich eine mittelschwere Allgemeinveränderung mit einzelnen multifokalen Sharp-wave-Komplexen dar. In der Liquordiagnostik fand sich keine Pleozytose und kein Hinweis auf eine JC-VirusInfektion bei erniedrigter Beta-AmyloidKonzentration. Das Gesamteiweiß war mit 2100 mg/l (Norm <500 mg/l) erhöht. Es fand sich kein Hinweis auf die o. g. Differenzialdiagnosen. Unter dem Verdacht auf CAA-RI erfolgte eine gewichtsadaptierte Kortikosteroidtherapie (1 mg/kgKG) sowie die polypragmatische Einleitung einer antikonvulsiven und einer neuroleptischen Therapie, worunter es zu einer Besserung des Sprachfluss bei weiter bestehender Agitation und fehlendem Sprachverständnis kam.
Eine 67-jährige Patientin mit seit ein bis 2 Jahren bestehender Gangstörung und rascher Progredienz binnen der letzten 3 Wochen, verbunden mit kognitivem Abbau und Apathie, wurde mit links fokalen, sekundär generalisierten epileptischen Anfällen aufgenommen. Klinisch neurologisch bestand eine leichtgradige spastische Hemiparese rechts als Residuum einer früheren intrazerebralen Blutung hochfrontal links sowie ein akinetisch-mutistisches Bild ohne Sprachproduktion, Blickkontakt wurde gehalten. Sensible Reize lösten Serien von multifokalen links betonten Myoklonien ohne Bewusstseinsverlust aus. Elektroenzephalographisch waren eine schwere Allgemeinveränderung und rhythmische, links hemisphärial betonte, irregulär generalisierende Serien von „sharp waves“ bis 30 s Dauer zu registrieren, im Verlauf auch triphasische Wellen, sodass bei rasch progredienter Demenz, Ataxie und Myoklonien zunächst eine Creutzfeld-Jakob-Erkrankung CJD angenommen wurde, aber bei negativem Protein 14-3-3 und normalem Liquorbefund inklusive Eiweiß und TauProtein nicht bestätigt werden konnte. Die MRT-FLAIR-Bildgebung und die ADC („apparent diffusion coefficient“) -Map (. Abb. 4 oben) zeigten flächige Hyperintensitäten des Marklagers beid-
Der Nervenarzt
seits okzipitoparietal und frontal links betont im Sinne eines vasogenes Ödems, die SWI-Sequenz ubiquitäre Mikroblutungen sowie Blutungsresiduen links frontal nach Brückenvenenthrombose vor 4 Jahren. Eine Hirnbiopsie (. Abb. 4 unten) ergab beim ersten Institut die Diagnose eines M. Alzheimer mit multiplen Amyloidplaques im Parenchym und ausgeprägter Amyloidangiopathie; erst die immunhistochemische Aufarbeitung in einem zweiten Institut ergab Infiltrate von zytotoxischen T-Lymphozyten (CD3+ und CD8+) und Makrophagen in den Gefäßwänden und bestätigte damit die MRT-Verdachtsdiagnose einer Amyloid-Beta-assoziierten Angiitis (ABRA). Unter immunsuppressiver Therapie mit Steroiden konnte eine leichtgradige klinische Besserung erzielt werden, andere Immunsuppressiva (wie z. B. Cyclophosphamid) wurden aufgrund der schweren kognitiven Defizite und des insgesamt schlechten Allgemeinzustands von den Angehörigen nicht gewünscht.
Kasuistik 6 Eine 76-jährige Patientin mit einer asymptomatischen A.-carotis-interna-Stenose links von 60 % nach NASCET (American Symptomatik Carotid Endarterectomy Trial) wurde wegen einer akut aufgetretenen Aphasie, gefolgt von Serien generalisierter tonisch-klonischer epileptischer Anfälle, intubiert auf die Intensivstation aufgenommen. Fremdanamnestisch wurde eine zunehmende Vergesslichkeit berichtet. Das cCT zeigte hypodense Herde temporoparietal beidseits links betont mit kleinen hämorrhagischen Transformationen, das EEG eine mäßige Allgemeinveränderung und einen ausgeprägten Delta-Herd links temporal mit steileren Abläufen. Der Liquor war bis auf eine Eiweißerhöhung von 770 mg/l unauffällig. Es wurde eine antikonvulsive Therapie mit Levetiracetam 2 × 500 mg i. v. eingeleitet sowie unter dem Verdacht auf eine Herpes-simplexEnzephalitis eine antivirale intravenöse Therapie mit Aciclovir. Darunter klarte die Patientin rasch auf und konnte extubiert werden.
Tab. 3 Patientengruppe: demographische Daten, klinische Symptomatik, cMRT- und Follow-up-Befunde Patient/Alter/Geschlecht Klinische Symptome cMRT-Befunde
Follow-up
1/84 Jahre/männlich
Seit 5 Monaten zunehmende demenzielle Entwicklung
Disseminierte subkortikale Hyperintensitäten ohne Diffusionsstörung (FLAIR); SWI mit punktförmiger Mikroblutungen in der gesamten Rinde sowie zerebellär
Klinisch und bildmorphologische komplette Remission und Stabilität über 3 Jahre
2/77 Jahre/weiblich
Exazerbation von vorbestehenden mnestischen Defiziten mit nun wahnhaften Erleben
Flächiges Marklagerödem bifrontal und temporobasal rechts (FLAIR) sowie in der SWI multiple punktförmige Blutungsresiduen ohne Nachweis eines frischen Infarkts oder Blutung
Besserung der psychiatrischen Störung nach mehreren Wochen (<3) ohne Einfluss auf die vorbestehende Demenz; Besserung der bildmorphologischen Veränderungen
3/75 Jahre/weiblich
Akute Hemihypästhesie, Dysarthrie, faziale Mundastschwäche links bei vorbestehender demenzieller Entwicklung mit paranoid halluzinatorischer Psychose
Flächiges Marklagerödem (FLAIR) rechts frontal ohne Diffusionsstörung sowie multiple Signalauslöschungen parenchymatös, subkortikal und im Bereich der subarachnoidalen Liquorräume in der SWI
Besserung der psychiatrischen Störung nach mehreren Wochen (<3) sowie der Fokalneurologie und der bildmorphologischen Veränderungen
4/78 Jahre/weiblich
Subakute Sprech-, Sprach- und Gangstörung; bereits 2 Wochen vor Aufnahme anarthrisch und bettlägerig; vorbestehende Demenz
Multiple, subkortikale und kortikale Blutungsresiduen (SWI) sowie eine ausgedehnte Leukenzephalopathie mit Balkenbeteiligung (FLAIR)
Verbesserung von Sprache/ Sprachfluss binnen mehrerer Wochen (<3) ohne Einfluss auf die zusätzlichen Symptome
5/67 Jahre/weiblich
Seit ca. einer Woche fokale, sekundär generalisierte epileptische Anfälle sowie Zunahme einer vorbestehenden Gangstörung sowie zunehmende mnestische Störungen
FLAIR-Bildgebung und die ADC-Karte zeigten flächige Hyperintensitäten des Marklagers beidseits okzipitoparietal und frontal links, die SWI-Sequenz ubiquitäre Mikroblutungen sowie Blutungsresiduen links frontal nach Brückenvenenthrombose vor 4 Jahren
Besserung der epileptischen Anfälle (+Antikonvulsiva) sowie geringe Besserung der mnestischen Defizite
6/76 Jahre/weiblich
Aphasie und Serie generalisierter epileptischer Anfälle sowie zunehmende mnestische Defizite
Flächige vasogene Ödemzonen des Marklagers links temporookzipital, rechts temporal und rechts hochparietal, jeweils mit kleinen intrazerebralen Einblutungen, jedoch ohne Kontrastmittelaufnahme; die eisensensitive T2*-Sequenz zeigte multiple Mikroblutungen insbesondere in den beschriebenen Ödemzonen
Langsame Remission der Fokalneurologie, der Epilepsie (+Antikonvulsiva) und der bildmorphologischen Veränderungen binnen 9 Monaten
7/60 Jahre/männlich
2 Jahre vor Aufnahme atypische intrazerebrale Blutung links temporookzipital bei bekannter wahrscheinlicher CAA; 2 und 6 Monate später multiple, lakunäre ischämische Hirninfarkte; Aufnahme mit Verschlechterung der vorbestehenden Aphasie, Apraxie, Dyslexie, Dyskalkulie
Temporobasales flächiges Marklagerödem in der FLAIR-Wichtung und multiple kleine Mikroblutungen in der hämosiderinsensiblen T2*-Sequenz
Besserung der Aphasie mit nur gering rückläufigen bildmorphologischer Besserung; Stabilität unter Niedrigdosis von Kortison über 2 Jahre
ADC „apparent diffusion coefficient“, CAA-RI zerebrale Amyloidangiopathie assoziiert mit Inflammation, cMRT kranielle Magnetresonanztomographie, FLAIR „fluid attenuated inversion recovery“, SWI suszeptibilitätsgewichtete MR-Bildgebung
Das MRT an Tag 3 (. Abb. 5) ergab flächige vasogene Ödemzonen des Marklagers links temporookzipital, rechts temporal und rechts hochparietal, jeweils mit kleinen intrazerebralen Einblutungen, jedoch ohne Kontrastmittelaufnahme. Die eisensensitive T2*-Sequenz zeigte multiple Mikroblutungen insbesondere in den beschriebenenÖdemzonen, somitdas typische Bild einer CAA-RI. Nach 6 Tagen kam eine kleine Einblutung rechts zere-
bellär hinzu. Die zerebrale Angiographie (DSA) ergab keinen Hinweis auf eine Angiitis. Bei wahrscheinlicher CAA-RI erfolgte eine orale Prednisolontherapie, unter der es zu einer langsamen Remission der neurologischen Symptome und des Marklagerödems im MRT nach 9 Monaten kam.
Kasuistik 7 Ein 60-jähriger Patient erlitt 2 Jahre zuvor eine atypische intrazerebrale Blutung links temporookzipital mit sensomotorischer Aphasie, inkompletter homonymer Hemianopsie rechts und Apraxie. MR-tomographisch zeigten sich multiple Mikroblutungen in den SWI-Sequenzen, sodass eine CAA diagnostiziert wurde. Zwei Monate später erlitt er einen Der Nervenarzt
Originalien Tab. 4
Liquor- und EEG-Befunde Patient 1 Patient 2
Patient 3
Patient 4
Patient 5
Patient 6
Patient 7
Liquorzellzahl <5
<5
<5
<5
<5
<5
<5
Liquoreiweiß
416 mg/l (<350 mg/l)
290 mg/l (<350 mg/l)
2100 mg/l (<350 mg/l)
337 mg/l (<350 mg/l)
770 mg/l (<350 mg/l)
390 mg/l (<350 mg/l)
Liquor-Beta- 198 pmol/l Amyloid 1-42 (>450 pg/ml)
342 pmol/l (>450 pg/ml)
Nicht bestimmt
260 pmol/l (>450 pg/ml)
198 pmol/l (>450 pg/ml)
Nicht bestimmt
Nicht bestimmt
Liquor-TauProtein
384 pmol/l (<450 pg/ml)
253 pmol/l (<450 pg/ml)
Nicht bestimmt
545 pmol/l (<450 pg/ml)
347 pmol/l (<450 pg/ml)
Nicht bestimmt/l Nicht bestimmt
Liquor-Phospho-Tau
73 pmol/l (<61 pg/ml)
38 pmol/l (<61 pg/ml)
Nicht bestimmt
52 pmol/l (<61 pg/ml)
53 pmol/l (<61 pg/ml)
Nicht bestimmt
Nicht bestimmt
Oligoklonale Banden
Negativ
Negativ
Negativ
Negativ
Identisch in Liquor und Serum
Negativ
Negativ
EEG
Regelrechtes Alpha-EEG
Leichte Allgemeinveränderung
Leichte Allgemein- Mittelschwere veränderung und AllgemeinverFIRDA änderung mit einzelnen generalisierten epilepsitypischen Potenzialen
Schwere Allgemeinveränderung, links betonte irregulär generalisierende „sharp waves“, triphasische Wellen
Mäßige Allgemeinveränderung, Delta-Herd mit steilen Wellen links temporal
Leichte Allgemeinveränderung und intermittierender Delta-Herd links frontotemporal
1643 mg/l (<350 mg/l)
EEG Elektroenzephalographie, FRIDA frontale intermittierende rhythmische Delta-Aktivität
Abb. 2 8 Kranielle Magnetresonanztomographie (cMRT) mit FLAIR („fluid-attenuated inversion recovery“) -Aufnahmen 2 Tage nach Aufnahme a mit flächenhaftem, subkortikalem Marklagerödemen. In den suszeptibilitätsgewichteten Sequenzen (SWI) Darstellung punktförmiger Hämosiderinablagerungen kortikal und subkortikal (b). Keine Kontrastmittelaufnahme in der T1-gewichteten MRT (nicht gezeigt). Im Verlauf nach 2 Monaten zeigt sich in der FLAIR-Wichtung ein deutlich rückläufiges Marklagerödem (c) bei unveränderter Darstellung der Hämosiderinablagerungen in der SWI-Sequenz (d)
Der Nervenarzt
lakunären Kapselinfarkt links mit und weitere 6 Monate später multiple disseminierte kleine, vorwiegend kortikal lokalisierte Hirninfarkte bihemisphäriell. Die erneute Aufnahme erfolgte aufgrund einer akuten Verschlechterung der amnestisch-sensorischen Aphasie, Apraxie, Dyslexie und Dyskalkulie sowie der vorbestehend leichten verbalen Merkfähigkeitsstörungen. Im MRT fand sich eine deutliche Zunahme der Mikroblutungen sowie jetzt ein ausgedehntes vasogenes Ödem des Marklagers beider Hemisphären links betont. Der Liquorstatus war unauffällig. Unter der Diagnose einer wahrscheinlichen CAA-RI wurde eine orale Prednisolontherapie begonnen, worunter es zu einer Stabilisierung des Verlaufs mit deutlicher Besserung der Aphasie und der anderen neuropsychologischen Defizite kam (Mini-Mental-Score von 21 auf 29 von 30 Punkten gebessert), aber nur leichter Regredienz des vasogenen Ödems im MRT. Unter einer Erhaltungstherapie von 5 mg/Tag Prednisolon ist der Patient seit 2 Jahren frei von erneuten Insulten oder klinischen Verschlechterungen und ohne neue Mikroblutungen im MRT.
Abb. 3 8 Kranielle Magnetresonanztomographie mit FLAIR („fluid-attenuated inversion recovery“) -Aufnahmen unmittelbar nach Aufnahme (a, b) mit flächenhaftem, subkortikalem Marklagerödem. Bei der bildgebenden Kontrolle nach 5 Monaten zeigt sich in der FLAIR-Aufnahme (c, d) eine deutliche Rückbildung des subkortikalen Marklagerödems. Dieser Befund ist in der 3-jährigen Nachverfolgung stabil
Diskussion Die CAA ist eine degenerative Gefäßerkrankung, welche durch Ablagerungen von Beta-Amyloid in die Gefäßwände hervorgerufen wird. Die Prävalenz der CAA ist altersabhängig und bei Patienten unter 55 Jahren kaum zu diagnostizieren. In Autopsiestudien wird bei ca. 30 % der 60- bis 69-Jährigen, mehr als 50 % der 70- bis 89-Jährigen und über 70 % bei Menschen über 90 Jahren Amyloid nachgewiesen, ohne dass klinische Symptome einer CAA bestanden [29]. Bisweilen kommt es im Verlauf der CAA zu einer entzündlichen perivaskulären Begleitreaktion im Sinne einer CAARI mit histologisch auftretenden multinukleären Riesenzellen [14]. Dabei wird pathophysiologisch von einer Autoimmunreaktion gegen Beta-Amyloid ausgegangen [4, 26], welche eine Entzündungsreaktion der Blutgefäße mit Monozyten und Makrophageninfiltration auslöst. Bei diesem Entzündungs-
prozess scheinen Autoantikörper gegen Beta-Amyloid im Liquor eine pathophysiologische Bedeutung zu spielen; sie können möglicherweise zum Therapiemonitoring eingesetzt werden [5, 12, 30]. Die CAA-RI ist klinisch durch eine rasch progrediente demenzielle Entwicklung mit Wesensveränderung, fokalneurologischen Defiziten, Kopfschmerzen und epileptischen Anfällen charakterisiert [24]. Das Beta-Amyloid im Liquor ist ähnlich wie bei der CAA erniedrigt [27]. Bildmorphologisch finden sich neben den typischen cMRT-Veränderungen der CAA in der SWI-Sequenz (Mikroblutungen und kortikale superfizielle Siderose), die auch die wichtigsten Unterscheidungskriterien zum PRES sind, eine asymmetrische, fleckförmige oder konfluierende Leukenzephalopathie. Das subkortikale Marklager und der angrenzende Kortex können mit betroffen sein [8]. Gerade die Mitbeteiligung des Kortex scheint mit dem Auftreten
epileptischer Anfälle assoziiert zu sein [20]. Der Nachweis einer erhöhten Diffusion in der ADC-Wichtung spricht für ein vasogenes Ödem als Reaktion auf die entzündlichen Veränderungen [20]. Die beschriebenen reversiblen, asymmetrischen Veränderungen können im Verlauf in eine symmetrische, irreversible Leukenzephalopathie übergehen [15]. Teilweise wurden auch multiple, meist kortikale Diffusionsstörungen (Infarkte) beschrieben [2], wie in unseren Fällen 6 und 7. Eine leichte leptomeningeale Kontrastmittelanreicherung als Ausdruck der begleitenden Entzündung sowie der einhergehenden Störung der Blut-Hirn-Schranke werden selten gefunden [20]. Die Diagnose der CAA-RI basierend auf den klinischen Diagnosekriterien von Chung und Kollegen ([9]; . Tab. 2) ohne bioptische Sicherung ist Gegenstand der Diskussion. Klinisch lassen sich die unterschiedlichen Phänotypen nicht gegeneinander abgrenzen [9, 25], lediglich genetisch ist die CAA-RI in >70 % mit dem ApoE-Genotyp ε4/ε4 assoziiert. Wie Moussaddy [16] und andere [2, 9, 24, 25] beschreiben, ermöglicht nur die Hirnbiopsie eine Abgrenzung zwischen CAARI und ABRA, was auch therapeutische Konsequenzen in Form einer aggressiveren immunsuppressiven Therapie der ABRA haben könnte. Allerdings bedarf die histologische Untersuchung wie in unserem Fall 5 spezieller immunhistologischer Techniken mit Antikörpern nicht nur gegen Beta-Amyloid, sondern auch gegen CD3- und zytotoxische CD8-positive Lymphozyten, da die vaskulitischen Veränderungen sonst übersehen werden können. Wir verzichteten mit einer Ausnahme (Fall 5) bewusst auf eine Biopsie der hier dargestellten Patienten, da die Kriterien einer wahrscheinlichen CAARI erfüllt waren und sie prompt auf die Kortisontherapie ansprachen. Ob die histologische bzw. pathoanatomische Unterscheidung der Entitäten von ABRA und CAA-RI mit der daraus resultierenden Hirnbiopsie oder invasiver Gefäßdarstellung sinnvoll ist, bedarf weiterer Untersuchungen. Selbstverständlich müssen vor der Therapieeinleitung mit Kortikosteroiden erregerbedingte entzündliche ErkranDer Nervenarzt
Originalien
Abb. 4 9 Kranielle Magnetresonanztomographie: a, b DWI („diffusion weighted imaging“) und ADC („apparent diffusion coefficients“) -Wichtung ohne nachweisbare Diffusionsstörung, c T1-Wichtung mit Kontrastmittel ohne Nachweis einer Anreicherung, d flächige Marklagerödeme beider Hemisphären in der FLAIR („fluid attenuated inversion recovery“) -Sequenz, e ubiquitär punktförmige Signalauslöschungen in der SWI (suszeptibilitätsgewichteten) -Sequenz. Die Hirnbiopsie (Fall 5) ergab histologisch eine ausgeprägte Amyloidangiopathie mit immunhistologischem Nachweis von BetaAmyloid und begleitender Inflammation zytotoxischer T-Zellen (CD3+/CD8+) in den Gefäßwänden, f Hämatoxylin-Eosin(HE)-Färbung, g Beta-Amyloid-Antikörper(Ak) mAB 6E10, h CD3+-Färbung (i CD8+-Färbung)
kungen wie Herpes-Enzephalitis und eine PML ausgeschlossen werden, ebenso eine Hashimoto-Enzephalopathie oder (wie in unserem Fall 5) auch einmal eine Creutzfeld-Jacob-Erkrankung (CJD). Potenzielle SteroidnebenwirkunDer Nervenarzt
gen sollten sorgfältig abgewogen werden. Allerdings nahmen auch Patienten mit einer möglichen Neurosarkoidose oder einer primären Angiitis des ZNS unter einer engmaschigen klinischen und bildmorphologischen Verlaufskontrolle
keinen Schaden unter der Therapie mit Kortikosteroiden [16]. Bei dem Verdacht auf ein primäres ZNS-Lymphom sollte jedoch eine bioptische Diagnosesicherung angestrebt werden. Auf jeden Fall sollte eine bioptische Diagnosesiche-
Abb. 5 8 Magnetresonanztomographischer (MRT-)Verlauf von Fall 6 mit links betontem temporobasalem flächigem Marklagerödem in der FLAIR („fluid attenuated inversion recovery“) -Wichtung (a) und multiplen kleinen Mikroblutungen in der hämosiderinsensiblenT2*-Sequenz (b),9 Monate später(c)mit kompletterRückbildungdes Marklagerödems inderFLAIR-Wichtung
rung der CAA-RI erfolgen, wenn nach 3 Wochen unter Kortisontherapie keine klinische Besserung eintritt [10, 16]. Zwischen 70 und 80 % der Patienten mit CAA-RI sprachen klinisch und bildmorphologisch gut auf Kortikosteroide an, in 23–25 % kam es darunter jedoch zum Progress oder zu Rezidiven [6, 10, 18]. Deshalb setzten einzelne Autoren Immunsuppressiva wie Methotrexat, Mycophenolat-Mofetil, Cyclophopsphamid, Immunglobulinen und Azathioprin zumeist erfolgreich ein [5–7, 19]. Die Dauer der Behandlung ist derzeit unklar. Die Reduktion und das Ausschleichen der immunsuppressiven Therapie bleibt damit eine Einzelfallentscheidung und sollte am klinischen Verlauf der Erkrankung orientiert sein. Die dargestellten Patienten weisen ein sehr unterschiedliches und oft differenzialdiagnostisch schwieriges klinisches Bild auf und verbesserten sich alle insgesamt unter einer Steroidmedikation ohne Anhalt für einen Rückfall der Erkrankung im Verlauf. Die kognitiven Defizite bilden sich dabei am geringsten zurück. Essenziell für die diagnostische Einordnung war immer das charakteristische MRT mit dem Nachweis von Mikroblutungen im SWI. MRT-morphologisch traten unter der Therapie keine neuen Mikroblutungen oder Infarkte mehr auf, die Marklagerveränderungen bildeten sich nur partiell zurück, was teilweise mit den kognitiven Defiziten korrelierte. Bei mehr als 40 % der Patienten mit einer CAA-assoziierten intrazerebralen
Blutung besteht eine demenzielle Entwicklung [1]. Ellis und Kollegen konnten in autoptischen Untersuchungen in 30 von 117 Alzheimer-Patienten eine mäßige bis schwere CAA sichern [13]. In diesem Zusammenhang ließ sich bei 4 von 4 unserer untersuchten Patienten ein isoliert erniedrigtes Beta-Amyloid im Liquor nachweisen (. Tab. 4). Es werden dabei jedoch weitere Studien für die diagnostische Einordnung der Beta-Amyloid-assoziierten entzündlichen Erkrankungen und eine mögliche Überlappung mit der Alzheimer-Demenz benötigt. Bei unseren Patienten ließ sich weder im neurovaskulären Ultraschall noch in der Time-of-flight-MR-Angiographie (TOF-MRA) oder in der digitalen arteriellen Subtraktionsangiographie (DSA) einstenosierender/vaskulitischerProzess nachweisen. Eine DSA kann beitragen, angiitische Veränderungen bei der ABRA von der CAA-RI, die definitionsgemäß keine Angiitis aufweist, zu differenzieren. Wir halten eine regelhafte DSA allerdings nicht für erforderlich, da der Nachweis angiitischer Gefäßpathologien erfahrungsgemäß schwierig ist. Eine Beteiligung spinaler Gefäße scheint nicht vorzukommen [22]. Zusammenfassend zeigt die Fallserie, dass das Erkennen und die frühzeitige konsequente Behandlung der entzündlichen Verlaufsform der CAA mit und ohne direkte entzündliche Gefäßbeteiligung für die erfolgreiche Therapie entscheidend sind. Dabei ist die klinische Einordnung bei Patienten mit meist zu-
vor einsetzender demenzieller Entwicklung sowie vorbestehendem fokal-neurologischem Defizit eine Herausforderung, da andere (sub-)akute Enzephalopathien wie CJD (Fall 5) oder Herpes-Enzephalitis (Fall 6) imitiert werden können. Diagnostisch wegweisend ist das MRT, in dem allerdings sowohl die Mikroblutungen als auch das vasogene Ödem sehr unterschiedlich ausgeprägt und mit intrazerebralen Blutungen oder multiplen kleinen, meist kortikalen Infarkten assoziiert sein können; letztere können auch ein kardioembolisches Muster imitieren (Fall 7). Eine frühzeitige Therapie mittels Kortikosteroiden scheint nach Ausschluss relevanter Differenzialdiagnosen auch ohne Biopsie gerechtfertigt. Bei fehlendem Therapieansprechen sollte die Diagnose jedoch überdacht und durch eine Biopsie gesichert werden. In unseren Fällen waren der Therapieerfolg sowie der bildmorphologische Verlauf eindeutig. Es bedarf weiterer Studien, um zu prüfen, ob die direkte vaskulitische Mitbeteiligung (ABRA) eine eigene Entität der Erkrankung oder nur eine Verlaufsvariante darstellt und ob die Differenzierung therapeutische Relevanz hat.
Fazit für die Praxis Die zerebrale Amyloidangiopathie assoziiert mit Inflammation ist eine seltene Form einer potenziell reversiblen Enzephalopathie bei einer Untergruppe von Patienten mit zerebraler Amyloidangiopathie. Klinisch manifestiert Der Nervenarzt
Originalien sich die CAA-RI mit dem Bild einer akuten/subakuten Enzephalopathie, Kopfschmerzen, epileptischen Anfällen und fokal-neurologischen Defiziten. Bildmorphologisch finden sich neben den typischen cMRT-Veränderungen der CAA in der SWI-Sequenz eine asymmetrische, fleckförmige oder konfluierende Leukenzephalopathie. Die Diagnose der CAA-RI basierend auf den klinischen Diagnosekriterien von Chung und Kollegen ohne bioptische Sicherung ist Gegenstand der Diskussion. Zwischen 70 und 80 % der Patienten mit CAA-RI sprachen klinisch und bildmorphologisch gut auf Kortikosteroide an, teilweise kam es darunter jedoch zum Progress oder zu Rezidiven. Deshalb setzten einzelne Autoren andere Immunsuppressiva zumeist erfolgreich ein. Selbstverständlich müssen vor der Therapieeinleitung erregerbedingte entzündliche Erkrankungen ausgeschlossen werden.
Korrespondenzadresse Dr. J. Schaumberg Neurologie, Asklepios Klinik Altona Paul-Ehrlich-Straße 1, 22763 Hamburg, Deutschland
[email protected]
Einhaltung ethischer Richtlinien Interessenkonflikt. J. Schaumberg, M. Trauscheid, B. Eckert, D. Petersen, W. Schulz-Schaeffer, J. Röther und W. Heide geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht. Bei diesem Beitrag handelt es sich um eine retrospektive Studie ohne Einfluss auf die Behandlung. Von allen beteiligten Patienten liegt eine Einverständniserklärung vor.
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