Aus der Branche I „Digital in NRW“
Zulieferkette: Überblick über den gesamten Prozess „Innovative Zuliefererkooperation“ ist der Titel eines Transferprojektes, das VIA Oberflächentechnik gemeinsam mit „Digital in NRW – das Kompetenzzentrum für den Mittelstand“ durchgeführt hat. Ziel war es, ein digitales Abbild des Materialflusses über Unternehmensgrenzen hinweg zu schaffen.
Mathias Gloger, Matthias Parlings, Werner Schmidt Dienstleister für Bauteilereinigung
nehmen beschäftigt rund 200 Mitarbeiter an drei Standorten in Deutschland sowie weitere 30 in Polen und ist nicht nur für seine Gesellschafter tätig, sondern auch für mehr als 200 externe Kunden.
1996 startete das Unternehmen mit Anlagen zum Gleitschleifen. In den Folgejahren wurden mehrere Vakuum-Entfettungsanlagen angeschafft. Mit dem Trend zu immer höheren Sauberkeitsanforderungen in der Automobilindustrie kamen weitere Anlagen für die Reinigung hinzu, die auch hohe Anforderungen an die Bauteilsauberkeit, zum Beispiel von Einspritzsystemen, Turboladern und elektrischen Antrieben, erfüllen. Heute verfügt VIA Oberflächentechnik über eines der modernsten Feinreinigungszentren Deutschlands. Das Unter-
Eng eingebunden in die Prozesse der Kunden
© VIA Oberflächentechnik
Die Geschichte der VIA Oberflächentechnik GmbH in Lennestadt begann 1994 mit einer ungewöhnlichen und durchaus innovativen Idee. Als Ergebnis einer IHKVeranstaltung zum Thema „Wege aus der Krise der Automobilzulieferindustrie“ entstand 1994 der Verbund Innovativer Automobilzulieferer in der Region Südwestfalen, kurz VIA. Aus diesem Verbund heraus gründeten elf mittelständische Metallverarbeiter und Zulieferer der Region die VIA Oberflächentechnik GmbH. Ziel der Gründer war es, bei Aufgaben zu kooperieren, die nicht unmittelbar zum Kerngeschäft zählen, ohne dabei weitergehende Bindungen einzugehen.
VIA Oberflächentechnik ist ein Verbundunternehmen, das ursprünglich von elf mittelständischen Automobilzulieferern gegründet wurde.
Zum Dienstleistungsumfang gehören neben der Oberflächenbearbeitung und Endreinigung auch das Verpacken sowie der konsolidierte Versand der Teile zu den Kunden. Dabei ist die enge Einbindung in die Produktions- und Logistikprozesse der Kunden der Regelfall. Die Zulieferer bearbeiten die Bauteile und liefern diese für einen oder mehrere nachfolgende Arbeitsgänge an VIA Oberflächentechnik. Nach der Bearbeitung werden die Teile von VIA zurück an den Kunden versandt oder direkt an die nächste Lieferstufe, das heißt an den Modullieferanten oder den Autohersteller – und das häufig in großen und kontinuierlichen Stückzahlen und kurzer Taktung. Dabei werden die Prozesse stetig komplexer. Die Anzahl der bearbeiteten Aufträge nimmt zu, ebenso die Artikel- und Variantenvielfalt. Außerdem steigen die Anforderungen der Kunden in Bezug auf die Transparenz über den Auftragsstatus und – Stichwort Gewährleistung – die Rückverfolgbarkeit der einzelnen Chargen. Um Planungssicherheit über die gesamte Prozesskette zu erhalten, ist es aus Kun9
Aus der Branche I „Digital in NRW“
© VIA Oberflächentechnik
densicht daher immer wichtiger, den aktuellen Bearbeitungsstatus der an VIA gelieferten Teile zu kennen. Das aber würde bedeuten, dass die kommissionsbezogenen Daten über Unternehmensgrenzen hinweg transparent sind. Einfach gesagt: Jeder Kunde soll den Bearbeitungsstatus seiner Teile bei VIA einsehen und entsprechend planen können.
© Digital in NRW
Das Unternehmen betreibt eines der modernsten Feinreinigungszentren Deutschlands, beschäftigt 230 Mitarbeiter und arbeitet für mehr als 200 Kunden.
Kick-off-Meeting des Digital-in-NRW-Projektes bei VIA
Digital in NRW – Das Kompetenzzentrum für den Mittelstand Mit „Digital in NRW – Das Kompetenzzentrum für den Mittelstand“ wird die Initiative „Mittelstand 4.0“ des Bundeswirtschaftsministeriums in Nordrhein-Westfalen umgesetzt. Kleine und mittlere Unternehmen in NRW erhalten zielgerichtete Unterstützung bei der Planung und Umsetzung von Projekten der Digitalisierung nach den Prinzipien von Industrie 4.0. Dabei arbeiten jeweils ein Unternehmen und ein Forschungspartner für einen definierten Zeitraum an einem konkreten Projekt. Das Spektrum der bisher durchgeführten Projekte ist so breit wie die Aufgabenfelder der beteiligten Unternehmen. Es reicht von der Produktionsplanung und -steuerung über die Produktentwicklung, das Qualitäts- und Prozessmanagement bis zur Mensch-Maschine-Interaktion. Ansprechpartner für „Digital in NRW“-Projekte sind Forschungseinrichtungen von drei starken Wirtschafts- und Forschungsstandorten im Rheinland, in der Metropole Ruhr und in OstWestfalenLippe. Interessierte Unternehmen können sich an die Geschäftsstellen von Digital in NRW wenden: Tel. 0231 9743611,
[email protected], www.digital-in-nrw.de 10
JOT 1 I 18
Ziel: Digitales Abbild der Materialflüsse im Logistiknetzwerk Ziel des „Digital in NRW“-Projektes war es, genau diese Transparenz zu erreichen und unter den beschriebenen Bedingungen ein digitales Abbild der Materialflüsse in der gesamten Lieferkette zu erzeugen. Im Fokus stand hier der Einsatz von Technologien zur Verbesserung der echtzeitnahen Erfassung und zur Erhöhung der Prozess- und Datentransparenz. Dabei mussten – und das gilt ebenso für viele ähnliche Projekte – zahlreiche Herausforderungen bewältigt werden. So verwenden die Kunden von VIA jeweils unterschiedliche IT-/ERP-Systeme mit unterschiedlichen Schnittstellen. Die Variantenvielfalt steigt beständig, ebenso die Vielfalt der verwendeten Ladungsträger. Darüber hinaus sind kundenindividuelle Prüf-, Verpackungs- und Versandvorschriften zu beachten, die in der Prozesskette der Automobilindustrie einen hohen Stellenwert haben. Die Ansprüche an Qualität und Lieferzeit (JIT/JIS) steigen ebenso – umso wichtiger ist die Transparenz über den gesamten Prozess.
„Viabirds“-Middleware sorgen für Transparenz in der Zulieferkette Mit dem „Viabirds“-System hat das Fraunhofer IML als Forschungspartner für Digital-in-NRW-Projekte eine Software-Lösung konzipiert, die für den beschriebenen und von VIA gewünschten Zweck geeignet ist. Viabirds ist eine AutoID-basierte Eventerfassung, die ein digitales, echtzeitgetreues Abbild der Produktion erzeugt. Jeder einzelne Mehrwegladungsträger ist mit einem Informationsträger ausgestattet (RFID-Tag, Barcode…), der mit mobilen Endgeräten ausgelesen werden kann. Als klassische „Middleware“ ist das System mit dem ERP-System von VIA verknüpft. Am Wareneingang muss der „Erfasser“ dem Ladungsträger nur einen Kunden zuweisen. Das geschieht über ein
© VIA Oberflächentechnik
© VIA Oberflächentechnik
Werner Schmidt, Geschäftsführer der VIA Oberflächentechnik GmbH und der VIA Consult GmbH & Co. GmbH.
VIA betreibt modernste Reinigungsanlagen, die den hohen Anforderungen der Automobilindustrie gerecht werden.
Dropdown-Menü am Handscanner. Dann lässt sich die jeweilige Charge online bei ihrem Weg durch die Oberflächenbehandlung verfolgen.
Erster Schritt: Showcase für „Logistik 4.0“
Echtzeit-Informationen über Auftragsstatus für die Kunden In der Praxis bietet dieses System klare Vorteile. Zum Beispiel können alle Mitarbeiter in der Verwaltung von VIA, die Zugriff auf die Plattform haben, online und in Echtzeit den Bearbeitungsstatus jedes Auftrags und jeder Charge feststellen, ohne im Betrieb nachfragen zu müssen. Die Betriebsleitung wiederum erhält auf einem zentralen „Dashboard“ einen Überblick über alle abzuarbeitenden Aufträge. Auch aussagekräftige Kennzahlen werden hier bereitgestellt. Darüber hinaus können Zulieferer, die Teile zum Bearbeiten oder Reinigen an VIA gesendet haben, im Online-Portal von Viabirds selbsttätig Informationen über den Status ihrer Aufträge abrufen. Sie müssen dafür keine eigene Software installieren und pflegen, weil der Zugang über eine Web-Plattform erfolgt. Mit diesem Software-Tool verbessert sich somit die Prozesstransparenz sowohl bei VIA als auch über die Unternehmensgrenzen hinweg. Diese horizontale Vernetzung ist eine Kerntechnologie für Zulieferketten, die nach den Grundsätzen von Industrie 4.0 organisiert sind.
Die Projektpartner entwickelten und implementierten im ersten Schritt einen „Showcase“ für die Anwendung von Databirds, der sowohl VIA als auch den Kunden die Verfolgung der Ladungsträger beziehungsweise der damit verknüpften Aufträge über die web-basierte Plattform erlaubt. In einer neuen Halle von VIA wurde der Wareneingang entsprechend mit Handscannern und WLAN-Hotspots ausgerüstet. Aktuell wird unter anderem geprüft, ob und wie intensiv das System von VIA selbst und von den externen Kunden genutzt wird. Daraus lässt sich abschätzen, wie groß der Nutzen von Viabirds in der Praxis ist. Diese Frage wird im hier beschriebenen Projekt auch von der VIA Consult GmbH & Co. KG evaluiert. Das in Olpe ansässige Beratungsunternehmen, das für viele mittelständische Automobilzulieferer tätig ist, begleitet als Partner das Projekt und wird VIA Oberflächentechnik weitere Impulse für die Digitalisierung in der Zulieferkette geben.
Industrie 4.0 in der Oberflächentechnik Wie bewerten die Verantwortlichen das Digital-in-NRW-Projekt? Typisch für die mittelständisch geprägte Dienstleister- und Zulieferbranche ist der pragmatische An-
satz, mit dem Themen der Digitalisierung gesehen werden. Werner Schmidt, Geschäftsführer der VIA Oberflächentechnik GmbH: „Für den Mittelstand sind bei Industrie 4.0-Projekten drei Fragen ausschlaggebend: Was erzeugt Kundennutzen? Was erschließt Kostenvorteile? Was schafft Wettbewerbsvorteile? Um einen besseren Überblick über die Entwicklungen und Chancen zu bekommen, haben wir entschieden, uns mit dem Expertenteam von ‚Digital in NRW‘ auf den Weg zu machen und zu erkunden, was zukünftig Nutzen stiften kann.“ Die vom Projektpartner Fraunhofer IML entwickelte Viabirds-Plattform bietet hier einen Ansatz, der Transparenz über die Zulieferkette schafft und als klassisches Digitalisierungsprojekt auch bestens ins Industrie 4.0-Umfeld passt. //
Die Autoren Mathias Gloger Consultant, VIA Consult GmbH und Co. KG., Olpe Matthias Parlings Projektleiter Digital in NRW und Mitarbeiter am Fraunhofer IEM, Paderborn Werner Schmidt Geschäftsführer, VIA Oberflächentechnik GmbH, Lennestadt 11