Ingenieur-Arehiv 55 (1985) 348-- 357
Ingenieur-Archiv 9 Springer-Verlag 1985
Zur Eigenformmethode nichtproportional ged~impIterSchwingungssysteme F. H. Miiller und J. Baseler, Miinchen
~bersicht: Das Differentialgleichungssystem eines ged~mpften Mehrmassenschwingers konnte bisher nur dann in reeller Schreibweise mit der Eigenformmethode exakt gel5st werden, wenn die Bequemlichkeitshypothese erfiillt ist. Diese EinschrKnkung setzt eine Darstellbarkeit der D~mpfungsmatrix aus der Massenund Steifigkeitsmatrix voraus. Die vorgestellte Weiterentwicklung der Eigenformmethode ermSglieht, diese Bedingung fallenzulassen. Das allgemeine gekoppelte, lineare Schwingungsdifferentialgleichungssystem 2. Ordnung wird in reelle entkoppelte Differentialgleichungen 1. und 2. Ordnung iiberfiihrt. Hiermit wird aueh fiir niehtproportional ged~mpfte Systeme die ganze Bandbreite der ffir den Einmassenschwinger entwickelten LSsungen verfiigbar. On the modal superposition method of non-proportionally damped systems Summary: The modal superposition method in its real form could up to now only be applied to proportionally damped MDOF systems. The damping matrix of such a system has to be a combination of the mass and stiffness matrices. The development presented here allows that condition to be disposed of. The general coupled linear system of differential equations of second order is transformed to decoupled differential equations of first and second order. All solutions of the SDOF system can now be applied to the non-proportionally damped systems too.
1
Einleitung
Konstruktive, architektonische und 6konomische Gesichtspunkte fiihren zu immer schlankeren und damit schwingungsanfi~lligeren Bauwerken. Fi~r derartige Strukturen kann die in einem System vorhandene D~mpfung zu einer ma[~gebenden GrSl~e in Hinblick auf Gebrauchsf~higkeit oder Standsicherheit werden. In solchen F~llen ist h~ufig die durch Baugrund, Material und Konstruktion gegebene Dissipation eingetragener Energie zu gering und die Anordnung zus~tzlicher D~mpfungsmechanismen erforderlich. Da nur in Ausnahmef~llen Fixpunkte zur Verfiigung stehen, mfissen Bauteile gegeneinander ged~mpft oder spezielle Schwingungstilger eingebaut werden. Tuned-Mass-Damper in einfachster passiver Form mit festen Parametern, mit selbstt~tig oder gesteuert angepaBten Parametern, oder in aktiver Form mit Energievorrat und Aktuatoren finder man heute in vielen Ingenieurkonstruktionen, wie z. B. Antennentr~gwerken, Schornsteinen, Briickenpylonen und Briieken, Hochh~usern (Citieorp, J. Hancock), Gro[twindmiihlen (Growian). In all diesen Systemen ist die Bequemlichkeitshypothese [1], die eine D~mpfungsverteilung proportional der Massen- bzw. Steifigkeitsverteilung annimmt, sicher verletzt. Sie gilt strenggenommen nicht einmal fiir an sich v611ig unged~mpfte Konstruktionen, die jedoch durch die Anbindung an den Baugrund nicht-proportional ged~mpft werden. Trifft nun fiir ein zu untersuchendes System die Bequemlichkeitshypothese nieht zu, kann die Eigenformmethode in ihrer herkSmmlichen, reellen Schreibweise nicht mehr angewendet werden. Die Eigenformen des ged~mpften Systems stimmen nieht mehr mit denen des unged/~mpften Systems iiberein. Dureh Hinzunahme der Geschwindigkeiten als zus/itzliche unabh~ngige Koordinaten kann um den Preis einer Verdopplung der Prob]emordnung die Eigenform-
l~'. H. Nfiller und J. Baseler: Zur Eigenformmethode ged~mpfter Schwingungssysteme
349
methode verallgemeinert werden. Eine Verallgemeinerung, die auf komplexe Eigenforrnen fiihrt, wird erstmals von IrIurty und I~ubinstein [2] angegeben. Eine Anwendung dieser Methode auf ein Reaktorgeb/iude besehreibt ltoh [3]. Ftir den Ingenieur ergeben sich einige Nachteile bei der Anwendung dieser verallgemeinerten Eigenformmethode. So mug er mit komplexen Eigenschwingformen und komplexen Belastungen, also unansehauliehen und ,,un-praktisehen" GrSgen arbeiten. Die Systemiiberfiihrung in entkoppelte Differentialgleiehungen erster Ordnung spiegelt aul]erdem nieht dan Problemeharakter wieder, der ja bei der herkSmmliehen Eigenformmethode erhalten bleibt. Die Autoren stellen in diesem Beitrag eine Weiterentwieklung der Eigenformmethode vor, die bei weitestgehender Erhaltung der Vorteile des herkSmmliehen Vorgehens im Reellen die oben erw/ihnten Naehteile der Hurty-gubinstein-Verallgemeinerung vermeidet. Das gekoppelte Differentialgleiehungssystem von n Gleiehungen 2. Ordnung wird in entkoppelte Differentialgleiehungen yon 1. und 2. Ordnung mit reellen Koeffizienten iiberfiihrt. Die Bereehnung von Systemantworten kann dann mittels bekannter Methoden im l~eellen erfolgen. 2
Zustandsdifferentialgleichungssystem
Ftir ein System mit diskreten Elementen erh/~lt man ein Matrizendifferentialgleiehungssystem M~ + C~ + Kx = fg(t).
(1)
Mit 1VI, C und K sind die Massen-, D/impfungs- und Steifigkeitsmatrizen bezeichnet, x steht fiir den gesuchten Verschiebungsvektor der natiirlichen Wegkoordinaten, die Last sei dureh den Belastungsvektor f mit der zugehSrigen Zeitfunktion g(t) gegeben. Sind kontinuierliche Elemente vorhanden, ftihren bekannte Verfahren der Diskretisierung auf eine Gleiehung der Form (1). Die Massenmatrix M sei, nach evtl. nStiger Kondensation, regul/~r. Bei baudynamischen Problemstellungen sind StarrkSrperverschiebungen gewShnlieh nieht zugelassen, wodurch die Steifigkeitsmatrix K ebenfalls regul/ir ist. Zu einem beliebigen Zeitpunkt t ist der Zustand des Systems mit (1) vollstgndig bestimmt, wenn zus/itzlich zu x der Vektor v der Gesehwindigkeiten bekannt ist. Mit dem Zustandsvektor z
sehreiben wit (1) in der Form des Zustandsdifferentialgleiehungssystems = Az @ bg(t)
(3)
mit _M_I K
--M-1C
,
(4)
wobei mit lYI-~ die inverse Massenmatrix, mit A die 2n • 2n Systemmatrix und mit b der 2nfaehe Belastungsvektor bezeiehnet werden. Aul3erdem seien 0 und E die Null- bzw. die Einheitsdiagonalmatrix und 0 der Nullvektor. 3
Eigenwerte und Eigenformen, Transformation L
Das zugehSrige Eigenwertproblem mit jeweils reellen oder komplexen Eigenwerten hi = (~ ~- io~ (mit a = I~e()/), ~o = Im(X), im folgenden kurz ;,~ = (a~/~) geschrieben) ergibt sich aus = diag [;t] z = Az,
(6a)
woraus folgt : det (A -- X~E) = 0.
(6b)
350
Ingenieur-Archiv 55 (1985)
Der in der praktischen Anwendung nicht auftretende Fall mehrfacher Nullstellen wird hier nicht weiter betrachtet, durch geringfiigige Parameteri~nderung, die etwa fiir berechnete Auslenkungen oder Schnittgr5~en ohne me, bare Auswirkung bleibt, k5nnen solche Koinzidenzen beseitigt werden. Der beziiglieh der exakten Auswirkungen mehrfacher Eigenwerte interessierte Leser sei auf Hiller [4], S. 130ff. verwiesen. Ira allgemeinen Fall erh~lt man eine gerade Anzahl p reeller und q paarweise konjugiert komplexer Eigenwerte, wobei p + q = 2n ist. Die Anordnung der Eigenwerte ~
(~1/0), (~/0)... (~p/0), (%+~/%+1)... ( ~ n / ~ )
(7)
wird nach ansteigenden Referenzfrequenzen ~0~
= +l/~ - + ~
(s)
vorgenommen. Bei den konjugiert komplexen Paaren fiihrt jeweils der Eigenwert, dessen Imagin~rteil positivist. Die Modalmatrix L der Eigenvektoren tit s
wird entsprechend geordnet. Die Eigenvektoren Wi seien auf T~I = (1/0) normiert. Man fiihrt nun die dimensionslosen komplexen Eigenformkoordinaten y ein : z = Ly.
(10)
Einsetzen in (3) und Linksmu]tiplikation mit L -1 ergibt $ = L-1ALy + L-~fy(t),
(11)
wobei sich 2n entkoppelte Differentialgleichungen 1. Ordnung ergeben
,, = 2~y, + ( ~L~',)g(t),
(12)
\i=1
bei denen jedoeh his auf die Lastfunktion g(t) alle GrSi~en komplex sein k5nnen. Dem urspriinglichen Schwingungssystem gegenfiber -- Differentialgleichungen 2. Ordnung mit reellen GrSl~en fiir Last und Koordinaten -- ist diese Darstellungsweise unanschaulich. Selbst fiir unged~mpfte oder entsprechend der Bequemlichkeitshypothese ged~mpfte Systeme ist der Zusammenhang zur Schwingungsdifferentialgleichung verlorengegangen. Eine weitere Transformation, wie sie Hiller [4], fiir ein unbelastetes (-- ungesteuertes) System angibt, welche die Eigenschaft ,,konjugiert-komplex" ausnutzt, beseitigt den Nachteil der Komplexit~t, wie im folgenden gezeigt wird.
4
Reelle Eigenformkoordinaten, Transformation T
Es seien ,~k und ~tz mit l = [c + 1 zwei zusammengehSrende konjugiert komplexe Eigenwerte. Dann gilt ebenfalls Yk = Y~,
(13)
wobei die Uberstreichung die Konjugierung bezeiehnen soll. Man fiihrt nun reelle Eigenformkoordinaten u ein, so dab gilt Yz
[(0,5/0) (0/+0,5)]
uz
[(0/1) (0/--1)J
uz
bzw.
Yz
(15)
Diese Transformation wird auf alle paarweise konjugiert komplexen Eigenformkoordinaten angewandt, solche, die reellen Eigenwerten zugeh6rig sind, bleiben unberiihrt.
F. H. Miiller und J. Baseler: Zur Eigenformmethode ged~mpfter Schwingungssysteme
351
Fiir die vollst/indige Transformation
(16)
y = Tu ergibt sich die Transformationsmatrix T zu 1
1 [ [
0
1 f
__I
T =
--]
I
[(o,5/o) (0/-0,5) ~(o,5/o) (o/o,5/ ]
(17)
~(o,5/o) (0/-0,5) I
I
r
~(0,5/01 [
I I [
--I
I
I
l [
(0/0,5/
[
I--
l
I
"lJ [
--I
~(0,5/0) (0/-0,5) I(0,5/01 (0/0,5/
Mit diesem Schritt wird eine Umwandlung yon (11) in eine rein reelle Form erzielt, welche jedoch mit einer paarweisen Kopplung erkauft wird. Wendet man die Transformation (16) mit T auf (11) an, erhiilt man nach Linksmultiplikation mit T -1 fi :
T-1L-1ALTu
+
T-XL-lfg(t).
(18)
Die Rechtsmultiplikation der Modalmatrix L mit T ergibt die rein reelle Pseudoeigenformmatrix V (19)
LT : V, wobei V derart aufgebaut ist V=[t~[~IJ 2 !... i ~ii...i
tI~'p !Re(LISp+l) iIm(~IJp+l) [
(20)
Re (Wp+3) i Im (Wp+3)[ ... i t~e (W2,-~)! Im (W2,_~)], Mso aus 2n reellen Spaltenvektoren besteht. Mit V-1 -- (LT)-I : T-1L-1
(21)
erhalten wir nun aus (181 das Differentialgleichungssystem fi = V-~AVu + V-lfg(t).
(22)
Es besteht aus p entkoppelten und q paarweise gekoppelten Differentialgleichungen 1 . 0 r d n u n g mit reellen Koeffizienten und lautet ausgeschrieben : it1 = ~qUl + hlg(t) it2 : (i~u2 + h2g(t) i% = % % + hpg(t)
(23)
i~p+l = %+1up+1 + OJp+lUp+2 -~- hp+lg(t) ~p+2 = :
--09p+l~l~p+l -~- ffp+lUp+2
iek = akUk + ~okUl -~- hkg(t)
~-
hp+2g(t)
352
Ingenieur-Archiv 55 (1985) ~l = --~kuk + akuz ~- h~g(t) :
:
~2n--1 ~ -
:
O'2~t-lU2n-1
:
(23)
+ ~
+ h2n-lg(t)
it2~ = --~o2n-lu2n-1 + (~2~-1u2, + h2,,g(t)
Die Beteiligungsfaktoren des Belastungsvektors h~ ergeben sich aus
(24)
h = y-if.
Der Zusammenhang zwischen den Koordinaten z und u wird vermittelt durch z =
Ly =
LTu = Vu;
u = u
(25)
Zur vollst/indigen Information fiber ein Schwingungssystem gehSren neben dem Differentialgleiehungssystem die Anfangsbedingungen. Diese liegen gewShnlich in der Form Zo
=
/
(26)
V0
vor. Mit der Beziehung u0 = V - l z 0
(27)
werden die Anfangsbedingungen z0 in solche der Koordinaten u0 fiberfiihrt.
5 Transformation W Wie aus (23) zu ersehen ist, besteht der allgemeine Bewegungsverlauf aus zwei vSllig unterschiedlichen Typen. ~eelle Eigenwerte liefern reelle Differentialgleichungen 1. Ordnung in entkoppelter Form, womit deren Behandlung hier abgeschlossen ist. Sie verk5rpern Kriechvorg~nge fiberd/~mpfter mechanischer Systeme im Gegensatz zu den paarweise gekoppelten Gleichungen des Differentialgleichungssystems (23), welche Schwingungen beschreiben. Im folgenden seien ausschliel~lich letztere Gegenstand weiterer Betrachtungen. Ziel der Autoren ist es, aus den Zeilen ]c und 1 von (23) eine allgemeine Schwingungsdifferentialgleichung der Form F0
f~ + 2D~o2 + co2x = - - g(t)
(28)
~n 0
als Bestimmungsgleiehung zu formulieren, fiir welehe LSsungen beliebiger Zeitfunktionen bekannt sind und aueh die Anwendung yon Antwortspektren m5glich ist. Hierfiir sind zun~ehst die gekoppelten Gleichungspaare in (23) zusammenzufassen. Aus den Zeilen k und 1 von (23) ist die Variable ul zu eliminieren. Dazu wird die Zeile k naeh ul aufgelSst und einmal differenziert. Einsetzen in Zeile l ergibt dann naeh Umstellung i4 + (--2~k) irk + ((~ + o)~) uk = ((okhz -- (~khk) g(t) + hk~(t).
(29)
Der Term hk(7(t ) verschwindet immer dann, wenn die zugehSrige Eigenform ungedi~mpft oder der Bequemlichkeitshypothese entsprechend ged~mpft ist (siehe dazu das Beispiel in Kapitel 7). Im allgemeinen Fa]l ist hk ~ 0, was z. B. bei numerischer Integration zu Problemen fiihrt, wenn die Last-Zeit-Funktion g(t) nicht stetig differenzierbar ist. In vielen Fii~llen ist g unstetig, etwa als Sprung- oder Impuls-Funktion vorgegeben. Eine Ableitung ~(t) im funktionentheoretischen Sinn ist dann nicht vorhanden. Es ist daher sinnvoll, die Verwendung yon Ableitungen der Lastfunktion grunds~tzlich zu vermeiden. Eine weitere unangenehme Konsequenz des Auftretens yon h~(7(t) betrifft die Ermitt]ung yon Schwingerantworten ffir feststehende Lastzeitfunktionen g. Eine einmal (liir variables, aber festes D) ermittelte LSsung yon (28) kann auf Schwinger beliebiger Eigenfrequenz iibertragen werden. Durch das beliebige Verh~ltnis der Koeffizienten yon g und ~ enth~lt (29) aber einen zus~tzlichen Parameter. Die Aufstellung yon Antwortspektren wird dadurch unpraktikabel.
F. H. Mfiller und J. Baseler: Zur Eigenformme~hode gedgmplter Schwingungssysteme
353
Mittels einer gew6hnlichen linearen Koordinatentransformation im Zeitbereich kann der stSrende Term nicht beseitigt werden. Durch Laplace-Transformation wird (29) in den Frequenzbereieh tiberfiihrt, s~U~(s) - 2~sU~.(s) + ( ~ + o~) U~(s) = (~kh~ - ~h~) G(s) + h~s~(s)
(30)
mit s als komplexe Frequenzvariable. Dabei bezeichnen U~(s) bzw. G(s) die Laplace-Transformierten der Zeitfunktionen ug(t) und g(t). In (30) sind zungchst verschwindende Anfangsbedingungen vorausgesetzt. Der Zusammenhang zwischen dem ,,Eingang" g und dem ,,Ausgang" u wird dutch die rationale Ubertragungsfunktion Z(s)/N(s) vermittelt, die sich aus (30) zu
U~(s) =
Z(s)
G(~) =
bo -b- b~s
G(s)
(31)
ergibt. Die Koeffizienten in (31) lauten:
ao = ~ + ~
b0 = ~o~h~ -- z~h~.
al ~ --2~k
bl --~ hk
(32)
32~1. Die Nennerfunktion N(s) wird allein yon den Eigenparametern ak und ok der jeweiligen Eigenform, also allein yon den Systemeigenschaften bestimmt. Die Funktion Z(s) beriieksichtigt den Einflui3 einer bestimmten Lastverteilung. Im Frequenzbereieh wird nun als letzte Transformation eine Variable Wk(s) eingefiihrt (F611inger [5]), die die Systemantwort auf eine bestimmte Lastzeitfunktion g(t), aber ohne Beriicksiehtigung der Lastverteilung, in allgemeiner Weise wiedergibt :
Wk(s)-
G(s)
5~(8)"
(33)
l~iickiibersetzung in den Zeitbereich liefert 0)k -t- (--2ak) ~bk ~- ((~ ~- ~o~)wk = q(t),
(34)
womit es gehmgen ist, die gewiinschte Schwingungsdifferentialgleichung des Typs (28) in den Variablen wk als Zeitfunktion zu formulieren. Als letztes Bindeglied fehlt noch der Zusammenhang zwischen den Variablen uk und wk im Zeitbereich. Dutch Einsetzen yon (33) in (31) ergibt sich vk(8) = boWk(~) + blsW~(s),
(35)
was im Zeitbereich nach Einsetzen der Koeffizienten bedeutet :
uk - (~okht -- a~hk) wk + hk~k.
(36)
Die in diesem Kapitel beschriebenen Operationen werden nun entsprechend ffir u l vorgenommen. Man erhi~lt zungchst /~l ~- (--2ak) itl ~- (a~ + (o~.)ul =- ((rkhl ~- ogkh~.)g(t) -~ hl(l(t).
(37)
Die Koeffizienten der linken Seiten von (29) und (37) sind identisch, beide Gleichungen ergeben das gleiche Nennerpolynom N(s). Die Definition (33) yon Wk(s) kann auch hier eingefiihrt werden. Ffir die Koordinate ut ergibt sich dann die Bestimmungsgleichung ul :
(a~hl + ~okhk)wk + htW~.
(38)
Die zu der /c-ten Pseudoeigenform Re (Wk), Im (LYk) zugehSrige bestimmende Differentialgleichung 2. Ordnung (34) kann als Bewegungsgleiehung eines gediimpften Einmassenschwingers
i2k + 2Dogok~k zF ~o~okWk: g(t)
(39)
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Ingenieur-Archiv 55 (1985)
mit ~o0~ = ~- T/~ ~- w~;
(;k.,
D -----
(40)
COOk
gedeutet werden. Nach LSsung yon (39) ist mit bekannten wk und @k die Auswertung fiir die Koordinaten % und ul fiber
ut
[((~khl-~ a)khk) hi
@k
mSglieh. Die zu den reellen Nullstellen gehSrenden p Differentialgleichungen 1. Ordnung (s. G1. (23)) bilden zusammen mit den q/2 Differentialgleichungen 2. Ordnung (G1. (39)) und den q Auswertungsgleichungen (41) ein dem urspriinglichen Differentialgleichungssystem (3) gquivalentes System. Der Zusammenhang zwischen den ZustandsgrSSen z und den Koordinaten w, in denen die LSsung fiir die jeweilige Last-Zeit-Funktion g(t) erfolgt, erhglt man durch Einsetzen der Auswertungsgleichungen (41) fiir alle k in (25) zu: 0
{
(Glh2 -]- (~lhl) h~ I I I'
II (o~ah~ --aaha)
z=u
I 1
ha
Wl
i IIf
@1 W3
wa >.
[-I"
[
I
?2n-1
0 1
6
i
~ i
__[
- -
|
(42)
(an_lh n -Jr- ~n-lhn-1) hn
72n-1 - -
Berechnungsgang
Zur praktischen Anwendung des gezeigten Verfahrens zur Schwingungsanalyse eines konkreten mechanischen Systems sind folgende Schritte zu unternehmen: Aufstellung des Zustandsdifferentialgleichungssystems; Ermittlung der Eigenwerte 2~ ~ a~ ~- i~o~und Eigenvektoren der Zustandsmatrix A; Anordnung der Real- und Imagingrteile der Eigenvektoren in der in (20) dargestellten Form ffihrt zur Matrix V der Pseudoeigenformen ; Inversion der Matrix Y ; Multiplikation von y-1 mit dem Lastvektor I ]iefert die Belastungsfaktoren hk ; LSsung der entkoppelten Differentialgleichungen (39), deren ree]le Koeffizienten allein aus den Eigenwerten yon A bestehen; Bestimmung der ZustandsgrSl~en x und i ~ v durch Einsetzen yon wl~ und @k in die Auswertungsgleichungen (42), die ebenfalls reelle Koeffizienten besitzen. 7 Beispiel Betrachtet wird ein nicht-proportional gedgmpfter Zweimassenschwinger.
~
-"---~ f2g{/) C1
ml=mz=
C2
lkg;
kl=kz=
1N/m;
Cl=0,2Ns/m;
c2=0,6Ns/m;
F. H. Miiller und J. Baseler: Zur Eigenformmethode ged/impfter 8chwingungssysteme
355
Massen-, Dgmpfungs- und Steifigkeitsmatrix ergeben sieh zu M =
;
C = [-0,6
0,6J;
K =
--1
(43)
"
Die Zustandsgleichung lautet 0
=
Az +
[!
b9 =
--
mit Z =
0
1
0 1
0 --0,8
--1
0
0
I/ L
1 0,6
0,6
z q-
--0,6
g
(44)
(X 1 ; X 2 ; ~1 ; X2) T"
Fiir die Eigenwerte und die daraus ableitbaren GrSgen (G1. (40)) finder man (alle folgenden GrSl~en sind gerundet) : (--0,587/0,620) ~ 0,622 I/s; (--0,0587/--0,620) / ~%1 . . . .
~1 =
22
0,0944
D~
(45) 2a = (--0,641/1,47) ~ 1,61 l/s; 24 = (--0,641/--1,47) J c%a =
0,399
Da
=
Aus den auf ~ n = (1/0) normierten Eigenvektoren yon A ergibt die Transformation LT = V: 1,00 u
0,00
1,00
0,00-]
1,57 -0,17
-o,69
-o,17/
0,64 0,69
1,47//
--0,06 0,01
0,62 0,98
Real-
Imag.teil der 1. Eigenform von A
(46)
--0,90_]
Real-
Imag.tell der 3. Eigenform von A
Ungedgmpfte oder proportional gedgmpfte Pseudoeigenformen erkennt man an ihrer besonderen Bauart : proportional gedgmpft ungedgmpft Xl
xl
95'2
x~
I f
:
I
:
xn
I
0
Xn
I---
Iol Iol I l [
.
(&x2)
I
t
I
Im (Zkx,~)
0 0
(47)
{. . . . . . . . . . . .
R e (;.exl) I hn (,%x~) IRe (;,~x2) ~ ~m (~.x2)
Im (ikxl)
Im
i .......
I
:
I
:
I
2, rein imagingr (0/%) x~ reell
2k komplex (r xi reell
k = 1, 3 ... 2n -- 1
Das untersuchte System hat demnach zwei nichtproportional gedgmpfte Eigenformen. Mit der inversen Matrix V-1 0,322 --0,142 0,678 0,368 25*
0,435 0,103 --0,435 --1,215
0,068 0,467 --0,068 0,455
0,030 7 0,742[ --0,030 / --0,324]
(48)
356
Ingenieur-Archiv 55 (1985)
bestimmt man die Belastungsfaktoren V-~I zu
V-if =
0,030 ] 0,742 --0,030 --0,324
h2 h3
(49)
h~
Die entkoppelten Differentialgleiehungen 2. Ordnung fiir w ergeben sieh zu (s. G1. (39), (40)) 0)1 + 0,117@1 -}- 0,387wl = g(t)
(50)
@3 + 1,280@a -}- 2,580wa = g(t) und mit (42) die Auswertungsg]eiehungen fiir die Zustandsgr61~en z = (x; ~)e zu
z=
=
0,462
0,030
--0,497
--0,030] /wi/
--0,043 --0,020
0,458 0,728
0,560 --0,490
--0,458| 0,272_]
wa " w3
Wie bei der herkSmmliehen Eigenformmethode kann man auch hier N~herungslSsungen fiir (1) dadureh gewinnen, dal~ -- in Abh/tngigkeit vonder Problemstellung -- nur die relevanten Eigenformen beriieksichtigt werden. Die Gleichungen (50) und (51) sind ebenfalls fiir die Anwendung des Antwortspektrenverfahrens und der Spektralmethode geeignet. Diese Anwendungen sollen in einem weiteren Aufsatz gezeigt werden.
7 Sehlul~bemerkungen Die vorgestellte Verallgemeinerung der Eigenformmethode fiir nicht-proportional ged~mpfte Systeme iiberfiihrt ein gekoppeltes Differentialgleichungssystem yon n Gleichungen 2. Ordnung in entkoppelte Differentialgleiehungen von 1. und 2. Ordnung mit reellen Koeffizienten. Die Anschaulichkeit der herkSmmlichen Eigenformmethode bleibt dabei erhalten. Bereits erstellte Programme zur numerisehen Integration der Schwingungsdifferentialgleichungen kSnnen mit geringfiigigen Modifikationen, die allein die Auswertung, nicht aber die Integration selbst betreffen, welter verwendet werden. Die benutzte Programmierspraehe bzw. der verwendete gechner mug dabei nicht die komplexe Arithmetik beinhalten. Dem Nachteil einer aufwendigeren Bestimmung der Eigenwerte and Eigenvektoren stehen diese Vorteile gegeniiber: Verzicht auf Bequemlichkeitshypothese; Entkopplung des Differentialgleichungssystems in Gleichungen 1. und 2. Ordnung, dem Problemcharakter entsprechend; N/therungsmSgliehkeiten durch Beriieksichtigung der relevanten Eigenformen ersetzen direkte, u. U. sehr aufwendige LSsung des urspriinglichen Gleichungssystems (1); Auswirkung etwa von Dgmpfungsmal~nahmen, z.B. Einbau von Elastomer-Lagern oder Absorbern, auI die einzelnen Eigenformen gut beobachtbar; N~iherungsweise Berticksiehtigung yon Materiald/~mpfung durcla Addition eines fiir alle Eigenformen konstanten D/impfungsmaSes Dmat zu den einze]nen Di m6glich; Antwortspektren- und Spektralmethode auch fiir nicht-proportional ged/impfte Systeme anwendbar. Die Autoren arbeiten derzeit an einer Erweiterung des Verfahrens fiir kontinuierliche Systerne. Aueh im Hinblick auf Berechnung yon Konstruktionen mit aktiven Schwingungstilgern lassen sich manche EinsatzmSglichkeiten erwarten.
F. H. Miiller und J. Baseler: Zur Eigenformmethode gedi~mpfter Schwingungssysteme
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Literatur 1, Falk, S. : Eigenwerte gedS,mpfter Schwingungen bei Giiltigkeit der Bequemlichkeitshypothese. Ing.-Arch, 47 (1978) 57--66 2. tturty, W. C.; Rubinstein, M. F.: Dynamics of Structures. Clifton: Prentice Hall 1964 3. Itoh, I.: Damped Vibration Mode Superposition Method for Dynamic Response Analysis. Int. J. Earthquake Eng. Struct. Dyn. 2 (1973) 47--57 4. Hiller, M. : Mechanische Systeme. Berlin, Heidelberg, New York: Springer 1983 5. F511inger, 0.: l~egelungstechnik. Heidelberg: Hiithig 1984
Eingegangen am 18. Oktober 198g
Dr.-Ing. F. H. Mtiller Dipl.-Ing. J. Baseler Lehrstuhl fiir Baumechanik Technische Universit~t Miinchen Areisstral~e 21 D- 8000 M/inehen 2 Bundesrepublik Deutschland