Editorial Notfall Rettungsmed 2011 · Suppl 2 14:1–48 DOI 10.1007/s10049-011-1522-0 © Springer-Verlag 2011
Grußwort der Tagungsleitung
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, sehr geehrte Damen und Herren, es freut mich sehr, Sie als Teilnehmer der 6. Jahrestagung der Deutschen Gesell schaft für Interdisziplinäre Notfallaufnah me (DGINA), 28. bis 30. September 2011, in Göttingen begrüßen zu dürfen. Unsere diesjährige Tagung steht unter dem Motto „Notfallmedizin – Quo vadis? Standards – Innovationen – Trends“. An zwei Tagen sollen in 20 parallelen Sitzun gen mit mehr als 160 Vorträgen und 2 Pos tersitzungen die aktuellen Entwicklungen aus allen Fachbereichen der Notfall-, Ret tungs- und Katastrophenmedizin über sichtlich präsentiert und diskutiert werden. Die Schwerpunktthemen der Tagung sind fachübergreifend und tragen dem in terdisziplinären und interprofessionellen Gedanken der Fachgesellschaft Rechnung. Neben den Hauptthemen „Kardiopulmo nale Reanimation, Bildgebung in der Not fallmedizin, Airwaymanagement, Biomar ker in der Notfallmedizin, Schmerzma nagement, Neuroprotektive Hypothermie“ stehen übersichtliche Referate zu den wich tigsten Notfällen und strukturell-organi satorischen Konzepten interdisziplinärer Notaufnahmen. Aus aktuellem Anlass ist darüber hinaus ein Hot-Topic-Symposium zur EHEC-Epidemie in Deutschland inte griert. Das gesamte Kongressprogramm ist mit renommierten nationalen und inter nationalen Referenten besetzt.
Dieser Kongressband enthält die Ab stracts der Vorträge und Poster in der im Hauptprogramm ausgewiesenen Reihen folge. Damit erhalten Sie auch inhaltlich eine wertvolle Kongressübersicht, die eine Vor- und Nachbereitung der einzelnen Vorträge und Posterpräsentationen unter stützt. Wir möchten uns an dieser Stelle für das enorme Engagement aller AbstractAutoren der Vorträge und Poster bedan ken, die mit ihren hervorragenden Beiträ gen zum Erfolg des Kongresses schon im Vorfeld erheblich beigetragen haben! Wir hoffen, dass wir für alle Teilnehmer ein interessantes und abwechslungsreiches Programm zusammenstellen konnten, wel ches zu regen Diskussionen führt. Wir freu en uns auf Ihre aktive Teilnahme und wün schen uns allen angenehme Kongresstage hier in Göttingen. Im Namen der wissenschaftlichen Programmkommission Ihre
Prof. Dr. med. Sabine Blaschke
Notfall + Rettungsmedizin Supplement 1 · 2011
| 1
Abstracts
Abkürzungen EV = Eingeladener Vortrag A = Vortrag aus eingereichten Abstracts P = Poster aus eingereichten Abstracts
6. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft Interdisziplinäre Notfallaufnahme (DGINA) e. V. Notfallmedizin 2011 – Quo vadis? Standards – Innovationen – Trends 28. bis 30. September 2011, Göttingen
EV001 Anyone, anything, anytime – the development of emergency medicine in the USA
EV002 Schmerzevaluierung in der Ersteinschätzung. Problematik und Lösungsansätze
B.J. Zink1 1Alpert Medical School of Brown University, Department of Emergency Medicine, Providence, RI, USA
P. Wilke1 1Klinikum Frankfurt (Oder), Zentrale Notaufnahme, Frankfurt (Oder), Deutschland
Emergency medicine developed as a medical specialty much later than other American medical specialties which were almost all formed by the 1940’s. It arose out of an increasing demand from the public and was fueled by social and political factors that contributed to the large increase in emergency department visits that began in the 1950’s and has continued unabated to the present. The first emergency physicians began full-time practice in 1961 and the first practice organization, the American College of Emergency Physicians, was started in 1968. The first residency training program in emergency medicine was established in 1970 and by 1975 they were over 30 training programs. However the field of emergency medicine was still not accepted by the American Board of Medical Specialties until 1979 when it was approved in a conditional manner. Opposition to emergency medicine from other medical specialties was based on training competition, financial concerns, and a general feeling that there were already too many medical specialties. Over the past 30 years, emergency medicine has experienced remarkable growth, with the establishment of many academic departments of emergency medicine at medical schools in the United States. The academic growth helped to solidify the field as a credible source of research, medical innovation, and high quality education. In 1989 emergency medicine became a full primary board within the American Board of Medical Specialties. There are now over 150 residency training programs, and nearly 29,000 U.S. Board-certified emergency physicians. The U.S. healthcare environment is much different than European countries, but some of the same factors that stimulated emergency medicine in the U.S. are present in Europe. As in the U.S., the pioneers of emergency medicine must come from other medical backgrounds, but with a common belief that the best emergency care is provided by specialists who are well-trained, and dedicated to emergency practice.
Die Prävalenz von Schmerz beeinträchtigten Patienten in Notaufnahmen liegt bei 50–80%. Doch nur 30–50% der Patienten erhalten eine Analgesie. Das Phänomen der „Oligoanalgesie“ in Notaufnahmen stellt ein weltweites Problem dar. Trotz des vorgeschriebenen SchmerzAssessments zahlreicher Ersteinschätzungssystemen (MTS, ESI, ATS, CATS etc.) werden Schmerzen nicht evaluiert: nur bei 30% der Ersteinschätzungen werden Schmerzskalen verwendet und der Schmerzgrad dokumentiert. Der Grund liegt mitunter in mangelnder Schulung und Sensibilisierung des pflegerischen und ärztlichen Personals bezüglich der Schmerz-Erkennung, Schmerz-Evaluierung, Dokumentation und Therapie. Entsprechende Fortbildungen und differenzierte Einweisungen stellen eine unabdingbare Voraussetzung eines guten Schmerz-Assessments dar. Schmerzgrad-Differenzierung und Zuordnung zu einer Behandlungspriorität sind in den gängigen Ersteinschätzungssystemen nicht eindeutig definiert. Die Einschätzung des Schmerzes durch Personal differiert oftmals von der Selbsteinschätzung des Patienten: So wird Schmerz durch medizinisches Personal oft unterschätzt. Überschätzung patientenseitig resultiert in einer „Übertriage“ und führt zu strukturellen Ablaufproblemen im Notaufnahmemanagement: der Kaugummi kauende, ohne Einschränkungen gehende Patient mit 3 Tage alter OSG-Distorsion, der süffisant seinen Schmerz mit 8 Punkten angibt, ist keine Seltenheit. Einen weiteren Grund für Oligoanalgesie bietet das oft zu beobachtende ablehnende Verhalten bezüglich einer initialen Medikamentenapplikation seitens des Patienten: Angst vor Nebenwirkungen und die Sorge vor Beeinträchtigung des ärztlichen Untersuchungsergebnisses sind ursächlich. Um bei der Ersteinschätzung eine adäquate Schmerzevaluierung und Therapie zu gewährleisten, wurde am Klinikum Frankfurt (Oder) in Kooperation mit der Firma Clinpath eine Ersteinschätzungs-Software mit implementierter Schmerzevaluierung und integriertem Schmerzstandard entwickelt. Die Schmerzdefinition nach von Korff wurde für die numerische Rating-Skala (NRS) adaptiert und mit graphischen Rating-Skalen hinterlegt. Schmerz-Einschätzung des Patienten sowie des sichtenden pflegerischen Personals erfolgte getrennt. Patienten mit Schmerzgrad >1 wurden nach Analgesiewunsch befragt und nach vorgegebenem Standard durch die sichtende Pflegekraft analgetisch therapiert. Dabei erfolgte eine systemseitige EDV-Dokumentation (z. B. Ausschluss Kontraindikationen, Freigabe durch den Arzt
2 |
Notfall + Rettungsmedizin Supplement 1 · 2011
im Rahmen der ärztlichen Delegation). Patienten mit Schmerzgrad >7 wurden dem Überwachungsbereich zugeführt und erhielten Opiate. Die initial bei Einführung der Ersteinschätzung zu beobachtende Übertriage konnte deutlich reduziert werden, die von Patienten und dem ersteinschätzenden Personal angegebenen Schmerzintensitäten waren übereinstimmend.
EV003 Schmerztherapie in der Notaufnahme F. Petzke1 1Universitätsmedizin Göttingen, Zentrum für Anästhesiologie, Rettungsund Intensivmedizin, Göttingen, Deutschland Schmerzen sind häufiger Auslöser einer notfallmedizinischen Behandlung. Dabei ist Schmerz einerseits begleitendes Symptom einer Grunderkrankung andererseits besteht die klinische Notwendigkeit diesen Schmerz auch adäquat zu behandeln. Eine standardisierte Erfassung der Schmerzcharakteristik und -Intensität erleichtert die pathophysiologische Zuordnung und bietet einen Anhalt für die zu wählende Therapie sowie ein Maß für den Erfolg der durchgeführten Maßnahmen. Die Annahme, dass eine suffiziente Schmerztherapie dabei die klinische Diagnostik erschwert und verschleiert ist nicht gerechtfertigt. Allerdings ist eine systematische Erfassung der Schmerzintensität noch nicht Standard in allen notfallmedizinischen Einrichtungen, auch gibt es nur selten einheitliche Behandlungskonzepte. Allgemeine Algorithmen für eine reine symptomatische Schmerzkontrolle müssen dabei auch mögliche Risiken und Nebenwirkungen berücksichtigen, die Überleitung in die weitere ambulante oder stationäre Behandlung muss geklärt und geplant werden. Daneben müssen krankheitsspezifische Konzepte entwickelt und berücksichtigt werden. So schlägt zum Beispiel die Nationale Versorgungsleitlinie Kreuzschmerz ein diagnostisches und therapeutisches Konzept der Erstversorgung akuter Rückenschmerzen vor, für Krankheitsbilder wie die Migräne gibt es spezifische Therapiekonzepte. Auch kann eine frühzeitige und konsequente Schmerzbehandlung von Schenkelhalsfrakturen bei älteren Menschen womöglich Morbidität und Mortalität beeinflussen. Auf der anderen Seite stellen gerade Patienten mit chronischen Schmerzen in der Anamnese eine therapeutische Herausforderung in der Notfallaufnahme dar. Die medikamentöse Therapie ist oft durch eine Opioidvormedikation erschwert, oder die Wirksamkeit der rein medikamentösen Maßnahmen ist eingeschränkt. Die Berücksichtigung von Prinzipien der psychosomatischen Grundversorgung hat bei dieser Patientengruppe große Bedeutung.
A024 Adaptiertes Management von Patienten mit Rückenschmerz in Notaufnahmen *T. Becker1, V. Steindel1, C. Wrede1 1HELIOS-Klinikum Berlin-Buch, Notfallzentrum, Berlin, Deutschland Hintergrund. Rückenschmerz ist eines der häufigsten Symptome, die in Deutschland zu einem Arztbesuch führen und demzufolge auch ein häufiger Grund für das Aufsuchen einer Notaufnahme. Dort führt die Häufigkeit des unspezifischen Kreuzschmerzes, unterschiedliche Vortherapien, die Vielzahl möglicher Differenzialdiagnosen und nicht zuletzt die notwendige ärztliche Interdisziplinarität häufig zu einer nicht adäquaten Diagnostik und Behandlung, die neben den medizinischen Folgen auch mit einer reduzierten Patientenzufriedenheit und erhöhtem Ressourcenverbrauch einhergehen können. Methoden. In einer Beobachtungsphase von Januar bis Mai 2010 im Notfallzentrum Berlin-Buch wurde eine hohe Variabilität im ärztlichen und pflegerischen Management von Patienten mit Rückenschmerz identifiziert und eine geringe Zufriedenheit der Patienten mit der durchgeführten Diagnostik und Schmerztherapie festgestellt. Daraufhin wurden interdisziplinär geltende, leitlinienbasierte Hand-
lungsanweisungen erstellt, die in Abhängigkeit von der Manchester triagebasierten Schmerzskala eine frühzeitige beschwerdeadaptierte analgetische Behandlung, eine standardisierte Anamneseabfrage mit klinischem Untersuchungsgang sowie ein diagnostisches Vorgehen bezüglich der bildgebenden Diagnostik und der Ausweitung der Diagnostik bei atypischer Klinik festlegen. Von Juni bis einschließlich August 2010 wurde die durchgeführte Diagnostik und Therapie von Patienten mit Rückenschmerzen im Notfallzentrum und die Patientenzufriedenheit ambulant verbleibender Patienten mit Hilfe eines standardisierten Fragebogens erfasst. Ergebnisse. Insgesamt 37 Patienten wurden in die Auswertung eingeschlossen. Die Schmerzintensität gemäß numerischer Analogskala lag im Mittel bei 5,5 (4–9). 80% der Patienten erhielten eine i.v.-Medikation, 15% erhielten eine Schichtbildgebung. Der Anteil stationärer Aufnahmen stieg von 3% auf 15%. Ursache hierfür war entweder ein unzureichender Beschwerderückgang trotz leitliniengerechter Behandlung oder die Detektion eines neurochirurgisch interventionsbedürftigen Befundes. 75% der Patienten fühlten sich optimal oder sehr zufriedenstellend behandelt. Protokollverletzungen führten zu einer erhöhten Unzufriedenheit. Diskussion. Das dargestellte standardisierte Vorgehen bei Patienten mit Rückenschmerzen erhöht die Patientenzufriedenheit, was auch mit einem starken Rückgang von Patientenbeschwerden verbunden war. Das strukturierte Vorgehen ermöglicht auch die zeitgerechte Identifikation seltener und potentiell lebensbedrohlicher Ursachen von Kreuzschmerzen, insbesondere auch bei der Beteiligung verschiedener Fachdisziplinen an der Behandlung.
EV004 Synkope – Kardiologische Ursachen A. Franke1 1KRH Klinikum Siloah, Medizinische Klinik II – Kardiologie und Angiologie, Hannover, Deutschland Hintergrund. Eine Synkope ist definiert als kurzfristiger, spontan komplett reversibler Bewusstseins- und Tonusverlust, der insofern von Kollapssituationen ohne Bewusstseinsverlust und Stürzen anderer Ursache abgegrenzt werden muss. Synkopen sind häufige klinische Ereignisse, die zur Vorstellung in der Notaufnahme führen und sie nehmen mit steigendem Lebensalter überproportional zu. Das Spektrum der Auslöser reicht von Blutdruckfehlregulationen über kardiale bis zu spezifisch neurologischen Pathologien. Die verschiedenen kardiovaskulären Ursachen, ihre Differenzialdiagnose nach aktuellen Leitlinien und therapeutische Ansätze werden im Vortrag präsentiert. Kardiale Genese. Bradykarde Rhythmusstörungen, dabei insbesondere AV-Blockierungen und seltener die Bradyarrhythmia absoluta bei Vorhofflimmern können ebenso zu kurzen Bewusstseinsverlusten führen wie tachykarde Rhythmusstörungen, hier insbesondere die Tachykardien ventrikulärer Genese. Die Sensitivität der Diagnostik (EKG, Langzeit-EKG, externer oder implantierbarer Event Rekorder) hängt u. a. von der Auftretenshäufigkeit der Synkopen ab. Therapeutisch sind im Wesentlichen Schrittmacher- oder Defibrillator-Systeme und nur in erheblich seltenerem Umfang Medikamente einsetzbar. Orthostatische Fehlregulation. Ein Absinken des arteriellen Blut druckes ist eine kurzfristige durch Lagewechsel bedingte, meist anamnestisch ausgezeichnet zu erkennende Synkopenursache. Therapeutisch kommen vorwiegend Verhaltensmaßregeln in Betracht. Neurokardiogene Synkopen. Sie stellen die – im jungen und mittleren Lebensalter – häufigste Genese der Synkopen dar. Im Gegensatz zu orthostatischen Synkopen treten sie erst nach längerer Belastungsphase zu Tage, lassen sich aber ebenso auch häufig bereits durch die Anamnese gut ggf. durch den Kipptisch-Test diagnostizieren. Verhaltensregeln und in begrenztem Maße auch Trainingsmethoden sind therapeutisch einsetzbar. Die wesentlichen diagnostischen Maßnahmen zur Differenzierung der meisten Synkopen sind neben einer minutiösen Anamnese und einer Notfall + Rettungsmedizin Supplement 1 · 2011
| 3
Abstracts sorgfältigen kardialen Auskultation das Ruhe-EKG und in besonderen Fällen zusätzliche Untersuchungen wie die Echokardiographie, das Langzeit-EKG oder spezifischere Verfahren. Beachtenswert ist das veränderte Ursachenspektrum mit zunehmendem Lebensalter: Während beim über 75-Jährigen die neurokardiogenen Synkopen in den Hintergrund treten, überwiegen die ortho statischen und die kardialen Ursachen.
EV005 Synkopen aus neurologischer Sicht T. Ziemssen1 1Technische Universität Dresden, Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden, Zentrum für klinische Neurowissenschaften, Dresden, Deutschland Synkopen gehören zu den häufigsten paroxysmalen Bewusstseinsstörungen überhaupt und betreffen alle Alterskategorien. Phänomenologisch kommt es aufgrund der globalen zerebralen Hypoperfusion bei der Synkope zu einem Bewusstseinsverlust und unter Umständen zu Stürzen, bei denen die Körpermuskulatur in der Regel schlaff ist. Manchmal sind Auffangbewegungen noch möglich. Liegt der gesichtsblasse Patient dann am Boden, sind die Augen meist geschlossen. Symptome wie z. B. Zungenbiss oder Einnässen kommen bei epileptischen Anfällen häufiger vor, sind aber in Einzelfällen auch bei Synkopen möglich und sollten daher für sich alleine niemals die Diagnose von Synkopen ausschließen. Wenn die Bewusstlosigkeit länger als 10–15 s anhält, kann es auch bei Synkopen zu motorischen Entäußerungen. Nach Ende der Synkope sind viele Patienten zunächst noch etwas verlangsamt und müde, ihre Orientierung ist aber in der Regel rasch wiederhergestellt. Zahlreiche Ursachen können einer Synkope zugrunde liegen und eine Reihe von anderen Störungen kann sich klinisch sehr ähnlich wie Synkopen präsentieren (z. B epileptische Anfälle). Man unterschiedet nach dem Mechanismus, der die Synkope herbeiführt, zwischen orthostatischen, reflektorischen, kardialen, pulmonal bedingten, durch Gefäßwandeinengungen bedingten und pressorischen Synkopen. Die Ätiologie eines transienten Bewusstseinsverlustes bleibt daher trotz teilweise ausgedehnter und kostspieliger Abklärungen oft unklar. Für die Betroffenen geht dies meist mit einer Verminderung der Lebensqualität, einer erhöhten Morbidität und in gewissen Fällen auch mit einer erhöhten Mortalität einher. Ein systematischer Überblick über die wichtigsten Synkopenursachen sowie deren typische anamnes tische und klinische Präsentation soll das Formulieren einer konkreten Verdachtsdiagnose im Rahmen einer einfachen Basisdiagnostik (Anamnese, klinische Untersuchung und EKG) erleichtern und so einen sinnvollen, individuell angepassten Einsatz von Zusatzuntersuchungen ermöglichen. Am wichtigsten bei der Diagnose von Synkopen ist die aufmerksame und sorgfältige Erhebung der Krankengeschichte. Alle Details der Attacke einschließlich reproduzierbarer Auslösesituationen, der genaue Attackenablauf, ihre Dauer, die dabei erlittenen Verletzungen usw. sind von größter Bedeutung. Der Arzt, der sich mit der Diagnose von synkopenverdächtigen Attacken beschäftigt und nicht peinlich genau den Betroffenen und nach Möglichkeit auch die Augenzeugen befragt, wird der Aufgabe, die richtige Diagnose und Therapieempfehlung zu finden, nicht gewachsen sein. Die in der klinischen Praxis oftmals schwierige Differenzialdiagnose zwischen Synkope und epileptischem Anfall soll speziell hervorgehoben werden.
EV006 Management der Synkope in der ZNA G. Altrock1 1Klinikum Offenbach GmbH, Zentrale Notaufnahme, Offenbach, Deutschland „Die (kardiale) Synkope ist ein plötzlicher Herztod, der glücklicherweise spontan abgewendet wurde.“
4 |
Notfall + Rettungsmedizin Supplement 1 · 2011
Eine Vielfalt klinischer Ereignisse, die beinahe oder tatsächlich, beobachtet oder unbeobachtet, mit Vorläufersymptomen oder „aus heiterem Himmel“, mit oder ohne relevante Verletzungsfolgen zu plötzlichem (reversiblem) Verlust der Ansprechbarkeit und/oder zum Verlust des Haltetonus bzw. zum Sturz führt, wird dem Arzt in der Notaufnahme unter der Verdachtsdiagnose Synkope (wörtlich: „Zusammenschlagen“) präsentiert. Die Differenzialdiagnostik dieser Zustände findet mit hoher emotionaler Besetzung statt, allein schon in Folge des abgrundtiefen Erschreckens bei den Betroffenen und vor allem bei deren Angehörigen – es hätte ja der Tod oder sein Vorbote sein können. Hauptaufgabe des Managements des synkopierten Patienten in der Notaufnahme ist die Risikostratifizierung, die durch die intelligente Anwendung anamnestischer Clous, des EKG und des Stethoskops sowie weniger gezielter, individuell zugeordneter Laboruntersuchungen realisiert wird. Die wichtigste Begrenzung dieses Verfahrens ist der Aufwand an persönlicher Arztzeit am Patienten und mit den Angehörigen, einschließlich der Zweitevaluation durch die Oberarztsupervision. Die strategisch wichtigsten Fragen in allen Phasen der Synkopenabklärung sind: 1. Handelte es sich überhaupt um eine Synkope? 2. Liegt eine organische Herzerkrankung zugrunde? 3. Handelt es sich um eine klinische klare Synkopenursache, oder um eine unklare Synkope? 4. Muss der Patient stationär überwacht und ggf. zügig einer Spezialdiagnostik zugeführt werden? Insgesamt 80% aller in der Notaufnahme vorgestellten Synkopen-Patienten können durch eine gründliche Eigen- und Fremdanamnese sowie wenige technische Untersuchungen komplett ambulant abgeklärt werden. Je nach Prävalenz und abhängig von der Vorselektion der Patienten durch Zuweiser wird die Notaufnahme 10–20% ernste, kardiovaskulär verursachte Synkopen diagnostizieren, einige davon mit hohem Risiko des plötzlichen Herztodes. Infolge der Zunahme der Notfallkontakte betagter und hochbetagter Patienten mit ihren Problemen der kognitiven Einschränkung und des Fehlens jeglicher Fremdanamnese bei gleichzeitiger Multimorbidität und Polypharmazie wird die Aufnahmequote nach Synkope steigen. Bereits im Jahr 2005 wurden in England 50% der geriatrischen Patienten nach Stürzen und transienten Bewusstseinsstörungen stationär aufgenommen. Auf diese Weise kommt der klugen Anwendung klinisch-probabilistischer Prinzipien in der Notaufnahme wieder höhere Bedeutung zu, unbeschadet der fortbestehenden Aufgabe, den kardialen Hochrisikopatienten zielsicher zu identifizieren. Literatur 1. ACEP (2007) Clinical policy: critical issues in the evaluation and management of adult patients presenting to the emergency department with syncope. Ann Emerg Med 49:431–444. doi:10.1016/j.annemergmed.2007.02.001
EV007 Der akute Schlaganfall. Optimierte Versorgung vom Rettungsdienst bis zur Intervention im Krankenhaus. Erstversorgung, Transport und Übergabe M. Ebinger1 1Charité – Universitätsmedizin Berlin, Klinik und Hochschulambulanz für Neurologie, Berlin, Deutschland Der akute Schlaganfall ist eine der Hauptursachen für Tod und bleibende Behinderung in der industrialisierten Welt. Die Akuttherapie des ischämischen Schlaganfalls mit der aktuell besten Evidenz ist die systemische Thrombolyse. Die Effekte dieser Therapie sind zeitabhängig. Daher ist in der Notfallversorgung von Patienten mit Verdacht auf Schlaganfall Eile geboten. Bei der prähospitalen Erstversorgung lässt sich klinisch nicht sicher zwischen einem ischämischen oder einem hämorrhagischen Infarkt unterscheiden. Wichtig sind hier neben der Sicherung der Vitalpara-
meter die differenzialdiagnostische Überprüfung der Glukosewerte und Fragen nach einem epileptischen Geschehen. Die Klärung des Symptombeginns bzw. die Ermittlung des Zeitpunktes, zu dem der Patient zuletzt symptomfrei gesehen worden ist, hat bei Verdacht auf Schlaganfall Priorität. Soweit vorhanden werden medizinische Dokumente inkl. Medikamentenlisten mitgenommen. Im Fall von nicht auskunftsfähigen Patienten sollte man sich um einen (zumindest telefonischen) Ansprechpartner bemühen. Anschließend erfolgt der unverzügliche Transport in die nächst gelegene, geeignete Klinik, die sich in der Regel durch eine zertifizierte Stroke Unit auszeichnet. Bei der dringend erwünschten Vorankündigung sollte die Symptomatik kurz syndromal zusammengefasst und der Zeitpunkt des Symptombeginns erwähnt werden. Während der Übergabe beinhaltet die Anamnese eine kurze Beschreibung der Auffindesitutation (z. B. im Bett oder am Frühstückstisch?), sofern vorhanden Angaben zur Entwicklung der Symptomatik (plötzlich?), und eine Auflistung gerinnungshemmender Medikation (orale Antikoagulation?). Die Kontaktdaten des Ansprechpartners erleichtern dem übernehmenden Neurologen die Abarbeitung der Kontraindikationen, falls eine systemische Thrombolyse nach CCT in Erwägung gezogen wird.“Quo vadis?“: Auf der DGINA-Jahrestagung 2011 wird am Beispiel des PHANTOM S Projektes – Stroke Einsatz Mobil (STEMO) in Berlin – ein möglicher Weg zur Optimierung der prähospitalen Schlaganfallbehandlung vorgestellt.
EV008 Der akute Schlaganfall. Optimierte Versorgung vom Rettungsdienst bis zur Intervention im Krankenhaus. Maßnahmen in der interdisziplinären Notfallaufnahme *A. Dauber1, A. Mielke1, R. Siekmann1 1Klinikum Kassel, Klinik für Notfallmedizin und Zentrale Notaufnahme und Abt. für Neuroradiologie, Kassel, Deutschland Das Ziel der Schlaganfallversorgung in der interdisziplinären Notaufnahme ist die zeitnahe Therapieentscheidung. Bereits vor Aufnahme in der Klinik muss der Patient vom Rettungs-/Notarztdienst in der Zentralen Notaufnahme telefonisch oder durch Datenübermittlung angemeldet werden. Der Rettungsdienst übergibt den Patienten an den zuständigen Arzt mit der entsprechenden Dokumentation (z. B. LA Prehospital Stroke Screen). Die rasche Erstellung eines neurologischklinischen Befundes, der Laborwerte und ein CCT evtl. mit AngioCCT, in speziellen Fällen auch die kranielle Kernspintomographie weisen dann den weiteren therapeutischen Weg des Patienten. Nach der Diagnostik wird gemeinsam von ZNA-Ärzten, Neurologen und Neuroradiologen die Entscheidung über eine systemische Lyse und über evtl. mögliche interventionelle Maßnahmen, z. B. lokale Thrombektomien getroffen („bridging concept“). Intrazerebrale Blutungen werden sofort dem Neurochirurgen vorgestellt, um über operative Eingriffe zu entscheiden. Im gesamten Verlauf bis zur definitiven Versorgung und Therapie auf der Schlaganfalleinheit wird der Patient lückenlos überwacht. In einer Zentralen Notaufnahme müssen exakt abgestimmte Prozessabläufe für die Behandlung von Patienten mit Schlaganfällen existieren, die mit allen Beteiligten abgestimmt sind.
EV009 Der akute Schlaganfall. Optimierte Versorgung vom Rettungsdienst bis zur Intervention im Krankenhaus. Neuroradiologische Interventionsmöglichkeiten
erheblich zugenommen. Schwerpunkt ist neben der Therapie von Stenosen zervikaler und intrakranieller Arterien, der endovaskulären Therapie von Aneurysmen und anderen vaskulären Malformationen auch die interventionelle Thrombektomie zusätzlich zur intravenösen Therapie, die eine wichtige Rolle in der Behandlung des akuten ischämischen Schlaganfalls eingenommen hat. Diese Übersicht präsentiert den neuroradiologischen Workflow bei Diagnose und Therapie der akuten zerebralen Ischämie und berücksichtigt hierbei besonders die endovaskulären mechanischen Behandlungsmethoden, die zunehmend mehr als Routinetherapien etabliert werden.
EV010 Ischämischer Schlaganfall. Konzepte in der Akuttherapie P. Kermer1 1Universitätsmedizin Göttingen, Neurologische Klinik, Göttingen, Deutschland Der ischämische Schlaganfall ist das häufigste neurologische Krankheitsbild auf einer konservativen Notfallaufnahme. Die Prognose, die nach wie vor als nicht günstig anzusehen ist, hat sich in den letzten Jahren durch eine Optimierung der Versorgungsabläufe, die Einrichtung spezieller Stroke-Units aber auch neue therapeutische Möglichkeiten deutlich verbessert. Dabei spielt die intravenöse Lysetherapie, sowie die Kombination derselben mit einer lokalen Lysetherapie bzw. mechanischen Rekanalisation (sog. Bridging-Konzept) eine entscheidende Rolle. Es werden die aktuellen Daten zur intravenösen Lysetherapie mit rt-PA und anderen Thrombolytika/Neuroprotektiva sowie alternative Rekanalisierungsverfahren präsentiert. Das Göttinger Procedere zum Bridging-Konzept wird dargestellt.
EV012 Knowledge Management Tools. The Bayesian Net N. Flacke1 1Centre Hospitalier „Charles Haby“ Guebwiller, Service des Urgences, Guebwiller, Frankreich Knowledge Management ist seit mehreren Jahren für das Gesundheitswesen entdeckt worden und birgt großes Potenzial für den Patienten unseres Sektors in der Ausübung unserer Tätigkeit. Nehmen wir das Motto der International Federation for Emergency Medicine IFEM des kommenden Kongresses ICEM2012 in Dublin: Das Motto bringt die Schwierigkeit auf den Punkt, Forschungsergebnisse möglichst schnell an den Fuß des Bettes des Patienten zu bringen: „Bridging the Gap between Evidence and Practice“. Es ist ein Zeichen der Zeit: Das Leitmotiv der Europäischen Gesellschaft für Notfallmedizin EuSEM unter dem Mandat von Prof. Abdelouahab Bellou, das er gemeinsam mit Dr. med. Barbara Hogan und Dr. med. Roberta Petrino innehat, ist Knowledge Management. Knowledge Management wird in der Industrie angewandt und gehört zu einer Vorbedingung des Überlebens eines Unternehmens auf dem freien Markt. Man praktiziert es mit zwei Handwerkszeugen: 1. Kartographie, 2. Bayesian Net. Mit der Kartographie lassen sich Wissenslücken aufdecken, und mit dem Bayesian Net die Stärke der zukünftigen Rechner ausnutzen, um mit weniger Ressourcen mehr Wissen zu schaffen.
P. Schramm1 1Universitätsmedizin Göttingen, Abteilung Neuroradiologie, Göttingen, Deutschland Beim akuten Schlaganfall umfasst das Aufgabengebiet der Neuroradiologie nicht mehr die bildgebende Diagnostik alleine. In den letzten Jahren haben neuroradiologisch minimal-invasive Katheterverfahren Notfall + Rettungsmedizin Supplement 1 · 2011
| 5
Abstracts EV013 Simulation und Crew Resource Management. Methodik und Anwendungsmöglichkeiten in der ZNA M. Last1 1Asklepios Klinik Hamburg Altona, Zentrale Notaufnahme, Hamburg, Deutschland Die Zentrale Notaufnahme besitzt verschiedene Eigenschaften eines Hochrisikoarbeitsplatzes: Diagnostik und Therapie erfolgt mit begrenzten personellen und zeitlichen Ressourcen, eingebunden in eine Vielzahl von dynamischen Prozessen. Die Fehlerquote ist höher als in anderen Bereichen der Gesundheitsversorgung. Etwa 80% aller Fehler sind vermeidbar und in erster Linie auf unzureichende Kommunikation und Organisation des Arbeitsplatzes zurückzuführen. Daher wurde in den letzten Jahren das Konzept der Simulation in Verbindung mit Crew Resource Management (CRM) zur Fehlervermeidung in der Luftfahrt den Charakteristika verschiedener präklinischer und klinischer Bereiche angepasst. Es beinhaltet innovative Teamtrainings mit realistischen Simulator-Systemen und interaktive Nachbesprechungen. Der Vortrag gibt einen Einblick in die theoretischen Grundlagen des CRM, Anwendungsmöglichkeiten von Simulation verknüpft mit CRM und die Integration als Fort- und Weiterbildungsinstrument in der Zentralen Notaufnahme.
EV015 Polytrauma in Deutschland – Daten des DGU-Traumaregisters B. Bouillon1 1Kliniken der Stadt Köln – Krankenhaus Merheim, Klinik für Unfallchirurgie, Orthopädie und Sporttraumatologie, Köln, Deutschland Einleitung. Das Traumaregister der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie erfasst prospektiv und multizentrisch die Behandlung schwerverletzter Patienten in Deutschland. Ziel der Untersuchung war die Analyse und Darstellung von Daten, die für die klinische Versorgung von Bedeutung sind. Methode. Von 1993 bis 2009 wurden insgesamt 51.425 Patienten im Traumaregister erfasst. Es wurden ausgewählte Daten, die den Versorgungsprozess und das Behandlungsergebnis von der Präklinik bis zur Entlassung aus stationärer Therapie analysiert. Focus der Analyse war die Schockraumversorgung. Ergebnisse. Der durchschnittliche Traumapatient war 42 Jahre alt und in 72% männlich. In 60% waren Verkehrsunfälle Ursache der Verletzung. Penetrierende Verletzungen lagen in 5% vor. Der durchschnittliche Injury Severity Score (ISS) betrug 42. 45% der Patienten hatten ein schweres Schädel-Hirn Trauma (AIS ≥3). Die Zeit von Unfall bis Ankunft in der Klinik betrug 71 min. 61% der Patienten wurden bodengebunden transportiert. Die durchschnittliche Liegezeit auf Intensiv betrug 15 Tage, die Gesamtliegezeit in der Klinik 27 Tage. Die Mortalität betrug 14%, die Hälfte dieser Patienten verstarb innerhalb der ersten 24 h. Vergleicht man die nach Scores erwartete mit der beobachteten Mortalität für jede Klinik, so finden sich deutliche Unterschiede. Ein Drittel der Patienten war bei Ankunft im Schockraum vital instabil. Die durchschnittliche Zeit der Schockraumversorgung, einschließlich radiologischer Akutdiagnostik, betrug 84 min. Im Verlauf der Jahre zeigt sich eine kontinuierliche Reduktion der Diagnostikzeiten, die mit einer Reduktion der Mortalität einhergeht. Der Anteil der CT-Diagnostik im Rahmen der Schockraumversorgung stieg auf 90%, 70% aller Patienten erhielt 2009 eine Traumaspirale. Eine Analyse der Bedeutung der Traumaspirale korrelierte mit einer Reduktion der Mortalität. Diskussion. Das Traumaregister ist ein Instrument, das eine kontinuierliche Evaluation der Versorgung schwerverletzter Patienten an Hand definierter Parameter ermöglicht.
6 |
Notfall + Rettungsmedizin Supplement 1 · 2011
EV025 Pathogenese des akuten ischämischen Nierenversagens D. Patschan1 1Universitätsklinikum Göttingen, Abteilung Nephrologie und Rheumatologie, Göttingen, Deutschland Das akute Nierenversagen (ANV) ist zu einem wesentlichen Anteil verantwortlich für erhöhte stationäre Morbidität und Mortalität. Prinzipiell kann sich ein ANV als Folge eines gestörten Urinabflusses aus dem Nierenbeckenkelchsystem (postrenales ANV), als Komplikation einer renalen Minderdurchblutung bei Blutdruckanfall (prärenales ANV) sowie schließlich als Folge einer Vielzahl von primären Nierenerkrankungen entwickeln (intrarenales ANV). Das intrarenale ANV resultiert potenziell aus einer Schädigung von einem oder mehreren der vier essenziellen Funktionseinheiten des Organs. Zu diesen gehören die Glomeruli, das tubuläre Epithel, die arteriellen, venösen und kapillären Blutgefäße der Niere sowie das tubulointerstitielle Bindegewebe. Die häufigste Ursache des intrarenalen ANV ist eine (meist nur passagere) Minderdurchblutung des Organs. Die Pathogenese dieser, als akutes ischämisches Nierenversagen (iANV) bezeichneten Komplikation wird zunehmend genauer verstanden. Über viele Jahre wurde angenommen, dass der funktionellen und strukturellen Schädigung der Tubulusepithels beim iANV die entscheidende Bedeutung in der Krankheitsentstehung zukommt. Wiewohl diese Annahme durchaus gerechtfertigt ist, zeigen Untersuchungen der letzten 10 bis 15 Jahre, dass insbesondere der Erholungsprozess der Nieren maßgeblich vom Ausmaß einer sich gleichzeitig entwickelnden interstitiellen Entzündungsreaktion sowie vom Ausmaß einer ebenfalls manifesten Mikrovaskulopathie im Organ abhängt. Eine renale Ischämie ist mit der Aktivierung nahezu sämtlicher immunkompetenter Zellen und des Komplementsystems verbunden. Neuere Daten lassen vermuten, dass spezifische immunmodulierende Therapiemaßnahmen den Verlauf des iANV merklich beeinflussen könnten. Zudem entwickeln sich nach einer Ischämie funktionelle und strukturelle Veränderungen/ Schäden an den kleinen peritubulären und glomerulären Blutgefäßen. Morphologisch imponieren dabei in ausgeprägteren Fällen manifeste Schwellungen der arteriolären/kapillären Endothelzellen, welche eine Hemmung der Nierenwiederdurchblutung auch nach Ende der Ischämie bedingen („no-reflow phenomenon“). Dadurch erholt sich die Nierenfunktion verzögert. Dieser pathologische Prozess ist im Tiermodell durch eine systemische Gabe so genannter endothelialer Vorläuferzellen (EPCs) antagonisierbar. Möglicherweise steht mit diesen Zellen zukünftig ein neuer Therapieansatz in der Behandlung des iANV zur Verfügung.
EV026 Notfalldiagnostik des akuten Nierenversagens K.M. Schmidt-Ott1, 2 1Experimental and Clinical Research Center, Charité Universitätsmedizin Berlin, Max-Delbrueck Center for Molecular Medicine, Berlin, Deutschland, 2Department of Nephrology, Charité – Universitätsmedizin Berlin, Campus Mitte, Berlin, Deutschland Das Vorhandensein eines akuten Nierenversagens bestimmt wesentlich die klinische Prognose kritisch Kranker. Die Diagnose betrifft ca. 35% aller Intensivpatienten und 4–7% aller Krankenhauspatienten. Derzeit erfolgt die klinische Diagnose eines akuten Nierenversagens nach Kreatinin- und Urin-Output-Kriterien. Die Acute Dialysis Quality Initiative (ADQI) definierte die Risk, Injury Failure, Loss, End-Stage Renal Disease (RIFLE)-Kriterien des akuten Nierenversagens, die in Form der Acute-Kidney-Injury-Network(AKIN)-Kriterien geringfügig modifiziert wurden. Bei beiden Klassifikationen erfolgt primär eine Einteilung in drei Schweregrade. In mehreren Studien konnte gezeigt werden, dass der Schweregrad nach AKIN oder RIFLE in direktem Verhältnis zum Risiko eines ungünstigen klinischen Verlaufs
steht. Eine effektive klinische Behandlung des akuten Nierenversagens setzt eine frühzeitige ätiologische Einordnung voraus. Pathophysiologisch werden intrinsisch-renale von prärenalen und postrenalen Ursachen unterschieden. Die Basis der ätiologischen Einordnung liegt in der anamnestischen und klinischen Beurteilung, die durch die Nierensonographie, die Urinsedimentanalyse und die Bestimmung von Proteinurie sowie von Urinindizes zur Abschätzung der quantitativen Tubulusfunktion unterstützt wird. Ein neuartiges diagnostisches Konzept stellen Biomarker wie Neutrophilen-Gelatinase-assoziiertes Lipokalin (NGAL), Kidney Injury Molecule 1 (KIM-1) oder Interleukin 18 dar, welche eine renale tubuläre Schädigung (im Gegensatz zu einer tubulären Fehlfunktion) anzeigen. Im Vortrag werden Ansätze zum rationalen diagnostischen Vorgehen bei Risikopatienten bzw. bei etablierten akutem Nierenversagen vorgestellt. Insbesondere wird auf die potentielle Rolle von Biomarkern bei der prospektiven Diagnosestellung eingegangen und deren Potential für die klinische Praxis und für die Konzeption interventioneller Studien diskutiert.
EV030 Triage-Systeme in der Notaufnahme T. Schilling1 1Klinikum Stuttgart, Katharinenhospital, Interdisziplinäre Notaufnahme (INA), Stuttgart, Deutschland Bei einer Triage in der Notaufnahme geht es darum, eine Behandlungspriorisierung vorzunehmen. Anders ausgedrückt: der Patient, der gefährdet ist, soll damit gezielt identifiziert und einer schnellen Behandlung zugeführt werden. In der Regel haben Patienten in einer Notaufnahme zuerst mit Pflegepersonal Kontakt. In vielen Ländern werden deshalb seit Jahrzehnten erfolgreich standardisierte TriageSysteme vom Pflegepersonal eingesetzt. Man unterscheidet 3- und 5-stufige Triage-Systeme. Die 5-stufigen Systeme sind überlegen und sind valide und verlässliche Methoden, um die Krankheitsschwere von Notfallpatienten durch Pflegende einzuschätzen [1]. Auch in Deutschland werden derzeit in mehr und mehr Notaufnahmen Triage-System eingesetzt. Im Folgenden wird auf zwei verbreitete 5-stufige Triage-Systeme, das Manchester Triage System (MTS) und das aus den USA stammende Emergency Severity Index-System (ESI) vergleichend eingegangen. MTS und ESI liegen in einer deutschsprachigen Version vor, bisher fand nur eine Validierung der deutschsprachigen Version des ESI statt, die eine hohe Qualität des Systems gezeigt hat [2]. Aus Sicht des Autors ergeben sich folgende Vor- und Nachteile (Tab. 1). Tab. 1 Vor- und Nachteile des MTS und ESI MTS ESI Genaue Symptomzuordnung zu Lässt mehr Intuition bei den Symptovielen Symptom-Schaubildern men und der Triage-Zuordnung zu Bindet viel Zeit Schnell Aufwendig in Schulung Zwischen Grad 2 und 3 objektiver, Puls und Atmung werden berücksichtigt Bildet nicht den Diagnostikbedarf Bildet notwendig Diagnostik mit ab ab Mit Kosten verbunden Kostenfrei beziehbar
Zusammenfassend ist das MTS ein eher „verschultes“, logbuchähnliches Triagesystem, welches einerseits „unerfahrenem“ Pflegepersonal mehr Sicherheit bietet, andererseits aber auch zeitaufwendig und Ressourcenfreundlich ist. Demgegenüber ist das ESI-System schneller, intuitiver und ohne großen Schulungsbedarf von „erfahrenem“ Pflegepersonal anwendbar. Literatur 1. Christ et al. (2010) Modern Triage in the Emergency Department. Dtsch Ärztebl Int 107(50):892–8
2. Grossmann et al (2011) Transporting Clinical Tools to New Settings: Cultural Adaptation and Validation of the Emergency Severity Index in German. Ann Emerg Med 57(3):257–64
EV031 Prozessoptimierung in der Notaufnahme durch Nutzung von Prinzipien des „Industrial Lean Management“ B. Hogan1 1Asklepios Klinik Hamburg-Altona, Zentrale Notaufnahme, Hamburg, Deutschland Autofabriken gehören zu den effizientesten Organisationen der Weltwirtschaft. Diese Organisationsformen können auch in Zentralen Notaufnahmen (ZNA) zur Umsetzung kommen. Lean-Management-Organisationsformen, wie das First View-Konzept, bringen erhebliches Steigerungspotenzial in der Effizienz der Versorgung der Notfallpatienten in den ZNAs. Die ZNA fungiert als Referenzmodell für die kunden- und patientenorientierte Klinikorganisation, wenn Lean-Management-Konzepte, wie First View konsequent in der ZNA eingeführt wurden und täglich gelebt werden. Das First-View-Konzept beinhaltet den Einsatz der höchsten ärztlichen Kompetenz (Facharzt) direkt am Beginn der Patienten-Behandlungskette, mit Verantwortlichkeit für den zeitnahen Patientenkontakt, mit Start des Behandlungsprozesses unter ressourcenorientiertem Einsatz von Diagnostik und Therapie, unter Aufrechterhaltung des kontinuierlichen Gesamtflows. Professionelle Notaufnahmen beherrschen das „Medizin-/Ökonomie“-Paradoxon: Steigerung von Behandlungsqualität und Patientenzufriedenheit bei gleichzeitiger Reduktion des Ressourcenverbrauchs bzw. bei gleich bleibenden Kapazitäten Erbringung einer wesentlich höheren Versorgungsleistung.
EV033 POCT in der Zentralen Notfallaufnahme – Ökonomisch relevante Prozessvorteile und planbare Diagnoseprozesse. Prozessgestaltung durch Six Sigma W. von Eiff1 1Westfälische Wilhelms Universität Münster, Zentrum für Krankenhausmanagement, Münster, Deutschland Point-of-Care-Technologien (POCT) spielen in den extrem zeitkritischen medizinischen Entscheidungsstrukturen der ZNA eine wichtige qualitätsfördernde, risikoreduzierende und kostenbeeinflussende Rolle. Die NAPOC-Studie (Notfall-Aufnahme und Point-of-Care-Technologien), aktuell durchgeführt vom Centrum für Krankenhaus-Management der Uni Münster, geht der Frage nach, inwieweit durch zeitnahe und planbare Verfügbarkeit ausgewählter Laborparameter (D-Dimere; TSH; NT pro BNP; Toponin I) Personal, Medizingeräte, Funktionsdiagnostik, Intensivstation, etc. entlastet werden, so dass Kosten im Patientenversorgungsprozess sinken. Mit Hilfe des Six-Sigma-Ansatzes wurde festgestellt, dass die labordiagnostische Turn-Around-Time für medizinische Qualität, PatientenOutcome und Gesamtkosten der Versorgung eines Notfallpatienten ein signifikanter Leistungsindikator ist; damit ist der Prozessabschnitt der Labordiagnostik ein signifikanter Treiberfaktor im Gesamtprozess der Notfallversorgung (Vital Few/Critical to Quality). Bei der Versorgung von Patienten mit akutem Koronarsyndrom (NonSTEMI) ist das Vorliegen der Troponin-I-Werte nach 18–20 min von erheblicher klinischer und ökonomischer Relevanz (festgestellt durch SIPOC und Fehler-Möglichkeiten- und Einfluss-Analyse). Einerseits geht das Risiko unerkannter Herzinfarkte (EVA-Syndrom) durch Verwendung hochsensitiver Troponine zurück, andererseits reduziert sich die Gesamtverweilzeit in der Notaufnahme pro AKS-
Notfall + Rettungsmedizin Supplement 1 · 2011
| 7
Abstracts Patient von 05/05:30 h (Zentrallabor) auf 04:20/04:30 h (POCT-Diagnostik). Die Konsequenzen dieser Point-of-Care-Lösung: – deutlich kürzere Verweildauer von AKS-Patienten (40–60 min), – Vermeidung der Blockierung von UIB-Plätzen, – Vermeidung von vorzeitigen Verlegungen wegen Kapazitätsmangel in der ZNA auf die „falsche“ Station (z. B. Intensivstation mit Tageskosten von 1000,- bis 1200,- €), – Vermeidung von „Crowding-Effekten“. Die NAPOC-Studie zeigt auch, dass POCT-Technologien in der ZNA einen aus Sicht der ZNA-Ärzte beherrschten und planbaren Diagnoseprozess ermöglichen: die Varianzen in der Turn-Around-Time (Blutentnahme bis Vorliegen des Befundes) betragen zwischen 40 und 160 min bei Zentrallaborlösung und zwischen 13 und 34 min bei POCT gestützten Organisation (Techniksetting: Radiometer AQT90 Flex). Hochsensitive POCT-Diagnostik unterstützt auch dort, wo mit anderen (vorgeschalteten) Diagnosemethoden nicht alle behandlungsbedürftigen Patienten identifiziert werden: die Herzinfarktrate, die im 12-Kanal-EKG nicht erkannt wird, beträgt zwischen 10–20%. Fazit. Schnell verfügbare Werte kritischer Laborparameter steigern die diagnostische Qualität sowie die Wirksamkeit des gesamten Patientenmanagements in der ZNA.
EV035 Orthotesen-Therapie. Therapie und Grenzen A. Schleikis1 1Universitätsmedizin Göttingen, Klinik für Unfallchirurgie/Orthopädie, Göttingen, Deutschland Einleitung. Stützverbände gehören auch 2011 zum Tätigkeitsspektrum von Unfallchirurgie und Orthopädie. Kunststoffmaterialien haben in den letzten Jahren den Mineralgips für viele Indikationen verdrängt. Moderne Werkstoffe ermöglichen neue Stabilisationskonzepte. Material und Methoden. Häufige Indikationen für Mineralgips, semirigide Stabilisation (Combicast) und Polyesterlonguettentechnik sind u.a. Inhalte des Vortrags. Die primäre Definitivversorgung (Erstversorgung mit ausgesuchtem Kunststoffmaterial) und individuelle Orthesentechnik sind im Weiteren wesentlicher Bestandteil. Stabilisationskriterien wie Biomechanik, das Dreipunkteprinzip, Polsterungstechniken und die Bracetheorie werden beschrieben. Neben den oberen und unteren Extremitäten werden auch Stützverbände für das Achsenskelett gezeigt. Ergebnisse. Der Inhalt des Vortrags basiert auf einer langjährigen Erfahrung in der Unfallchirurgie der Universitätsmedizin Göttingen. Die gesamte Abhandlung finden Sie im Buch von A. Schleikis, Gips und synthetischer Stützverband – Herkömmliche Fixation und funktionelle Stabilisation (2007). Diskussion/Schlussfolgerung. Es gibt für jede Indikation unterschiedliche Vorgehensweisen; hierzu gehört auch der Einsatz verschiedener Werkstoffe. In Anlehnung an die Fähigkeiten, welche man den Materialien zuordnen kann, sieht ein modernes Stützverbandkonzept wie folgt aus. Moderne Stabilisationstechnik 2011 sollte ein Konsens sein aus: – herkömmlicher Fixation (Weißgips), – funktioneller Stabilisation und Orthesentechnik (Combicast), – Longuettentechnik (neue Generation).
A062 High-sensitive Troponin T in der Notaufnahme zur Diagnostik eines NSTEMI *S. Allgäuer1, C. Wasser1, M.D. Alscher1 1Robert-Bosch-Krankenhaus, Interdisziplinäres Notaufnahmezentrum Abteilung für Innere Medizin und Nephrologie, Stuttgart Die Bestimmung des kardialen Troponin T ist zu einem festen Bestandteil in der Diagnostik des akuten Koronarsyndroms geworden. Mit der Einführung von hochsensitiven Troponinassays (hsTNT) kön-
8 |
Notfall + Rettungsmedizin Supplement 1 · 2011
nen niedrigere Troponinkonzentrationen als in den bisherigen Tests gemessen werden. Im Herbst 2010 wurde in unserer Klinik das hsTNT eingeführt. Dabei ergab sich zu Beginn eine große Unsicherheit bezüglich des Managements von Patienten mit leicht erhöhten hsTNT-Werten, v. a. wenn darüber hinaus keine eindeutigen weiteren Kriterien für das Vorliegen eines akuten Koronarsyndroms erfüllt waren. Ziel der vorliegenden Untersuchung war es daher, den klinischen Verlauf von Patienten mit leicht erhöhtem hsTNT nachzuvollziehen. Methodik. Im Zeitraum vom 01. bis 31.10.2010 wurden retrospektiv alle in der Notaufnahme bzw. der angeschlossenen Notaufnahmestation/CCU bestimmten hsTNT-Werte analysiert. Die Werte wurden in 3 Gruppen eingeteilt: negativ (<14 pg/ml); leicht erhöht (14–50 pg/ml); erhöht (>50 pg/ml). Anschließend erfolgte eine Analyse der Akten der Patienten, bei denen das hsTNT leicht erhöht war. Ergebnisse. Es wurde bei insgesamt 468 Patienten ein hsTNT bestimmt. Bei 338 Patienten war das hsTNT <14 pg/ml. In 29 Fällen war bei Aufnahme ein hsTNT von >50 pg/ml zu messen. Bei den übrigen 101 Patienten lag das hsTNT im Verlauf in einem Bereich zwischen 14 und 50 pg/ml. Das durchschnittliche Alter dieser Gruppe betrug 75 Jahre (29–95). Männliche Patienten waren mit einem Anteil von 59% etwas überpräsentiert. Neun Patienten konnten nach vorübergehender Behandlung in der Notaufnahme wieder entlassen werden, 92 Patienten wurden stationär aufgenommen. Vier Patienten verstarben. Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer betrug 10,5 Tage (1–78). Bei insgesamt 11 Patienten mit initial leicht erhöhtem hsTNT wurde im weiteren Verlauf die Diagnose „akuter Myokardinfarkt“ gestellt. Bei 10 dieser Patienten war das Leitsymptom „Thoraxschmerz“ (91%). Dagegen zeigten sich in der Gruppe der „Nicht-Infarkt“–Patienten eine Vielzahl anderer Leitsymptome: Dyspnoe (36,1%); Thoraxschmerz (16,7%); Schwindel (8,3%). Der mediane hsTNT-Wert war zum Aufnahmezeitpunkt bei NSTEMI-Patienten niedriger als bei allen anderen Patienten (15,5 vs. 21,0 pg/ml; p<0,05). Bei Verlaufsmessungen kam es innerhalb der ersten 24 h jedoch zu einem signifikanten Anstieg der Werte bei NSTEMI-Patienten (p<0,05) während die hsTNT-Werte der anderen Patienten konstant blieben. Schlussfolgerung. Eine Vielzahl von Erkrankungen können zu leicht erhöhten hsTNT-Werten führen. Daher eignet sich das hsTNT nicht als Screeningparameter für die Diagnose „akuter Myokardinfarkt“ in der Notaufnahme. Er sollte nur in Kombination mit der typischen Klinik angewendet werden. Als Konsequenz aus den vorliegenden Daten wurde in unserer Notaufnahme die „routinemäßige“ Bestimmung eines hsTNT nach pflegerischer Triage (Manchester Triage System) ausschließlich bei Patienten mit dem Symptom „Thoraxschmerz“ eingeführt.
EV044 Vital bedrohliche tachykarde Arrhythmien H.-J. Trappe1 1Marienhospital Herne, Medizinische Klinik II, Kardiologie und Angiologie, Herne, Deutschland Lebensbedrohliche bradykarde (BR; Herzfrequenz <50/min) und tachykarde (TR; Herzfrequenz >100/min) Rhythmusstörungen erfordern innerhalb und außerhalb der Klinik rasche und gezielte therapeutische Maßnahmen. Supraventrikuläre Tachykardien (SVT) sind paroxysmale Tachykardie wie Sinustachykardien, atriale Tachykardien, AV-KnotenReentry-Tachykardien und Tachykardien, die durch akzessorische Leitungsbahnen bedingt sind. Sie führen in der Regel zu Tachykardien mit schmalen QRS-Komplexen (QRS-Breite <0,12 s). Von entscheidender Bedeutung ist die sorgfältige Erfassung der Arrhythmieanamnese, eine ordentliche klinische Untersuchung und eine exakte Analyse des 12-Kanal-Oberflächen-EKGs, das in >90% die richtige Diagnose der vorliegenden SVT ermöglicht. Ventrikuläre Tachykardien (KT) haben in der Regel einen breiten QRS-Komplex (QRS-Breite >0,12 s), Kammerflattern (KFlat) und Kammerflimmern (KF) zeigen eine chaotische elektrische Erregung. Für die Akuttherapie wird das Konzept der „5A“ vorgestellt, das die Medikamente Adenosin, Adrenalin, Ajmalin, Amiodaron und
Atropin zur Therapie von BR, TR und bei Asystolie umfasst. Ergänzende „B, C und D-Strategien“ sind Betablocker, Kardioversion und Defibrillation. Das Konzept der „5A“ erlaubt eine sichere und effektive Therapie von BR, TR, SVT, VT, Klat, KF und Asystolie und mit der „B, C und DStrategie“ zusammen lassen sich alle lebensbedrohlichen Rhythmusstörungen innerhalb und außerhalb von Kliniken, die durch Arrhythmien bedingt sind, adäquat behandeln.
EV045 Notfälle bei Patienten mit Schrittmacher oder ICD D. Vollmann1 1Universitätsmedizin Göttingen, Abteilung Kardiologie und Pneumologie, Schwerpunkt Klinische Elektrophysiologie, Göttingen, Deutschland Patienten mit implantiertem Herzschrittmacher (SM) oder Defibrillator (ICD) können in Situation geraten, die aufgrund der Symptomatik und/oder der vitalen Bedrohung spezifische Kenntnisse und rasches ärztliches Handeln erfordern. Mögliche klinische Szenarien sind Bradykardie trotz SM/ICD, Tachykardie wegen Kammerstimulation durch SM/ICD, anhaltende ventrikuläre Tachyarrhythmie (VT/ VF) trotz ICD, adäquate ICD-Schockabgaben bei VT/VF, inadäquate ICD-Schockabgaben ohne VT/VF, und das Auftreten eines asymptomatischen Warnsignals. Die primäre Diagnostik basiert jeweils auf einer sorgfältigen Analyse des Oberflächen-EKGs. Die weitere Differenzierung u. Spezifizierung des zugrundeliegenden Problems (z. B. Programmierfehler, struktureller Sondendefekt, Batterieerschöpfung, tachykarde Rhythmusstörungen) erfordert in der Regel die Abfrage des implantierten SM/ICD. Eine Notfalltherapie ist ggf. jedoch bereits im Vorfeld indiziert. Akut bedrohliche Brady- oder Tachykardien werden gemäß den allgemeinen Notfall-Algorithmen behandelt. Magnetauflage führt beim SM in der Regel zur asynchronen Stimulation. Bradykardien, die durch Störsignale („oversensing“) und eine resultierende Inhibition des SM entstehen, können so mitunter behandelt werden. Beim ICD führt die Magnetauflage nicht zur asynchronen Stimulation sondern in der Regel zur Inhibition der antitachykarden Therapie. Inadäquate ICD-Schockabgaben, z. B. wegen Sondendefekt oder tachykardem Vorhofflimmern, können so akut unterdrückt werden. Während der Magnetauflage ist die durchgehende Überwachung der Herzrhythmus obligat. Nach der Abfrage des SM/ICD und Sicherung der Diagnose erfolgt die definitive Therapie (z. B. Umprogrammierung, operative Sondenrevision, Aggregatwechsel). Alarmsignale, z. B. akustische, können bei ICD-Patienten durch verschiedene Ereignisse getriggert werden (z. B. beginnende Batterieerschöpfung, Sondendefekt, thorakale Flüssigkeitsansammlung). Kann die Ursache des Alarms nicht direkt durch eine ICD-Abfrage geklärt werden, sollte mit dem betreuenden Zentrum Rücksprache gehalten werden.
EV049 Neuroradiologische Diagnostik und Therapie A. Mohr1 1Universitätsmedizin Göttingen, Abteilung Neuroradiologie, Göttingen, Deutschland Spontane intrazerebrale Blutungen (ICB) und Subarachnoidalblutungen gehören mit einer Mortalität von 40–50% (i. d. ersten 30 Tagen) zu den dramatischsten neuroradiologischen Notfällen. Eine aussagekräftige und effiziente Diagnostik ist für die weitere Versorgung dieser Patienten und zur Prognoseabschätzung unerlässlich. In dem Vortrag werden die häufigsten Ursachen spontaner ICB und SAB (Hypertension, Aneurysmen, arteriovenöse Malformationen und Durafisteln, sekundär hämorrhagisierte Infarkte) und seltenere Ursachen (venöse Thrombosen, Tumorblutungen, metabolische Störungen) anhand neuroradiologischer Bildgebung demonstriert und ggf. die aktuell möglichen, neuroradiologisch interventionellen Therapieansätze vorgestellt.
EV050 Management von intrazerebralen und subarachnoidalen Blutungen V. Rohde1, K. von Eckardstein1 1Universitätsmedizin Göttingen, Neurochirurgische Klinik, Göttingen, Deutschland Einleitung. Aneurysmatische Subarachnoidalblutungen (SAB) sowie intrazerebrale Blutungen (ICB) stellen einen akuten Notfall dar, bei dem der Krankheitsausgang unter anderem eng mit dem korrekten Management in den ersten Tagen korreliert ist. Dargestellt werden sollen die Managementstandards (Diagnostik, Therapie) bei SAB und ICB. Diagnostik. Bei Verdacht auf SAB und ICB ist heute immer noch das CT das Diagnostikum der ersten Wahl. Hat sich in dem CT eine SAB bestätigt, muss eine Gefäßdarstellung erfolgen. Goldstandard ist hier (noch) die digitale Subtraktionsangiographie (DSA) zum Nachweis eines Aneurysmas. Bei einer ICB an Loco typico (insbesondere Stammganglien) plus positiver Hypertonus-Anamnese ist hingegen die DSA verzichtbar. Therapie. Bei SAB und Aneurysmanachweis ist ein Verschluss des Aneurysmas innerhalb der ersten drei Tage Standard. Der Aneurysmaverschluss kann entweder interventionell (Coilembolisation) oder operativ (Clipausschaltung) erfolgen. Die Wahl des Verfahrens wird grundlegend bestimmt von der Angioarchitektur, und bedarf einer engen Absprache zwischen Neurochirurg und Neuroradiologe. Hydrozephalus und zerebrale Vasospasmen können nach Aneurysmaverschluss auftreten und bedürfen ebenfalls einer spezifischen Therapie. Hinsichtlich der ICB konnten in den bis dato durchgeführten prospektiven Studien kein Vorteil der Operation gegenüber einem konservativen Vorgehen nachgewiesen werden. Eine minimal-invasive, aber noch experimentelle Alternative zur mikrochirurgischen Operation ist die intrahämatomale Katheterplatzierung und nachfolgende rtPA-Lyse. Zusammenfassung. Das optimale Ergebnis für den Patienten mit SAB und ICB lässt sich nur durch die zielgerichtete und korrekte Abfolge der diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen erzielen und setzt daher ein dafür spezialisiertes neurovaskuläres Zentrum voraus.
EV051 Prognose von SAB und ICB H. Schmidt1 1Universitätsmedizin Göttingen, Abteilung Neurologie, Göttingen, Deutschland Die Prognosestellung für Patienten mit nicht-traumatischer intrazerebraler Blutung war vom Jahr 2000 an gerechnet Gegenstand von über 4000 Originalarbeiten (PubMed). Prädiktive Faktoren für das Behandlungsergebnis nach subarachnoidalen Blutungen wurden in 123 Originalarbeiten untersucht. Für den Vortrag werden die PubMed-gelisteten, in den großen europäischen Verkehrssprachen abgefassten Studien aus diesem Zeitraum gesichtet. Die wichtigsten Ergebnisse werden getrennt nach klinisch-neurologischen, neuropsychologisch-kognitiven, laborchemischen und bildgebenden Outcome-Parametern zusammengetragen und präsentiert.
EV054 Aufbau eines QM-Systems in der ZNA A. Lichtner1 1Asklepios Klinik Hamburg-Altona, Zentrale Notaufnahme, Hamburg, Deutschland Vorteile. Langfristiger Erfolg eines QM-Systems entsteht nicht durch Zufall, sondern u. a. durch die Einhaltung des PDCA-Zyklus. Im ersten Schritt steht damit eines QM-Zielplanung. Führen und Steuern Notfall + Rettungsmedizin Supplement 1 · 2011
| 9
Abstracts des gesamten QM-Prozesses findet auf der Grundlage eines effektiven und effizienten Managementsystems statt, welches auch einer externen Überprüfung standhält, z. B. nach DGINA-Zert. Fehler werden entdeckt, systematisch und langfristig behoben. Die berufsübergreifende Kommunikation wird verbessert und die Transparenz erhöht. Qualitätsmanagement steht immer im Kontext zur Wirtschaftlichkeit und sollte stets mit einer Kosten-Nutzen-Analyse bewertet werden. Basistools. Der Japaner Ishikawa hat ursprünglich zur Anwendung in Qualitätszirkeln Werkzeuge entwickelt. Die vorgestellten Tools sind mögliche Beispiele: für den Alltag, die von jedermann zu nutzen sind. Sie stellen meist visuelle Hilfsmittel dar, um Probleme zu erkennen, zu verstehen und zu lösen. Auch eine einfache Darstellung mittels Pinnwand, Stifte, Karten ist eine erste Sortierung und Visualisierung des Problems-Fehlers, mit dem Motto: „Wovon reden wir hier eigentlich und wie soll es zukünftig bestenfalls laufen?“. – Fehlersammellisten, Histogramme und Qualitätsregelkarten bieten die Möglichkeit, Informationen über Fehlerarten, -orte und -häufigkeiten zu erlangen und grafisch darzustellen; – Paretodiagramm – hier wird die Bedeutung der einzelnen Fehler ermittelt. Das Paretodiagramm basiert auf der empirisch festgestellten Tatsache, dass die meisten Auswirkungen eines Problems (80%) häufig nur auf eine kleine Anzahl von Ursachen (20%) zurückzuführen sind; – Brainstorming – Teamsitzungen, in denen systematisch Fehler gesammelt und neue Ideen entwickelt werden, wie z. B. auch Qualitätszirkel, Momokonferenzen, Fallbesprechungen; – Ursache-Wirkungs-Diagramm – das Ursache-Wirkungs-Diagramm, nach seiner Form auch Fischgräten- oder nach seinem Erfinder Ishikawa-Diagramm genannt, systematisiert bei der Zerlegung eines Problems in seine Ursachen. Jedes Werkzeug kann alleine für sich angewendet werden. Einen zusätzlichen Nutzen bietet jedoch der Einsatz mehrerer Werkzeuge, da die Qualitätswerkzeuge aufeinander aufbauen. So können z. B. die Fehler aus einer Fehlersammelliste später in einem Paretodiagramm bildlich dargestellt werden. Die Qualitätswerkzeuge können dabei sowohl von Einzelpersonen als auch in Teams benutzt werden. Die Anwendung im Team bietet die Möglichkeit, Wissen aus verschiedenen Fachgebieten mit in die Problemlösung einfließen zu lassen. Messverfahren. Miss es oder vergiss es. So lautet der Wahlspruch im Qualitätsmanagement. Keine langfristig erfolgreiche Qualitätsverbesserung ist ohne ein stabiles Kennzahlen und Messsystem erfolgreich. Messungen von routinemäßig erhobenen Daten dienen in erster Linie einer ressourcenschonenden Erfassung von Kennzahlen. Im ersten Schritt werden Ziele und entsprechende Kennzahlen festgelegt. Es folgt die Definition eines Referenzbereiches und die Festlegung der Messsystematik. Kennzahlen und deren Messverfahren bilden die Grundlage für eine sachorientierte und Diskussion und Verbesserung.
EV055 Crew Resource Management M. Last1 1Asklepios Klinik Hamburg Altona, Zentrale Notaufnahme, Hamburg, Deutschland Das Schadenspotenzial von Zwischenfällen, die durch menschliche Faktoren (Human Factors) bedingt sind, ist in Hochrisikobereichen wie der Luftfahrt, Kernkraft oder auch der Akutmedizin besonders hoch. Nachdem effektive Team-Trainingsprogramme, die zu einer Reduktion von Human-Factor-bedingten Zwischenfällen führen, zunächst für die Luftfahrt entwickelt wurden und dort mittlerweile fest etabliert sind, sind die Konzepte des Crew Resource Managements (CRM) in den letzten Jahren für die Akutmedizin weiterentwickelt worden. Es wurden Prinzipien des CRM in Form von Leitsätzen entworfen, die sich für das Training an realitätsnahen Patientensimulatoren etabliert und bei deren Umsetzung die Mehrzahl von Zwischenfällen und Fehlern, deren Ursachen im Bereich des Human Factor liegen, vermieden werden können.
10 |
Notfall + Rettungsmedizin Supplement 1 · 2011
Regelmäßiges CRM-Training im Team verbessert das Outcome von Patienten wesentlich. Dennoch ist der Stellenwert dieser Programme in der Aus- und Weiterbildung von medizinischem Personal nach wie vor sehr gering. In Deutschland findet CRM-Training mit dem Erlernen von Entscheidungsfindung, effektiver Kommunikation und optimiertem Teamwork in komplexen Situationen und Unsicherheit nur an wenigen Zentren statt. Sinnvoll und wünschenswert wäre eine Etablierung und regelmäßige Wiederholung entsprechender CRM-orientierter Simulationstrainings u. a. für die Teams von zentralen interdisziplinären Notaufnahmen.
EV056 Measuring quality in the Emergency Department P.D. Anderson1 1Harvard Medical School, Beth Israel Deaconess Medical Center, Department of Emergency Medicine, Boston, MA, USA Defining and measuring the quality of care delivered by the Emergency Department (ED) is essential for both demonstrating to external stakeholders the value of the service provided, but also for identifying areas in which emergency care delivery can be improved. Modern healthcare delivery systems are exceedingly complex; therefore it is a challenge to translate commonly accepted, conceptual definitions of quality into functional tools for measuring quality that produce a meaningful, as well as useful picture of the care that is delivered. Donabedian‘s framework of structure, process and outcome is one potentially useful approach for assessing quality of care. Specific quality indicators need to be relevant, evidence-based, and measurable. Indicators should be selected to address a representative array of conditions seen in the ED, as well as the multiple process elements involved in ED emergency care delivery. There is growing experience with development of quality indicators specific to the ED in many countries around the world. These can in many cases be adapted for use in other countries. Healthcare decision makers and policy makers need to also consider the impact of quality measurement as a driver of behavior and system change and the unintended consequences that this can sometimes result in.
EV058 Novellierung des Rettungsassistentengesetzes – Perspektiven G. Kaiser1 1Berufsfeuerwehr Göttingen, Rettungsdienstschule, Göttingen, Deutschland Die Geschichte der Ausbildung von präklinisch tätigem Sanitätspersonal beginnt auf den Schlachtfeldern Napoleons III. und endet in Deutschland bislang mit der Verabschiedung des Rettungsassistentengesetzes im Jahre 1989. Die Einrichtung eines Berufsbildes scheiterte bereits 1974 an den komplexen politischen Bedingungen des pluralistisch ausgestalteten Sanitätswesens, so dass die erste staatlich regulierte Ausbildung zum „Rettungssanitäter“ – eingeführt von den Bundesländern nach 1977 – auf ein Mindestmaß beschränkt blieb (sog. 520-Stunden-Programm). Als 1989 unter Beibehaltung der Rettungssanitäterausbildung in den Ländern eine bundesgesetzlich geregelte Berufsausbildung zum „Rettungsassistenten“ geschaffen wurde, blieb der Ausbildungsumfang (2 Jahre) erneut hinter den Zielen von 1974 zurück und eine Anerkennung zuvor erworbener Qualifikationen ohne zusätzliche Schulung möglich. Nachdem über die Notwendigkeit einer Novellierung des Rettungsassistentengesetzes bereits auf namhaften Symposien 1996 und 2001 Konsens bestand, wurden die Bestrebungen 2004 mit einem Eckpunktepapier der Ständigen Konferenz für den Rettungsdienst konkret, gelangten aber in drei Legislaturperioden nicht bis zu einen Referentenentwurf im zuständigen Ministerium. Zuletzt wurde 2007 vom Deutschen Bundestag ein Entschließungsantrag nach Beratungen und
Anhörung von Sachverständigen im Gesundheitsausschuss gemäß dessen Empfehlung abgelehnt, obgleich alle Fraktionen im Ausschuss eine Novellierung grundsätzlich befürworteten. Die Fachkreise erwarten seit zehn Jahren eine baldige Gesetzesnovelle. Nach momentan herrschender Meinung ist das Ob sicher und das Wann ungewiss, das Wie jedoch absehbar: Alle einschlägigen Konzepte sehen eine zeitliche und inhaltliche Erweiterung des Ausbildungsumfanges vor, die die Professionalisierung des Rettungsdienstes fördern, die Durchlässigkeit des Berufsbildes zu anderen Gesundheitsfachberufen verbessern sowie eine Anpassung an die Standards des Berufsbildungsgesetzes erreichen soll. Empfohlen wird eine Ausweitung der theoretischen und Vertiefung der klinisch-praktischen Ausbildung, eine stärkere zeitliche Verzahnung der Ausbildungsabschnitte und der Erwerb des Berufsabschlusses nach einer Zwischenprüfung innerhalb und einer staatlichen Abschlussprüfung am Ende der Ausbildungszeit. Bislang ungelöst sind Fragen der Finanzierung der Ausbildung sowie der Übergangsregelung und Überleitung des vorhandenen Personals. Neben der tatsächlichen und rechtlichen Festigung des bestehenden Kompetenzrahmens wird bisweilen eine Berufsbildveränderung mit vertikaler Ausweitung der Kompetenzen kontrovers diskutiert. Dies sollte jedoch die Auseinandersetzung mit veränderten Anforderungen des angestammten Aufgabenfeldes und transversal entstehenden neuen Handlungsfeldern nicht behindern.
EV060 Reaktion des Rettungsdienstes auf einen Terroranschlag. Besonderheiten bei der Bewältigung eines MANV K. Ladehof1 1Calw, Deutschland In Deutschland werden die Systeme zur Vorbereitung des Rettungsdienstes auf einen Massenanfall von Verletzten an den unterschiedlichsten Stellen weiterentwickelt. Trotzdem wird ein MANV immer eine extreme Herausforderung bedeuten und die Beschäftigung jedes Einzelnen mit der Thematik ist letztendlich entscheidend, um das bestmögliche Ergebnis für die Betroffenen zu erzielen. Ist ein terroristischer Anschlag der Auslöser und stellen möglicherweise die Rettungskräfte selbst ein „lohnendes Ziel“ dar, kommt bestimmten Aspekten eine noch größere Bedeutung zu: der Awareness (Erkennung von Gefährdungsindikatoren z. B. hinsichtlich eines Sekundäranschlages), spezifischen Schutzmaßnahmen und „Vermeidungsstrategien“, der spezifischen Lagebeurteilung (Gefahrenanalyse) und der schnellstmöglichen Beendigung der Chaosphase durch Etablierung einer möglichst gesicherten Führungs- und Organisationsstruktur. Die Besonderheiten der Lage nach einem Explosionsanschlag sowie Aspekte des Explosionstraumas und die resultierenden Schlussfolgerungen für Meldung, räumliche Gliederung und die medizinische Maßnahmen sind maßgeblich für das Vorgehen. Die Kenntnis der grundlegenden Prinzipien und Verfahren in der Herangehensweise sind lebenswichtig für Helfer und Opfer. Der effizienten Zusammenarbeit der BOS kommt in der Bewältigung des Ereignisses eine noch größere Bedeutung zu. Dies ist hinsichtlich der Feuerwehr vor allem durch die Aspekte der Zerstörung und Destabilisierung von Infrastruktur, in Bezug auf die Polizei unter dem Begriff „Tatort“ erklärt. Hinweis für Zuhörer („statt Handout“): Die vom BBK 2008 herausgegebenen HEIKAT Handlungsempfehlungen zur Eigensicherung für Einsatzkräfte der Katastrophenschutz- und Hilfsorganisationen bei einem Einsatz nach einem Anschlag geben bereits sehr gute Hinweise zu Anschlagsformen, Erkennung und wichtigen Maßnahmen. Auf einer beiliegenden Taschenkarte für Einsatzkräfte im Zusammenhang mit Anschlägen werden wichtige Punkte zur Lagefeststellung und -beurteilung sowie zu Vorgehensweisen zusammengefasst.
EV061 Curriculum Notfallsonographie der DEGUM T. Kummer1 1Brown University, Department of Emergency Medicine, Providence, RI, USA Die Notfallsonographie ist eine prozess- und patientenorientierte Sonographie am Notfallpatienten. Eine solche Untersuchung kann demnach unabhängig vom Ort und medizinischen Fachbereich, sowie organ- und regionenübergreifend durchgeführt werden. Der interdisziplinäre Arbeitskreis Notfallsonographie der drei deutschsprachigen Länder (DEGUM, ÖGUM, SGUM) hat auf dieser Grundlage eine 3-Länderübergreifende Basisausbildung für die Notfallsonographie erarbeitet. Neben einem konventionellen Weg ermöglicht das Curriculum als zweiten Ausbildungsweg einen Kurzeinstieg zur Erlangung des Zertifikats Notfallsonographie. Der konventionelle Weg beruht auf dem bestehenden Grundkurs Abdominalsonographie in den notfallmedizinisch relevante Untersuchungen integriert werden. Der Kurzeinstieg ist ein speziell auf die Notfallsonographie abgestimmter eigenständiger Kurs. Beide Ausbildungswege werden durch einen zusätzlichen eintägigen Kurs „Fokussierte Echokardiographie“ komplettiert. Neben der Vorstellung des Kurscurriculums und -systems werden hier auch das Ausbilder-Stufenkonzept sowie die ersten Veranstaltungstermine vorgestellt.
EV062 Einsatz der Simulatorschulung in der sonographischen Aus bildung von Notfallmedizinern M. Gebel1 1Medizinische Hochschule Hannover, Zentrum Innere Medizin, Hannover, Deutschland Effizienter Einsatz der Sonographie in der Notfallversorgung erfordert eine realitätsnahe Ausbildung und praktisches Training. Praktisches Training an Notfallpatienten ist in einem kleinen Zeitfenster allenfalls anekdotisch und auf Einzelpersonen beschränkt vorstellbar. Einen Ausweg bietet die realitätsnahe Simulation. Simuliert wird dabei die Patientenuntersuchung, die Ultraschalldaten werden durch 3-D-Ultraschallaufnahmen realer Patienten erzeugt. Auf diesem Weg können Datenbanken mit Befunden von Patienten in der interdisziplinären Notfallaufnahme aufgebaut werden, die jede denkbare Befundkonstellation zum praktischen systematischen Training unter Anleitung jederzeit abrufbar zur Verfügung stellen. Der Nachweis der Funktion des Konzeptes wurde 2003 in einer Cross-Over-Studie am Simulator und am Patienten am Beispiel des rechten oberen abdominellen Quadranten erbracht (Terkamp et al., Ultraschall in Med, 2003). In einer Studie mit 209 Teilnehmern aus Allgemeinpraxis und Klinik wurde die Simulatorausbildung mit interdisziplinären Notfallmodulen aus allen 4 abdominellen Quadranten mit einer Teilnehmerbefragung überprüft. Lernerfolg/Nutzen und Zweckerfüllung bestätigten 95% der Teilnehmer. Eine Integration in die Ausbildung wurde von 96% der Teilnehmer für sinnvoll gehalten. (Holtmann MH et al., Z Gastroenterol 2010). Simulatorschulungen sollten daher Bestandteil der praktischen Ausbildung in der Notfallsonographie sein. Die Module müssen den jeweiligen Anforderungen (FAST, interdisziplinäre Notfallaufnahme) angepasst werden. Die Simulatoruntersuchung gleicht einer Patientenuntersuchung. Eine Anleitung und Überwachung durch einen Tutor ist für den erfolgreichen Erwerb praktischer Fähigkeiten gegenwärtig noch unerlässlich.
Notfall + Rettungsmedizin Supplement 1 · 2011
| 11
Abstracts EV063 Thoraxsonographie in der Notaufnahme W. Blank1 1Kreiskliniken Reutlingen GmbH, Klinikum am Steinenberg Reutlingen, Medizinische Klinik I, Abteilung für Gastroenterologie und Hepatologie, Reutlingen, Deutschland Die Notfallsonographie ist ein wichtiges strategisches Instrument in der Notaufnahme. Bei Autounfällen, die zum Tode führen, liegt die tödliche Verletzung zu 30% im Thorax, in weiteren 18% liegt eine Kopfund Thoraxverletzung vor (Ndiaye et al. 2009). Gravierende Verletzungen können sonographisch beim penetrierenden und auch beim stumpfen Thoraxtrauma sofort erkannt und interventionell therapiert werden. Beim stumpfen Thoraxtrauma lassen sich in 18% Lungenkontusionen sonographisch darstellen. Deutliche Einschränkungen der sonographischen Diagnostik ergeben sich allerdings bei einem Hautemphysem, das den Ultraschall absorbiert und keinen Blick in tiefere Regionen erlaubt. Lange Zeit hat sich die Notfallsonographie am Thorax beim nichttraumatischen Notfall auf den Nachweis von Pleuraergüssen und Pneumothorax konzentriert. Mittlerweile hat sich die Datenlage für einige weitere Erkrankungen geklärt, die den typischen inspiratorischen Pleuraschmerz zeigen, sich aber auch ohne Schmerzen mit Dyspnoe und/oder Fieber darstellen. Die häufigsten subpleuralen Lungenkonsolidierungen (Pneumonie, Pleuritis, Lungenembolie) können aufgrund typischer Sonomorphologie gut differenziert werden. Nimmt man die Computertomographie als Referenzmethode, dann lassen sich sonographisch deutlich mehr Pneumonien darstellen als im Röntgen Thorax. In der Bildgebung der Lungenembolie haben wir derzeit zwei „Silverstandards“, die sich gegenseitig ergänzen und zwar die MSCT und die Sonographie. Bei letzten Zweifeln kann die kontrastverstärkte Ultraschalluntersuchung weiterhelfen. Zusammenfassend kann die Thoraxsonographie einige lebensbedrohliche Situationen sofort erkennen und es kann interventionell therapiert werden. Beim nicht kardialen, insbesondere beim inspiratorisch verstärkten pleuralen Thoraxschmerz führt die Thoraxsonographie meistens rasch zu einer treffsicheren Diagnose. Die Sonographie wird zudem immer wichtiger, da vermehrt relative Kontraindikationen für die CT-Untersuchung vorkommen. Literatur 1. Mathis G (2010) Bildatlas der Lungen- und Pleurasonographie. Springer Verlag
EV064 HWS-Trauma – Röntgen, CT oder MRT? C. Hohenstein1 1Universitätsklinikum Jena, Zentrale Notaufnahme, Jena, Deutschland Welche Bildgebung nach nicht perforierendem HWS-Trauma notwendig ist, bleibt Gegenstand verschiedener Diskussionen in medizinischen Fachkreisen. Auf der einen Seite besteht Einigkeit darüber, dass die CTUntersuchung eine höhere Sensitivität als das einfache Röntgenbild bezüglich HWS-Verletzungen hat. Auf der anderen Seite ist eine routinemäßige CT-Untersuchung der HWS bei jedem Traumapatienten weder wirtschaftlich, noch auf Grund der Strahlenbelastung flächendeckend vertretbar. Insofern ist es notwendig, Handlungsempfehlungen über einen rationalen Einsatz der Bildgebung bei nicht perforierenden HWSVerletzungen zu erhalten. Zwei Clincial Decision Rules sind international anerkannt: Die NEXUS-Studie, die prospektiv 34.069 Patienten einschloss, differenziert mit Hilfe einer 5-Punkte-Tabelle mit einer fast 100%igen Sensitivität Low-Risk-Patienten, die überhaupt keiner Bildgebung bedürfen. Ähnliche Ergebnisse mit etwas anderen Kriterien erzielte eine Studie aus Kanada mit den Ergebnissen, auf der die Canadian C-Spine Rule basiert und bei der 8924 Patienten inkludiert waren.
12 |
Notfall + Rettungsmedizin Supplement 1 · 2011
Blackmore and Hanson entwickelten klinische Kriterien, die Hochrisikopatienten herausfiltern und nach denen eine CT-Untersuchung notwendig ist. Goergen differenzierte jüngst nochmals in einem Algorithmus, der die NEXUS- und die Hanson-Kriterien vereint, welche Patienten eine einfache Röntgenaufnahme und welche Patienten eine CT-Untersuchung benötigen. Letztlich ist die wissenschaftliche Datenlage bei der Frage „Einfaches Röntgen oder CT-HWS?“ noch mangelhaft. Das MRT spielt in der primären Bildgebung keine Rolle. Fasst man die Studien zusammen und geht nach den verschiedenen propagierten Algorithmen vor; so drängt sich einem folgender pragmatischer Ansatz auf: 1. Wache und kooperative Patienten: NEXUS und Canadian C-Spine Rule. 2. Nackenschmerz und Low-Risk-Kriterien: einfaches Röntgen, gute Aufnahmequalität notwendig. 3. Hochrisikopatient und Nackenschmerzen oder Bewusstseinstrübung: CT-HWS. 4. Neurologische Auffälligkeiten und unauffälliges CT: MRT-HWS.
EV065 Koronar-CT zur Abklärung des akuten Thoraxschmerzes. Sinn und Grenzen für die Notaufnahme J. Grüttner1 1Universitätsmedizin Mannheim, Medizinische Fakultät der Universität Heidelberg, Zentrale Notaufnahme, Mannheim, Deutschland Die Risikostratifizierung bei Patienten mit einem mittleren kardialen Risiko ist häufig mit Unsicherheit verbunden. Für diese Patientengruppe bietet sich mit der Computertomographie der Koronararterien (Koronar-CT) eine neue nichtinvasive Methode zur optimierten Evaluierung. Ausgenommen sind Patienten mit eindeutiger Indikation zur perkutanen Katheterintervention (STEMI oder Hochrisikopatienten ohne ST-Hebung im EKG) sowie Patienten mit klinisch niedrigem Risiko, die bereits mit der Basisdiagnostik die Voraussetzung für eine Entlassung erfüllen. Weitere Ausschlusskriterien für die CT-Untersuchung sind jugendliches Alter, Schwangerschaft, höhergradige Niereninsuffizienz, Hyperthyreose, KM-Allergie und Metformin-Therapie. Bei allen Patienten mit sicherer oder fraglicher Koronarstenose im CT muss eine perkutane Koronarangiographie durchgeführt werden. Bei Patienten mit erhöhten D-Dimeren sollte die CT-Diagnostik im Sinne eines „Triple-rule-out“ (Ausschluss Lungenembolie oder Aortendissektion) erweitert werden. Nach Ergebnissen einer kürzlich in unserer Notaufnahme durchgeführten Studie unter den genannten Bedingungen (n=100) hatten 17 Patienten (17%) einen sicher oder fraglich pathologischen Befund in der Koronar-CT. In der perkutanen Koronarangiographie fand sich bei 15 dieser 17 Patienten eine relevante Koronarstenose. Von diesen 15 Patienten wurde bei 9 Patienten eine PTCA mit Stent, bei einem Patienten eine ACVB-Operation durchgeführt. Weitere 5 Patienten zeigten eine 3-Gefäss-Erkrankung, die primär konservativ behandelt wurde. Ein „Triple-rule-out“ bei erhöhten D-Dimeren war bei 36 Patienten durchgeführt worden. Bei 3 dieser Patienten wurde eine Lungenembolie, in 2 weiteren Fällen ein unklarer Perikarderguss gefunden. Bei einem Patienten wurde als Zufallsbefund ein Bronchialkarzinom diagnostiziert. Insgesamt wurden 60 Patienten ambulant und 40 stationär behandelt. Wir folgerten aus diesen Ergebnissen, dass die Koronar-CT für die Risikostratifizierung von Patienten mit einem mittleren kardialen Risiko eine Erfolg versprechende nichtinvasive Methode der koronaren Bildgebung ist.
A032 Leichtes Schädelhirntrauma in der Notfallaufnahme – strukturierte Beurteilung und rationale Bildgebung *M. Zock1, J. Werner1, B.A. Leidel2, P. Biberthaler3, K.-G. Kanz1 1Klinikum der Universität München, Chirurgische Klinik und Poliklinik, München, Deutschland, 2Charite , Campus Benjamin-Franklin, Berlin, Deutschland, 3Klinikum Rechts der Isar, Unfallchirurgie, München, Deutschland Das leichte Schädel-Hirn-Trauma (SHT) ist eine häufige Entität in deutschen Notfallaufnahmen. Diese Verletzung ist potentiell lebensbedrohlich und kann im Zweifel eine wesentliche Behinderung oder den Tod des Patienten zur Folge haben. Problematisch für die Entwicklung eines risikostratifizierten Vorgehen sind – neben den unterschiedlichen Definitionen für ein leichten SHT – die erheblich divergierenden nationalen als auch internationalen Empfehlungen und Leitlinien. Somit fehlt insbesondere für junge und unerfahrene Ärzte einen entsprechender evidenzbasierter Orientierungsrahmen. Material und Methoden. Mittels systematischer Literaturrecherche analysierten wir Veröffentlichungen zur Indikationsstellung für eine Bildgebung bei Erwachsenen mit Verdacht auf leichtes SHT (GCS 13– 15), sowie im Zusammenhang mit einer medikamentösen Antikoagulation die Notwendigkeit für eine Kontrollbildgebung und stationären Aufnahme. Weiter sichteten wir die Leitlinien und Empfehlungen von spezifischen Referenzinstituten oder Fachgesellschaften. Zusätzlich durchsuchten wir manuell die Referenzen der gefundenen Veröffentlichungen bezüglich weiterer relevanter Quellen. Ergebnisse. Die Definition für leichten SHT und damit die untersuchten Kollektive sind nicht homogen. Einerseits wird eine stumpfe Verletzung des Schädels nur dann als SHT gewertet, wenn ein Bewusstseinsverlust (LOC, „loss of consciousness“) vorliegt, andererseits werden Patienten auch ohne LOC als SHT gewertet, wenn ein Risikofaktor wie z. B. eine Antikoagulation besteht. Als initiale Bildgebung wird generell die kranielle Computertomographie (CCT) empfohlen, Röntgenaufnahmen des Schädels werden ausdrücklich als obsolet erachtet, eine Kernspintomographie (MRT) ist nur in Sonderfällen indiziert. Patienten mit Antikoagulation werden zum Teil nicht oder nicht ausreichend als Hochrisikogruppe berücksichtigt, bei dieser Patientengruppe sind wenige Daten in Bezug auf den Zeitpunkt für eine Kontroll-CCT und die Notwendigkeit für eine stationäre Aufnahme vorhanden. Insgesamt sind die nationalen und internationalen Konzepte nicht durchgängig konsistent, insbesondere in Bezug auf die Indikation zur Bildgebung mittels CCT ergeben sich erhebliche Unterschiede bei den beiden häufigen Konstellationen: A) stumpfe Schädelverletzung, GCS 14, keine Amnesie, Alkoholintoxikation, B) stumpfe Schädelverletzung, GCS 15, keine Amnesie, medikamentöse Antikoagulation. Zusammenfassung. Die klinische Anwendbarkeit der internationalen und nationalen Konzepte für das initale Management bei leichtem SHT wird erheblich durch die unterschiedlichen Kriterien und zum Teil divergenten Empfehlungen erschwert. Mit Hilfe eines konsentierten standardisierten klinischen Algorithmus könnte die Patientenversorgung und Patientensicherheit verbessert werden und unerfahrenen Ärzten für die Notfallaufnahme eine Hilfestellung für ein risikostratifiziertes Vorgehen gegeben werden.
EV066 Risikoeinschätzung von Patienten mit akutem Brustschmerz. Anspruch und Wirklichkeit in der Notaufnahme J. Grüttner1 1Universitätsmedizin Mannheim, Medizinische Fakultät der Universität Heidelberg, Zentrale Notaufnahme, Mannheim, Deutschland Die Risikostratifizierung von Patienten mit akutem Brustschmerz ist unverändert schwierig. Daten aus den letzten Jahren belegen, dass die Rate übersehener Koronarsyndrome mit bis zu 5% immer noch be-
trächtlich ist. Von großer Wichtigkeit sind hier die aktuellen nationalen und internationalen Leitlinien zum Koronarsyndrom. Grundlage dieser Empfehlungen ist – neben der Bewertung technischer Befunde wie EKG, Echo und radiologischen Untersuchungen – die klinische Risikoeinschätzung mittels Risiko-Scores wie zum Beispiel GRACEoder TIMI-Score. Weitgehend unumstritten sind die Kriterien zum frühen invasiven Vorgehen bei kardialen Hochrisikopatienten mit oder ohne ST-Streckenhebung im EKG. Unsicherheit herrscht hingegen bei der Beurteilung von Patienten mit niedrigerem kardialem Risiko. Die sichere Einschätzung gerade dieser Patienten ist umso wichtiger, als die oftmals wenig imponierenden Symptome dieser Patienten Fehlentscheidungen begünstigen und sich die übersehenen Koronarsyndrome somit überwiegend aus dieser Gruppe rekrutieren dürften. RisikoScores wie der GRACE-Score finden trotz aller Empfehlungen als routinemäßiges Instrument zur kardialen Risikostratifizierung in Notfalleinrichtungen wenig Verbreitung und sind speziell als Grundlage einer sicheren Entlassfähigkeit von Niedrigrisiko-Patienten umstritten und kaum hilfreich. Um diesen Unsicherheiten in der Bewertung des akuten Brustschmerzes Rechnung zu tragen, wurde in der Zentralen Notaufnahme des Universitätsklinikums Mannheim ein einfacher und praktikabler Handlungsablauf auf dem Boden eines Systems von Risikogruppen (STEMI, NSTE-Hoch-/Mittel-/Niedrigrisiko) entwickelt, der zum einen moderne diagnostische Werkzeuge wie etwa die Bestimmung des hochsensitiven Troponins und das Koronar-CT, zum anderen aber auch eine einfache klinische Bewertung prognostisch wichtiger und anerkannter Risikofaktoren ohne Verwendung von Scores einschließt.
EV067 Der Stellenwert einer Chest Pain Unit (CPU) in der Zentralen Notaufnahme U. Güssow1 1Asklepios Klinik Hamburg-Altona, Zentrale Notaufnahme, Hamburg, Deutschland Studien aus USA und England haben gezeigt, dass sich die Prognose der Patienten mit Akutem Koronarsyndrom durch Implementieren einer Chest Pain Unit (CPU) verbessert. Im Jahr 2005 wurden in Deutschland die ersten CPUs eröffnet, seit 2008 zertifiziert die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie derartige Einrichtungen nach einem eigenen Standard. Das Einführen einer CPU führt nach ersten Erhebungen zur Reduktion der Patientenverweildauer, die Kosten werden gesenkt und die Patientenzufriedenheit steigt. Zudem wurde die „door-to-ballon“-Zeit reduziert. Strukturell wird eine CPU innerhalb der ZNA favorisiert. Zum Erreichen effizienter Prozesse ist es notwendig, die CPU gemeinsam mit dem fachärztlichen Personal aus der ZNA und der Kardiologie zu versorgen.
EV068 Interventionelle Verfahren beim STEMI M. Möckel1 1Charité – Universitätsmedizin Berlin, Campus Virchow Klinikum, Medizinische Klinik mit Schwerpunkt für Kardiologie, Berlin, Deutschland Der akute ST-Hebungsinfarkt (STEMI) hat durch die hierzulande nahezu flächendeckende Einführung der akuten perkutanen koronaren Intervention (PCI) einen deutlichen Rückgang der Sterblichkeit erkrankter Patienten zu verzeichnen. Patienten, bei denen es gelingt, innerhalb von 2 Stunden nach dem ersten medizinischen Kontakt das Infarktgefäß wiederzueröffnen, haben heute in erfahrenen Zentren eine Letalität unter 3%. Während die Akut-PCI als übergeordnetes Standardverfahren mittlerweile unwidersprochen ist, stellen sich die folgenden Detailfragen: – Technische Details der Intervention beim STEMI, – Transport und Vorbehandlung, Notfall + Rettungsmedizin Supplement 1 · 2011
| 13
Abstracts – Lyse als Alternative sehr frühem Erstkontakt (<3 h), – Prozesssicht und Einbettung der Therapie in Infarktnetzwerke bzw. Infarktzentren, – Verfahren im kardiogenen Schock. Die Intervention des STEMI erfolgt standardmäßig in Form der Rekanalisation mittels Führungsdraht, Vordilatation mit einem mäßig unterdimensionierten Ballon und anschließendem Stenting. Medikamenten freisetzende Stents können nach denselben Kriterien wie im Routinefall verwendet werden. Moderne Strategien beinhalten die Thrombusaspiration und das direkte Stenting mit dem Vorteil kürzerer Interventionsund Durchleuchtungszeiten, geringerem Kontrastmittelverbrauch und bei ausgewählten Patienten geringerer Sterblichkeit. Die PCI kommt mittlerweile bei nahezu allen Patienten in Betracht und sollte immer erwogen werden. Die Lysetherapie als Alternative kommt nur noch in ländlichen Regionen in Frage, wenn der erste medizinische Kontakt innerhalb der ersten 3 h erfolgt und ein geeignetes PCI-Zentrum nicht in 90 min erreichbar ist. Sämtliche Patienten müssen bei dem ersten medizinischen Kontakt mit ASS, einem Thienopyridin oder Ticagrelor und Heparin oder Bivalirudin vorbehandelt werden. Der Transport sollte auf vorbereiteten Wegen und paralleler Alarmierung des Katheterteams erfolgen. Die Abläufe werden durch Sektoren übergreifende Infarktnetzwerke und zukünftig Infarktzentren verbessert. Speziell im kardiogenen Schock hängt das Überleben wesentlich von der erfolgreichen PCI ab, wobei hämodynamische Unterstützungssysteme wie die IABP, in ausgewählten Fällen auch die perkutan implantierbare Herzlungenmaschine oder andere Assistsysteme hilfreich sein können. Patienten im Schock sollten immer primär in erfahrenen Zentren behandelt werden, die über das gesamte Spektrum der technischen Möglichkeiten einschließlich hämodynamischer Unterstützungssysteme und spezialisierter Intensivmedizin verfügen. Literatur 1. Möckel M, Vollert J, Hamm C. et al (2010) „Standard Operating Procedures“ für den akuten ST-Streckenhebungsinfarkt. Anwendung prozessbasierter Grundsätze. Kardiologe 4:124–134
EV069 Akutes Koronarsyndrom – S3-Leitlinie Kardiogener Schock U. Janssens1 1St.-Antonius-Hospital, Medizinische Klinik, Eschweiler, Deutschland Nach Einführung kardiologischer Überwachungsstationen in den frühen 1960er Jahren mit der Möglichkeit lebensbedrohliche Arrhythmien in der Akutphase nach Myokardinfarkt unverzüglich zu erkennen und zu therapieren bleibt der kardiogene Schock die häufigste Todesursache von Patienten mit akutem Myokardinfarkt nach Krankenhausaufnahme [1]. Auch bei optimaler medizinischer Versorgung mit sofortiger Revaskularisierung und nachgeschalteter multimodaler Intensivtherapie liegt die 1-Monats-Sterblichkeit mit annähernd 60% in großen Registern immer noch sehr hoch. In diesem Jahr wurde die weltweit erste Leitlinie zum infarktbedingten kardiogenen Schock veröffentlicht, die in einem Gruppenprozess der Delegierten der Deutschen und Österreichischen Gesellschaften für Kardiologie, Internistische und Interdisziplinäre Intensivmedizin, Herz- und Thoraxchirurgie, Anästhesiologie sowie Prävention und Rehabilitation unter Leitung der Arbeitsgemeinschaft der medizinischwissenschaftlichen Fachgesellschaften (AWMF) entwickelt wurde (Langversion http://leitlinien.net/) [4]. Kürzlich wurden die Daten einer großen epidemiologischen Studie zum kardiogenen Schock des Schweizer AMIS (Acute Myocardial Infarction in Switzerland) Plus Registers veröffentlicht [3]. Hier wurden zwischen den Jahren 1997 und 2006 insgesamt 23.969 erwachsene Patienten mit akutem Koronarsyndrom analysiert. Die Inzidenz des kardiogenen Schocks lag im gesamten Zeitraum bei 8,3%, davon entwickelten 6,0% der Patienten während des stationären Aufenthalts einen kardiogenen Schock (71,5% der Patienten mit kardiogenem Schock), 2,3% wurden mit dieser schwerwiegenden Komplikation in das Kran-
14 |
Notfall + Rettungsmedizin Supplement 1 · 2011
kenhaus aufgenommen. Während des Beobachtungszeitraums nahm die Häufigkeit des kardiogenen Schocks deutlich ab (1997 12,9% und 2006 5,5%). Dies war vor allem auf die deutliche Reduktion des Auftretens eines kardiogenen Schocks nach stationärer Aufnahme zurückzuführen (10,6% im Jahr 1997 vs. 2,7% im Jahr 2006). Der Anteil des kardiogenen Schocks zum Zeitpunkt der Krankenhausaufnahme blieb hingegen im gesamten Zeitraum stabil. Die intrahospitale Gesamtsterblichkeit nahm im Verlauf der beobachteten Dekade signifikant ab (von 62,8% auf 47,7%, p=0,010). Die Inzidenz des kardiogenen Schocks lag bei Patienten mit ST-Hebungsinfarkt signifikant höher als bei Patienten mit Nicht-ST-Hebungsinfarkt (10,7% vs. 5,2%) [3]. Im prähospitalen Setting aber auch in der Notaufnahme ist die möglichst rasche Diagnose des kardiogenen Schocks und der auslösenden Ursachen von zentraler Bedeutung. Nur vor diesem Hintergrund kann ein Patient möglichst rasch neben der symptomatischen Therapie einer kausal ausgerichteten Therapie zugeführt werden (z. B. Reperfusion beim akuten Myokardinfarkt). Die Behandlungsziele beim infarktbedingten kardiogenen Schock sind [4]: – die frühestmögliche koronare Reperfusion (Wiedereröffnung des verschlossenen Koronargefäßes), – die Aufrechterhaltung bzw. Wiederherstellung einer adäquaten Perfusion und Oxygenierung der vitalen Organe, – die Prävention und Begrenzung des Multiorgan-Dysfunktions- Syndroms und Multiorganversagens sowie die supportive Unterstützung der Organdysfunktionen, – die frühzeitige Versorgung mechanischer Infarktkomplikationen. Die Verdachtsdiagnose „infarktbedingter kardiogener Schock (IkS)“ wird aufgrund des 12-Ableitungs-EKGs („Infarkt: STEMI“) und der klinischer Befunde („kardiogener Schock“) gestellt [4]. Im Fall eines NSTEMI mit nachfolgendem IkS kann der Notarzt anhand klinischer Kriterien einen IkS im Zusammenhang mit einem akuten Koronarsyndrom diagnostizieren [4]. Wichtigstes Symptom des IkS, jedoch nicht obligat, ist eine Hypotonie mit einem anhaltenden systolischen Blutdruck von <90 mmHg. Daneben sollte auf klinische Zeichen wie kalte Extremitäten oder Oligurie geachtet werden. Häufig findet sich bei Patienten im kardiogenen Schock ein relativer Volumenmangel bzw. gelegentlich, insbesondere bei älteren Patienten und in den Sommermonaten, sogar ein absoluter Volumenmangel. Initiale Stabilisierung vor Herzkatheteruntersuchung Neben der Gabe von Katecholaminen besteht die initiale Stabilisierung v. a. in der Einleitung einer maschinellen Beatmung bei respiratorischer Insuffizienz und – bei nachgewiesener Infarzierung des rechten Ventrikels im Rahmen eines Hinterwandinfarkts – in der ausreichenden Volumengabe [4]. Die Katecholamintherapie sollte vorzugsweise mit Dobutamin (positiv-inotrope Wirkung) und Noradrenalin (positiv-inotrope und vasopressorische Wirkung) erfolgen. Die nachfolgende Koronarrevaskularisierung darf durch keine der getroffenen Maßnahmen verzögert werden. Revaskularisation Die möglichst rasche Wiedereröffnung des verschlossenen Infarktgefäßes erfolgt in der Regel. mittels perkutaner Koronarintervention (PCI). Steht die PCI initial nicht zur Verfügung, so sollte im Fall eines STEMI möglichst rasch eine Fibrinolyse initiiert und der Patient – IABP-unterstützt – in ein Zentrum mit der Möglichkeit zur Akut-PCI transportiert werden. Die PCI der „Infarktarterie“ erfolgt in aller Regel als Stentimplantation unter intensiver Thrombozytenaggregationshemmung. Gelingt keine interventionelle Revaskularisation, sollte schnellstmöglich die operative Versorgung durchgeführt werden. Liegen mehrere signifikante Stenosierungen vor, muss im Einzelfall entschieden werden, ob neben der „Infarktarterie“ auch andere Gefäße revaskularisiert werden oder ob dies im Intervall interventionell oder operativ durchgeführt werden kann.
Zusammenfassend ist die Hauptaufgabe des Notfallmediziners prähospital aber auch in der Notaufnahme in der raschen Diagnose des IkS zu sehen, um die Weichen für eine weitere Therapie – in der Regel die PCI – umgehend zu stellen. Parallel ablaufende Maßnahmen zielen auf die Stabilisierung des Kreislaufs und der Sicherung einer ausreichenden Oxygenierung ab. Literatur 1. Califf RM, Bengtson JR (1994) Cardiogenic shock. N Engl J Med 330:1724– 1730 2. Janssens U (2006) Infarktbedingter kardiogener Schock. Internist (Berl) 47:383–388 3. Jeger RV, Radovanovic D, Hunziker PR, Pfisterer ME, Stauffer JC, Erne P, Urban P, AMIS PR, I (2008) Ten-year trends in the incidence and treatment of cardiogenic shock. Ann Intern Med 149:618–626 4. Werdan K, Ruß M, Buerke M, Engelmann L, Ferrari M, Friedrich I, Geppert A, Graf J, Hindricks G, Janssens U, Pieske BM, Prondzinsky R, Reith S, Trappe HJ, Zehender M, Zerkowski H, Zeymer U, Adams HA, Briegel J, Delle KG, Schöndube FA, Schwaab B, Bode C, Christoph A, Erbel R, Fuhrmann JT, Strasser R, Figulla HR, Görge G, Schmitt D, Schuler G, Silber RE, Tebbe U, Zwissler B (2011) Deutsch-österreichische S3-Leitlinie „Infarktbedingter kardiogener Schock – Diagnose, Monitoring und Therapie“. Intensivmed 48:291–344
A027 Akutes Abdomen in der Notfallaufnahme – evidenzbasierter Algorithmus für das initale Management *J.C. Werner1, M. Zock1, P.N. Khalil1, B.A. Leidel2, K.-G. Kanz1,2 1Chirurgische Klinik und Poliklinik, Campus Innenstadt, Klinikum der Universität München, Notfallaufnahme, München, Deutschland, 2Universitätsmedizin Berlin-Campus Benjamin Franklin, Berlin, Deutschland Fragestellung. Der Begriff akutes Abdomen stellt kein eigenständiges Krankheitsbild dar, sondern er beschreibt eine Arbeitshypothese, wo runter eine Vielzahl von unterschiedlichsten Krankheitsbildern subsumiert wird. Eine besondere diagnostische Herausforderung ergibt sich aus dem variablen Verlauf, der von Bagatellerkrankungen bis hin zum lebensbedrohlichen Zustand führen kann. Essenziell für eine schnelle und gründliche Erstevaluation des Patienten mit akutem Abdomen ist ein strukturiertes und in Hinblick auf den Zeitmangel prioritätenorientiertes Handeln. Material und Methoden. Anhand einer systematischen Literaturrecherche in Medline, Cochrane und EMBASE, sowie manueller Recherche bewerteten wir relevante Veröffentlichungen im Zeitraum von Januar 1990 bis März 2010. Mittels Medical Subject Heading (MeSH) wurde die Suche durch folgende Suchbegriffe systematisiert: „abdominal pain“, „acute abdominal pain“, „algorithms“, „workflow“, „humans“. Die systematische Literraturrecherche lieferte keinen Beitrag, der ein problem- und prioritätenorientiertes Behandlungskonzept für den Symptomkomplex des akuten Abdomens unabhängig von einer schon zuvor definierten Abschlussdiagnose vorschlägt. Aufgrund der mangelnden Datenlage entwickelten wir unter Berücksichtigung der aktuellen Literatur und Expertendiskussionen ein interdisziplinäres Behandlungskonzept für die Notfallaufnahme. Ergebnisse. Die Darstellung erfolgt durch einen klinischen Algorithmus, der das initale Management bei Akutem Abdomen sowohl als Gesamtprozess, wie auch einzelne Entscheidungsknoten beinhaltet. Bei Eröffnung des Algorithmus erfolgt zunächst eine initiale Kategorisierung der Patienten, die das weitere prioritätenorientierte Vorgehen bestimmt. Ohne Zeitverzögerung können so die einzelnen Entscheidungspunkte individuell für den Patienten bestimmt und in vorgeschlagenen Behandlungsschleifen systematisch abgearbeitet werden. Die dabei definierten Parameter und Entscheidungskriterien schaffen eine strukturierte Durchgängigkeit der Behandlung für die gerade in Notaufnahmen inhomogenen Patienten. Spezifische Krankheitsbilder, die häufig übersehen werden und oft mit schwerwiegenden Folgen einhergehen, werden explizit aufgeführt.
Schlussfolgerungen. Bisher existieren in Hinblick auf die Erstevaluation bei Patienten mit Akutem Abdomen keine einheitlich evidenzbasierten Behandlungskonzepte im Sinne eines Workflows, die ein prioritätenorientiertes und zeitkritisches Vorgehen vorschlagen. Algorithmen können in komplexen Situationen durch eine Strukturierung der erforderlichen Behandlungsschritte als Leitschiene dienen und so zu einer schnellen individuell erforderlichen Intervention führen. Der Algorithmus stellt dabei keinen starren Managementplan dar, vielmehr soll der notwendige Spielraum für den behandelnden Arzt beibehalten werden und dabei als unterstützendes Instrument fungieren.
EV072 Acute abdomen. An emergency physician‘s perspective D. Stewart1 1Asklepios Klinik Hamburg-Altona, Zentrale Notaufnahme, Hamburg, Deutschland The management of a patient with abdominal pain is frequently rated as one of the most challenging of presentations by emergency physicians. With a very long list of differential diagnoses the emergency physician requires a structured approach to determine firstly which patients require immediate surgical management and secondly to efficiently investigate patients and decide which treatment pathway they can be started on as inpatient or outpatient. The Advanced Trauma Life Support ABCDE approach can be adapted to provide a structured approach for the emergency assessment of the patient with acute abdominal pain. The aim of the rapid assessment (akin to the primary survey) is to identify those conditions requiring immediate surgical management e.g. AAA, ruptured ectopic pregnancy, perforated viscus, ruptured appendix, ischaemic bowel, bowel obstruction with ischaemia. Thereafter, the secondary survey incorporates a detailed history and physical examination with decisions relating to further imaging. Although evidence based guidelines are strikingly absent in this area, the American College of Emergency Physicians has produced two clinical policies relating to the assessment of non-traumatic acute abdominal pain [1, 2]. More recently the American College of Radiology has published guidelines on imaging in acute abdominal pain [3]. Over the last 20 years there has been decreasing emphasis on plain Xray and increasing use of ultrasound and CT. MRI is likely to increasingly have a place in the assessment of the acute abdomen, particularly in pregnancy. The patient with undifferentiated acute abdominal pain represents a challenging diagnostic problem requiring a structured approach. Abnormal vital signs, severe ongoing pain, or signs of peritonitis mandate early surgical consultation. Literatur 1. American College of Emergency Physicians (1994) Clinical policy for the initial approach to patients presenting with a chief complaint of nontraumatic acute abdominal pain. Ann Emerg Med 23:906–922 2. American College of Emergency Physicians (2000) Clinical policy: critical issues for the initial evaluation and management of patients presenting with a chief complaint of nontraumatic acute abdominal pain. Ann Emerg Med 36:406–415 3. Grant TH, Rosen MP, Fidler JL, Gay SB, Greene FL, Huprich JE, Lalani T, Miller FH, Rockey DC, Sudakoff GS, Expert Panel on Gastrointestinal Imaging (2008) ACR Appropriateness Criteria® acute abdominal pain and fever or suspected abdominal abscess. [online publication]. Reston (VA): American College of Radiology (ACR)
Notfall + Rettungsmedizin Supplement 1 · 2011
| 15
Abstracts EV074 Das akute Abdomen aus der Sicht des Gastroenterologen A. Wree1, *G. Gerken1 1University of Duisburg-Essen, Department of Gastroenterology and Hepatology, Essen, Germany Ein häufiger Notfall in der Gastroenterologie ist das akute Abdomen. Es ist ein Syndrom, das zahlreiche Krankheitsbilder umfasst und sich durch folgende Symptomtrias auszeichnet: akute, stärkste Bauchschmerzen, abdominelle Abwehrspannung und Kreislaufdepression. Sowohl intra- als auch extraabdominelle Pathologien können es verursachen. Meist liegt pathophysiologisch eine Aktivierung von sympathischen Schmerzafferenzen vor, die durch Dehnung eines Hohlorgans, entzündlichen Mediatoren oder Organischämie erfolgt. Da die Prognose der Patienten maßgeblich von einer raschen Diagnosestellung abhängt, ist die rasche interdisziplinäre viszeralmedizinische Beurteilung auch für erfahrene Ärzte eine Herausforderung. Diagnostisch wegweisend sind dabei besonders die Schmerzlokalisation, der Schmerztyp und dessen Verlauf, die neben serologischen Untersuchungen, zielgerichtete bildgebende Verfahren einleiteten. Die Therapie erfolgt abhängig von Ursache und erstreckt sich von der Indikation zur Notfalloperation bis zum rein konservativen Vorgehen.
EV076 Internistische Therapie bei akuter gastrointestinaler Blutung H. Schwörer1 1Universitätsmedizin Göttingen, Abteilung für Gastroenterologie und Endokrinologie, Göttingen, Deutschland Gastrointestinale Blutungen (GIB) werden in eine obere, mittlere und untere Form unterteilt. Die obere GIB tritt am häufigsten (ca. 80%) auf. Der Therapie von Blutungen im Rahmen einer portalen Hypertension muss durch deren pathophysiologischen Hintergrund Rechnung getragen werden. Ziel der Therapie von akuten GIB ist die Beherrschung der akuten Blutung sowie die Verhinderung einer Rezidivblutung. Eine frühzeitige interdisziplinäre Zusammenarbeit mit Viszeralchi rurgen ist angebracht. Kreislaufstabilisierung und adäquate Volumensubstitution sind Primärmaßnahmen. Die Endoskopie dient der Diagnostik (Blutungslokalisation) wie auch der Therapie. Endoskopische Verfahren beinhalten u. a. Injektionstherapie (Adrenalin, Histoacryl), Hämoclips, Gummibandligatur, Koagulation (Heater Probe, Argonplasma-Koagulation) und endoluminale Stents. Medikamentöse Therapien, häufig zusammen mit endoskopischen Maßnahmen, beinhalten Protonenpumpeninhibitoren, Eradikationstherapie, Octreotid, bei portal hypertensiven Blutungen zusätzlich Terlipressin und prophylaktische Antibiose. Bei portal hypertensiven Blutungen kann eine TIPS-Implantation erforderlich sein. Im Vortrag wird die aktuelle Datenlage zur endoskopischen und medikamentösen Therapie der akuten GIB dargestellt.
EV077 Patientenmanagement in der ZNA mit Triage und First View M. Singh1 1Asklepios Klinik Hamburg-Altona, Zentrale Notaufnahme, Hamburg, Deutschland Hohes Patientenaufkommen verbunden mit Wartezeiten stellt ohne Prozessoptimierung für Patienten und Personal einer interdisziplinären Zentralen Notaufnahme (ZNA) eine hohe Belastung dar. Neben der pflegerischen Ersteinschätzung/Triage ist das First-ViewKonzept ein wichtiges Werkzeug um einen schnellen Patienten-ArztKontakt herzustellen und die Wartezeit damit deutlich zu verringern. Gleichzeitig findet eine Sicherung der stattgehabten pflegerischen Triage statt. Eine zeitkritische notwendige Diagnostik und Therapie kann deutlich schneller erfolgen. Es entsteht ein verbesserter Work-
16 |
Notfall + Rettungsmedizin Supplement 1 · 2011
flow mit Verringerung der Gesamtverweildauer des Patienten in der ZNA. Auf Grund der Durchführung des First View von ausschließlich, in der Notfallmedizin erfahrenem ärztlichen Personal, besteht eine deutliche Qualitätssteigerung bezüglich Arbeitsdiagnose und Therapie. Gleichzeitig werden Ressourcen geschont, so dass auch wirtschaftliche Aspekte berücksichtig sind.
EV081 Der Kerndatensatz Notaufnahme der DIVI *S. Klinger1, M. Kulla1, F. Walcher2 1Bundeswehrkrankenhaus Ulm, Abteilung für Anästhesiologie und Intensivmedizin, Ulm, Deutschland, 2Klinikum der Wolfgang-Goethe-Universität Frankfurt, Klinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie, Frankfurt a. M., Deutschland Hintergrund. Eine Standardisierung der Dokumentationsinhalte gibt es bislang nur im Bereich der präklinischen Notfallmedizin. Hier bildet der minimale Notarzt-Datensatz (MIND) [1, 3] seit 1996 die Basis der Dokumentation. In der innerklinischen Notfallmedizin erfolgt die Dokumentation auf meist klinikeigenen, nichtkompatiblen Insellösungen. Methode. Im September 2007 konstituierte sich aus der interdisziplinären Arbeitsgemeinschaft (IAG) Notaufnahmeprotokoll der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Notfall- und Intensivmedizin (DIVI) in Frankfurt am Main die Sektion Notaufnahmeprotokoll der DIVI. Ziel der Arbeitsgruppe war es, einen nationalen Standard für die Dokumentation innerklinischer Notfallpatienten zu erstellen, der den medizinischen und medikolegalen Anforderungen genügt und gleichzeitig die Teilnahme an allen in der Notfallmedizin beteiligten Registern ermöglicht ohne dafür eine redundante Dokumentation durchführen zu müssen. Aus diesem Grund wurden führende Mitglieder der einzelnen Fachgesellschaften in die Sektion eingeladen. Zusätzlich zu diesem Expertengremium wurde eine große Umfrage zu Art der Dokumentation, Dokumentationsinhalt und Dokumentationssystemen in deutschen Kliniken durchgeführt. Die Ergebnisse flossen in den Datensatz ein. Ergebnis. In intensiver Arbeit über drei Jahre wurde ein modularer Datensatz konzipiert der zum Zeitpunkt sechs Module umfasst: Basis, Konsil, Überwachung, Neurologie, Anästhesie und Trauma. Insgesamt werden 766 Items definiert und momentan können drei bestehende Register damit bedient werden: das Traumaregister der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU) [4], das Schlaganfallregister und das Reanimationsregister der DGAI [2]. Im Rahmen des DIVI-Kongresses in Hamburg wurde dann der Datensatz am 30.11.2010 durch das Präsidium der DIVI konsentiert und am 1.12.2010 veröffentlicht. Die Deutsche Gesellschaft für Interdisziplinäre Notaufnahme DGINA empfiehlt seit dem 07.12.2010 ausdrücklich die Verwendung des Kerndatensatzes Notaufnahme und die Implementierung dieses Datensatzes in die Krankenhaus-Informationssysteme (KIS). Zusätzlich wurde ein Formularsatz generiert, der eine Dokumentation bis zu diesem Zeitpunkt ermöglicht. Dieser kann mit angepasstem Formularkopf kostenfrei in jeder Klinik genutzt werden [5]. Literatur 1. Friedrich HJ, Messelken M (1996) Der minimale Notarztdatensatz (MIND). Anästh Intensivmed 37:352–358 2. Gräsner JT, Zander JF, Gräsner I, Franz R (2004) Strukturierte Reanimationsdatenerfassung – Einrichtung eines bundesweiten Reanimationsregisters. Intensivmed Notfallmed 41:306 3. Messelken M, Schlechtriemen T (2003) Der minimale Notarztdatensatz MIND2 – Weiterentwicklung der Datengrundlage für die Notfallmedizin. Notfall & Rettungsmedizin 6:189–192 4. Die Arbeitsgemeinschaft „Scoring“ der DGU (1994) Das Traumaregister der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie. Unfallchirurg 97:230–237 5. Walcher F, Kulla M (2011) Kerndatensatz Notaufnahme. Deutsches Ärzteblatt 108:626–628
EV084 Schnittstelle Rettungsdienst – Notaufnahme. Untersuchung der Qualität der Voranmeldung im Rahmen des Projektes „Ersteinschätzung im Rettungsdienst“ am CKBM K. Ehrmann1 1Caritas-Krankenhaus Bad Mergentheim gGmbH, Personalabteilung, Bad Mergentheim, Deutschland Einleitung. Im Rahmen des Projektes „Ersteinschätzung im Rettungsdienst“ beschäftigt sich eine interdisziplinäre Gruppe aus Rettungsdienst, Pflege und ärztlichem Dienst mit der Voranmeldung von Notfallpatienten an der Schnittstelle Rettungsdienst – Leitstelle – Notaufnahme. Ziel des Projektes ist die Verbesserung der Qualität der Versorgung von Notfallpatienten durch eine nahtlose Weiterversorgung ohne Wartezeiten. Erreicht werden soll dies durch eine strukturierte und standardisierte Kommunikation und gemeinsame Sprache bei der Voranmeldung des Notfallpatienten in der Notaufnahme, um eine optimale Bereitstellung von Personal und Material unter qualitativen, quantitativen und zeitlichen Aspekten sicherzustellen. Neben der Entwicklung und Einführung eines Anmeldeschemas stellt die Erhebung der Qualität der Voranmeldungen vor und nach Einführung des neuen Anmeldeschemas eine wichtige Aufgabe im Rahmen des Projektes dar. Methode. Für die erste Erhebung wurden im August 2010 vier Wochen lang im Rettungsdienstbereich Main-Tauber 82 Fragebögen von Rettungsassistenten nach Rücksprache mit den Mitarbeitern der Notaufnahmen nach der Voranmeldung ausgefüllt und für die zweite Erhebung im März 2011 insgesamt 78 Fragebögen. Pro Notfallpatient wurde ein Fragebogen verwendet. Ergebnisse. Unabhängig vom Anmeldeschema wurden 96% der Notfallpatienten in der Notaufnahme angemeldet. Von allen möglichen übermittelbaren Informationen, die erhoben wurden, wurden in der ersten Erhebung 68% übermittelt, davon kamen 86% ohne Abweichung in der Notaufnahme an. Bei 69% der Anmeldung der Notfallpatienten wurde somit keinerlei Abweichung in der Informationsmittlung angegeben. 81% gaben in der zweiten Erhebung an, das neue Anmeldeschema genutzt zu haben. 62% der übermittelbaren Informationen wurden von diesen übermittelt, von denen 85% ohne Abweichung angekommen sind. Somit zeigen 71% der Anmeldungen keinerlei Abweichungen. Während bei der ersten Erhebung 17% der Notfallpatienten eine Wartezeit hinnehmen mussten, waren es in der zweiten Erhebung lediglich 14%. Dafür lag die durchschnittliche Wartezeit in der ersten Erhebung bei 5,15 min. und in der zweiten Erhebung bei 6,25 min. Ursachen für Abweichungen waren unter anderem Stress und Zeitdruck bei Mitarbeitern in der Notaufnahme, Probleme in der Leitstelle oder zusätzliche Schnittstellen. Wartezeiten entstanden in erster Linie durch fehlende freie Räumlichkeiten und noch nicht anwesenden ärztliches und pflegerisches Personal. Diskussion. Die objektiv untersuchte Qualität der Voranmeldung ist besser als die subjektiv wahrgenommene. Eine Anpassung des Anmeldeschemas ist notwendig und kann eine weitere Qualitätssteigerung erzielen. Dabei sind die zeitkritischen Notfallpatienten und deren Anmeldung besonders in Fokus zu nehmen. Des Weiteren muss die Komplexität der Anmeldeschemas weiter reduziert werden, um auch in Zeiten hoher Stressbelastung die übermittelten Informationen auf ein möglichst geringes Maß zu reduzieren.
EV087 Notfallpatienten Anmeldebogen – Umsetzung des MANDAT-RD und erste Erfahrungen aus dem HELIOS-Klinikum Krefeld O. Weichert1 1HELIOS-Klinikum Krefeld, Konservative Notaufnahme, Station M8, Interdisziplinäres Notfallzentrum Interdisziplinäre Notaufnahmen stehen heutzutage vor der großen Herausforderung, bei kontinuierlich steigenden Patientenzahlen und begrenzten personellen, räumlichen und materiellen Ressourcen eine
jederzeitige Notfallversorgung für Patientinnen und Patienten zu gewährleisten. Unangekündigte vital-bedrohte und zeitkritische Notfälle stellen hierbei die größte medizinische und organisatorische Herausforderung dar. Eine Vorankündigung dieser zumeist über den Rettungsdienst zugeführten kritisch erkrankten oder verletzten Notfallpatientinnen und Notfallpatienten findet zwar oftmals statt, jedoch sind die übermittelten präklinischen Informationen nicht selten unzureichend und in der Qualität und Quantität stark schwankend. Das Krefelder Modell des „Anmeldebogen für Notfallpatienten“ auf der Basis des MANDAT-RD zeigt, dass ein einheitlicher, strukturierter Anmeldebogen für kritisch kranke Patienten mögliche Informationsverluste minimieren und den aufnehmenden Kliniken eine zeitgerechte und patientenorientierte Vorbereitung zur nahtlosen (Weiter-)Versorgung ermöglichen kann. Interdisciplinary emergency departments are faced with the great challenge of a continuously increasing number of patients, limited personnel, space and material resources and the necessity of an all time guaranteed emergency treatment of ill patients. Unannounced vital threatened and time critical patients represent in this case the largest medical and organizational challenge. Appointments by telephone of this often critically diseased or injured emergency patients supplied by emergency medical services takes place, but preclinical details submitted are often insufficient and with a high variability in quality and quantity. The Krefeld model „Anmeldebogen für Notfallpatienten“ based on the MANDAT-RD shows that a uniform, structured registration form for critically ill patients minimizes the possible loss of information and allows the receiving hospitals a timely and patient-oriented preparation for a seamless (further) care.
EV096 Selbstbestimmungsrecht und Notfallmedizin G. Duttge1 1Georg-August-Universität Göttingen, Zentrum für Medizinrecht, Göttingen, Deutschland De jure haben Patienten selbst bei vitaler Indikation das Recht, ein ärztliches Therapieangebot aus beliebigen persönlich-privaten Gründen abzulehnen. Im Fall ihrer Einwilligungsunfähigkeit sieht die Rechtsordnung zur Durchsetzung des Selbstbestimmungsrechts das Instrument der Patientenverfügung sowie die Entscheidung von Stellvertretern (Gesundheitsbevollmächtigte oder Betreuer) vor, letztere sowohl zur Interpretation und Durchsetzung des tatsächlich Verfügten als auch – bei Fehlen einer schriftlichen Vorgabe – zur Ermittlung des „mutmaßlichen Willens“ (vgl. §§ 1901a, b BGB). In akuten Notfallsituationen wird es jedoch regelmäßig an den nötigen Informationen bzw. Informationsträgern fehlen, um den hypothetisch-individuellen Willen des jeweiligen Patienten zu erfassen. In dieser Konstellation ist deshalb lebhaft umstritten, ob bzw. wie das Selbstbestimmungsrecht im Widerstreit zu lebenserhaltender Fürsorge noch Anerkennung finden kann. Der deutsche Gesetzgeber hat hierfür auch im zuletzt verabschiedeten Patientenverfügungsgesetz keine Regelung getroffen (anders § 12 öPVG). Muss der Patient, dessen Wünsche in der Akutsituation niemand kennt, dann sterben?
EV097 Palliative Konzepte in der Notfallmedizin F. Nauck1 1Universitätsmedizin Göttingen, Abteilung Palliativmedizin, Göttingen, Deutschland Notfallmedizin bedeutet eher Maximaltherapie, Lebensrettung oder Reanimation mit dem Ziel, eine kritische Krankheitsphase zu überbrücken. Dies in der Hoffnung, dass der Patient überlebt und die Behandlung zu einer „restitutio ad integrum“ führt. Jedoch ist den Behandelnden z. B. in der Tag- und Nachtaufnahme bewusst, dass Notfall + Rettungsmedizin Supplement 1 · 2011
| 17
Abstracts Heilung und damit das gewünschte Therapieziel nicht für jeden Patienten erreichbar und der Ausgang einer notfallmäßigen Behandlung bei schwerer Erkrankung häufig nicht vorhersehbar ist. Wird bereits in der Notaufnahme deutlich, dass ein kurativer Ansatz nicht mehr möglich ist und die notfallmäßigen und intensivmedizinischen Maßnahmen aussichtslos sind, muss der Einsatz dieser Maßnahmen besonders kritisch hinterfragt werden, um Patienten nicht der Gefahr einer Übertherapie am Lebensende auszusetzen. Therapieentscheidungen im Rahmen der Behandlung schwerstkranker und sterbender Patienten in der Notfallmedizin stehen im Spannungsfeld von medizinischer Indikation, ethischen Fragestellungen und rechtlichen Vorgaben. Dies ist besonders relevant, wenn die Behandlungspräferenzen von Patienten nicht bekannt sind oder diese den ethischen Grundüberzeugungen der Behandelnden widersprechen. Schwierigkeiten bei der Prognosestellung oder bei der Beurteilung, ab wann ein unumkehrbarer Sterbeprozess beginnt, können zu Behandlungssituationen führen, die auch einer ethischen Diskussion bedürfen. Für die Reflexion und Bearbeitung medizinethischer Fragestellungen wird die Auseinandersetzung mit Begriffsdefinitionen, medizinethischen Prinzipien, dem beruflichen Selbstverständnis, der Sterbebegleitung und mit Methoden der moderierten Problemlösung empfohlen. Es ist eine Herausforderung für jeden Arzt, den Zeitpunkt zu erkennen, zu dem eine Behandlung aussichtslos ist und über eine Therapiezieländerung, die auch den Abbruch einer Behandlung umfassen kann, nachzudenken. Der klinische Alltag zeigt jedoch, dass eine Entscheidung für die Fortführung einer Behandlung oder die Anordnung einer erneuten Diagnostik uns Ärzten leichter fällt als eine Entscheidung hin zu einer Therapiezieländerung, die auch bedeutet, sich mit Sterben und Tod auseinanderzusetzen. Palliativmedizinische Konzepte umfassen auch in der Notfallmedizin und Notaufnahme eine umfassende und frühzeitige Schmerztherapie und Symptomkontrolle, Leidenslinderung, offene Kommunikation, Aufklärung und Übermittlung schlechter Nachrichten, intensive Patienten- und Angehörigenbegleitung und Auseinandersetzung in Grenzbereichen des Lebens und der Medizin sowie Entscheidungsfindung in schwierigen ethischen Fragestellungen. Sie sollen zur richtigen Zeit die jeweils beste, ethisch und medizinisch gebotene Behandlung im Sinne des Patienten gewährleisten. Der aktuell erklärte Wille des Patienten ist für die Behandler bindend. Die Auseinandersetzung mit den Wünschen und dem Willen des Patienten und Fragen einer etwaigen Therapiezieländerung oder Begrenzung der therapeutischen Maßnahmen erfordern ein hohes Maß an medizinischer und kommunikativer Kompetenz sowie klinischer Abwägung. Hier können Palliativdienste mit ihren multidisziplinären Teams und spezifischen Angeboten für schwerkranke und sterbende Menschen eine große Unterstützung darstellen.
EV098 Therapiebegrenzung aus medizinischer Sicht H. Prange1 1Universitätsmedizin Göttingen, Neurologische Universitäts-Klinik, Göttingen, Deutschland Der Notarzt hat folgende ethischen und rechtlichen Regelungen bei seiner Tätigkeit zu berücksichtigen: 1. Ihm kommt eine Garantenpflicht zu: Er ist aufgrund seiner besonderen Stellung und Verantwortung dem Wohl der mutmaßlich geschädigten Person verpflichtet (§ 13 StGB). 2. Eine Therapie gegen den Willen eines Patienten erfüllt den Grundtatbestand einer Körperverletzung entsprechend § 223 StGB. Bei Bewusstseineingeschränkten oder entscheidungsunfähigen Patienten entspricht ein Betreuer dem „alter Ego“ des Patienten. Er sichert auf der Basis des mutmaßlichen Willens des Patienten die Behandlungsgrundlage.
18 |
Notfall + Rettungsmedizin Supplement 1 · 2011
3. Liegt bei einwilligungsunfähigen Patienten keine Betreuung vor, dann kann der Arzt gemäß § 34 (Nothilfe) oder § 32 StGB (Notwehr) die Behandlung nach gründlicher Rechtsgüterabwägung (Beachtung der „Freiheit zur Krankheit“) selbst festlegen. Die eingeleitete Maßnahme muss (im Nachhinein) vom Betreuungsgericht genehmigt werden. 4. Liegt nach ärztlichem Urteil keine medizinische Indikation für lebenserhaltende oder -verlängernde Maßnahmen vor, darf der Arzt von sich aus solche Maßnahmen unterlassen. Hierzu bedarf es weder der Einwilligung des Betreuers, noch einer Genehmigung durch das Betreuungsgericht. Dem Wunsch des Patienten oder dessen Betreuers nach Therapieabbruch oder -begrenzung hat der behandelnde Arzt Folge zu leisten. Bei diskrepanten Einschätzungen kann das Betreuungsgericht befragt werden. Für den Behandelnden ergeben sich folgende Entscheidungssituationen: a) Therapie-Verweigerung (Nichtaufnahme auf der Intensivstation), b) Therapie-Abbruch (Abbruch der laufenden Intensivbehandlung, z. B. durch Beendigung der Beatmung), c) Therapie-Reduktion (Abbau der laufenden Therapie z. B. der Katecholamine), d) Therapiebegrenzung (keine neuerliche Reanimation, keine Organersatz-Therapie, keine Antibiotikagabe bei Infektion). Medizinethisch ergeben sich bei diesen Entscheidungen keine Unterschiede. Der Abbruch einer nicht mehr indizierten bzw. nicht mehr vom Patienten eingewilligten Therapie mit in Kauf genommener Todesfolge erfüllt nicht den Tatbestand der Tötung auf Verlangen. Dennoch bedeutet das klare Wissen um die unausweichliche Verknüpfung der Todesfolge mit der Therapieverzichtsentscheidung eine erheblich psychologische Belastung für den Ausführenden. Zu beachten ist aber, dass die Gewissensfreiheit des Arztes kein dem Selbstbestimmungsrecht des Patienten übergeordnetes Recht ist. Die Beendigung einer Therapie ist somit genauso eine ärztliche Aufgabe wie ihre Initiierung. Die Bereitschaft zu ihrer Umsetzung muss als ärztliche Aufgabe entwickelt werden, ohne dass die Grenze zur aktiven Tötungshandlung je überschritten werden darf.
EV099 Arzthaftung im medizinischen Notfall C. Wohlers1 1Schlichtungsstelle für Arzthaftpflichtfragen der norddeutschen Ärztekammern, Hannover, Deutschland Schlichtungsstellen und Gutachterkommission wurden von den Ärztekammern in den 1970er Jahren eingerichtet, um Streitigkeiten zwischen Patienten und Ärzten über die Behandlung beizulegen. Darüber hinaus möchte die Schlichtungsstelle für Arzthaftpflichtfragen der norddeutschen Ärztekammern in Hannover (Norddeutsche Schlichtungsstelle) auch zur Vermeidung von Behandlungsfehlern und Schäden beitragen. Für den Arzt stellen daher die Ergebnisse der Verfahren der Schlichtungsstelle eine wichtige Orientierungshilfe dar, zu erkennen, in welchem Bereich seines Fachgebietes Fehler und Schäden auftreten. Aus diesem Grund sollten die aus den abgeschlossenen Verfahren der Schlichtungsstelle gewonnenen Erkenntnisse den Ärzten bekannt gemacht werden. In diesem Vortrag geschieht dies bezüglich der Fehlerschwerpunkte in der Notfallmedizin. Diese sind insbesondere im Bereich der Befunderhebung zu sehen, bei der es durch die höchstrichterliche Rechtsprechung in vielen Fällen zu einer Beweislastumkehr zugunsten der Patientenseite kommt. An einzelnen Fallbeispielen, werden neben den Fehlern auch die beweisrechtlichen Folgen dargestellt und diskutiert.
A050 Rechtliche Problemstellungen in der Notaufnahme – Handlungsleitfaden zum Umgang mit alkoholisierten Patienten, Kindern und Ermittlungsbehörden
EV102 Qualifiziertes Pflegepersonal für Notaufnahmen gewinnen und halten – Was können Notfallaufnahmen von Magnetkrankenhäusern lernen?
S.Hölzl1 1Hölzl Rechtsanwälte, Dez. MedR, Viersen, Deutschland
W. Droste1 1Klinikum Niederberg, Qualitäts- und Patientenprozessmanagement, Velbert, Deutschland
In Fortsetzung unseres Vortrags „Juristische Fallstricke in der Notaufnahme" im Rahmen der letztjährigen 5. Jahrestagung der DGINA in Aachen beschäftigt sich der Vortrag mit praktischen Fallfragen, die seitens diverser Mitglieder an uns herangetragen wurden. Der Vortrag skizziert die Haftungsrisiken im Umgang mit alkoholisierten Patienten und basiert auf einem entsprechenden Handlungsleitfaden, der den Umgang mit alkoholisierten Patienten erleichtern soll, indem Untersuchungsnotwendigkeiten aufgestellt werden und rechtliche Anforderungen zur Minimierung des Haftungsrisikos von der Einlieferung des Patienten bis hin zu dessen gefahrloser Entlassung aufgezeigt werden. Im Umgang mit Kindern zeigen sich immer wieder Probleme, die besonders im Zusammenhang mit der notwendigen Einwilligung der Eltern als gesetzliche Vertreter stehen. Hier soll der Vortrag verdeutlichen, welche Voraussetzungen gegeben sein müssen, um etwa gegen den ausdrücklich erklärten Willen der Eltern handeln zu können bzw. zu müssen. Die Thematik kreist insoweit um Fragen der Behandlungsverweigerung durch die Eltern, deren alleinige oder gemeinschaftliche Vertretungsbefugnis und die Möglichkeiten, die Tätigkeit in der Notaufnahme nach einem Leitfaden zu bestimmen, der das Haftungsrisiko zu minimieren imstande ist. Schließlich behandelt der Vortrag noch den Umgang mit Ermittlungsbehörden. Maßgeblich werden Fragen der Haftfähigkeitsprüfung ebenso angesprochen wie solche, die die Möglichkeiten der Polizei oder der Staatsanwaltschaft anbelangen, die diensthabenden Ärzte in der Notaufnahme zu Behandlungen und Maßnahmen zur Beweissicherung zu zwingen. Hier wird aufgezeigt, in welchen Konstellationen und aufgrund welcher rechtlichen Anforderungen behördlichen Anweisungen Folge zu leisten ist. Praxisrelevant sind hier etwa polizeiliche Ermittlungen im Zusammenhang mit Bodypackern oder sonstige seitens der Polizei gewünschte Eingriffe zur Beweiszwecken.
EV100 Personalbemessung in der Notaufnahme. Anspruch und Wirklichkeit M. Friesdorf1, W. Behrend1 1Universitätsmedizin Göttingen, Interdisziplinäre Notaufnahme, Tagespflege/Nachtaufnahme, Göttingen, Deutschland Für eine optimale Personalbemessung in der Notaufnahme gibt es eine Menge relevanter Einflussfaktoren. Ein Faktor ist der definierte Versorgungsauftrag – handelt es sich um eine Klinikum der Maximalversorgung, ist die benötigte Personalausstattung mit examinierten Pflegekräften höher einzustufen, als z. B. in einem Haus der Grund- und Regelversorgung. Welcher Anspruch wird an ein Haus der Maximalversorgung gestellt – jederzeit eine maximal Versorgung der unterschiedlichen Krankheitsbilder ohne lange Wartezeit zu erbringen. Es gibt Forderung nach einer idealen ärztlichen und pflegerischen Therapie, mit einem Wunsch nach maximaler Diagnostik. Das Team in einer Notaufnahme muss sich eine hohe Fachkompetenz erarbeiten, Sicherheit in der Arbeit zeigen, jeder einzelne Mitarbeiter muss teamfähig sein, sowie physische und psychische Belastungssituationen bewältigen. Wie sieht die Wirklichkeit aus? In den letzten Jahren wurden Stellen gekürzt, der demografische Wandel wird immer bewusster, die Zunahme von pflegefremden und patientenfernen Tätigkeiten nimmt zu. Hierzu stellt sich die Frage, ob und wie viel Pflege am Patienten es in einer Notaufnahme geben sollte? Das Deutsche Krankenhausinstitut ordnet die Notaufnahme dem Bereich der Funktion zu (DKI 2009). Es ist wünschenswert, eine Methode der Personalbemessung zu finden, die dem Leistungsspektrum Notaufnahme entspricht.
Vor dem Hintergrund des Mangels an Pflegefachkräften in Deutschland bei gleichzeitiger Steigerung der Fallzahlen in den Notaufnahmen und zunehmender Komplexizität der Aufgaben, befinden wir uns in einem Verteilungskampf bei der Gewinnung von qualifizierten Pflegekräften. In verschiedenen Untersuchungen wurde der Frage nachgegangen, wieso bestimmte Kliniken keine, hingegen andere, vergleichbare Einrichtungen, erhebliche Probleme bei der Gewinnung und dem Verbleib von Personal haben. Trotz des allgemeinen Mangels an qualifiziertem Personal wirken einige Krankenhäuser auf Pflegende wie Magneten. Was machen diese Krankenhäuser anders als andere, und was können Notaufnahmen von ihnen lernen um qualifiziertes Personal gewinnen und halten zu können? Weiterhin wird in dem Vortrag darauf eingegangen wie die Attraktivität der Notaufnahmen für qualifizierte Nachwuchskräfte gesteigert werden kann.
EV103 NENA. Eine umfassende Fachweiterbildung nach dem Curriculum der DGINA aus Sicht ihrer Teilnehmer *D. Riedl1, J. Hoymann2 1Stadtkrankenhaus Korbach gGmbH, Zentrale Aufnahme, Korbach, Deutschland, 2Kaiserwerther Diakonie Florence-Nightingale-Krankenhaus, Notaufnahme, Düsseldorf, Deutschland Im Rahmen des Qualitätsmanagements und dem immer mehr zunehmenden Ärztemangel, wird der Qualifikation der Pflegefachkräfte in den Notaufnahmen immer mehr Bedeutung zukommen. Vor diesem Hintergrund sind umfassende Weiterbildungen die dem Pflegepersonal in der Notaufnahme ein tiefgreifendes Fachwissen für einen so wichtigen Bereich vermitteln umso wichtiger. Eine solche Fachweiterbildung qualifiziert Pflegefachkräfte zu Fachpflegekräften, die dann Ärzte so unterstützen können, dass durch standardisierte Verfahren wie Ersteinschätzung und intensive Schulung zu Symptomen bei den häufigsten Notfallsituationen eine schnellstmögliche Behandlung für die betroffenen Patienten gewährleistet ist. Auch eine rechtliche Absicherung für die Tätigkeiten des Pflegepersonals der Notaufnahme ist bei einer solchen Fachweiterbildung nicht unerheblich. Die Fachweiterbildung NENA, an der Akademie für Gesundheitsberufe in Wuppertal, wurde anhand des von der DGINA erstellten Curriculums für eine solche Weiterbildung entwickelt. Zusammen mit der AG Pflege der DGINA ist es der AfG gelungen, eine Fachweiterbildung zu entwickeln, die mit 720 Theoriestunden in Deutschland einzigartig ist. Die Fachweiterbildung NENA vermittelt theoretisches und praktisches Wissen zu allen Bereichen einer ZNA; angefangen von Kommunikation sowie Organisation und RessourcenManagement über qualifizierte Ersteinschätzung bis zur routinierten Behandlung von Schockraumpatienten.
Notfall + Rettungsmedizin Supplement 1 · 2011
| 19
Abstracts EV106 Krisenmanagement der EHEC-Infektion in der Notaufnahme F. Sayk1 1Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Medizinische Klinik I, Lübeck, Deutschland Ein Ausbruch infektiöser Durchfallerkrankungen in der Normalbevölkerung ist hinsichtlich seiner Kinetik und Größendimension zunächst unkalkulierbar. Hinzu kommen Hygieneaspekte, so dass MANV-Strategien wie das Einrichten von Notersatzstationen auf Korridoren nicht anwendbar sind. Die Notaufnahme nimmt eine zentrale Funktion im Management für das gesamte Klinikum ein. In der interdisziplinären Notaufnahme des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein (UKSH) Campus Lübeck wurden zwischen dem 18.05. und 01.07.2011 ca. 250 mit dem EHEC-Ausbruch assoziierte Patientenkontakte registriert. Mehr als 60% der Patienten wurden primär ambulant geführt, knapp 40% stationär aufgenommen. Die unverzügliche Implementierung eines Maßnahmenbündels nach Bekanntwerden des epidemiologischen Ausmaßes war entscheidend für ein erfolgreiches organisatorisches und medizinisches Management, um Notfallversorgung mit ambulant-hausärztlicher Nachsorge und stationärer Versorgung zu vernetzen. Die Maßnahmen betrafen u. a. standardisierte diagnostische und therapeutische Protokolle, Hygiene, Logistik, Koordination mit Gesundheitsbehörden, KV-Ambulanz und niedergelassenen Kollegen sowie stationäre Behandlungskapazität. Der Vortrag diskutiert diese Maßnahmen kritisch. Neben zahlreichen „klassischen“ Fällen (40% EHEC-positiv) mussten zunehmend auch verunsicherte Bürger mit unspezifischen Diarrhöen versorgt werden (60% EHEC-negativ). Der Vortrag umfasst erste Vergleiche der klinischen Präsentation in der Notaufnahme von im Verlauf EHEC-positiv vs. -negativ getesteten Patienten. Die Diskriminierungsschärfe etablierter Diarrhö-Risikoscores wird untersucht.
EV107 Notfallalgorithmus. Hochinfektiöse Patienten in der ZNA C. Pietsch1 1Krankenhaus Barmherzige Brüder, Notfallzentrum, Regensburg, Deutschland Die Prävention nosokomialer Infektionen und die Vermeidung einer Übertragung von Krankheitserregern von einem Patienten auf den anderen stellen eine große Herausforderung in der Versorgung von Patienten in Notaufnahmen dar. Die allgemeine Versorgungssituation in diesen Einrichtungen ist gekennzeichnet durch einen häufigen Patientenwechsel mit nicht selten reduzierten Reinigungsmöglichkeiten zwischen den Behandlungen zweier Kranker. Gleichzeitig warten Patienten häufig längere Zeit ohne Absonderung in einem gemeinsamen Wartebereich, bevor sie als infektiös erkannt werden. Um eine Gefährdung anderer Patienten zu vermeiden und auch das eingesetzte medizinische und nicht-medizinische Personal in einer Notaufnahme vor einem Kontakt mit einem hochinfektiösen Patienten zu schützen ist das frühzeitige Erkennen eines möglicherweise infektiösen Patienten erforderlich, um in angemessener Zeit Isolationsmaßnahmen ergreifen zu können. Dazu wurde ein Algorithmus ermittelt, der es den ersten Ansprechpartnern der administrativen Aufnahme bzw. dem triagierenden Pflegepersonal anhand einfacher Abfragekriterien erlaubt, verdächtige Patienten zu erkennen und geeignete Isolationsmaßnahmen einzuleiten. Die wesentlichen Abfragepunkte sind: – bekannter multiresistenter Erreger oder Verdacht nach Empfehlungen der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention am RKI (KRINKO)*, – Erbrechen und/oder Durchfall, – Fieber (in Zusammenhang mit: Zeichen eines Atemwegsinfektes oder Kopf-/Nackenschmerzen oder Reise in Endemiegebiet für hämorrhag. Fieber), – bekannte oder V. a. offene TBC.
20 |
Notfall + Rettungsmedizin Supplement 1 · 2011
Wird eine dieser Fragen positiv beantwortet, werden Isolationsmaßnahmen eingeleitet. Dabei hängt die konkrete Vorgehensweise einer Isolation oder Absonderung betroffener Patienten von den örtlichen Gegebenheiten und der Art der vermuteten Erkrankung ab und soll nicht Bestandteil dieses Algorithmus sein. Vielmehr müssen diese Maßnahmen bereits im Vorfeld geplant und bekannt sein, um jederzeit, im Sinne einer „disaster preparedness“ gewappnet zu sein. Literatur *RKI: Empfehlung zur Prävention und Kontrolle von Methicillin-resistenten Staphylococcus-aureus-Stämmen (MRSA) in Krankenhäusern und anderen medizinischen Einrichtungen. Mitteilung der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention am RKI. Bundesgesundheitsblatt – Gesundheitsforschung – Gesundheitsschutz 1999; 42:954–958
EV111 Priorisierung in der Medizin. Priorisierung und Rationierung aus ökonomischer Sicht R. Sibbel1 1Frankfurt School of Finance & Management gGmbH, Institute for International Health Management, Frankfurt a. M., Deutschland Die Diskussion zu Priorisierung, Rationierung und Rationalisierung in der Medizin schwankt zwischen unausweichlicher Notwendigkeit einerseits und skandalösem Tabubruch andererseits. Der Vortrag wird die zentralen Hypothesen der Diskussion aus ökonomischer Sicht aufbereiten, die zentralen Grundfragen dahinter herausarbeiten und Voraussetzungen sowie Umsetzungsaspekte für die unterschiedlichen Ansatzpunkte aufzeigen.
EV113 10 Jahre CPR-Guidelines. Pathophysiologie, Daten, Empfehlungen. Eine Standortbestimmung zur Reanimation J. Grüttner1 1Universitätsmedizin Mannheim, Medizinische Fakultät der Universität Heidelberg, Zentrale Notaufnahme, Mannheim, Deutschland Die Überlebenschancen reanimierter Patienten sind seit vielen Jahren nahezu unverändert schlecht. Im Jahre 2000 wurden von AHA, ERC und ILCOR erstmals international gültige Leitlinien zur kardiopulmonalen Reanimation vorgelegt. Revisionen erfolgten in den Jahren 2005 und zuletzt 2010. Seitdem wurde eine Vielzahl klinischer, pharmakologischer und technischer Faktoren hinsichtlich ihres Nutzens bei kardiopulmonaler Reanimation untersucht. Im Vordergrund der wissenschaftlichen Betrachtung standen neben Mortalitätsdaten wichtige pathophysiologische Messgrößen wie etwa der koronare Perfusionsdruck. Eine Neubewertung erfolgte in diesem Zusammenhang in Bezug auf die Thoraxkompression, die mit neuen zeitlichen Vorgaben und optimal wenigen Unterbrechungen durchgeführt werden soll. Die Bedeutung der Beatmung im Rahmen der Basismaßnahmen ist hingegen herabgestuft worden. Neu evaluiert wurde die Defibrillation vor allem in Hinsicht auf die notwendige zeitliche Abfolge bei Eintreffen des Rettungsteams sowie in Bezug auf neue technische Entwicklungen (biphasischer Modus, AED-Strategien). Pharmakologisch stehen Adrenalin und Amiodaron unverändert im Fokus der Empfehlungen. Andere medikamentöse Optionen wie Vasopressin und Atropin haben den Erkenntnissen nicht standgehalten und sind in den aktuell revidierten Leitlinien nicht mehr enthalten. Untersucht wurden ferner neue Techniken der Atemwegshilfe (Larynxtubus und -maske) sowie alternative Zugangswege bei schwierigen Venenverhältnissen (intraossär). In Bezug auf die Postreanimationsphase hat sich vor allem die therapeutische Hypothermie bewährt und in den Empfehlungen mit erweiterter Indikation etabliert. Die Empfehlungen zur Akut-Thrombolyse hingegen wurden nach Datenlage auf die Diagnose Lungenembolie eingeschränkt.
Insgesamt sind die Empfehlungen zu den Basismaßnahmen bzw. erweiterten Maßnahmen bei kardiopulmonaler Reanimation im Verlauf der beiden Revisionen einfacher und somit anwenderfreundlicher geworden.
A055 Nephroprotective effects of therapeutic hypothermia after cardiopulmonary resuscitation P. Korsten1, N. Grote1, U. Nagorsnik1, L. Schrempf1, *S. Blaschke1 1University Medical Center Göttingen, Interdisciplinary Emergency Care Unit, Dept. of Nephrology and Rheumatology, Göttingen, Deutschland Introduction. Introduction of mild therapeutic hypothermia (32–34°C for 12 or 24 h) after cardiac arrest and cardiopulmonary resuscitation (CPR) has clearly been shown to improve patients’ survival and neurological outcome in two randomized multicenter trials. Study results led to the implementation of mild therapeutic hypothermia (MTH) into the International Liaison Committee on Resuscitation (ILCOR) recommendations since 2003. Neuroprotective effects of therapeutic hypothermia after cardiac arrest have been analyzed in both clinical and basic research studies. Results revealed that mild hypothermia leads to the inhibition of neuronal apoptosis as well as a significant reduction of oxygen consumption and cellular metabolism. However, little is known about short- and long-term effects of therapeutic cooling after CPR on renal function and outcome of survivors. Methods. In this retrospective analysis, 52 patients receiving mild hypothermia after (pre)hospital CPR were included. Renal outcome data were assessed for patients admitted to the Interdisciplinary Emergency Care Unit of the University Medical Center Göttingen from January 2009 until December 2010. Patient records were analyzed with respect to renal function parameters (creatinine, cystatin C, glomerular filtration rate) during the course of inpatient treatment until discharge or death. Results were compared with 48 age- and sex-matched control cases of patients after (pre)hospital CPR prior to the implementation of mild therapeutic hypothermia into international treatment guidelines (January 2000 to December 2001). Results. Patients receiving mild therapeutic hypothermia had a significantly better renal outcome: The prevalence of acute renal failure after cardiopulmonary resuscitation was significantly lower in the MTH group compared to the normothermic control group (p<0.05). Furthermore, during the course of inpatient treatment the duration of acute renal failure was significantly shorter in the MTH group than in the control group (p<0.01). In addition, significantly less patients in the MTH group were discharged with chronic renal insufficiency in comparison to the normothermic control group (p<0.05). Of 52 patients in the MTH group, 51% survived compared to 38% in the normothermic control group. As expected neurological deficits were detected more often in the normothermic control group (p<0.05). Discussion. Retrospective data analysis revealed that mild therapeutic hypothermia leads to a significant better survival and neurological outcome, but may also exert nephroprotective effects after cardiopulmonary resuscitation. These results further support the evidence for implementation of therapeutic cooling into standard management guidelines after resuscitation.
EV117 Sepsis – Welche Antibiotikatherapie ist sinnvoll? C. Dodt1 1Städtisches Klinikum München Bogenhausen, Präklinik, München, Deutschland Der Erfolg einer Sepsistherapie hängt entscheidend von einer Sanierung des Infektionsfokus ab. Dabei spielt die antibiotische Therapie eine Schlüsselrolle. Diese muss frühzeitig initialisiert (<60 min) und zielgerichtet sein und stellt dann einen wichtigen mortalitätssenken-
den Faktor dar. Bei der Wahl des Antibiotikums ist der vermutete Infektionsfokus ebenso wichtig wie vorangegangene antibiotische Behandlungen, der Immunstatus und die Vorerkrankungen des Patienten sowie die lokale Resistenzlage für die häufigsten Erreger. In den meisten Fällen ist der verursachende Erreger nicht auf den ersten Blick offensichtlich oder über Schnelltests zu bestimmen. Dann empfiehlt sich nach der Gewinnung von Material für die Keimbestimmung die empirische Gabe von Breitspektrumantibiotika mit grampositiver und gramnegativer Wirkung. Welche initiale Antibiotikatherapie bei einer schweren Sepsis mit unbekanntem Keim gewählt werden sollte, ist nach Kriterien der evidenzbasierten Medizin im Wesentlichen eine Expertenmeinung. Da schwere gram-positive Infektionen eine hohe Mortalität aufweisen, sollte am Beginn der Therapie eine sichere Wirksamkeit gegen Staphylokokken erreicht werden, insbesondere bei Patienten, die eine MRSA-Besiedlung aufweisen könnten, empfiehlt sich die Gabe von Vancomycin. Die Wahl des Kombinationspräparats zur Abdeckung des gram-negativen Spektrums richtet sich nach der Wahrscheinlichkeit, ob ein Pseudomonasinfekt vorliegen könnte. Ist dies unwahrscheinlich bieten sich 3- oder 4-Generationscephalosporine, β-Lactam Antibiotika mit β-Lactamasehemmern oder Carbapeneme als Kombinationspartner an. Bei Verdacht auf eine Pseudomonasinfektion ist die Kombiation mit zwei Präparaten mit Pseudomonaswirksamkeit (Ceftazidim, Carbapenem, β-Laktam Antibiotikum mit β-Laktamasehemmer, Fluorchinolon, Aminoglykosid, Monbactam) geboten. Wichtig für die Erstgabe ist, neben der frühestmöglichen Gabe, hohe Initialdosen zu wählen, um rasch hohe Wirkspiegel zu erreichen.
EV120 Ich sehe was, was Du nicht siehst. CO2-Narkose T. Plappert1 1Hanse-Klinikum Wismar, Notaufnahme, Wismar, Deutschland In den letzten 20 Jahren kam es in der Intensivmedizin zunehmend zu einer differenzierteren Betrachtung von Patienten mit Gasaustauschstörungen. Dabei muss zwischen hypoxischem Atemversagen durch Diffussionsstörungen z. B. im Rahmen von Parenchymschädigungen und einem hyperkapnischem Atemversagen durch Versagen der muskulären Atempumpe differenziert werden. Ein Versagen der Atempumpe stellt dabei die Indikation zur nichtinvasivem Beatmung (NIV). Mit ihrer Anwendung konnte eine erhebliche Reduktion von Morbidität und Mortalität in einem von zahlreichen Komorbiditäten geprägten Patientenkollektiv erreicht werden. Durch eine knappe Darstellung der relevanten Pathophysiologie können Indikation und Kontraindikationen abgeleitet werden. Weiterhin wird anhand der Darstellung der aktuellen Literatur und Evidenzlage eine grundlegende Handlungskompetenz für die Tätigkeit in der Zentralen Notaufnahme vermittelt.
EV124 EM-Resources im www L. Lomberg1 1Helios Klinikum Wuppertal, Interdisziplinäres Notfallzentrum, Wuppertal, Deutschland Klinische Notfallmedizin ist im deutschsprachigen Raum eine neue Fachdisziplin mit noch geringer Lobby aber großem Potenzial. Die Breite des Fachgebietes und der hohe Anteil handwerklicher Untersuchungstechniken prädestinieren das Fachgebiet für eine Weiterbildungsweise, die sich von dem was wir während unserer Hochschulausbildung gelernt haben deutlich unterscheidet. Das Eigenstudium war in der Vergangenheit im Wesentlichen von Lehrbüchern und Fachzeitschriften geprägt. Durch die Möglichkeiten des Web 2.0. wurde das Weiterbildungsarsenal jedoch enorm erweitert. Das Spektrum reicht hierbei vom Online-Zugriff auf altbewährte Medien wie Videos und Notfall + Rettungsmedizin Supplement 1 · 2011
| 21
Abstracts Powerpoint-Präsentationen bis hin zu gänzlich neuen Formaten wie Blogs, Podcasts und fachlicher Kommunikation in Social Networks. Hierbei verschwimmt die Grenze zwischen Arbeit und Freizeit zunehmend, was sich vielfach positiv auf die individuelle Weiterbildungsbereitschaft auswirkt, zudem können Inhalte multimedial besser in Langzeitgedächtnis und unbewusstes Handeln überführt werden. Die verschiedenen Kommunikationsformen des Web 2.0 ermöglichen einen langsamen Übergang vom kostenpflichtigen Inhalt medizinischer Fachzeitschriften, der von Wenigen für Wenige generiert wird, zu einem horizontalen kostenfreien demokratischen Erfahrungsaustausch durch Generierung und Diskussion der Inhalte durch Viele für Alle. Der Vortrag gibt hierzu einen kurzen Überblick und konkrete Empfehlungen verschiedener, zumeist englischsprachiger kostenfreier Formate aus dem Bereich Klinische Notfallmedizin und beschreibt die Vorteile dieser gegenüber den konventionellen Lernmethoden. Für ein junges aufstrebendes Fachgebiet wie die Klinische Notfallmedizin dürfte sich so auch die Möglichkeit ergeben, durch progressive Gestaltung eigener demokratischer Medien Dynamik in den Prozess der vollständigen Anerkennung als eigenes Fachgebiet zu bringen.
EV129 Personalbedarfsrechnung in der Notaufnahme – Ärzte B. Hogan1 1Asklepios Klinik Hamburg-Altona, Zentrale Notaufnahme, Hamburg, Deutschland Nach Darstellung der herkömmlichen Methoden zur Personalbedarfsermittlung zeigt sich, dass für die Zentralen Notaufnahmen in Deutschland hierfür neue Ansätze zu finden sind. Unter Nutzung der Erfahrungen und Berechnungsgrundlagen zur Personalplanung der EDs anderer europäischer Länder, die allerdings einen Facharzt für Notfallmedizin regelhaft in den Emergency Departments einsetzen, wird hier eine neue Formel zur Berechnung des ärztlichen Personalbedarfs in Zentralen Notaufnahmen, zugeschnitten auf deutsche Verhältnisse, dargestellt. Die Zahl von Patienten, die jährlich pro Stunde ärztlich behandelt werden können, wurde auf Basis von Ergebnissen der Befragungen der Deutschen Gesellschaft Interdisziplinäre Notfallaufnahmen kalkuliert. Die Personalberechnung wurde mittels einer neuen, vereinfachten Formel ermittelt, die die fachliche Qualifikationen des ärztlichen Personals und die erforderliche Mindestbesetzung berücksichtigt. Wobei betont wird, dass sich die Facharztquote ebenso wie eine professionelle Organisation der Notaufnahme stark auf den notwendigen Personalbedarf auswirkt.
EV130 Personalbedarfsermittlung in Krankenhäusern der Grund- und Regelversorgung M. Wünning1 1Marienkrankenhaus Hamburg, Zentrale Notaufnahme, Hamburg, Deutschland Die strukturelle Heterogenität sowie differierende Leistungsspektren von Notaufnahmen in Deutschland, erfordern eine jeweils individuelle quantitative wie qualitative Personalplanung und -entwicklung. Grundlegend hierfür ist eine fundierte Personalbedarfsermittlung. Diese kann orientierend über eine tageszyklische Workload-Analyse der Patientenfallzahlen unter Berücksichtigung der Standardabweichung errechnet werden, oder erfolgt nach Auswertung der unterschiedlichen Arbeitsbelastung für Patienten unterschiedlicher Fallschwere. Hier kann ein etabliertes Triagesystem ein mögliches Ermittlungsinstrument sein. Bei der Ermittlung der schichtbezogenen Personalstärke, im ärztlichen wie pflegerischen Bereich, ist jedoch auch die qualitative Verteilung des Personals zu berücksichtigen. Durch die verschiedenen Stufen innerhalb der ärztlichen Ausbildung und die wachsende Anzahl von
22 |
Notfall + Rettungsmedizin Supplement 1 · 2011
medizinischen Assistenzberufen, welche mittlerweile auch in Notaufnahmen eingesetzt werden, zeigt sich eine wechselnde, schwer kalkulierbare Heterogenität von Einzelqualifikationen von Mitarbeitern innerhalb einer Schicht. Hier eine Kontinuität auf hohem fachlichen Niveau zu gewährleisten ist gerade für Krankenhäuser der Grund- und Regelversorgung, welche nicht auf das Spektrum und die Personalstärke von Maximalversorgern zurückgreifen können, eine Herausforderung. Moderne Personalplanung kann hier ein ergänzendes Mittel zur Optimierung sein.
EV131 ATCN Deutschland. Advanced Trauma Care for Nurses M. Dietz-Wittstock1 1Ev.-Luth. Diakonissenanstalt zu Flensburg, Zentrale Notaufnahme/ Aufnahmestation, Zentrum für Gesundheit und Diakonie, Flensburg, Deutschland Seit März diesen Jahres können sich Pflegekräfte in Deutschland in ATCN (Advanced Trauma Care for Nurses) schulen lassen. ATCN ist ein aus den USA kommendes Ausbildungsformat für examinierte Pflegekräfte, die an der Versorgung von Schwerstverletzten beteiligt sind. Es dient der Schulung von prioritätenorientierten Fähigkeiten und Fertigkeiten im Team der Versorgung von Schwerstverletzten. Der Vortrag gibt einen Einblick in das Kursformat.
EV132 QM im System. ZNA Asklepios Klinik Altona J. Mersmann1 1Asklepios Klinik Hamburg Altona, Zentrale Notaufnahme, Hamburg, Deutschland Das systematische Ergreifen von Maßnahmen zur Qualitätssicherung der Behandlungsprozesse respektive der Patientenversorgung gilt nicht erst seit der gesetzlichen Verpflichtung zur Einführung eines einrichtungsinternen Qualitätsmanagements (§ 137 SGB V) als „State of the Art“ in den Krankenhäusern. Zentrale Notaufnahmen sind hierbei insbesondere aufgrund ihres breiten Leistungsspektrums mit ihrer Vielzahl interner wie externer Schnittstellen in besonderem Maße gefordert, ihre organisatorischen Abläufe und medizinisch/pflegerischen Prozesse kontinuierlich zu verbessern, um die Behandlungsergebnisse aller Notfallpatienten (Outcome) so positiv wie möglich zu beeinflussen. Wie allerdings nähert man sich dieser komplexen und vielschichtigen Herausforderung in der Praxis? Eine kurze Antwort darauf könnte lauten: „Mit System!“ Der Beitrag eröffnet Einblicke in die systematische Planung und Steuerung der kontinuierlichen Verbesserungsmaßnahmen der Pflege in der ZNA der Asklepios Klinik Altona, und zeigt zugleich auch einige praktikable Ansätze und Instrumente zur Ergänzung des eigenen Praxis-Werkzeugkoffers.
A043 IT-gestützte Prozessvisualisierung in der ZNA A. Neise1 1Sana Klinikum Remscheid, Zentrale Notaufnahme, Remscheid, Deutschland Besteht eine sinnvolle Kosten-Nutzen-Relation bei IT-gestützter Visualisierung von Prozessen? Wenn ja, worin genau besteht dieser Nutzen? In vielen großen Notfallambulanzen werden Arbeitsabläufe schon ITgestützt erfasst, visualisiert und ausgewertet. Die Programme hierzu sind teilweise in die Krankenhausinformationssysteme integriert, teilweise sind es auch unabhängige Systeme. Die Anforderungen an solche Systeme sind noch nicht klar definiert.
Die Möglichkeiten, die durch solche Programme bestehen, sind oft nicht ausreichend bekannt. Am Beispiel Remscheid (iDash; Magrathea) soll nach knapp 3 Jahren Laufzeit aufgezeigt werden, was die IT-gestützte Visualisierung von Arbeitsabläufen in der ZNA leisten und welche Konsequenzen eine Leitung daraus ziehen kann. Wesentliche Aspekte sind: – akute Ressourcenplanung, – Patientensicherheit, – langfristige Ressourcenplanung, – Beschwerdemanagement, – Kennzahlensysteme. Aufgrund der demonstrierten Beispiele ist ersichtlich, dass es sich bei der IT-gestützten Visualisierung der Prozesse in der ZNA nicht um ein teures Spielzeug, sondern um ein notwendiges Werkzeug handelt.
A028 Erfahrungen mit einer selbsterstellten Organisationssoftware A. Hambrecht1 1Klinikum Mittelbaden- Rastatt, Innere Medizin, Rastatt, Deutschland Für die Organisation einer Notaufnahme ist es elementar zu jedem Zeitpunkt eine Übersicht über die aktuell zu behandelnden Patienten mit ihren Beschwerden, ihrer Behandlungsdringlichkeit, den zuständigen Ärzten u. ä. zu behalten. Trotz verschiedener kommerzieller Anbieter auf dem Markt verwenden viele Notaufnahmen noch immer ein herkömmliches „Whiteboard“ als universelle Informationstafel. Gerade bei kleineren Häusern bzw. Notaufnahmen kann es mehr als schwierig sein, die Verantwortlichen vom Sinn und Zweck einer kostenpflichtigen Software zu überzeugen, die „nur“ die Organisation erleichtert ohne einen direkten monetären Nutzen zu zeigen. Am KKH Rastatt wurde aus dieser Situation heraus eine serverbasierte „open source“-Anwendung beruhend auf PHP und MySQL erstellt, die seit September 2010 alle wesentlichen Informationen zur Verfügung stellt. Durch die universelle Verwendung von Open-Source-Software (Linux, Apache-Server etc.) entstanden keine Lizenzkosten für Einrichtung und Betrieb der Anwendung. Im „digitalen Whiteboard“ stehen dabei neben einer tabellarischen Übersicht über die aktuellen Patienten auch verschiedene raumbezogene Ansichten zur Verfügung, die eine schnelle Übersicht über die wichtigsten Informationen zum jeweiligen Patienten und seinen Aufenthaltsort liefern. Nach Anpassung der Zimmerübersicht an die baulichen Gegebenheiten, kann die Anwendung durch einen Administrator völlig selbständig an die jeweiligen Bedürfnisse vor Ort angepasst werden. Neben der individuellen Hinterlegung einer beliebigen Triage (in Rastatt „MTS“) können z. B. Abteilungs- und Ärztelisten über einfache Menüs eingegeben bzw. verändert werden. Durch die hinterlegte MySQL-Datenbank können verschiedenste Statistiken über Patientenaufkommen, Dringlichkeiten, Wartezeiten u. ä auf Knopfdruck für beliebige Zeiträume erstellt und grafisch dargestellt werden. Vorteil des „digitalen Whiteboards“ ist eine kostenlose, vom KIS und den Datenbanken der Verwaltung vollständig unabhängige Anwendung, die auch bei (passagerem) Ausfall des KIS (z. B. bei Update o. ä.) unbeeinträchtigt Informationen bereitstellt und ungefilterte Echtzeit-Statistiken erstellen kann. Als Limitierung ist v. a. eine fehlende Schnittstelle gegenüber kommerziellen Anwendungen zu beklagen. So können zwar Patientendaten über das KIS ins digitale Whiteboard übertragen werden, eine umgekehrte Kommunikation ist jedoch nicht möglich. Je nach KIS kann dadurch eine redundante Dokumentation notwendig sein. Auch bedarf es einer EDV-Abteilung, die zumindest bereit ist einen virtuellen (Linux-)Server bereitzustellen und zu administrieren. Es wäre zu hoffen, dass durch das Bekanntwerden des Projekts im Rahmen einer „open source“-typischen Entwicklung eine professionellere Anwendung entstehen könnte, die v. a. kleinen und mittleren Notaufnahmen als Unterstützung dienen könnte.
A066 Emerge – sichere und schnelle Hilfe in der Notfallstation B. Eckl1 1Verein Outcome, Zürich, Schweiz Der gelungenen Aufnahme des Patienten ins Krankenhaus kommt im Behandlungsprozess eine wichtige Bedeutung zu. Entscheidend für den Patienten ist das Ergebnis der Behandlung. Outcomedaten – auch aus Patientensicht – helfen zum Informationsgewinn, um die Patientenaufnahme optimal zu gestalten. Der Verein Outcome bietet die Messung „emerge – schnelle und sichere Hilfe in der Notfallstation“ zur Evaluation des Aufnahmegeschehens in der Notfallsituation an. Die Besonderheit der langjährig erprobten Outcome-Messungen liegt darin, dass sie sowohl die Patientenperspektive als auch die der Professionellen abbilden. Die standardisierten Auswertungen werden in Benchmarkingveranstaltungen – gemäß dem „Lernen vom Besten“ – von den teilnehmenden Krankenhäusern diskutiert. Diese Datengrundlage macht es den Kliniken möglich, in ihrem Aufnahmegeschehen Schwachstellen und somit Potenziale für Verbesserungen aufzudecken. Der Fokus bei der Notfallaufnahme liegt neben der Patientenzufriedenheit auf den Bereichen Sicherheit und Geschwindigkeit im Prozess. Die Messung erfolgt mit Hilfe eines Erhebungsbogens, der von Pflegenden und Ärzten auf dem Notfall für jeden Patienten ausgefüllt Notfall + Rettungsmedizin Supplement 1 · 2011
| 23
Abstracts wird. Mit diesem Bogen werden unterschiedliche Zeitpunkte erfasst, z. B. Zeitpunkt Aufnahme ins Krankenhaus, Erstkontakt Arzt oder Entlassung/Verlegung aus der Notfallstation. Neben diesen Zeitpunkten werden Triagierung, Information oder auch Schmerzerfassung erhoben. Der Patientenfragebogen mit über 20 Fragen zu den Bereichen Organisation (Wartezeit, Strukturen der Notfallstation), Information (Aufklärung) und Kommunikation (Freundlichkeit, Respekt) wird am Ende der Versorgung an den Patienten abgegeben. Die Erhebung läuft in der Regel über einen Zeitraum von acht Wochen. In dieser Zeit werden alle stationären und ambulanten Patienten, die über den Notfall eines Krankenhauses eintreten, in die Erhebung aufgenommen. Nach Abschluss der Messung werden die Daten den Krankenhäusern übermittelt. Mit Hilfe der Ergebnisse der emerge-Messung kann jedes Krankenhaus so seinen Notfall evaluieren. Indikatoren, wie z. B. Bestätigung der Dringlichkeitseinstufung oder Erfassen einer Verzögerung im Notfall, zeigen mögliche Schwachstellen auf, die den Bereich der Patientensicherheit betreffen. Berechnungen von Zeitintervallen, wie z. B. Zeit von Aufnahme ins Krankenhaus bis Zeitpunkt Erstkontakt Arzt oder Aufnahme bis Entlassung/Verlegung zeigen die Leistungen im Bereich Geschwindigkeit auf. Eine detaillierte Aufschlüsselung der verschiedenen Zeitpunkte und Intervalle macht es den Krankenhäusern möglich, tief in den Prozess einzusteigen und so ihre Notfallversorgung zu betrachten. In den Benchmarking-Veranstaltungen werden die Ergebnisse der Krankenhäuser untereinander verglichen. Der geschützte Rahmen ermöglicht es den Teilnehmenden, ihre Erfahrungen auszutauschen und ganz offen über ihre eigenen Ergebnisse, Schlussfolgerungen und Maßnahmen zu sprechen. Erfahrungen von Krankenhäusern, welche die Messung „emerge“ bereits einige Male durchgeführt hatten, zeigen auf, dass die Ergebnisse zu Verbesserungsmaßnahmen in der Notfallversorgung geführt haben und sich somit die Zufriedenheit der Patienten erhöht hat. Die Messung wird aktuell weiterentwickelt. Neu hinzugekommene Indikatoren erweitern die Ergebnisse um Bereiche, die in der Notfallversorgung in den letzten Jahren mehr Gewicht erhalten haben. Die Pilotmessung wird momentan abgewickelt. Erste Ergebnisse der weiterentwickelten Messung stehen im Herbst 2011 zur Verfügung.
EV134 Kardioprotektion durch milde Hypothermie H. Post1 1Medizinische Universität Graz, Universitätsklinik für Innere Medizin, Klinische Abteilung für Kardiologie, Graz, Österreich Zahlreiche experimentelle und klinische Arbeiten belegen, dass die Induktion einer milden Hypothermie (MH) nicht nur neuroprotektive, sondern auch kardioprotektive Effekte ausübt. Tierexperimentell ist die MH bei gesunden Schweinen positiv inotrop, vermindert den Gesamtkörpersauerstoffverbrauch um ca. 7%/°C, induziert aber auch eine diastolische Dysfunktion. Diese umfasst eine verlangsamte aktive Relaxation und eine erhöhte passive linksventrikuläre Steifheit. Die positive Inotropie der MH ließ sich auch bei reanimierten Schweinen nachweisen, gleichzeitig beschleunigte MH hier den Abfall des nach Reanimation massiv erhöhten Sympathikotonus. Eine verbesserte systolische LV-Funktion während MH beruht damit nicht auf einer adrenergen Stimulation. Gleichzeitig wurde die durch MH ausgelöste diastolische Dysfunktion durch eine spontane Bradykardie ausgeglichen. In einem Tiermodell des kardiogenen Schocks wurde die „oxygen supply-demand imbalance“ durch den während MH verminderten Stoffwechsel fast vollständig korrigiert. Jüngste Daten zur MH in einem Tiermodell der Sepsis (Injektion von LPS) zeigen im Vergleich zur Normothermie ein völliges Unterdrücken der sympathischen Aktivierung, einen nahezu erhaltenen systemischen Widerstand und ein vollständiges Ausbleiben des während Normothermie in diesem Modell typischen Lungenversagens.
24 |
Notfall + Rettungsmedizin Supplement 1 · 2011
Eine klinische Pilotstudie über den Einsatz der MH beim kardiogenen Schock zeigte einen verbesserten Cardiac Index ohne adverse Effekte. Weitere Studien zum ST-Hebungsinfarkt (STEMI) belegen eine Verminderung der Infarktgröße, wenn die MH vor der Reperfusion eingeleitet werden kann. Hier scheint bereits ein Absenken der Körpertemperatur auf 35,0°C den sog. Reperfusionsschaden wirksam begrenzen zu können. Insgesamt könnte die MH über die Neuroprotektion hinaus eine therapeutische Option sein beim akuten Myokardinfarkt, beim akuten Herzversagen/kardiogenen Schock und möglicherweise auch beim septischen Schock. Ob diese Ansätze tatsächlich das klinische Outcome betroffener Patienten verbessern können, ist Gegenstand aktueller klinischer Studien.
EV136 Prognoseabschätzung nach kardiopulmonaler Reanimation T. Keil1 1Klinikum Bamberg, Interdisziplinäre Notaufnahme und Aufnahmestation, Bamberg, Deutschland Die kardiopulmonale Reanimation stellt an das medizinische Personal hohe Anforderungen. Dabei liegen diese Anforderungen nicht ausschließlich in der praktischen Durchführung der kardiopulmonalen Wiederbelebung und der anschließenden intensivmedizinischen Behandlung. Für diese Bereiche gibt es klar definierte Guidelines und Behandlungsprozeduren, die entsprechend geschult und etabliert werden können. Vielmehr liegt gerade durch die Implementierung der moderaten Hypothermie, als fester Bestandteil der intensivmedizinischen Behandlung nach erfolgreicher kardiopulmonaler Reanimation die Herausforderung darin, valide Aussagen über die weitere Prognose des Patienten zu formulieren. In der „Prähypothermiezeit“ wurden verschiedene Parameter in klinischer, elektrophysiologischer und biochemischer Hinsicht identifiziert und entsprechend validiert, um eine Prognoseabschätzung vorzunehmen. Nach Einführung der Hypothermiebehandlung deuten Untersuchungen darauf hin, dass diese Parameter nunmehr eine geringere Spezifität in Hinblick auf die Prognoseabschätzung besitzen. Es erscheint wichtig, hierzu entsprechende Studien durchzuführen, um besser geeignete Parameter zu finden. Momentan sollten bei allen Therapieentscheidungen die Einschränkungen der verschiedenen Parameter berücksichtigt werden. Der Vortrag versucht einen aktuellen Überblick über die zur Verfügung stehenden Parameter unter Berücksichtigung der oben erwähnten Limitationen zu geben.
EV137 Der Intoxikierte in der ZNA M. Ebbecke1 1Universitätsmedizin Göttingen, Giftinformationszentrum-Nord und Klinisch-toxikologisches Labor, Göttingen, Deutschland Eines der Aufgabenfelder der Giftinformationszentren ist die Risikobewertung und das Risikomanagement von Intoxikationen. Häufig gestellte Fragen zum Umgang mit Vergifteten nach Einlieferung in die Klinik betreffen daher die primäre oder sekundäre Giftentfernungsmaßnahmen, die Gabe von Antidota, und die notwendige Überwachungszeit. Zu den Maßnahmen der primären Giftentfernung zählen die Magenspülung und die Gabe von Aktivkohle. Anlässlich vieler widersprüchlicher wissenschaftlicher Veröffentlichungen zur Wirksamkeit und den Komplikationen dieser Maßnahmen, beschäftigen sich die wichtigsten europäischen und amerikanischen Fachgesellschaften für Klinische Toxikologie seit Jahren intensiv mit diesem Thema. Für keine dieser Maßnahmen besteht eine durch Studien gesicherte Erkenntnis, dass sich durch ihren Einsatz die Prognose von Vergifteten verbessert. Daher sollte keine dieser Handlungen unreflektiert als
Routine angewandt werden. Die Magenspülung mit kann bei potenziell lebensbedrohlichen Intoxikationen innerhalb der ersten Stunde nach Giftaufnahme erwogen werden. Die einmalige Kohlegabe kann eine Stunde nach Aufnahme eines an Kohle bindenden Gifts indiziert sein, wenn ein mittleres bis schweres Vergiftungsbild droht. Sekundäre Gifteliminationsmaßnahmen sollen eine bereits resorbierte Noxe aus dem Blutkreislauf entfernen. Hierzu zählen die wiederholte Kohlegabe, die Urin-Alkalisierung sowie invasive Verfahren wie Dialyse und Hämoperfusion. Die wiederholte Kohlegabe soll den enterohepatischen Kreislauf bei ausgewählten Giftstoffen unterbrechen. Auch hier existieren keine belastbaren Studien, die eine eindeutige Verbesserung des Vergiftungsbilds belegen. Aufgrund vieler Fallberichte und tierexperimenteller Studien kann die wiederholte Kohlegabe nach potentiell lebensbedrohlichen Intoxikationen von Carbamazepin, Dapson, Phenobarbital, Chinin und Theophyllin erwogen werden. Die Urin-Alkalisierung soll die tubuläre Reabsorption von Giftstoffen vermindern und so ihre Ausscheidung erhöhen. Saure Substanzen wie Acetylsalicylsäure (ASS) liegen im leicht alkalischen Primärharn vermehrt ionisiert vor, passieren somit schlechter die Tubuluszellen und werden somit besser ausgeschieden. Indikationen für die Urin-Alkalisierung sind Vergiftungen mit ASS und Phenobarbital, wobei die wiederholte Kohlegabe bei Barbituraten effektiver zu sein scheint. Hinsichtlich Parameter wie Verteilungsvolumen, Plasmaproteinbindung oder Molekülgröße sind Verfahren wie Dialyse oder Hämoperfusion nur bei wenigen Giften erfolgversprechend. Der Dialyse zugänglich sind Salicylate, Lithium und toxische Alkohole wie Methanol und Glykole, wobei für letztere wirkungsvolle Inhibitoren der Alkoholdehydrogenase existieren, die die Giftung dieser Alkohole verhindern können. Es gibt Hinweise, dass die Hämoperfusion erfolgreich bei Vergiftungen mit Phenobarbital sein kann, es existiert aber andererseits keine Untersuchung die zeigt, dass die Hämoperfusion dabei der wiederholten Kohlegabe überlegen ist. Des Weiteren werden Giftinformationszentren mit der Frage nach der notwendigen Überwachung nach Vergiftungen konfrontiert. Diese Frage ist schwieriger zu beantworten als es auf den ersten Blick erscheint. Ein wichtiger Parameter für die Beendigung einer intensivmedizinischen Überwachung wäre, wenn der Serumplasmaspiegel einer Substanz im nichttoxischen Bereich, oder im Fall von Medikamenten im therapeutischen Bereich liegt. Eine solche Abschätzung ist bei vielen Noxen nicht ohne weiteres möglich. Doch selbst ein vorliegender Plasmaspiegel ist nicht immer hilfreich. Medikamente wie das Neuroleptikum Clozapin können bei nicht eingestellten Patienten schon im therapeutischen Bereich für auf Clozapin eingestellten Patienten schwere Vergiftungserscheinungen auslösen. Eine Interpolation bei bekannter Substanzmenge über die Serumhalbwertszeit ist auch nicht erfolgversprechend, da die Toxikokinetik nicht der Phamakokinetik entspricht. Die Toxizität der eingenommenen Substanzen unterscheidet sich erheblich. Einige Medikamente wie trizyklische Antidepressiva sind wegen spät auftretenden Rhythmusstörungen gefürchtet, die längere Überwachungszeiten benötigen. Auch Alter und Vorerkrankungen sind wichtige Parameter, die in die Entscheidungsfindung eingehen müssen. Letztlich spielen viele Faktoren im Zusammenspiel mit der klinischen Symptomatik eine Rolle, wenn es um die Entscheidung geht, wann ein Patient sicher von der intensivmedizinischen Überwachung befreit werden kann.
EV138 Kokain Body Packing A. Schaper1 1Universitätsmedizin Göttingen, Giftinformationszentrum Nord, Göttingen, Deutschland Einleitung. Unter „body packers“ versteht man Drogenkuriere, die mit Kokain gefüllte Kondome oder andere Behältnisse verschlucken, um diese bei einer Flugreise zu schmuggeln. „Body pushers“ führen sich
die mit Drogen gefüllten Behältnisse von rektal oder vaginal ein. Andererseits verschlucken „body stuffers“ Drogenpäckchen, um sie bei einer drohenden Verhaftung als Beweismaterial verschwinden zu lassen. Im Rahmen einer Kooperation zwischen dem GiftinformationszentrumNord und der Airport-Klinik am Frankfurter Flughafen wurde mittels einer retrospektiven Analyse ein Algorithmus für die Behandlung von Patienten mit inkorporierten Kokainbehältnissen erarbeitet. Material und Methoden. Die Daten aller im Zeitraum von 06/1985 bis 06/2001 am Frankfurter Flughafen detektierten „body packers“ und „body pushers“ wurden hinsichtlich zeitlicher Entwicklung, demographischer Daten und klinisch-toxikologischer und chirurgischer Aspekte ausgewertet. Ergebnisse. Von 1985 bis 2001 wurden auf dem Frankfurter Flughafen insgesamt 280 „body pushers“ und 2880 „body packers“ detektiert. 63 Drogenkuriere (2,2%) wurden durch eine schwere Kokainintoxikation in Folge einer Kondomruptur symptomatisch. Bei 20 Patienten (32% der symptomatischen „body packers“) wurde eine notfallmäßige Laparotomie mit Entfernung der Behältnisse durchgeführt. 43 symptomatische „body packers“ (68%) verstarben bevor sie einer chirurgischen Therapie zugeführt werden konnten. Alle 20 laparotomierten Patienten überlebten. Bei den Kokain-“body pushers“ traten, bis auf einen Fall mit einem drohenden mechanischen Ileus, keine schweren Symptome auf. Diskussion. Die schwere Kokainintoxikation kann lebensbedrohlich sein. Die Symptomatik umfasst zentralnervöse, kardiale oder gastrointestinale Komplikationen auf dem Boden einer generalisierten Vasokonstriktion. Es existiert kein spezifisches Antidot. Liegt der Intoxikation ein geplatztes Kokain-Kondom bei einem „body packer“ zugrunde, so besteht die einzige kausale Therapieoption in der notfallmäßigen Laparotomie mit Entfernung der Behältnisse. Die Dramatik dieses Krankheitsbildes kann mit demjenigen eines rupturierten Bauchaortenaneurysmas verglichen werden.
EV140 Chemische Kampfstoffe F. Flesch1 1Hôpitaux Universitaires de Strasbourg, Centre Antipoison et de Toxico vigilance, Straßburg, Frankreich Laut einer Definition der NATO handelt es sich bei chemischen Kampfstoffen um chemische Produkte, deren Ziel darin besteht zu töten, schwer zu verletzen oder Menschen handlungsunfähig zu machen. Seit mehr als hundert Jahren wird versucht, diese Substanzen weltweit zu ächten (Haager Konferenzen von 1899 und 1907, Genfer Protokoll 1925, Pariser Konvention 1993–1997); gelingen wird dies wohl in absehbarer Zeit nicht. Auch vor dem Hintergrund einer potentiell terroristischen Bedrohung ist eine Auseinandersetzung mit dieser Thematik und die Kenntnis von klinischer Symptomatik und spezifischen therapeutischer Maßnahmen (insbesondere Antidota) für Klinische Toxikologen, aber auch Notärzte, relevant. Systematik. Nach dem anatomischen Wirkort lassen sich chemische Kampfstoffe in Nerven-, Lungen-, Haut- und Blutkampfstoffe einteilen. Nervenkampfstoffe. Phosphorsäure-Ester wie z. B. Tabun, Soman, Sarin, VX (Organophosphate; somit chemisch verwandt mit dem Pflanzenschutzmittel Parathion oder E 605). Besonderheiten: Hemmung der Acetylcholinesterase, nicotinerge und muscarinerge Symptome, Überwiegen des Parasympatikus (u. a. Hypersalivation, Tränenfluss, Bronchorrhoe, Bradycardie und Muskelfaszikulationen). Antidota: Atropin und verschiedene Oxime zur Reaktivierung der noch nicht gealterten Cholinesterase. Lungenkampfstoffe. Zum Beispiel Phosgen und Chlorgas. Diese beiden Substanzen waren für 80% der durch chemische Kampstoffe verursachten Todesfälle im Ersten Weltkrieg verantwortlich. Phosgen verfügt über einen charakteristischen Geruch nach Heu und kann nach
Notfall + Rettungsmedizin Supplement 1 · 2011
| 25
Abstracts einem asymptomatischen Intervall zum toxischen Lungenödem führen. Symptomatische Therapie, ein spezifisches Antidot existiert nicht. Hautkampfstoffe. Zum Beispiel Senfgas (engl. „mustard gas“, frz. „ypérite“ nach der Stadt Ypern in Belgien – dort erster Einsatz im Ersten Weltkrieg), arsenhaltige Substanzen wie Lewisit (Antidot BAL – British Anti Lewisite). Besonders betroffen sind sehr dünne Areale der Haut (Mazeration von Axilla und Genitalbereich); als Folgeschaden charakteristische Melanodermie; kein spezifisches Antidot gegen Senfgas. Blutkampfstoffe. Zum Beispiel Cyanide (Mechanismus: Bindung an das dreiwertige Eisen und Hemmung der Cytochromoxidase in der Atmungskette, „inneres Ersticken“). Die schwere Vergiftung kann innerhalb weniger Sekunden zum Tod führen. Die leichte Vergiftung ist durch unspezifische Symptome charakterisiert (u. a. Kopfschmerzen, Schwindel, Angstgefühl, Tachykardie). Es existieren verschiedene Antidota: Natriumthiosulfat, DMAP (Dimethylaminophenol), Hydroxocobalamin (bindet äquimolar die Cyanid-Ionen; daher relativ große Mengen – im Grammbereich – erforderlich).
EV141 Vergiftungen bei verschiedenen Altersgruppen H. Kupferschmidt1 1Schweizerisches Toxikologisches Informationszentrum (STIZ), Zürich, Schweiz Einleitung. Akute Vergiftungen unterliegen altersgruppenspezifischen Besonderheiten (Wahl der Noxe, Vergiftungsumstände, Schweregrad der Vergiftung). Giftinformationszentren erfüllen dank ihrer großen Fallzahlen und der Erfassung einer großen Breite verschiedener Arten von Vergiftungen die Voraussetzungen, hier Grundlageninformation zu liefern. Die folgenden Ergebnisse stammen aus dem STIZ (2000–2009). Methode. Das STIZ berät Privatpersonen und Fachleute in der ganzen Schweiz rund um die Uhr bei Vergiftungen. Alle Expositionen werden nach standardisierten Vorgaben bewertet. Dabei werden Informationen zu den Patienten, Noxen, Vergiftungsumständen, klinischer Symptomatik und Befunden sowie zum Verlauf (inkl. Schweregradbeurteilung) erfasst. Letztere werden ausschließlich aufgrund einer ärztlichen Verlaufsrückmeldung beurteilt. Ergebnisse. Die suizidalen Vergiftungen sind bei den jungen Erwachsenen viel häufiger als die Unfälle (akzidentelle Intoxikationen) und gehen mit zunehmendem Alter immer mehr zurück. Ab dem Alter von 60 Jahren sind dann die akzidentellen Vergiftungen häufiger. Der Anteil der schweren Vergiftungen steigt mit zunehmendem Alter von 6,5% der Fälle in der Altersgruppe der 16- bis 20-Jährigen kontinuierlich auf 13,9% bei den 76- bis 80-Jährigen an, der Anteil der tödlichen Vergiftungen nimmt nach dem Alter von 60 Jahren sprunghaft auf ein Mehrfaches zu. Beabsichtigte Vergiftungen, männliches Geschlecht und höheres Alter sind unabhängig voneinander statistisch signifikant mit einem schwereren Verlauf assoziiert. Bei Kleinkindern sind akzidentelle Vergiftungen mit Haushaltprodukten, Pflanzen und Medikamenten häufig, bei Adoleszenten Medikamente und Drogen, und bei den Erwachsenen Medikamente und Chemikalien. Beabsichtigte Selbstvergiftungen (Suizidversuche) kommen bei Kleinkindern nicht vor. Schlussfolgerung. Für Vergiftungen besonders gefährdet sind Kinder im Vorschulalter. 6- bis 12-Jährige sind kaum je von Intoxikationen betroffen. Die schweren Vergiftungen und die akzidentellen Intoxikationen nehmen mit steigendem Alter zu. Schwere Intoxikationen sind bei Kleinkindern viel seltener als bei Jugendlichen und Erwachsenen, die stärkeren Giften und größeren Mengen exponiert sind.
A061 Die Akutbehandlung schwerer Brandrauchvergiftungen G. Kaiser1 1Universitätsmedizin Göttingen, Giftinformationszentrum-Nord (GIZNord), Göttingen, Deutschland Fragestellung. Da schwere Brandrauchexpositionen rasch zum Tode führen können, ist deren prompte und gezielte Behandlung in Rettungsdienst und Notaufnahme von großer Bedeutung. Für Vergiftungen mit den perakut wirkenden Brandgasen Kohlenstoffmonoxid und Zyanwasserstoff existieren logistisch aufwändige (Druckkammerbehandlung), kostenintensive (Antidot Hydroxocobalamin, HCo) bzw. nebenwirkungsträchtige (Antidot 4-DMAP) Therapieoptionen, deren Effizienz und Verfügbarkeit kritisch zu betrachten sind. Methoden. (A) Die amtlichen deutschen Todesursachen- und Krankenhausstatistiken (2008–2009) wurden auf Einträge zu Vergiftungsund Brandunfällen untersucht. (B) Schwere Rauchvergiftungen wurden anhand der in Google News Deutschland gelisteten Presse- und Polizeiberichte registriert (2009–2010). (C) In allen registrierten Fällen wurden den behandelnden Rettungsdiensten und aufnehmenden Kliniken Fragebögen zugesandt. Ergebnisse. (A) 22.943 Menschen wurden aufgrund von Gasexpositionen in deutschen Kliniken behandelt. Bei 91 endete diese tödlich, während 1077 Personen außerhalb der Kliniken verstarben. Bis zu 1006 Brandtodesfälle sind angegeben, bei denen in 70% die Rauchvergiftung todesursächlich ist. Die Inzidenz nicht letal verlaufender Rauchvergiftungen ist in der amtlichen Statistik nicht erfasst. (B) Registriert wurden 362 schwere Rauchvergiftungen, die notfallmedizinisch behandelt wurden. 97 Patienten verstarben bereits vor, 53 erst nach Erreichen einer Klinik. (C) Ein Patient erhielt ein Zyanidantidot durch den Rettungsdienst, 2 in der Notaufnahme. In 83% der Rettungsdienste (18% HCo) und 85% der Kliniken (23% HCo) standen Zyanidantidota zur Verfügung. Die Überlebensrate von Patienten, die kein Zyanidantidot erhielten, betrug 58%, der primäre Reanimationserfolg 33%. Zwei von 16 Patienten, deren klinische Weiterbehandlung vollständig dokumentiert werden konnte, wurden einer hyperbaren Sauerstofftherapie (HBO) zugeführt. Schlussfolgerungen. Gas- und Rauchvergiftungen führen vorwiegend außerhalb der Klinik zum Tode; bei Brandopfern meist bereits vor dem Beginn von Rettungsmaßnahmen. Der Einsatz möglicherweise lebensrettender Antidota sollte daher schon in der Präklinik erwogen werden. Zyanidantidota stehen im Rettungsdienst und in der Notaufnahme meist zur Verfügung, werden bei Rauchvergiftungen jedoch kaum angewandt. Im Vergleich mit Patienten, die bei schwerer Rauchvergiftung Hydroxocobalamin erhielten [1], wurde ein höherer primärer Reanimationserfolg beobachtet, jedoch keine verbesserte Überlebensrate. Aufgrund der nicht flächendeckenden Verfügbarkeit von Druckkammern, erhalten nur wenige Patienten eine HBO-Therapie, zumeist ist ein längerer Sekundärtransport erforderlich. Weitere Untersuchungen am GIZ-Nord sollen die Bedeutung der Zyanidexposition und Antidottherapie bei Rauchvergiftungen klären. Literatur 1. Fortin JL et al (2006): Prehospital administration of hydroxocobalamin for smoke inhalation-associated cyanide poisoning. Clin Toxicol 44:37–44
EV147 NIV in der Notfallmedizin M. Roessler1 1Universitätsmedizin Göttingen, Zentrum Anästhesiologie, Rettungs- und Intensivmedizin, Göttingen, Deutschland Die akute respiratorische Insuffizienz (ARI) ist ein regelmäßiger Grund für die Alarmierung des Rettungsdienstes. Während innerklinisch die nichtinvasive Beatmung (NIV) ein Standardverfahren ist, findet dieses Verfahren in der Präklinik noch keine flächendeckende Anwendung. Dabei sprechen viele Gründe dafür, die NIV so früh wie möglich zur
26 |
Notfall + Rettungsmedizin Supplement 1 · 2011
Behandlung einer ARI einzusetzen. Mehrere Studien haben zeigen können, dass sich die Dyspnoe durch eine NIV schneller bessert als bei einer Therapie mit Sauerstoff und Medikamenten alleine. Ebenso kommt es durch die NIV zu einer schnelleren Oxygenierung und Decaboxylierung als bei einem konservativen Vorgehen [1–6]. Pathophysiologisch ist dies gut nachvollziehbar. Zum hypoxämischen Lungenversagen kommt es in erster Linie durch eine Zunahme des intrapulmonalen Shunts mit einem Missverhältnis von Perfusion und Ventilation (Perfusions-Ventilations -ismatch) [7, 8]. Der Shunt ist auf einen vermehrten Alveolenkollaps zurückzuführen [9]. Beim hyperkapnischen Lungenversagen dagegen kommt es zu einer Erschöpfung der Atempumpe, da ein Vielfaches der Atemarbeit geleistet werden muss. Hierdurch wird vor allem bei obstruktiven Ventilationsstörungen eine Totraumventilation verstärkt [8, 10]. Die Vorteile der NIV bei der Therapie einer ARI ergeben sich somit aus den pathophysiologischen Veränderungen: eine alleinige Sauerstoffgabe kann bei einem hypoxämischen, durch Shunt verursachten, Lungenversagen nicht ausreichend sein, da Shuntblut nicht mit der Atemluft in Kontakt kommt [8]. Durch externen PEEP hingegen können kollabierte Alveolen wiedereröffnet und für den Gasaustausch rekrutiert werden, wodurch der Mismatch verringert wird. Mit Hilfe einer druckunterstützten Spontanatmung vermindert sich die Atemarbeit, so dass beim hyperkapnischen Lungenversagen eine Erholung der Atempumpe möglich ist. Mittlerweile sind mehrere Studien zum Einsatz der NIV in der präklinischen Notfallmedizin durchgeführt worden [1–6]. Dabei muss allerdings beachtet werden, dass der Begriff NIV uneinheitlich verwandt wird, da damit sowohl eine alleinige CPAP Therapie, eine druckunterstützte Spontanatmung (PSV) oder aber eine druckkontrollierte Beatmung gemeint sein kann. Gleichwohl wurden positive Effekte sowohl beim Einsatz von CPAP [1, 2, 3, 5] als auch PSV [4] bei Patienten mit akutem kardialen Lungenödem (ACPE) gesehen. Auch bei Patienten mit akuter exacerbierter COPD (AECOPD) konnte gezeigt werden, dass sich durch eine prähospitale NIV die Symptomatik signifikant schneller bessert und die Patienten zudem kürzer auf einer Intensivstation behandelt werden mussten [5]. In einer randomisierten Studie mit gemischtem Kollektiv (ACPE, AECOPD) wurde gesehen, dass die präklinische NIV nicht nur effektiver ist, und zu einer schnelleren und deutlicheren Besserung der Oxygenierung und Decaboxylierung führt sondern auch, dass eine Intensivtherapie signifikant seltener und kürzer erforderlich ist [6]. Auch wenn eine NIV Komplikationen verursachen kann, wenn sie bei nicht mehr gegebener Indikation zu lange durchgeführt wird [12], kann die Mortalität eventuell alleine schon dadurch verringert werden, da eine präklinische Intubation vermieden werden kann, die mit erheblichen Risiken verbunden ist [13]. Der präklinische Einsatz der NIV bei der Therapie einer ARI hilft die Dyspnoe schneller zu lindern, die Oxygenierung und Decarboxylierung effektiver zu verbessern und eine Intensivtherapie zu verkürzen oder zu vermeiden. Literatur 1. Fort PA, Boussarie C, Hilbert G et al (2002) Prehospital noninvasive ventilation. Study of importance and feasibility (7 cases). Presse Med 31:1886–1889 2. Plaisance P, Pirracchio R, Berton C et al (2007) A randomized study of out-ofhospital continuous positive airway pressure for acute cardiogenic pulmonary oedema: physiological and clinical effects. Eur Heart J 28:2895–2901 3. Jerrentrup A, Ploch T, Kill C (2009) CPAP im Rettungsdienst bei vermutetem kardiogenen Lungenödem. Notfall + Rettungsmedizin 12:607–12 4. Weitz G, Struck J, Zonak A et al (2007) Prehospital noninvasive pressure support ventilation for acute cardiogenic pulmonary edema. Eur J Emerg Med 14:276–279 5. Schmidbauer W, Ahlers O, Spies C, Dreyer A, Mager G, Kerner T (2011) Early prehospital use of non-invasive ventilation improves acute respiratory failure in acute exacerbation of chronic obstructive pulmonary disease. “Emerg Med J 28(7):626–7. Epub 2010 Sep 15 6. Roessler MS, Schmid DS, Michels P, Schmid O, Jung K, Stöber J, Neumann P,
Quintel M, Mörer O (2011) Early out-of-hospital non-invasive ventilation is superior to standard medical treatment in patients with acute respiratory failure: a pilot study. Emerg Med J doi:10.1136/emj.2010.106393 ������������������������������������������������������������������������������� 7. Dantzker DR, Brook CJ, Dehart P, Lynch JP, Weg JG (1979) Ventilation-perfusions distributions in the adult respiratory distress syndrome. Am Rev Respir Dis 120:1039–52 ������������������������������������������������������������������������ 8. Neumann P, Quintel M (2006) Hypoxämische akute respiratorische Insuffi��� zienz. Nicht-invasive Beatmung, Grundlagen und Praxis. Hrsg. Schöhofer B, Uni-Med Verlag AG Bremen, 1. Auflage S. 31–36 9. Ware LB, Matthay MA (2000) The acute respiratory distress syndrome. N Engl J Med 342:1334–39 10. Braun NMT, Rochester DF (1997) Respiratory muscle function in chronic obstructive pulmonary disease (COPD). Am Rev Respir Dis 115:91 11. Kosowsky JM, Stephanides SL, Branson RD et al (2001) Prehospital use of continuous positive airway pressure (CPAP) for presumed pulmonary edema: a preliminary case series. Prehosp Emerg Care 5:190–196 12. Gay PC (2009) Complications in NIV. Resp Care 54:246–257 13. Timmermann A, Russo SG, Eich C et al (2007) The out-of-hospital esophageal and endobronchial intubations performed by emergency physicians. Anesth Analg. 104:619–623
EV149 Successful transtracheal lung ventilation using a manual respiration valve, an in vitro and in vivo study D. Pavlovic1 1Universitätsmedizin Greifswald, Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin, Greifswald, Deutschland Background. Lung ventilation through a thin transtracheal cannula may be attempted in patients with laryngeal stenosis or “cannot intubate, cannot ventilate” situations. It may be impossible to achieve sufficient ventilation if the lungs are spontaneously emptying only through the thin transtracheal cannula, which imposes high resistance to airflow, resulting in dangerous hyperinflation. Therefore, the authors describe the use of a manual respiration valve that serves as a bidirectional pump providing not only inflation but also active deflation of the lungs in case of emergency transtracheal lung ventilation. Methods. The effectiveness of such a valve was tested in vitro using mechanical lungs in combination with two different cannula sizes and various gas flows. The valve was then tested in five pigs using a transtracheal 16-gauge cannula with three different combinations of inspiratory/expiratory times and gas flows and an occluded upper airway. Results. In the mechanical lungs, the valve permitted higher minute volumes compared with spontaneous lung emptying. In vivo, the arterial oxygen and carbon dioxide partial pressures increased initially and then remained stable over 1 h (arterial oxygen tension, 470.8±86.8; arterial carbon dioxide tension, 63.0±7.2 mmHg). The inspiratory pressures measured in the trachea remained below 10 cm H2O and did not substantially influence central venous and pulmonary artery pressures. Mean arterial pressure and cardiac output were unaffected by the ventilation maneuvers. Perspectives. The main drawback of the valve was its still not effective expiration and, by complete airway obstruction, the inspiration:expiration (I:E) ratio of about 1:4. Based on the above results, a new valve has been devised that permitted variable flow, diminished flow during inspiration, and increased flow during expiration, permitting more effective expiration. With this valve it should be possible to drastically shorten expiration time achieving adequate minute volumes with even I:E ratios of 1:1. Conclusions. This study demonstrated in vitro and in vivo in adult pigs that satisfactory lung ventilation can be assured with transtracheal ventilation through a 16-gauge cannula for a prolonged period of time if combined with a bidirectional manual respiration valve. The variable gas flow during inspiration-expiration with the improved valve could provide satisfactory ventilation and provides probably the solution to the problem of transtracheal ventilation. Notfall + Rettungsmedizin Supplement 1 · 2011
| 27
Abstracts EV150 Comparison of German prehospital physician practice to paramedic protocols D. MacDonald1, E. Nix1, J. Breckwoldt1, D. Cone1 1Northern Ontario School of Medicine, TBRHSC Emergency Department, Ontario, Canada Background. Prehospital care in Europe and America is rendered using two different models. In American systems, patient care protocols and standing orders guide non-physician pre-hospital providers. In Germany, physicians directly perform interventions. The primary objective of this study was to determine whether the interventions performed by German EMS physicians are available to paramedics in a typical U.S. city using indirect medical oversight. The secondary objective was to determine interventions for matched diagnostic assessments. Methods. Consecutive patient care reports from EMS physicians in a district of Berlin and paramedics in New Haven between January and March 2005 were abstracted into a database, including demographics, presenting complaint, interventions, and diagnosis. Inclusion criteria in Berlin were all dispatches that resulted in patient contact and a diagnosis. In the U.S. all ALS level transports to Yale-New Haven hospital were included. Interventions for the most common diagnoses were compared to paramedic protocols in a U.S. EMS System. These were compared to interventions by paramedics for matched diagnosic assessments. Descriptive statistics were used. Results. 1105 run forms (97% of dispatches) were analyzed; 584 met inclusion criteria. The most common diagnoses were angina pectoris (13%), field pronouncement (12%), myocardial infarction (10%) asthma/COPD (9%), arrhythmia (6%), hypoglycemic coma (6%), seizure (6%), pulmonary edema (5%), and trauma (5%). For angina pectoris (n=77), 402/455 interventions provided (88%) are available in the standing orders of the comparison U.S. city. Interventions not available include heparin (57% use in Berlin) and metoclopramide (12%). For MI/ROMI (n=48), 221/296 interventions (75%) are covered; not covered are heparin (85%), metoprolol (19%), thrombolysis (13%) and metoclopramide (40%). For asthma/ COPD (n=51), 104/241 interventions (43%) are included in the paramedic protocols; not included are steroids (86%), intravenous beta-agonists (41%), and theophylline (76%). For arrhythmia 110/123 interventions (89%) were contained; exceptions were metoprolol (27%), vasopressin (9%), and heparin (9%). All interventions for hypoglycemic coma (81/81, 100%) are found in the U.S. protocols, as are 136/150 (91%) for pulmonary edema patients. In traumatic injuries, 117/144 (81%) of interventions are covered; exceptions are sedation (37%, allowed in the U.S. only with direct medical oversight), colloids (31%), and rapid sequence intubation (9%). Significant differences were seen in the management of Asthma/ COPD, analgesia and antiemetic use as well as the rate of 12 lead ECGs in cardiac conditions in the German system. Conclusion. Interventions commonly performed by German EMS physicians are available to paramedics through standing orders in a typical U.S. comparison city. Exceptions were found in management of asthma; use of antiemetics; prehospital heparinization, thrombolysis, and beta-blockade in suspected MI; and rapid sequence intubation, and the use of prehospital 12 lead ECGs.
A059 Präklinischer Einsatz des C-MAC Videolaryngoskops zur Intubation von Traumapatienten: eine multizentrische Observationsstudie *E. Cavus1, B. Hossfeld2, V. Dörges1, A. Callies3, M. Helm2 1UK-SH Campus Kiel, Anästhesiologie, Kiel, Deutschland 2Bundeswehrkrankenhaus Ulm, Anästhesiologie, Ulm, Deutschland 3Krankenhaus Links der Weser, Anästhesiologie, Bremen, Deutschland Fragestellung. Die präklinische Intubation von Traumapatienten ist mit einer hohen Fehlerinzidenz verknüpft [1, 2]. In der vorliegenden Untersuchung an vier Rettungshubschrauberstandorten haben wir
28 |
Notfall + Rettungsmedizin Supplement 1 · 2011
den Einsatz des portablen Videolaryngoskops C-MAC (Karl Storz, Tuttlingen [3]) zur präklinischen Notfallintubation bei Traumapatienten evaluiert. Methoden. Nach Zustimmung der Ethikkommission wurden konsekutiv 63 Patienten (22 weiblich; Altersmedian: 35 Jahre, Spannweite: 4–95); Körpergewicht: 80 (20–150) mit (Poly-) trauma, bei denen eine präklinische Intubation notwendig war, in die Studie eingeschlossen. Die Intubation erfolgte mithilfe des C-MAC, sofern der durchführende Notarzt in die Handhabung des Videolaryngoskops eingewiesen und damit trainiert war. Ergebnisse. Insgesamt 45 Patienten wurden mit dem C-MAC Größe 3, 17 Patienten mit dem C-MAC Größe 4 und ein Kind mit dem C-MAC Größe 2 intubiert. Ein schwieriger Atemweg (Mallampati 3 und 4, reduzierte Mundöffnung, Gesichtsschädeltrauma) hatten 24 Patienten. Bei 33 Patienten wurden Muskelrelaxantien eingesetzt. Eine erfolgreiche Intubation erfolgte im Median nach 20 s (Min–Max: 8–60). Beim ersten Versuch wurden 49, beim zweiten 12 und beim dritten Versuch 2 Patienten intubiert. Eine Visualisierung nach Cormack-Lehane (C/L) Klasse 1 hatten 40 Patienten, Klasse 2a 19 Patienten, Klasse 2b 2 Patienten und Klassen 3 und 4 jeweils ein Patient. Trotz initial guter Glottisvisualisierung mittels Videolaryngoskopie mussten 5 Patienten über die direkte Glottisvisualisierung am C-MAC Spatel intubiert werden. Bei 5 Patienten wurden überbrückend supraglottische Atemwegshilfen eingesetzt (1-mal Larynxmaske, 4-mal Larynxtubus). Schlussfolgerungen. Alle Traumapatienten der vorliegenden Untersuchung konnten erfolgreich mit dem C-MAC Videolaryngoskop intubiert werden. Das C-MAC Videolaryngoskop könnte bei Traumapatienten eine sichere Alternative zur präklinischen Intubation sein. Ein kleiner Anteil an Patienten konnte nur aufgrund der Möglichkeit des C-MAC zur gleichzeitigen direkten Laryngoskopie intubiert werden. Literatur 1. Cobas MA et al (2009) Anesth Analg 109:489–93 2. Timmermann A et al (2007) Anesth Analg 104:619–23; 110:473–7 3. Cavus E et al (2010) Anesth Analg 110:473–7
EV152 Das Tumorlysesyndrom S. Neumann1 1Universitätsmedizin Göttingen, Abteilung Hämatologie und Onkologie, Göttingen, Deutschland Das Tumorlysesyndrom stellt eine potenziell lebensbedrohliche Komplikation in der Behandlung onkologischer Patienten dar. Ursächlich ist ein massiver Zerfall von Tumorzellen, der spontan oder therapieinduziert auftreten kann. Risikofaktoren für das Auftreten eines Tumorlysesyndroms sind schnell proliferierende Tumorzellen wie bei akuten Leukämien, Burkitt-Lymphomen oder Keimzelltumoren sowie eine große Tumormasse. Begünstigend wirken eine präexistente Nierenfunktionsstörung, Dehydratation und Infektionen. Beim Tumorlysesyndrom kommt es durch die rasche Freisetzung intrazellulärer Bestandteile ins Blut zur Entstehung einer Hyperurikämie, Hyperkaliämie, Hyperphosphatämie und Hypokalzämie sowie einer metabolischen Azidose. Die schwerwiegendsten Folgen dieser metabolischen Entgleisung sind das akute Nierenversagen mit der Notwendigkeit einer Hämodialyse sowie lebensbedrohliche Herzrhythmusstörungen. Ursache für die Schädigung der Nierenfunktion ist die Harnsäure, die bei dem Abbau von Purinen entsteht und im sauren Milieu präzipitiert. Während Allopurinol nur die Bildung neuer Harnsäure aus Xanthin hemmt, kann das Enzym Uratoxidase auch bereits bestehende Harnsäure in das gut wasserlösliche Allantoin spalten. Dadurch kann eine Hämodialyse meist vermieden werden. Entscheidend ist, Patienten mit einem hohen Risiko für die Entstehung eines Tumorlysesyndroms bereits im Vorfeld zu erkennen und zu überwachen. Für diese Patienten ist neben adäquaten supportiven Maßnahmen und einer forcierten Diurese die prophylaktische Gabe von Urato-
xidase die Therapie der Wahl. Allopurinol sollte nur bei niedrigem oder mittlerem Risiko und (noch) nicht erhöhter Harnsäure eingesetzt werden. Eine generelle Alkalisierung wird nicht mehr empfohlen.
EV153 Erstmanifestation Leukämie: Leukostase, Gerinnungsstörung F. Griesinger1 1Pius-Hospital Oldenburg, Klinik für Hämatologie und Onkologie, Oldenburg, Deutschland Leukostase, auch definiert als symptomatische Hyperleukozytose, ist eine medizinische Notfall-Situation. Sie tritt in der Regel bei Leukozytenwerten über 50.000/µl bis 100.000/µl auf und wird überzufällig häufig bei akuten myeloischen Leukämien (M4, M5) oder bei myeloischer Blastenkrisen bei CML beobachtet. Die Symptome sind solche einer Minderperfusion von Gewebe, insbesondere von der Lunge und vom Gehirn. Pulmonale Symptome sind Dyspnoe und Hypoxie mit aber auch ohne infiltrativen Veränderungen per Röntgen-Thorax oder CTThorax. Zerebrale Symptome sind Visusveränderungen, Kopfschmerzen, Schwindel, Tinnitus, sowie organische Psychosyndrome. Weitere Symptome sind Fieber in 80% der Fälle, sowie ischämieassoziierte EKGVeränderungen, Myokardischämie, Niereninsuffizienz, Priapismus, akute Durchblutungsstörungen der Extremitäten und Darminfarkte. Die Therapie bei symptomatischer und asymptomatischer Hyperleukozytose besteht in der zeitnahen Einleitung einer Induktionstherapie, diese wird mit dem Evidenzlevel 2B gegenüber einer zytoreduktiven Therapie mit Hydroxyurea favorisiert. Der Stellenwert einer Leukapherese in diesem Kontext ist nicht durch Studien abgesichert. Bei asymp tomatischer Hyperleukozytose und Kontraindikationen gegenüber einer Induktionschemotherapie sollte eine zytoreduktive Therapie mit Hydroxyurea eingeleitet werden, diese wird mit einem Evidenzgrad 2C gegenüber einer Leukapherese favorisiert. Die Leukapherese in Kombination mit Hydroxyurea sollte bei Patienten eingesetzt werden, die eine symptomatische Hyperleukozytose aufweisen und klare Kontraindikationen gegenüber einer Induktionschemotherapie. Auf weitere supportive Maßnahmen wird im Vortrag hingewiesen (EK-Substitution, Wässerung, Prophylaxe gegenüber Tumorlysesyndrom). Eine besondere Form der Leukostase ist das sog. ATRA-Syndrom oder Differenzierungssyndrom bei akuter Promyelozytenleukämie (APL, AML M3). Man spricht von einem ATRA-Syndrom bei APL bei Überschreiten von Leukozytenzahlen von >10.000/µl und Symtpomen wie Hypoxämie, Dyspnoe, Hypotension, Nieren- und Leberinsuffizienz und Fieber. Dieses Syndrom kann, zusätzlich zu einer Induktionschemotherapie und ATRA, mit Kortikosteroiden behandelt werden. Gerinnungsstörungen bestehen bei 25% der Patienten mit akuten Leukämien, entweder durch eine Thrombozytopenie, oder nicht selten durch eine dissemenierte intravasale Koagulopathie. Letztere ist besonders häufig bei APL, kann jedoch auch bei anderen akuten Leukämien vorkommen. Unbehandelt führt sie bei 40% der Patienten zum Tod durch Lungen- oder intrazerebrale Blutungen. Eine frühzeitige Diagnose und Einleitung einer spezifischen Therapie ist hier essentiell und wird im Vortrag dargestellt.
EV154 Obere Einflussstauung, zerebrale Metastasierung, drohender Querschnitt J. Bäsecke1 1St.-Josefs-Hospital, Fachbereich Hämatologie und Onkologie, Cloppenburg, Deutschland
mische (Chemotherapie) Intervention. Der Stellenwert lokal mechanischer (Stent) und anderer medikamentöser Intervention (Diurektika, Antikoagulantien) ist gering bzw. nicht gesichert. Vertebrale Metastasen mit spinalem Kompressionssyndrom (metastatisches spinales Kompressionssyndrom, mSKS) und zerebrale Filiae treten bei ca. 10% bzw. 30% aller Tumorpatienten auf. In der Regel erfolgt die Manifestation im Verlauf der Erkrankung, seltener führt die primäre Metastasierung mit assoziierter Symptomatik zur Erstdiagnose des Tumorleidens. Die häufigsten Entitäten sind das Mamma-, Bronchial- und Prostatakarzinom. Im Vordergrund der klinischen Präsentation stehen progrediente zentrale oder periphere neurologische Defizite, bei zerebralen Filiae auch Anfälle, bei vertebralen Filiae häufig Schmerzen. Das Notfallmanagement symptomatischer zerebraler Filiae umfasst die medikamentösantiödematöse und antiepileptische Therapie, beim mSKS ist zusätzlich i. d. R. eine Schmerztherapie indiziert. Die erweiterte Therapie erfordert eine intensive interdiziplinäre neurologische, neurochirurgische, strahlentherapeutische und onkologische Kooperation. Disseminierte zerebrale Filiae werden i. d. R. durch Ganzhirnbestrahlung (WBRT) behandelt, anschließend erfolgt eine systemische Chemotherapie. Bei singulären bzw. solitären Filiae besteht die Option zum multimodalen Vorgehen. Unter Berücksichtigung von Tumorhistologie, dem Ausmaß der extrazerebralen Manifestation und dem Performance-Status sind Resektion bzw. stereotaktische Radiatio (SRS) und WBRT indiziert. Das mSKS ist ein neurochirurgischer Notfall und erfordert eine operative Dekompression sowie i. d. R. anschließende Radiatio. Kontraindikationen sind u. a. multiple Manifestationen, Paraplegie>48 h sowie ein deutlich reduzierter Performance-Status.
EV156 Anwendungsgebiete und Grenzen der Telemedizin in der Notfallmedizin U. Hübner1 1Hochschule Osnabrück, Fakultät Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, Forschungsgruppe Informatik im Gesundheitswesen, Osnabrück, Deutschland Während sich die Telemedizin als Verfahren des Austausches zwischen medizinischen Experten mittlerweile in der Radiologie, Pathologie, Kardiologie und anderen medizinischen Disziplinen etabliert hat, gibt es in der multiprofessionellen telemedizinischen Versorgung durch Ärzte und Pflegekräfte noch verstärkten Forschungs- und Entwicklungsbedarf. Gleiches gilt für den multiprofessionellen Telemonitoringbereich, in dem Daten eines Patienten an eine Leitstelle gemeldet werden. Eines der komplexesten Szenarien dabei ist die Versorgung von ambulanten Intensivpatienten, z. B. Beatmungspatienten, durch den Einsatz von Telemedizin und Telemonitoring. Ziel ist es, durch geeignete Früherkennung von kritischen Situationen und entsprechender Maßnahmen, eine Notfalleinlieferung in ein Krankenhaus zu vermeiden. Tritt dennoch eine Krise ein, müssen eine Reihe von unterschiedlichen Akteuren wie Intensivmediziner im Krankenhaus, Rettungsdienste und Haus- und Facharzt koordiniert werden. Der Vortrag befasst sich mit der Beschreibung von typischen Anwendungsfällen der multiprofessionellen elektronisch unterstützten Versorgung und der dafür geeigneten Verfahren der Telemedizin und des Telemonitoring, insbesondere der Übermittlung von Bild- und Sensordaten sowie deren Nutzung in ärztlichen und pflegerischen Versorgungsprozessen von ambulanten Intensivpatienten.
Eine obere Einflussstauung (V.-cava-superior-Syndrom) als Folge primärer oder metastatischer mediastinaler Neoplasien ist durch progrediente Ödeme von Kopf und Hals bzw. der oberen Extremitäten, Dysphagie und Dyspnoe gekennzeichnet. Die wichtigste Maßnahme, je nach Tumorentität, ist eine kurzfristige lokale (Radiatio) oder systeNotfall + Rettungsmedizin Supplement 1 · 2011
| 29
Abstracts EV157 IT-induzierte Wettbewerbsvorteile durch die Gleichrichtung von Hardware, Software und Peopleware *T. Margaria1, C. Rasche2, B. Steffen3, B.D. Floyd4 1Universität Potsdam, Institut für Informatik, Service and Software Engineering, Potsdam, Deutschland, 2Universität Potsdam, Department für Sport und Gesundheitswissenschaft, Arbeitsbereich für Management Professional Services und Sportökonomie, Potsdam, Deutschland, 3Technische Universität Dortmund, Fachbereich Informatik, Dortmund, Deutschland, 4California Polytechnic State University, Information Systems and Management, San Luis Obispo, CA, USA Sowohl in Versorgungsnetzwerken als auch in kleineren Behandlungseinheiten erleben wir die Notwendigkeit einer besseren Integration und Abstimmung zwischen den verschiedenen Rollen und Kompetenzen. Krankenhausinformationssysteme, Patientenakten, Dokumentation, Auskunft, Abrechnung, Richtlinien und Behandlungspfade spielen hier auf verschiedenen Ebenen eine Rolle, und müssen mit einbezogen werden. Nur so kann eine optimale Versorgung der Patienten während und nach der akuten Behandlung in der Notfallaufnahme bei gleichzeitiger Unterstützung der Ärzte und des Pflegepersonals und der Vereinfachung von Verwaltung, Personalführung und Rechnungswesen erreicht werden. Neue Entwicklungen in der IT, wie der XMDD-Ansatz zur Prozessdefinition, -adaption und -evolution, ermöglichen zum ersten Mal eine agile und flexible Gestaltung der IT-Prozesse, die damit von korsettartigen, starren Vorschriften zu einer unterstützenden Begleitung des tatsächlichen Geschehens werden. Einfluss und Wirkung dieser Wandlung werden im Vortrag anhand konkreter Beispiele illustriert.
A008 SOGRO – ein neuer Weg zur schnellen Datenübermittlung bei einem Großschadensfall *J. Kreuzer1, M. Di Gennaro2, L. Latasch3 1Agaplesion Bethanien Krankenhaus, Krankenhaus Einsatzleitung, Frankfurt am Main, Deutschland, 2DRK Frankfurt am Main, Frankfurt am Main, Deutschland, 3Am für Gesundheit Frankfurt am Main, Frankfurt am Main, Deutschland Bei einem Großschadensereignis mit einem Massenanfall von Verletzten (MANV) sind die Beschleunigung der Anfangsphase und die schnelle Information der Leitstellen von entscheidender Bedeutung. Bislang werden hier Papier und Bleistift verwendet, die zwar relativ robust, aber in beiden Aspekten zu langsam sind. Oft werden auch Daten erhoben, die zur Behandlung nicht unbedingt erforderlich sind. Das vom BMBF geförderte Forschungsprojekt SOGRO (Sofortrettung bei Großunfall mit Massenanfall von Verletzten) verwendet moderne Technologien (RFID, PDA und Funknetze), um die Vorsichtung zu beschleunigen und die – aggregierten – Daten unmittelbar danach den Einsatzleitungen zur Verfügung zu stellen. Mit Hilfe eines robusten PDA werden nur der Status des Patienten, Geschlecht, Kind oder Erwachsener und – optional – ein Foto des Patienten auf ein farbiges (rot/ gelb/grün) Armband mit RFID-Chip geschrieben. Gleichzeitig werden die Daten über Funk an einen Server (Leitstelle) transferiert. Bei einer notwendigen Behandlung können auch Medikamente, Infusionen oder physiologische Daten auf dem Armband gespeichert werden. Beim Abtransport des Patienten werden das Rettungsfahrzeug und die Zielklinik registriert und per Funk übertragen. In kleineren Übungen (bis zu 30 Patienten) konnten wir demonstrieren, dass beim Einsatz von SOGRO die Vorsichtung von verletzten Patienten durch Rettungsassistenten nur durchschnittlich 30 s benötigte. Spätestens 1 min danach waren die Daten bereits auf dem Server verfügbar. Insgesamt konnte die Zeit für die Vorsichtung halbiert werden und damit entscheidend früher mit der Notfallbehandlung begonnen werden. Auf dem Armband werden nur die wirklich notwendigen Daten gespeichert. Sie sind jedoch ausreichend, um die Einsatzlage zu
30 |
Notfall + Rettungsmedizin Supplement 1 · 2011
beurteilen und den Weg der Patienten zu verfolgen. Damit sollte das Problem von „verlorenen Patienten“ nicht mehr vorkommen. „Proof of concept“ haben wir in einer Großübung mit 500 Verletzten im Oktober 2010 erbracht. Das Projekt umfasst auch den Einsatz von Drohnen, um zusätzlich eine Geländeübersicht zu erhalten.
EV161 Die Notfallpraxis am Krankenhaus: Sektorübergreifende Kooperation in der Notfallversorgung aus Sicht der niedergelassenen Ärzte H.J. Commentz1 1Schleswig, Deutschland Die Versorgung der ambulanten Patienten während der Notdienstzeiten gehört im Rahmen der Sicherstellung nach § 75, Abs. 1 des SGB V zu den Aufgaben der kassenärztlichen Vereinigungen. Um eine möglichst große Effektivität der für diese Versorgung vorgesehenen Strukturen (vertragsärztlicher Bereitschaftsdienst, Krankenhausambulanzen) zu erhalten, bedarf es eines gemeinsamen Konzeptes. Dabei gilt es den betroffenen Patienten über klar erkennbare Einrichtungen, z. B. einer übergeordneten Leitstelle oder einer qualifizierten Vorselektion an Krankenhausportalen der optimalen Versorgungsstruktur zu zuführen. Im Krankenhausbereich hat sich das MTS (Manchester Triage System) gut bewährt. Die subjektive Einstufung der „Notfallsituation“ des betroffenen Patienten ist hierfür nicht geeignet, vielmehr müssen gemeinsam abgestimmte Abfrage-Algorithmen diese sehr oft schwierige Aufgabe der Einstufung übernehmen. Die in der Notaufnahme erscheinenden Patienten werden möglichst mit einem sog. „Zeitstempel“ versehen, um die Öffnungszeiten und die personelle Besetzung der Anlaufpraxen und der ZNA (zentrale Aufnahme des Krankenhauses) dem zu erwartenden Patientenaufkommen anzupassen. Das Konzept der vertragsärztlichen Anlaufpraxen an Krankenhäusern zu definierten Öffnungszeiten führt zu der für eine größte Effektivität einer zentralen Krankenhausaufnahme notwendigen Entlastung. Grundvoraussetzung hierfür ist allerdings ausreichend qualifiziertes Personal in den jeweiligen Arbeitsbereichen. Um im Bedarfsfall den Patienten einer weiterführenden Untersuchung im Krankenhaussektor zuzuführen, bedarf es verbindlicher Regularien, da meistens keine Ermächtigungen der Krankenhausambulanzen als Abrechnungsgrundlage vorliegen. Die Verdienstmöglichkeiten der Dienst habenden Ärzte in den Anlaufpraxen sollten im Idealfall neben einer Stundengrundpauschale eine leistungsabhängige Zusatzhonorierung beinhalten. Anhand der Situation in Schleswig-Holstein werden die in den knapp 5 Jahren seit der Umstrukturierung des Notdienstes gemachten Erfahrungen geschildert und mit entsprechendem Zahlenmaterial belegt.
P1 Nichtinvasive Beatmung in der Notaufnahme verkürzt die Häufigkeit und Dauer einer Intensivtherapie M. Roessler1, M. Quintel1, O. Moerer1 1Universitätsmedizin Göttingen, Zentrum Anästhesiologie, Rettungs- und Intensivmedizin, Göttingen, Deutschland Einleitung. Die nichtinvasive Beatmung (NIV) ist eine etablierte und effektive Therapie zur Behandlung einer hypoxämischen oder hyperkapnischen akuten respiratorischen Insuffizienz (ARI). Immer häufiger wird die NIV auch in der Präklinik eingesetzt und Patienten kommen unter laufender NIV in eine Notaufnahme. Fragestellung. 1. Wird eine NIV in der Notaufnahme begonnen oder fortgesetzt, wenn die Indikation zur NIV besteht? 2. Welchen Einfluss auf den Krankheitsverlauf hat eine NIV in der Notaufnahme, wenn diese in der Notaufnahme durchgeführt wird? Methodik und Ergebnisse. Insgesamt 51 Patienten, die wegen einer ARI den Rettungsdienst alarmiert haben, wurden untersucht. Nach Ran-
domisierung wurde die ARI präklinisch entweder mit Sauerstoff und Medikamenten behandelt (Gruppe „Standardtherapie“; ST) oder es wurde nichtinvasiv beatmet (Gruppe „nichtinvasive Beatmung“; NIV). In 49 Fällen wurden die Daten ausgewertet. Zwei Fälle wurden wegen Protokollverletzungen ausgeschlossen. Hinsichtlich Krankheitsursache, -schwere und Ausmaß der respiratorischen Insuffizienz waren die Patienten vergleichbar (Tab. 1). Tab. 1 Ausgangswerte Parameter Alter (Jahre) Geschlecht M/W (n Patienten) Ätiologie (n Patienten) Akutes Lungenödem Pneumonie AECOPD Parameter HF (Schläge/min) SBP (mmHg) RR (f/min) SpO2 (%) PaO2 (mmHg) PvCO2 (mmHg) pH Erkrankungsschwere SOFA SAPS II Vorhergesagte Sterbewahrscheinlichkeit (%)
SMT (n=25) 74.5±10.7 12/13
NIV (n=24) 74.1±12.4 14/10
13 14 12
12 13 8
114±32 165±37 30±6 81±10 221±55 53±17 7.29±0.13
119±31 163±44 31±7 74±18 212±90 53±17 7.30±0.10
3,1±1,7 33,6±10,5 18,4±16,6
3,4±1,9 36,8±8,7 21,7±14,4
*Werte sind Mittelwerte ± Standardabweichung.
Bei allen 24 Patienten der NIV-Gruppe war die präklinische Behandlung effektiv und sie wurden unter laufender NIV aufgenommen. In der SMT-Gruppe mussten bereits präklinisch 1 Patient invasiv und 4 Patienten nichtinvasiv beatmet werden. Die verbleibenden 20 Patienten konnten unter Therapie mit O2-Insufflation aufgenommen werden. Patienten (n=28), die unter laufender NIV aufgenommen wurden, wurden im Vergleich zu Patienten (n=20) die unter konventioneller Therapie aufgenommen wurden, signifikant (p<0,01) häufiger auch in der Notaufnahme nichtinvasiv (n=16) beatmet. Demgegenüber wurden nur 5 der verbleibenden 20 Patienten der SMT-Gruppe in der Notaufnahme nichtinvasiv beatmet. Dies, obgleich der Oxygenierungsindex dieser Patienten bei Aufnahme schlechter (219,2±72,8 mmHg) war als bei den Patienten die nichtinvasiv beatmet wurden (265,6±132,8 mmHg). Darüber hinaus wurden Patienten der SMT-Gruppe signifikant häufiger (n=17; p<0,05) und länger (p=0,03; 3,7±6,4 Tage) intensivmedizinisch behandelt als Patienten der NIV-Gruppe (n=9; 1,3±2,6 Tage). Fazit. Die NIV ist eine besonders effektive Methode eine ARI zu behandeln. Da die NIV immer häufiger bereits präklinisch eingesetzt wird, sollte in der Notaufnahme die Möglichkeit gegeben sein, eine begonnene NIV unmittelbar fortzusetzen. In dieser Untersuchung konnte ein positiver Einfluss auf den Krankheitsverlauf gezeigt werden, da Patienten, bei denen die NIV fortgesetzt wurde seltener und kürzer auf einer Intensivstation behandelt wurden. Werden Patienten mit einer ARI zum Zeitpunkt der Aufnahme lediglich mit Sauerstoff und Medikamenten behandelt, sollte die Indikation zur NIV nach der S3 Leitlinie NIV gleichwohl überprüft werden. Jede Notaufnahme sollte über die Möglichkeit verfügen, Patienten mit ARI nichtinvasiv zu beatmen.
P2 Rapid Sequence Intubation – mit oder ohne Muskelrelaxans? *C. Hohenstein1, D .Hempel1 1Universitätsklinikum Jena, Zentrale Notaufnahme, Jena, Deutschland Einleitung. Die Rapid Sequence Intubation (RSI) ist ein etabliertes Verfahren zur Atemwegssicherung in der Notfallmedizin und beinhaltet die Administration eines Narkotikums in schneller Abfolge mit einem Muskelrelaxans. Eine RSI ohne Relaxans in der Notfallmedizin wird in Deutschland immer wieder propagiert, insbesondere für nichtanästhesiologische Notfallmediziner. Fragestellung. Ist die Verwendung von Muskelrelaxantien bei der RSI sicher? Methoden. Wir führten eine elektronische Medline-Suche mit den Stichworten Emergency Intubation, Rapid Sequence Intubation, Neuromuscular Blocking Agents, Muscle relaxants durch. Literaturhinweise in den gefilterten Publikationen, die in dieser Medline-Suche nicht abgebildet waren, aber dennoch hilfreich bei obiger Fragestellung erschienen, schlossen wir ebenso mit ein. Wir extrahierten Studien, die Komplikationen und Komplikationsraten von RSI untersuchten und analysierten Vergleiche der Intubationsbedingungen,- erfolge und -komplikationen. Ergebnisse. Von 71 Studien über RSI und den Einsatz von Relaxantien verglichen 13 die Intubationsbedingungen und Komplikationen mit vs. ohne Einsatz eines Muskelrelaxans. Alle 13 Studien bewerteten die Intubationsbedingungen bei Einsatz von Relaxantien signifikant häufiger als sehr gut oder gut. Bei Anwendung einer klassischen RSI fanden sich in 13 Arbeiten weniger Mehrfachintubationen und häufiger erfolgreiche Erstintubationen. Fünf Studien untersuchten die Rate an ösophagealen Fehllagen und Komplikationen (Hypotension oder Verletzung der Atemwege). Diese waren bei Einsatz eines Relaxans signifikant geringer bzw. unterschied sich bzgl. der kardiovaskulären Nebenwirkungen in 2 Arbeiten nicht signifikant. Schlussfolgerung. Die Anwendung eines Muskelrelaxans im Rahmen einer RSI führt zu verbesserten Intubationsbedingungen, weniger Intubationsversuchen und einer geringeren Rate an ösophagealen Fehllagen. Der Einsatz von Muskelrelaxantien gehört zum Standardablauf einer RSI und ist in der Notfallmedizin die sicherste Variante einer Notfallintubation.
P3 Sonographische Darstellung eines Spontanpneumothorax in der Notaufnahme *C. Wasser1, S. Allgäuer1, M.D. Alscher1 1Robert-Bosch-Krankenhaus, Notaufnahmezentrum Allgemeine Innere Medizin und Nephrologie, Stuttgart, Deutschland Einführung. Die Sonographie nimmt als Point-of-care-Diagnostik einen immer größeren Stellenwert in der Notfallmedizin ein. Im Rahmen von EFAST (Extended Focused Assesment with Sonography in Trauma) wird sie zur Diagnostik eines traumatisch bedingten Pneumothorax verwendet. Wir beschreiben hier den Fall eines Spontanhämatopneumothorax der in unserer Notaufnahme sonographisch dargestellt wurde. Anamnese. Der Patient berichtet, er sei am Aufnahmetag mit starken, stechenden Schmerzen linksthorakal mit Ausstrahlung in die linke Schulter aufgewacht. Im Verlauf Ausstrahlung der Schmerzen in den linken Oberbauch mit kolikartigem Schmerzcharakter. Zunahme der Schmerzen bei tiefer Inspiration. Kein Trauma in den letzten Wochen. Unauffälliger Stuhlgang. Klinischer Befund. 30-jähriger Patient in eingeschränktem Allgemeinund schlankem Ernährungszustand (ca. 185 cm, ca. 80 kg). Wach und voll orientiert. Blutdruck 115/80 mmHg, 70/min, AF 24/min, 97% SpO2 ohne Sauerstoff-Gabe. Haut und Schleimhäute blass. Keine Ödeme. Cor: Herztöne sehr leise, soweit beurteilbar rein und rhythmisch, keine Herzgeräusche. Pulmo: Atemgeräusch links im Vergleich zu rechts insge-
Notfall + Rettungsmedizin Supplement 1 · 2011
| 31
Abstracts samt leiser, exspiratorisches Brummen beidseits. Abdomen: Gespannt, Druckschmerz im linken Ober- und Mittelbauch, Darmgeräusche rege. Diagnostik. Labordiagnostik: Leukozytose von 11,9 G/l, ansonsten unauffälliges Blutbild. CRP, Leberwerte, Bilirubin, Lipase im Normbereich. Sonographie: Pleuraerguss links sowie Pneumothorax links. Röntgen-Thorax: Linksseitig maximale Pleuradehiszenz von 5,2 cm bei basaler Ergusskomponente von 2,5 cm im Sinne eines Seropneumothorax. Trachealband minimal nach rechts verlagert. Rechter Lungenflügel glatt entfaltet, rechts kein Randwinkelerguss. Herzsilhouette altersentsprechend schmal. Diagnose: Spontanhämatopneumothorax links. Therapie und Verlauf. Videoassistierte Thorakoskopie links mit Hämatomausräumung (2l), Keil-resektion Oberlappen, subtotale parietale Pleurektomie, Thoraxdrainagenanlage. Anschließende Überwachung auf Intensivstation. Der weitere postoperative Verlauf war komplikationslos. Die Thoraxdrainagen konnten am 4. und 7. postoperativen Tag entfernt werden. Das abschließende Röntgen-Thorax-Bild zeigte eine ausgedehnte Lunge bds. Diskussion. Ein Spontanpneumothorax ist eine häufige Differenzialdiagnose bei Patienten mit Thoraxschmerz und Dyspnoe, insbesondere bei jüngeren, schlanken Rauchern. Eine Übersichtsarbeit zum Vergleich von „bedside ultrasound“ und Röntgen-Thorax zur Darstellung eines Pneumothorax bei Patienten mit stumpfem Trauma zeigte eine bessere Sensitivität sowie eine vergleichbare Sensitivität der Ultraschalluntersuchung. Auch im nichttraumatologischen Setting ist die Ultraschalluntersuchung eine geeignete diagnostische Maßnahme, die rasch und vor Ort zur Darstellung eines Pneumothorax herangezogen werden kann.
P4 Früher Ultraschall in der Notaufnahme (NOA) bei Patienten mit akuter Dyspnoe führt zur schnelleren Verlegung in besserem klinischem Zustand *T. Händl1, K. Jäger1, M. Wehler1 1Klinikum Augsburg, Zentrale Notaufnahme, Augsburg, Deutschland Einleitung. Die schnelle und sichere Identifikation der Ursache von akuter Dyspnoe ist immer noch eine Herausforderung. Die Notfallsonographie kann wertvolle Information über mögliche Ursachen der Dyspnoe liefern, wie z. B. Pleuraerguss, Pneumothorax, erhöhter zentraler Venendruck und andere. Wir untersuchten, ob ein früher zielgerichteter US Einfluss auf die Verweildauer in der NOA und den klinischen Zustand bei Verlegung hat. Methode. Hierzu untersuchten wir prospektiv und randomisiert 104 Patienten, die sich in der Notaufnahme mit akuter Dyspnoe vorstellten. 52 Patienten (Gruppe 1) erhielten im Rahmen der körperlichen Untersuchung einen Ultraschall von Thorax, V. jugularis interna und V. cava. 52 Patienten (Gruppe 2) erhielten ein Vorgehen ohne frühen Ultraschall. Die Aufenthaltsdauer in der Notaufnahme, sowie die Atemfrequenz (AF) und die Sauerstoffsättigung (sO2) wurden erfasst. Ergebnisse. – Gruppe 1 bei Aufnahme: AF: 27,9±8,7/min, sO2 87,4±10,1%, – Gruppe 1 bei Verlegung: AF 19,6±4,3/min, sO2 95,9±3,5%, – Gruppe 2 bei Aufnahme: AF 27,6±6,4/min, sO2 89,4±6%, – Gruppe 2 bei Verlegung: AF 22,7±5,3/min, sO2 96,4±2,2%, – Gruppe 1 Aufenthaltsdauer in der NOA: 97,8±49,4 min, – Gruppe 2 Aufenthaltsdauer in der NOA: 118,9±66,4 min. Es zeigte sich eine signifikant stärkere Reduktion der AF in der Gruppe mit frühem US. Ebenso war die Aufenthaltsdauer in der NOA in der Gruppe mit frühem US signifikant kürzer. Kein signifikanter Unterschied zeigte sich in der sO2. Zusammenfassung. In der Zusammenschau mit anderen klinischen Befunden, scheinen Patienten mit akuter Dyspnoe von einem frühen US in der NOA zu profitieren. Dies zeigt sich an der niedrigeren AF bei Verlegung und der kürzeren Aufenthaltsdauer in der NOA.
32 |
Notfall + Rettungsmedizin Supplement 1 · 2011
P5 Ultraschalldiagnostik in der INA – das Konzept im Brüder krankenhaus Trier *R. Thees-Laurenz1, E. Wetzel2, M. Wüstner1 1Krankenhaus der Barmherzigen Brüder, Zentrale interdisziplinäre Sonographie, Trier, Deutschland, 2Krankenhaus der Barmherzigen Brüder, Zentrum für Notaufnahme, Trier, Deutschland Einleitung. Die Sonographie wird in interdisziplinären Notaufnahmezentren (INA) als schnelles, fächerübergreifendes, effizientes und kostengünstiges Diagnostikverfahren eingesetzt. Dies kann mit 2 unterschiedlichen Zielrichtungen geschehen: 1. mit fokussierter Fragestellung (z. B. FAST bei Traumapatienten) oder 2. als qualifiziertes Untersuchungsverfahren des Abdomens, der Gefäße, des Bewegungsapparates oder als qualifizierte Echokardiographie. Patienten und Methoden. Das Krankenhaus der Barmherzigen Brüder Trier (BKT) richtete 2005 eine INA ein (Zentrum für Notaufnahme, ZfN). Nach initialem starkem Wachstum stabilisierte sich die dort behan delte Fallzahl in den letzten 3 Jahren bei ca. 26.000 Fällen pro Jahr (Tab. 1). Tab. 1 Patientenzahl im Zentrum für Notaufnahme Jahr 2008 2009 2010
Fälle gesamt 24.599 26.426 26.574
Fälle ambulant 14.155 15.957 16.350
Fälle stationär 10.444 10.469 10.224
Die Ultraschalldiagnostik mit Ausnahme der Echokardiographie wird im BKT für alle Fachabteilungen durch die zentrale interdisziplinäre Sonographieabteilung (ZIS) durchgeführt, eine Sektion des Zentrums für Radiologie, Sonographie und Nuklearmedizin. Durch Rufdienstbereitschaft ist die Verfügbarkeit der sonographischen Diagnostik über 24 h gewährleistet. Wegen der steigenden Sonographiezahlen bei ZfNPatienten wurde Ende 2007 im Zentrum für Notaufnahme ein Sonographieraum eingerichtet, in dem alle Ultraschalluntersuchungen bei ZfNPatienten vor Ort durch Ärzte der ZIS, in der Regelarbeitszeit durch die FOÄ oder erfahrene Assistenz-Ärzte erfolgen. Ein Einsatz in der Notaufnahme ist fester Bestandteil der Ausbildung in der ZiS. Ergebnisse. In der ZiS werden jährlich ca. 28.000 Ultraschalluntersuchungen durchgeführt. Der Anteil der Untersuchungen von Notaufnahmepatienten stieg auch in den letzten Jahren noch weiter an und liegt bereits bei über 20% aller ZIS-Untersuchungen (Tab. 2). Tab. 2 Untersuchungen in der ZiS Jahr Patienten Unter Untersuchun suchun gen am gen Wochenende 2008 15.408 27.235 1959 2009 15.770 27.749 2080 2010 16.589 29.292 2320 Mittel- 15.782 27.920 2120 wert
Untersuchungen im ZFN 5268 6018 6883 6056
Anteil an US in ZIS 19,34% 21,69% 23,50% 21,51%
Durch die Integration der interdisziplinären Sonographie in das Zentrum für Notaufnahme wird ein hoher Standard der Ultraschalldiagnostik für alle Fachabteilungen schon bei der Notfallaufnahme angeboten. Neben der B-Bild-Diagnostik und Farbduplexsonographie werden auch die kontrastverstärkte Sonographie (CEUS) und sonokontrollierte Punktionen schon in der Primärdiagnostik der Notaufnahmepatienten eingesetzt. Hierdurch kann der Einsatz radiologischer Methoden reduziert werden (z. B. Leberherddiagnostik). Die Effekte der primären Ultraschalldiagnostik in der Notaufnahme auf die Liegedauer wurden kürzlich in der „PRIMUS-Multicenterstudie evaluiert, an der sich die ZIS des BKT beteiligt hat (Schuler A et al., Abstract WFUMB 2011). Es zeigte sich bei Patienten, bei denen innerhalb der ersten 24 h eine Ultraschalluntersuchung erfolgte eine um 35% verkürzte Liegedauer. In 97,6% hatte die Sonographie, auch durch Ausschluss relevanter Differenzialdiagnosen einen Einfluss auf die Therapie.
Schlussfolgerung. Bei enger Zusammenarbeit mit den patientenführenden Klinikern kann mit Hilfe des qualifizierten Ultraschalls in der Notaufnahme das weitere diagnostische und therapeutische Vorgehen festgelegt werden. Diagnostik und Behandlung können optimiert, die Liegezeit verkürzt und Kosten reduziert werden.
P6 Einfluss der Nierenfunktionsparameter auf Troponin T bei geriatrischen Patienten *P. Bahrmann1,2, T. Bertsch3, C. Sieber1,2, M. Christ4 1Klinikum Nürnberg, Medizinische Klinik II-2, Nürnberg, Deutschland, 2Friedrich-Alexander-Universität, Institut für Biomedizin des Alterns, Nürnberg, Deutschland, 3Klinikum, Institut für Klinische Chemie, Laboratoriumsmedizin und Transfusionsmedizin – Zentrallaboratorium, Nürnberg, Deutschland, 4Klinikum, Klinik für Notfallmedizin und Internistische Intensivmedizin, Nürnberg, Deutschland Fragestellung. Der neue hochsensitive Troponin-T-Test (hs-cTnT) verbessert die frühe Diagnose des akuten Koronarsyndroms im Vergleich zum Troponin-T-Test der 4. Generation (cTnT). Wir untersuchten den Einfluss der Nierenfunktionsparameter auf die oben genannten kardialen Biomarker bei geriatrischen Patienten. Methoden. In der Notaufnahme des Klinikums Nürnberg wurden konsekutiv 152 Patienten rekrutiert (Alter 81±6 Jahre, 74 Männer, 78 Frauen), die im Zeitraum zwischen Januar und April 2011 eingewiesen wurden. Bei allen Patienten wurden cTnT, hsTnT, Kreatinin und Harnstoff bei Aufnahme bestimmt. Die glomeruläre Filtrationsrate (eGFR) wurde nach der Cockroft-Gault-Formel berechnet. Die Bestimmung für cTnT und hs-cTnT erfolgten mit dem System cobas e411 (Roche), wobei die untere Nachweisgrenze für cTnT bei 0,01 ng/mL (µg/L) und für hs-cTnT bei 0,005 ng/mL (µg/L) lag. Wir verwendeten die partielle Korrelationsanalyse mit den Kontrollvariablen Alter und Body-Mass-Index, um zu prüfen, ob die Nierenfunktion einen signifikanten Einfluss auf hs-cTnT oder cTnT hat. Ergebnisse. Weder Harnstoff noch eGFR waren signifikant mit cTnT korreliert. Lediglich Kreatinin (r=0,168, p=0,04) zeigte eine signifikante Korrelation zu cTnT. Sowohl Kreatinin (r=0,240, p=0,003), Harnstoff (r=0,214, p=0,009) als auch die eGFR (r=−0,222, p=0,006) waren signifikant zu hs-cTnT korreliert. Schlussfolgerung. Bei geriatrischen Patienten ist hs-cTnT im Gegensatz zu cTnT empfindlicher gegenüber dem Einfluss der Nierenfunktionsparameter.
P7 Recruitment of circulating dendritic cell precursors (DCPs) into the myocardium and pro-inflammatory response in acute myocardial infarction (AMI) D. Kretzschmar1, S. Betge1, A. Windisch1, K. Schubert1, R. Pistulli1, I. Rohm1, H.R. Figulla1, *A. Yilmaz1 1Universitätsklinikum Jena, Klinik für Innere Medizin I, Jena, Deutschland Introduction. Dendritic cells (DCs) as professional antigen-presenting cells play an important role in the immune system. They patrol the blood as circulating DC precursors (DCPs), and invade various peripheral tissues to detect harmful antigens, inducing there a specific immune response. Recent studies suggest that circulating DCPs might be reduced in acute myocardial infarction (AMI). However, the reason for their reduction is unknown yet. Hypothesis. In patients with AMI, in blood circulating DCPs might be recruited into the infarcted myocardium, and might induce a local and systemic pro-inflammatory response. Methods. The number of circulating myeloid (mDCPs), plasmacytoid (pDCPs), and total (tDCPs) were analyzed by flow cytometry (BDCA enumeration kit, Miltenyi Biotec) in blood of patients with NSTEMI (n=44) and STEMI (n=34) compared to healthy controls (n=45). Serum
levels of TNF-a, IFN-g, IL-2, -4, -5, -6, -10, and -12 were analyzed by flow cytometry (BDTM CBA kit). Post-mortem myocardial specimens of patients with AMI (n=12) and healthy myocardium of accident victims (n=10) were immunostained for the myeloid DCs (CD209+), T cells (CD3+), and macrophages (CD68+). Results. Compared to controls, in patients with AMI a significant decrease in circulating mDCPs (1.8-fold), pDCPs (2.0-fold), and tDCPs (1.9-fold) was observed (each p<0.0001). Regarding AMI subgroups, the extent of the decrease was higher in STEMI than NSTEMI patients. Serum levels were significantly higher in patients with AMI compared to controls for IL-6 (5.4-fold, p<0.001), -10 (1.8-fold, p=0.002), -12 (2.3-fold, p=0.07), and TNF-a (28.3-fold, p=0.04). Immunostainings revealed significantly higher numbers of CD209+ DCs (79 vs. 34 cells/0.2 mm2, p=0.001), T cells (9 vs. 2 cells/0.2 mm2, p=0.002), and macrophages (80 vs. 14 cells/0.2 mm2, p<0.001) in infarcted than control myocardium. Conclusions. In our present study, we show that circulating DCPs are significantly reduced after AMI, with a pronounced reduction in STEMI patients. This was accompanied by a significant increase of inflammatory serum cytokines in patients with AMI. Immunohistochemical analysis unravelled that the systemic reduction of circulating DCPs might be due their recruitment into the infarcted myocardium.
P8 Colonperforation und traumatische Handamputation bei Explosion durch Feuerwerkskörper C. Hohenstein1, *S. Herdtle1, R. Schäfer1 1Universitätsklinikum Jena, Zentrale Notaufnahme, Jena, Deutschland Einleitung. Verletzungen durch Feuerwerkskörper sind häufig. Insbesondere betroffen sind Hautverbrennungen, Knochenverletzungen, Amputationen, Augen- und Trommelfellverletzungen in Abhängigkeit des verwendeten Feuerwerkskörpers. Der häufigste Grund stellt hierbei eine fehlerhafte Verwendung dar (41%). Feuerwerksverletzungen gehören zu den sog. Low-Order-Explosives. Diese unterscheiden sich unter anderem dadurch von den High-Order-Explosives (z. B. Bombendetonationen), dass eine die sog. Primary Blast Injury verursachende Druck-/Schockwelle nicht ausgesendet wird. Nach aktueller Datenlage sind Hohlorganperforationen durch Low-Order-Explosives nicht beschrieben. Fall. Wir beschreiben das Verletzungsmuster eines jungen Patienten, der sich im Rahmen eines zu früh gezündeten Feuerwerkskörpers zu Silvester 2010/11 eine traumatische Handverletzung links sowie eine Trommelfellruptur links zuzog. Während des stationären Verlaufs entwickelten sich progrediente Zeichen eines akuten Abdomens. Eine native Röntgenaufnahme des Abdomens zeigte freie Luft. Die daraufhin durchgeführte explorative Laparotomie ergab eine wahrscheinlich durch die Druckwelle der Explosion ausgelöste Colonperforation. Dies führte sekundär zu einer kotigen Peritonitis und später zur septischen Milzruptur mit nekrotisierender Fasziitis. Weiterhin folgten ein partieller Platzbauch, eine Pankreasfistel, peritoneale Adhäsionen sowie ein myofasziales Schmerzsyndrom. Über dem perforierten Areal des Colons fand sich eine ca. 3×8 cm große oberflächliche Verbrennung I° auf der Bauchdecke, die initial nicht an eine intraabdominelle Verletzung denken ließ. Fazit. Gerade bei augenscheinlich beeindruckenden Verletzungen kommt es immer wieder zur Ablenkung und zum Übersehen von weiteren lebensbedrohlichen Verletzungsmöglichkeiten. Steigende Entzündungswerte wie z. B. das C-reaktive Protein bei ausbleibender Leukozytose werden dabei nicht selten auf die (schon bekannte) Verletzung zurückgeführt. Colonperforationen sind bei Explosionen von Feuerwerkskörpern bisher nicht beschrieben. Bei schweren Explosionen, die zu Verbrennungen an der Haut des Rumpfes und/oder Trommelfellzerreißungen neben schweren traumatischen Verletzungen führen, sollte in der Notaufnahme großzügig eine weitere Diagnostik bezüglich Hohlorganperforation angedacht werden. Diskussion. Ob es sich unter Berücksichtigung der aktuellen Literatur tatsächlich „nur“ um einen Feuerwerkskörper (Low-Order-Explosive) oder stattdessen um eine High-Order-Explosive-Verletzung handelte Notfall + Rettungsmedizin Supplement 1 · 2011
| 33
Abstracts ist unklar. Daher ist hierbei Anamnese und dazugehörende Klinik stets kritisch zu beurteilen.
P9 Management von Zahnunfällen auf der Notfallstation *R. Löhnert1, F. Grossmann1, A. Filippi2 1Universtitätsspital Basel, Notfallstation, Basel, Schweiz, 2Universität Basel, Universitätskliniken für Zahnmedizin, Basel, Schweiz Fragestellung. Pflegende und Ärzte auf Notfallstationen sind immer wieder mit Zahnunfällen konfrontiert. Auch dann, wenn Zahnmedizin nicht zum primären Leistungsangebot der Notfallstation gehört. Nach schweren Unfällen stehen häufig andere Verletzungen im Vordergrund und es fehlen Kenntnisse, wie mit unfallverletzten Zähnen im Notfall zu verfahren ist. Welche Maßnahmen müssen Pflegefachpersonen und Ärzte auf der Notfallstation ausführen, um dem Patienten eine professionelle Erstversorgung nach einem Zahntrauma zu gewährleisten? Methode. Literaturanalyse. Ergebnisse. Die häufigsten Zahnunfälle auf Notfallstationen sind Frakturen, Konkussion, Extrusion, Dislokation und Avulsion. Management von Zahnunfällen. Aufbewahrung von avulsierten Zähnen und Zahnbruchstücken. Avulsierte Zähne müssen schnellstmöglich in die Nährlösung einer Zahnrettungsbox gegeben werden. Die Zellkultur der Rettungsbox erhält die Zellen während 24 h vital. Abgebrochene Zahnkronen werden ebenfalls in die Zahnrettungsbox gegeben. Ist keine Zahnrettungsbox vorhanden, kann der Zahn in kalter Milch für maximal 6 h aufbewahrt werden. Triage zahnverletzer Patienten nach Emergency Severity Index (ESI): Zahnunfälle an sich sind keine Hochrisikosituation. Es gilt aber, die Ursache des Zahnunfalls und eventuelle Begleitverletzungen genau zu eruieren. Wichtig ist die schnelle Rettung avulsierter Zähne. Zahnunfälle benötigen mehrere Ressourcen (Röntgen, fachärztliches Konsil). Sind die Vitalzeichen unauffällig, ist ein Zahnunfall als ESI 3 zu triagieren. Inspektion der Mundhöhle und Blutstillung: Reinigung der Mundhöhle mit Wasser. Blutstillung mittels feuchter Kompresse. Bei lockeren Zähnen und Aspirationsgefahr, Zähne entfernen und in einer Zahnrettungsbox aufbewahren. Medikamente: Analgesie, Lokalanästhesie vor Zahnversorgung, Tetanus-Auffrischung. Systemische Antibisoe empfohlen bei Extruseion, Intrusion und laterale Dislokation. Bei Replantation nach Avulsion ist eine Antibiotikatherapie unverzichtbar. Mundhygiene und Kost: Entscheidend ist die gute Instruktion des Patienten. Nach der Versorgung des Zahntraumas durch den Facharzt werden Zähne mechanisch mit einer Zahnbürste gereinigt, empfindliche Stellen mit Chlorhexidin reinigen. Antiseptische Mundspülung wird empfohlen. Der Patient kann normale Kost zu sich nehmen, jedoch extrem harte Speisen vermeiden. Nachkontrolle. Eine Nachkontrolle muss beim Zahnarzt oder Kieferchirurgen erfolgen. Schlussfolgerungen. Der wichtigste Punkt im Management von Zahnunfällen ist die optimale und schnelle Zahnrettung. Ein Zahntrauma ist kein dringender Notfall, die Zahnrettung hingegen ist ein echter dringender Notfall.
P10 Hydromorphon – Todesfall durch Intoxikation im Kindesalter *J. Eidt1,2, M. Deters3, A. Schaper1,2, C. Radamm1,2, C. Kalentzi1,2, M. Ebbecke1,2 1Universitätsmedizin Göttingen, Giftinformationszentrum Nord, Göttingen, Deutschland, 2Universitätsmedizin, GIZ-Nord, Göttingen, Deutschland, 3GIZ Erfurt, Erfurt, Deutschland Einleitung. Hydromorphon ist ein hochpotentes Schmerzmittel vom Opioid-Typ. Es wirkt als (Voll-)Agonist an den µ-Opioid-Rezeptor. Bekannte Handelspräparate sind Jurnista®, Palladon® und mehrere Generika-Präparate. Es stehen schnell wirkstofffreisetzende, retardierte
34 |
Notfall + Rettungsmedizin Supplement 1 · 2011
und Präparate zur Injektion zur Verfügung. Anwendungsgebiete sind die Behandlung starker Schmerzen, insbesondere in der Onkologie. Der vorgestellte tragische Todesfall soll verdeutlichen, dass bei unklaren Bewusstseinseinschränkungen immer differenzialdiagnostisch an eine Intoxikation gedacht werden sollte. Die Medikamentenanamnese des Patienten und dessen Umfeld können wertvolle Hinweise liefern. Fallbericht. Ein 6-jähriges, 25 kg schweres Mädchen wurde in häuslicher Umgebung zunehmend schläfrig. Nach einem 2-stündigen Schlaf kam es zu Schwindel und Ataxie. Der verständigte Notarzt empfahl häusliche Beobachtung. Das Kind wurde gegen 17 h ins Bett gebracht und gegen 21 h noch einmal kurz erweckt. Um 1:30 h wurde es nicht ansprechbar und röchelnd vom Vater aufgefunden und durch den Notarzt in die Klinik gebracht. Bei zunehmender Ateminsuffizienz erfolgte gegen 3:30 h die Intubation. Trotz Sauerstoffzufuhr konnte keine Sättigung >80% erreicht werden. Die Gabe von Naloxon zeigte ein kurzes Ansprechen mit erneuter Eintrübung. Gegen 6:00 h konnte in Urin und Blut Hydromorphon nachgewiesen werden. Nach Rücksprache mit den Eltern wurde bestätigt, dass 17 Tabletten Jurnista® 8 mg (Hydromorphon Retard) fehlten entsprechend 5,4 mg/kg. Gegen 11:30 h waren die Pupillen entrundet. Im CT demarkierte ein beidseitiger Kleinhirninfarkt. Auf Grund eines massiven Hirnödems wurde die Indikation zur Entlastungskraniektomie gestellt. Es erfolgte eine stationäre Rehabilitation. Nach Tracheostomaanlage und mehrfacher Aspirationspneumonie trat ein akuter Atem- und Herz-Kreislauf-Stillstand auf, der kardiopulmonale Reanimation erforderte. Es entwickelte sich ein posthypoxisches Multiorganversagen. Die hirnprotektive Hypothermie führte zu einer Besserung der Organfunktionen, die Hirnfunktion besserte sich nicht, so dass das Kind 3 Monate nach der Intoxikation verstarb. Diskussion. Die unerwünschten Arzeimittelwirkungen mit insbesondere einer Benommenheit gehen bereits bei hochtherapeutischen Dosen in die typische Symptomatik einer Opioid-Intoxikation über. Eine schwere Vergiftung ist gekennzeichnet durch Koma, Atemdepression, Bradykardie, starker Miosis, bei oder nach anhaltender Hypoxie Entrundung der Pupille. Im Fall des 6-jährigen Mädchens war Benommenheit die Erstsymptomatik, erst später trat die Atemdepression mit Hypoxie auf. Als Folge der Hypoxie entwickelte das Kind ein massives Hirnödem und beidseits Kleinhirninfarkte. Im Verlauf entwickelte es eine Temperaturerhöhung und (Aspirations-)Bronchopneumonie. Es verstarb nach langwieriger intensivmedizinischer Behandlung in Folge eines Herzstillstands. Wäre in diesem Fall die Benommenheit als mögliches Intoxikationszeichen und Indikation zur Überwachung gewertet worden, wären durch frühes Eingreifen schwerwiegende Folgen verhindert worden. Die Gabe von Naloxon kann die Atemdepression und Bewusstseinsstörung antagonisieren. Ansonsten muss frühzeitig intubiert und beatmet werden.
P11 Viel Schaum um nichts? Pulmonale Komplikationen nach oraler Aufnahme von tensidhaltigen Haushaltsprodukten *E. Färber1, R. Wagner1, D. Prasa2, B. Planert1,2, S. Stoletzki1, U. Stedtler3, M. Hermanns-Clausen3 1Universtitätsmedizin Göttingen, Giftinformationszentrum Nord, Göttingen, 2HELIOS Klinikum Erfurt, Giftinformationszentrum, Erfurt, 3Universitätsklinikum, Vergiftungs-Informations-Zentrale, Freiburg Hintergrund. Haushaltsreiniger und Kosmetika, die anionische und nichtionische Tenside enthalten, gelten als gering toxisch. Typischerweise können sie bei Exposition eine Reizung der Schleimhäute des Auges und des Magen-Darm-Traktes hervorrufen. Nach Verschlucken können Übelkeit, Erbrechen und Durchfall auftreten. Eine gefürchtete Komplikation ist jedoch die Aspiration mit der Gefahr einer Ateminsuffizienz. Ein Ziel der prospektiven Beobachtungsstudie war es die Häufigkeit und den Schweregrad von pulmonalen Komplikationen nach Ingestion tensidhaltiger Produkte zu erfassen. Methode. Prospektive multizentrische Datensammlung akuter oraler Expositionen mit tensidhaltigen Haushaltsprodukten wie Allzweckrei-
niger, manuelle Geschirrspülmittel, Seifen, Haarshampoos, schäumenden Badezusätzen und Waschmitteln. Die Datensammlung erfolgte in einem Zeitraum von sieben Monaten in drei deutschen Giftinformationszentren. Wenn das Einverständnis der Anrufer vorlag, wurden zu den Basisdaten der Erstberatung Informationen über den Verlauf in einem Telefoninterview auf der Basis eines detaillierten Fragebogens erhoben. Das Interview wurde von speziell geschulten Mitarbeitern der Zentren frühestens 48 h nach dem Ereignis durchgeführt. Ergebnisse. Insgesamt 605 Patienten wurden eingeschlossen. Die Altersverteilung war wie folgt: 540 Kinder, 42 Erwachsene, 23 Senioren. Atemwegssymptome traten in 97 Fällen auf (16%). Am häufigsten wurde Husten (90) berichtet, dieser bestand in 5 Fällen über 6 h ohne weitere Komplikationen. Weitere Symptome wie kurzes Luftanhalten (1) und kurzfristig leicht erschwertes Atmen (2) wurden noch berichtet. Eine intensivmedizinische Behandlung bei erfolgter Aspiration war in 5 Fällen erforderlich (1 Kind, 4 Senioren). Jedoch war lediglich bei einer 94-jährigen Frau eine Intubation und Beatmung erforderlich. Drei Patienten wurden wiederholt abgesaugt. Weitere Maßnahmen waren Sauerstoffgabe, Antibiotikatherapie und die Gabe von Sekretolytika und Bronchodilatativa bei bronchialer Obstruktion. Schlussfolgerungen. Nach oraler Aufnahme tensidhaltiger Produkte kam es im Untersuchungszeitraum selten zu pulmonalen Symptomen. Obwohl in 16% der Fälle respiratorische Symptome wie Husten berichtet wurde, führte nur 1% der Expositionen zu intensivmedizinisch behandlungsbedürftigen respiratorischen Aspirationen. Während nur ein Kind von 540 exponierten Kindern (0,2%) deshalb intensivmedizinisch behandelt werden musste, war der Anteil der nach Ingestion eines tensidhaltigen Produktes intensivmedizinisch zu behandelnden Senioren mit 17% deutlich höher. Ältere Menschen haben nach Aufnahme von Produkten, die anionische und/oder nichtionische Tenside enthalten, ein erhöhtes Risiko respiratorischer Komplikationen durch Aspiration.
P12 Die CO-Intoxikation in der ZNA – Wann brauche ich den Hyperbarmediziner? *M. Euler1, D. Miersch1, H. Strelow1, J. Schneppendahl1, M. Wild1, J. Windolf1 1Universitätsklinik Düsseldorf, Unfall- und Handchirurgie, HBO, Düsseldorf, Deutschland Fragestellung. Weltweit ist die Kohlenmonoxidvergiftung die häufigste Todesursache bei unbeabsichtigten Vergiftungen. Die verzögert einsetzenden neurologischen Schädigungen („delayed neurological sequela“, DNS) sind häufig (bis 30%) und werden meist unterschätzt. Methodik. Am Beispiel einer jungen Frau, die sich einer Kohlenmonoxidintoxikation zuzog möchten wir das frühe klinische Management und die aktuellen Behandlungsempfehlungen aufzeigen. Bei dem Benutzen der Dusche verspürte die alleinlebende junge Frau wie bereits an den Vortagen erneut Kopfschmerzen, diesmal kamen Schwindel, Übelkeit und eine zunehmende Bewusstseinsbeeinträchtigung hinzu. Mit letzter Kraft verständigte sie ihre Schwester, welche den Notruf veranlasste. Beim Eintreffen des Notarztes fand dieser eine somnolente Patientin vor. Nach Primärversorgung erfolgte die Aufnahme ins nahegelegene Krankenhaus unter dem Verdacht einer Intoxikation. In der dortigen ZNA wurde ein COHb Wert von 47% bestimmt. Es erfolgte die Kontaktaufnahme und daraus resultierend die Verlegung ins Druckkammerzentrum zur hyperbaren Sauerstofftherapie (HBO). Im Rahmen der Ermittlungen stellte sich die fehlerhafte Gastherme für die Vergiftung als ursächlich heraus. Ergebnis. Zwar bestand schon an der Einsatzstelle der Verdacht einer Intoxikation, bei fehlendem Nachweis erfolgte aber erst die Vorstellung der Patientin im nahegelegenen Krankenhaus. Denn das primäre Erkennen einer CO-Vergiftung kann schwierig sein, da die Symptome von Beschwerdefreiheit über Kopfschmerzen, Schwindel, Übelkeit bis zu kardialen und zerebralen Symptomen reichen können. Der COHbWert kann dabei leicht (>10%) oder stärker (>20%) erhöht sein. Empfehlenswert wäre ein Screeningverfahren (z. B. transkutane Messung, BGA mit CO-Modul, Expirationsmonitoring) an der Einsatzstelle um
das Ausmaß der Intoxikation und ggf. die Anzahl der Betroffenen festzustellen. Dabei gilt es Risikogruppen (Pat. mit neurologischen Symptomen, Schwangerschaft, Kind) zu identifizieren und die sofortige Gabe von 100% Sauerstoff (SpO2-unabhängig) und die Vorstellung (<24 h) zur HBO einzuleiten, da die derzeitige Datenlage ein deutlich verbessertes Outcome nach CO-Intoxikation durch die Anwendung der HBO zeigt. Diese kann sowohl in der Akutphase die Giftelimination um ein vielfaches Steigern und damit die hypoxische Wirkung des CO reduzieren als auch die Wahrscheinlichkeit einer DNS senken. Schlussfolgerung. Im Zweifel sollten bei der unklaren Bewusstseinstrübung auch an eine CO-Intoxikation gedacht werden. Da nur noch wenige Druckkammerzentren eine 24-h-Bereitschaft vorhalten, ist eine frühzeitige Kontaktaufnahme zu empfehlen um die vorhandenen Ressourcen bestmöglich zu nutzen.
P13 Spontaner Spannungspneumothorax mit Thoraxschmerz und ST-Elevation *C. Hohenstein1, *C. Jung2 1Universitätsklinikum Jena, Zentrale Notaufnahme, Jena, Deutschland, 2Universitätsklinikum Jena, Kardiologie, Jena, Deutschland Ein 56-jähriger Patient stellte sich in der Notaufnahme mit akutem Thoraxschmerz vor. Das EKG zeigte in den Ableitungen V2-4 STHebungen, das Troponin war mit 0,36 ng/ml erhöht. Die Koronarangiographie schloss eine koronare Herzkrankheit aus. Ein CT-Thorax zeigte einen spontanen Pneumothorax mit Spannungskomponente. Nach Anlage einer Thoraxdrainage normalisierte sich das EKG wieder. Thoraxschmerz in der Notaufnahme ist ein häufiges Symptom. Der akute Myokardinfarkt ist eine der wichtigen Differenzialdiagnosen neben der Lungenembolie, der Aortendissektion, der Perikarditis und des Pneumothorax. Alle Erkrankungen können mit EKG-Veränderungen einhergehen, die einen akuten Myokardinfarkt mimen können. Wenngleich selten, so sollte auch beim angeblich typischen Thoraxschmerz mit ST-Hebungen im EKG auch an die anderen Differenzialdiagnosen gedacht werden.
P14 Akute Aortendissektion Typ A: Zeitverlust bei der Diagnose stellung und Implikation für das diagnostische Vorgehen *V. Tan1, P.-F. Petersen2, R. Hoffmann1, J.A. Skuras2 1Universitätsklinikum Aachen, Medizinische Klinik I, Aachen, Deutschland, 2Universitätsklinikum Aachen, Notaufnahme, Aachen, Deutschland Hintergrund und Ziel. Die akute Aortendissektion Typ A ist eine seltene aber akut lebensbedrohliche Erkrankung. Der Zeitfaktor ist hier essenziell. Die hohe akute Letalität macht es notwendig, die Aortendissektion trotz der heterogenen Symptome nicht zu übersehen.
Notfall + Rettungsmedizin Supplement 1 · 2011
| 35
Abstracts Patienten und Methode. Eine retrospektive Analyse der Daten von Patienten mit nachgewiesener akuter Aortendissektion Typ A aus den Jahren 2008 und 2009 des Universitätsklinikums Aachen sollte Faktoren aufdecken, die zur Verzögerung der Diagnostik führen. Ergebnis. Hauptverursacher für den Zeitverlust in der Diagnosestellung waren die anfänglichen Arbeitsdiagnosen akutes Koronarsyndrom (ACS) und Schlaganfall. Insbesondere bei Patienten mit anfänglich wenig beeinträchtigtem Allgemeinzustand. Schlussfolgerung. Der Nachweis oder Ausschluss einer akuten Aortendissektion Typ A ist die Domäne der bildgebenden Verfahren [transösophageale Farbdopplerchokardiographie (TEE), CT-Angiographie (CTA), Magnetresonanzangiographie (MRA)]. Anamnese und körperliche Untersuchungsbefunde sind keine sicheren Kriterien zum Ausschluss einer Aortendissektion. Bei Patienten mit persistierenden uncharakteristischen Thoraxschmerzen sollten bei nicht wegweisender Basisdiagnostik (Ruhe-EKG, Labor, Röntgenaufnahme des Thorax) zeitnah bildgebende Verfahren zum Nachweis oder Ausschluss einer Aortendissektion Typ A veranlasst werden. Patienten mit Schlaganfall sollten ebenfalls zeitnah eine cerebrale CTA oder MRA erhalten.
P15 Effekte der Einführung der Chest Pain Unit am Universitätsklinikum Aachen am Beispiel der HerzkatheterUntersuchung *D. Dünnebacke1, P.-F. Petersen2, J.A. Skuras2, R. Hoffmann2, N. Marx2 1Forschungsinstitut für Rationalisierung (FIR) e. V. an der RWTH Aachen, Aachen, Deutschland, 2Universitätsklinikum Aachen, Medizinische Klinik I, Aachen, Deutschland Fragestellung. Im Jahr 2006 wurde am Universitätsklinikum Aachen eine Chest Pain Unit (CPU) in der Notfallaufnahme etabliert. Die grundlegende Zielsetzung war eine signifikante Verbesserung der Patientenversorgung im kardiologischen Bereich, gerade im Hinblick auf die frühzeitige Diagnose als auch die individuelle Risikoeinschätzung von Patienten mit Verdacht oder bereits bekannter koronaren Herzkrankheit. Die Untersuchung dieser Hypothese ist Gegenstand der im Folgenden beschriebenen Arbeit. Methoden. Exemplarisch für das Leistungsspektrum der CPU wurde vor o. g. Hintergrund eine Untersuchung mit Fokus auf den Behandlungsprozess eines Patienten mit einer Herzkatheter-Untersuchung gelegt. Anhand des Vergleichs der Zeiträume 2004 (vor Einführung CPU) und 2007 (nach Einführung CPU) wurde die skizzierte Hypothese untersucht. Hierzu wurden Daten des Krankenhausinformationssystems anonym mittels SPSS Statistics 19 ausgewertet. Aufgrund der hohen Fallzahl konnte für die numerischen Daten eine Normalverteilung angenommen werden. Somit kann der Vergleich der Mittelwerte der einzelnen Zeiträume, als auch die Untersuchung der Teilkollektive mittels des t-Tests für unverbundene Stichproben durchgeführt werden. Darüber hinaus werden für Signifikanztests die Kaplan-Meier-Analyse nebst Log-Rank-Test und der χ2-Test angewendet. Ergebnisse. Insgesamt konnten in den beiden Zeiträumen 2004 (Patienten: 3035) und 2007 (3415) 6450 Patienten identifiziert werden. Von diesen waren 4376 Männer (67,9%) und 2074 Frauen (32,1%). Die Verteilung ist in den Zeiträumen nahezu konstant. Hinsichtlich der Altersverteilung lässt sich eine Alterung des Patientenkollektivs im Mittel um 3 Jahre beobachten. Gerade die über 75-jährigen Patienten waren 2007 mit 21% gegenüber 13,4% in 2004 deutlich stärker vertreten. Darüber hinaus wurde eine starke Zunahme an Notfallpatienten im betrachteten Zeitraum identifiziert. Wurden in 2004 lediglich 729 Patienten (24%) notfallmäßig eingeliefert, so stieg deren Anzahl in 2007 auf 1341 (39,3%). Diese Veränderungen können als Erklärung für die gestiegene Mortalität zwischen 2004 und 2007 in den untersuchten Patientengruppen dienen. Die Mortalität stieg in den ersten 30 Tagen nach der Herzkatheter-Untersuchung von 63 (2,1%) auf 143 (4,2%). Die vorliegenden Untersuchungsergebnisse sind in Abb. 1 zusammengefasst. Weiterführende Untersuchungen der Teilkollektive sowie die
36 |
Notfall + Rettungsmedizin Supplement 1 · 2011
Nachweise der Signifikanz sind zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht abgeschlossen. Schlussfolgerung. Im Ergebnis kann festgehalten werden, dass bei Betrachtung des gesamten Patientenkollektivs ins Besondere hinsichtlich der Mortalität in den ersten 30 Tagen nach Herzkatheter-Untersuchung eine signifikante Zunahme identifiziert wurde. Die untersuchten Rahmenbedingungen lassen einen Zusammenhang zum gestiegenen Durchschnittsalter sowie zum gestiegenen Anteil an Notfallpatienten erwarten. Signifikanzstudien werden hierzu zeitnah durchgeführt und im Rahmen der Veranstaltung präsentiert.
Abb. 1 Zusammenfassung der bisherigen Untersuchungsergebnisse
P16 Autoregulationsmechanismus der zerebralen Durchblutung während des hämorrhagischen Schocks *R. Schiffner1, S. Bischoff2, F. Rakers3, S. Rupprecht3, H. Schubert2, M. Schwab3 1Uniklinik Jena, Zentrale Notaufnahme, Jena, Deutschland, 2Uniklinik Jena, Institut für Versuchstierkunde und Tierschutz, Jena, Deutschland, 3Uniklinik Jena, Neurologie, Jena, Deutschland Einleitung. Die zerebrale Durchblutung in den subkortikalen Bereichen ist im Vergleich zur Durchblutung des Kortex während einer Nabelschnurokklusion bei fetalen Schafen weniger stark reduziert. Es ist anzunehmen, dass der cerebrale Kortex und die periphere Zirkulation den gleichen kardiovaskulären adaptativen Mechanismen unterliegen und nur subkortikale Regionen stärker geschützt werden. Ziel der Untersuchung war, die oberen und unteren Grenzen der Autoregulation zerebraler Durchblutung adulter Schafe zu untersuchen. Methoden. Bei 5 adulten Schafen wurden unter Vorliegen einer Allgemeinanästhesie venöse und arterielle Zugänge gelegt sowie über eine Kraniotomie in den frontalen Kortex und den Thalamus Laserdopplersonden implantiert. Über den gesamten Versuchsablauf erfolgten Messungen des arteriellen Blutdrucks, der arteriellen Blutgaswerte sowie der zerebralen Durchblutung im frontalen Kortex und im Thalamus. Durch Entnahme von mindestens 50% des Gesamtblutvolumens wurde ein hämorrhagischer Schock initiiert, der für 15 min aufrechterhalten wurde, gefolgt von einer Retransfusion. Ergebnisse. Die zerebrale Durchblutung im frontalen Kortex erfuhr im Vergleich zum Ausgangsniveau während des hämorrhagischen Schocks eine Reduktion auf 31% (p<0,05) und eine Steigerung auf mehr als 500% während der Retransfusion (p<0,05). Die cerebrale Durchblutung im Thalamus verhielt sich ähnlich, jedoch waren deutlich unterschiedliche Zeiträume der veränderten Durchblutung erkennbar. So kam es, im Vergleich zum zerebralen Kortex, während des hämorrhagischen Schocks im Thalamus zur langsameren Reduktion auf 30% (p>0,05) und während der Retransfusion zu einer sehr schnell ansteigenden Durchblutung auf mehr als 550% (p<0,05). Schlussfolgerungen. Während des Vorliegens eines hämorrhagischen Schocks kommt es bei adulten Schafen zugunsten subkortikaler Regionen (Thalamus) zur Umverteilung der zerebralen Durchblutung, ähn-
lich dem nach Nabelschnurokklusion bei fetalen Schafen bekannten cerebralen Flussverhalten. Es kann angenommen werden, dass diese zerebrale Autoregulation als wesentlicher Schutzmechanismus während des Vorliegens eines hämorrhagischen Schocks wirkt und somit gesichert wird, dass die neuronale Funktionalität dieser subkortikalen Hirnregion erhalten bleibt. Möglicherweise liegt diesen Vorgängen ein altersabhängiger Mechanismus zu Grunde.
P17 Das Ganzkörper-Computertomogramm – ein wesentlicher Bestandteil der Polytraumaversorgung in der ZNA *T. Hohaus1, F. Bonnaire1 1Krankenhaus Dresden-Friedrichstadt, Zentrale Notaufnahme, Dresden, Deutschland Fragestellung. Im Jahr 2010 wurden 53 Polytraumatisierte über die Zentrale Notaufnahme des Klinikums aufgenommen. Der Algorithmus sieht vor, dass diese Patienten in der Regel im CT übernommen und primär versorgt werden. Das Procedere wird vorgestellt und zur Diskussion gestellt. Methoden. Die Erstversorgung polytraumatisierter Patienten in der ZNA des Klinikums wird an Hand der Daten aus dem Traumaregister der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie für das Jahr 2010 evaluiert. Besonderes Augenmerk wird dabei auf die Versorgung des Patienten im CT unter Einsatz eines Ganzkörper-CT gelegt. Ergebnisse. 88% der Fälle wurden primär vom Rettungsdienst übernommen. Der ISS (Mittelwert) betrug 21,4. 34 Patienten (66%) wiesen einen ISS >16 auf, von diesen erhielten 27 (79%) ein Ganzkörper-CT im Rahmen der Primär-(Schockraum-)Versorgung. Diese konnte in der Regel in einer Stunde abgeschlossen werden. Zwei Patienten verstarben im Krankenhaus. Zusammenfassung. Nach einer Lernphase ist das Ganzkörper-CT zum festen Bestandteil des Polytrauma-Algorithmus geworden. Die Schockraumversorgung im CT erfolgt interdisziplinär durch Anästhesisten und Unfallchirurgen, adaptiert an die ATLS-Prinzipien. Die Untersuchung verkürzt die Schockraumaufenthaltsdauer und resultiert in einer höheren Sicherheit. Zu diskutieren ist, inwieweit durch den frühen Zeitpunkt der CT sich erst entwickelnde Läsionen, z. B. Lungenkontusionen, sich einer Diagnostik entziehen können.
P18 ECMO in der Akutbehandlung eines polytraumatisierter Patienten (ein Fallbericht)
raxdrainage entleerten sich 1500 ml Blut. In der Notfallthorakotomie zeigte sich eine Zerreißung des Lungenparenchyms, so dass eine Bisegmentresektion erfolgte. Intraoperativ war die Transfusion von 40 EK, 25 FFP und 5 TK notwendig; im Verlauf der Operation nahm die Gasaustauschstörung kontinuierlich zu, am Ende der Operation war auch unter Einsatz eines Intensivrespirators, aggressiver Beatmung (pcMV, FiO2 1,0, PEEP 25, PIP 45, AF 25, I:E 1:1) und inhalativer Gabe von 15 ppm Stickstoffmonoxid nur eine marginale Oxygenierung zu erreichen (PaCO2 57 mmHg, PaCO2 71). Als morphologisches Äquivalent zeigten sich im Kontroll-CT deutlich aufgeblühte bilaterale Lungenkontusionen (s. Abb. 1). Trotz der Blutungsneigung und der Massentransfusion wurde der Patient in dieser Situation an eine venovenöse ECMO (Rotaflow, PLS, Maquet) ohne Heparinbolus angeschlossen (Hergabe VFS 19Fr-60 cm-Multistage; Rückgabe VJID 19Fr, 18 cm, Medtronic). Es gelang eine suffiziente Oxygenierung und Decarboxylierung (PaCO2 295 mmHg, PaCO2 26 mmHg), welche eine Deeskalation der Beatmungsparameter und die Etablierung lungenprotektiver Ventilation erlaubte (BIPAP, FiO2 0,7, PEEP 18, PIP 30, AF 10). Erst 4h nach ECMO-Anschluss erfolgte eine Antikoagulation mit 400 IE/h Heparin und einer ZielPTT von 35–40 s: weder akut noch im Verlauf traten Blutungen oder Thromben am ECMO-System auf. Unter ECMO-Therapie, intermittierender Bauchlagerung und restriktivem Flüssigkeitsregime verbesserte sich die Lungenfunktion, so dass die ECMO-Therapie nach 6 Tagen beendet werden konnte. Weitere 3 Tage wurde eine ECLA angewendet und der Patient erfolgreich entwöhnt. Er wurde nach 25 Tagen wach, kognitiv und bei stabilen Organfunktionen auf die Normalstation entlassen. Unser Fallbericht zeigt, dass ECMO mit beschichteten Kanülen und System in der Akutbehandlung von polytraumatisierten Patienten eine Therapieoption darstellt.
Abb. 1 CT Thorax nach schwerem Thoraxtrauma und vor ECMO-Anschluss
*B. Donaubauer1, G. Huschak1, S. Bercker1, H. Wrigge1, J. Fakler2, U. Kaisers1, C. Josten2, S. Laudi1 1Universitätsklinikum Leipzig, Klinik f. Anästhesiologie und Intensivtherapie, Leipzig, Deutschland, 2Universitätsklinikum Leipzig, Klinik und Poliklinik für Unfall-, Wiederherstellungs- und Plastische Chirurgie, Leipzig, Deutschland Extrakorporale Membranoxygenierung (ECMO) zählt als etabliertes Verfahren zur der Behandlung einer therapierefraktären Hypoxämie beim akuten Lungenversagen. Bislang war für die Anwendung eine therapeutische Antikoagulation notwendig, so dass ECMO in der Akutbehandlung polytraumatisierter Patienten mit schwerer Gasaustauschstörung nicht eingesetzt werden konnte. Wir berichten über die erfolgreiche ECMO-Behandlung eines polytraumatisierten Patienten mit niedriger Antikoagulation. Ein 26-jähriger Patient war nach Überrolltrauma mit initalem GCS 3 analgosediert, intubiert und beatmet eingewiesen worden. Im Schockraum wurde der Patient zunehmend tachykard und hypotensiv, die SpO2 betrug 98%. Im CT zeigte sich ein schweres Thoraxtrauma mit Rippenserienfraktur rechts, Scapula- und Claviculafraktur rechts, Hämatopneumothorax rechts und Lungenkontusion beidseits, Femurfraktur links und Radiusfraktur links. Nach Anlage einer ThoNotfall + Rettungsmedizin Supplement 1 · 2011
| 37
Abstracts P19 Schwerverletztenmanagement M. Dietz-Wittstock1 1Ev.-Luth. Diakonissenanstalt zu Flensburg, Zentrale Notaufnahme/ Aufnahmestation, Zentrum für Gesundheit und Diakonie, Flensburg, Deutschland
Abbildung 1
Abbildung 2
P20 Patienten mit Synkope in einer deutschen Notaufnahme – Beschreibung von Patienten und Prozessen *S. Güldner1, *M. Christ1 1Klinikum Nürnberg, Klinik für Notfall- und internistische Intensivmedzin, Nürnberg, Deutschland Einleitung. Eine Synkope ist ein vorübergehender Bewusstseinsverlust bei globaler zerebraler Minderperfusion und meist mit einem Verlust des Muskeltonus assoziiert. Da in Deutschland kaum Daten zu Patienten mit Synkope in der Notaufnahme existieren, wurden die Charakteristika und der Ressourcenverbrauch von Patienten mit Synkope in der Notaufnahme eines deutschen Großklinikums evaluiert. Methodik und Ergebnisse. Es wurden alle Patienten mit Synkope, die sich im Untersuchungszeitraum in der Notaufnahme des Klinikums Nürnberg vorstellten, analyisert (440 von 28.477 Patienten; 1,5%; Alter 62±20 Jahre. 50,4% der Patienten waren weiblich, 43,4% über 70 Jahre (16,6% der Patienten mit kardialer oder neurologischer Synkope; 18,2% mit mehr als 2 Komorbiditäten; Abb. 1). 20,7% der Patienten wurden nach der Evaluation in der Notaufnahme in die ambulante Weiterbetreuung entlassen, 14,1% auf der Notaufnahmestation kurzstationär aufgenommen und 56,6% fachspezifisch stationär aufgenommen. 8,6% der Patienten verließen die Notaufnahme gegen ärztlichen Rat. Bei na-
38 |
Notfall + Rettungsmedizin Supplement 1 · 2011
Abbildung 3
hezu allen Patienten wurde eine Blutentnahme (5,9% mit Hyponatriämie <130 mmol/L, 5,3% mit Kreatinin >2 mg/dL) und ein 12-Kanal EKG (in 36,4% der Fälle pathologisch) durchgeführt, während 14,5% der Patienten einen Orthostasetest erhielten (26,6% pathologisch) (Abb. 3). Technisch aufwändige Untersuchungen wie z. B. die kraniale Computertomographie (n=129; >25%) wurden häufig verordnet, weisen aber nur eine geringe diagnostische Aussagekraft auf (3,1% pathologisch; Abb. 2). Bei 27% der Patienten wurde ein neurovaskulärer Doppler durchgeführt, der bei 6,7% der Patienten pathologisch war. Die Untersuchung der klinischen Endpunkte innerhalb von 30 Tagen zeigte, dass Patienten mit Synkope und klinisch relevantem Ereignis (n_Gesamt_30_Tage =89 von 440) signifikant älter sind und in Ihrer medizinischen Vorgeschichte signifikant mehr klinisch relevante Ereignisse hatten als Patienten ohne primäre Endpunkte. Ein hoher Anteil von Synkopenpatienten wurde stationär aufgenommen (ca. 80%). Die hohe liegt möglicherweise in einer diagnostischen Unsicherheit bei der Synkopenabklärung oder ist auf eine unzureichende Orientierung an Leitlinien zurückzuführen. Weiterhin kann sich das in der Notaufnahme behandelte Patientenkollektiv durch das in Deutschland vorliegende Versorgungssystem von dem anderer Staaten unterscheiden. Außerdem sind in unserer Kohorte überwiegend ältere Patienten (43,4% >70 Jahre, 19,8% >80 Jahre) und insbesondere ältere Patienten mit Synkope werden stationär aufgenommen. Diskussion und Ausblick. Zusammenfassend sollten vorhandene Werkzeuge zur Risikostratifizierung von Patienten mit Synkope angepasst werden. Der Einsatz von technisch aufwändigen Untersuchungen im Sinne eines „Shotgun-Approach“ der Diagnostik führt, wie die Studie zeigt, zu einem inadäquat hohen Resourcenverbrauch. Die körperliche Untersuchung sowie eine zielgerichtete Anamnese sind die essentiellen Bausteine zur Einschätzung des Risikos für ein kritisches Ereignis und damit zur Entscheidung über eine stationäre Aufnahme.
P22 IT-gestützte Visualisierung von Prozessabläufen in der ZNA *A. Neise1 1Sana Klinikum Remscheid, Zentrale Notaufname, Remscheid, Deutschland Siehe Abb. 1.
P21 Optimierung des Isolationsprozess auf der Notfallstation – ein Prozess mit Hilfe des PDCA-Zyklus *K. Borst1, F. Grossmann1 1Universitätsspital Basel, Notfallstation, Basel, Schweiz Hintergrund. Wenn auf die Notfallstation Patienten eintreten, die aus verschiedenen Gründen in kurzer Zeit isoliert werden müssen, stehen Pflegende und Ärzte vor einer besonderen Herausforderung. Denn anders als auf Pflegestationen ist für diese Patienten in der Regel kein spezielles Zimmer mit Schleusen vorbereitet. Zudem bestehen Unsicherheiten in Bezug auf den korrekten Umgang mit den verschiedenen, von der Erregerübertragung abhängigen Isolationen. Dies meint sowohl die korrekten persönlichen Schutzmaßnahmen, auch auf die hierfür benötigten Materialien. Ziel dieses Projektes war es, den sicheren Umgang mit Isolationen zu verbessern und so die Personalzufriedenheit und die Patientensicherheit zu erhöhen. Methode. Als Instrument für eine erfolgreiche Prozessoptimierung wurde der PDCA-Zyklus nach Deming (1900–1993) ausgewählt. Dieser Zyklus besteht aus den vier Phasen Plan-Do-Check-Act und gehört zu den Methoden der Organisationsentwicklung. Außerdem wurden Pflegende während der Arbeit bei Isolationen beobachtet und befragt, was ihnen die Arbeit erleichtern würde (teilnehmende Beobachtung). Ergebnisse. Nach der Optimierung des Prozesses wurden die Isolationen besser akzeptiert. Dies wurde vor allem durch Verkürzung der Vorbereitungsphase der Isolationskabinen erreicht. Dies führte gleichzeitig zu einer Kosteneinsparung, da weniger Material entsorgt oder aufbereitet werden musste. Einzelne Arbeitsschritte wurden vereinfacht durch Bereitstellung von Screeningssets, arbeitserleichternden Materialien und Orientierungshilfen direkt am Patientenbett. Diskussion. Der Isolationsprozess konnte vereinfacht werden. Der PDCA-Zyklus war ein geeignetes Hilfsmittel zur Prozessoptimierung. Durch die Phase „Check“ werden Neuerungen ständig evaluiert und so den tatsächlichen Gegebenheiten in der Praxis angepasst.
Abb. 1
P23 Notaufnahmen als Engpassfaktor bei Großschadensereignissen C. Niehues1 1Institut für Management der Notfallversorgung, Geschäftsführung, Münster, Deutschland Was passiert, wenn sich ein Großschadensereignis nicht auf einem abgesperrten Übungsgelände, sondern im städtischen Bereich ereignet? In diesem Fall sind zahlreiche Probleme zu erwarten, da sich die Maßnahmen und entsprechende Übungen überwiegend auf die präklinische Notfallversorgung konzentrieren. Die Krankenhäuser sind verpflichtet, sog. Krankenhausalarmpläne aufzustellen, und entsprechende Kapazitäten vorzuhalten. Aufgrund des hohen Kostendrucks besteht aber kein Anreiz für die Krankenhäuser, sich auf solche Ereignisse vorzubereiten. Während der Rettungsdienst und Katastrophenschutzeinheiten Mittel von Bund und Ländern zur Bewältigung von Großschadensereignissen erhalten, sollen die Krankenhäuser die Vorsorgemaßnahmen mit eigenen Mitteln finanzieren. Die Politik macht die Krankenhäuser zum schwächsten Glied der Rettungskette. Zum einen konzentrieren sich die Konzepte und finanziellen Mittel zur Bewältigung von Großschadensereignissen auf die präklinische Notfallversorgung. Zum anderen ist es Ziel der DRGFallpauschalen überschüssige Kapazitäten abzubauen, die dann aber im Notfall fehlen. Zudem bestehen schon im Alltag Engpässe bei intensivmedizinischen Betten. Eine noch so gute präklinische Ausstattung Notfall + Rettungsmedizin Supplement 1 · 2011
| 39
Abstracts und Organisation im Rettungsdienst ist weitgehend nutzlos, wenn die Krankenhäuser nicht über entsprechende Kapazitäten verfügen. Die meisten Konzepte basieren auf der unrealistischen Vorstellung, dass bei einem Großschadensereignis zunächst alle Patienten am Unglücksort systematisch erfasst, erstversorgt, und anschließend geordnet auf die Krankenhäuser verteilt werden. Sollte sich allerdings ein Unglück im städtischen Bereich ereignen, ist es viel realistischer, dass umgehend zahlreiche leicht- und mittelschwerverletzte Patienten eigenständig und mit Laienhilfe die nächstgelegene Notaufnahme aufsuchen. Dieser Fall wird in den Planungskonzepten nicht berücksichtigt und wird daher auch nicht geübt. Im Ernstfall würden am Unglücksort viele Einsatzkräfte in Bereitstellungsräumen auf den eventuellen Einsatz warten, während nahegelegene Notaufnahmen vollkommen überfordert wären. Für den schlimmsten Fall eines Unglücks oder Anschlags mit atomaren, biologischen oder chemischen Gefahrstoffen existieren für den Krankenhausbereich allenfalls theoretische Konzepte, aber keine entsprechenden Kapazitäten. Des Weiteren bereiten uneinheitliche Triage-Systeme erhebliche Schnittstellenprobleme. Im Rettungsdienst werden in der Regel vier Kategorien festgelegt, wobei die vierte Kategorie häufig noch lebende aber nicht mehr zu rettende Patienten bezeichnet. Dahingegen verwenden die meisten Notaufnahmen 5-stufige Triage-Systeme, die deutlich differenzierter sind und die Kategorie „Ohne Überlebenschance“ nicht kennen. In den Notaufnahmen muss eine erneute Sichtung und Einstufung in die erweiterten Kategorien stattfinden, was zwangsläufig zu Reibungsverlusten führt.
P24 Flächendeckende Einführung des Manchester-Triage-Systems (MTS) in der Notaufnahme des Robert-Bosch-Krankenhauses (RBK) Stuttgart *A. Hangleiter1, M.D. Alscher2, D. Filipaj3, S. Neusieß4, C. Wasser5 1Robert-Bosch-Krankenhaus, Notaufnahme, Stuttgart, Deutschland, 2Robert-Bosch-Krankenhaus, Chefarzt der Abteilung für Allgemeine Innere Medizin und Nephrologie, Stuttgart, Deutschland, 3Robert-Bosch-Krankenhaus, Stationsleitung Notaufnahme, Stuttgart, Deutschland, 4RobertBosch-Krankenhaus, Stellv. Stationsleitung Notaufnahme, Stuttgart, Costa Rica, 5Robert-Bosch-Krankenhaus, Oberarzt des Notaufnahmezentrums und der Abteilung für Allgemeine Innere Medizin und Nephrologie, Stuttgart, Deutschland Hintergrund. In der Notaufnahme des Robert-Bosch-Krankenhauses (RBK) in Stuttgart stiegen die Patientenzahlen vom Jahr 2004 bis zum Jahr 2006 um 20%. Nach Einführung einer Interdisziplinären Notaufnahme (ZNA) mit 22 Behandlungsplätzen im Sommer 2007, ergab sich ein weiterer Anstieg um 35% auf zuletzt ca. 28.000 Patienten im Jahr 2010. Zur Optimierung der Prozesse in Stoßzeiten insbesondere in Bezug auf die Patientensicherheit wurde die Verwendung eines Triagesystems dringend erforderlich. Wir entschieden uns aufgrund der einfachen Durchführbarkeit und der in Studien nachgewiesenen guten Reliabilität und Validität für das MTS. Beginnend im Oktober 2009 wurde das System in Etappen eingeführt. Methoden. Das gesamte Pflegepersonal der ZNA wurde in Etappen mit dem Basiskurs MTS geschult. Eine Pflegekraft wurde des Weiteren als Mentor ausgebildet. Zu Beginn des Jahres wurde tagsüber eine eigene Triagekraft eingeführt, die über die Triage hinaus als Ansprechpartner für die Fragen und Probleme der Patienten und Angehörigen zur Verfügung steht. Die Patienten werden beim Eintreffen in der Notaufnahme nach dem MTS in die fünf Dringlichkeitskategorien eintriagiert: rot – sofort; orange – sehr dringend; gelb – dringend; grün – normal; blau – nicht dringend. Der Zeitpunkt der Ersteinschätzung sowie der Zeitpunkt des Beginns der ärztlichen Behandlung werden auf einem neu gestalteten Aufnahmebogen handschriftlich dokumentiert. Das System wird durch den seit Januar 2011 geschulten MTS-Mentor ausgewertet, wodurch auch eine Qualitätssicherung ermöglicht wird. Ausgewertet wurden bisher die Patientenzahlen der ZNA von Januar bis April 2011.
40 |
Notfall + Rettungsmedizin Supplement 1 · 2011
Ergebnisse. Im Zeitraum vom 01.01.2011 bis 30.04.2011 wurden 6886 der insgesamt 8445 Patienten triagiert. Das entspricht einem Anteil von 81,5%. Folgende Verteilung der Patienten nach MTS ergaben sich in den ersten vier Monaten 2011: – Januar 2011: rot 4 (0,2%); orange 147 (8%); gelb 851 (48%); grün 724 (41%); blau 32 (1%). – Februar 2011: rot 2 (0,3%); orange 142 (9%); gelb 793 (50,5%);grün 621 (39,5%); blau 13 (0,7%). – März 2011: rot 6 (0,4%); orange 106 (6%); gelb 836 (48,8%); grün 757 (44,2%); blau 7 (0,6%). – April 2011: rot 5 (0,3%); orange 107 (6,4%); gelb 797 (47,3%); grün 755 (44,8%); blau 21 (1,2%). Schlussfolgerungen. Die Auswertung zeigt eine stabile Verteilung der einzelnen Triagekategorien, was auf eine gute Reliabilität schließen lässt. Durch die Einführung der Triagekraft seit Januar 2011 konnte der Anteil der triagierten Patienten deutlich gesteigert werden. Gleichzeitig konnte die Zufriedenheit der Patienten durch die Ersteinschätzung einer Pflegekraft, welche für Ihre Probleme und Ängste sofort ansprechbar ist, verbessert werden. Darüber hinaus sind Warteraummanagement, Transparenz und Kommunikation wichtige Schlagwörter für den Aufgabenbereich der Triagekraft.
P25 MRSA-Screening im Notfallzentrum – Ergebnisse ein Jahr nach Implementierung *C. Pietsch1 1Krankenhaus Barmherzige Brüder, Notfallzentrum, Regensburg, Deutschland Fragestellung. Stellt das Screening von Patienten auf Besiedelung mit methicillinresistentem S. aureus (MRSA) im Notfallzentrum eine sinnvolle Maßnahme dar? Methoden. In unserem Notfallzentrum wurde vor einem Jahr das Screening auf Besiedelung mit MRSA bei Patienten mit entsprechendem Risikoprofil eingeführt. Wir bedienen uns hierzu der MRSA-PCR. So ist es möglich, bereits 70 min nach Eingang der Probe im Labor über ein erstes Ergebnis zu verfügen. Bei positivem Ergebnis werden entsprechende Isolationsmaßnahmen ergriffen. Der Patient wird, mit Ausnahme lebensbedrohlicher Notfälle, erst aus dem Notfallzentrum verlegt, wenn das Testergebnis vorliegt. Ergebnisse. Einen positiven MRSA-Schnelltest hatten 3–4% der getesteten Patienten. Davon waren allerdings nur etwa 60% auch in der mikrobiologischen Diagnostik positiv auf MRSA. Die Kosten für das Screening werden durch die Vorteile aufgewogen. Durch den Schnelltest kann eine unnötige Isolierung vermieden werden, wodurch die Bettenkapazität im Haus besser genutzt werden kann. Schlussfolgerungen. 1961 wurde durch Jevons erstmals ein Methicillinresistenter S. aureus (MRSA) beschrieben. Seitdem haben multiresistente Erreger einen Siegeszug angetreten, dem nur noch durch konsequente Hygienemaßnahmen Einhalt geboten werden kann. Eine dieser Maßnahmen stellt die frühzeitige Erkennung und Isolierung von Patienten mit MRSA-Besiedelung dar. Neben medizinischen Gründen gibt es auch überzeugende ökonomische Aspekte für die Einführung einer entsprechenden Screeningmethode. Nicht zuletzt können derartige Maßnahmen bei guter Darstellung auch zu einem Vorteil im enger werdenden Gesundheitsmarkt werden.
P26 Prozessoptimierung und klinische Akzeptanz – drei Perspektiven zur ESI-Triage *S. Schüler1, H. Eisenbarth1, M. Schob1, A. Fersterra1, *H. Dormann1 1Klinikum Fürth, Zentrale Notaufnahme, Fürth, Deutschland Hintergrund. Die Einführung einer Triage in der Zentralen Notaufnahme (ZNA) ist ein Schnittstellenprozess an dem sowohl Ärzte, Ret-
tungsdienst und die triagierende Pflegeperson beteiligt sind. Wie die Einführung des Emergency Severity Index (ESI) durch die Beteiligten Berufsgruppen wahrgenommen wird, wurde im Rahmen einer Fragebogenevaluation analysiert. Methode. Durch ein multimodales Ausbildungskonzept mit Lernerfolgskontrolle und Simulationsszenarien wurden die Pflegepersonen der ZNA als Triagekräfte ausgebildet. Sechs Monate nach Einführung der ESI-Triage wurde eine anonyme halbstandardisierte Fragebogenevaluation bei ZNA-Ärzten (Ä), Pflegepersonen (P) und Rettungsdienst (R) durchgeführt. Der Fragebogen gliederte sich in drei Abschnitte: 1. Vier bis sechs Fragen zum Aufnahmeprozess vor Einführung der ESI-Triage, 2. Neun bis elf Fragen zum aktuellen Ablauf der ESI-Triage und 3. Fünf grundsätzliche Fragen zur ESI-Triage. Aufgrund berufsspezifischer Einzelfragen variiert die Anzahl der Fragen pro Abschnitt. Die Antwortmöglichkeiten wurden kategorisiert in 0) Trifft nicht zu, 1) Trifft seltener zu, 2) Trifft meistens zu, 3) Trifft voll und ganz zu und x) kann nicht beantwortet werden. Eine Mittelwertberechnung (min. 0, max. 3) wurde durchgeführt. Ergebnisse. Insgesamt nahmen 51 Mitarbeiter teil. Der Rücklauf betrug zwischen (Ä) 90% (9/10), (P) 75% (15/20) und (R) 50% (27/54). Vor Einführung des ESI orientierte sich die Dauer der Wartezeit meist an der Reihenfolge des Eintreffens der Patienten (Ä 1,89; P 2,0; R 2,33). Dies führte zu Verunsicherungen, insbesondere bei hohem Patientenaufkommen (Ä 2,0; P 2,07). Der Ressourceneinsatz war meist nicht Symptom bezogen (Ä 1,56; P 2,21). Zusätzlich wurde durch das Pflegepersonal eine deutliche Unzufriedenheit bei den wartenden Patienten wahrgenommen (P 2,14). Das Schulungskonzept: Das multimodale Ausbildungskonzept wurde durch das Pflegepersonal als gut (P 2,38) und insbesondere die Simulationszenarien (P 2,8) und die Prüfung (P 3,0) als sehr positiv beurteilt. Die ESI-Triage wird berufsgruppenübergreifend als positiv bewertet (Ä 2,11, P 2,71, R 2,46). Die interprofessionelle Zusammenarbeit und Erstversorgung hat sich dadurch verbessert (Ä 1,89; P 2,23; R 2,12). Nicht alle Patienten zu triagieren wird im Allgemeinen abgelehnt (Ä 0,22; P 0,15; R 1,0). Wartende Patienten fühlen sich nach Einschätzung der Pflege besser wahrgenommen und wirken zufriedener (P 2,2). Sowohl ärztliche, als auch Rettungsdienst-Mitarbeiter fühlen sich durch die Triage in ihrer Kompetenz nicht oder kaum eingeschränkt (Ä 0,22; R 0,73). Der Rettungsdienst traut der triagierenden Pflegeperson die korrekte Einschätzung der Behandlungsdringlichkeit (R 2,15) und den Überblick über die Gesamtsituation in der ZNA (R 2,28) zu. Schlussfolgerung. Die konsequente Umsetzung der ESI-Triage hat zu einer Professionalisierung der interdisziplinären Zusammenarbeit geführt. Die empfundene qualitative Versorgung und Zufriedenheit der Patienten hat übereinstimmend zugenommen. Das Ausbildungskonzept hat zur guten klinischen Akzeptanz beigetragen.
P27 Versorgung palliativmedizinischer Patienten in der Notfallaufnahme – Problem oder Herausforderung *C.H.R. Wiese1, K.-P. Ittner1, T.W. Klier1, C.L. Lassen1, B.M. Graf1 1Universitätsklinikum Regensburg, Klinik für Anästhesiologie, Regensburg, Deutschland Hintergrund. Palliativpatienten wünschen sich oftmals eine medizinische Betreuung im häuslichen Umfeld bis zum Lebensende. Aufgrund von Symptomexazerbationen (z. B. Dyspnoe, Agitation, Krampf, Blutung, Schmerz) [2] kann bei diesen eine notfallmedizinische Intervention erforderlich werden. Allerdings sind die Zielsetzungen der Patienten deutlich von denen „normaler“ Notfallpatienten zu unterscheiden [3]. Zahlreiche dieser Patienten werden in Notaufnahmen zur weiteren Versorgung eingewiesen [1]. Solche Einrichtungen sind aber gerade in der letzten Phase des Lebens nur bedingt geeignet [1, 4]. Diese Problematik ist aufgrund der Historie der Interdisziplinären Notaufnahmen und der Palliativmedizin im Vergleich zu den USA in der Literatur wenig existent.
Methodik. Untersuchung relevanter Literatur (PubMed und Medline; 1990–2011) zur Implementierung palliativmedizinischer Aspekte in Notaufnahmen (Stand 04/2011) durch zwei Reviewer. Suchbegriffe: „end-oflife care and „emergency department“ (27), „palliative medicine“ and „emergency department“ (9), „palliative care“ and „emergency department“ (71) und „end-of-life“ and „emergency department“ (61). Kategorisierung der Untersuchungen nach (a) Original- und Übersichtsarbeit sowie Fachbericht, (b) Erscheinungsjahr/Fachzeitschrift und (c) Land. Ergebnisse. Die Reviewer konnten insgesamt 45 Artikel als relevant für die Untersuchung listen. Tab. 1 beschreibt die Verteilung nach Erscheinungsjahr und Erscheinungsland sowie eine Zuordnung zu den entsprechenden Fachzeitschriften. Es konnten insgesamt 12 Originalarbeiten (27%) und 33 weitere Arbeiten identifiziert werden. Die erste Arbeit stammt aus dem Jahr 1999, während sich primär pflegerische Fachzeitschriften dem Thema gewidmet haben. Schlussfolgerung. In den letzten Jahren konnte eine verstärkte Aktivität bezüglich der Fragestellung einer palliativmedizinischen Expertise bzw. palliativmedizinischer therapeutischer Ansätze in Notfallaufnahmen in der Literatur beobachtet werden. Insbesondere in den USA wird dieser Thematik besondere Aufmerksamkeit gewidmet. In Europa und in Deutschland sind primär strukturelle Fragestellungen zu bearbeiten, um dann mögliche Lösungsansätze zu entwickeln, um auch dieser speziellen Patientengruppe einen ihren Bedürfnissen entsprechenden therapeutischen Ansatz bieten zu können. Ein wichtiger Ansatz ist hierbei die Kooperation mit Palliativmedizinern, um auch entsprechende stationäre palliativmedizinische Angebote mit in die Folgetherapie nach Erreichen der Notfallaufnahme integrieren zu können [5]. Zunehmende Publikationen in notfallmedizinischen aber auch interdisziplinären Fachzeitschriften sind notwendig, um eine breite medizinische Öffentlichkeit zu sensibilisieren. Tab. 1 Verteilung der Artikel (Angaben als Anzahl total und prozentual in Bezug auf alle Arbeiten Erscheinungsjahr 2011 2010 2009 2008 2007 2006 2005 2004 2003 2002 1999 Fachzeitschrift Notfallmedizin Intensivmedizin Palliativmedizin Interdisziplinär Pflege Land USA/Kanada Europa
Anzahl (% aller Artikel; n=45) 5 (11%) 10 (22%) 8 (18%) 6 (13%) 2 (4%) 6 (13%) 1 (2%) 1 (2%) 2 (4%) 3 (7%) 1 (2%) 17 (38%) 2 (4%) 12 (27%) 7 (16%) 7 (16%) 39 (87%) 6 (13%) 0
Sonstige Literatur 1. Barbera et al (2010) CMAJ 2. Nauck et al (2008) Lancet Oncol 3. Wiese et al (2010) Supp Care Cancer 4. Wiese et al (2011) Anaesthesist 5. Kerrouault et al (2007) Presse Med
Notfall + Rettungsmedizin Supplement 1 · 2011
| 41
Abstracts P28 Aufbau einer technischen Infrastruktur zum Aufbau eines Patientenregisters im Rahmen einer Studie zur Arzneimittel therapiesicherheit in einer Zentralen Notaufnahme *M. Kirchner1, T. Bürkle1, A. Patapovas1, A. Mathews2,3, R. Sojer1, F. Müller3, R. Maas3, H.-U. Prokosch1, H. Dormann2 1Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Lehrstuhl für Medizi nische Informatik, Erlangen, Deutschland, 2Klinikum Fürth, Fürth, Deutsch land, 3Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Institut für Experimentelle und Klinische Pharmakologie und Toxikologie , Erlangen, Deutschland Einleitung. Überlegungen zum Aufbau eines zentralen NotaufnahmePatientenregisters zu Zwecken der Standardisierung und Qualitätssicherung bestehen seit langem. Aufgrund der heterogenen Datenquellen und der fehlenden technischen Infrastruktur gibt es hierzu noch keine befriedigende Lösung. Im Rahmen eines vom BMG geförderten Projektes in der Zentralen Notaufnahme (ZNA) des städtischen Klinikum Fürth wurden Maßnahmen zur Verbesserung der Arzneimitteltherapiesicherheit evaluiert. Hierzu musste eine technische Infrastruktur etabliert werden, welche Daten aus heterogenen Datenquellen in eine zentrale Studiendatenbank überführt. Das so entstandene pseudonymisierte Datenregister könnte als Modell für die Erstellung von Notaufnahme-Patientenregistern dienen. Methoden. Durch den Einsatz eines digitalen Stiftes sowie die Anpassung des klinischen Arbeitsplatzsystems Orbis® wurde zunächst die Digitalisierungsrate von bisher papierbasiert erfassten Informationen erhöht. Die Infrastruktur zur Übertragung dieser Daten unter Berücksichtigung von Datenschutzaspekten und entsprechend den Kriterien der „good clinical practice“ (GCP) wurde etabliert. Als Studiendatenbank wurde das FDA-zertifizierte System secuTrial® eingesetzt. Relevante Informationen aus verschiedenen Bereichen des Kliniksystems (z.B. Laborwerte, EKG-Befunde) konnten gezielt durch eine on-demand-Lösung übertragen werden und durch manuelle Eingaben ergänzt werden. Um eine standardisierte Speicherung von z.B. Arzneimitteln oder Diagnosen zu gewährleisten, erfolgte eine Anbindung externer Kataloge und international gültiger Terminologien. Ergebnisse. Alle studienrelevanten Daten konnten durch den Einsatz einer Sammelanwendung sowie einer Pseudonymisierungssoftware datenschutzrechtlich sicher an die Studiendatenbank übertragen werden. Das so entstandene Patientenregister bietet eine Single-SourceLösung zur Speicherung relevanter Patientendaten inklusive der Möglichkeit zur individualisierten Ergänzung der bestehenden Daten anhand von selbst parametrisierbaren Eingabeformularen. Dieses webbasierte Electronic Data Capture System ermöglichte einen sicheren externen Datenzugriff für die Studienpartner an der Universität Erlangen-Nürnberg (vgl. Abb. 1) und ermöglicht so die Nutzung von Versorgungsforschungsdaten zu Studienzwecken.
Abb. 1: Datenfluss der AMTS-Studie Diskussion. Die Kombination von Daten aus dem klinischen Arbeitsplatzsystem mit Übertragungen von digitalisierten, vormals papierbasierten Informationen, ergänzt durch bedarfsweise Übernahme zusätzlicher Angaben, war ein für uns befriedigender Weg, die Anforderungen einer Versorgungsforschungsstudie im Bereich der Zentralen Notaufnahme zu erfüllen. Ein multizentrischer Datenzugriff konnte ermöglicht werden. Die Infrastruktur zur Auswahl, Über-
42 |
Notfall + Rettungsmedizin Supplement 1 · 2011
tragung und Speicherung klinischer Daten in eine pseudonymisierte Datenbank kann beispielhaft als Modell für die Einrichtung eines zentralen externen Patientenregisters für eine Zentrale Notaufnahmen betrachtet werden.
P29 Systematic identification of drug associated risk situations and adverse drug events in the emergency department *A. Mathews1,2, F. Müller2, M. Kirchner3, A. Patapovas3, B. Pfistermeister2, B. Plank-Kiegele2, R. Vogler2, T. Bürkle3, R. Maas2, H. Dormann1 1Zentrale Notaufnahme, Klinikum Fürth, Fürth, Deutschland, 2Institut für Experimentelle und Klinische Pharmakologie und Toxikologie, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Erlangen, Deutschland, 3Lehrstuhl für Medizinische Informatik, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Erlangen, Deutschland Background. Drug therapy safety is an important but often underestimated topic. Recognising drug associated risk situations (RS) or adverse drug events (ADE) at an early stage is of crucial importance. Valid data regarding drug therapy safety in emergency departments (ED) are very limited. The aim of this research project, funded by the German Federal Ministry of Health, was to identify and classify RS and ADE within the ED admission process. Methods. The complete records of patients presenting at the ED of a tertiary care/level III hospital (Klinikum Fürth, Germany) were reviewed by an independent expert panel consisting of specialists in internal medicine and emergency medicine as well as clinical pharmacologists and pharmacists. All cases identified were classified by internationally validated scores regarding causality (WHO), clinical severity (Common Toxicity Criteria [CTC]) and preventability (Schumock score). Only RS scored with “certain”, “probable” or “possible” (WHO) were taken into considerations. RS include medication errors (ME) without a clinical event and ADE comprising of ME with a clinical event and adverse drug reactions (ADR). Results. We assessed 752 consecutive patients (59±21 [range 17–101] years; coincidentally 376 male and 376 female) with 6065 medication events (MEv). Out of 702 patients with ≥1 MEv we identified 253 (36.0%) patients with ≥1 RS. Multiple RS per patient were common. Overall, we detected 539 RS, of which 339 (62.9%) were caused by drugs taken at home (2477 MEv), 20 (3.7%) by drugs administered by the ambulatory emergency doctor (505 MEv), 38 (7.1%) by drugs administered by the physician in the ED (1235 MEv) and 142 (26.4%) by drugs prescribed for transfer or discharge from the ED (1848 MEv). In 181 patients 299 individual ADE were found. 117 (15.6%) patients were admitted to the ED due to an ADE. In 76 (65.0%) of these patients the ADE was considered preventable. The clinical severity of ADE was scored (CTC) mild in 32.8%, moderate in 22.1%, severe in 37.8%, life-threatening in 6.4%, death due to ADE in 0.3% and not specified in 0.7%. Overall, 277 medication errors (ME) were detected comprising amongst others of 65 (23.5%) ignored contraindications and 164 (59.2%) missing/false indications. In 36 (4.8%) patients these ME were the underlying cause for ED admission. Conclusion. Adverse drug events and medication associated risk situations are commonly encountered in the complex admission process of an ED. A significant proportion of these RS and adverse outcomes are likely to be preventable. In future ED have to play a key role in drug therapy safety issues. This research project is supported by The German Federal Ministry of Health within the “German Coalition for Patient Safety”. http://www.german-coalition-for-patient-safety.org/
P30 Akzeptanz und Nutzung eines digitalen Stiftes in einer Zentralen Notaufnahme
P31 Herausforderungen der Notfallpflege. Welche Strategie braucht es für die Praxis, Ausbildung und Forschung?
*A. Patapovas1, T. Bürkle1, M. Kirchner1, R. Maas2, H.-U. Prokosch1, H. Dormann3 1Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Lehrstuhl für Medizinische Informatik, Erlangen, Deutschland, 2Friedrich-AlexanderUniversität Erlangen-Nürnberg, Institut für Experimentelle und Klinische Pharmakologie und Toxikologie, Erlangen, Deutschland, 3Klinikum Fürth, Zentrale Notaufnahme, Fürth, Deutschland
*K. Schneider1 1Universitätsspital Basel, Bereich Medizin, Basel, Schweiz
Hintergrund. Im Rahmen eines Versorgungsforschungsprojektes des Bundesministeriums für Gesundheit wird eine Studie zur Optimierung der Arzneimitteltherapiesicherheit in einer Zentralen Notaufnahme (ZNA) durchgeführt. Hierbei müssen die Daten von der strukturierten Erstsichtung (ESI-Triage) über den Patientenaufnahmeprozess bis hin zur Arzneimitteltherapie und Verlegung/Entlassung zeitnah in einer Studiendatenbank gesammelt werden. In Zusammenarbeit mit der Takwa GmbH und PlanOrg Informatik GmbH wurde in der ZNA des Klinikums Fürth ein neues Verfahren zur digitalen Dokumentation (ePEN) der noch papiergebundenen Aufnahmeformulare eingeführt. Erfolgskriterien der neuen Eingabemethode wurden anhand der erfassten Daten, Beobachtung der Anwender im Dokumentationsprozess und Interviews des Personals analysiert. Material und Methoden. In einer zweimonatigen Testphase wurde der vorhandene Aufnahmebogen mit Unique Pattern (spezielles Muster für die ePen-Erkennung) unterlegt und als sog. eFormular eingeführt. Es wurden insgesamt 13 ePens für das medizinische Personal (zwischen 8 und 10 Personen/Schicht) bereitgestellt. Einige Datenfelder im eFormular (wie z.B. Handzeichen, Arzneimittelverordnungen, Einheiten, usw.) wurden für das OCR-Verfahren („optical character recognition“) spezifiziert und mit hinterlegten kontrollierten Vokabularen optimiert. In der Validierungsphase existierte die Vorgabe, ausschließlich mit ePen zu dokumentieren. Die eingesammelten Papierformulare wurden mit den digital gespeicherten Informationen verglichen. Die Eingaberegionen des eFormulars wurden dann systematisch auf Vollständigkeit und Korrektheit analysiert. Ergebnisse. Die Vollständigkeitsanalyse der 170 mit ePen ausgefüllten Aufnahmebögen zeigte bei den von Pflegekräften auszufüllenden Eingaberegionen eine deutlich häufigere Verwendung des ePens (89% der Datenfelder) verglichen mit denen der Ärzte (46%). Dem entspricht eine häufigere Benutzung des Kugelschreibers statt eines verfügbaren ePens. Im Schnitt wurden 75% der Datenfelder auf dem eFormular mit ePen bearbeitet. Eine Analyse der Reihenfolge der zu dokumentierenden Eingaberegionen führte zu einer Neukonzeption des eFormulars mit benutzerfreundlicher Darstellung der Eingaberegionen. Die Ergebnisse der zu parametrisierenden Daten weisen andererseits auf eine nicht voll zufriedenstellende digitale Texterkennung und einen Bedarf für häufige Datenkorrekturen bei den strukturierten ePen-Feldern mit OCR (z. B. verordnete Arzneimittel) hin. Die hinterlegten kontrollierten Vokabulare minimierten dabei die Fehlerrate offensichtlich nicht wesentlich. Schlussfolgerungen. Die neue Eingabemethode führte nicht zu zeitlichem Mehraufwand im Vergleich zur konventionellen Dokumentation und erforderte keine größeren Prozessänderungen im Dokumentationsablauf. Der Einsatz des ePens wurde vom Pflegepersonal sehr gut akzeptiert. Die neue Eingabemethode konnte in der ZNA voll etabliert werden. Trotz Schwächen des OCR-Verfahrens und verbleibendem Optimierungspotential konnten strukturierte Medikationsdaten bei einem Großteil der Patientenaufnahmebögen digital extrahiert werden.
Fragestellung. Bei einem weiteren Zuwachs der Patientenzahlen, gleichbleibendem Personalbestand, einem erhöhten Turnover und intensivierter Betreuung und schon jetzt spürbarem Pflegenotstand braucht es klare Vorstellungen über die Zukunft. Für INAs stellt sich die Frage, welche Zukunftsthemen sie effektiv betreffen und wie damit umgegangen werden soll. Methodik. Literatursearch PubMed; Stakeholderbefragung, SWOTAnalyse. Ergebnisse. Die Herausforderungen lassen sich in 4 Bereiche einteilen, die wiederum in sich noch detaillierter aufgeschlüsselt sind und konkrete Handlungsfelder vorgeben. 1. Patientengruppen/Krankheitsbilder, 2. Grade-Skill-Mix, 3. Katastrophen durch Natur und Technik inkl. kriegerische Auseinandersetzungen, 4. Strukturelle Gegebenheiten auf INAs. Es ist möglich, die Ergebnisse in einer Strategie zusammenzufassen und die Handlungsfelder zu terminieren. Schlussfolgerung. Praxis, Ausbildung und Forschung lassen sich in die 3 Bereiche Exzellenz, curriculare Entwicklung und Practice Developement übersetzen. INAs sind lokal, national und international aufgefordert ihren Anteil an der Bewältigung der zukünftigen Herausforderungen zu leisten. Die methodisch erfassten Themen fordern auf, sich einer Vision, Mission und Strategie bewusst zu sein und dieser im Alltag stetig zu folgern (Leadership).
P32 Die INKA im Albertinenkrankenhaus in Hamburg: erfolgreiches Modell einer Aufnahmestation *M. Groening1, I. Hilmer-Schneider1 1Albertinenkrankenhaus, ZNA/INKA, Hamburg, Deutschland ZNAs in Deutschland erleben eine wachsende Anzahl von Patienten mit stationärem Behandlungsbedarf. Die Anzahl der stationären Betten bleibt gleich oder nimmt ab. Außerdem kommt es zu einer zunehmenden Spezialisierung vieler Klinikbereiche. Den ZNAs stellt sich zunehmend die Frage, ob und wenn wohin die Patienten nach Erstversorgung stationär aufgenommen werden. So werden zunehmend Aufnahmestationen geschaffen, obwohl es in Deutschland keine einheitliche Definition einer solchen Einheit gibt. Hier wird die Aufnahmestation des Albertinenkrankenhaus in Hamburg (Schwerpunktversorger, 650 Betten, 30.000 ZNA-Patienten jährlich) als erfolgreiches Modell vorgestellt. Im Albertinenkrankenhaus konnten Patienten mit stationärem Behandlungsbedarf wegen Bettenmangel zunehmend nicht mehr aufgenommen werden. Sie wurden in der ZNA z. T. aufwendig behandelt, um nach vielen Stunden trotz Einweisung wieder entlassen zu werden. Das führte zu hoher Unzufriedenheit bei den Patienten, Angehörigen, Einweisern und beim ZNA-Personal. Außerdem ist es unwirtschaftlich und führt zu vielen Wiederkehrern. Solche Patienten sind oft älter, nicht einer Fachabteilung eindeutig zuzuordnen, da „banal erkrankt und daher vom Fallwert so gering, dass sie in den Fachabteilungen eine Fehlbelegung darstellen. Gleichzeitig war zu beobachten, dass gerade diese Patienten in den Fachabteilungen zu lange liegen, wenn sie aufgenommen werden und für die ZNA das Bett blockieren. Es wurde daher eine „Interdisziplinäre Notfall und Kurzlieger Aufnahmestation INKA mit 24 Betten als organisatorische Einheit mit der ZNA gegründet. Diese soll zum einen die o. g. Patienten der ZNA aufnehmen, zum anderen in Zeiten maximaler Belegung für die Fachabteilungen einen Puffer darstellen. In der Unternehmensplanung wurde für die INKA eine eigene Patientenzahl, eine eigene Verweildauer (2,5 Tage) und ein eigener CMI vereinbart. In einer Geschäftsordnung wurden die Belegungsmodalitäten und die Beziehungen zu den FachNotfall + Rettungsmedizin Supplement 1 · 2011
| 43
Abstracts abteilungen geregelt. Entsprechend dem besonderen Behandlungsbedarf vieler INKA-Patienten unterscheiden sich die ärztlichen und pflegerischen Tätigkeiten wesentlich von einer klassisch organisierten Station bzw. Abteilung. Das meiste Potenzial zusätzlicher stationärer Behandlungsfälle der ZNA befindet sich in der Gruppe der nichtoperativen Patienten. Aus dieser Gruppe konnten mit Hilfe der INKA 2010 1040 zusätzliche Patienten (bei vergleichbarer Patientenzahl 2009 vs. 2010) stationär in das Haus aufgenommen werden. Seit Eröffnung mit voller Bettenzahl gehen fast 25% aller stationären Aufnahmen über die INKA, sie ist damit „Hauptabnehmer der ZNA. 60% werden von dort entlassen und der INKA/ZNA zugerechnet, 40% werden verlegt. Aber: keine Fachabteilung hatte trotz INKA weniger Fälle und die Anzahl der Überbelegungen auf den Stationen hat um 60% abgenommen. Nach anfänglicher Skepsis hat dies hat zu einer hohen Akzeptanz in der Klinik geführt, und auch Patienten, Einweiser und Personal sind hoch zufrieden. Dieses Modell bietet sich auch für andere vergleichbare Kliniken an.
P33 Systematic identification of adverse drug events associated with potentially inappropriate medication for elderly patients in the emergency department *A. Mathews1,2, M. Kirchner3, A. Patapovas3, F. Müller2, N. Hartmann2, B. Pfistermeister2, B. Plank-Kiegele2, T. Bürkle3, R. Maas2, H. Dormann1 1Klinikum Fürth, ZNA, Fürth, Deutschland, 2Institut für Experimentelle und Klinische Pharmakologie und Toxikologie, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Erlangen, Deutschland, 3Lehrstuhl für Medizinische Informatik, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Erlangen, Deutschland Background. The elderly are an increasing population in emergency departments (ED) with multiple health problems and consecutive drug use. Therefore adverse drug events (ADE) are a common but frequently overlooked cause or contributing factor of hospitalisation. Recently, a list of potentially inadequate medication (PIM) in the elderly (like the Beers list) based on expert consensus and adapted to the drugs marketed in Germany has been introduced (PRISCUS list). The aim of the present study was to investigate whether or not drugs from the PRISCUS list are more frequently associated with ADE in elderly patients presenting at the ED than other drugs. Methods. All charts of patients aged 65 years and older presenting at the ED of a tertiary care/level III hospital (Klinikum Fürth, Germany) during the study period were reviewed by an independent expert panel consisting of specialists in internal medicine and emergency medicine as well as clinical pharmacologists and pharmacists. ADE comprise of adverse drug reactions (ADR) and medication errors (ME) resulting in a clinical event. All ADE were classified regarding clinical severity (Common Toxicity Criteria, CTC). Results. We assessed 351 consecutive patients (154 male, 197 female) aged 78±7 (range 65–101) years, of which 306 (87.2%) had at least one medication event (MEv) involving drugs taken at home. Out of 1879 MEv, 300 (16.0%) were associated with ≥1 ADE. Frequently, several drugs contributed to a single ADE. In 124 (40.5%) patients ≥1 ADE (in total 177 ADE) were observed. Nine out of 16 (56.3%) ADE involving PIM and 77 out of 161 (47.8%) ADE not involving PIM were associated with admission to the ED and hospitalisation. Of the patients with ≥1 MEv, 51 (16.7%) regularly took ≥ 1 PIM. Of all the patients without any PIM (255), 109 (42.7%) had ≥1 ADE, as compared to 15 (29.4%) patients with ≥1 ADE among 51 patients with ≥1 PIM (p=0.077). Still, PIM were more frequently associated with ADE than Non-PIM: 16 (25.4%) ADE in 63 MEv involving PIM vs. 284 (15.6%) ADE in 1816 MEv not involving PIM, p=0.038. The clinical severity of ADE associated with PIM vs. non-PIM was scored (CTC) mild in 18.8% vs. 26.7%, moderate in 18.8% vs. 24.2%, severe in 56.3% vs. 41.6%, life-threatening in 6.3% vs. 5.6%, death due to ADE in 0.0% vs. 0.6, and not specified in 0.0% vs. 1.2%.
44 |
Notfall + Rettungsmedizin Supplement 1 · 2011
Discussion. In elderly patients presenting at an ED potentially inadequate medication (PIM) is more likely to be associated with an ADE than other drugs. However, in absolute terms ADE related to PIM are largely outnumbered (18:1) by ADE not involving PIM. To improve emergency care in elderly, emergency physicians have to monitor these patients systematically on their medication and related problems in order to prevent ADE. This research project is supported by The German Federal Ministry of Health within the „German Coalition for Patient Safety“. http://www. german-coalition-for-patient-safety.org
P34 Symbiose aus Manchester-Dringlichkeitseinschätzung und A-B-C-D-E-Schema: der Weg zu einer allgemein akzeptierten, dreistufigen Welt(y)-Triage? G. Welty1 1Marienhospital Düsseldorf GmbH, Notaufnahme, Düsseldorf, Deutschland Fragestellung. Die Manchester-Triage gilt wegen der durchgeführten Validierung als Goldstandard der Dringlichkeitseinschätzung in einer Notfallaufnahme. Erfahrenen Pflegekräften ist zum Teil die Notwendigkeit und Akzeptanz eines solchen (auf den ersten Blick komplexen) Systems schwer zu vermitteln. Die Parallelität zu bestehenden Standards wie ATLS® oder ACLS® ist nicht offensichtlich. Die Anzahl der Präsentationsdiagramme, der Farb-Kategorien und mancher Formulierungen/Vorgehensweisen löst Verwirrung aus. Ist eine Komprimierung und vereinfachte Anwendung ohne Qualitätsverlust möglich? Methode. Die Präsentationsdiagramme und entsprechenden Erläuterungen der Manchester Triage werden in drei Kategorien (rot, gelb, grün) zusammengefasst und entsprechend des A-B-C-D-E-Schemas strukturiert. Dies führt zu einer Verdichtung der symptomorientierten Diagramme von 100 auf 6 DIN-A4-Seiten. Verwirrende Formulierungen werden ersetzt (z. B. „jüngeres“ Problem durch „nicht akut/>24 h“) bzw. zu detaillierte Prozeduren gestrichen („Risiko-Grenze“, Kategorie „orange“ und „blau“). Ergebnisse. Dieses System wird zurzeit in Verbindung mit einer Schulung aller Mitarbeiter entsprechend ATLS® und ACLS® eingeführt, entsprechende Audit- und Validierungsergebnisse stehen demnach noch aus. Schlussfolgerung. Durch diese Umstrukturierung wird zwischen Manchester Triage und den ATLS®/ACLS®- Prinzipien die Brücke geschlagen. Die in diesen Schulungskonzepten trainierten Vorgehensweisen (insbesondere die sog. „adjuncts“ als logische Erstmaßnahmen) werden somit automatisch implementiert. Es wird eine bessere Akzeptanz und schnellere Umsetzung erforderlicher diagnostischer und therapeutischer Prozeduren erwartet. Das veränderte System muss sich zukünftig an den guten Ergebnissen der Manchester Dringlichkeitseinschätzung messen. Literatur 1. Krey J, Moecke HP (2006) Ersteinschätzung in der Notaufnahme, Verlag Hans Huber, Bern 2. American College of Surgeons (2008) ATLS® Student Course Manual, 8th Edition 3. Möckel M (2007) Erweiterte Maßnahmen der Reanimation/ ACLS® Schulungshandbuch, ABW Wissenschaftsverlag, Berlin
P35 Benötigen Zentrale Notaufnahmen Betten? *M. Brachmann1, R. Sobotta2, R. Geppert3, M. Groening4 1Bredehorst CMM GmbH, Geschäftsführung, Düsseldorf, Deutschland, 2Gemeinschaftskrankenhaus Herdecke, Zentrale Notaufnahme, Herdecke, Deutschland, 3Klinikum Leverkusen, Zentralambulanz, Leverkusen, Deutschland, 4Albertinen Krankenhaus, Zentrale Notaufnahme/INKA, Hamburg, Deutschland Die Bedeutung der klinischen Notfallversorgung nimmt ungebremst zu. Krankenhäuser reagieren auf diese Entwicklung durch die Einrichtung zentraler Notaufnahmen, deren Stärken in der Bündelung von Ressourcen, dem notfallmedizinischen Knowhow und der frühen Interdisziplinarität liegen. Außerdem ist verstärkt die Etablierung von bettenführenden Aufnahmeeinheiten in den Notfallaufnahmen zu beobachten. Je nach Schwerpunkt der Einheit und dem generellen Sprachgebrauch des Krankenhauses haben solche Einrichtungen unterschiedliche Namen wie Clinical Decision Unit, Observation Unit, Kurzliegereinheit oder Aufnahmestation. Häufig ist auch die Integration weiterer spezieller Behandlungsabteilungen wie einer Chest Pain Unit anzutreffen. Der Artikel gibt einen Überblick über Entstehungshintergründe von Aufnahmeeinheiten. Er nimmt außerdem eine Klassifizierung der unterschiedlichen Einrichtungen vor und beschreibt deren spezifische Vor- und Nachteile. Der Beitrag schließt mit den wichtigsten Implementierungsschritten zur erfolgreichen Etablierung einer Aufnahmeeinheit sowie geeigneter Führungsmodelle.
P36 Zwischenfälle in der klinischen Notfallmedizin – ein Bericht aus der Datenbank klinische CIRS Notfallmedizin D. Hempel1, *C. Hohenstein1 1Universitätsklinikum Jena, Zentrale Notaufnahme, Jena, Deutschland Fragestellung. Über welche Probleme innerhalb der Notaufnahme wird berichtet und welche Lösungsansätze lassen sich hieraus ableiten? Methoden. Wir extrahierten sämtliche Fälle der Datenbank klinische CIRS-Notfallmedizin der Internetadresse http://www.cirs-notfallmedizin.de im Zeitraum August 2009 bis August 2010, in denen über Zwischenfälle in der Notaufnahme berichtet wurde. Ergebnisse. Im Zeitraum von August 2009 bis August 2010 lagen 41 Berichte in der Datenbank klinische CIRS Notfallmedizin vor. Die meisten Berichte beklagen Probleme an der Schnittstelle präklinischer zu klinischer Patientenversorgung. In 10 Berichten wurde eine fehlende Aufnahmebereitschaft der Kliniken beklagt. Auch die meisten Probleme innerhalb der Notaufnahmen waren durch fehlende, falsche oder unvollständige Vorankündigung bedingt (n=8/n=8). Hieraus folgten Zeitverzögerungen in der weiteren Diagnostik und Therapie der Patienten. In 8 Fällen fand keine Übergabe des Notarztes an den aufnehmenden Arzt statt; in 2 Fällen wurde über Zwischenfälle beim Umlagern berichtet, da kein Informationsaustausch vor Beginn der Umlagerung stattgefunden hatte. Aufgrund von Organisationsfehlern kam es in 5 Fällen zu einer Patientengefährdung; diese Fälle umfassen das Übersehen relevanter Laborpathologien (signifikanter Hb-Abfall), diskontinuierlich Überwachung des Patienten nach Gabe Herzfrequenzmodulierender Medikamente, sowie nicht vorhandene Materialien (Reanimationsbrett/Wagen). Schlussfolgerungen. Der Übergang von präklinischer Versorgung zur Versorgung in der Aufnahme eines Krankenhauses ist eine mit vielen Risiken behaftete Situation. Es ist wünschenswert, dass kritische Patienten – soweit möglich, der aufnehmenden Klinik angekündigt werden. Bei der Ankündigung ist ein direktes Gespräch des Notarztes mit dem zuständigen Arzt der Aufnahme notwendig, um Missverständnisse zu vermeiden. Eine Informationsweiterleitung über Dritte führt gehäuft zu Fehlinformationen. Eine Information aller an der klinischen Notfallversorgung Beteiligten ist wichtig, um eine rasche Versorgung zu gewährleisten. Dies umfasst das Pflegepersonal, ebenso
wie die an der erweiterten Diagnostik und Therapie beteiligten Abteilungen. Eine Standardisierung der Übergabe ist notwendig, um Zwischenfälle aufgrund fehlender Information zu verhindern. Dazu bieten sich beispielsweise standardisierte Übergabeprotokolle an. Eine regelmäßige Weiterbildung des Personals im Umgang mit kritischen Situationen, sowie Unterweisung zur Handhabung notwendiger Geräte ist essenziell für eine verbesserte Patientenversorgung und eine erhöhte Patientensicherheit. Literatur 1. Cooper, JB, Newbower rS et al (1978) Preventable anesthesia mishaps: a study of human factors. Anesthesiology 49(6):399–406 2. Beckmann U, West LF et al (1996) The Australian Incident Monitoring Study in Intensive Care: AIMS-ICU. The development and evaluation of an incident reporting system in intensive care. Anaesth Intensive Care 24(3):314–9 3. Risser DT, Rice MM et al (1999) The potential for improved teamwork to reduce medical errors in the emergency department. The MedTeams Research Consortium. Ann Emerg Med 34(3):373–83
P37 Triage von betagten Patienten. Performance und Genauigkeit des Emergency Severity Index (ESI) *F. Grossmann1, T. Zumbrunn2, A. Frauchiger1, K. Delport1, R. Bingisser1, C. Nickel1 1Universitätsspital Basel, Notfallstation, Basel, Schweiz, 2Universitätsspital Basel, Clinical Trial Unit, Basel, Schweiz Fragestellung. Klinische Triage bezeichnet den Prozess, Patienten unmittelbar nach ihrer Ankunft in einer Notfallstation einzuschätzen und ihnen eine Priorität für die weitere Behandlung zuzuweisen. Aus der Literatur ist bekannt, dass betagte Patienten auf Notfallstationen ein erhöhtes Risiko für Untertriage haben. In dieser Studie wurde untersucht, ob es mit der deutschen Version des Emergency Severity Index (ESI) bei betagten Patienten zu inadäquaten Triageentscheidungen kommt und was die Gründe hierfür sind. Zudem wurden die diagnostische Genauigkeit, sowie Validität und Reliabilität des ESI für betagte Patienten untersucht. Methoden. Diese Studie war eine monozentrische Kohortenstudie. Um Fälle von Untertriage zu entdecken, wurde retrospektiv durch zwei Experten ein Triagelevel vergeben. Als Grundlage dienten die Notizen der Triagepflegenden. Wurden Abweichungen zum ursprünglichen Triagelevel festgestellt, wurden die Gründe für diese Diskrepanz erfasst. Diese werden deskriptiv dargestellt. Um die diagnostische Genauigkeit zu ermitteln, wurde die Sensitivität und Spezifität von ESI-Level 1 für die tatsächliche Durchführung einer sofortigen lebensrettenden Maßnahme berechnet. Für die Analyse der Validität wurde der Zusammenhang des ESI-Levels mit dem Ressourcenverbrauch, der Disposition, der Verweilzeit und der Mortalität ermittelt. Für die Reliabilität wurde die Übereinstimmung der Experten untereinander gemessen. Ergebnisse. Ingesamt 519 Patienten wurden in die Analyse eingeschlossen. Die Sensitivität für ESI Level 1, tatsächlich eine lebensrettende Maßnahme hervorzusagen, betrug 0,162, die Spezifität war 0,998. Untertriage kam in 117 Fällen vor. Die Hauptgründe für Untertriage waren das Nichtbeachten von Hochrisikosituationen und die inadäquate Interpretation von Vitalzeichen. Die Sensitivität des ESI, die Durchführung einer sofortigen lebensrettenden Maßnahme hervorzusagen, betrug 0,462, die Spezifität 0,998. Es bestehen Zusammenhänge zwischen ESI-Level und Ressourcenverbrauch (Spearman‘s ρ=−0,449), Disposition (Kendall‘s τ=−0,452), Verweilzeit (Kruskal-Wallis χ2=92,5; df=4; p<0,001) und Überlebenswahrscheinlichkeit (log-rank χ2=37,04; df=3; p<0,001). Die Interrater-Reliabilität ist hoch (κw=0–937). Schlussfolgerungen. Für betagte Patienten besteht ein gewisses Risiko der Untertriage. Allerdings zeigen unsere Ergebnisse, dass, wenn der ESI korrekt angewendet wird, ein reliables, valides und akkurates Triageinstrument ist. Bei der Schulung der Triagepflegenden muss auf die Besonderheiten bei der Triage von betagten Patienten hingewiesen werden. Notfall + Rettungsmedizin Supplement 1 · 2011
| 45
Abstracts P38 Supervidierte PJ-Studenten in der Internistischen Notaufnahme – ein praktikables Modell in Hinblick auf diagnostische Qualität N. Celebi1, D. Herter1, L. Fenik1, F. Baur1, S. Zipfel1, R. Riessen1, *P. Weyrich1 1Universitätsklinik Tübingen, Innere Medizin IV, Tübingen, Deutschland Hintergrund. Bei Berufsanfängern sind Diagnosefehler häufiger als bei erfahrenen Ärzten. Allerdings durchlaufen alle Ärzte das Anfängerstadium. Wir haben daher prospektiv untersucht, ob Diagnosefehler durch ein Supervisionskonzept, bei dem ein Facharzt hauptamtlich mehrere PJ-Studenten betreut, vermeidbar sind. Methoden. Von November 2010 bis Februar 2011 wurden 188 Patienten, die im Frühdienst in der Internistischen Notaufnahme aufgenommen wurden, quasirandomisiert einem Facharzt (FA) oder einem PJ-Student-Supervisor-Team (PJ) zugeordnet. In dieser Zeit arbeiteten 22 verschiedene Studenten und 8 verschiedene Fachärzte als Notaufnahmearzt/Supervisor, pro Schicht ein Facharzt und ein Facharzt in Supervisor-Funktion. Der Supervisor betreute 2 bis 4 PJ-Studenten, behandelte in dieser Zeit jedoch keine eigenen Patienten. Jeder Patient wurde zuerst vom Supervisor kurz gesehen, bevor die PJ-Studenten die weitere Betreuung inklusive Festlegung des Diagnostik- und Therapieplanes übernahmen. Die PJ-Studenten waren jeweils 2 Wochen im Frühdienst in der Notaufnahme eingesetzt. Anschließend verglichen wir die Arbeitsdiagnose aus dem Verlegungsbrief der Internistischen Notaufnahme an die weiterbehandelnde Station mit dem endgültigen Entlassbrief, um die diagnostische Übereinstimmung zu ermitteln. Zusätzlich werten wir die PCCL-Level (Patient Co-Morbidity Complexity Level, ein Maß aus dem Diagnosis Related Groups[DRG]-System, mit dem die Fallvergütung je nach Schwere der Nebenerkrankungen modifiziert wird) und die Zahl der angeforderten Untersuchungen aus. Ergebnisse. Bei den FA wurde 23% der Arbeitsdiagnosen revidiert, bei den PJ 11% (p=0,03). Die PCCL-Level der Patienten waren in beiden Gruppen vergleichbar (PCCL O: FA 41, PJ 39, PCCL 1: FA 0, PJ 0, PCCL 2: FA 17, PJ 18, PCCL 3: FA 17, PJ 20, PCCL 4: FA 14, PJ 22) (p=0,66). Abgesehen von Labor und EKG forderten die FA 0,74±0,84 zusätzliche Untersuchungen an, die PJ 1,05±1,1 (p=0,07). Diskussion. Bei supervidierten PJ-Studenten war die Übereinstimmung zwischen Arbeitsdiagnose aus der Notaufnahme und endgültiger Diagnose aus dem Entlassbrief signifikant besser als bei Fachärzten, die in der gleichen Schicht eingesetzt waren. Die PCCL-Level der betreuten Patienten waren vergleichbar. Für dieses Ergebnis gibt es mehrere Erklärungen: zum einen forderten die PJ etwas mehr Untersuchungen an – obwohl der Unterschied nicht signifikant war, zudem betreute ein PJ-Student in einer Schicht in der Regel zwei Patienten, während der Facharzt sechs Patienten unter einem höheren Zeitdruck behandelte. Außerdem war die Arbeitsdiagnose bei den PJ-Studenten das Ergebnis einer Teamdiskussion, während der Facharzt alleine arbeitete. Zusammenfassend kann durch diese Studie belegt werden, dass PJ-Studenten unter enger Supervision ohne Abstriche in der diagnostischen Qualität in der Notaufnahme eingesetzt werden können.
P39 Einsatz und Nutzenpotenzial eines IT-gestützten Critical Incident Reporting Systems (CIRS) in der Zentralen Aufnahme A. Grundmeier1, *C. Zippel2, S. Bohnet-Joschko2 1Kliniken Essen-Mitte, Zentrale Aufnahme/ Internistische Intensivstation, Essen, Deutschland, 2Universität Witten/Herdecke, Forschungsgruppe Management im Gesundheitswesen, Witten, Deutschland Hintergrund. Zur Erhöhung der Patientensicherheit führen Krankenhäuser insbesondere in Bereichen mit erhöhtem Risikopotenzial (Zentrale Aufnahme, Intensivstation etc.) vermehrt Maßnahmen und Instrumente des innerklinischen Risikomanagements ein. Parallel dazu finden sich zunehmend Ansätze eines außerklinischen Risikomanagements, z. B. bei den Rettungsdiensten. Die Zentrale Aufnahme stellt dabei strukturell die Nahtstelle zwischen den innerklinischen
46 |
Notfall + Rettungsmedizin Supplement 1 · 2011
und außerklinischen Systemen dar. Dabei können speziell IT-gestützte Critical Incident Reporting Systeme (CIRS) zu einer Verbesserung der Risiko- und Fehlervorsorge beitragen, da jeder in einem CIRS gemeldete Fehler analysiert wird und durch geeignete Maßnahmen in der gesamten Organisation zukünftig vermieden werden kann. Vorgestellt werden Ergebnisse aus dem vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie geförderten Forschungsprojekts KnowMore, im Rahmen dessen ein CIRS in drei kooperierenden Akutkliniken implementiert und dort aufgrund des relativ hohen Risikopotentials auch in der Zentralen Aufnahme erprobt wurde. Methodik. Vor Einführung der Software galt es zunächst, die individuellen Anforderungen zu identifizieren, die sowohl die Mitarbeiter der Zentralen Aufnahme, als auch die Bearbeiter und das Krankenhaus als Organisation an ein CIRS stellen (Gewährleistung der Anonymität, Integration in bereits bestehende IT- und Risikomanagementstrukturen etc.). Hierauf aufbauend wurden ein CIRS-Meldebogen sowie ein Basis-Workflow entwickelt, die in einer Testphase umgesetzt und an die Organisationsstruktur angepasst wurden. Schließlich galt es, die ersten Erfahrungen mit der CIRS-Software zu evaluieren sowie auf Basis der Ergebnisse den Fragebogen und die Workflow-Funktionen anzupassen. Ergebnisse und Schlussfolgerungen. Erste Ergebnisse zeigen, dass eine IT-gestützte Übermittlung und Bearbeitung von gemeldeten Ereignissen Vorteile im Hinblick auf die standardisierte Dokumentation der gemeldeten Risiken, die Unterstützung bei Risikoanalyse und -reporting sowie im Management und der Kontrolle getroffener Maßnahmen bietet. Auch kann dadurch die Integration von Daten des Qualitätsmanagements sowie Workflow-Funktionen (bspw. zum BfArM) ermöglicht werden. Als Erfolgsfaktor für die Einführung von CIRS und damit für das Lernen aus kritischen Ereignissen stellten sich vor allem die Mitarbeitermotivation und -kommunikation (Feedback über die Umsetzung von Maßnahmen, Informationen zum rechtlichen Rahmen etc.) sowie die strukturellen Faktoren in der Zentralen Aufnahme wie auch im gesamten Krankenhaus heraus. Hierbei spielen insbesondere die Festlegung von Zuständigkeiten und Abläufen mit Fristen, die Unterstützung durch die Betriebsleitung sowie die Einführung und der Aufbau von interdisziplinär besetzten Meldekreisen zur Risikoanalyse und -bewertung eine entscheidende Rolle. Durch die Umsetzung dieser Schritte und organisationalen Maßnahmen lassen sich die Mitarbeiter für eine aktive Teilnahme am CIRS gewinnen und damit nachhaltig die Fehlerkultur in der Zentralen Aufnahme optimieren.
P40 Qualitätsmanagement in der interdisziplinären Notaufnahme *S. Blaschke1,2, P. Korsten1,2, U. Nagorsnik2, L. Schrempf2, G.A. Müller2 1Universitätsmedizin Göttingen, Interdisziplinäre Notaufnahme, Göttingen, 2Universitätsmedizin Göttingen, Nephrologie und Rheumatologie, Göttingen Einleitung. Die Steigerung der Fallzahlen und Zunahme der Komplexität der Aufgaben stellen eine wichtige Herausforderung für interdisziplinäre Notaufnahmen in Krankenhäusern aller Versorgungsstufen dar. Die Optimierung der strukturellen Voraussetzungen und der Prozessabläufe sind eine wesentliche Voraussetzung für die Lösung dieser Problematik. Ziel der vorliegenden retrospektiven Analyse war die Klärung der Frage, ob und in welchem Umfang die Einführung eines Qualitätsmanagementsystems nach DIN EN ISO 9001 in der interdisziplinären Notaufnahme zur Bewältigung dieser Aufgaben beitragen kann. Methodik. In der interdisziplinären Notaufnahme (konservative Notfallmedizin) der Universitätsmedizin Göttingen als Krankenhaus der Maximalversorgung wurde in 2006 eine Reorganisation durch Etablierung einer angeschlossenen IMC-Station, einer Chest Pain Unit und einer Stroke Unit durchgeführt und ein Qualitätsmanagementsystem in 2008 gemäß den Forderungen nach DIN EN ISO 9001 eingeführt. In einer retrospektiven Analyse wurden die Fallzahlen, das Spektrum der
Autorenregister Krankheitsentitäten, die Kernleistungsprozesse der interdisziplinären Notaufnahme und die Diagnosequalität vor (2006) und ein Jahr nach Einführung des Qualitätsmanagementsystems (2009) verglichen. Die statistische Analyse erfolgte mit Hilfe des Student t-Tests für unabhängige Variablen und des χ2-Tests bei Vergleich nominaler Werte. Ergebnisse. In der interdisziplinären Notaufnahme der Universitätsmedizin Göttingen kam es innerhalb von 3 Jahren (2006 vs. 2009) zu einer Fallzahlsteigerung von 18,5%. Das Spektrum der Krankheitsentitäten hat sich im Bereich der konservativen Notfallmedizin zugunsten der kardiovaskulären Erkrankungen (akuter Myokardinfarkt, akuter Apoplex) verschoben. Nach Einführung des Qualitätsmanagementsystems konnte eine signifikante Reduktion der Verweildauer der Patienten auf der interdisziplinären Notaufnahme von im Median 9,5 h auf 4,5 h erzielt werden. Durch die Einführung interdisziplinärer Fallkonferenzen und Erstellung eines Standard Operating Procedure Handbuchs für die Diagnostik und Behandlung sämtlicher konservativer Notfallpatienten konnte die Diagnosequalität gemessen an der Rate der Fehldiagnosen stationär aufgenommener Patienten signifikant verbessert werden (p=0,002). Darüber hinaus wurde durch die Einschränkung der diagnostischen Maßnahmen (Labordiagnostik, Röntgendiagnostik) eine erhebliche Kostenreduktion von 9,5% erreicht. Schlussfolgerungen. Durch die Reorganisation der strukturellen Voraussetzungen in einer interdisziplinären Notaufnahme und Einführung eines Qualitätsmanagement Systems nach DIN EN ISO 9001 kann eine gezielte Optimierung der Prozessabläufe und der Prozessqualität in einer interdisziplinären Notaufnahme erreicht werden.
P41 Inzidenz und Bedeutung von pathologischen Schilddrüsenparametern in der Notfallmedizin *C. Dierkes1, F. Ach1, S. Kroiss1, R. Büttner1, S. Pemmerl1 1Uniklinik Regensburg, Klinik für Innere Medizin 1, Regensburg
Einleitung. Im Rahmen der Akutversorgung in einer internistischen Notaufnahme (iNA) wird bei nahezu allen Patienten routinemäßig eine laborchemische Bestimmung von Schilddrüsenparametern (SP; TSH, fT3 und fT4) durchgeführt. Hierdurch sollen einerseits mögliche Pathologien der Schilddrüsenfunktion erkannt werden, andererseits wird anhand der Ergebnisse eine Risikostratifizierung vor einer ggf. notwendigen Kontrastmittelapplikation mit jodhaltigen Substanzen durchgeführt. Es gibt bislang weder Inzidenzen für Notaufnahmepatienten noch eine Auswertung der klinischen Relevanz von eingangs veränderten SP für den weiteren klinischen Verlauf. Methoden. Prospektive Erfassung der Inzidenz von Veränderungen der SP in einem Zeitraum von 3 Monaten bei internistischen Notfallpatienten der Uniklinik Regensburg. Konsekutive Kontrolle der SP bei Patienten mit pathologischen Veränderungen sowie Dokumentation von Erkrankungen der Schilddrüse. Ergebnisse. Im Zeitraum vom 07.02.2011 bis 07.05.2011 wurden 1631 Patienten in der iNA behandelt. Das Durchschnittsalter lag bei 56±19 Jahren (14–96 Jahre), 44,5% der Patienten waren weiblich. Bei 1572 dieser Patienten wurden SP erhoben, wobei sich bei 20,3% veränderte TSH Werte zeigten (n=319). 115 Patienten wiesen hypothyreote, 190 hyperthyreote Werte auf, zumeist im Sinne latenter Schilddrüsenveränderungen. Die Daten der Nachbeobachtungen, die teilweise noch nicht vollständig erhoben sind, werden zusammen mit einer ausführlichen Darstellung der übrigen epidemiologischen Daten auf dem Kongress präsentiert. Diskussion. Die Relevanz von SP bei bestimmten internistischen Erkrankungen, wie z. B. Rhythmusstörungen, ist hinlänglich bekannt. Inwieweit Veränderungen allerdings auch bei anderen Erkrankungen eine Rolle spielen ist nicht ausreichend geklärt. In unserem großen Patientenkollektiv wurden bei über 20% aller der Patienten der iNA TSHVeränderungen festgestellt. Die Häufigkeit unterstreicht die Notwendigkeit weiterer Auswertungen, insbesondere vor dem Hintergrund medizinischer aber auch ökonomischer Aspekte.
Autorenregister A
E
Ach, F. P41 Allgäuer, S. A062, P3 Alscher, M.D. A062, P3, P24 Altrock, G. EV006 Anderson, P.D. EV056
Ebbecke, M. EV137, P10 Ebinger, M. EV007 Eckl, B. A066 Ehrmann, K. EV084 Eidt, J. P10 Eisenbarth, H. P26 Euler, M. P12
B Bahrmann, P. P6 Bäsecke, J. EV154 Baur, F. P38 Becker, T A024 Behrend, W. EV100 Bercker, S. P18 Bertsch, T. P6 Betge, S. P7 Biberthaler, P. A032 Bingisser, R. P37 Bischoff, S. P16 Blank, W. EV063 Blaschke, S. A055, P40 Bohnet-Joschko, S. P39 Bonnaire, F. P17 Borst, K. P21 Bouillon, B. EV015 Brachmann, M. P35 Breckwoldt, J. EV150 Bürkle, T. P28, P29, P30, P33 Büttner, R. P41
F Fakler, J. P18 Färber, E. P11 Fenik, L. P38 Fersterra, A. P26 Figulla, H.R. P7 Filipaj, D. P24 Filippi, A. P9 Flacke, N. EV012 Flesch, F. EV140 Floyd, B.D. EV157 Franke, A. EV004 Frauchiger, A. P37 Friesdorf, M. EV100
G
Callies, A. A059 Cavus, E. A059 Celebi, N. P38 Christ, M. P6, P20 Commentz, H.J. EV161 Cone, D. EV150
Gebel, M. EV062 Geppert, R. P35 Gerken, G. EV074 Graf, B.M. P27 Griesinger, F. EV153 Groening, M. P32, P35 Grossmann, F. P9, P21, P37 Grote, N. A055 Grundmeier, A. P39 Grüttner, J. EV065, EV066, EV113 Güldner, S. P20 Güssow, U. EV067
D
H
Dauber, A. EV008 Delport, K. P37 Deters, M. P10 Dierkes, C. P41 Dietz-Wittstock, M. EV131, P19 Di Gennaro, M. A008 Dodt, C. EV117 Donaubauer, B. P18 Dörges, V. A059 Dormann, H. P26, P28, P29, P30, P33 Droste, W. EV102 Dünnebacke, D. P15 Duttge, G. EV096
Hambrecht, A. A028 Händl, T. P4 Hangleitner, A. P24 Hartmann, N. P33 Helm, M. A059 Hempel, D. P2, P36 Herdtle, S. P8 Hermanns-Clausen, M. P11 Herter, D. P38 Hilmer-Schneider, I. P32 Hoffmann, R. P14, P15 Hogan, B. EV031, EV129 Hohaus, T. P17 Hohenstein, C. EV064, P2, P8, P13, P36 Hölzl, S. A050 Hossfeld, B. A059 Hoymann, J. EV103 Hübner, U. EV0156 Huschak, G. P18
C
Notfall + Rettungsmedizin Supplement 1 · 2011
| 47
Autorenregister I
N
S
Y
Ittner, K.-P. P27
Nagorsnik, U. A055, P40 Nauck, F. EV097 Neise, A. A043, P22 Neumann, S. EV152 Neusieß, S. P24 Nickel, C. P37 Niehues, C. P23 Nix, E. EV150
Yilmaz, A. P7
Quintel, M. P1
Sayk, F. EV106 Schäfer, R. P8 Schaper, A. EV138, P10 Schiffner, R. P16 Schilling, T. EV030 Schleikis, A. EV035 Schmidt, H. EV051 Schmidt-Ott, K.M. EV026 Schneider, K. P31 Schneppendahl, J. P12 Schob, M. P26 Schramm, P. EV009 Schrempf, L. A055, P40 Schubert, H. P16 Schubert, K. P7 Schüler, S. P26 Schwab, M. P16 Schwörer, H. EV076 Sibbel, R. EV111 Sieber, C. P6 Siekmann, R. EV008 Singh, M. EV077 Skuras, J.A. P14, P15 Sobotta, R. P35 Sojer, R. P28 Stedtler, U. P11 Steffen, B. EV157 Steindel, V. A024 Stewart, D. EV072 Stoletzki, S. P11 Strelow, H. P12
R
T
J Jäger, K. P4 Janssens, U. EV069 Josten, C. P18 Jung, C. P13
K Kaiser, G. EV058, A061 Kaisers, U. P18 Kalentzki, C. P10 Kanz, K.-G. A027, A032 Keil, T. EV136 Kermer, P. EV010 Khalil, P.N. A027 Kirchner, M. P28, P29, P30, P33 Klier, T.W. P27 Klinger, S. EV081 Korsten, P. A055, P40 Kretzschmar, D. P7 Kreuzer, J. A008 Kroiss, S. P41 Kulla, M. EV081 Kummer, T. EV061 Kupferschmidt, H. EV141
P Patapovas, A. P28, P29, P30, P33 Patschan, D. EV025 Pavlovic, D. EV149 Pemmerl, S. P41 Petersen, P.-F. P14, P15 Petzke, F. EV003 Pfistermeister, B. P29, P33 Pietsch, C. EV107, P25 Pistulli, R. P7 Planert, B. P11 Plank-Kiegele, B. P29, P33 Plappert, T. EV120 Post, H. EV134 Prange, H. EV098 Prasa, D. P11 Prokosch, H.-U. P28, P30
Q
L Ladehof, K. EV060 Lassen, C.L. P27 Last, M. EV013, EV055 Latasch, L. A008 Laudi, S. P18 Leidel, B.A. A027, A032 Lichtner, A. EV054 Löhnert, R. P9 Lomberg, L. EV124
M
Radamm, C. P10 Rakers, F. P16 Rasche, C. EV157 Riedl, D. EV103 Riessen, R. P38 Roessler, M. EV147, P1 Rohde, V. EV050 Rohm, I. P7 Rupprecht, S. P16
Maas, R. P28, P29, P30, P33 MacDonald, D. EV150 Margaria, T. EV157 Marx, N. P15 Mathews, A. P28, P29, P33 Mersmann, J. EV132 Mielke, A. EV008 Miersch, D. P12 Möckel, M. EV068 Moerer, O. P1 Mohr, A. EV049 Müller, F. P28, P29, P33 Müller, G.A. P40
48 |
Notfall + Rettungsmedizin Supplement 1 · 2011
Tan, V. P14 Thees-Laurenz, R. P5 Trappe, H.-J. EV044
V Vogler, R. P29 Vollmann, D. EV045 von Eckardstein, K EV050 von Eiff, W. EV033
W Wagner, R. P11 Walcher, F. EV081 Wasser, C. A062, P3, P24 Wehler, M. P4 Weichert, O. EV087 Welty, G. P34 Werner, J. A027, A032 Wetzel, E. P5 Weyrich, P. P38 Wiese, C.H.R. P27 Wild, M. P12 Wilke, P. EV002 Windisch, A. P7 Windolf, J. P12 Wohlers, C. EV099 Wrede, C. A024 Wree, A. EV074 Wrigge, H. P18 Wünning, M. EV130 Wüstner, M. P5
Z Ziemssen, T. EV005 Zink, B.J. EV001 Zipfel, S. P38 Zippel, C. P39 Zock, M. A027, A032 Zumbrunn, T. P37