Abstracts Monatsschr Kinderheilkd 2015 · 163:1198–1212 DOI 10.1007/s00112-015-3445-1 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015
Abstracts der 86. Wissenschaftlichen Halbjahrestagung der Gesellschaft für Pädiatrische Onkologie und Hämatologie e. V. (GPOH) 20./21. November 2015, Kinderklinik der Johann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt a. M. Wissenschaftliche Leitung: Prof. Dr. Angelika Eggert
Grußwort Sehr geehrte Leserinnen und Leser, es ist uns eine Freude, Ihnen auch in dieser Ausgabe der Monatsschrift Kinderheilkunde Einblicke in die aktuellen Themen der Kinderonkologie zu geben, die im Rahmen unserer Halbjahrestagung am 20./21.11.2015 in Frankfurt am Main präsentiert und diskutiert werden. Bei dieser Herbsttagung werden wir den Teilnehmern zum Auftakt erstmalig parallel zu den aktuellen Themen der psychosozialen Arbeitsgemeinschaft in der Pädiatrischen Onkologie und Hämatologie (PSAPOH) auch interessante translationale Projekte von Nachwuchswissenschaftlern vorstellen. Im wissenschaftlichen Tagungsteil gibt es zunächst einen Überblick über den aktuellen Stand bei der Langerhans-Zell-Histiozytose (LCH) und anschließend einen Stateof-the-Art-Vortrag, der sich vor allem an die jüngeren Kolleginnen und Kollegen in der kinderonkologischen Weiterbildung richtet und das Thema der akuten lymphoblastischen Leukämie (ALL) behandelt. Am 2. Tag der GPOH-Tagung freuen wir uns auf die Diskussion. neuer Studienaspekte der niedriggradigen Gliome. Im weiteren Verlauf der Tagung erwarten wir außerdem interessante neue Daten und Konzepte aus den Gebieten der Rehabilitation und der Bestrahlung sowie zahlreiche freie Vorträge zu spannenden Themen der Kinderonko logie und -hämatologie. Auszüge aus diesen Innovationen finden Sie in der Auswahl der Abstracts in dieser Ausgabe. Ich wünsche Ihnen viel Spaß beim Lesen dieser spannenden Abstracts!
Prof. Dr. Angelika Eggert Vorstandsvorsitzende GPOH
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Monatsschrift Kinderheilkunde · 11 · 2015
Junge GPOH: Translationale Projekte Standardisierte Testung von zielgerichteten Therapien gegen pädiatrische Hirntumoren Marc Remke1,2,3, Viktoria Marquardt1,2, Daniel Picard1,2, David Pauck1,2, Lena Blümel1,2, Nan Qin1,2, Anna Kaufhold1,2, Guido Reifenberger2,3, Arndt Borkhardt1,2 Klinik für Kinder-Onkologie, -Hämatologie und Klinische Immunologie, Universitätsklinikum Düsseldorf, 2Deutsches Krebsforschungszentrum (DKFZ), Heidelberg, und Deutsches Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK), Partnerstandort Essen/Düsseldorf, 3Institut für Neuropathologie, Universitätsklinikum Düsseldorf 1
Fragestellung. Hirntumorerkrankungen sind mittlerweile trotz aggressiver multimodaler Therapie die Haupttodesursache bei onkologischen Erkrankungen im Kindesalter. Neue therapeutische Verfahren werden dringend benötigt, um die Prognose von Kindern mit malignen Hirntumoren zu verbessern. Wir haben eine standardisierte Plattform zur Testung von zielgerichteten Verfahren entwickelt, um basierend auf neuroonkogenomischen Analysen neue Therapieformate in vitro zu evaluieren. Studiendesign. Genomweite Array- und Sequenzierungs-Analysen werden durchgeführt, um therapeutische Zielstrukturen von kindlichen Hirntumoren zu identifizieren. Wir haben über fünfzig etablierte Zelllinien und Primärkultur-Modelle von pädiatrischen und adulten Hirntumoren, um die therapeutischen Effekte von zielgerichteten Therapien zu evaluieren. Die epigenetischen und molekularen Profile der Kulturmodelle werden vor der Inhibitor-Testung mit den Veränderungen im Tumorgenom von den korrespondieren Primärtumoren abgeglichen, um sicherzustellen, dass die molekularen Veränderungen in den Kulturmodellen vorhanden sind. Die Medikamententestung erfolgt unter Verwendung einer automatisierten und standardisierten Pipeline mit Zellviabilität-Messung als primären Endpunkt. Ergebnisse. In einer Modell-Studie haben wir zwei neue therapeutische Strategien (mTORC1-Aktivierung und WEE1-Überexpression) beim atypischen teratoiden/rhabdoiden Hirntumor (AT/RT) mittels genomweiter Gen-Expressionsanalyse und Phospho-Proteomik identifiziert. Wir konnten im Vergleich zu Kontrollgewebekulturen in vier AT/RT Zelllinien und in zwei Primärkulturen ein spezifisches Ansprechen auf gezielte Therapeutika (Everolimus und MK-1775) in niedrig nanomolaren Konzentrationen nachweisen. Aktuelle Arbeiten befassen sich mit synergistischen Therapieansätzen dieser Substanzen mit anderen gezielten Inhibitoren und konventionellen Radio-/Chemotherapien. Zudem arbeiten wir an der Identifikation von prädiktiven Markern für derartige Therapieformate anhand von genomweiten Array- und Hochdurchsatzsequenzierungsstudien. Schlussfolgerung. Gezielte Therapieformate versprechen eine rationale Intervention, um die Tumorzell-spezifische Mechanismen in der Tumor-Entstehung und -Propagation auszuschalten. Auf diese Weise können ausgeprägte antitumorale Wirkung bei vergleichbar begrenzten Nebenwirkungsprofilen erreicht werden. Diese Therapieformate haben damit eine besondere Bedeutung bei pädiatrischen Hirntumoren, die aktuell – wie AT/RT – mit konventionellen Therapiestrategien eine schlechte Prognose aufweisen.
Synergistische Aktivität des BCL-2-spezifischen Inhibitors ABT-199 mit konventionellen Zytostatika und dem CDK-Inhibitor Dinaciclib bei B-Zell-Vorläufer ALL Felix Seyfried, Salih Demir, Rebecca Hörl, Klaus-Michael Debatin, Lüder Hinrich Meyer Universitätsklinik für Kinder- und Jugendmedizin, Universitätsklinikum Ulm, Ulm, Deutschland
Hintergrund. Therapieversagen und die Entstehung von Rezidiven bei ALL sind eng mit einer Überaktivierung intrazellulärer Signalwege verbunden, die an der Regulation von Zellwachstum, Überleben und Apoptose beteiligt sind. Die antiapoptotischen Proteine der BCL-2Familie sind wichtige Regulatoren des programmierten Zelltods und stellen somit attraktive Strukturen für zielgerichtete Therapien dar. Der BCL-2-selektive Inhibitor ABT-199 aus der Gruppe der BH3-Mimetika bindet direkt an BCL-2, hemmt dessen antiapoptotische Funktion und induziert die Apoptosesignaltransduktion durch direkte Freisetzung pro-apoptotischer Proteine der BCL-2-Familie. BH3-Mimetika werden derzeit präklinisch und in ersten klinischen Studien evaluiert, jedoch zeigt die intrinsische oder erworbene Resistenz die Notwendigkeit für prädiktive Faktoren und wirksame Kombinationsbehandlungsstrategien an. Methoden. In dieser Studie wurden humane B-Zell-Vorläufer Leukämiezelllinien (n=5) und primäre, xenotransplantierte Leukämieproben (n=10) mittels Zellviabilitätsassays und Bestimmung mittlerer inhibitorischer Konzentrationen (IC50) hinsichtlich ihrer Apoptosesensitivität gegenüber ABT-199 untersucht. Darüber hinaus wurden Kombinationseffekte von ABT-199 mit konventionellen Zytostatika und dem CDK-Inhibitor Dinaciclib getestet. Die synergistische oder additive Aktivität wurde unter Verwendung der Kombinationsindex-Methode nach Chou-Talalay bestimmt. In Western-Blot-Analysen und Durchflusszytometrie wurden die Proteinlevel wichtiger Apoptose regulierender Moleküle bestimmt. Ergebnisse. Bei allen getesteten Zelllinien zeigte sich eine hohe Sensitivität gegenüber ABT-199 mit IC50-Werten im nanomolaren Bereich (mittlere IC50, 212 nM), mit Ausnahme von Nalm-6 mit einem IC50Wert >10 µM. Gleichermaßen fand sich auch bei der Untersuchung primärer Xenograftproben eine starke Sensitivität (IC50 3-156 nM) in 9 von 10 getesteten Proben und nur eine Leukämieprobe eines Hochrisikopatienten erwies sich als resistent mit einem IC50-Wert >1 µM, vergleichbar mit PBMCs gesunder Spender. Interessanterweise wiesen ABT-199-resistente Proben hohe MCL-1 und niedrige BCL-2 Level im Gegensatz zu niedriger MCL-1 und hoher BCL-2-Expression in sensitiven Proben auf. Die In-vitro-Kombinationswirkung von ABT-199 mit konventionellen Zytostatika in ABT-199-Monotherapie-resistenten Nalm-6 Zellen ergab synergistische Effekte mit Vincristin, Dexamethason und Asparaginase (Kombinationsindizes CIs =0,4, 0,14 und 0,002) sowie der Kombination dieser Wirkstoffe (CI 0,03). Der Einsatz des CDK-Inhibitors Dinaciclib führte im nanomolaren Bereich zu einer Reduktion der MCL-1-Expression und in Kombination mit ABT-199 zu starken synergistischen Effekten in ABT-199-resistenten Nalm-6 sowie primären Xenograft ALL Zellen (CIs 0,03, 0,04). Schlussfolgerung. Zusammenfassend zeigen diese Daten eine hohe Effektivität von ABT-199 sowie mögliche Strategien zur Überwindung von ABT-199-Resistenzen in pädiatrischer ALL.
Monatsschrift Kinderheilkunde · 11 · 2015
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Abstracts
Langerhans-Zell-Histiozytose (LCH) Pathogenentische Mechanismen in der LCH Raphaela Schwentner, Gunhild Jug, Max Kauer, Milen Minkov, Wolfgang Holter, Caroline Hutter St. Anna Kinderkrebsforschung und St. Anna Kinderspital, Wien
Die Langerhans-Zell-Histiozytose (LCH) wird durch die Ansammlung CD1a, DC207 + Zellen in verschiedenen Geweben charakterisiert. Trotz ihrer relativen Seltenheit (die Inzidenz bei Kindern beträgt ca. 0,5/100 000) ist die LCH Gegenstand intensiver Forschungsarbeiten. Die Herkunft und Differenzierung der für die Läsionen typischen LCH Zelle ist unklar, wobei es aber als gesichert gilt, dass es sich insgesamt um eine Erkrankung des Monozyten/Makrophagen-Systems handelt. Unsere Arbeitsgruppe konnte mittels vergleichender Genexpressionsanalysen zeigen, dass die CD1a+DC207+ nicht – wie ihr Namen vermuten lässt – mit den epidermalen Langerhans-Zellen gleichzusetzen sind, sondern dass die LCH-Zellen eine eigene Entität darstellen. Weiters haben wir den Notch-Signaltransduktionsweg als potenziell wichtigen Faktor für die Entstehung der LCH identifizieren können: Der Notch1-Rezeptor ist in den LCH-Zellen aktiviert, und die LCH-Zellen exprimieren selektiv den Notch-Liganden Jagged2. In vitro können mittels Notch-Liganden aus Monozyten-Zellen mit einem Expressionsmuster ähnlich der LCH-Zellen generiert werden, was ein Hinweis darauf ist, dass Notch- mediierte Signale für den Phenotyp der LCH-Zellen mit verantwortlich sein können. Mittels eines Zellkultursystems können wir nun die dem Notch-Rezeptor nachgeschalteten Signale untersuchen. Insbesondere testen wir, ob es zu einer Kooperation mit dem MAPK-Pathway kommt, der in allen LCH-Zellen aktiviert ist. In einem weiteren, translationalen Projekt untersuchen wir, ob das klinische Ansprechen auf Therapie mit quantitativen Änderungen LCH-spezifischer Mutationen im Blut korreliert. Vor einem Jahr wurde gezeigt, dass man im Blut mancher LCH-Patienten jene (BRAF-) Mutationen nachweisen kann, die auch in den LCH-Läsionen in der Mehrzahl der Patienten zu finden sind. Um dies näher zu untersuchen, messen wir die Menge an mutierter DNA im Blut von Patienten mit LCH. In diesem Pilotprojekt konnten wir exemplarisch zeigen, dass bei einem Patienten die Menge an zirkulierender, LCH-spezifischer DNA während der Therapie stetig gesunken ist und schließlich nicht mehr messbar wurde. Diese Daten geben Hoffnung, dass mit dieser Methode in Zukunft das Ansprechen auf eine LCH-spezifische Therapie objektiviert werden kann.
Deutsches Register für Langerhans-Zell Histiozytosen – LCH-REG-DE-2013 Thomas Lehrnbecher1, Stefan Schöning1, Luciana Porto2 und Jan Sörensen1 Pädiatrische Hämatologie und Onkologie, Klinik für Kinder- und Jugendmedizin und 2Institut für Neuroradiologie, Johann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt am Main 1
Das Register für Langerhans-Zell-Histiozytosen (LCH) LCH-REGDE-2013 ist das deutsche Pendant zur internationalen LCH-IV-Studie, die aufgrund regulatorischer Hürden in der bestehenden Form in Deutschland nicht durchführbar ist. Hauptunterschied zwischen dem Register LCH-REG-DE-2013 und der internationaler LCH-IV-Studie ist das Fehlen der randomisierten Arme in der Dauertherapie für das Stratum I und II (Erstlinien- bzw. Zweitlinien-Therapie) in den deutschen Behandlungsempfehlungen. Dies bedeutet, dass wir empfehlen, Patienten mit Ersterkrankung bzw. Progress/Rezidiv einer LCH in Deutschland mit der Standard-Therapie entsprechend des LCH-IV-Protokolls zu behandeln. Die randomisierten Fragestellungen sollen zu einem späteren Zeitpunkt auch in Deutschland im Rahmen einer AMG-Studie evaluiert werden, die sich im Augenblick in Vorbereitung befindet.
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Monatsschrift Kinderheilkunde · 11 · 2015
In das Register LCH-REG-DE-2013 können alle Patienten eingeschlossen werden, welche die Einschlusskriterien analog zur internationalen LCH-IV-Studie erfüllen: Patienten in der Erstlinientherapie (Stratum I; hier Empfehlung zur Behandlung nach Standardtherapie, keine Randomisierung möglich), Patienten mit Progress bzw. Rezidiv (Stratum II; hier ebenfalls Empfehlung zur Behandlung nach Standardtherapie, ebenfalls keine Randomisierung möglich), Patienten mit sogenannter „Salvage-Therapie“ die kein Ansprechen auf die Erstlinien- bzw. Zweitlinien-Therapie zeigen (Stratum III), Patienten, die sich einer Stammzelltransplantation unterziehen müssen (Stratum IV), Patienten mit neurodegenerativer LCH (Stratum V), Patienten, die aufgrund der Lokalisation der Erkrankung keine systemische Therapie benötigen (Stratum VI) sowie alle Patienten in der Langzeitnachbeobachtung (Stratum VII). Mit der Studienleitung können Diagnostik und therapeutische Empfehlungen besprochen werden, so dass Patienten mit jeder Form der LCH auch in Deutschland nach dem neusten, international anerkannten Standard behandelt werden können. Um jedoch weitere Erfahrungen für diese relativ seltene und heterogene Patientenpopulation zu gewinnen, sollen die jeweiligen patientenbezogenen Daten in die für das Register modifizierte Datenbank der internationalen LCH-IV-Studie eingegeben werden.
Langerhans-Zell-Histiozytose des Zentralnervensystems (ZNS-LCH): Häufigkeit, Klinik, Bildgebung, Krankheitsverlauf und Therapieoptionen Milen Minkov Internationale LCH Studienzentrale, St. Anna Kinderkrebsforschung, Wien, Österreich
Die Langerhans-Zell-Histiozytose (LCH) ist eine klonale Erkrankung, die durch die Proliferation von myeloischen Vorläufern, Granulombildung und entzündliche Reaktionen, gekennzeichnet ist. Nahezu jedes Organ, einschließlich des zentralen Nervensystems (ZNS) kann betroffen sein. Die Beteiligung der Hypothalamus-Hypophysen-Region (HPR) manifestiert sich mittels Diabetes insipidus (DI), eines der häufigsten und charakteristischen Zeichen der LCH, und – wesentlich seltener – durch einen hormonellen Ausfall der Adenohypophyse. Auf die Beteiligung anderer ZNS-Strukturen wurde man wesentlich später aufmerksam. Das Spektrum der klinischen Symptome der ZNSLCH ist breit und reicht von akuten Präsentationen (Kopfschmerzen, Krampfanfälle, Symptome von erhöhtem Hirndruck) bis hin zum schleichenden Beginn pontozerebellärer Symptomatik, kognitiver Defizite und Verhaltensauffälligkeiten mit variablem Verlauf. Die Magnetresonanztomographie (MRT) hat den Wissenstand über ZNS-LCH immens verbessert und die erfassten Befunde konnten systematisiert und klassifiziert werden. Basierend auf der Korrelation zwischen klinischen Symptomen, Bildgebung und Histopathologie werden zwei Muster von ZNS-LCH definiert. Die sogenannte „granulomatöse“ („tumor-ähnliche“) ZNS-LCH manifestiert sich in der Regel mit Kopfschmerzen, erhöhtem Hirndruck und lokalisationsabhängigen Krampfanfällen. Die typische Lage ist extraaxial (Meningen, Plexus choroideus, HPR und Zirbeldrüse). Die Biopsie solcher Läsionen zeigt Granulome, die CD1a+ Zellen enthalten. Als Therapieoptionen stehen die neurochirurgische Resektion und die systemische Behandlung (Prednison/Vinblastin, Cytarabin, 2-Chlorodeoxyadenosine, Clofarabine) zur Verfügung. Das zweite Muster der ZNS-LCH wird als „non-granulomatös“ bzw. „neudegenerativ“ bezeichnet. Die Veränderungen sind im Hirnparenchym (Kleinhirn, Pons, Basalganglien, supratentorielle weiße Substanz) lokalisiert. Biopsien solcher Läsionen sind in der Regel nicht diagnostisch für LCH (CD1a +, CD207 + Zellen fehlen) und zeigen entzündliche Veränderungen mit neuronalem Verlust, Demyelinisierung und Gliose. Die klinische Manifestationen umfassen Tremor, Ataxie, Dysarthrie, Hirnnervenausfälle, Hyperreflexie, spastische Tetraparese, kognitive Defizite und Verhaltensauffälligkeiten. Der Verlauf kann von einem über Jahre stabilen Zustand bis zu rascher Progression und Invalidisie-
rung reichen. Für eine objektive Beurteilung des Verlaufs und für die therapeutischen Entscheidungen sind standardisierte neurologische (EDSS, ICARS) und neuropsychologische Untersuchungen in regelmäßigen Abständen unabdingbar. Monatliche Gaben von intravenösem Immunoglobulin (500 mg/kg) oder Cytarabin (150 mg/m2/Tag für 5 Tage) sind zurzeit die einzigen Behandlungsoptionen mit vorhandener, wenn auch geringer klinischer Evidenz für diese Art von ZNS-LCH.
Akute lymphoblastische Leukämie (ALL)
Die seltenen Histiozytosen – eine herausfordernde und sehr heterogene Gruppe von Erkrankungen
Omics-Plattformen zu Identifizierung von neuen therapeutischen Zielstrukturen bei chemotherapiersistenter pB/c- ALL mit Translokation t(17;19)
Carl Friedrich Classen1
Konsortium „UFO-Plan“
Universitäts-Kinder- und Jugendklinik Rostock
Fragestellung. Die Translokation t(17;19)(q22;p13), bei der der Fusion der Gene TCF3 und HLF zu einem chimären Transkriptionsfaktor führt, stellt eine sehr seltene (<1%), in der Regel primär therapierefraktäre genetischte Entität bei den akuten lymphoblastischen Leukämie mit B-präkursor Immunphänotyp im Kindesalter dar. Das identische Partnergen auf Chromosom 19, TCF3, ist auch in die zytogenetische Translokation t(1;19) mit Bildung des TCF3-Pbx1 Fusionsgens involviert. Diese Kinder haben in der Regel eine sehr gute Prognose. Es wurden deshalb vergleichende Untersuchungen von Knochenmarkproben von Kindern mit Translokation t(1;19) und t(17;19) durchgeführt. Studiendesign. Es wurden Proben von fünf TCF3-PBX1-positiven und fünf TCF3-HLF-positiven Leukämien mittels Genom-, Exom-, Transkriptom- und miR-Sequenzierung untersucht. Nach Xenotransplantation der primären Leukämiezellen in immundefiziente NOD/SCID/ IL2rγnull (NSG) Mäuse wurden potentielle Kandidatengene und Medikamente in vitro und in vivo getestet. Ergebnisse. Die Integration der Sequenzierungsdaten zeigte ein rekurrentes Muster TCF3-HLF begleitender Aberrationen, die die physiologische B-Zell-Entwicklung hemmen, und diesen Subtyp von t(1;19)-positiven, TCF3-PBX1-rearrangierten Leukämien damit deutlich abgrenzen. Die Pax5-Expression war in allen TCF3-HLF-positiven Leukämieproben sehr gering. Wir fanden zusätzlich PAX5-Deletionen (n=3), sowie Mutationen bzw. Überexpression von PAX5-regulierenden Faktoren (TCF3, BCL2) (n=1 bzw. n=5). Die integrative Datenanalyse legt nahe, dass die TCF3-HLF-Fusion in einer sehr frühen, zur B-Zell-Reihe gehörenden lymphatischen Zelle stattfindet und zu einer tiefgreifenden, transkriptionellen Umprogrammierung und Dedifferenzierung im gesamten B-Zell-Kompartiment führt. Analog zur klinischen Beobachtung, zeigte die die präklinische in vivo Testung in Xenotransplantaten, dass TCF3-HLF-Zellen hochresistent sind gegenüber Cytarabin oder Vincristin sind. Überraschenderweise zeigten dagegen off-label erhältliche Medikamentengruppen, wie mTOR- oder Proteasom-Inhibitoren, der HSP90 Inhibitor AUY922 oder Panobinostat moderate bis gute Invitro- und In-vivo-Aktivität. In Übereinstimmung mit einer hohen Überexpression des Onkogens BCL2 konnte zudem eine kurzzeitige Behandlung mit dem spezifischen BCL2-Inhibitor Venetoclax (ABT-199) die Entstehung von TCF3-HLF-positiven Leukämien effektiv blockieren, die Leukämielast in den transplantierten Tieren schnell reduzieren und das Überleben der Mäuse signifikant verlängern (p<0,001). Schlussfolgerung. Die Kombination von molekularer und funktioneller Analyse ergab neue Einblicke in den molekularen Kontext der refraktären TCF3-HLF-positiven ALL und eröffnete neue Möglichkeiten, Behandlungsstrategien für die betroffenen Kinder präklinisch zu testen. Auf Grund der Seltenheit der Translokation t(17;19) empfiehlt sich im klinischen Alltag die Ausarbeitung eines individuellen Therapiekonzepts.
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Fragestellung. Die Bezeichnung „seltene Histiozytosen“ – oder „Non-Langerhans-Zell-Histiozytosen“ – schließt alle proliferativen histiozytären Erkrankungen ein, die nicht entweder zu den Langerhans-Zell-Histiozytosen gehören, oder auch zu dem Formenkreis der hämophagozytischen Lymphohistiozytosen. Mithin zählt hierzu eine Vielzahl gut- oder bösartiger, lokalisierter oder systemischer, mehr pädiatrischer oder adulter Erkrankungen. In einem Register sollen nun alle dieser Erkrankungsfälle erfasst und die Verläufe dokumentiert werden, und zwar als eine GPOH-weite Daten- und Gewebeprobenbank. Diese ist dann zugleich Teil der in Toronto angesiedelten weltweiten International Rare Histiocyte Registry der Histiocyte Society (IRHDR), die kürzlich initiiert wurde. Studiendesign. Als pro- und retrospektive Datenbank erfasst das IRHDR alle wichtigen klinischen, histopathologischen und ggf. molekularen Daten sowie auch die Verlaufsdaten in strukturierter Form. Die dem Register assoziierten Pathologen bilden ein weltweites Panel, das einerseits die Definitionen vereinheitlichen und zum anderen insbesondere über molekulare Verfahren die Erkrankungen weiter charakterisieren kann. Ergebnisse. Grundsätzlich gibt es drei Gruppen von seltenen Histiozytosen: die Familie der juvenilen Xanthogranulome (JXG), die Non-Xanthogranulom-Familie – wozu Erkrankungen wie die Retikulohistiozytose oder die Rosai-Dorfman-Erkrankung gehören – und die malignen Non-Langerhans-Zell-Histiozytosen. Sowohl bei der JXG- als auch bei der Non-JXG-Familie gibt es lokalisierte, kutan generalisierte oder, selten, systemische Formen – manche haben eine exzellente Prognose nach Resektion oder verschwinden völlig spontan, andere können sich lokal ausdehnen und zu schweren Organschäden führen, so dass sie systemischer Therapien erfordern – hier oft angelehnt an die Therapie der Langerhans-Zell-Histiozytose – oder sogar zum Tode führen. Die malignen Non-Langerhans-Zell-Histiozytosen, beispielsweise das histiozytäre Sarkom, haben überwiegend eine sehr ungünstige Prognose; in der Regel werden Chemotherapieprotokolle vom Weichteilsarkomoder Non-Hodgkin-Lymphom-Typ eingesetzt, mit allerdings uneinheitlichen Ergebnissen. Eine zukunftsweisende Perspektive stellen bei einigen Subgruppen kleinmolekulare Inhibitoren, etwa BRAF-Inhibitoren, dar – gerade hier ist aber, aufgrund der geringen Zahlen, für eindeutige Aussagen noch sehr viel mehr Datensammlung notwendig, wie sie durch das Register angestrebt wird. Schlussfolgerung. Es ist zu hoffen und zu erwarten, dass zukünftig durch das zentrale Register auch bei dieser sehr seltenen und heterogenen Gruppe von Erkrankungen die Etablierung verbesserter Diagnoseund Therapiekriterien im Interesse der Patienten möglich wird.
Gefördert vom Bundesamt für Strahlenschutz, BfS.
Monatsschrift Kinderheilkunde · 11 · 2015
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Abstracts Dexamethason in der ALL-Induktion: Potenzial und Risiken Anja Möricke1, Martin Zimmermann2, Maria Grazia Valsecchi3,4, Georg Mann5, Felix Niggli6, Valentino Conter4 und Martin Schrappe1 für die AIEOP-BFM ALL-Studiengruppe Allgemeine Pädiatrie, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Kiel, Deutschland; 2Klinik für Pädiatrische Hämatologie und Onkologie, Medizinische Hochschule Hannover, Deutschland; 3Medical Statistics Unit, Department of Clinical Medicine and Prevention, University of Milano-Bicocca, Monza, Italien; 4 Department of Pediatrics, University of Milano-Bicocca, Ospedale S. Gerardo, Monza, Italien; 5St. Anna Children‘s Cancer Research Institute u nd St. Anna Kinderspital, Wien, Österreich; 6Klinik für Onkologie, Kinderspital Zürich, Schweiz 1
Fragestellung. Seit den Anfängen der Behandlung der akuten lymphoblastischen Leukämie (ALL) sind Glukokortikoide ein wesentlicher Bestandteil der Therapie. Von den verfügbaren Präparaten wurde in der Induktionsphase traditionell Prednison eingesetzt, während Dexamethason in der Reinduktionsbehandlung Anwendung fand. In präklinischen Untersuchungen und früheren klinischen Studien fanden sich Hinweise auf eine bessere antileukämische Wirksamkeit von Dexamethason im Vergleich zu Prednison. Diese Daten bildeten in der Studie AIEOP-BFM ALL 2000 die Rationale für einen randomisierten Vergleich der beiden Glukokortikoidpräparate in der Induktionsbehandlung mit dem Ziel der Rezidivreduktion und einer Verbesserung des Überlebens. Studiendesign. Im Zeitraum vom 01.07.2000 bis 31.07.2006 wurden insgesamt 4937 pädiatrische Patienten mit ALL (Alter 1 bis <18 Jahre) in 127 Kliniken in Österreich, Deutschland, Italien und der Schweiz in die Studie AIEOP-BFM ALL 2000 aufgenommen. Nach einer 7-tägigen Vorphase mit Prednison wurden die Patienten randomisiert und erhielten in der Induktion entweder Dexamethason (10 mg/m²/Tag) oder Prednison (60 mg/m²/Tag) für 3 Wochen mit anschließender Ausschleichphase über 9 Tage. Ergebnisse. In die Randomisierung konnten 3720 Patienten eingeschlossen werden (1853 Patienten randomisiert in Dexamethason, 1867 in Prednison). Die kumulative Rezidivinzidenz nach 5 Jahren (±SE) war 10,8±0,7% im Dexamethason-Arm und 15,6±0,8% im Prednison-Arm [Hazard-Ratio (HR) 0,70, 95% CI 0,59–0,83; p(Gray) <0,0001] mit dem größten Effekt bei der Reduktion der extramedullären Rezidive. Der niedrigeren Rezidivinzidenz unter Dexamethason stand eine signifikant höhere Rate an therapieassoziierten Todesfällen in der Induktion entgegen (2,5% vs. 0,9%, p=0,00013). Das ereignisfreie Überleben (EFS) nach 5 Jahren betrug 83,9±0,9% im Dexamethason- und 80,8±0,9% im Prednison-Arm [p(log-rank)=0,024; HR 0,85, 95% CI 0,73–0,98). Im Gesamtüberleben gab es keinen Unterschied zwischen den Randomisierungsgruppen [Dexamethason 90,3±0,7%, Prednison 90,5±0,7%, p(log-rank)=0,61; HR 1,05, 95% CI 0,87–1,27). Patienten mit VorläuferB-ALL und gutem Ansprechen auf die Prednison-Vorphase (Prednison Good-Response) hatten ein signifikant schlechteres Überleben nach Rezidiv, wenn sie in der Erstbehandlung dem Dexamethason-Arm zugeteilt worden waren (5-Jahres-Überleben nach Rezidiv Dexamethason 51,9±4,1%, Prednison 65,7±3,1%; p=0,0053). Ein signifikanter Vorteil im Überleben konnte nur für Patienten mit T-ALL und Prednison Good-Response erreicht werden (Dexamethason 91,4±2,4%, Prednison 82,6±3,2%, p=0,036; HR 0,51, 95% CI 0,27–0,97). Schlussfolgerung. Die Behandlung mit Dexamethason anstelle von Prednison in der ALL-Induktionsphase führte zu einer signifikanten Rezidivreduktion, war jedoch mit einer erhöhten Rate an therapieassoziierten Todesfällen assoziiert. In der großen Gruppe der Patienten mit Vorläufer-B-ALL und Prednison Good-Response reduzierte Dexamethason insbesondere die Rezidive mit guten sekundären Heilungschancen mit der Folge eines schlechteren Überlebens nach Rezidiv in dieser Randomisierungsgruppe und daher fehlendem Benefit durch Dexamethason im Gesamtüberleben. Für die Gruppe der Patienten mit T-ALL und Prednison Good-Response konnte auch das Gesamtüberleben durch Dexamethason signifikant verbessert werden.
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Monatsschrift Kinderheilkunde · 11 · 2015
Rapid capture targeted next generation sequencing (NGS) for detection of genomic kinase- and cytokine-receptor rearrangements in B-precursor acute lymphoblastic leukemia Gabriele Escherich1, Udo zur Stadt2, Malik Alawi3, Martin A. Horstmann1 Clinic of Pediatric Oncology, 2Center for Diagnostics, 3Bioinformatics Core, Hamburg 1
Background. Next generation sequencing (NGS) applications have recently identified various recurrent kinase and cytokine receptor rearrangements in a subgroup of B-progenitor acute lymphoblastic leukemia (BPC-ALL). We developed a custom-made NGS based capture panel without the need for gene specific PCR amplification steps. Patients and methods. Ninety three samples from BCP-ALL patients with detectable minimal residual disease (MRD) levels (≥5×10-4) after induction therapy from COALL studies 07–03 or 08–09 were applied to the NGS custom panel. Genomic capture probes were specific for exonic and complete intronic regions of ABL1, JAK2, PDGFRB, CRLF2, EPOR, and the IgH-JH region on chromosome 14. JAK1, JAK3, IKZF1 and SH2B3 were analysed for exonic mutations only. These predefined genomic regions were enriched from 50 ng of initial genomic DNA without gene specific PCR amplification steps, followed by paired end sequencing of the captured genomic fragments (Nextera Rapid Capture Custom enrichment protocol with paired end sequencing on a MiSeq sequencing platform; Illumina). Results. ABL1 and JH specific capture probes allowed the “fishing” of the genomic fusion partner gene, here BCR and ID4. In addition we identified a genomic breakpoint for CRLF2, PDGFRB, EPOR, ABL1 and JAK2 in 19/93 BCP-ALL patient samples. One additional patient showed a SH2B3 5 bp insertion in exon 5 that leads to a premature stop codon. Discussion. In summary, we identified kinase- or cytokine receptor rearrangements in 20/93 patients analyzed with our NGS based custom enrichment panel. Short turnaround times of less than 2 weeks and processing of multiple samples followed by a standardized bioinformatical workflow allows the identification of unknown fusions partners from frequently rearranged kinase- and cytokine receptor genes, providing the exact breakpoint location, irrespective of the gene expression signature. MRD guided NGS panel analysis is a feasible strategy for identification of patients with a high risk of therapeutic failure or relapse suitable for targeted TKI intervention.
MLL-rearranged ALL: new genetic patterns and their prognostic impact Henning Fedders1, Denis M. Schewe1, Martin Zimmermann2, Ameera Alsadeq1, Anja Möricke1, Udo zur Stadt3, Martin Horstmann3, Rob Pieters4, Martin Schrappe1, Gunnar Cario1, Martin Stanulla2 Department of Pediatrics, Christian-Albrechts University Kiel and University Medical Center Schleswig-Holstein, Kiel, Germany, 2Pediatric Hematology and Oncology, Hannover Medical School, Hannover, Germany, 3Clinic of Pediatric Hematology and Oncology, University Medical Center Hamburg-Eppendorf, Hamburg, Germany, 4Erasmus MC – Sophia Children’s Hospital, Department of Pediatric Oncology/Hematology, Rotterdam, Netherlands 1
Introduction. MLL-rearranged ALLs express exceptionally high FLT3 levels. In addition, activating FLT3 tyrosine kinase domain (TKD) and NRAS/KRAS mutations are frequently identified. However, the prognostic impact of constitutive FLT3 signaling in pediatric MLL-rearranged ALL remains controversial. Methods. We analyzed a cohort of 95 infants and 72 children with MLLrearranged ALL for FLT3 transcription levels and common activating mutations in the FLT3 and NRAS/KRAS genes. All patients were enrolled in the multicenter trials ALL-BFM 86-2000 and AIEOP-BFM ALL 2009 as well as Interfant-99 and -06.
Results. FLT3-TKD mutations were identified in 12/95 infants (12.6%) and 1/72 children (1.4%). Of the 12 infants with mutation only 2 suffered from a relapse, 2-years cumulative incidence of relapse (CIR) 18±12%. FLT3 transcription was analyzed in 124 patients with available RNA. When we separated the infant cohort (n=69) according to the median RQ value into two groups, the CIR was significantly different (FLT3high 19%±7% vs. FLT3low 66%±9%, Gray p=0.0001). Notably, of the 6 patients with low FLT3 transcription, but with presence of a mutation, only one had a relapse. These results indicate that activating FLT3 mutations may compensate for the high relapse risk of patients with a low FLT3 expression. A similar significance of the FLT3 expression was not observed for children (CIR FLT3high 12±7% vs. FLT3low 13±7%). Moreover, activating NRAS and KRAS mutations were identified in 21/95 (22.1%) infants and in 10/72 (13.9%) children. For infants alone, constitutive activation of N/KRAS resulted in a lower probability of event-free survival (pEFS) (43±6% wt vs. 11±8%, p=0.01), but there were no significant differences in the CIR (40±6% wt vs. 51±12, p=0.40). Conclusion. In contrast to published studies, we report that hyperactivation of FLT3 associates with a good prognosis in MLL-rearranged infant ALL. Our data has important implications for the design of rational therapies as the use of small molecule FLT3 inhibitors may be disadvantageous in some infants depending on FLT3 expression levels and FLT3 and RAS mutational status.
A murine Pax5+/- model reproduces human pB-ALL related to Pax5 loss-of-function Julia Hauer1*, Alberto Martín-Lorenzo2,3*, Carolina Vicente-Dueña2,3*, Franziska Auer1, Isidro Sánchez-García2,3# and Arndt Borkhardt1# * and # contributed equally to this work Department of Pediatric Oncology, Hematology and Clinical Immunology, Heinrich-Heine University Dusseldorf, Medical Faculty, Dusseldorf, Germany, 2 Experimental Therapeutics and Translational Oncology Program, Instituto de Biología Molecular y Celular del Cáncer, CSIC/ Universidad de Salamanca, Campus M. de Unamuno s/n, Salamanca, Spain, 3Institute of Biomedical Research of Salamanca (IBSAL), Salamanca, Spain. 1
Objective. We have previously described an Ashkenazi Jewish family with germline predisposition to pB-ALL and reduced penetrance based on the germline variant PAX5 c.547G>A. The aim of this work was to create a murine in vivo model, which closely reproduces the human phenotype of pB-ALL related to Pax5 loss-of function and which can be used as a preclinical model. Study design. In this work we have deeply characterized a Pax5+/- murine model, which closely mimics the human phenotype of pB-ALL, especially the low penetrance observed in our family with the heterozygous PAX5 c.547G>A mutation. Exposure of Pax5+/- mice to an oncogenic environment is necessary to observe pB-ALLs in this model. We next applied whole exome sequencing of murine pB-ALL to identify the second hit within the clonal evolution of pB-ALL. Results. pB-ALL development was observed in 22% (9 out of 41) of Pax5+/- animals, with a CD19+/-B220+IgM-cKit+/-CD25+/- cell surface phenotype. All pB-ALLs displayed clonal immature BCR rearrangement and engrafted in secondary recipients with a phenotype identical to the primary disease. The majority of the murine Pax5+/- pB-ALL (5/9; 55.6%) did not express CD19 and in two mice we detected the Pax5 variants p.Pro80Arg and p.Pro80Leu, suggesting reduction of Pax5 activity, which is in agreement with gene expression analysis. In order to identify the second hit related to pB-ALL disease we next performed whole exome sequencing of three Pax5+/- tumors and corresponding germline on a HiSeq 2500 (Illumina) platform. We detected in 6/9 mice recurrent somatic SNVs in the pseudokinase domain of Jak3 causing constitutive active variants of Jak3R653H (4/9) (human homologue JAK3R657Q), Jak3R653C (1/9) (human homologue JAK3R657Q) and Jak3V670A (1/9) (human homologue JAK3V674A). Consistently, tumor pro-B-cells harboring Jak3V670A
and Jak3R653H grew independent of IL7. We next performed deep sequencing with a depth between 600,000 and 2.5×106 reads per Jak3 SNV and observed the non-synonymous Jak3 variant only in tumor samples but not in BM cells of healthy Pax5+/- or wild-type mice, indicating that acquisition of the Jak3 variant is a rather late event. Conclusion. In summary this Pax5+/- model closely reproduces the human pB-ALL phenotype with regard to clinical, immunophenotypic and molecular genetic characteristics. It can serve in the future as a valuable preclinical model to predict therapy response, relapse and to test therapeutic approaches in pB-ALL related to Pax5 loss-of-function.
Das antiapoptotische Protein XIAP spielt eine essenzielle Rolle für das Wachstum von ALLPatientenzellen in molekularen Studien in vivo Michela Carlet1, Jenny Vergalli1 und Irmela Jeremias1,2,3 Abteilung Genvektoren, Helmholtz Zentrum München, Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt, München, 2Deutsches Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK), Standort München, 3Dr. von Haunersches Kinderspital, Ludwig Maximilians University, München 1
Fragestellung. Personalisierte Medizin, auch Präzisionsmedizin genannt, und Medikamentenentwicklung in Industrie und Akademie haben sich das Ziel gesetzt, tumorspezifische Veränderungen zu inhibieren und dadurch den Tumor zu reduzieren. Dabei sind solche Strukturen als Ziele geeignet, die für den Tumor essenziell sind, so dass ihre Inhibition zu einer Abnahme des Tumors führt. Der Nachweis, welche Veränderung eines Tumors eine essenzielle Funktion besitzt, war bisher technisch schwer zu erbringen, da geeignete Modellsysteme fehlten; Zellinien besitzen häufig Veränderungen, die in Patienten nicht oder nur sehr selten auftreten; primäre Leukämiezellen wachsen in Zellkultur kaum. Im vorliegenden Projekt wollten wir eine Methode etablieren, die ermöglicht nachzuweisen, ob eine tumorspezifische Veränderung eine essenzielle Funktion für den Tumor besitzt. Studiendesign. Primäre Tumorzellen von Kindern mit akuter lymphatischer Leukämie (ALL) wurden in schwer immunsupprimierten Mäusen vermehrt und patientenabgeleitete Xenograft(PDX)-Zellen generiert. PDX Zellen wurden gentechnisch mittels Lentiviren so verändert, dass sie eine Farbe exprimierten, entweder blau oder grün, sowie ein Konstrukt, dass endogene Proteine herunterregulierte. Blaue PDXZellen erhielten ein Kontroll-Knockdown-Konstrukt, während grüne Zellen das interessierende Knockdown-Konstrukt erhielten, so beide Populationen kompetitiv im gleichen Tier beobachtet werden konnten. Ergebnisse. Die neue technische Herangehensweise ermöglichte, die Wirkung des Knockdown auf das Wachstum von PDX ALL in Tiere sehr sensitiv zu beobachten. Der Knockdown des antiapoptotischen Proteins XIAP (X-linked inhibitor of apoptosis protein) beeinträchtigte das Wachstum von ALL-Zellinien-Zellen in der Kultur in vitro oder beim Wachstum in vivo nicht. Als Proben von zwei Kindern mit dem Rezidiv einer ALL auf Mäuse aufgebracht wurden und mit einem Knockdown von XIAP verändert wurden, zeigte sich eine deutliche Verminderung des Tumorwachstums durch den Verlust von XIAP in kompetitiven Wachstumsversuchen in vivo. Schlussfolgerung. Wir konnten eine neue Technik aufbauen, die ermöglicht, die essenzielle Funktion von tumorspezifischen Veränderungen in PDX-Zellen in vivo zu messen. XIAP spielt eine essenzielle Funktion für das Wachstum von PDX-ALL-Zellen in vivo und stellt deshalb eine interessante Zielstruktur für neue therapeutische Optionen der ALL dar.
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Abstracts Molekulare prognostische Biomarker und Mechanismen der Entwicklung des Rezidivs und der Therapieresistenz bei der T-ALL Joachim B. Kunz1,2,3, Tobias Rausch2,4,13, Obul R. Bandapalli1,2,3, Juliane Eilers1,2, Paulina Pechanska1,2, Yassen Assenov5, Adrian M. Stütz2,13, Renate Kirschner-Schwabe6, Jana Hof6,7, Cornelia Eckert6, Arend von Stackelberg6, Martin Schrappe8, Martin Stanulla9, Rolf Koehler10, Smadar Avigad11, Sarah Elitzur11, Rupert Handgretinger12, Vladimir Benes13, Joachim Weischenfeldt4, Jan O. Korbel2,4, Martina U. Muckenthaler1,2, Andreas E. Kulozik1,2,3 Klinik für Pädiatrische Onkologie und Hämatologie, Universitätsklinikum Heidelberg, 2Molecular Medicine Partnership Unit, EMBL-Universität Heidelberg, 3 Deutsches Konsortium für translationale Krebsforschung (DKTK), 4European Molecular Biology Laboratory (EMBL), Genome Biology Unit, Heidelberg, 5Division of Epigenomics and Cancer Risk Factors, Deutsches Krebsforschungszentrum Heidelberg (DKFZ), 6Klinik für Pädiatrische Hämatologie und Onkologie, Charité Universitätsmedizin Berlin, 7Deutsches Konsortium für translationale Krebsforschung (DKTK) und Deutsches Kresbsforschungszentrum Heidelberg (DKFZ), 8Klinik für Pädiatrische Hämatologie und Onkologie, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, 9Klinik für Pädiatrische Onkologie und Hämatologie, Medizinische Hochschule Hannover, 10Zentrum für Humangenetik, Universitätsklinik Heidelberg, 11Molecular Oncology, Felsenstein Medical Research Center and Pediatric Hematology Oncology, Schneider Children‘s Medical Center of Israel, Petah Tikva, Israel, 12Klinik für Pädiatrische Onkologie und Hämatologie, Universitätsklinikum Tübingen, 13European Molecular Biology Laboratory (EMBL), Genomics Core Facility, Heidelberg 1
Fragestellung. Die T-ALL zeichnet sich in der Primärerkrankung klinisch durch ein gutes Ansprechen auf die Therapie aus, so dass mit modernen Therapieprotokollen ein EFS von etwa 80% erreicht werden kann. Im Gegensatz dazu ist die Prognose der T-ALL im Rezidiv ausgesprochen ungünstig. Die hier vorgestellten Analysen zielen auf die Identifikation genetischer und epigenetischer Veränderungen, die für die Leukämogenese und für die klonale Evolution von der Ersterkrankung zum Rezidiv der T-ALL verantwortlich sind. Darüber hinaus sollten die Signalwege identifiziert werden, die für Prognose und Therapieresistenz bedeutsam sind. Studiendesign. retrospektive Analyse der in den ALL-BFM 2000, AIEOP-BFM 2009, INS-89, INS-98, IC und ALL-REZ 2002 registrierten Patienten mit T-ALL. Ergebnisse. Die genetische Aktivierung von definierten Signalwegen bei BFM-behandelten Patienten haben einen prognostisch günstigen (NOTCH) oder einen prognostisch ungünstigen (PI3K/AKT, IL7/ STAT) Effekt. Interessanterweise zeigen sich unerwartete Interferenzen, indem etwa eine Aktivierung des NOTCH-Signalwegs den ungünstigen Einfluss eines aktivierten PI3K/AKT-Signalwegs durch PTEN-Inaktivierung neutralisieren kann. Darüber hinaus zeigen sich erste Hinweise darauf, dass eine Therapieintensivierung bei Patienten mit einem aktivierten PI3K/AKT-Signalweg die Prognose verbessern könnte. Unsere integrierten genetischen und epigenetischen Analysen mittels „whole-exome sequencing, targeted ultra-deep-sequencing“, MLPAAnalysen und „DNA-methylation arrays“ von Leukämiezellproben die zum Zeitpunkt der Ersterkrankung, der Remission und des Rezidivs gewonnen wurden zeigen zum Zeitpunkt des Rezidivs etwa doppelt so viele „single nucleotide variants“ (SNV) sowie kleine Insertionen und Deletionen wie zum Zeitpunkt der Ersterkrankung (im Mittel 11,5 vs. 26), wobei häufige rezidivspezifische Mutationen eine Aktivierung der Nukleotidase NT5C2, die zu einer Chemotherapieresistenz führt und eine Inaktivierung des Tumorsuppressors TP53 bewirken. Die Analyse von Leukämie-Subklonen zeigt zwei verschiedene Arten der Evolution von der Primärerkrankung zum Rezidiv: Das Typ-I-Rezidiv entwickelt sich aus dem Hauptklon der primären Leukämie, wohingegen sich das Typ-II-Rezidiv aus einem den verschiedenen Subklonen der Ersterkrankung gemeinsamen Vorläufer-Zellklon entwickelt. Dabei zeigen sich in beiden Rezidivtypen eine Selektion von Subklonen und eine
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Akquisition von neuen Mutationen. Klinisch korrelieren Typ-I-Rezidive mit einem früheren Auftreten des Rezidivs als Typ-II-Rezidive. Die systemische Analyse der Daten zeigt darüber hinaus, dass bei der Primärerkrankung die erwartete Anreicherung von bekannten DriverMutationen der Leukämogenese zu finden ist, wohingegen zum Zeitpunkt des Rezidivs unerwarteter Weise weniger spezifische, allgemein kanzerogene Genmutationen in Abgrenzung zu spezifischen leukämogenen Mutationen angereichert sindSchlussfolgerung. Insgesamt identifiziert die hier vorgestellte komplexe genetische Analyse der T-ALL in der Ersterkrankung und im Rezidiv erstmals klinisch potenziell nutzbare molekulare Biomarker der T-ALL und deckt bisher unbekannte Mechanismen der Evolution von der Ersterkrankung zum Rezidiv und der Therapieresistenz auf.
Neue Marker der ZNS-Infiltration bei der akuten lymphoblastischen Leukämie (ALL) im Kindesalter Denis Schewe1, Ameera Alsadeq1, Henning Fedders1, Steffi Spielberg1, Sarah Krause1, Anja Möricke1, Kirsten Bleckmann1, Christian Vokuhl2, Gudrun Göhring3, Gunnar Cario1, Martin Stanulla4, Martin Schrappe1 ALL-BFM-Studiengruppe, Klinik für Allgemeine Pädiatrie, Christian-AlbrechtsUniversität zu Kiel und Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Kiel, 2 Kindertumorregister, Sektion für Kinderpathologie, Institut für Pathologie, Christian-Albrechts-Universität zu Kiel und Universitätsklinikum SchleswigHolstein, Campus Kiel, 3Institut für Humangenetik, Medizinische Hochschule Hannover, 4Klinik für Pädiatrische Hämatologie und Onkologie, Medizinische Hochschule Hannover 1
Fragestellung. Einige Subgruppen pädiatrischer ALL-Patienten sind besonders empfänglich für Rezidive im zentralen Nervensystem (ZNS). Die Mechanismen, wie ALL-Zellen in die ZNS-Nische gelangen und dort überleben können, sind jedoch unbekannt und es existieren nur wenige klinisch relevante Marker für eine ZNS-Infiltration. Studiendesign. Verschiedene potenzielle Biomarker für eine Infiltration von ALL-Zellen in das ZNS wurden in präklinischen Modellen (in vitro Zellkulturmodelle, Ko-Kulturmodelle mit ZNS-Glia, Xenografts in immundefizienten Mäusen) mechanistisch evaluiert. Der mRNAGehalt verschiedener Kandidatengene (Rezeptor-Tyrosinkinase Mer, Zeta-Chain-Associated Proteinkinase-70 Zap-70, Chemokinrezeptor 7 CCR7) wurde in diagnostischen Knochenmarkproben großer Patientenkohorten der ALL-BFM-Studien mittels qRT-PCR gemessen und mit klinischen Parametern korreliert. Ergebnisse. Präklinische Modelle zeigten einen Mer/Galectin-3 Feedback-Mechanismus in t(1;19) positiven ALL-Zellen, der für das Überleben und eine Chemotherapie-Resistenz von ALL-Zellen in der modellierten ZNS-Nische verantwortlich war. Es wurde zusätzlich ein neuer Zap-70/CCR7-Signalweg nachgewiesen, der die Infiltration des ZNS durch BCP-(B-Zell-Vorläufer-) und T-ALL-Zellen vermitteln kann. Alle drei Marker konnten in Patientenkohorten mit einer Infiltration des ZNS in Zusammenhang gebracht werden: Eine hohe Mer-Expression korrelierte in t(1;19) positiven BCP-ALL-Patienten (n=64) mit einem positiven ZNS-Status laut AIEOP-BFM 2009 Kriterien (p=0,045). Für Zap-70 (p=0,024) und CCR7 (p=0,014) zeigten sich jeweils Korrelationen mit einer ZNS-Infiltration in BCP-ALL-Patienten aller Subgruppen (n=76). Weiterhin konnte eine signifikante Korrelation zwischen einer hohen Expression von Zap-70 und CCR7 gleichzeitig mit einem positiven ZNS-Status (p=0,009) in dieser Kohorte nachgewiesen werden. Für T-ALL-Patienten (n=117) korrelierte Zap-70 nicht mit einer ZNS-Positivität. Eine hohe CCR7-Expression korrelierte jedoch mit dem Nachweis leukämischer Blasten im initialen Liquor-Zytospin (p=0,008) und mit einem positiven ZNS-Status laut Studienkriterien (p=0,037). Schlussfolgerung. Die Mer/Galectin-3 und Zap-70/CCR7 Achsen sind neue Marker einer ZNS-Infiltration bei der ALL im Kindesalter. Mer ist mit einer ZNS-Infiltration in t(1;19) positiven Leukämien assoziiert, während Zap-70/CCR7 sowohl bei BCP- als auch T-ALL-Patienten eine ZNS-Positivität anzeigt. Präklinische In-vitro- und In-vivo-Screening-
Modelle sind somit zur Identifikation klinisch relevanter Marker der ZNS-Leukämie geeignet.
Identifizierung genetischer Hochrisikomarker bei Kindern mit Rezidiv einer B-Vorläufer-ALL
Co-occurring deletions of IKZF1 with CDKN2A, CDKN2B, PAX5, or PAR1 in the absence of ERG deletion define a minimal residual diseasedependent very poor prognostic pattern (IKZF1plus) in pediatric acute lymphoblastic leukemia
Renate Kirschner-Schwabe1,2, Stefanie Groeneveld-Krentz1, Jana Hof1,2, Arend von Stackelberg1, Cornelia Eckert1,2
M. Stanulla1, M. Zaliova2, M. Zimmermann1, E. Dagdan1, P. Dörge1, A. Möricke3, J.P. Bourquin4, R. Koehler5, C.R. Bartram5, R. Ratei6, W.D. Ludwig6, J. Alten3, D. Schewe3, S. Junk1, C.P. Kratz1, A. Biondi7, G. Cazzaniga7, A. Borkhardt8, C. Eckert9, G. Basso10, G. te Kronnie10, R.S. Houlston11, M. Schrappe3, G. Cario3 Pediatric Hematology and Oncology, Hannover Medical School, Hannover, Germany, 2CLIP—Childhood Leukemia Investigation Prague, Department of Pediatric Hematology and Oncology, 2nd Faculty of Medicine, Charles University and University Hospital Motol, Prague, Czech Republic, 3Department of Pediatrics, Christian-Albrechts-University Kiel and University Medical Center Schleswig-Holstein, Kiel, Germany, 4University Children’s Hospital Zurich, Department of Pediatric Oncology, Zurich, Switzerland, 5Department of Human Genetics, University of Heidelberg, Heidelberg, Germany, 6Department of Hematology, Oncology and Tumor Immunology, HELIOS-Clinic Berlin-Buch, Berlin, Germany, 7Centro Ricerca “M. Tettamanti”, Clinica Pediatrica – Università di Milano Bicocca, Azienda Ospedaliera San Gerardo, Monza, Italy, 8Clinic for Pediatric Oncology, Hematology, and Clinical Immunology, Medical Faculty, Heinrich-Heine-University, Düsseldorf, Germany, 9Pediatric Hematology and Oncology, Charité University Hospital, Berlin, Germany, 10Department of Pediatrics, Laboratory of Pediatric Hematology/Oncology, University of Padova, Padova, Italy, 11Institute of Cancer Research, Division of Genetics and Epidemiology, Sutton, United Kingdom 1
Purpose. Somatic deletions affecting the lymphoid transcription factorcoding gene IKZF1 were independently associated with a poor prognosis in pediatric acute lymphoblastic leukemia (ALL). To further refine the prognostic strength of IKZF1 deletions, we addressed the contributions of co-occurring structural aberrations. Study design. Nine-hundred-eighty-six German precursor B-cell ALL patients from trial AIEOP-BFM ALL 2000 with complete information for copy number alterations of IKZF1, PAX5, ETV6, RB1, BTG1, EBF1, CDKN2A, CDKN2B, the Xp22.33 region (PAR1 region; CRLF2, CSF2RA and IL3RA genes), and ERG were analyzed. Independent replication employed 417 Italian patients from the same trial. Results. IKZF1 deletions co-occurring with deletions in CDKN2A, CDKN2B, PAX5, or PAR1 in the absence of ERG deletion conferred the worst outcome and, consequently, were grouped as IKZF1plus. IKZF1plus comprised 6% of precursor B-cell ALL patients with a 5-year event-free survival (EFS) of 53% ±0.06 compared to 77% ±0.06 in IKZF1-deleted but IKZF1plus-negatives, or 87% ±0.01 in patients negative for any IKZF1 aberration (p<0.0001); respective 5-year cumulative relapse incidences (CIR) were: 44% ±0.06, 12% ±0.04, and 10% ±0.01 (p<0.0001). Results were confirmed in the replication cohort and multivariate analyses demonstrated independent progonostic impact of IKZF1plus. Dramatic differences of the prognostic significance of IKZF1plus were detected in analyses stratified by minimal residual disease (MRD) levels after induction treatment: 5-year EFS for MRD-negative IKZF1plus patients was 94% ±0.05 compared to 40% ±0.10 in MRD-intermediate- and 30% ±0.14 in MRD-high-risk IKZF1plus patients (p<0.0001); the corresponding 5-year CIR were 6%±0.06, 60%±0.10, and 60% ±0.14 (p<0.0001), respectively. Conclusion. IKZF1plus describes a new MRD-dependent very poor prognostic pattern in pediatric precursor B-cell ALL patients and will aid in the practical implementation of newly detected markers for treatment stratification in pediatric ALL. Important implications of the differential prognostic effect of IKZF1plus at different MRD levels are discussed.
Charité – Universitätsmedizin Berlin, Klinik für Pädiatrie m. S. Onkologie und Hämatologie, Berlin, 2Deutsches Konsortium für Translationale Krebsforschung – Partnerstandort Berlin, Deutsches Krebsforschungszentrum, Heidelberg 1
Fragestellung. Die Therapiestratifizierung von Kindern mit Rezidiv einer akuten lymphoblastischen Leukämie (ALL) beruht derzeit auf klinischen Merkmalen sowie dem Ansprechen der Patienten auf die Zweitlinientherapie. Durch genomweite, molekulargenetische Analysen wurde in den letzten Jahren eine Vielzahl von genetischen Veränderungen identifiziert, die bei der ALL rekurrent auftreten und mit Prognose der Patienten assoziiert sein können. In der vorliegenden Studie untersuchen wir, in wie weit diese genetischen Veränderungen als neue Hochrisikomarker für eine individualisierte, molekular-basierte Therapiestratifizierung von Kindern mit ALL-Rezidiv dienen können. Studiendesign. Wir führten eine prospektive Untersuchung zur prognostischen Relevanz Leukämie-spezifischer, genetischer Veränderungen bei Patienten der ALL-REZ BFM 2002-Studie mit erstem isoliertem oder kombiniertem Knochenmarkrezidiv einer B-Vorläufer-ALL durch. Die untersuchte Kohorte umfasst rund 80% der in der Studie registrierten Patienten mit verfügbarem Untersuchungsmaterial. Analysiert wurden chromosomale sowie submikroskopische numerische Veränderungen, rekurrente Fusionsgene und Genmutationen mittels „mulitplex ligation-dependent probe amplification“, Fluoreszenz Insitu-Hybridisierung, reverse Transkriptase-PCR, durchflusszytometrischer DNA-Index (DI) Messung und DNA-Sequenzierung nach Sanger. Ergebnisse. Signifikant mit einer ungünstigen Prognose assoziiert sind das Vorliegen eines TCF3-PBX1-Fusionsgens, eines MLL-Rearrangements, Hypodiploidie (DI<1,0), homozygote Deletionen des ETV6 und/ oder des IKZF1-Gens, Deletionen in der X-chromosomalen PAR1-Region (P2RY8-CRLF2 Fusion), Mutationen des NT5C2-Gens sowie Mutationen und/oder Deletionen des TP53-Gens. Während sich TCF3-PBX1Fusion, MLL-Rearrangement, Hypodiploidie, homozygote ETV6 und IKZF1-Deletionen nahezu ausschließen, finden sich Überschneidungen von NT5C2-Mutationen und insbesondere von TP53-Veränderungen mit den vorgenannten Gruppen. Zwar treten die einzelnen genetischen Veränderungen jeweils nur bei einem kleinen Anteil der Patienten auf (Häufigkeit <10%), zusammengenommen identifizieren sie jedoch etwa 30% der untersuchten Patienten. Insgesamt erlitten von diesen, über die molekularen Hochrisikomarker identifizierten Patienten ca. 70% ein Folgeereignis. Etwa 43% wurden in den Standardrisikoarm der ALLREZ BFM 2002-Studie stratifiziert, darunter Patienten mit gutem Ansprechen auf die Therapie, von denen wiederum jedoch knapp 60% ein Folgeereignis erlitten. Schlussfolgerung. Genetische Veränderungen können unter Kindern mit Rezidiv einer B-Vorläufer-ALL solche mit ungünstiger Prognose nach der Zweitlinientherapie identifizieren und zu einer Verbesserung der Risikostratifizierung beitragen. Einige der genetischen Hochrisikomarker stellen mögliche therapeutische Zielstrukturen dar (z.B. TP53, NT5C2, P2RY8-CRLF2) und können damit langfristig der Entwicklung von zielgerichteten Behandlungsstrategien dienen. Ferner kann die Identifizierung gemeinsamer, aberranter Signal- und Stoffwechselwege in den molekular klassifizierten Rezidiven zukünftig richtungsweisend für die Behandlung sein.
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Abstracts
LGG – Niedriggradige Gliome LOGGIC EUROPE: Aktueller Stand der neuen europäischen Phase-III-Studie für niedrigmaligne Gliome im Kindes- und Jugendalter Olaf Witt1,2, Stefan Pfister1,3, Rene Schmidt 4, Pablo Hernáiz-Driever5 Pädiatrische Onkologie, Universitätsklinikum & Nationales Zentrum für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg, 2KKE Pädiatrische Onkologie, Deutsches Krebsforschungszentrum (DKFZ) Heidelberg, 3Pädiatrische Neuroonkologie, Deutsches Krebsforschungszentrum (DKFZ) Heidelberg, 4Institut für Biometrie und Klinische Forschung, Universitätsklinikum Münster, 5Pädiatrische Onkologie/Hämatologie, Charité-Universitätsmedizin Berlin 1
Fragestellung. Das niedriggradige Gliom (LGGs) im Kindes- und Jugendalter stellt bei inoperablen Auftreten eine chronische Erkrankung dar, die einerseits durch exzellentes Gesamtüberleben charakterisiert ist, andererseits oft mit dauerhaften neurologischen, ophthalmologischen, endokrinen und kognitiven Störungen einhergeht. In LOGGIC EUROPE werden erstmalig neben der Vermessung der Tumorgröße auch neurologische und visuelle Funktionsparameter als primäre Zielgrößen für die Effektivitätsprüfung der Behandlung Eingang in die Studie finden. Mit der Aufschlüsselung von genetischen Alterationen im MAPK-Signalweg in 100% der pilozytischen Astrozytome sowie einem Großteil der anderen LGGs soll das Studiendesign. die frühzeitige Einführung von neuen zielgerichteten Substanzen ermöglichen sowie ein umfangreiches Biomarker-Programm die Interpretation der klinischen Verläufe erlauben. Basierend auf den Ergebnissen der Vorläuferstudie SIOP LGG 2004 werden Patientenkohorten stratifiziert analysiert (Patienten <1 Jahr, pilozytische Astrozytome, diffuse Grad-2-Gliome). Patienten mit NF1 werden aufgrund Ihrer klinischen Besonderheiten in Zukunft in einem separaten Protokoll behandelt werden. Studiendesign. Internationale randomisierte Phase-III-Studie. Vergleich von Carboplatin und Vincristin (Standardtherapie) gegen Carboplatin und Vinblastin bzw. zielgerichteter Therapie im Verlauf im Rahmen eines adaptiven Designs. Multistate model zur Beschreibung des molekularen Biomarker abhängigen Krankheitsverlaufes. Ergebnisse. Die Studie befindet sich in der internationalen Abstimmungs- und Finalisierungsphase des Protokolls. Es werden Design, Studiensynopsis und Bestimmung der primären Endpunkte vorgestellt sowie das molekulare Begleitprogramm. Schlussfolgerung. LOGGIC EUROPE soll die klinisch bestmögliche Therapie hinsichtlich Tumorkontrolle und ZNS-Funktion in einem prospektiven, randomisierten Vergleich ermitteln.
SIOP-LGG 2004 – Ergebnisse der europäischen, prospektiv-randomisierten Chemotherapiestudie für niedriggradige Gliome (LGG) bei Kindern und Jugendlichen Astrid K. Gnekow1, Daniela Kandels1, René Schmidt2, Angela De Paoli3, Gian-Luca de Salvo3 Klinik für Kinder und Jugendliche, Klinikum Augsburg, 2Institut für Biometrie und Klinische Forschung, WWU, Münster, Deutschland, 3Clinical Trials and Biostatistics Unit, IRCCS Istituto Oncologico Veneto, Padova, Italy 1
Fragestellung. Im Rahmen der umfassenden Therapiestrategie des SIOP-LGG 2004 Protokolls prüfte die prospektive, randomisierte Studie bei Patienten mit einem LGG ohne Neurofibromatose (NF1), ob die Intensivierung der Standard-Vincristin/Carboplatin-Chemotherapie (VC) zu einer höheren Tumorresponserate und einem besseren progressionsfreien Überleben (PFS) nach 5 Jahren führt. Wegen des
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erwarteten Synergismus mit dem Platinabkömmling erhielt die Interventionsgruppe während der Induktionsphase zusätzlich Etoposid (E). Patienten. Zwischen dem 1.4.2004 und dem 15.4.2012 erhielten 1057 registrierte Patienten eine primäre Chemotherapie, 497/1057 wurden in den Induktionsarm mit VC (n=249) oder VCE (n=248) randomisiert. Die Stratifizierung berücksichtigte Alter (14,3% <1 Jahr, 66,4% 1–8 Jahre, 19,3% 8–16 Jahre) und Tumorsitz (9,5% chiasmatisch, 53,9% chiasmatisch-hypothalamisch/andere Lokalisation in der supratentoriellen Mittellinie, 36,6% andere). 76,2% hatten eine partielle Resektion/ Biopsie, 67,4% ein pilozytisches Astrozytom WHO Grad I, 13,9% keine histologische Diagnosesicherung. Bei 11,9% bestand ein dienzephales Syndrom (DS), bei 13,9% eine Disseminierung. 80,9% begannen die Therapie im ersten Jahr nach Diagnosestellung. Ergebnisse. Die radiologische Response zu Woche 24 (ab Therapiebeginn) ergab eine Tumorvolumenreduktion bei 46,4% vs. 40,9% unter VC (n=211) oder VCE (n=210), und eine Tumorvolumenstabilisierung bei 46,4% vs. 50,5%. Eine Tumorprogression trat bei 7,1% vs. 8,6% auf. Für Patienten mit Sehbahngliomen war die globale ophthalmologische Response besser/stabil bei 48/78 VC- und 35/68 VCE-Patienten und verschlechterte sich bei 6/78 vs. 7/68. Das 5-Jahres-PFS liegt bei 46,1% für den VC- und 45,3% für den VCE-Arm (mediane Zeit bis zur Progression 4,1 Jahre) ohne Unterschiede zwischen den Randomisationstrata für Tumorsitz, aber mit einer möglichen Interaktion von Alter und Therapiegruppe (ungünstigeres Ergebnis mit VCE im Stratum Alter 8 Jahre). Das Erreichen einer Tumorvolumenreduktion (CR/PR/OR) zu Woche 24 war in Bezug auf das PFS nicht günstiger als eine Stabilisierung (SD). Nach 18 Monaten Chemotherapie ist das PFS in beiden Armen für Patienten <1 Jahr, Disseminierung bei Diagnose und/oder vorbestehendem DS eingeschränkt. Das Gesamtüberleben (OS) nach 5 Jahren beträgt 89,2% vs. 88,8% und ist in beiden Therapiearmen für Kinder <1 Jahr und Patienten mit Progression zu Woche 24 vermindert. Schlussfolgerung. Beide Therapiearme erreichen ein hohes OS und PFS, aber der Zusatz von Etoposid zur VC-Induktion wirkt sich auf Response und PFS nicht aus und zeigt auch bei Vorliegen klinischer Risikofaktoren keinen Vorteil. Obwohl VC als Chemotherapiestandard eingestuft wird, sollte in zukünftigen Studien nach neuen, effektiven Medikamenten und Strategien gesucht werden, besonders für die Gruppe der Unter-1-Jährigen.
Ergebnisse aus der neuropsychologischen Begleitstudie der SIOP-LGG-2004-Studie Thomas Traunwieser1, Marina Geh1, René Schmidt2, Astrid K. Gnekow1 Klinik für Kinder und Jugendliche, Klinikum Augsburg, 2Institut für Biometrie und Klinische Forschung, WWU, Münster, Deutschland 1
Fragestellung. Eine große Zahl von Patienten mit Hirntumoren zeigt nach Therapie neurokognitive Spätfolgen. Die neuropsychologische Begleitstudie der SIOP-LGG-2004-Studie soll klären, in welchem Ausmaß kognitive Einschränkungen bei Patienten mit niedriggradigen Gliomen (LGG) nachzuweisen sind. Patienten der deutschen und Schweizer SIOP-LGG-2004 Kohorte wurden auf die geistigen Grundfunktionen fluide Intelligenz (FI), verbales Arbeitsgedächtnis (vAG), visumotorische Integration (VMI), Wortschatz (WS), Feinmotorik (FM) und selektive Aufmerksamkeit bzw. Verarbeitungsgeschwindigkeit (VG) mittels des neuropsychologischen Basisdiagnostikums (NBD) untersucht. Patienten. Patienten mit LGG >4 Jahren wurden 2 bzw. 5 Jahre nach Diagnosestellung untersucht (n=231–269 über alle untersuchten Dimensionen, 16% mit einer Neurofibromatose NF1, 46% mit initialem Hydrocephalus). Von den Patienten ohne NF1 (n=213–249 in der Stichprobe) litten 18% an einem supratentoriellen hemisphärischen, 32% an einem supratentoriell Mittellinien und 50% an einem infratentoriellen Tumor. Nach Diagnosestellung wurden 71% der Patienten beobachtet, 13% erhielten eine Chemotherapie, 16% eine Radiotherapie. Das mittlere Alter bei Therapiebeginn betrug für die Radiotherapiegruppe 9;8 Jahre, für die Patienten die Chemotherapie erhalten hatten 6;4 Jahre.
Das Alter zum Zeitpunkt der neuropsychologischen Testung betrug im Durchschnitt 12;1 Jahre. Ergebnisse. Die Patientenkohorte zeigte statistisch auffällig niedrigere Ergebnisse. im Vergleich zur Normalpopulation in den Bereichen FI, vAG, VMI, FM und VG (p<0,001). Dieses Ergebnis war unabhängig von der Art der therapeutischen Intervention. Patienten mit NF1 wiesen statistisch auffällig geringere Ergebnisse. im Vergleich zu den übrigen Patienten in den Bereichen vAG, VMI & WST (p<0,001–0,020) auf. Bei Patienten ohne NF1 war die Diagnose erhöhten Hirndrucks ein Prädiktor für statistisch auffällig niedrigere Ergebnisse. in den Bereichen FI, VMI & FM (p<0,001–0,040). Für die Gruppenvergleiche zwischen den verschiedenen Arten der Behandlung und der Lokalisationen wurden Patienten mit NF1 nicht in die Berechnungen einbezogen. Für die non-NF1-Patienten ergaben sich keine statistisch auffälligen Unterschiede bei neuropsychologischen Dimensionen zwischen Beobachtungspatienten und Patienten nach Chemo- oder Strahlentherapie. Lokalisationsspezifische Einschränkungen zeigten sich bei hemisphärischen Tumoren bei Aufgaben, welche höhere kognitive Funktionen erfordern, und infratentoriell bei feinmotorischen Aufgaben (vAG und FM, p=0,005–0,026), während bei den übrigen Dimensionen keine statistisch auffälligen Unterschiede festgestellt werden konnten. Schlussfolgerung. Patienten mit LGG zeigen unabhängig von ihrer Behandlung neuropsychologische Spätfolgen in beinahe allen grundlegenden neurokognitiven Funktionen, welche für eine Reintegration in Alltag, Schule und Beruf wesentlich sind. Prädiagnostische Prädiktoren sind die Diagnose einer NF1 bzw. eines initialen Hydrocephalus, sowie der Tumorsitz. Ob das aktuelle Fehlen von Unterschieden zwischen den Therapiegruppen auf die altersspezifische Zuordnung zu den therapeutischen Interventionen im LGG-Protokoll zurückgeführt werden kann, lässt sich nur an größeren Kollektiven prüfen.
Rezidivstrategien für niedriggradige Gliome – Erfahrungen aus der SIOP-LGG-2004-Studie Daniela Kandels, Marina Geh, Sabine Breitmoser-Greiner, Astrid K. Gnekow Klinik für Kinder und Jugendliche, Klinikum Augsburg
Fragestellung. Ein beträchtlicher Teil der Patienten, die aufgrund eines niedriggradigen Glioms (LGG) eine Chemo- oder Strahlentherapie benötigen, entwickelt im Verlauf eine Progression. Das weitere Vorgehen ist bisher kaum standardisiert, Daten zu dieser Fragestellung. sind rar. Um eine Grundlage für zukünftige „Rezidiv“-Protokolle bei LGG zu schaffen, wurden Patienten der SIOP-LGG-2004-Studie, die während oder nach einer nichtchirurgischen Therapie einen Tumorprogress erlitten haben, einer retrospektiven Analyse unterzogen. Patienten. Aus der deutschen und Schweizer SIOP-LGG-2004-Studienkohorte erhielten 490 Patienten (134 Neurofibromatose, NF1) eine primäre Chemo- (CT, n=319) oder Radiotherapie (RT, n=171; 59/171 Brachytherapie). Einen Progress entwickelten 178 Patienten (148 nach Chemo-, 30 nach Radiotherapie, 9/30 nach Brachytherapie); darunter 37 mit NF1. Bei Diagnosestellung waren 18,0% der Patienten <1 Jahr und 20,2% mindestens 8 Jahre alt. Pilozytische Astrozytome WHO-Grad I lagen in 52,2% vor, 7,3% waren diffuse Astrozytome WHO-Grad II, in 21,9% erfolgte keine histologische Sicherung. Der überwiegende Anteil der Gliome war in der Sehbahn lokalisiert (58,4%), 16,9% in der übrigen supratentoriellen Mittellinie, 14,6% im kaudalen Hirnstamm. Eine Disseminierung lag in 23,6% vor (15,2% primär). Die Nachbeobachtungszeit beträgt median 6,4 Jahre (0 bis 20,3 Jahre). Ergebnisse. Von 148 CT-Patienten erlitten 65 bereits innerhalb von 2 Jahren ab Therapiebeginn eine Progression (vorzeitiger Therapieabbruch bei 54/65). Patienten mit früher Progression hatten häufiger disseminierte Tumoren und trotz z. T. bis zu 5 nichtchirurgischen Therapien starben im weiteren Verlauf 21/65 Patienten (vs. 3/83 Patienten mit Progression nach >2 Jahren). 36 der 148 CT-Patienten erhielten nach Progression keine weitere nichtchirurgische Therapie. 11/36 wurden z. T. mehrfach operiert, 8 starben und 17 wurden bisher nur beobachtet. 112
der 148 CT-Patienten erhielten eine Second-line-Therapie: 35 eine RT, 34 eine CT und 43 bis zu 4 weitere nichtchirurgische Therapien. 7/12 Patienten mit >3 nichtchirurgischen Therapien waren bei Diagnosestellung <1 Jahr alt; bei 7/12 lag eine Disseminierung vor. Aktueller Status: 7 CR, 9 PR, 92 SD, 9 PD, 24 DOD, 9 keine Info. Von 30 RT-Patienten erhielten 13 keine nichtchirurgische Therapie (6 wurden z. T. mehrfach operiert, 3 beobachtet, 1 starb, 3 keine Info). Von 17/30 RT-Patienten erhielten 2 eine weitere RT, 8 eine CT und 7 bis zu 4 nichtchirurgische Therapien. Aktueller Status: 2 CR, 1 PR, 18 SD, 2 PD, 7 DOD. Als Rescue-Chemotherapie wurden VCR/Cis-Platin/Cyclophosphamid (n=31), VBL (n=25), VCR/Carboplatin (n=24), TMZ (n=15) und andere (n=29) eingesetzt. Mit Kombinationstherapien scheint ein besseres Ansprechen erreichbar zu sein. Vergleicht man die Charakteristika der verstorbenen mit denen der überlebenden Rezidivpatienten, findet man seltener eine NF1 (16,1% vs. 21,8%), häufiger eine Tumordissemination (38,7% vs. 20,4%), häufiger Gliome im kaudalen Hirnstamm (22,6% vs. 12,9%) sowie diffuse Astrozytome WHO-Grad II (16,1% vs. 5,1%) und etwas öfter ein Alter <1 Jahre bei Diagnosestellung (22,6% vs. 17,0%). Schlussfolgerung. Mit anhaltenden bzw. wiederholten Progressionen ist vor allem bei disseminierten Tumoren, Patienten mit Diagnosestellung im Alter von <1 Jahr sowie bei frühem Progress nach primärer Therapie zu rechnen. Die Überlebensprognose dieser Patienten scheint zwar schlechter zu sein als für die übrige LGG-Kohorte, doch lässt sich die Erkrankung durch wiederholte operative und nicht-chirurgische Interventionen häufig stabilisieren. Um die Versorgung dieser Risikogruppe zu optimieren, ist die Erarbeitung von strukturierten Rezidivprotokollen dringend zu fordern.
Rehabilitation 30 Jahre Rehabilitation in der pädiatrischen Hämatologie und Onkologie– von den Anfängen der familienorientierten Reha (FOR) zu differenzierten und dynamischen Therapiekonzepten Konstantin A. Krauth1, Siegfried Sauter2 Kinderhaus Klinik Bad Oexen, Bad Oeynhausen, 2Rehaklinik Katharinenhöhe, Schönwald 1
Entwicklung der Reha. Vor 30 Jahren begann die familienorientierte Rehabilitation fast zeitgleich auf der Katharinenhöhe im Schwarzwald und in Bad Oexen/Bad Oeynhausen in Ostwestfalen. Die Grundidee damals war, dass Familien nach lebensbedrohlicher Erkrankung eines Kindes Erholung und Unterstützung bei der Krankheitsverarbeitung brauchen. Rückte in den folgenden Jahren die psychosoziale Betreuung aller Familienmitglieder in den Fokus, so entwickelten sich im weiteren Gefolge dann zunehmend indikationsspezifische Therapiekonzepte, die neben den psychosozialen Anteilen auch somatische Aspekte mehr berücksichtigten und bei denen im Idealfall die Vermeidung, häufig aber auch die Minimierung von Spätfolgen und die Krankheitsakzeptanz sowie das Empowerment der Patienten in den Vordergrund rückten. Neben der familienorientierten Rehabilitation entwickelten sich auch rasch spezielle Rehabilitationskonzepte für Jugendliche und junge Erwachsene in Kleingruppen. Begriffe wie Transition und AYA (Adolescents and Young Adults) wurden in der pädiatrisch-onkologischen Reha lange schon selbstverständlich gelebt, bevor sie in der akutmedizinischen Onkologie Thema wurden. Heute existieren neben der Katharinenhöhe und Bad Oexen weitere etablierte Rehaeinrichtungen, die teilweise unterschiedliche Schwerpunkte haben. So werden z. B. auf Sylt ausschließlich familienorientierte Rehamaßnahmen für Familien mit krebskranken Kindern durchgeführt, während alle anderen auch Maßnahmen für Jugendliche und junge Erwachsene durchführen. In Tannheim werden als Spezifikum auch Kinder mit Mukoviszidose und Monatsschrift Kinderheilkunde · 11 · 2015
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Abstracts ihre Familien rehabilitiert. Außerdem bieten mehrere Einrichtungen (Bad Oexen, Berlin-Brandenburg, Katharinenhöhe und Tannheim) auch Rehamaßnahmen für Kinder mit schweren kardiologischen Erkrankungen an. REPOH. Um die Zusammenarbeit aller an der Reha Interessierten – zunächst – ärztlichen Kollegen zusammenzuführen , wurde vor 4 Jahren die AG REPOH als Arbeitsgruppe der GPOH, d. h. Rehabilitation in der pädiatrischen Onkologie und Hämatologie, gegründet. Hier bündelt sich Kompetenz in der pädiatrisch-onkologischen Rehabilitation. Differenzierte Rehakonzepte. Als Beispiele für spezielle Konzepte, die sich aus den Anfängen über die vergangenen 30 Jahren entwickelt haben, sind die differenzierten Konzepte Bad Oexens und der Katharinenhöhe für die Behandlung von Hirntumorpatienten zu nennen, daneben die spezifischen Konzepte zur Rehabilitation von Knochen- und Weichteiltumorpatienten auf der Katharinenhöhe, in Tannheim und in Bad Oexen oder auch das Konzept zur Versorgung von Patienten mit Osteonekrosen auf der Katharinenhöhe. Außerdem ist das Konzept der Verwaistenreha in Tannheim für Familien nach Verlust eines Kindes aufzuführen. Stellvertretend werden hier das Hirntumorkonzept Bad Oexens und das Knochentumorkonzept der Katharinenhöhe vorgestellt. Fazit. Insgesamt stellt die Rehabilitation einen wichtigen und gut etablierten Baustein innerhalb der Gesamtbehandlung hämatologisch oder onkologisch erkrankter Kinder, Jugendlicher und junger Erwachsener dar. Hierbei helfen differenzierte Konzepte, Spätfolgen möglichst frühzeitig erfolgreich anzugehen, den Umgang mit einem veränderten Körperbild zu erlernen und individuell einen geeigneten Weg für ein möglichst normales Leben zu entwickeln und zu finden. Hierbei spielen auch schulische und Ausbildungsaspekte eine zunehmend wichtige Rolle. Die Inanspruchnahme der onkologischen Rehabilitation bei Kindern (mit Familie), Jugendlichen und jungen Erwachsenen bleibt noch immer hinter den therapeutischen Möglichkeiten zurück. Umso wichtiger erscheint es, dass diese Rehakonzepte nicht nur in den Therapieprotokollen verankert werden, sondern auch im medizinischen wie psychosozialen Bereich der Akutkliniken präsent sind und den Patienten vermittelt werden. Hierfür soll in 30 min die Entwicklung von 30 Jahren und insbesondere der heutige Stand differenzierter Rehakonzepte dargestellt werden.
APRO Neue Aspekte der Strahlentherapie im SIOP-Studienprotokoll „Umbrella“ zur Behandlung von Nephroblastomen P. Melchior1, D. Saunders2, G. Janssens6, F. Oldenburger3, F. Alem4, A. Huchet 5, M.M. van den Heuvel-Eibrink6, N. Graf 7, Ch. Rübe1 Klinik für Strahlentherapie und Radioonkologie, Uniklinikum des Saarlandes, Homburg-Saar, 2Clinical Oncology, Nottingham University Hospitals NHS Trust, Nottingham, UK, 3Department of Radiotherapy, Academic Medical Centre, Amsterdam, Netherlands, 4Clatterbridge Centre for Oncology, NHS, Foundation Trust, Bebington, 5Service d‘oncologie médicale et de radiothérapie, hôpital Saint-André, CHU de Bordeaux, 6Princess Màxima Center for Paediatric Oncology, Utrecht, Netherlands, 7Klinik für pädiatrische Onkologie und Hämatologie, Uniklinikum des Saarlandes, Homburg-Saar 1
Fragestellung. In der geplanten internationalen Therapieoptimierungsstudie „Umbrella“ zur Behandlung von kindlichen Nierentumoren wurden neue Aspekte der Strahlentherapie in der multimodalen Behandlung von Nephroblastomen integriert. In einem internationalen Expertenpanel konnten Richtlinien und Empfehlungen zur Strahlentherapie metastasierter, rezidivierter und bilateraler Nephroblastome, sowie die Integration nierenerhaltender Operationsverfahren diskutiert
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und in das kommende Studienprotokoll aufgenommen werden. Unter Berücksichtigung neuerer hochkonformaler Strahlentherapietechniken, wie z. B. der intensitätsmodulierten und bildgeführten Strahlentherapie (IMRT, IGRT), wurden neue Empfehlungen zur Zielvolumenkonfiguration (mitunter einer Reduktion der Sicherheitssäume zur Minderung der Akut- und Spättoxizitäten) und der prätherapeutischen diagnostischen Bildgebung, gegeben. Hierbei wird eine prospektive Auswertung der Strahlentherapiedaten hinsichtlich des Vergleichs von Standard-Radiotherapietechniken und moderner intensitätsmodulierter Techniken (IMRT) im Hinblick auf die lokale Tumorkontrolle und der Dosisreduktion der Normalgewebe angestrebt. Zukünftig stellt dabei eine standardisierte interdisziplinäre Dokumentation (CRF) der bildgebenden und klinischen Tumorausdehnung eine Voraussetzung für den Einsatz moderner Bestrahlungstechniken dar. Studiendesign. Die Indikationen zur lokoregionären adjuvanten Strahlentherapie im Stadium II und III bei high-risk und im Stadium III bei intermediate-risk nichtmetastasierter Nephroblastome bleiben in Analogie zum SIOP-2001-GPOH-Protokoll unverändert bestehen. Im metastasierten Stadium IV wurde in Anlehnung an die Histologie (intermediate oder high-risk) eine Harmonisierung der Bestrahlungsdosen der Leber, Knochen und des Gehirns vorgenommen. Insbesondere ist eine Dosisreduktion im Bereich der Lunge auf 12 Gy zur Toxizitätsminderung, in Anlehnung an das COG-Protokoll, vorgesehen. Zur wissenschaftlichen Auswertung sind die Einführung standardisierter Radiotherapie-Dokumentationsbögen (CRF) mit einer detaillierten Erfassung strahlentherapeutischer Behandlungsdaten und deren Therapiepläne in einer Referenzdatenbank geplant. Dies ermöglicht unter anderem einen prospektiven Vergleich moderner IMRT-Techniken mit und ohne Zielvolumenreduktion und der Standard-Mehrfeldertechniken hinsichtlich der lokalen Kontrolle, der Dosisbelastung der Risikoorgane (Dünn- und Dickdarm, Nieren, Leber) und der subakuten und späten Nebenwirkungen. Ergebnisse und Schlussfolgerung. Die Strahlentherapie ist im Umbrella-Protokoll zukünftig weiterhin ein integraler Bestandteil des multimodalen Behandlungskonzeptes des lokalisierten, metastasierten und rezidivierten Nephroblastoms. Die aktuellen Richtlinien zur Strahlentherapie beim Nephroblastom ermöglichen eine internationale Standardisierung in der Radiotherapie von Nephroblastomen und eine Bewertung moderner Bestrahlungstechniken mit der Möglichkeit der prospektiven vergleichenden Auswertung zweier Techniken.
Protonentherapie von Tumorerkrankungen im Kindesalter – erste Erfahrungen am Westdeutschen Protonentherapiezentrum Essen (WPE) Anna-Lena Steffen1, Dirk Geismar1, Stefanie Schulze Schleithoff1, Claudia Plass1,2, Gudrun Fleischhack3, Christoph Blase4, Melissa Christiaens1,2, Beate Timmermann1,2 Westdeutsches Protonentherapiezentrum Essen (WPE), 2Klinik für Partikeltherapie, Universitätsklinikum Essen, Westdeutsches Tumorzentrum (WTZ), 3 Pädiatrische Hämatologie/Onkologie, Pädiatrie III, Universitätsklinikum Essen, 4 AnästhesieNetz Rhein-Ruhr, Bochum 1
Fragestellung. Die Protonentherapie (PT) erfährt bei Krebserkrankungen im Kindesalter zunehmendes Interesse, da sie das Potenzial hat, strahleninduzierte Nebenwirkungen zu reduzieren. Das Westdeutsche Protonentherapiezentrum Essen (WPE) hat im Mai 2013 den klinischen Betrieb aufgenommen. Seit September 2013 werden alle behandelten Kinder am WPE in die standardisierte prospektive Registerstudie „Standard Protonentherapie Kinder (KiProReg)“ eingeschlossen, bei der Daten zur Toxizität und Tumorkontrolle der PT generiert werden. Studiendesign. Zwischen September 2013 und August 2015 wurden Daten von 120 Kindern (64 Jungen und 56 Mädchen) im Alter zwischen 0,9 und 17,9 Jahren im Rahmen der Registerstudie „KiProReg“ am WPE gesammelt. Die Diagnosen gruppieren sich in Tumoren des zentralen Nervensystems (n=62), sarkomatöse Tumoren (n=53), extrakranielle
Keimzelltumoren (n=3), ein Hodgkin-Lymphom und ein Ästhesioneuroblastom. Bestrahlt wurden die Bereiche Gehirn (n=62), Kopf/Hals (n=34), Becken (n=11), Wirbelsäule/spinal (n=11), Extremitäten (n=1) und Thorax/Abdomen (n=1). Die mediane Dosis der PT lag bei 54 Gy (29,8-74,0 Gy). Zwei Patienten erhielten nach Photonenbestrahlung eine Dosisaufsättigung mit Protonen. Eine tiefe Sedierung war aufgrund des Altes bei 68 Kindern notwendig. Bei mehr als der Hälfte der Patienten (53,3%) wurde simultan zur PT eine Chemotherapie verabreicht, bei 47,9% wurde die Chemotherapie nach der PT fortgesetzt. Nebenwirkungen wurden gemäß CTCAE V4.0 klassifiziert. Ergebnisse. In der Mehrheit der Kinder wurden unter Therapie keine oder milde bis moderate (Grad 1 und 2) Nebenwirkungen dokumentiert. Höhergradige Nebenwirkungen traten nahezu ausschließlich im hämatologischen Bereich auf; 22,7% und 11,8% der Kinder (n=119) hatten hier eine Grad 3 bzw. Grad-4-Nebenwirkung. Drei Monate nach Abschluss der Therapie sind Toxizitätsdaten von 71 Kindern verfügbar. Auch hier wurden höhergradige Beeinträchtigungen v. a. im hämatologischen Bereich beobachtet (n=8). Im gesamten Nachbeobachtungszeitraum (med. FU 3,5 Monate; 0–16,3 Monate) wurde bei fünf Kindern ein Lokalrezidiv und bei 11 Kindern Metastasen festgestellt. Sechs dieser Patienten sind bisher verstorben. Schlussfolgerung. Die ersten prospektiven Daten der Kinderbehandlung am WPE zeigen eine insgesamt gute Verträglichkeit der PT mit überwiegend leichtgradigen Nebenwirkungen trotz intensiver Lokaltherapie. Die primär im hämatologischen Bereich dokumentierten höhergradigen Nebenwirkungen sind auch auf die simultan verabreichte Chemotherapie zurückzuführen. Für eine Bewertung der mittel- und langfristigen Therapieergebnisse. und Spätfolgen der PT ist eine längere Nachbeobachtungszeit notwendig.
Blasenerhaltende Resektion und kombinierte Hochdosisrate-Brachytherapie als Therapiekonzept bei urogenitalen Rhabdomyosarkomen Jörg Fuchs1, Frank Paulsen2, Ulf Lamprecht2, Daniel Zips2, Martin Bleif2, Guido Seitz1 Universitätsklinik für Kinder- und Jugendmedizin, Abteilung für Kinderchirurgie und Kinderurologie, Universitätsklinik Tübingen, 2Universitätsklinik für Radioonkologie, Universitätsklinikum Tübingen 1
Fragestellung. Die funktionserhaltende Behandlung von urogenitalen Rhabdomyosarkomen (RMS) ist weiterhin schwierig. Obwohl bei den Blasen-Prostata-Rhabdomyosarkomen (BPRMS) die BehandlungsErgebnisse. in der Vergangenheit verbessert werden konnten, ist die Zystektomierate in großen Therapieoptimierungsstudien immer noch zu hoch. Die BehandlungsErgebnisse. der perinealen Rhabdomyosarkome (PRMS) sind weiterhin verbesserungswürdig. In der Vergangenheit wurde die blasenerhaltende Chirurgie in Kombination mit der „low dose rate“(Niedrigdosisrate, LDR)-Brachytherapie in Frankreich eingeführt. Der Nachteil liegt darin, dass diese Brachytherapieform nicht ubiquitär verfügbar ist. Das Ziel der Studie war es die blasenerhaltende Chirurgie mit der „high-dose rate“(Hochdosisrate, HDR)-Brachytherapie als neue Therapieoption für Patienten mit urogenitalen RMS zu etablieren. Studiendesign. Das Behandlungsprinzip war es eine organerhaltende Tumorresektion (R0/R1) bei nicht Blasenhals-überschreitenden urogenitalen Rhabdomyosarkomen durchzuführen. Intraoperativ erfolgte die zirkuläre Platzierung von 4 bis 6 Brachytherapiesonden im Bereich der Tumorregion. Postoperativ erfolgte CT-geplant die HDR-Brachytherapie (3 Gy/Fraktion, 2 Fraktionen im Abstand von 6 h/Tag) an 6 Behandlungstagen. Bisher wurden insgesamt 9 Patienten in unserer Klinik therapiert. Ergebnisse. Sieben Patienten hatten ein BPRMS, 2 Patienten ein PRMS. Acht Patienten hatten einen embryonalen Subtyp und ein Patient litt an einem alveolären RMS. Bei allen Patienten konnte eine organerhaltende Operation mit postoperativer Brachytherapie durchgeführt werden.
Die Behandlung wurde von allen Patienten gut toleriert. Es traten keine therapiebedingten akuten Toxizitäten auf. Bei zwei Patienten war eine Revision der Katheterlage (Rektumnahe Katheterlage, Katheterrigidität) aufgrund einer ungünstigen Dosisverteilung nach dem PlanungsCT notwendig. Bei einem Patienten kam es zu einem Lokalrezidiv 6 Monate nach der Lokaltherapie, welches durch eine lokale Nachresektion beherrscht werden konnte. Alle Patienten befinden sich in Vollremission. Bei einem Patienten entwickelte sich eine persistierende neurogene Blasenentleerungsstörung. Schlussfolgerung. Die kombinierte organerhaltende Tumorresektion mit HDR-Brachytherapie stellt eine neue Therapieoption für ausgewählte Patienten mit urogenitalen RMS dar. Die vorläufigen BehandlungsErgebnisse. sind in Hinblick auf Tumorkontrolle und Funktionalität viel versprechend.
Protonenbestrahlung mittels Spot-ScanningTechnologie im Kindes- und Jugendalter am Rinecker Proton Therapy Center (RPTC) Barbara Bachtiary¹, Manfred Herbst¹, Alfred Haidenberger³, Marc Walser¹, Ronald Richter¹, Irene Teichert- von Lüttichau², Angela Wawer², Karin Beutel², Stefan Burdach² Rinecker Proton Therapy Center, München, 2Kinderklinik München Schwabing des Städtischen Klinikums München und des Klinikums rechts der Isar der Technischen Universität München, 3Krankenhaus Agatharied, Akademisches Lehrkrankenhaus der LMU München, Hausham 1
Hintergrund. Im multimodalen Behandlungskonzept pädiatrischer Tumoren gewinnt die Durchführung der Radiotherapie als Partikeltherapie mit Protonen aufgrund ihrer herausragenden strahlenbiologischen, physikalischen und technischen Eigenschaften zunehmend an Bedeutung. Insbesondere daraus, dass etwa 60% des durchstrahlten Volumens der herkömmlichen Strahlentherapie durch die Protonentherapie nicht belastet werden, resultiert eine zum Teil deutlich reduzierte Nebenwirkungsrate mit Senkung der negativen Folgen für Wachstum und Entwicklung sowie einer erhofften niedrigeren Rate an Sekundärmalignomen. Die Deutsche Gesellschaft für Radioonkologie (DEGRO) spricht hierzu eine klar gesicherte Behandlungsindikation aus. Methodik. Deskription der seit Inbetriebnahme des RPTC von 2009 bis aktuell 09/2015 mittels Protonenbestrahlung radiotherapierten Kinder und Heranwachsenden. Dabei erfolgt über eine hochkomplexe drei-dimensionale elektromagnetische Protonenstrahlsteuerung (Spot- Scanning) eine nur auf das Bestrahlungszielvolumen begrenzte Applikation der Tumordosis (keine signifikante Neutronenbelastung des Ganzkörpers, keine vordere Dosisüberhänge) bei in weiten Bereichen frei wählbarer Dosisintensität der Spots. Ergebnisse. Von 06/2009 bis 07/2015 wurden am RPTC bisher insgesamt 85 Patienten in 88 Fällen therapiert. Das Alter bei Bestrahlungsbeginn betrug im arithmetischen Mittel 7,9 Jahre (min. 11 Monate; max. 17 Jahre 7 Monate). Dabei handelte es sich zumeist um Rhabdomyosarkome [RMS; n=26 (29,5%)], davon 10 alveoläre und 16 embryonale RMS. Im Bereich des Zentralnervensystems bestrahlten wir 14 Low-Grade-Gliome (16%), 11 High-Grade-Gliome (12,5%), 10 Ependymome (11%) und 2 Medulloblastome. Von 12 weiteren behandelten selteneren Tumorentitäten waren 8 ebenfalls im ZNS lokalisiert. Insgesamt kamen mit für die Protonentherapie prädestinierten Chordomen/Chondrosarkomen im Schädelbasisbereich 6 Patienten zur Behandlung. Weiterhin wurden 5 Ewing-Tumoren und 2 seltenere Weichteilsarkomentitäten radiotherapiert. Schlussfolgerung. Die Radiotherapie mit Protonen im Spot-ScanningVerfahren ist auf dem Gebiet der pädiatrischen Onkologie auf Grund seiner deutlich geringeren Normalgewebstoxizität ein anzustrebendes, sicher durchführbares und hocheffektives Therapieverfahren. Es besteht eine enge Kooperation mit der Kinderklinik des Städtischen Klinikums München/Klinikums der Technischen Universität München zur Einbindung in multimodale Therapiestudien bzw. zur Behandlung in Analogie hierzu mit regelhaften Fallbesprechungen in den interdisziplinären Tumorkonferenzen. Monatsschrift Kinderheilkunde · 11 · 2015
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Abstracts
Freie Vorträge Rezidiv eines Synovialsarkoms – Outcome und prognostische Faktoren Monika Scheer1, Tobias Dantonello1, Erika Hallmen1, Christian Vokuhl2, Ivo Leuschner2, Monika Sparber-Sauer1, Stefan Bielack1, Thomas Klingebiel3, Ewa Koscielniak1 on behalf of the Cooperative Weichteilsarkom Studiengruppe (CWS) Olgahospital, Pädiatrie 5 (Onkologie, Hämatologie, Immunologie), Klinikum Stuttgart, 2Institut für Pathologie, Kindertumorregister, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Kiel, 3Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, Pädi atrische Onkologie, Hämatologie und Hämostaseologie, Universitätsklinikum Frankfurt (Main) 1
Fragestellung. Knapp ein Drittel der Patienten mit einem Synovialsarkom erleiden ein Rezidiv. Eine schlechte Prognose wurde beschrieben. Fragestellung. der aktuellen Analyse war, welche Patienten ein Rezidiv überleben und welche Therapieoptionen das Überleben verbessern. Methodik. Retrospektive Analyse der in den konsekutiven CWS-Studien seit 1981 prospektiv behandelten Patienten mit einem Synovialsarkomrezidiv aus Deutschland. Ergebnisse. 379 Patienten wurden von 1981 bis 2012 mit einem Synovialsarkom in den CWS-Studien registriert. Davon haben 75 ein Rezidiv erlitten. 52 Patienten erfüllten die Kriterien für die vorliegende Analyse. Das erste Rezidiv trat nach einem Median von 2,5 Jahren auf und war in 42% der Fälle lokalisiert, in 46% metastatisch und in 12% kombiniert. Die Metastasen traten in >90% der Fälle in der Lunge auf. Die Rezidivbehandlung beinhaltete bei 50% der Patienten eine intensive Chemotherapie, bei 10% ausschließlich eine Erhaltungschemotherapie und bei 33% überhaupt keine Chemotherapie. Bei 87% der Patienten wurde eine Resektion durchgeführt (Lokaltumor und/oder Metastasen), bei 69% konnte eine R0/R1-Resektion erreicht werden. 21% der Patienten wurden bestrahlt. Insgesamt erreichten 75% der Patienten eine zweite Remission. Allerdings war diese bei nur 23% anhaltend (mediane Beobachtungszeit 7 Jahre nach dem ersten Rezidiv). Die 5-Jahres-Überlebenswahrscheinlichkeit nach einem ersten Rezidiv betrug insgesamt 40%, die 5-Jahres-ereignisfreie Überlebenswahrscheinlichkeit betrug 26%. Signifikante prognostische Faktoren für ein verlängertes Überleben waren ein Lokalrezidiv, eine R0/R1-Resektion der Rezidivläsionen, eine niedrige Anzahl an Rezidivläsionen und Auftreten des Rezidivs mehr als 2,5 Jahre nach Ersterkrankung. Schlussfolgerung. Lediglich 12 von 52 (23%) Patienten mit einem Synovialsarkomrezidiv blieben nach einem ersten Rezidiv langfristig tumorfrei. Eine suffiziente Chirurgie im Sinne einer R0/R1-Resektion spielte dabei eine herausragende Rolle.
Genetic background of congenital erythrocytosis – a „panel” of genes and mutations H. Cario1, C. Camps2, P. Robbins3, M.F. McMullin4, M. Percy5, C. Bento6, N. Petousi7 Department of Pediatrics and Adolescent Medicine, University Medical Center, Ulm, Germany, 2Wellcome Trust Centre for Human Genetics, University of Oxford, Oxford, UK, 3Department of Physiology, Anatomy and Genetics, University of Oxford, Oxford, UK, 4Centre for Cancer Research & Cell Biology, Queen’s University, Belfast, UK, 5Belfast City Hospital, Queen’s University, Belfast, UK, 6 Hematology Department, Centro Hospitalar e Universitário de Coimbra, Portugal, 7Nuffield Department of Medicine, University of Oxford, Oxford, UK 1
Background. Erythrocytosis is a rare disorder characterized by increased red cell mass and typically elevated haemoglobin concentration and haematocrit. Several genetic variants have been identified as a cause for erythrocytosis in genes of different pathways including oxygen sensing, erythropoiesis, and oxygen transport. However, there still remain a considerable number of patients with high suspicion of genetic disease, in whom no cause has been found, currently classified as idiopathic erythrocytosis. Methods. In this international collaborative study, we used the Ion AmpliSeq TM Technology to create a gene panel encompassing the exonic regions of 21 genes from different pathways and, in conjunction with the Ion Torrent platform, sequenced a cohort of undiagnosed patients with idiopathic erythrocytosis. This cohort included 67 patients (26 f, 41 m) from a German erythrocytosis registry. Results. With the gene panel we were able to identify a number of known erythrocytosis-causing variants, some of which had been missed by classical clinical and diagnostic algorithms. In the German cohort, this concerned in particular previously missed hemoglobin variants with high oxygen affinity. We also detected a number of novel variants in candidate and novel genes, some with high likelihood of functionality, for which future familial segregation and functional studies will be useful to provide further evidence for causality. Conclusion. Overall, these results demonstrate the benefits of using a gene panel versus existing methods, by allowing the simultaneous screening of full-length genes in a systematic manner across large patient cohorts. In addition to greater discovery opportunities, the use of the erythrocytosis gene panel in sequencing further cohorts of patients will also provide the possibility of validating new variants by replication in other patients.
Europäische Kohorten Langzeitüberlebender nach Krebs im Kindes- und Jugendalter – ein Überblick Desiree Grabow1, Peter Kaatsch1 Deutsches Kinderkrebsregister, Institut für Medizinische Biometrie, Epidemiologie und Informatik (IMBEI), Universitätsmedizin Mainz 1
Fragestellung. Mit den eindrucksvoll erzielten Behandlungserfolgen der pädiatrischen Hämato-/Onkologie hat die Langzeit-Nachbeobachtung, Nachsorge und Spätfolgenerhebung für ehemalige Patienten einen hohen Stellenwert erhalten. Dieser Bedarf spiegelt sich erfreulicherweise in der Etablierung von immer mehr Kohorten Langzeitüberlebender wieder. In dem Beitrag wird ein Überblick über die in Europa bestehenden und sich etablierenden Kohorten gegeben. Methodik. Durch immer weiter vernetzte Aktivitäten, Internationalität der Arbeitsgruppen und ergänzt um zusätzliche Umfragen konnte eine aktuelle Übersicht erstellt werden über Länder Europas, die bereits nationale Kohorten Langzeitüberlebender etabliert haben (in Skandinavien und Großbritannien bis in die 1940er Jahre zurückgehend), über Länder mit sich langsam etablierenden Kohorten und über EUgeförderte Forschungsprojekte (Winther JF et al., Acta Oncologica 2015). Darüber hinaus stellen populationsbezogene Krebsregister einen wichtigen Baustein bei der Etablierung von die Bevölkerung repräsentierenden Kohorten dar. So gibt es in 17 europäischen Ländern landes-
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weite Kinderkrebsregister, in 41 anderen gibt es landesweite allgemeine Krebsregister, die jedoch auch für Kinder eine hohe Vollzähligkeit aufweisen (Steliarova-Foucher E et al., Eur J Cancer 2015). Ergebnisse. In Skandinavien, Großbritannien, den Niederlanden und der Schweiz haben sich nationale Kohorten (zwischen 4400 und 33.200 Betroffene) etabliert, in Frankreich und Italien werden Kohorten derzeit aufgebaut. Im Rahmen der europäischen Forschungsprojekte PanCareSurFup und PanCareLIFE wurden und werden daraus zwei Kohorten mit zusammen mehr als 125.000 Individuen generiert (Hjorth L et al., Eur J Cancer 2015). In Deutschland steht am Deutschen Kinderkrebsregister mit über 30.000 Langzeitüberlebenden ebenfalls eine große Kohorte zur Verfügung (Kaatsch P, Grabow D, Bundesgesundheitsbl 2012). Allerdings werden dort (noch) nicht für alle die Spätfolgen systematisch erfasst. Eine Erfassung erfolgt nur im Rahmen einzelner temporärer Studien (z. B. VIVE, CVSS), teils in Therapieoptimierungsstudien und in speziellen Arbeitsgruppen (z. B. LESS, RISK, DKKR). Einige davon tragen auch zu den europäischen Projekten, wie PanCareLIFE, bei. Schlussfolgerung. Populationsbezogene Kohorten krebskranker und langzeitüberlebender Kinder sind erfreulicherweise mittlerweile immer mehr verfügbar. Sie werden durch entsprechende internationale Studien speziell für Versorgungsfragen und in der Kinderkrebsepidemiologie generell genutzt. Deutsche Arbeitsgruppen sind in dieses wichtige Feld klinisch-epidemiologischer Forschung immer mehr mit einbezogen.
Genetisch bedingte Vorerkrankungen bei ALLPatienten: Spektrum, Frequenz und Auswirkungen auf Erkrankungsmerkmale und Therapieverlauf Schütte P1, Möricke A2, Zimmermann M1, Bleckmann K 2, Attarbaschi A3, Mann G3, Bodmer N4, Niggli F4, Schrappe M2, Stanulla M1, Kratz CP1 Klinik für Pädiatrische Hämatologie und Onkologie, Medizinische Hochschule Hannover, 2Klinik für Pädiatrie, ALL BFM Studienzentrale, Universitätsklinikum Schleswig Holstein, Kiel, 3Pädiatrische Hämato-Onkologie, St. Anna Kinderspital, Wien, 4Fachbereich Onkologie, Universitäts-Kinderspital Zürich 1
Fragestellung. Die Entstehungsmechanismen von Krebserkrankungen im Kindesalter sind in den meisten Fällen ungeklärt. Krebsprädispositionssyndrome spielen hierbei eine immer deutlicher werdende Rolle und sind mit erhöhter Therapiemorbidität und erniedrigten Überlebenschancen verbunden. In dieser Untersuchung sollten Spektrum und Frequenz von chronischen Vorerkrankungen und Fehlbildungen in pädiatrischen Patienten mit akuter lymphoblastischer Leukämie (ALL) aus der ALL-BFM-Studienkohorte sowie deren Einfluss auf klinische Merkmale der ALL und den Therapieverlauf dargestellt werden. Der Fokus lag in den Analysen auf genetisch bedingten Erkrankungen. Studiendesign. Retrospektive Analyse aller von 07/1999 bis 06/2009 in Deutschland, Österreich und der Schweiz im Rahmen der ALL-BFM 2000-Studie behandelten ALL-Patienten (n=4939). Identifizierung von Patienten mit einer bei ALL-Diagnose bekannten Vorerkrankung anhand von Datenbankabfragen und Review der Krankenakten. Untersuchung von Assoziationen zwischen identifizierten Erkrankungen und allgemeinen sowie spezifischen ALL-Charakteristika bei Diagnose (z. B. Alter, Geschlecht, Immunphänotyp, WBC) und im Therapieverlauf (z. B. Risikogruppe, SAE, Überleben). Ergebnisse. Insgesamt konnten n=233 Patienten (4,7%) mit mindestens einer gemeldeten Vorerkrankung identifiziert werden, wobei neun Patienten zwei Vorerkrankungen aufwiesen. Dabei lagen folgende genetisch bedingte Erkrankungen bei mehr als einem Patienten vor: Morbus-Gilbert-Meulengracht (n=13), Neurofibromatose Typ 1 (n=8), Ataxia teleangiectasia (n=8), Thalassämie (n=7), Nijmegen-Breakage-Syndrom (n=6), zystische Fibrose (n=4), Glukose-6-Phosphat Dehydrogenasemangel (n=4), Noonan Syndrom (n=2), Klinefelter Syndrom (n=2), alpha-1-Antitrypsinmangel (n=2), primäre ziliäre Dyskinesie (n=2). Einzelne Diagnosen wiesen dabei Assoziationen zu bestimmten ALLCharakteristika und Besonderheiten im Therapieverlauf auf. Insbeson-
dere das Vorliegen eines der bekannten Krebsprädispositionssyndrome (Neurofibromatose Typ 1, Ataxia teleangiectasia, Nijmegen Breakage Syndrom u. a.) war mit bestimmten allgemeinen und ALL-spezifischen Merkmalen, hoher therapieassoziierter Toxizität und verschlechtertem Überleben verbunden. Aufgrund der geringen Patientenzahlen innerhalb der verschiedenen Diagnosegruppen sind diese Ergebnisse als rein deskriptiv zu betrachten. Schlussfolgerung. Das Spektrum chronischer Vorerkrankungen innerhalb des ALL-BFM 2000 Kollektivs ist breit. Krebsprädispositionssyndrome nehmen dabei eine besondere Rolle ein. Sie sind bei einem geringen Anteil der ALL-Patienten bei Diagnosestellung bekannt und führen zu erhöhter therapieassoziierter Toxizität und einem verringerten Überleben. Die tatsächliche Prävalenz dieser Erkrankungen innerhalb der ALL-Patientenpopulation ist unbekannt, da sie klinisch inapparent verlaufen können. In Zukunft könnte ein gezieltes klinisches und zusätzlich möglicherweise genetisches Screening auf bestimmte Vorerkrankungen zur Identifizierung von Patienten führen, welche von einer Anpassung der antileukämischen Therapie, einer engmaschigen Überwachung oder intensivierter Supportivtherapie profitieren könnten.
Die minimal-invasive Nephrektomie bei Wilms-Tumoren Andreas Schmidt1, Steven W. Warmann1, Guido Seitz1, Jörg Fuchs1 Abteilung für Kinderchirurgie und Kinderurologie, Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, Universitätsklinikum Tübingen 1
Hintergrund. Die Therapie unilateraler Wilms-Tumoren besteht aus einer Kombination von Chemotherapie und Chirurgie sowie in bestimmten Fällen auch aus einer Bestrahlung. Der häufigste chirurgische Eingriff bei unilateralen Wilms-Tumoren ist die Tumornephrektomie. Die minimal-invasive Chirurgie wird in der Kinder-Onkochirurgie zunehmend eingesetzt. Eine breite Erfahrung mit dieser Technik bei der Operation von Wilms-Tumoren und Kriterien für bzw. gegen das laparoskopische Vorgehen bei Wilms-Tumoren fehlen jedoch noch. Patienten und Methoden. In einer eigenen Studie wurden die Daten von 9 Kindern mit einem Wilms-Tumor, bei denen im Zeitraum von August 2010 bis August 2015 eine minimal-invasive Tumornephrektomie durchgeführt worden war, retrospektiv hinsichtlich des Stagings und des Outcomes analysiert. Ergebnisse. Alle Patienten, die eine minimal-invasive Tumornephrektomie erhalten haben, wurden nach dem SIOP 2001/GPOH-Studienprotokoll mit neoadjuvanter Chemotherapie behandelt. Das mediane Alter bei Op. betrug 24 Monate. Das mediane Tumorvolumen bei Diagnosestellung war 171 ml und bei Op. 65 ml. Tumorspillage trat intraoperativ nicht auf. Das mediane Follow-up betrug 30 Monate. Das Patientenkollektiv weist ein Gesamtüberleben und auch ein ereignisfreies Überleben von 100% auf. Schlussfolgerung. Die laparoskopische Tumornephrektomie ist bei Einhaltung definierter Voraussetzungen eine Alternative zum offenen chirurgischen Vorgehen. Ausschlusskriterien sind eine fehlende Response auf die Chemotherapie, Überschreiten der ipsilateralen Paravertebrallinie durch den Tumor sowie eine präoperative Tumorruptur. Alle Kriterien der offenen Chirurgie, insbesondere das Lymphknotensampling, müssen auch beim minimal-invasiven Ansatz berücksichtigt werden. Das laparoskopische Vorgehen bedarf einer großen Erfahrung sowohl in der minimal-invasiven Chirurgie des oberen Harntraktes, als auch in der onkologischen Chirurgie bei Kindern. Die nierenerhaltende Tumorresektion sollte wenn möglich der minimal-invasiven Technik immer vorgezogen werden.
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Abstracts Retikuläre Dysgenesie: Ergebnisse. einer retrospektiven internationalen Analyse zur klinischen Präsentation, Transplantation und deren Outcome Manfred Hoenig 1, Chantal Lagresle-Peyrou 2, Ulrich Pannicke 3, Luigi Notarangelo 16, Andrew Gennery 8, Mary Slatter 8, Mort Cowan 4, Polina Stepensky 5, Hamoud Al-Mousa 6, Daifulah Al-Zahrani 7, Sung-Yun, Pai 16, Bobby Gaspar 9, Koichi Oshima 10, Kohsuke Imai 11, Hiromasa Yabe 12, Lenora Noroski 13, Nico Wulffraat 14, Pere Soler Palacin 17, Hideki Muramatsu 18, Ingrid Furlan 1, Catharina Schuetz 1, Ansgar Schulz 1 , Klaus Schwarz 3,15, Alain Fischer 2, Wilhelm Friedrich 1, Marina Cavazzana 2, on behalf of the EBMT Inborn Errors Working Party University Medical Center Ulm, Department of Pediatrics, Ulm, Germany; Hôpital Necker Enfants Malades, Paris, France; 3Institute for Transfusion Medicine, University of Ulm, Germany; 4BMT division, UCSF Children’s Hospital, San Francisco, USA; 5Pediatric Hematology-Oncology, Hadassah University-Hospital, Jerusalem, Israel; 6Department of Pediatrics, Section of Pediatric Allergy/ Immunology, King Faisal Specialist Hospital & Research Centre, Riyadh, Saudi Arabia; 7Department of Pediatrics, Allergy, Immunology & BMT, King Abdulaziz Medical City, Jeddah, Saudi Arabia; 8Pediatric Immunology and Infectious Disease Services, Newcastle General Hospital, Newcastle upon Tyne, United Kingdom; 9Great Ormond Street Hospital, UCL Institute of Child Health, London, United Kingdom; 10Center for iPS cell research and application (CiRA), Kyoto University, Japan; 11Department of Community Pediatrics, Perinatal and Maternal Medicine Tokyo Medical and Dental University, Tokyo, Japan; 12Department of Cell Transplantation and Regenerative medicine,Tokai University School of Medicine, Isahara, Japan; 13Texas Children’s Hospital, Houston, USA; 14Department of Pediatric Immunology, University medical Center Utrecht, Utrecht, Netherlands; 15Institute for Clinical Transfusion Medicine and Immunogenetics Ulm, Germany; 16Division of Immunology, Boston Children’s Hospital, Boston, USA; 17Pediatric Infectious Diseases and Immunodeficiencies Unit, Hospital Universitari Vall d’Hebron, Barcelona, Spain; 18Department of Pediatrics, Nagoya University Graduate School, Nagoya, Japan 1 2
Fragestellung. Die retikuläre Dysgenesie ist eine sehr seltene angeborene Immundefekterkrankung, die klinisch durch die Kombination eines schweren kombinierten Immundefektes (SCID) mit Agranulozytose und Schwerhörigkeit gekennzeichnet ist. Die Erkrankung macht nur 1–2% aller SCID-Fälle aus. 2009 konnten Mutationen im Gen, das für die Adenylatkinase 2 (AK2) kodiert, als genetische Ursachen für die Erkrankung definiert werden. Studiendesign. Internationale retrospektive Analyse zur klinischen Präsentation, zur Transplantation und zum Outcome von Patienten mit SCID und Agranulozytose, bei denen die Diagnose „retikuläre Dysgenesie“ gestellt wurde. Ergebnisse. Es wurden Daten zu 32 Patienten, geboren zwischen 1982 und 2011, aus 15 Zentren in 11 Ländern in Europa, Asien und Nordamerika gesammelt. Bei allen Patienten mit verfügbaren DNA-Proben (n=29) wurden Mutationen im AK2-Gen identifiziert. Die Kinder waren bei der Erstvorstellung – mit lediglich zwei Ausnahmen – jünger als 4 Wochen (30/32; 94%). Bakterielle Septitiden lagen bei 17/32 Patienten vor und waren die häufigste Infektion bei Diagnosestellung. Ein Patient verstarb vor der Stammzelltransplantation. Das durchschnittliche Alter bei Transplantation lag bei 3,5 Monaten. Die Transplantate stammten zum größten Teil (17/31; 55%) von haploidentischen Spendern, bei 6/31 (19%) Patienten von HLA-identischen Familienspendern und bei 8/31 (26%) Patienten von HLA-kompatiblen Fremdspendern. Eine Zweittransplantation wurde bei 13 Patienten wegen eines primären oder sekundären Transplantatversagens durchgeführt. Das Überleben lag bei 17/31 nach einem Follow-up von 7,0 Jahren (0,6–23,6). Bei Patienten, die später als 6 Monate nach Transplantation verstarben, war die Todesursache immer mit prolongierten Episoden einer Neutropenie und dem Verlust des myeloischen Engraftments assoziiert. Ersttransplantationen ohne Konditionierung (n=6) waren bei keinem der Patienten erfolgreich. Konditionierungsprotokolle, die zu einem dauerhaften Stammzellengraftment führten, beinhaltenen immer auch myeloablative Komponenten.
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Schlussfolgerung. Im Vergleich zu anderen SCID-Entitäten sind Kinder mit einer retikulären Dysgenesie bei der Erstpräsentation deutlich jünger, haben ein anderes Muster an Infektionserregern und sollten vor Transplantation, soweit klinisch vertretbar, eine Konditionierung mit myeloablativen Agentien erhalten. Es sollte ein kompletter Spenderchimärismus angestrebt werden, um späte Komplikationen durch eine Neutropenie zu vermeiden.
Multidisziplinäres Trainingsprogramm zur Verbesserung der Sicherheit in der pädiatrischen Onkologie. Erste Ergebnisse eines modularisierten Workshops für Pflegende und ÄrztInnen Lorenz Grigull1, Birte Rodewald1, Christian Kratz1, Urs Mücke1, Petra Tiroke1 Klinik für Pädiatrische Hämatologie und Onkologie, Medizinische Hochschule Hannover 1
Hintergrund. In der Notfallmedizin sind praxisorientierte, interdisziplinäre Simulations- und Trainingsprogramme für Mitarbeiter bereits etabliert. Regelmäßiges Training erhöht die Behandlungssicherheit sowie die Zufriedenheit der Mitarbeiter. Ein Programm zur Entwicklung und Förderung spezifischer Fertigkeiten für die pädiatrische Onkologie existierte bislang nicht. Daher entwickelten wir – basierend auf alltagsrelevanten Behandlungs- und Beratungsanlässen – ein in drei Schritten zu durchlaufendes, berufsgruppenübergreifendes Trainingsund Simulationsprogramm für Ärzte und Pflegende der pädiatrischen Onkologie. Methoden. Zunächst erfolgte die Bedarfsanalyse mittels fragebogenbasierter Erhebung. Hierbei konnten Empathie, Kommunikationsfähigkeiten, praktische Fertigkeiten (Lumbalpunktion, Knochenmarkpunktion) und fachspezifisches Wissen (Nebenwirkungen von Chemotherapie, Komplikationsmanagement, Transfusionsmedizin) als nachgefragte Themen identifiziert werden. Daran ausgerichtet wurde ein praxisorientiertes, modularisiertes Workshop-Programm entwickelt. Ergebnisse. In drei aufeinander aufbauenden Modulen erwerben und festigen die Teilnehmer aus Pflege und Ärzteschaft gemeinsam Fähigkeiten und Kenntnisse mit steigender Komplexität und zunehmendem Schwierigkeitsgrad. Im ersten Modul werden neben „Basisprinzipien“ der pädiatrischen Onkologie praktische Fertigkeiten anhand kommerziell verfügbarer Modelle für Lumbalpunktionen und zentralvenöse Katheter vermittelt und trainiert. Ein Modell für die Simulation der Knochenmarkpunktion wurde extra für den Workshop entwickelt. Kommunikation im Team und mit Patienten wird in Rollenspielen nachgestellt, erlebt und anhand praxisnaher Situationen verbessert. Unterschiedliche lerndidaktische Methoden. im Modul 1 bringen Überraschungsmomente in den Workshop und erhöhen so den individuellen Lernerfolg. Das zweite Modul beinhaltet problemorientierte Aufgaben und fordert die Teilnehmer in Kleingruppen. Hierzu gehört u.a. das Management gegebener kinderonkologischer Komplikationen (z. B. Tumorlysesyndrom, MTX -Ausscheidungsstörung). Im Mittelpunkt des abschließenden dritten Moduls stehen teambasierte Herausforderungen mit komplexen Aufgabenstellungen (Simulationstraining). Zudem werden konstruktive Feedback-Prinzipien erläutert und nachhaltig geschult. Schlussfolgerung. Mitarbeiter in der pädiatrischen Onkologie müssen vielfältige medizinische, pflegerische und zwischenmenschliche Herausforderungen meistern. Hochqualifizierte Arbeit erfordert Wissen, Empathie, praktische Fertigkeiten und ausgeprägte Kommunikationsfähigkeiten. Der skizzierte multidisziplinäre Workshop bietet Mitarbeitern mit Interesse an der Kinderonkologie die Möglichkeit, praxisnah die tagtäglichen Herausforderungen des Arbeitsfeldes zu trainieren.
Das Projekt erhält eine Förderung durch den Verein für Krebskranke Kinder Hannover e. V.; das Modell zur Knochenmarkpunktion wurde gemeinsam mit Marc Dilly und John Rosenthal (Skills Lab der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover) entwickelt.