Abstracts Rechtsmedizin 2004 · 14:311–376 DOI 10.1007/s00194-004-0274-2 © Springer-Verlag 2004
83. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Rechtsmedizin 22.–25. September 2004 in Göttingen
Vorträge Hauptvorträge V-1 FORENSISCHE NEUROPATHOLOGIE – EINE SPEZIALDISZIPLIN? Oehmichen M Institut für Rechtsmedizin des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein, Campus Kiel An den forensischen Neuropathologen stellen sich folgende grundsätzliche Fragen: 1. Liegt eine natürliche Erkrankung des ZNS vor, die einen akuten, unerwarteten Tod erklärt? 2. Bestehen Veränderungen im Sinne von Verletzungen als Folge mechanischer Gewalteinwirkung auf das ZNS? 3. Sind Folgeveränderungen nachweisbar, die auf andere Arten physikalischer Einwirkung auf das ZNS zurückzuführen sind? 4. Lassen sich Veränderungen nachweisen, die chemische Einflüsse – mit Todesfolge – erklären? 5. Welche Nachweismöglichkeiten bestehen bei Sauerstoffmangel, und wie sind sie zu interpretieren? 6. Gibt es spezifische Veränderungen, die bei Kindern als todesursächlich anzusehen sind? Die Beantwortung dieser Fragen sind zweifelsfrei methodenabhängig, wobei die Methoden anhand von Beispielen erläutert werden. Daneben aber besteht eine Reihe von zusätzlichen Nebenfragen, deren Beantwortung zum Teil ebenso bedeutungsvoll sein dürfte: a) Handelt es sich bei dem einwirkenden Ereignis um ein einmaliges oder mehrmaliges Geschehen? b) Bestand nach dem Ereignis noch eine Handlungsfähigkeit? c) Erfolgt die Einwirkung bei noch intaktem Kreislauf? d) Welche Zeitintervalle sind zugrunde zu legen, insbesondere die Frage: Wie ist die Überlebenszeit einzuschätzen? e) Besteht ein Kausalzusammenhang zwischen Ereignis und Folgen – unter Berücksichtigung der klinischen Unterlagen bzw. der Anamnese? Es wird versucht zu verdeutlichen, dass zur Beantwortung dieser Fragen Spezialkenntnisse und Spezialmethoden notwendig sind, die weder von einem „klassischen“ Rechtsmediziner noch von einem „klinischen“ Neuropathologen ohne Einarbeitung zu beantworten sind.
V-2 RECHTSMEDIZINISCHE FORSCHUNG UND DIE BEURTEILUNG DER SELBSTVERLETZUNG Kernbach-Wighton G Institut für Rechtsmedizin der Georg-August-Universität Göttingen Das Phänomen selbstverletzenden Verhaltens ist in der Rechtsmedizin lange bekannt und berührt zudem auch zahlreiche klinische Disziplinen. Es handelt sich um ein multifaktorielles Geschehen, welches in 1. forensisch weniger relevante Fallgruppen, 2. solche mit forensischer Wichtigkeit und 3. interdisziplinär angesiedelte Fälle unterteilt werden kann. 1. Hierunter fallen z. B. hereditäre Formen, artefizielle Störungen sowie psychische Krankheitsbilder, wie Psychosen, Minderbegabung und Epilepsien. 2. In dieser Teilgruppe sind zu differenzieren: Erstreben sekundären/ materiellen Gewinns (Versicherung/Strafvollzug), Vortäuschung von Straftaten. Wesentlich sind die Persönlichkeitsstörungen vom Borderline-Typ, die i. d. Regel mit selbstverletzendem Verhalten als chronischem Zustand assoziiert sind. Obwohl mehr der klinischen Medizin zuzuordnen, folgt aus dieser Gruppe das 3. Teilkollektiv, welches eine Intermediärposition einnimmt. Hierin finden sich Frauen, die sich aus innerer Not selbst verletzen und sich dieses Vorgangs auch bewusst sind. Aus Scham bzw. Druck durch die Umgebung werden jedoch Dritte als Urheber bezichtigt. Dadurch kommt es zu behördlichen Ermittlungen, die eine rechtsmedizinische Untersuchung auslösen. Diese verfolgt neben der Befunddokumentation einerseits die Klärung der Situation für die Betroffene selbst, andererseits eine Deeskalierung und Entkriminalisierung, im weiteren Schritt auch nach Möglichkeit eine Bahnung für kompetente psychiatrische Hilfe. Die rechtsmedizinische Untersuchung hat stets den gesamten Körper einzubeziehen, obwohl Prädilektionsorte existieren. Wesentlich ist die Differenzierung zwischen „offenen“ und „nicht-offenen“, d. h. verheimlichten Verletzungen und die Erfassung morphologischer Detailmerkmale. Problematische Konstellationen entstehen durch Befundüberschneidungen und seltene Selbstverletzungsmodi (z. B. mit Schusswaffe oder Quecksilberinjektion). Aufbauend auf Psychopathologie und Dynamik werden die Hauptgruppen präsentiert, typische Verletzungsbilder analysiert, die Differentialdiagnose dargelegt und damit der aktuelle Stand der ForRechtsmedizin 4 · 2004
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schung aufgezeigt. Zudem erfolgt ein Brückenschlag zur klinischen Medizin über den hiesigen Untersuchungsansatz durch Einbeziehung der psychischen Situation in die Begutachtung. Priv.-Doz. Dr.med. G. Kernbach-Wighton Institut für Rechtsmedizin der Georg-August-Universität Göttingen Windausweg 2, 37073 Göttingen Tel.: +49 551 394910, Fax: +49 551 394986 e-mail:
[email protected] V-3 FORENSISCHE BIOMECHANIK Wehner HD Tübingen V-4 ANWENDUNG MODERNER UNTERSUCHUNGSTECHNIKEN UND MORPHOLOGISCHER MARKER IN DER AUTOPSIE Amberg R Mainz V-5 RECHTSMEDIZINISCHE FORSCHUNG IN DER MOLEKULAREN SPURENKUNDE Schneider PM Institut für Rechtsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz Die Einführung nationaler DNA-Datenbanken vor fast 10 Jahren hat die wohl erfolgreichste Periode in der Anwendung der DNA-Analyse in der molekularen Spurenkunde auf den Weg gebracht. Durch die zahlreichen Erfolge vor allem bei Kapitalverbrechen und Eigentumsdelikten hat die DNA-Analyse auch in der Öffentlichkeit einen hohen Wahrnehmungsgrad und ist daher wenig umstritten. folgt man den optimistischen Darstellungen in der Presse, so scheinen alle Probleme gelöst und jeder Fall aufklärbar – sofern er mit der Analyse von biologischem Spurenmaterial verbunden ist. Es stellt sich natürlich auch den Fachleuten die Frage, inwieweit dies wirklich zutrift, und wo letztendlich die Grenzen unserer Methoden aufgezeigt werden. Die Praxis zeigt, dass mit der Hoffnung auf den enscheidenden „Treffer“ immer mehr Spuren von immer weniger Qualität asserviert und an die DNA-Labors geschickt werden. Daraus ergibt sich ein erheblicher Bedarf an weiterer Forschungs- und Entwicklungsarbeit, die einerseits zur Verbesserung vorhandener Verfahren beitragen sollte, aber auch die Möglichkeit der Einführung einer weiteren Generation neuer DNA-Systeme in Betracht ziehen sollte. Als aktuelle Forschungsansätze seien drei Beispiele genannt: die Problematik der Analyse minimalster DNA-Mengen durch die low copy number (LCN) PCR bei STR-Systemen, die Etablierung von Single Nucleotide Polymorphismen (SNPs) für die forensische DNA-Analyse mit Einsatz von Hochdurchsatz-Trennverfahren, und schließlich die (bei uns und einer Reihe weiterer Länder nicht zulässige) Frage, ob es möglich sein wird, die äußeren Körpermerkmale unbekannter Spurenleger mit Hilfe von SNP-Analysen vorherzusagen. V-6 GRENZEN UND UMFANG DES CHEMISCH-TOXIKOLOGISCHEN SCREENINGS Schmoldt A Tox. Labor des Instituts für Rechtsmedizin der Universität Hamburg
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V-7 AUFGABEN RECHTSMEDIZINISCHER FORSCHUNG – DIFFERENTE STUDIENTYPEN IN GRUNDLAGENFÄCHERN, KLINIK UND RECHTSMEDIZIN Madea B Institut für Rechtsmedizin, Universitätsklinikum Bonn, Stiftsplatz 12, 53111 Bonn Das Fach Rechtsmedizin sieht sich in den letzten Jahren – nicht zuletzt unter dem Diktat knapper Ressourcen mit der Zielsetzung, in der Forschung angeblich ineffiziente Fächer aus den Fakultäten zu eliminieren – dem Vorwurf ausgesetzt, wissenschaftlich unergiebig zu sein, am wissenschaftlichen Fortschritt nicht zu partizipieren bzw. zum allgemeinen Wissenszuwachs nicht beizutragen. Kriterien für diese Einschätzung sind dabei Impactfaktoren und Drittmittelaufkommen. Ein bekannter Wissenschaftsfunktionär prognostizierte sogar, die Abschaffung des Faches Rechtsmedizin würde in der Scientific Community niemandem auffallen. Diese Einschätzung resultiert einerseits aus einer mangelhaften Rezeption der Aufgaben des Faches Rechtsmedizin, das im Wesentlichen angewandte Forschung zur Befunderhebung, zum Beweiswert von Befunden, zur Rekonstruktion und Begutachtung an verschiedenen Schnittstellen zwischen Medizin und Recht betreibt und im Gegensatz zu klinischen Fächern nur begrenzt ätiologische oder pathogenetische Forschung und damit auch vom Zugang zu drittmittelträchtigen Forschungsfeldern ausgeschlossen bleibt. Ein weiterer Grund ist, dass aufgrund autochthoner Forschungsfelder des Faches Rechtsmedizin (Thanatologie, gewaltsamer Tod, Vitalität, Verkehrsmedizin, analytische Toxikologie, Hämogenetik und Spurenkunde) in der Klinik etablierte und erfolgreiche Studientypen wie etwa kontrollierte randomisierte Studien, prospektive Querschnittstudien, Kohortenstudien bzw. Fall-Kontrollstudien in der Rechtsmedizin nur sehr begegrenzt zur Anwendung kommen können. In der Rechtsmedizin erfolgreich etablierte Studientypen sind demgegenüber Methodenvergleiche, Sensitivitätsstudien, Validierung von Methoden, kinetische Untersuchungen, etc. Diese Unterschiede der Studienformen werden für verschiedene rechtsmedizinische Funktionsbereiche systematisch aufgezeigt. Aufgrund der methodischen Heterogenität innerhalb des Faches Rechtsmedizin differieren selbst innerhalb des Faches die anwendbaren Studientypen von Funktionsbereich zu Funktionsbereich. Auch auf höchstem methodischen Niveau durchgeführte Untersuchungen bleiben aufgrund der Fragestellung nur für einen kleinen Kreis von Forschern interessant. So ist z. B. die deutschsprachige Forschung zur Thanatologie weltweit führend, ohne dass diese Forschung über den rechtsmedizinischen Binnenraum hinaus rezipiert würde. Dies gilt umgekehrt für die Ergebnisse anderer Fächer in gleicher Weise, die für die Aufgaben der Rechtsmedizin überhaupt keine Relevanz besitzen. Der Unterschied zwischen Grundlagenfächern, Klinik und Rechtsmedizin ist also nicht ein Mangel wissenschaftlicher Leistung im Fach Rechtsmedizin, sondern eine Resultante der im Fach bearbeiteten Fragestellungen, den hierfür zur Verfügung stehenden Methoden und den Adressaten spezifisch rechtsmedizinischer Forschungsergebnisse. Im Gegensatz zu einer reduktionistisch-naturwissenschaftlichen Forschung, wie sie derzeit für die meisten medizinischen Disziplinen paradigmatisch ist, hat die Rechtsmedizin darüber hinaus als typisches Querschnittsfach große Schnittmengen zu geistes- und sozialwissenschaftlichen Disziplinen, die sich im Forschungsprofil niederschlagen. Prof. Dr. med. Burkhard Madea Institut für Rechtsmedizin der Universität Bonn Stiftsplatz 12, 53111 Bonn Mail:
[email protected] Tel.: 0228 / 738315, Fax: 0228 / 738368
Abstracts Toxikologie V-8 MEHR SICHERHEIT BEI DER FAHREIGNUNGSBEGUTACHTUNG: ZUR EINSCHLAFNEIGUNG VON SUBSTITUIERTEN OPIATABHÄNGIGEN IM VERGLEICH ZU ANDEREN PROBANDENGRUPPEN Grellner W1, Lehmann S1, Koch A2, Urban R1 1Institut für Rechtsmedizin der Universität Mainz, Am Pulverturm 3, 55131 Mainz 2Gesundheitsamt der Stadt Mainz Nach den Begutachtungs-Leitlinien zur Kraftfahrereignung sind Heroinabhängige, die mit Methadon substituiert werden, in der Regel nicht geeignet, ein Kraftfahrzeug zu führen. In seltenen Ausnahmefällen soll eine positive Beurteilung möglich sein. In der vorliegenden Studie wurde geprüft, ob die Tagesvigilanz von Opiatabhängigen mit einem neueren pupillographischen Schläfrigkeitstest (PST) näher eingeschätzt und damit die Begutachtung der Fahreignung ergänzt werden kann. Die Ergebnisse werden verglichen mit einer Kontrollgruppe (n=21), chronischen Schmerzpatienten unter Opioiden (n=23) und medizinischem Nachtdienst-Pflegepersonal (n=40). Auf freiwilliger Basis wurden 52 Drogenabhängige (34 Männer, 18 Frauen, Alter: 32 ± 9 Jahre) einbezogen, die in stabiler Form mit Methadon (n=29), Levomethadon (n=4) und Buprenorphin (n=19) substituiert wurden. Ihre objektive Einschlafneigung wurde jeweils am Vormittag vor und nach einer Belastungssituation in zwei Testdurchläufen computergestützt mit dem PST gemessen. Als Leitparameter diente der Pupillenunruhe-Index (PUI, Norm: ca. 4,5 mm/ min, erhöht ab 6,6 mm/min, pathologisch ab 9,8 mm/min). Die Probanden unter einer Substitutionstherapie zeigten im Mittel eine signifikant erhöhte Tagesschläfrigkeit (PUI1: 8,8 mm/min, p<0,001), die nach einer Dauerbelastung auf pathologische Werte signifikant anstieg (PUI2: 12,7 mm/min, p<0,001). Bei einer zusätzlichen Graduierung der Einschlafneigung unter Einbeziehung des Testverhaltens schnitten 81 % der Probanden bereits beim ersten Testdurchlauf mit auffälligen Werten ab, beim zweiten PST waren dies 98 %. Probanden mit Methadon und Buprenorphin unterschieden sich nicht signifikant voneinander, der PUI2 nach Dauerbelastung war bei Methadonpatienten allerdings tendenziell höher. Die Schläfrigkeitswerte der Studiengruppe lagen deutlich höher als in allen anderen Gruppen (jeweils PUI1 und PUI2 in mm/min): Kontrollgruppe (5,6 und 6,4), Schmerzpatienten unter Opioiden (8,0 und 9,9), medizinisches Nachtdienst-Pflegepersonal nach (!) Nachtschicht (7,2 und 10,0). Insoweit ergeben sich erhebliche Defizite bei der Tagesvigilanz von substituierten Opiatabhängigen, die – zumindest im Durchschnitt – keine Anhaltspunkte für eine eventuelle positive Beurteilung der Fahreignung erkennen lassen. V-9 ANALYTISCHE HAARBEFUNDE ZUM NACHWEIS EINES HEROINKONSUMS Lachenmeier K, Mußhoff F, Wollersen H, Madea B Institut für Rechtsmedizin der Universität Bonn Einführung: Gegenstand einer Studie war die Bestimmung der Opiatkonzentrationen (Heroin = HER, Monoacetylmorphin = MAM, Morphin = MOR, Codein = COD, Acetylcodein = AC) in Haaren nach kontrollierter Aufnahme von Heroin insbesondere zur Überprüfung möglicher Dosis-Konzentrationsbeziehungen sowie zur Wertigkeit von AC als Marker für einen Konsum von Straßenheroin. Methodik: Nach der kontrollierten i.v.-Gabe von pharmazeutischem HeroinHCl (10-1000 mg/d) wurden die Opiatkonzentrationen in Kopfhaaren unter Einsatz einer validierten GC-MS-Methode mit Nachweisgrenzen zwischen 0,02 und 0,04 ng/mg bestimmt (n = 46). Zudem wurde ein Kollektiv von opiatassoziierten Todesfällen (n = 24) untersucht.
Ergebnisse: Die ermittelten Konzentrationen im proximalen Segment (1 cm) lagen bei der Patientengruppe für HER zwischen 0,04 und 0,21 ng/mg, für MAM zwischen 0,05 und 5,64 ng/mg und für MOR zwischen 0,03 und 8,37 ng/mg. Es fanden sich keine statistisch signifikanten Unterschiede in den ermittelten Konzentrationen im Vergleich zu den opiatassoziierten Todesfällen (HER 1,55-5,2 ng/mg, MAM 0,0430,01 ng/mg, MOR 0,03–11,87 ng/mg). Nach kontrollierter Heroingabe fand sich eine Korrelation zwischen der aufgenommenen Dosis und dem Gesamtopiatgehalt in den Haaren (r=0,66). Bei Betrachtung der Einzelanalyten wurden mit der jeweiligen Plasmahalbwertszeit ansteigende Korrelationskoeffizienten ermittelt (r=0,42, r=0,58 und r=0,69 für HER, MAM und MOR). COD und AC wurden in 13,0 % bzw. 10,9 % der Proben aus dem Heroinvergabeprojekt detektiert, bei den opiatassoziierten Todesfällen in 33,3 % bzw. 16,7 % der Fälle. Diskussion: Durch die hier erlangten Ergebnisse wurden erste Beobachtungen von Kintz et al. bestätigt, wonach nach HER-Abusus bei Haaranalysen Dosis-Konzentrationsbeziehungen bedingt aufzustellen sind und am ehesten die ermittelte MOR-Konzentration mit der aufgenommenen Menge an HER korreliert. Fehlende Unterschiede in den ermittelten Opiatkonzentrationen in den Haaren von Teilnehmern an einem kontrollierten Heroinvergabeprojekt und von opiatassoziierten Todesfällen unterstützen nicht die teilweise aufgestellte Hypothese, dass eine herabgesetzte Gewöhnung als mittodesursächlich angesehen werden kann. Zudem wird bei fehlendem Nachweis von AC auch bei der Mehrzahl der Verstorbenen dessen Eignung als charakteristischer Marker eines vorausgegangenen Konsums von Straßenheroin in Frage gestellt. V-10 TOXIKOLOGISCHE UNTERSUCHUNGEN AN FELLHAAREN VON RAUSCHGIFTSPÜRHUNDEN Verhoff MA1, Riße M1, Köhler K2, Erdmann F1, Willumat KH3, Schütz H1, Weiler G1 1Institut für Rechtsmedizin, Universitätsklinikum Gießen 2Insitut für Veterinärpathologie, Universität Gießen 3Polizeipräsidium Mittelhessen Über einen Rauschgiftspürhund, der im Rahmen einer turnusmäßigen Übungsveranstaltung eine Überdosis Amphetamin aufnahm und daran verstarb, sowie die damit verbundenen forensisch-toxikologischen und veterinärpathologischen Untersuchungen wurde anlässlich der diesjährigen Frühjahrstagung der Deutschen Gesellschaft für Rechtsmedizin – Region Nord – in Köln kasuistisch berichtet. Dieser Fall war Anlass für systematische weiterführende Untersuchungen zur möglichen Aufnahme von oder Kontamination mit illegalen Drogen (Amphetaminderivate, Cannabinoide, Kokain und Opiate) bei Rauschgiftspürhunden. Untersucht wurden Fellproben von 2 Probandengruppen. Die erste Gruppe bestand aus 5 Tieren, die seit 1,5 bis 4 Jahren als Rauschgiftspürhunde eingesetzt waren. Die zweite Gruppe wurde aus 4 Rauschgiftspürhunden rekrutiert, die sich am Ende einer 12wöchigen Trainingsphase befanden, in der die Tiere täglich Übungseinheiten absolviert hatten. Die Haaranalyse der Tiere von Gruppe 1 und einer Kontrollgruppe, die 10 Patienten aus den Veterinärkliniken gebildet wurde, verlief negativ. Bei Gruppe 2 waren dagegen in allen Proben Drogen nachzuweisen; allerdings war auch jeweils das erste Waschwasser positiv. Die Ergebnisse von Gruppe 2 sprechen für eine Kontamination. Unsere Ergebnisse belegen zunächst, dass an der möglicherweise übertrieben erscheinenden Forderung, nämlich forensische Laboratorien zur Untersuchung von Drogenasservaten und forensisch-toxikologische Untersuchungsstellen zur Haaranalytik strikt zu trennen, festzuhalten ist. Durch Überprüfung der Trainingsabläufe zeigte sich, dass ein Kontakt des Fells mit den Drogen möglich war. Verschiedene Möglichkeiten für die Einlagerung von Drogen in Tierhaaren werden diskutiert und hinsichtlich der konkreten Analysenergebnisse interpretiert. Rechtsmedizin 4 · 2004
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V-11 NACHWEIS VON METHYLPHENIDAT IN HAAREN MIT RITALIN® BEHANDELTER KINDER Sticht G1, Käferstein H1, Sevecke K2, Döpfner M2, Rothschild MA1 1Institut für Rechtsmedizin Köln 2Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters Köln Methylphenidat-Hydrochlorid (Ritalin®), ein mit den Weckaminen strukturverwandter Wirkstoff, wird vor allem zur Behandlung der „Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung“ (ADHS) bei Kindern eingesetzt. Da die Behandlung überwiegend ambulant erfolgt, erhob sich die Frage, ob die Haaranalyse für die Überprüfung der Compliance geeignet ist. Methylphenidat lässt sich u.a. gaschromatographisch-massenspektrometrisch als Heptafluorbuttersäure-Derivat (PFB-Derivat) ähnlich wie andere Weckamine empfindlich nachweisen. Ein für die Haaranalyse benötigter deuterierter interner Standard ist allerdings bisher nicht erhältlich. Durch Umesterung mit deuteriertem Ethanol ließe sich zwar evtl. deuteriertes Methylphenidat gewinnen, aber bei der massenspektrometrischen Detektion zeigt sich weit überwiegend ein Fragment, das die Ester-Gruppe des Moleküls nicht enthält. Es wurde als interner Standard Norpethidin, ein Metabolit des Pethidin (Dolantin®) verwendet. Diese Substanz hat den Vorteil, dass sie die gleiche Molmasse wie Methylphenidat besitzt und strukturverwandt ist. Sie besitzt ebenso wie Methylphenidat eine Piperidin-Gruppe, die derivatisiert wird, sowie eine Phenyl- und eine Ester-Gruppe. 20 Kindern, die seit 2 bis zu 53 Monaten mit einer Tagesdosis von 10 bis 60 mg Methylphenidat behandelt worden waren, wurden mit Einverständnis der Eltern und der Ethikkommission Haarproben entnommen und auf Methylphenidat untersucht. Die Konzentrationen lagen zwischen 0,002 und 0,18 ng/mg Haare. Bei der Mehrzahl der Fälle, insbesondere bei einer Tagesdosis von 10 bis 20 mg, lagen die Konzentrationen im untersten Konzentrationsbereich von 0,01 ng/mg Haare und darunter. Damit erwies sich, dass Methylphenidat nur wenig in das Haar eingelagert wird. Nur bei der Höchstdosis von 60 mg bzw. 40–60 mg/Tag waren die Konzentrationen mit 0,18 bzw. 0,053 ng/mg Haare höher. Prof. Dr. rer. nat. H. Käferstein, Institut für Rechtsmedizin, Universitätsklinikum Köln, Melatengürtel 60–62, 50823 Köln. Tel.: +49 (0) 221 478-4273. Fax: +49 (0) 221 478 86183. e-Mail: herbert.kä
[email protected] V-12 DER DROGENKONSUMRAUM IM SPIEGEL DER DROGENSZENE Graß H1, Kimont HG2, Rothschild MA1 1Institut für Rechtsmedizin, Klinikum der Universität zu Köln 2Gesundheitsamt der Stadt Köln Zur Verbesserung der Lebensbedingungen von schwerst Drogenabhängigen sind vielerorts unterschiedliche Angebotsstrukturen geschaffen worden. Darunter fällt seit einigen Jahren auch die Einrichtung von sogenannten Drogenkonsumräumen. Im August 2001 wurde auch in Köln ein solcher „Druckraum“ eingerichtet. Laut betreuender Drogenhilfeeinrichtung wird das Angebot gut angenommen, eine vorherige Registrierung als „Nutzer“ ist vorgeschaltet. Zur Ergänzung der aktuellen Datenlage wurden die Kölner Drogentodesfälle ab dem Jahr 2002 darauf hin überprüft, ob die Personen den Konsumraum genutzt hatten. Diese Recherche ergab für 6 % eine Nutzung. Zusätzlich erfolgte im Rahmen einer „Szene“-Befragung eine Erhebung zur Nutzung von Einrichtungen aus dem Drogenhilfesystem, u.a. auch zum Konsumraum. Die insgesamt 260 befragten Drogenabhängigen kannten zu 52 % den Konsumraum, eine Nutzung gaben 16 % an. Eine differenzierende Betrachtung der Daten wies folgende Besonderheiten aus: Frauen nutzten den Konsum-
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raum etwas öfter als Männer (19 % der Frauen vs. 14 % der Männer), überwiegend wurde eine tägliche Nutzung angegeben. Im Vergleich zur Gruppe der „Nicht-Nutzer“ war der Anteil der wohnungslosen Personen mit 49 % vs. 16 % deutlich erhöht, auch wurde zu einem höheren Anteil in öffentlichen Einrichtungen oder auf der Straße konsumiert (63 % vs. 55 % „draußen“). Die Selbsteinschätzung des Gesundheitszustandes auf einer Skala von 1(sehr gut)–5 lag im Mittel unter dem der „Nicht-Nutzer“. Im Hinblick auf unterschiedliche Therapieerfahrungen berichteten die Nutzer im höheren Maße über solche Erfahrungen, z. B. Substitution 54 % vs. 37 %. Im Sinne einer ersten Interpretation dieser Ergebnisse scheint sich eine gute Akzeptanz eines Drogenkonsumraumes besonders für solche Personen abzuzeichnen, deren Wohnsituation einen „geschützten“ Konsum sonst nicht ermöglichen kann. Auch wenn in Köln die Zahl der Drogentodesfälle im Jahr 2003 – dem allgemeinen Trend folgend – rückläufig war, so wäre ein Einfluss durch das neue Angebot mit Blick auf die schwankenden Fallzahlen in den letzten 15 Jahren jedoch eine Überinterpretation. Die Verbesserung der Konsumbedingungen und ein medizinisches Hilfeangebot sind aber dennoch wichtige Bausteine in den Bemühungen um eine Verbesserung der Lebensbedingungen von Drogenabhängigen. Wir bedanken uns bei Prof. Holm, KFH/NW und den Studierenden der KFH/NW, bei Dr. Briesemeister, Städt. Kliniken Köln-Merheim, Dr. Kuhlmann, Psychosomatische Klinik Berg.-Gladbach und den dortigen Teams, bei der Drogenhilfe Köln e.V. und dem SKM Köln e.V. für die Unterstützung bei der Datenerhebung. Dem MGSFF NRW ist für die finanzielle Unterstützung zu danken. V-13 „WIE KRANK IST DIE SZENE?“ – BEFRAGUNG UND UNTERSUCHUNG ZUM GESUNDHEITSSTATUS VON SCHWERST DROGENABHÄNGIGEN Graß H1, Steidl M1, Kimont HG2, Käferstein H1, Rothschild MA1 1Institut für Rechtsmedizin, Klinikum der Universität zu Köln 2Gesundheitsamt der Stadt Köln Die gesundheitlichen Beeinträchtigungen durch Drogenkonsum und die damit verbundenen ungünstigen Lebensumstände dürfen als hinreichend bekannt vorausgesetzt werden, sind sie doch u.a. der Grund für verschiedene Hilfeangebote an Drogenabhängige. In Ergänzung zur Kölner Untersuchung von Drogentodesfällen der Jahre 1989 bis 2003 sollten auch Daten aus der Gruppe der Konsumierenden gewonnen werden. Eine Befragung (n=260) in der Szene und eine standardisierte Anamnese und Untersuchung von Drogenabhängigen (n=78) erbrachte zum Gesundheitsverhalten und Gesundheitsstatus exemplarisch folgende Erkenntnisse: 33 % der Befragten schätzten ihre Gesundheit als höchstens ausreichend ein, bei gleichzeitiger Wohnungslosigkeit stieg dieser Anteil nur gering auf 39 %. 53 % benannten eine HCV-Infektion, 17 % eine HBV-Erkrankung. Bezogen auf die untersuchten Probanden ergab sich eine deutliche Diskrepanz zwischen der Eigenanamnese und der serologischen Untersuchung; z. B. HBV: Anamnese 21 %, serologisch 50 %. 51 % gaben an, max. 4 Wochen zurückliegend einen Arzt aufgesucht zu haben, 15 % hatten das aufsuchende medizinische Angebot des Gesundheitsamtes genutzt. Mehrheitlich lagen unterschiedliche „Therapie“-Erfahrungen (Entgiftung bis medizin. Rehabilitation) vor. Neben der Behandlung von Haut-affektationen und Erkrankungen der Atemwege wurde als Grund für die Arztkontakte – insbesondere von den untersuchten Personen – auch die Einleitung von Therapiemaßnahmen angegeben. Die spezifische Untersuchung (unter Anwendung verschiedener Laborparameter) zur Überprüfung des Gesundheitsstatus ergab erwartungsgemäß häufig pathologische Leberwerte, besonders oft lag der Zinkgehalt nicht im Normbereich (Normwerte 33 % Frauen, 29 % Männer). Insgesamt spiegelt die Erhebung – in Übereinstimmung mit den Ergebnissen der Todesfallanalyse – einen relativ stabilen Gesundheitszustand auf niedrigem Niveau wieder. Eingedenk der dokumentierten „Therapie“-Erfahrungen mag hierhin ein Einfluss durch
Abstracts die – wenn auch diskontinuierliche – gesundheitliche Versorgung erkennbar sein. Wir bedanken uns bei Prof. Holm, KFH/NW und den Studierenden der KFH/NW, bei Dr. Briesemeister, Städt. Kliniken Köln-Merheim, Dr. Kuhlmann, Psychosomatische Klinik Berg.-Gladbach und den dortigen Teams, bei der Drogenhilfe Köln e.V. und dem SKM Köln e.V. für die Unterstützung bei der Datenerhebung. Dem MGSFF NRW ist für die finanzielle Unterstützung zu danken. V-14 BLUTSPIEGEL VON HEROINFOLGEPRODUKTEN BEI HOCHDOSIERTER HEROINAPPLIKATION Teske J1, Weller JP1, Tröger HD1, Koal T2, Kaever V2, Breyer R3, Schlimmer J3, Schneider U3, Zedler M3 1Institut für Rechtsmedizin, Medizinische Hochschule Hannover 2Institut für Pharmakologie, Medizinische Hochschule Hannover 3Abteilung für Klinische Psychiatrie und Psychotherapie, Medizinische Hochschule Hannover Im Rahmen der Untersuchungen wurden Serumproben von Patienten aus dem bundesdeutschen Modellprojekt zur heroingestützten Behandlung Opiatabhängiger untersucht. Die Patienten erhalten nach einer entsprechenden Einstellung bis zu 1 g Heroin-Hydrochlorid pro Tag, so dass zum Teil deutlich höhere Dosen als bei illegalem Konsum von Straßenheroin aufgenommen werden. Die in den rechtsmedizinischen Institute vorhandenen Vergleichswerte und Erfahrungen zur Beurteilung von Serumkonzentration beziehen sich dagegen ganz überwiegend auf Fälle aus der illegalen Drogenszene. Nach ersten Voruntersuchungen mit 4 Probanden wurden jetzt von 18 Patienten mit Tagesdosen zwischen 160 bis 1000 mg Heroinhydrochlorid je 4 Proben gewonnen. Die Blutentnahmen erfolgten jeweils vor sowie 30 Minuten nach der Morgen- und der Abendapplikation. Die Blutproben wurden nach der Entnahme abgesert, mit NaF versetzt und bis zur Untersuchung tiefgefroren gelagert. Zur Bestimmung der Heroinfolgeprodukte Morphin, 6-Monoacetylmorphin, Morphin-3glucuronid und Morphin-6-glucuronid wurden die Serumproben mittels LC/MS/MS (ESI, positiv Mode) untersucht. Die Aufarbeitung erfolgte mittels Festphasenextraktion an C18-Kartuschen unter Verwendung deuterierter Standards von Morphin, 6-Monoachetylmorphin und Morphin-3-glucuronid. Die Messwerte werden vorgestellt und diskutiert; auf der Grundlage der ermittelten Daten sollte eine Einordnung von Befunden bei forensisch-toxikologischen Fragestellungen nach hochdosierter Heroinapplikation prinzipiell möglich sein. V-15 ZUR WERTIGKEIT VON HEROINMARKERN IM URIN NACH KONSUM VON MOHNPRODUKTEN Trafkowski J, Mußhoff F, Madea B Institut für Rechtsmedizin der Universität Bonn Einführung: Klassische Heroinmarker bei Urinuntersuchungen sind Morphin (MOR), Morphin-3-Glucuronid (M3G), Morphin-6-Glucuronid (M6G) und insbesondere 6-Monoacetylmorphin (MAM). Zur Differenzierung eines Konsums von pharmazeutischem Heroin bzw. von Straßenheroin dienen zudem Codein (COD), Codein-6-Glucuronid (C6G), Acetylcodein (AC), Noscapin (NOS) und Papaverin (PAP). Es stellt sich die Frage, inwieweit diese Substanzen nach der Aufnahme opiathaltiger Lebensmittel im Urin anzutreffen sind. Methodik: Mittels LC-ESI-MS/MS werden verschiedene Mohnprodukte auf oben angeführte Substanzen analysiert. Zusätzlich werden nach Ingestion mohnhaltiger Lebensmittel Urinproben von Probanden auf diese „Heroinmarker“ untersucht und die Exkretion der angeführten Substanzen verfolgt. Zusätzlich wurde 6 Stunden nach Ingestion ein Schweißtest auf Opiate mittels DrugWipe durchgeführt.
Ergebnisse und Diskussion: In den untersuchten Mohnprodukten (n=11) wurden MOR (0.1-88 µg/g), COD (0.05-16 µg/g), NOS (0.021.5 µg/g) und PAP (0-0.06 µg/g) detektiert. Nach der Aufnahme von Mohn in Mengen zwischen 20 und 60 g wurden im Urin von Probanden MOR (bis 0.01 µg/ml), vor allem jedoch M3G (bis 3 µg/ml) und M6G (bis 3 µg/ml), sowie zusätzlich COD (bis 0.01 µg/ml) und C6G (bis 0.1 µg/ml), jedoch kein NOS und PAP detektiert. Die Nachweisbarkeitsdauer im Urin lag bei 36–48 Stunden. Bei der Hälfte der Probanden war der Schweißtest auf Opiate positiv. Durch diese Untersuchungen wird bestätigt, dass als klassischer Marker eines Heroinabusus bei Urinanalysen MAM anzusehen ist. Zur Differenzierung eines Konsums von pharmazeutischem Heroin und Straßenheroin bietet sich als sicherer Marker nur AC an, da alle anderen oben angeführten Opiate oder deren Metaboliten zumindest hypothetisch nach Verzehr mohnhaltiger Lebensmittel oder Arzneimittel im Urin erwartet werden können. Bei einem Verzehr üblicher Mengen an Mohn waren NOS und PAP allerdings in der gegenständlichen Studie nicht zu detektieren, wohingegen ein Schweißtest auf Opiate durchaus auffällig verlaufen kann. V-16 GLUCURONIDIERUNG VON PARACETAMOL UNTER EINWIRKUNG ALIPHATISCHER ALKOHOLE IN VITRO Boldt P, Käferstein H Institut für Rechtsmedizin Köln Die Glucuronidierung ist ein wichtiger Metabolisierungsschritt im menschlichen Organismus für viele Arzneistoffe, Drogen und körpereigene Stoffwechselprodukte. Durch verschiedene Isoenzyme in den Lebermikrosomen wird Glucuronsäure an die jeweilige Substanz gebunden, wodurch diese wasserlöslicher wird. Da sehr viele Stoffe glucuronidiert werden, kann es dabei zu verschiedenartigen Wechselwirkungen und Konkurrenzen um die Enzyme kommen. Interessant für nähere Untersuchungen der Interaktionen sind Substanzen, die auch in vivo häufig gleichzeitig zugeführt und glucuronidiert werden. Paracetamol ist ein Arzneistoff, der neben Glucuronsäure- und Sulfatkonjugaten auch einen leberschädlichen Metaboliten bilden kann. Bei einer Hemmung der Glucuronidierung durch andere Stoffe ist daher mit einer erhöhten Lebertoxizität zu rechnen. Auch aliphatische Alkohole können glucuronidiert werden, jedoch je nach Art des Alkohols in unterschiedlichem Ausmaß. Daher haben wir im Rahmen unserer in vitro Versuche mit menschlichen Lebermikrosomen Paracetamol unter Einwirkung von verschiedenen Alkoholen (C1 bis C5) glucuronidiert. Es wurde bestimmt, wie viel Paracetamolglucuronid gebildet wird alleine und bei gleichzeitiger Anwesenheit jeweils verschiedener Konzentrationen eines Alkohols. Das gebildete Paracetamolglucuronid wurde durch HPLC-DAD quantifiziert. Nach enzymkinetischer Auswertung der Daten konnten Hemmtyp und Hemmkonstante Ki des jeweiligen Alkohols bestimmt werden. Ebenso wurde untersucht, welchen Einfluss die Kettenlänge, die Stellung der OH-Gruppe und die Verzweigung der Alkylkette haben. Bei Methanol und Ethanol war keine Hemmung messbar. Für alle weiteren Alkohole ergab sich ein gemischter Hemmtyp. Die Kettenlänge des Alkohols war von größter Bedeutung für die Hemmwirkung, Ki sank mit zunehmender Kettenlänge. Primäre Alkohole hemmten stärker als sekundäre, unverzweigte stärker als verzweigte. Prof. Dr. rer. nat. H. Käferstein Institut für Rechtsmedizin, Universitätsklinikum Köln Melatengürtel 60-62, 50823 Köln Tel.: +49 (0) 221 478-4273. Fax: +49 (0) 221 478-86391 e-Mail:
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V-17 GRENZEN DER INTERPRETATION – BEGUTACHTUNG VON KOKAINKONSUM ANHAND VON BLUTBEFUNDEN Toennes SW, Kauert G Institut für Forensische Toxikologie, Zentrum der Rechtsmedizin, Kennedyallee 104, D-60596 Frankfurt/Main Grenzen der Interpretation: In einigen Regionen Deutschlands werden fluoridhaltige Vacutainer als Alternative zu den sonst eingesetzten zusatzfreien Vacutainern verwendet. Kokain (COC) findet sich in der Regel nur in stabilisierten Blutproben, des Weiteren wird auch das Hauptabbauprodukt Benzoylecgonin (BZE) in unstabilisierten Proben auf die Hälfte reduziert, was die Abschätzung der konsumierten Dosis erschwert. Ohne Kokainnachweis ist der Konsum zeitlich nicht einzuordnen. BZE wird nach dem Konsum etwa während 1,5 Tagen aus dem Blut ausgeschieden und gibt deshalb keinen verlässlichen Hinweis. Das Abbauprodukt Ecgoninmethylester (EME) entsteht beim in-vitro Abbau von Kokain und könnte im Bezug zu dessen ursprünglicher Konzentration stehen. Dieser Zusammenhang ist bisher kaum untersucht worden. Untersuchungen und Ergebnisse: Auch in fluorid-stabilisierten authentischen Blutproben findet sich EME. Analysenbefunde derartiger Proben (n=29) und anderer forensischer Proben ohne Stabilisatoren (n=148) wurden hinsichtlich des Konzentrationsverhältnisses von EME und BZE verglichen. Der Median lag bei den stabilisierten Proben deutlich niedriger als bei den unstabilisierten (6,2 % vs. 15,3 %). Ein EME-Anteil von mehr als 11 % fand sich in nur 3 % der stabilisierten, aber in 65 % der unstabilisierten Proben. Für Stabilitätsuntersuchungen mit COC, EME und BZE bei Raumtemperatur wurde der pH-Wert authentischer Proben zugrunde gelegt. Bei 58 forensischen Proben lag der pH bei Probeneingang bei 7,30±0,14 und erhöhte sich nur gering auf 7,47±0,13 (p<0,001) während 16 Tagen Lagerung (18°C). Ausgehend von auf 0,25, 0,5 und 1 µg/ml COC und auf jeweils doppelte BZE-Konzentration aufgestockten Serumproben wurden Bestimmungen über 15 Tage durchgeführt. COC war schon nach einem Tag fast vollständig abgebaut, von da an verringerten sich die EMEund BZE-Konzentrationen exponentiell und sehr ähnlich mit einer Halbwertszeit von 5,8 bzw. 7,2 Tagen unter Erhalt des Verhältnisses von >10 %. Schlussfolgerungen: Kokain unterliegt in Serumproben einem schnellen und vollständigen in-vitro Abbau bei nahezu physiologischem pH vor allem zu EME, das nahezu parallel zu BZE exponentiell weiter abgebaut wird. In unstabilisierten Proben zeigen EME-Konzentrationen von mehr als 11 % bezogen auf BZE die Anwesenheit von Kokain zum Entnahmezeitpunkt an. V-18 ERFAHRUNGEN MIT NEUEN SPEICHELTESTS ZUM DROGENSCREENING Käferstein H, Falk J, Rothschild MA Institut für Rechtsmedizin, Klinikum der Universität zu Köln Im Rahmen der Verdachtsgewinnung ist die Polizei verstärkt bestrebt, vor Anordnung einer Blutentnahme einen Vortest auf Drogen einzusetzen. Dies gilt insbesondere bei Verdacht auf Konsum der in § 24a, Abs. 2 StVG genannten Substanzen durch Straßenverkehrsteilnehmer. Gut bewährt hatten sich nach unseren Erfahrungen von der Polizei durchgeführte Urintests mit QuickScreen5®, wobei allerdings die Sicherung und Untersuchungen von Urin generell als problematisch und zeitaufwändig angesehen wurde. Seit Ende 2003 muss die Polizei in Nordrhein-Westfalen als Vortest den DrugWipeII® einsetzen. Er wird überwiegend als Speicheltest verwendet, bei fehlender Kooperation des Betroffenen auch als Wischtest. In Fällen, in denen DrugWipe® eingesetzt wurde, erfahren wir das Testergebnis teils mit dem Auftrag auf alle in alle § 24a aufgeführte Substanzen zu untersuchen, teils mit dem Auftrag, gezielt zu analysieren und nur dann den Untersuchungsumfang zu erweitern, wenn ein positives DrugWipe®-Ergeb-
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nis nicht zu bestätigen ist. Probanden, die in unser Institut kommen, um Körperflüssigkeiten abzugeben und im Hinblick auf Drogenfreiheit untersuchen zu lassen, bieten wir den nach Herstellerangaben sehr empfindlich Speicheltest Cozart RapiScan® der Firma Microgenics auf Cannabis an. Der DrugWipe® überzeugt mit den Opiatergebnissen. 26 % aller Fälle waren positiv verlaufen, die auch alle bestätigt werden konnten. Falsch negative Fälle wurden von uns nicht beobachtet. Bei Amfetamin und Cocain traten in jeweils 14 % der Fälle Diskrepanzen auf, bei den Amfetaminen überwiegend falsch positive und bei Cocain überwiegend falsch negative DrugWipe®-Resultate. Besonders häufig waren die Diskrepanzen zwischen DrugWipe® und unseren Untersuchungen bei Cannabis. 14 % der DrugWipe®-Tests waren falsch negativ und 10 % falsch positiv verlaufen. Bei bislang nur kleiner Fallzahl scheint der RapiScan® nicht zuverlässiger zu sein. In 24 % wurden falsch negative und in 6 % falsch positive Ergebnisse erzielt. Speicheltests scheinen somit bislang wesentlich schlechter als Urintests geeignet, einen Verdacht auf Drogenkonsum zu objektivieren. Dies gilt insbesondere für die am häufigsten konsumierte illegale Droge Cannabis. Dies gilt insbesondere für die am häufigsten konsumierte illegale Droge Cannabis. V-19 DER IMMUNOASSAY IM ROUTINE-SCREENING: MÖGLICHKEITEN, GRENZEN UND RISIKEN Auch J, Verhoff MA, Erdmann F, Weiler G, Schütz H Institut für Rechtsmedizin, Universitätsklinikum Gießen Immunchemische Screeningverfahren werden wegen der guten Praktikabilität und meist auch akzeptablen Sensitivität inzwischen weltweit zum Screening von Drogen und anderen Fremdstoffen herangezogen. Beträchtliche Risiken bestehen jedoch hinsichtlich ihrer Spezifität (d. h. der permanenter Gefahr falsch-positiver und falschnegativer Ergebnisse), der Definition und Bewertung von Cut-OffWerten und nicht zuletzt auch der Manipulation und Verfälschung. Eine beweissichere Bestätigungsanalyse ist daher unumgänglich, stößt jedoch bei vielen Anwendern auf Schwierigkeiten, wobei meist Kostengründe als Ursache angeführt werden. Häufig erkennt man seitens der Anwender auch die Schwächen und Risiken eines alleinigen immunchemischen Screenings und versucht die Bestätigungsanalyse durch kostengünstigere Verfahren (z. B. Kreatininkorrektur, „Bestätigungsanalytik“ mit anderen immunchemischen Tests bzw. mehr oder weniger validen chromatographischen Verfahren und neuerdings sogar einfachen Teststäbchen) zu umgehen. Es werden Untersuchungsergebnisse zur Frage der Kreuzreaktivität und Aussagekraft im Bereich der Cut-Off-Werte mitgeteilt. Weiterhin wird über Fälle berichtet, bei denen erst im fortgeschrittenen Verlauf der Ermittlungen mit Hilfe einer behördlicherseits angeordneten beweissicheren Bestätigungsanalyse verhängnisvolle Fehlinterpretationen aufgeklärt wurden und somit Falschbegutachtungen mit schwerwiegenden Konsequenzen für die Betroffenen vermieden werden konnten. V-20 REKONSTRUKTION DER INDIVIDUELLEN PHARMAKOKINETIK DES MORPHINS, CODEINS UND DEREN GLUCURONIDE NACH STRASSENHEROINKONSUM Wirasuta IMAG1, Thoben M2, Duchstein HJ3, Kijewski H1 1Abt. forensische Chemie, Universität Udayana, Indonesien 2IFR Bremen, ZKH Sankt-Jürgen-Strasse, D-28205 Bremen 3Inst. Pharmazie Hamburg, Bundestrasse 45, D-20146 Hamburg Morphin und Codein sind sehr häufig nach Straßenheroinkonsum nachweisbar. Morphin hat zwei Reaktionszentren für die Glucuronidierung, Codein dagegen nur eines. Es ist deshalb zu erwarten, dass Morphin wesentlich schneller als Codein glucuronidiert wird. In der
Abstracts Literatur finden wir aber eine fast vollständige Überlappung der Streubereiche der terminalen Halbwertszeiten dieser Substanzen. Dieses Phänomen erklären wir durch inter-individuelle Einflussgrößen. Bei einer Person haben aber die Opiate das gleiche innere Milieu. Aus den vorliegenden Opiatbefunden des IFR Göttingen wurden unter bestimmten Randbedingungen 104 Fälle ausgewählt und dabei die Konzentrationsquotienten (gebundenes/freies Morphin, „QMGM“ und gebundenes/freies Codein, „QCGCOD“) berechnet. Die Randbedingungen waren: Der Opiatkonsum war überlebt worden und die freien und gebundenen Opiate (Morphin und Codein) waren nachweisbar. Die intra-individuelle Pharmakokinetik der Opiate nach i. v. Straßenheroingabe wurde rechnerisch simuliert. Die Ergebnisse der Simulation wurden mit den ausgewerteten Opiatbefunden verglichen. In allen ausgewerteten Fällen waren die QCGCOD-Werte kleiner als die QMGM-Werte. Für den Differenzquotient (∆Q=QMGM-QCGCOD) und den QMGM ergab sich eine lineare Korrelation. Die Ergebnisse dieser Studie sprechen für die Richtigkeit der Hypothese (Codein wird bei einer Person langsamer als Morphin eliminiert). Bei zusätzlicher Berücksichtigung der Codeinbefunde und unter Anwendung dieser Hypothese ergibt sich eine Verbesserung der Interpretation der Opiatbefunde sowohl hinsichtlich ihrer Genese als auch der Abschätzung des Zeitverlaufs nach Straßenheroinkonsum. Dr. rer.nat. I.M.A. Gelgel Wirasuta, MSi. Abteilung Forensische Chemie Institut für Chemie der Universität Udayana Kampus-Bukit-Jimbaran, Denpassar, Indonesien
[email protected] V-21 BETÄUBUNGSMITTEL ODER LÖSUNGSMITTEL: GAMMAHYDROXYBUTYRAT (GHB) UND SEIN PRECURSOR GAMMABUTYROLACTON (GBL) Kröner L, Graß H, Sticht G, Rothschild MA Institut für Rechtsmedizin, Klinikum der Universität zu Köln In den letzten Jahren hat sich GHB einen festen Platz sowohl in der Techno- und Drogenszene, als auch in der rechtsmedizinischen Literatur erkämpft. Seit 2002 ist die Hydroxycarbonsäure als Betäubungsmittel klassifiziert. Analytisch nachgewiesene Fälle von Missbrauch sind zwar noch relativ selten, die Anzeichen für eine sehr hohe Dunkelziffer sind jedoch deutlich erkennbar. Dies liegt einerseits an der erschwerten Nachweisbarkeit des Wirkstoffes im Blut, fehlenden Screening-Methoden und der schnellen Elimination aus dem Körper, andererseits aber auch an der Verbreitung frei verkäuflicher Vorläufersubstanzen, die erst im Körper des Konsumenten die Droge freisetzen (z. B. Gammabutyrolacton, 1,4-Butandiol). Forensisch relevant ist daher neben der Analyse von Blut- und Urinproben insbesondere die sichere Unterscheidung zwischen GHB und den verkehrsfähigen Prodrugs, die im großen Maßstab als Lösungsmittel Verwendung finden. Die gängigen Screening-, Extraktionsund Analysemethoden können in Fällen von Btm-Verdachtsmaterialuntersuchungen fehlerhafte Ergebnisse liefern. Die Umwandlung des Lactons in die Säure und umgekehrt ist pH-abhängig und läuft mit guter Ausbeute schnell ab, was man sich bei einigen etablierten Nachweismethoden auf GHB in Körperflüssigkeiten zu Nutze macht. Vorgestellt werden anhand eines Fallbeispiels sehr spezifische und störungsunanfällige infrarot- und NMR-spektroskopische Analysemethoden sowie gaschromatographisch/massenspektrometrische Methoden, bei denen die Umwandlungstendenzen der Substanzen gering sind und eine Identifizierung der Inhaltsstoffe sicher erfolgen kann. Dr. rer.nat. L. Kröner Institut für Rechtsmedizin, Klinikum der Universität zu Köln Melatengürtel 60-62, 50823 Köln Tel.: ++49(0)221 478-86543. Fax: ++49(0)221 478-3496 e-mail:
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V-22 ABSCHÄTZUNG DER CO-HB-KONZENTRATION IN TOTENFLECKEN DURCH REFLEXIONSSPEKTROMETRIE UND MONTE-CARLO-SIMULATION Bohnert M1, Walther R2, Roths T2, Honerkamp J2 1Institut für Rechtsmedizin, Universitätsklinikum Freiburg, Albertstr. 9, 79104 Freiburg 2Freiburger Materialforschungszentrum, Stefan-Meier-Str. 21, 79104 Freiburg Bei Kälteexposition eines Leichnams nehmen die Totenflecken infolge Reoxygenierung des Hämoglobins eine hellrote Farbe an. Wichtigste Differentialdiagnose beim Vorliegen hellroter Totenflecken ist die Kohlenmonoxidvergiftung. Es konnte in der Vergangenheit gezeigt werden, dass durch reflexionsspektrometrische Messungen eine Unterscheidung hinsichtlich der Genese hellroter Totenflecken dann möglich ist, wenn die CO-Hb-Konzentration über 50 % beträgt. Hingegen war es bislang nicht möglich, aus den spektralen Reflexionskurven auf den CO-Hb-Gehalt in den Totenflecken zu schließen. Aus physikalischer Sicht lässt sich die Haut als optisch trübes, stark absorbierendes Medium auffassen, bei dem die Lichtausbreitung im Wesentlichen durch elastische Streuung am Kollagenfasernetzwerk, an den Mitochondrien und den Zellkernen sowie von der Absorption durch die Chromophore reduziertes Hämoglobin, Oxy-Hämoglobin, Bilirubin und Melanin dominiert wird. Die optischen Eigenschaften der Haut lassen sich bei bekannter Messgeometrie und bekanntem Beleuchtungsspektrum näherungsweise durch die Koeffizienten für Streuung und Absorption beschreiben. Diese Größen geben für jede Wellenlänge die Streu- bzw. Absorptionswahrscheinlichkeit pro Wegeinheit an. Auf der Basis dieser Parameter wurde ein mathematisches Hautmodell mit Hilfe von Monte-Carlo-Simulationen entwickelt. Durch Implementierung des Absorptionskoeffizienten von COHb in das Hautmodell sollte untersucht werden, ob mit diesem der CO-Hb-Gehalt aus spektralen Remissionskurven von Totenflecken bestimmt werden kann. Die bislang durchgeführten Untersuchungen an 30 Verstorbenen durch CO-Intoxikation zeigen, dass dies prinzipiell möglich ist: In nahezu allen Fällen konnten die tatsächlichen COHb-Werte durch die Monte-Carlo-Simulationen größenordnungsmäßig richtig geschätzt werden. V-23 NEUE STRATEGIEN IN DER REGULATORISCHEN TOXIKOLOGIE Bode G Institut für Pathologie und Toxikologie/Altana Pharma Hamburg Ziele der Regulatorischen Toxikologie (Arzneimittel und Chemikalien) sind Risikoerfassung, Risikobewertung, Extrapolation der Befunde von Tier auf Mensch und ein Risikomanagement, also Empfehlungen der Toxikologie an die Ärzte für den Umgang mit unerwünschten Nebenwirkungen. Für diese präklinischen Ziele der Sicherheit und Unbedenklichkeit sind oft in vivo Langzeitversuche erforderlich, dies gilt insbesondere für Studien zur Erfassung des teratogenen und cancerogenen Potentials. Derartige Untersuchungen sind zeit- und kostenintensiv und werden oft relativ spät im Entwicklungsprozess von Substanzen geplant. Eine adäquate Abschätzung dieser Risiken zu einem frühen Zeitpunkt ist wünschenswert, damit klinische Versuchspersonen ausreichend geschützt und die richtigen Kandidaten frühzeitig selektioniert werden können. Berichtet wird über neue Methoden und Strategien zur Optimierung dieses Sicherheits- und Selektionsprozesses. Als Optionen werden beschrieben: In vitro Methoden zur Cytotoxizität, in vitro Methoden zur Genotoxizität, in silico Methoden zum mutagenen und tumorigenen Potential, transgene und neonatale Modelle für die Canceroginität, Toxicogenomics Techniken zur Prädiktion toxischer Profile, embryonale Stammzellen und whole body cultures für die Teratogenität, juvenile Modelle für die Indikation von pädiatrischen Populationen und in vitro Methoden (z. B. hERG) zur ErfasRechtsmedizin 4 · 2004
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sung von QT-Verlängerungen als Indikatormarker für Torsades de Pointes. Dr. Gerd Bode Institut für Pathologie und Toxikologie/Altana Pharma Friedrich-Ebert-Damm 101, 22047 Hamburg Tel.: 040 69 422 101/2, Fax: 040 69 422899 e-mail:
[email protected] V-24 ATEMALKOHOL UND LUNGENFUNKTION – UNTERSUCHUNGEN ZU GERÄTEINTERNEN NORMWERTEN DES DRÄGER ALCOTEST 7110 EVIDENTIAL Wittig H, Jachau K, Nadolny C und Krause D Institut für Rechtsmedizin der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg Bei experimentellen Untersuchungen zum Einfluss von Lungenfunktionsparametern auf den AAK/BAK-Quotienten fiel ein (sehr kleiner) männlicher Proband dadurch auf, dass er die vom Alcotest 7110 Evidential vorgegebenen alters- und geschlechtsabhängigen Normwerte für das erforderliche Atemvolumen regelmäßig nicht erreichte. Dieser Zufallsbefund wurde zum Anlass genommen, die geräteinternen Normwerte genauer zu untersuchen. Bei der Berechnung von Normwerten für Lungenvolumina werden im Allgemeinen Körpergröße, Alter und Geschlecht berücksichtigt. Der Einfluss der Körpergröße auf die Vitalkapazität ist dabei wesentlich größer als der des Alters. So verringert sich die Vitalkapazität eines 20-jährigen Mannes nahezu unabhängig von der Ausgangsgröße bis zum 60. Lebensjahr um etwa einen halben Liter. Dem gegenüber verändert sich die Vitalkapazität bei Männern pro cm Körperlänge um fast 100 mL. Zur geräteinternen Normwertfestlegung des Alcotest 7110 Evidential werden aber lediglich Alter und Geschlecht abgefragt. Die Körpergröße, die man auch ohne eigene Messung aus den Personaldokumenten hinreichend genau entnehmen könnte, bleibt völlig unberücksichtigt. So entsprechen z B. die von Schoknecht im Gutachten des Bundesgesundheitsamtes geforderten 3 L Atemvolumen für 25-jährige Männer weniger als 50 % der Vitalkapazität von Männern dieser Altersgruppe, die größer als 1,80 m sind. Das führt bei der Bestimmung des Atemalkohols zu einer Benachteiligung besonders kleiner Personen und einer Übervorteilung großer Personen. Je kleiner eine Person ist, desto höher ist bei gleicher BAK die zeitgleich gemessene AAK. Größere verfügen dagegen nicht nur über einen größeren Totraum sondern benötigen auch in viel weniger „tiefe Lungenluft” für einen gültigen Atemtest. Dieser Umstand, der sich auch in den Messergebnissen einer größeren Anzahl von Trinkversuchen wiederfindet, wird hinsichtlich des Gleichheitsgebotes als bedenklich erachtet. Insbesondere wegen der anhaltenden Diskussion über einen strafrechtsrelevanten AAK-Grenzwert wird eine diesbezügliche Änderung der Gerätesoftware für erforderlich gehalten. V-25 ÄNDERUNG DES BLUTALKOHOL-/ATEMALKOHOL- KONVERSIONSFAKTORS IN ABHÄNGIGKET VON DER ALKOHOLKONZENTRATION –BERÜCKSICHTIGUNG VON ÖSTERREICHISCHEN GEGEBENHEITEN Pavlic M, Grubwieser P, Libiseller K, Brandstätter A, Rabl W Institut für Gerichtliche Medizin der Medizinischen Universität Innsbruck Für die Berechnung der korrelierenden Blutalkoholkonzentration (BAK) aus einer gemessenen Atemalkoholkonzentration (AAK) wurde der Konversionsfaktor Q eingeführt, der bekanntlich enormen Schwankungen unterworfen ist. Trotzdem fand Q Eingang in die gängige Gesetzgebung und wird für diese Zwecke dimensionslos meist zwischen 2,0 und 2,3 angenommen. Q wird dabei von verschiedenen Faktoren beeinflusst, z. B. von der Phase der Alkoholresorption oder von der Höhe der Alkoholkonzentration. Ziel unserer Untersuchung war es, diese Konzentrationsab-
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hängigkeit für verschiedene Promillebereiche zu überprüfen und Unterschiede zwischen österreichischen und deutschen Gegebenheiten zu diskutieren, so z. B. den rechtlich relevante AAK-Messwert, die Methodik der AAK-Messung und die unterschiedliche rechtliche Definition von „Promille“ als g/l in Österreich vs g/kg in Deutschland mit den daraus sich ergebenden Konsequenzen für die BAK-Bestimmung. Aus den AAK- und BAK-Werten von über 320 Probanden, die unter Gaststättenbedingungen Alkohol konsumierten, wurde jeweils Q errechnet und in Abhängigkeit zur AAK gesetzt. Es ergibt sich ein nichtlinearer Zusammenhang zwischen Q und der AAK, wobei Q für die untersten Bereiche (AAK<0,1 mg/l) 2,6 beträgt und bei ansteigender Konzentration auf etwa 2,2 absinkt. Erste Ergebnisse zeigen, dass bei AAK-Werten von über 0,5 mg/l Q wieder auf über 2,3 ansteigt. Auf deutsche Voraussetzungen umgelegt, errechnen sich entsprechend niedrigere Faktoren. Sämtliche Ergebnisse wurden statistisch auf ihre Signifikanz geprüft. Insgesamt ergibt sich, dass Q einerseits nicht als strikter proportionaler Faktor zwischen AAK und BAK angesehen werden kann und andererseits auch in Abhängigkeit von der Alkoholkonzentration gesehen werden muss. Durch diese neuen Erkenntnisse wird die rechtliche Problematik der Umrechnung von AAK-Werten in BAK-Werte noch zusätzlich verschärft. V-26 DER EINFLUSS ETHANOLHALTIGER PHARMAKA AUF DIE ATEMALKOHOLKONZENTRATION, GEMESSEN MIT DEM ATEMALCOHOLTESTGERÄT ALCOTEST 7110 EVIDENTIAL MK III Jachau K, Krause D Institut für Rechtsmedizin der Otto-von-Guericke Universität Magdeburg, Leipziger Straße 44, 39120 Magdeburg Systematische Untersuchungen zur Verfälschung von Atemalkoholkonzentrationen durch oral oder inhalativ aufgenommene ethanolhaltige Pharmaka, gemessen mit dem Dräger Alcotest 7110 Evidential MK III, wurden bisher nicht publiziert. Wenn im OWi-Verfahren die Anwendung z. B. eines Asthmasprays oder die Einnahme von Medikamenten unmittelbar vor dem Test angegeben wird, gilt die Messung als nicht ordnungsgemäß. Wegen der anhaltenden Diskussion hinsichtlich eines strafrechtsrelevanten AAK-Grenzwertes sollte geprüft werden, inwieweit AAK-Werte durch diese Arzneimittel vorgetäuscht werden können. Untersucht wurden die alkoholhaltigen Medikamente Bromhexin®, Tonsillitis PMD®, Uvalysat® und Dreierlei Tropfen. Die Versuchspersonen gaben 2, 10 und 20 Minuten nach Schlucken der auf dem Beipackzettel empfohlene Höchstdosis des Medikamentes Atemproben in ein geeichtes Alcotest 7110 Evidential ab. Zwischen den einzelnen Messvorgängen erfolgten keine Spülungen des Mundes und keine Aufnahme von Flüssigkeit. Bei den Asthmasprays wurden die Medikamente Berodual®, Berotec®, Aarane® und Sultanol® verwendet. Die Probanden erhielten 2 Sprühstöße 2 Minuten vor der 1. Atemprobe, weitere Atemproben erfolgten nach 5 und 10 Minuten. Alle Versuchspersonen wiesen vor Einnahme der Medikamente eine Atemalkoholkonzentration von 0,00 mg/L auf. 2 Minuten nach Einnahme der Medikamente und der Asthmasprays erfolgte in den häufigsten Fällen ein Messabbruch mit der Fehlermeldung „Mundrestalkohol“ oder „Interferenz“, wobei in einigen Fällen mit „Interferenz“ auf dem Messprotokoll Atemalkoholkonzentrationen von über 0,25 mg/L ausgewiesen wurden. Nach 10 und 20 Minuten wurden vereinzelt geringe Atemalkoholkonzentrationen bei der 1. Messung ausgewiesen, das Gesamtmessergebnis betrug jedoch stets 0,00 mg/L. Werden die genannten Pharmaka ausschließlich vor der ersten Atemprobe angewendet, dürfte demnach kaum eine falsch positive AAK-Messung resultieren. Anders kann es sich verhalten, wenn unmittelbar auch vor der zweiten Atemprobe eine weitere Dosis aufgenommen wird.
Abstracts V-27 BEGLEITSTOFFGEHALTE ALKOHOLISCHER GETRÄNKE – VERLAUFSKONTROLLEN, CHARGENVERGLEICH UND AKTUELLE KONZENTRATIONSBEREICHE Lachenmeier DW1, Mußhoff F2 1Chemisches und Veterinäruntersuchungsamt Karlsruhe 2Institut für Rechtsmedizin der Universität Bonn Einleitung: Begleitstoffe alkoholischer Getränke haben sowohl lebensmittelchemisch wie –rechtlich als auch in der Forensik eine große Bedeutung. Die Auswirkungen der 1989 europaweit vereinheitlichten Gesetzeslage auf die Begleitstoffgehalte werden diskutiert. Methodik: Die gaschromatographische Bestimmung der flüchtigen Bestandteile von Spirituosen erfolgt mit festgelegten validierten und zertifizierten Referenzanalysemethoden jeweils auf zwei Kapillarsäulen unterschiedlicher Polarität. In die Untersuchungen eingeschlossen werden Verlaufskontrollen über die Begleitstoffgehalte alkoholischer Getränke sowie exemplarische Chargenvergleiche einzelner Marken. Schließlich werden aktuell ermittelte Konzentrationsbereiche von Begleitstoffen alkoholischer Getränke zusammengestellt. Ergebnisse: Für bestimmte Spirituosen (z. B. Kirschbrand) sind signifikant lineare Abnahmen der Begleitstoffgehalte zwischen den Jahren 1980 und 2003 zu verzeichnen. In verschiedenen Chargen gängiger Alkoholika (Whiskey, Weinbrand) finden sich Abweichungen vom Mittelwert von bis zu 10 bis 20 %. In einer tabellarischen Übersicht sind gegenüber dem Standardnachschlagewerk von Bonte teilweise drastische Abweichungen bei bestimmten Getränkegruppen zu verzeichnen. Diskussion: In den letzten 2 Jahrzehnten kam es in der Spirituosenindustrie zu einigen Innovationen, die u. a. Gärbedingungen, Maischebehandlung und Reduktionsverfahren insbesondere von Methanol betreffen. Da zudem Chargenunterschiede auftreten können, ist bei einer quantitativen Begleitstoffanalyse für forensische Zwecke, bei der Meß- und Erwartungswerte entsprechend den Trinkangaben gegenübergestellt werden, Zurückhaltung zu wahren, wenn man sich auf ältere Standardangaben verlässt. Es wird eine aktualisierte umfangreiche Datenbank benötigt.
100-Jahresfeier RM Göttingen V-28 THEODOR LOCHTE UND DIE TRADITION DER RECHTSMEDIZIN IN GÖTTINGEN Kijewski H IFR Göttingen, Windausweg 2, D-37073 Göttingen Das wissenschaftliche Werk Lochtes erstreckt sich in alle Bereiche unserer Faches und kann hier nicht in seiner Gesamtheit besprochen werden. Es sollen aber wichtige Themenfelder erwähnt und ausgewählte Beispiele daraus demonstriert werden. Aus dem Bereich der forensischen Ballistik werden zwei Beispiele ausgewählt und ihre Auswirkungen auf spätere Arbeiten dargestellt. Ein methodischer Trick Lochtes, der bisher in der Literatur nicht wieder aufgenommen war, hat mehr als 80 Jahre nach seiner Publikation zur Lösung eines Falles beigetragen. Von Lochte wurden erstmalig Kurzzeitaufnahmen von fallenden und auftreffenden Tropfen publiziert. Anwendungen dieser Ergebnisse werden dargestellt und weiterführende Untersuchungen demonstriert. Von besonderer Bedeutung sind die Beiträge Lochtes zur Haarkunde. Typische Arbeiten werden vorgestellt und ihre Bedeutung für weiterführende Untersuchungen -bis in die jüngste Zeit- diskutiert. Lochte hat seine wissenschaftliche Arbeit bis ins hohe Alter fortgesetzt.
Anhand von Zeugenaussagen soll ein Versuch der Annäherung an die Person und das Wirken Lochtes unternommen werden.
Ballistik V-29 SICHTBARMACHUNG UND AUFZEICHNUNG DER SCHALLWELLENAUSBREITUNG BEIM SCHUSS AUS EINER FEUERWAFFE Stasicki B, Frahnert H Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt, Institut für Aerodynamik und Strömungstechnik, Bunsenstr. 10, 37073 Göttingen Explosion ist eine plötzliche Volumenausdehnung von Gasen, verursacht durch Freisetzung großer Energiemengen, zum Beispiel durch chemische Reaktion. Da sie schneller als 330 m/s, die Schallgeschwindigkeit ist, wird sie von hoher Druckentwicklung begleitet. Die Ausbreitung der durch eine Explosion entstehenden Schallwelle kann mit einer Ultrahochgeschwindigkeits-Videokamera in Verbindung mit einer neuartigen optischen Methode, Background Oriented Schlieren (BOS), sichtbar gemacht und aufgezeichnet werden. Das in der Anwendung einfache Verfahren basiert auf der Abhängigkeit des Brechungsindex von der Dichte eines Gases. Eine durch Kompression verursachte Dichteänderung führt somit zu einer Wegänderung eines das Gas durchdringenden Lichtstrahls. Entsprechend führt die Beobachtung eines Objektes durch ein komprimiertes Gas zu einer Verzerrung des Bildes. Background Oriented Schlieren beruht auf der lokalen Korrelation von Aufnahmen des im Hintergrund platzierten Bildes eines stochastischen Musters. Korreliert werden Aufzeichnungen im komprimierten Zustand des Gases mit dem im Ruhezustand aufgenommenen Referenzbild. Aus den gemessenen lokalen Bildverzerrungen kann auf die entlang des Lichtweges integrierte Dichteänderung geschlossen werden. Die gewonnenen Ergebnisse stellen eine zeitliche Sequenz von zweidimensionalen Vektorfeldern (Dichtegradienten) dar. Die Kenntnis der Druckverteilung im Mündungsfeuer ist von grundsätzlicher Bedeutung für die Beurteilung von Knalltraumata. Damit ist die vorgestellte Messmethode von hohem praktischem rechtsmedizinischem Interesse. Das Verfahren wird am Beispiel der Mündungsstoßwelle beim Schuss aus einer RG-59-Pistole vorgestellt. Während des Vortrages werden die Ergebnisse in Form einer Videosequenz präsentiert. Eine kurze Beschreibung des BOS- Prinzips sowie der für die Aufzeichnung benutzten Ultrahochgeschwindigkeits- Videokamera wird gegeben.
[email protected] V-30 GESCHOSSZERLEGUNG BEI VOLLMANTELMUNITION ? Schyma C, Richter S, Wilske J Institut für Rechtsmedizin, Homburg/Saar Vollmantelgeschosse gelten als formstabil, wenn sie biologische Gewebe durchdringen. Erst bei Spitzgeschossen für Langwaffen bzw. Grenzgeschwindigkeiten über 600 m/s treten Deformationen bis hin zur Geschosszerlegung auf. Wie aber verhalten sich Vollmantelgeschosse für Faustfeuerwaffen (< 400 m/s) in biologischem Material ? Insbesondere Knochentreffer wurden systematisch experimentell untersucht. Für die Testreihen wurden frische Knochen von jungen Rindern und Schweinen präpariert. Bei orthogradem Beschuss traten keine Besonderheiten auf. Wurde jedoch ein Einschuss unter 45° Winkel bzw. auf eine Knochenkante realisiert, kam es zu Zerlegungserscheinungen. In einzelnen Fällen wurde der Mantel teilweise abgerissen, in anderen trennten sich Mantel und Bleikern vollständig voneinander. Auffallend war die Morphologie der entsprechenden KnochendefekRechtsmedizin 4 · 2004
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te. Am knöchernen Einschuss fand sich häufig die trichterförmige Absprengung von Knochensubstanz entgegen der Schussrichtung. Diese Befunde ließen sich mit Vollmantelprojektilen in den Kalibern 7.65 mm, 9 mm kurz, 9 mm Luger, .45 ACP und .38 special reproduzieren. V-31 UNTERSUCHUNGEN ZUR ZIELBALLISTIK VON HV- MUNITION IN DER FRÜHEN PHASE IN UNTERSCHIEDLICHEN MATERIALIEN MITTELS HOCHGESCHWINDIGKEITSKAMERA UND SCHNELLER DRUCKMESSUNG Siegmund B1, Mettin R2, Wolfrum B2, Kijewski H1 1Institut für Rechtsmedizin, Windausweg 2, D-37073 Göttingen 2Drittes Physikalisches Institut, Bürgerstr. 42-44, D-37073 Göttingen Mittels einer Büchse (Kaliber .223 Rem) wurden verschiedene Materialien im Geschwindigkeitsbereich von 1000 bis 1300 m/s beschossen. Verladen wurden Vollmantelspitzgeschosse der Firma RWS mit einer Masse von 3,0 g. Beschossen wurden ballistische Gelatine, Wasser, flüssiger Stickstoff, Trockeneis und Melonen. Die Schallgeschwindigkeit in den Medien wurde bestimmt oder der Literatur entnommen. Die Geometrie und die Temperatur wurden variiert. Die frühen Wechselwirkungen wurden mittels Hochgeschwindigkeitskamera (Imacon 468, zeitliche Auflösung 10 ns) und Glasfaserhydrophon (FOPH 300, Ansprech-Anstiegszeit 6,5–7,5 ns) gleichzeitig messend verfolgt. Die Energieabsorption der Geschosse in der frühen Phase wurde aus den Kurzzeitaufnahmen ermittelt. Zusätzlich wurde die Endgeschwindigkeit der Geschosse mittels Lichtschranke und ballistischem Pendel bestimmt, wenn das Ziel durchschlagen wurde. In der frühen Phase (µs-Bereich) kommt es zu starken Wechselwirkungen mit partieller Fragmentation der Vollmantelmunition. Die Energieverlustkurven werden in Hinblick auf die Schallgeschwindigkeit der unterschiedlichen Materialien verglichen und diskutiert. V-32 DRUCKWELLE UND KAVITATION BEI HOCHGESCHWINDIGKEITSGESCHOSSEN: EXPERIMENTELLE UNTERSUCHUNGEN UND THEORETISCHE MODELLIERUNG Mettin R1, Wolfrum B1, Siegmund B2, Kijewski H2 1Drittes Physikalisches Institut, Georg-August-Universität Göttingen, Bürgerstr. 42-44, 37073 Göttingen 2Institut für Rechtsmedizin, Georg-August-Universität Göttingen, Windausweg 2, 37073 Göttingen Der Einschlag von schnellen Vollmantelgeschossen (1000–1200 m/s, Kaliber 5,6 mm) in „ballistische” Gelatine und Wasser wird experimentell untersucht. Hochgeschwindigkeitsaufnahmen zeigen die Fragmentierung des Geschosses, die Dynamik der temporären Zielhöhle sowie die Emission einer starken primären Druckwelle. Nach schallweicher Reflexion der Druckwelle entsteht eine Zugwelle, in deren Nachlauf Kavitation beobachtet wird. Messungen in Wasser mit einem Glasfaserhydrophon (FOPH 300, Anstiegszeit 7 ns) liefern den Druckverlauf nahe der Einschlagstelle. Die experimentell gewonnenen Daten werden in verschiedene theoretische Modelle eingebracht, um den Spitzendruck beim Einschlag und die Unterdrucke in der Zugwelle abzuschätzen. Es folgt, dass der Druck beim Auftreffen des Projektils in der Größenordnung von 1 GPa liegt und Zugspannungen von einigen 10 MPa erreicht werden können. Eine Modellierung der Druckwellenausbreitung mit der Methode der Finiten Elemente (FEM) zeigt eine gute Übereinstimmung mit den Beobachtungen. Die Unterdruckwerte und das Erscheinungsbild der Kavitation sind ähnlich zu dem, was in Wasser im Fokalbereich eines Stoßwellenlithotripters beobachtet wird (elektromagnetisches Labormodell). Entsprechend können bei Schussverletzungen Gewebeschädigungen durch Kavitation auftreten, die denen vergleichbar sind, die bei Steinzertrümmerungen verursacht werden.
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Traumatologie, Biomechanik V-33 EXPERIMENTIELLE UNTERSUCHUNGEN ZUR HINTEREN ATLASBOGENFRAKTUR Pahl H1, Patyk AJ3, Raab BW2, Saternus KS1 1Institut für Rechtsmedizin Georg-August Universität Göttingen 2Röntgendiagnostik I Georg-August Universität Göttingen 3Zentrum Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde – Prothetik, Georg-August Universität Göttingen Zur Bruchmechanik des hinteren Atlasbogens existieren im rezenten Schrifttum drei unterschiedliche Vorstellungen. Die älteste Erklärung geht wohl auf Braakman und Penning (1971) zurück, wonach bei Dorsalflexion des Kopfs durch direkte Kompression über das Os occipitale der hintere Atlasbogen auf Biegung bis zur Fraktur beansprucht wird. Dem stehen die Vorstellung von Torklus und von Gehle (1975) gegenüber, die die Fraktur aus einer Biegebeanspruchung des hinteren Atlasbogens durch ein Anstemmen an den Axisdornfortsatz ableiten. Eine dritte Position vertreten White und Panjabi (1978). Danach soll die hintere Atlasbogenfraktur Folge einer Kompression zwischen dem Os occipitale und dem Axisdornfortsatz sein. Unser methodischer Ansatz zur Lösung dieser Fragen bestand im Einsatz eines postmortalen Bruchversuchs. Material und Methoden: An 23 Präparaten von HWS und hinterer Schädelbasis, die primär im Auftrag der StA für weiterführende Untersuchungen entnommen worden waren, wurden insgesamt 49 Bruchversuche auf einem eigens konstruierten Prüfstand durchgeführt. Die Restpräparate wurden dorsalflektierend unter Variation der Richtung der Krafteinleitung zwischen 20° bis 170° bis zur Fraktur beansprucht. Es handelte sich um quasi statische Bruchversuche, wobei die Kraft (bis max. 1.500 N) über eine Federwaage gemessen wurde. Pro Versuch wurde nur unter einem Winkel die Kraft eingeleitet. Vor jedem Bruchversuch wurden die Kopfgelenke, Os occipitale, hinterer Atlasbogen und Axisdornfortsatz direkt nach Entfernung der seitlichen Weichteile und der oberen Nackenmuskulatur inspiziert, wurde in Folie gefasstes Artikulationspapier an diesen Strukturen angebracht. Anschließend wurden vor der Präparation der CO/2-Region CTs angefertigt. Ergebnisse: Mit der gewählten Versuchsanordnung konnten in 13 Fällen eine Fraktur des hinteren Atlasbogens erzeugt werden, weiterhin 5 Densfrakturen. Von letzteren traten 3 in Kombination mit einer dorsalen Atlasfraktur auf. Die Frakturverläufe werden mit den begleitenden Weichteilverletzungen dargestellt. Die von Sköld (1983) beschriebene Kerbverletzung an der Vorderfläche des Dens axis fanden sich im eigenen Kollektiv nicht, gleichfalls nicht die von Saternus und Paul (1985) mitgeteilte Randfraktur des Arcus anterior nach max. Biegebeanspruchung. Eine Altersabhängigkeit für die dorsale Atlasbogenfraktur lag nicht vor. Ein überraschendes Ergebnis war es, dass die dorsale Atlasbogenfraktur nur in einem engen Intervall, nämlich bei 100° und 120°, bei Dorsalflexionen aufgetreten waren. Dabei bestand in keinem Fall ein Kontakt zwischen den Os occipitale und dem hinteren Atlasbogen, regelmäßig jedoch eine Anstemmung des Atlasbogens auf den Axisdornfortsatz. Diskussion: In Fortsetzung früherer experimenteller Bruchversuche zur Fraktur des vorderen und hinteren Atlasbogens an Gipsmodellen (Saternus und Paul, 1986) wurden unter Variation des Winkels einer dorsalflexierenden Kraft systematisch Bruchversuche an postmortalen, formalinfixierten Restpräparaten von HWS und hinterer Schädelbasis durchgeführt.
Abstracts Damit konnte die im Schrifttum kontrovers diskutierte Frage nach der Art der Beanspruchung, die zur hinteren Atlasbogenfraktur führt, beantwortet werden. Es ist nicht die Kompression durch das Os occipitale, nicht die zangenförmige Kompression zwischen diesem und dem Axisdornfortsatz, sondern die Biegebeanspruchung durch Anstemmen des hinteren Atlasbogens an den Axisdornfortsatz. Diese Aussage leitet sich aus der Auswertung der Druckverteilung anhand von Artikulationspapier bei den Bruchversuchen ab. Frakturen des dorsalen Atlasbogens tragen bei 49 Bruchversuchen 13-mal auf, und zwar bei der Dorsalflexion unter den Winkeln 100° und 120°. Die Prüfung erfolgte in 20°-Schritten für ein Intervall zwischen 20° und 170°. Die genaue Frakturform wurde kombiniert präparativ und radiologisch (CT) ausgewertet. Prof. Dr.med. Dr.iur.h.c. K.-S. Saternus Institut für Rechtsmedizin der Georg-August-Universität Windausweg 2, 37073 Göttingen Tel. 0551-394943, Fax: 0551-394986, E-Mail:
[email protected] V-34 SPONTANE ODER TRAUMATISCHE SUBARACHNOIDALE BLUTUNG? POSTMORTALE RÖNTGENOLOGISCHE UNTERSUCHUNGSMETHODE Ehrlich E, Maxeiner H Institut für Rechtsmedizin, Campus Benjamin Franklin, Charité Berlin Bei forensischer Beurteilung tödlicher intrakranieller Blutungen – auch ohne Angaben über ein vorausgegangenes Trauma – stellt sich die Frage der accidentalen Genese. Erst nach dem die Quelle der Blutung lokalisiert ist, kann meistens auch die Frage „spontan“ oder „traumatisch“ beantwortet werden. Im Falle einer Aneurysmaruptur gelingt der Nachweis der Blutungsquelle in der Regel erst nach zeitraubender und aufwendiger Präparation der Hirnbasisgefäße, die nicht selten erst Tage nach der Obduktion durchgeführt wird. Im rechtsmedizinischen Alltag kann die Darstellung der Hirnbasisgefäße mit Hilfe von Röntgenkontrastmittel zu einem schnellen Nachweis der Blutungsquelle und somit zur Lösung des Falles beitragen. In den letzten sechs Jahren (1998–2003) wurden in unserem Institut für Rechtsmedizin der Freien Universität Berlin bei insgesamt 3388 gerichtlichen Obduktionen als Todesursache „Spontane Hirnblutung“ in 58 Fällen (1,7 %), darunter „Intrakranielle Aneurysmaruptur“ in 23 Fällen (0,68 %) untersucht. Alle diese Fälle gingen ausnahmslos mit einer subarachnoidalen Blutung einher, wobei diese bei 4 Personen nur sehr gering ausgeprägt war. 4-mal wurden geringe subdurale Blutungen beobachtet, wobei die größte immerhin ein Volumen von ca. 20 ml erreichte. Ein massiver Bluteinbruch in das Hirnventrikelsystem wurde in 5 Fällen beschrieben. Seit mehreren Jahren hat sich folgende Nachweismethodik von Blutungsquelle im Bereich des Circulus Willisi bei uns bewährt: Die untere Hirnhälfte wird auf eine mit einer Folie bedeckten Röntgenkassette gelegt. In eine der beiden A. carotis interna wird ein dünner Plastikkatheter oder eine Knopfnadel mit der Spitze platziert und mit einem Faden vom Wegrutschen gesichert. Das Kontrastmittel (Barium-Sulfat) wird langsam mit einer Spritze eingeführt. Anschließend wird ein zweiter Katheter in eine der Aa. vertebralis platziert und mit Kontrastmittel gefüllt. Die so gewonnenen Röntgenbilder verraten nicht nur sofort die Zahl und die Lokalisation der eventuell vorhandenen Aneurysmen, sondern auch ihre Größe. Mit dieser Methode konnten wir schon auch eine traumatische Gefäßruptur ohne nachweisbare Gefäßmissbildung lokalisieren. Bei den anschließend vorgenommenen histologischen Untersuchungen zeigte sich, dass in keinem Fall die Gerinnsel, die an der Rupturstelle hafteten und die Vitalität der Gefäßverletzung anzeigten, durch unsere Methode zerstört werden.
V-35 TODESFÄLLE INFOLGE KINDESMISSHANDLUNG IN DEN JAHREN 1964–2003 IN PRAG UND DEM MITTELBÖHMISCHEN BEZIRK Bouska I, Klir P, Mateju E Institut für Rechtsmedizin, 2. Med. Fakultät, Karls-Universität, Prag, Tschechien Das Syndrom des misshandelten, vernachlässigten und missbrauchten Kindes stellt ein schwerwiegendes gesellschaftliches Problem dar, wobei die Todesfälle nach Kindesmisshandlung zwar nur einen bestimmten, jedoch wichtigen Teil dieser Problematik repräsentieren. Es ist nicht einfach, genaue gesamtstaatliche Angaben zur Kindesmisshandlung zu gewinnen, weil diese Straftaten juristisch unterschiedlich qualifiziert sind. Zur Einschätzung dieser Situation dient die Übersicht der 87 Todesfälle im Alter bis zu 5 Jahren, die innerhalb von 40 Jahren in Prag und Mittelböhmen (insgesamt 2 Millionen Einwohner) vorkamen und im Institut für Rechtsmedizin in Prag obduziert worden sind. Tötungen von Neugeborenen und Kindern infolge einer psychotischen Erkrankung der Mutter sind dabei nicht einbezogen. Einige Befunde bei den Todesfällen entsprechen auch den Befunden nach überlebter Kindesmisshandlung; die Abweichungen sind in der Variabilität der festgestellten Veränderungen sowie der Todesursachen zu sehen. Die häufigsten Befunde in dieser Untersuchung waren kraniozerebrale Verletzungen im Säuglingsalter. Im oben genannten Zeitraum kam es zu keinen bedeutenden Abweichungen bezüglich der jährlichen Anzahl der Todesfälle mit Ausnahme des Jahres 1980 (7 Todesfälle). Es ist oft schwierig, den Mechanismus der Entstehung von Verletzungen zu diagnostizieren. Hier sind besonders die Altersbestimmung von Verletzungen und die Abgrenzung intravitaler Verletzungen von postmortalen Veränderungen zu nennen. Für die gerichtliche Beurteilung ist es ebenfalls unentbehrlich, die Todesursache bei gleichzeitiger Wirkung unterschiedlicher Gewalteinwirkungen bzw. konkurrierender Erkrankungen festzustellen. Die Kasuistik eines Todesfalls eines vierjährigen Mädchens demonstriert die Kompliziertheit einer solchen Beurteilung. I. Bouska Institut für Rechtsmedizin der Karls-Universität Prag Budinova2, Prag 8, Tschechien Tel. : 420 26608883432 E.-mail:
[email protected] V-35a DAS MÜNCHHAUSEN-BY-PROXY-SYNDROM: PHÄNOMENOLOGIE UND RECHTSMEDIZINISCHE BEDEUTUNG Vennemann B1, Bajanowski T2, Große Perdekamp M1, Pfeiffer H3, Brinkmann B3 1Institut für Rechtsmedizin, Universitätsklinikum Freiburg 2Institut für Rechtsmedizin, Universitätsklinikum Essen 3Institut für Rechtsmedizin, Universitätsklinikum Münster Das Münchhausen-by-proxy-Syndrom stellt eine schwerwiegende und nicht leicht zu diagnostizierende Form der Kindesmisshandlung dar. Täter sind in der überwiegenden Zahl die Kindesmütter; die Langzeit-Morbidität und die Letalität sind hoch. Die Phänomenologie reicht von der Erfindung von Krankheitssymptomen über die Manipulation von Untersuchungsmaterial bis hin zu direkter körperlicher Schädigung des Kindes, beispielsweise durch (Beinahe-) Erstickung oder wiederholte Beibringung von körperfremden Substanzen/Medikamenten. Es werden 6 Familien mit insgesamt 9 betroffenen Kindern beschrieben. Die Besonderheiten der Fälle sowie die Möglichkeiten und Aufgaben der Rechtsmedizin im Umgang mit Verdachtsfällen auf ein Münchhausen-by-proxy-Syndrom werden dargestellt.
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V-35b FOLTERSPUREN – PROBLEME DER BEGUTACHTUNG Bertolini J1, Vennemann B2, Bartholl T1, Karger B1, Du Chesne A1, Brinkmann B1 1Institut für Rechtsmedizin, Universitätsklinikum Münster, Röntgenstr. 23, 48149 Münster 2Institut für Rechtsmedizin, Universitätsklinikum Freiburg Nach der Literatur weisen 5–30 % der in europäische Länder gelangenden Flüchtlinge Folterspuren auf. Eine rechtsmedizinische Begutachtung erfolgt eher selten. Es ist zu prüfen, ob die klinischen Befunde mit den Angaben der Betroffenen vereinbar sind. Um dies beurteilen zu können, müssen die Foltermethoden, das Erscheinungsbild ihrer Spätfolgen und die Wahrscheinlichkeit ihrer Anwendung in der Herkunftsregion des Patienten bekannt sein. Bei der Auswertung von insgesamt 61 Gutachten aus den Jahren 1997 bis August 2003 (55 von einem niedergelassenen Chirurgen, nur 6 aus der Rechtsmedizin) wurden u.a. Alter, Geschlecht, Herkunftsland, die angegebene Foltermethode und die klinischen Befunde erfasst. Die von Graessner vorgeschlagene Graduierung zur Vereinbarkeit von medizinischem Befund und behaupteter Foltererfahrung bildeten die Grundlage für die Bewertung der Gutachtenaussagen. Nur in einem Gutachten war der Sachverständige zu der Einschätzung gelangt, dass die Befunde „mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit” durch die angegebenen Foltermethoden verursacht worden waren. Am häufigsten (48mal) konnte lediglich eine „adäquate Übereinstimmung” festgestellt werden. 2x wurde eine „niedrige Übereinstimmungswahrscheinlichkeit” formuliert. Als problematisch erweisen sich (neben mangelnden Kenntnissen über Foltermethoden und die Folgen mechanischer Gewalt) dass der Gutachter in der Regel lediglich Spätfolgen der Folter zu Gesicht bekommt, dass viele der heute angewandten Foltermethoden spurlos bleiben, dass die morphologischen Bilder der Spätfolgen von Folter hochgradig unspezifisch sein können, dass der morphologische Gutachter nur begrenzte Kompetenz in der Beurteilung posttraumatischer Verhaltensweisen besitzt, dass bei der Befragung des Patienten Fehler gemacht werden und dass der in einigen Fällen indizierte Einsatz spezieller diagnostischer Mittel unterlassen wird. In bestimmten Fällen bedarf es einer interdisziplinären Zusammenarbeit in der Begutachten, insbesondere mit Psychologen und Radiologen. Dr. med. J. Bertolini Institut für Rechtsmedizin Universitätsklinikum Münster Röntgenstraße 23, 48149 Münster Tel.: 0251/8355603, Fax.: 0251/8355158 e-mail:
[email protected] V-35c SPUREN NACH DER BENUTZUNG VON ELEKTROSCHOCKGERÄTEN Schmiederer B, Schmidt PF, Du Chesne A, Fechner G, Brinkmann B Institut für Rechtsmedizin, Universitätsklinikum Münster, Röntgenstr. 23, 48149 Münster Schlüsselwörter: Elektroschocker, Stun-gun, Rasterelektronenmikroskopie, REM Ziel der Untersuchung war der Nachweis eindeutiger spurenkundlicher Äquivalente auf Haut und Textilien nach Elektroschockeranwendung. Im Mittelpunkt der Nachweismethoden standen die Rasterelektronenmikroskopie und das mikroanalytische Verfahren EDX. Für die Versuche wurden Elektroschocker mit unterschiedlicher Spannung und unterschiedlichem Elektrodenmaterial verwendet. Dabei wurde die Applikation im Abstand bis hin zum Aufsetzen variiert.
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Als Untersuchungsobjekt dienten zunächst Kohlenstoff-Tabs auf REM-Haltern. Rasterelektronenmikroskopisch zeigten sich charakteristische Oberflächenveränderungen der Tabs und eine funkeninduzierte Erosion in Form von Kügelchen, deren Zusammensetzung dem Elektrodenmaterial des Elektroschockers entspricht. Analog wurden die Untersuchungen an verschiedenen Textilstoffen wie Wolle, Baumwolle, Leder, Nylon durchgeführt. Auch hier zeigen die Untersuchungen charakteristische Merkmale in den Stoffen (z. B. Löcher im Leder) und das Vorhandensein von Metallisationsprodukten. Nach Anwendung des Elektroschockers an unbedeckter und stoffbedeckter Schweine – und Leichenhaut zeigte sich bei direkter rasterelektronenmikroskopischer Untersuchung eine Metallisation in Form von Kugeln. Der gleiche Befund ergab sich, wenn die Haut mit Kohlenstofftabs auf REM-Haltern abgetupft wurde. V-35d ZUR PATHOGENESE CONJUNKTIVALER STAUUNGSBLUTUNGEN: LOKALISATION Lasczkowski G1, Gamerdinger U2, Weiler G1 1Institut für Rechtsmedizin, Justus-Liebig-Universität, Frankfurter Str. 58, 35392 Gießen 2Institut für Pathologie, Justus-Liebig-Universität, Langhansstr. 10, 35392 Gießen Im Confokalen Laser Scanning Mikroskop konnten Gefäßwandrupturen der terminalen Endstrombahn als pathomorphologisches Korrelat conjunktivaler Stauungsblutungen identifiziert werden. Dieser Befund stützt die Hypothese der rein mechanischen Genese. In der vorliegenden Untersuchung soll nun die Lokalisation der Rupturstellen im Gefäßverlauf dargestellt und vor dem Hintergrund der conjunktivalen Blutversorgung diskutiert werden. V-36 PRÄVENTION DER SELBSTSTRANGULATION VON KINDERN IN SCHLAFSÄCKEN: ENTWICKLUNG EINES NEUEN SCHLAFSACKMODELLS Gerlach K1, Wyler D1, Horisberger B2, Bär W3, Dittmann V1 1Institut für Rechtsmedizin der Universität Basel, Pestalozzistrasse 22, CH-4056 Basel 2Institut für Rechtsmedizin der Universität Lausanne, Rue du Bugnon 2, CH-1005 Lausanne 3Institut für Rechtsmedizin der Universität Zürich, Winterthurerstrasse 190, CH-8091 Zürich In den vergangenen Jahren untersuchten wir mehrere Todesfälle von Säuglingen, Kleinkindern und einem schwerst behinderten, adoleszenten Mädchen, die sich alle während des Schlafs in Kinderschlafsäcken ereignet haben. Es handelte sich um Schlafsackmodelle, die im freien Handel erwerbbar sind und zur Fixierung der Kinder geeignet sein sollen. Die Abklärungen brachten bei allen Fällen zutage, dass sich die Opfer durch Eigenbewegungen mit dem Halsausschnitt der Schlafsäcke selbst strangulierten. Wir stellen die verschiedenen, zur Zeit im Handel erhältlichen Schlafsacktypen vor und zeigen Vor- und Nachteile auf. Hierbei wollen wir auch auf Veränderungen eingehen, die von den Pflegenden selbst angebracht worden sind und die für den fatalen Verlauf mitverantwortlich gemacht werden können. Aufgrund der Fallanalysen und des Studiums der zur Zeit käuflichen Schlafsackmodelle sind wir zum Schluss gelangt, dass eine Überarbeitung der Schnittmuster dieser Schlafsäcke aus präventiven Gründen notwendig ist. Wir stellen einen Prototypen vor, der so konfektioniert ist, dass zukünftig derartig verhängnisvolle Zwischenfälle verhindert werden können.
Abstracts V-37 GEWALTBEDINGTE VERLETZUNGEN IN DER CHIRURGISCHEN NOTAUFNAHME DES UNIVERSITÄTSKLINIKUMS HAMBURG-EPPENDORF Anders S1, Kühne O1, Pogoda P2, Rueger JM2, Püschel K1 1Institut für Rechtsmedizin, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf 2Klinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf Die klinische Relevanz gewaltbedingter Verletzungen ist zahlenmäßig schwierig zu erfassen. Der in der Notaufnahme tätige Arzt ist bei der Einordnung des einer Verletzung zu Grunde liegenden Mechanismus meist auf die von der verletzten Person wiedergegebene Anamnese angewiesen. Um eine Abschätzung des Mindestanteils gewaltbedingter Verletzungen am Patientenkollektiv der chirurgischen Notaufnahme des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf vornehmen zu können, erfolgte eine zeitlich begleitende Auswertung sämtlicher Patientenkontakte über einen Zeitraum von 6 Monaten. Hierbei fanden für die vorliegende Untersuchung lediglich Fälle mit eindeutiger Gewaltanamnese Berücksichtigung. Zur Auswertung kamen mehr als 250 Fälle. In mehr als 10 % war eine stationäre Aufnahme der Patienten erforderlich. Die Ergebnisse hinsichtlich der Zusammensetzung des Patientenkollektivs, der Verletzungsarten und -schwere sowie der notwendig gewordenen medizinischen Maßnahmen in der ambulanten und stationären Versorgung werden dargestellt. V-38 ZUR HÄUFIGKEIT, PHÄNOMENOLOGIE UND MÖGLICHEN ENTSTEHUNGSURSACHEN VON KLEINEN BLUTUNTERLAUFUNGEN („GRIFFSPUREN“) AN DEN OBERARMEN Potente S, Ehrlich E, Maxeiner H Charité – Universitätsmedizin Berlin, CBF, Institut für Rechtsmedizin, Hittorfstr. 18, D-14195 Berlin Bei der Leichenschau bzw. Obduktion begegnen dem Untersucher relativ häufig kleinfleckige Blutunterlaufungen (BU) an den oberen Innenseiten der Oberarme, nicht selten in einer Anordnung, die die Annahme begründet, es könne sich um Spuren mehr oder weniger groben Anpackens („Griffspuren“) handeln. Wir haben hierzu eine prospektive Analyse über etwa 4 Monate an 422 Todesfällen vorgenommen. Von diesen 422 Fällen zeigten 109 (25,8 %) mindestens eine Blutung an einem Oberarm – zumeist (85) nur auf einer Seite und in 24 Fällen an beiden Oberarmen. Bei weiblichen Verstorbenen fanden sich solche BU deutlich häufiger als bei Männern. Die BU wurden morphologisch in 5 Gruppen unterteilt: Punktblutungen (12,8 %), Einzelblutungen zwischen 0,5 und 5cm (27,8 %), multiple solcher Blutungen (28,6 %), flächenhafte Blutungen >5cm (15,8 %) sowie Mischformen (15 %). Griffspuren als Folge pflegerischer/ medizinischer Maßnahmen wie Lagern, Stützen, Schmerzreizprüfung etc. lassen sich am ehesten bei Patienten aus Kliniken und Pflegeheimen erwarten; tatsächlich wiesen 39 Prozent dieser Fälle Einblutungen auf, im Gegensatz zu 20 % außerhalb solcher Einrichtungen Verstorbener. Auch ein Zusammenhang mit Reanimations- bzw. Bergungsmaßnahmen erschien denkbar, war jedoch in unserem Material nicht zu erkennen. Ein Zusammenhang der Häufigkeit der BU mit der Intensität der Totenflecken war nicht festzustellen, was als Ausdruck der in der Regel intravitalen Genese der Befunde aufgefasst wird. Allerdings waren die BU um so häufiger innerhalb der Livores lokalisiert, je kräftiger diese ausgeprägt waren. Die BU hier waren im Gegensatz zu den außerhalb der Livores lokalisierten besonders häufig vom gemischten Typ (40 % gegenüber 15 %), ebenso Punktblutungen (19 % gegenüber 4 %). Die Ergebnisse dieser Untersuchungsgruppe werden einem Kollektiv von 100 Tötungsdelikten mit unmittelbarem Körperkontakt Opfer – Täter gegenübergestellt.
Diagnostische Methoden V-39 POSTMORTAL-BIOCHEMISCHE ANALYSEN BEIM TOD DURCH HYPOTHERMIE Kernbach-Wighton G1, Hanisch U2, Dreßler J2 1Institut für Rechtsmedizin der Georg-August-Universität Göttingen 2Institut für Rechtsmedizin, Medizinische Fakultät „Carl Gustav Carus“ der Technischen Universität Dresden Die Diagnose einer letalen Hypothermie stützt sich einerseits auf die Morphologie, andererseits auf biochemische Marker. Da morphologische Befunde variieren können, bieten Untersuchungen auf Katecholamine und volatile Substanzen in verschiedenen Kompartimenten eine wesentliche Stütze in der Diagnostik. Der Ansatz basiert auf dem Umstand, dass es in Stresssituationen und bei protrahierter Agonie über eine Sympa-thikusaktivierung zur massiven Freisetzung von Katecholaminen kommt. In Fortführung vorangehender Analysen wurden nunmehr 16 Fälle tödlicher Hypothermie und 12 Kontrollen mit unterschiedlich langer Agonie untersucht, und zwar auf Adrenalin/NorAdrenalin sowie flüchtige Stoffe (Ethanol, Methanol, Propanol-1, -2, Aceton). Bei tödlicher Hypothermie bestand durchgehend ein massives Überwiegen von Noradrenalin im Vergleich zu Adrenalin (etwa 10–40fach), korrespondierend zu Fällen mit längerer Agonie. Signifikante Unterschiede bestanden zu Fällen mit kurzer Agonie, bei denen die Adrenalinspiegel deutlich überwogen (etwa 5-10fach). Erhöhte Acetonspiegel fanden sich nur in nahezu Ethanol-freien Fällen, wobei dann auch erhöhte Propanol-2-Spiegel vorlagen. Bei Alkoholisierung lagen dagegen die Werte beider Substanzen innerhalb der physiologischen Variationsbreiten. Insgesamt kann die kombinierte Bestimmung der Katecholamine und flüchtiger Substanzen in mehreren Kompartimenten eine wichtige diagnostische Stütze bei der Verifikation eines Todes durch Hypothermie darstellen. Im Sinne einer „Diagnose per exclusionem“ sind stets ergänzende toxikologische Analysen erforderlich. Priv.-Doz. Dr.med. G. Kernbach-Wighton Institut für Rechtsmedizin der Georg-August-Universität Göttingen Windausweg 2, 37073 Göttingen e-mail:
[email protected] Tel.: +49 551 394910, Fax:+49 551 394986 V-40 QUANTIFIZIERUNG DES EINFLUSSES VON FEHLERN DER EINGANGSDATEN AUF DIE TEMPERATURGESTÜTZTE TODESZEITBESTIMMUNG Mall G, Sinicina I, Büttner A, Hubig M Institut für Rechtsmedizin der Ludwig-Maximilians-Universität München Die temperaturgestützte Todeszeitbestimmung unterliegt, wie alle naturwissenschaftlichen Schätzverfahren, dem Einfluß von Störungen durch Fehler in den Eingangsdaten. Von den sogenannten Modellfehlern (systematische Fehler durch Abweichungen des verwendeten Modells von den realen Gegebenheiten) kann dieser Fehlertypus nur durch mathematisch-statistische Methoden getrennt werden. Die vorgestellte Untersuchung leistet die Quantisierung des Einflusses von Fehlern in den Eingangsdaten auf die Genauigkeit der Todeszeitbestimmung einerseits durch eine Monte-Carlo-Simulation, andererseits durch Herleitung einer Formel der Streuung des Todeszeitschätzers mit Hilfe der Gaußschen Fehlerrechnung und des Satzes über implizite Funktionen. Die exemplarisch vorgeführten Verfahren der Monte Carlo Simulation und der Fehlerrechnung sind prinzipiell auf jede modellgestützte Methode der Todeszeitschätzung anwendbar. Beispielhaft werden sie hier jedoch auf die temperaturgestützte Todeszeitrückrechnung
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nach Henßge angewandt. Als Resultate ergeben sich Diagramme, die den Radius eines 95 % -Konfidenzintervalls der Liegezeitschätzung als Funktion der wahren Liegezeit angeben. Die beiden verwendeten Methoden erlauben eine separate Untersuchung der Auswirkungen von Fehlern in allen relevanten Einflußgrößen (Anfangstemperatur, Umgebungstemperatur, Kerntemperaturmessungen, Zeitmessungen) des Modells. Die Ergebnisse beider Verfahren befinden sich in sehr guter numerischen Übereinstimmung. Überragende Auswirkungen auf das Rückrechnungsergebnis besitzen Fehler (D=1°C) der Umgebungstemperatur. Mit zunehmender realer Liegezeit wachsen die Auswirkungen dieser Fehler (nach 10h: +/-1h, nach 25h: +/-5,4h) exponentiell an. Die Auswirkung von Fehlern (D=0,5°C) in der Kerntemperatur bei Todeseintritt werden hingegen zeitlich asymptotisch konstant (bei 0,73h) und besitzen anfangs einen größeren Einfluß. Zeit- und Kerntemperaturmessfehler treten gegenüber den beiden eben genannten Fehlerquellen in ihrer Bedeutung in den Hintergrund. V-41 VERFETTUNG DER MYOZYTEN ALS ZEICHEN DES UNTERKÜHLUNGSTODES? Preuß J1, Lignitz E2, Madea B1 1Institut für Rechtsmedizin der Universität Bonn, Stiftsplatz 12, 53111 Bonn 2Institut für Rechtsmedizin der Universität Greifswald, Kuhstraße 30, 17489 Greifswald Metabolische Veränderungen des Glykogen- und Lipidstoffwechsels sowie ihre morphologischen Äquivalente wurden wiederholt als wertvolle Unterkühlungsbefunde herausgestellt. In der älteren Literatur wurden vor allem fettige Degenerationen innerer Organe als Unterkühlungsmerkmale beschrieben. Nachdem Untersuchungen zur basalen Verfettung der Nierentubulusepithelien und ihrer diagnostischen Sensitivität beim Tod durch Unterkühlung bereits vorliegen, wurden in der aktuellen Untersuchung die Häufigkeit und Ausprägung einer Verfettung der Herzmuskelzellen beim Unterkühlungstod untersucht und in ihrer diagnostischen Aussagekraft überprüft. Methoden: Untersucht wurden 127 Unterkühlungstodesfälle der Jahre 1990 bis 2004 der rechtsmedizinischen Institute Bonn und Greifswald. Die mittels der Sudanfärbung nach Herxheimer dargestellte Verfettung der Herzmuskelzellen wurde bei mittlerer Vergrößerung im Mikroskop semiquantitativ graduiert. (0–keine Verfettung; 1+–gering; 2+–mittel; 3+–stark). Das gleiche Verfahren wurde bei 30 Kontrollfällen ohne Hypothermie angewandt. Ergebnisse: Die Auswertung nach der oben genannten Methodik bestätigt keine sichere Zuverlässigkeit des Fettnachweises in den Herzmuskelzellen als Indikator für eine todesursächliche Unterkühlung. Zwar ist bei den Fällen von Tod durch Unterkühlung öfter als in der Kontrollgruppe eine starke Verfettung zu belegen, jedoch zeigt sich ebenfalls, dass bei Personen mit einer vorbestehenden, chronischen Herzerkrankung in höherem Maße Herzmuskelverfettungen zu beobachten sind und dass diese nicht von einer eventuell durch Unterkühlung hervorgerufenen Verfettung abgrenzbar sind. Der Befund einer Herzmuskelverfettung wird mit anderen morphologischen Hypothermieäquivalenten (Kälteerytheme, Wischnewsky-Flecke) sowie der Verfettung der Nierentubulusepithelien korreliert. V-42 DIE POSTMORTALE BESTIMMUNG DES TROPONIN I IM SERUM UND SEINE FORENSISCHE RELEVANZ Ortmann C, Wesiger S, Klein A Institut für Rechtsmedizin, Universität Jena In der Klinik ist die Troponin I- Bestimmung ein sensitiver Marker für die Diagnose eines Myokardinfarktes oder einer akuten Herzmuskelschädigung. Forensisch hingegen wird die Serumkonzentration der Troponine in der postmortalen Diagnostik kontrovers diskutiert. Zur Beurteilung der forensischen Relevanz dieses Markers wurde in
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42 Obduktionsfällen unterschiedlicher Todesursachen Troponin I im Serum von Herzblut und Schenkelvenenblut bestimmt. Die Obduktionsfälle wurden morphologisch bezüglich der Herzschädigung graduiert. Gruppe I: Makroskopisch bereits sichtbarer Infarkt. Gruppe II: nur histologisch oder immunhistochemisch (Anti-C5b-9) Nachweis von zumindest Gruppennekrosen. Gruppe III: Nachweis von Einzelzellnekrosen oder flächenhaften Fibronektin-positiven Herzmuskelschäden. Gruppe IV: Kein Nachweis von Nekrosen oder flächenhafter Fibronektin-positiver Herzmuskelschädigung. Die Fragmentation des Herzmuskels wurde zusätzlich in 3 Stufen histologisch graduiert. Die Troponinkonzentrationen (Herzblut und Schenkelvenenblut) korrelierten signifikant (Pearson /SPSS) mit der Autolysezeit, definiert als Intervall zwischen Todeseintritt und Obduktion, darüber hinaus mit der Fragmentation des Herzmuskels (Mittelwerte für Herzblut: Grad 0/ 93 ng/ml; Grad I/ 219 ng/ml; Grad II/ 560 ng/ml). Andererseits korrelierte die Autolysezeit signifikant mit der Fragmentation. Troponin korrelierte nicht mit der graduierten histomorphologischen Gruppeneinteilung, der Mittelwert für Herzblut war in Gruppe II am höchsten, gefolgt von Gruppe IV, III und I. Als eine mögliche Erklärung dieses unerwarteten Ergebnisses könnte die unterschiedliche Autolysezeit in den einzelnen Gruppen dienen (Mittelwert Gruppe I–45 h, Gruppe II–71h). Unter Zugrundelegung dieser Ergebnisse ist zu folgern, dass Troponin I als postmortaler Serummarker für vitale Herzmuskelschäden nicht spezifisch ist. Dies ist insbesondere bei Betrachtung eines Einzelfalls zu beachten. V-43 EXPERIMENTELLE AUSWERTUNG DER TOTENSTARRE. GÜLTIGKEIT DES GESETZES VON NYSTEN FÜR RATTEN Krompecher T Institut universitaire de médecine légale, Lausanne, Switzerland Ziel der Präsentation ist es die Intensität der Totenstarre in verschiedenen Gelenken zu beschreiben. Im Jahre 1811, publizierte der französische Arzt und Chemiker P. H. Nysten die erste wissenschaftliche Beschreibung des Rigor mortis. Das nach ihm benannte Gesetz fordert, dass die Totenstarre sich sukzessive auf die Massetermuskeln, die Gesichts- und Nackenmuskeln, die Muskeln der Arme sowie des Körperstamms und schließlich die Beinmuskeln auswirkt. Oft wird angefügt, dass die Totenstarre sich in derselben Reihenfolge löst. Man glaubte zuerst, dass sich diese Reihenfolge mit der zunehmenden Distanz zum Zentralnervensystem erklären lässt. Die Totenstarre ließ sich aber nicht durch die Zerstörung des Zentralnervensystems beeinflussen, wie schon Nysten selbst bemerkte. 1917 bestätigte Naumann die absteigende Reihenfolge der Totenstarre, beschrieb aber ebenfalls in einigen Fällen (bei schwachen, oder durch Krankheit geschwächten Individuen) eine aufsteigende Reihenfolge. 1950 widersprach jedoch Shapiro dem Nysten-Gesetz wie folgt: „Es ist schwierig zu verstehen, weshalb ein physikalisch-chemischer Prozess im toten Gewebe nach dieser oft beschriebenen Reihenfolge abläuft. Wahrscheinlicher wäre wohl, dass dieser Prozess überall zeitgleich in der im selben Moment abgestorbenen Muskulatur stattfindet.“ Vor einigen Jahren entwickelten wir eine Methode, die uns mittels objektiver Messungen bei Ratten zu einem besseren Verständnis der Totenstarre verhilft. Das Prinzip der Methode ist, die Kraft zu messen, die erforderlich ist, um in einer Extremität eine kleine standardisierte Bewegung (4mm) auszuführen. Die kleine Amplitude der Bewegung erlaubt es uns, mehrere Messungen im selben Gelenk durchzuführen, da die Totenstarre dabei nicht gebrochen wird. Unsere Apparatur misst den durch die Totenstarre hervorgerufenen Widerstand in den Knie- und Hüftgelenken der Ratten. Dieselbe Methode
Abstracts hat uns früher erlaubt, verschiedene pre- und postmortale Einflüsse auf die Ausprägung der Totenstarre zu beurteilen (z. B. Muskelmasse, Körpergewicht, Alter, körperliche Anstrengung, Umgebungstemperatur, verschiedene Todesursachen, Stromeinwirkung). Experiment / Messungen: Pro Gruppe 12 männliche Albinoratten von etwa 300 Gramm Gewicht. Messungen werden 10 Minuten, 1, 2, 3, 4, 5, 6, 8, 12, 16 und 24 Stunden postmortem durchgeführt. Ergebnisse: Gruppe No1: Hinterbeine Die maximale Intensität der Totenstarre wurde nach 5 Stunden erreicht, bildete ein Plateau zwischen 5 und 8 Stunden und wurde dann von einer allmählichen Lösung gefolgt. Gruppe No2: Vorderbeine Der zeitliche Ablauf der Totenstarre war praktisch der gleiche, obwohl die Hinterbeine eine 2,89 mal größere Muskelmasse besaßen als die Vorderbeine. Gruppe No3: Nackenmuskeln Die maximale Intensität der Totenstarre wurde nach 3 Stunden erreicht; die Lösung begann nach 6 Stunden. Gruppe No4: Kaumuskeln Die maximale Intensität der Totenstarre wurde hier nach 2 Stunden erreicht; die Lösung begann nach 8 Stunden. Schlussfolgerung: Die maximale Intensität wird in der Kaumuskulatur signifikant früher erreicht als in den Nackenmuskeln und in diesen wiederum früher als in den Extremitätenmuskeln. Das Nysten-Gesetz scheint also für Ratten gültig zu sein, zumindest was die Entwicklung der Totenstarre angeht. Rigor mortis, Totenstarre, Nysten, Ratten V-44 EINFLUSS VON ELEKTRISCHEM STROM AUF DIE POSTMORTALE KÖRPERTEMPERATUR Hädrich C1, Ortmann C1, Seilwinder J2, Schoner J2, Hofmann O2, Klein A1 1Institut für Rechtsmedizin, Universität Jena 2Fachhochschule Jena Der rechtsmedizinische Bereitschaftsdienst wurde zur Leichenschau eines 62 Jahre alt gewordenen Mannes in eine Justizvollzugsanstalt gerufen. Todesursache war ein Suizid durch elektrischen Strom. Bei der Leichenauffindung war der Stromkreis noch geschlossen, so dass von einem postmortalen Stromfluss (Hand-zu-Hand) über maximal 1 Stunde auszugehen war. Bei der Leichenschau fiel eine Diskrepanz zwischen der gemessenen Körperkerntemperatur und dem vermuteten postmortalen Intervall auf. Wir stellten uns die Frage, in welchem Ausmaß der Stromfluss zu einer postmortalen Erwärmung des Körpers geführt haben könnte. Dazu wurden Computersimulationen mit der Finite-Elemente-Methode an einem Modellkörper erstellt sowie wärmetechnische Versuche an Schweinekadavern durchgeführt. Für die FEM-Simulation wurde eine Ausgangskörpertemperatur von 37°C und eine Umgebungstemperatur von 20°C festgelegt. Nach einem simulierten Stromfluss von Hand-zu-Hand von 220 V kam es im Modell zu einer Erwärmung der Armweichteile auf max. 58°C. Die Körperkerntemperatur fiel deutlich langsamer ab als erwartet und näherte sich mit zunehmendem Wärmeeintrag in den Körper einem Plateau. Die elektrothermischen Versuche an Schweinekadavern wurden in Zusammenarbeit mit der Fachhochschule Jena durchgeführt. Es wurden die Temperaturänderungen an mehreren Meßpunkten in den Tierkörpern mit und ohne Stromapplikation gemessen, sowie Hautwiderstand, Lufttemperatur und Luftfeuchtigkeit erfaßt. Weiterhin wurden die Veränderungen der Oberflächentemperaturen mit einer Infrarot-Thermokamera dokumentiert. Die Ergebnisse werden vorgestellt.
V-45 IN SITU 1H-MRS-UNTERSUCHUNGEN AN EINEM SCHWEINMODELL ZUR FESTSTELLUNG POSTMORTALER VERÄNDERUNGEN AM HIRNGEWEBE Banaschak S1, Rzanny R2, Reichenbach JR2, Kaiser WA2, Klein A1 1Institut für Rechtsmedizin, Universitätsklinikum Jena 2Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie, Universitätsklinikum Jena Das spätere postmortale Intervall ist bezüglich der Feststellung der Todeszeit eine große Herausforderung. Es stehen bislang keine, in jedem Fall anwendbare Methoden zur Verfügung. Erste Ergebnisse deuteten auf eine Anwendbarkeit der 1H-Magnet-Resonanz-Spektroskopie (MRS) zur Feststellung der Todeszeit hin. Es wurden Lagerungsversuche mit isolierten Schweineköpfen durchgeführt. Bei konstanten Lagerungsbedingungen (Zimmertemperatur, 21°C ± 1°C) wurden die Schweineköpfe in einem belüfteten Sack gelagert. Über einen Zeitraum von 3 Wochen wurden die postmortalen Veränderungen im Hirngewebe durch wiederholte 1H- MRS-Untersuchungen zerstörungsfrei dargestellt. Bislang konnten 5 Fälle in die Auswertung einbezogen werden. Der zeitliche Abstand der Messungen betrug zwischen 8 und 48 Stunden. In allen Fällen zeigten sich nach 5–7 Tagen Gasblasen im Hirngewebe, die auf die Fäulnisprozesse zurückzuführen waren und die die Messung erschwerten. Folgende Veränderungen konnten reproduzierbar gefunden werden: N-acetyl-Aspartat 0–130 Stunden, Kreatin 0–170 Stunden, Laktat 0–200 Stunden, Succinat nach 100 Stunden, freies Trimethylammonium (fTMA) nach 100 Stunden. Andere Metabolite (Alanin, Acetat, TrimethylammoniumVerbindungen) zeigten keine regelmäßigen Veränderungen. Messbare Änderungen im Metabolitennachweis setzen bereits in den ersten Stunden nach Eintritt des Todes ein. Neu auftretende Signale kennzeichnen die Entstehung von Zerfallsprodukten wie Succinat. Es waren unterschiedliche Verlaufsformen festzustellen: Der Metabolit zeigt bereits unmittelbar nach dem Tod ein starkes Signal, das im Verlauf bis unter die Nachweisgrenze absinkt (z. B. N-acetyl-Aspartat); erstmaliges Auftreten des Metaboliten nach einer gewissen Zeitdauer, die Signalintensität nimmt mit zunehmender Lagerungsdauer ebenfalls zu (z. B. Succinat); Nachweis in einem gewissen Zeitfenster, Zeiten ansteigender und absinkender Intensität. (z. B. Alanin). In diesem Fall sind weitere Untersuchungen notwendig, ob die Ursachen dafür in postmortalen Abbauprozessen, in der Überlagerung verschiedener Signale oder in der Lokalisation der Untersuchungsregion im Hirn liegen. Das kombinierte Untersuchungsergebnis aus den beobachteten Signalanstiegen und –reduktionen verschiedener Metabolite könnte dabei als Marker für das postmortale Intervall dienen, wenn ein reproduzierbarer Verlauf nachweisbar ist. V-46 TISSUE MICROARRAY-TECHNIK ZUR EVALUIERUNG IMMUNHISTOCHEMISCHER PARAMETER FÜR DIE ALTERSBESTIMMUNG CEREBRALER KONTUSIONSBLUTUNGEN Polzin S1, Bauer M1, Hartmann M2, Roggendorf W3, Patzelt D1 1Institut für Rechtsmedizin, Julius-Maximilians-Universität Würzburg 2Institut für Pathologie, Julius-Maximilians-Universität Würzburg 3Abteilung Neuropathologie, Julius-Maximilians-Universität Würzburg Die tissue microarray (TMA)-Technik, bei der bis zu 300 mit einer Hohlnadel aus donor-Paraffinblöcken ausgestanzte Gewebezylinder (Ø 0,6 mm) in einen leeren array-Paraffinblock mit entsprechenden Aussparungen eingebracht werden können, ist eine standardisierte und automatisiert auswertbare Methode zur histologischen und immunhistochemischen Färbung. In der von uns durchgeführten Studie wurden insgesamt 295 Stanzen aus Gehirngewebe in einen array-Block eingebracht (51 Obduktionsfälle mit und 5 ohne Rindenprellungsherde bei Schädelhirntrauma sowie 15 Negativkontrollfälle mit vergleichbarer Alters- und Geschlechtsverteilung). Bei Fällen mit mikroskopierbaren Kontusionsherden wurden insgesamt 5 Gewebestanzen (aus zentralen und Rechtsmedizin 4 · 2004
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perizentralen Rindenprellungsarealen sowie aus unauffälligem Kortex) entnommen, bei den übrigen Fällen jeweils 2 Stanzen normales Rindengewebe. Das Überlebenszeitintervall nach der einwirkenden Gewalt gegen den Schädel reicht von keinem bis zu 1-monatigem Überleben. Neben Standardfärbung und immunhistochemischer Darstellung von ZNS-spezifischen Zellmarkern (z. B. Synaptophysin, Neurofilamente, MAP2) wurden auch Antikörper eingesetzt, die im Tierversuch oder in Studien an postmortalen menschlichen Gehirnen geeignet waren, eine veränderte Genexpression nach einem stumpfen SHT anzuzeigen (z. B. ß-APP, Apo E). In dieser Präsentation soll u. a. dargestellt werden, ob die mit dieser Methode erzielten Resultate, insbesondere im Hinblick auf ihren wesentlichen Vorteil, nämlich der für alle 295 auf einem Objektträger befindlichen Proben identischen Reaktionsbedingungen, mit bisher bekannten Daten vergleichbar sind. Auch wenn die aufwändige Herstellung des array-Blocks eine Nutzung für die forensische Routine eher nicht erwarten lässt, so stellt sie für wissenschaftliche Fragestellungen eine wertvolle Ergänzung immunhistochemischer Methoden dar. Dr. Silke Polzin Institut für Rechtsmedizin, Universität Würzburg, Versbacher Str. 3, 97078 Würzburg, E-mail:
[email protected] Telefon +49-931-201-47020, Telefax +49-931-201-47000 V-47 DER LUNGENBEFUND IN DER POSTMORTALEN COMPUTERTOMOGRAPHIE, EINE RADIOLOGISCH -PATHOANATOMISCHE VERGLEICHSSTUDIE Stein KM1, Zimmer G1, Ganten M1, Flechtenmacher C2, Schmidt A1, Pedal I1 1Institut für Rechts- und Verkehrsmedizin in Klinikum der Universität Heidelberg 2Pathologisches Institut der Universität Heidelberg „Dr. Quincy braucht kein Skalpell mehr“!? Will man Bildzeitungsschlagzeilen glauben, so soll in der Bildgebung die Zukunft der Forensischen Pathologie liegen. Doch neuste wissenschaftliche Untersuchungen [The Lancet, Vol 355, June 10, 2000] belegen, dass in der Klinik trotz teurer bildgebender Verfahren und aufwendiger Laboruntersuchungen die Anzahl der Fehler zumindest bei weniger wichtigen Diagnosen in den Jahren 1972-1992 von 23 % auf 46 % angestiegen ist. Zum Einsatz der Bildgebung in der Postmortaldiagnostik sind umfangreiche Vergleichsuntersuchungen von Nöten. Einen kleinen Beitrag zur Interpretation postmortaler computertomographischer Lungenbefunde soll die gezielte histologische Auswertung eines unselektierten Sektionsgutes über den Zeitraum von zwei Monaten liefern. Dabei wird die Histologie definierter Lungenabschnitte mit ihrem computertomographischen Befund verglichen. V-48 VERGLEICH DER RADIOLOGISCHEN UND HISTOLOGISCHEN BEURTEILUNG VON ZUSAMMENSETZUNG UND STABILITÄT ATHEROSKLEROTISCHER PLAQUES IN AORTEN VON HEREDITÄR HYOERLIPIDÄMISCHEN WATANABE-HASEN Bux R1, Herzog C2 1Zentrum der Rechtsmedizin, J.W. Goethe-Universität, Frankfurt/Main 2Zentrum der Radiologie, J.W. Goethe-Universität, Frankfurt/Main Die klinische Gefährlichkeit atherosklerotischer Plaques hängt neben dem durch sie verursachten Stenosegrad eines Gefäßes vor allem von ihrer Rupturwahrscheinlichkeit und damit von ihrer Zusammensetzung ab. Somit kommt der radiologischen Charakterisierung atherosklerotischer Plaques große therapeutische und prognostische Bedeutung zu. In einer tierexperimentellen Studie wurde die Sensiti-
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vität eines modernen bildgebenden Verfahrens im Vergleich mit der konventionellen histologischen Diagnostik untersucht. Nach einer sechs Monate dauernden lipidreichen Diät wurden die Aorten von sechs hereditär hyperlipidämischen Watanabe-Hasen mit einem 16-Zeilen Multidetektor-Computertomografen (MDCT) untersucht. Schichtdicken von 0,5 cm wurden rekonstruiert und die atherosklerotischen Wandveränderungen von zwei unabhängigen Untersuchern anhand der AHA-Klassifikation eingeteilt. Anschließend wurden die Aorten in toto entnommen, aufgespannt und 4 Tage in 4,5 % -igem gepuffertem Formalin fixiert. Danach wurden die Aorten in 0,5 cm dicke Abschnitte aufgearbeitet, in Paraffin eingebettet und mit der Hämatoxilin-Eosin- und Azan-Färbung gefärbt. Die atherosklerotischen Veränderungen wurden histologisch nach den AHARichtlinien den Schweregraden I bis VI zugeordnet und mit den radiologischen Befunden abgeglichen. 84,2 % aller histologisch nachweisbaren Plaques waren im MDCT nachweisbar. Die Sensitivität für den radiologischen Nachweis von Atheromen (Grad IV) lag bei 71,2 %, von lipidreichen Atheromen (Grad Va) bei 67,1 %, von kalzifizierenden Atheromen (Grad Vb) bei 96,3 % und von fibrotischen Atheromen (Grad Vc) bei 89,1 %. Schwierig war sowohl histologisch als auch radiologisch eine scharfe Unterscheidung von Präatheromen (Grad III) und Atheromen (Grad IV) sowie die radiologische Detektion feiner histologisch sichtbarer Plaque-Rupturen. Wenngleich ein moderner 16-Zeilen Multidetektor-Computertomograf nicht ganz die Auflösung der histologischen Untersuchung erreicht, lassen sich doch unterschiedliche Plaque-Stadien mit hoher Sensitivität darstellen. Diese klinischen Befunde verfeinern die Prognose der Rupturwahrscheinlichkeit atherosklerotischer Plaques. Rechtsmedizinische Relevanz kann sich z. B. bei der Fahreignungsbegutachtung ergeben. Dr. Roman Bux Zentrum der Rechtsmedizin J.W. Goethe-Universität Kennedyallee 104, 60596 Frankfurt/Main Tel. 069/6301-5277, Fax 069/6301-83461 e-mail:
[email protected] V-49 RADIOLOGISCHE DIAGNOSTIK VON KUNSTSTOFF- UND GUMMIGESCHOSSEN Maksymowicz K1, Maksymowicz H2, Markiewicz J3, Kawecki J1 1Lehrstuhl und Anstalt für Gerichtsmedizin der Medizinischen Universität Wrocław, Polen. Leiter: Prof. Dr. habil. med. Barbara Swiatek 2Radiologische Abteilung des Marciniak-Krankenhauses, Wrocław, Polen Leiter : Prof. Dr. habil. med. Marek Sasiadek 3Polizeihauptdienststelle Wrocław, Polen Nonletale Waffen sollen beim Menschen nur vorübergehende Lähmungen hervorrufen und keine wesentlichen Verletzungen verursachen. Aus der Literatur ist jedoch bekannt, und die Erfahrungen der Autoren bestätigen dies, daß solche Forderungen nicht immer erfüllbar sind. In unserer Studie sind Röntgenuntersuchungen, CT-Aufnahmen und MRT-Aufnahmen von Gummi – und Kunststoffgeschossen durchgeführt werden, die von der Polizei in Polen benutzt werden. Zum Vergleich wurden konventionelle Röntgenaufnahmen angefertigt. Die Metallgeschosse und die Gummi- und Plastikgeschosse wurden auf die Röntgenkassette gelegt und Aufnahmen mit in der Röntgendiagnostik üblichen Parametern angefertigt. Danach wurden dieselben Geschosse an der Bauchwand eines Probanden angebracht und es wurden Röntgen- und CT-Untersuchungen duchgeführt. Bei der MRT-Untersuchung benutzte man nur Gummi – und Plastikgeschosse, die man in Mundhöhle, Nasenöffnungen, äußeren Gehörgängen und in der Gegend der Augenhöhle verbracht hatte.
Abstracts Untersuchungsergebnisse: Durch die Röntgenuntersuchung konnten Plastikgeschosse und Kunststoffgeschosse bei der Standardexposition für die Abdomenübersichtsaufnahme nachgewiesen werden. Im CT-Übersichtstopogramm des Abdomen waren Gummi- und Kunststoffgeschosse sichtbar, diese waren auf den einzelnen Schichtaufnahemen nicht nachweisbar. Die MRT-Untersuchung ergab nur Artefakte und deshalb ist diese Methode für die Diagnostik von Plastikgeschossen nicht geeignet. Die Untersuchungsergebnisse zeigen, dass mit der klassischen Röntgendiagnostik und der CT-Untersuchung Kunststoff – und Gummigeschosse sicher zu diagnostizieren sind, die MRT-Untersuchung hat dagegen erwartungsgemäß keine verwertbaren Ergebnisse erbracht. Dr. n. med. Krzysztof Maksymowicz Lehrstuhl und Anstalt für Gerichtsmedizin Medizinische Universität Wrocław Ul. Mikulicza-Radeckiego 4, 50-368 Wrocław, Polen + 48 -71 - 784 14 62, + 48 - 502-254-856 e-mail:
[email protected] V-50 DIFFUSIONSGEWICHTETE MR-BILDGEBUNG DES GEHIRNS POST MORTEM Yen K1, Kreis R2, Weis J3, Lövblad KO4, Dirnhofer R1 1Institut für Rechtsmedizin, Universität Bern 2Abt. für Magnetresonanzspektroskopie und Methodologie, Univ. Bern 3Inst. Pathologie, Abt. Neuropathologie, Universität Bern 4Abt. Neuroradiologie, Universität Genf Die diffusionsgewichtete MRI (DWI) ist eine auf dem Prinzip der Messung der Diffusibilität des untersuchten Gewebes basierende neue Methode. Durch die Darstellung des gerichteten Flüssigkeitstransports entlang der Axone sind Rückschlüsse auf eventuell vorliegende Faserabrisse möglich. Klinisch wird die DWI vor allem bei akuter Ischämie des Gehirns verwendet, da sie frühe cytotoxische Veränderungen abbildet und deren Abgrenzung zu einem rein vasogenen Ödem erlaubt. Mittels Diffusionstensorbildgebung (DTI) lässt sich der Verlauf der Axone in der weissen Substanz darstellen. Die ersten Erfahrungen am postmortalen Gehirn sollen vorgestellt und mögliche Anwendungsbereiche in der Rechtsmedizin diskutiert werden. Methode: 21 Verstorbene wurden mittels DWI/DTI (line-scan Technik; b werte von 0 und 1000, field of view: 24 x 18, 5 mm Schichtdicke; TR: 3424 ms, TE: 92 ms). Ergänzend T1 und T2-gewichtete Aufnahmen des Gehirns. Die apparenten Diffusionskoeffizienten (ADC) wurden in jeweils 40 anatomischen Regionen gemessen. Eine Auswertung der DTI-Daten erfolgte in Fällen mit Rotationstrauma des Gehirns. Alle Verstorbenen wurden einer Autopsie und neuropathologischen Untersuchung unterzogen. Resultate: Bei den Verstorbenen wurden deutlich reduzierte ADCWerte zwischen 0.18 und 0.26 x 10-5 cm2/s festgestellt, und das Gehirn zeigte sich hell in den DWI-Bildern („white brain“). In Fällen traumatischer Schädigung des Gehirns ließen sich Faserrupturen mittels DTI darstellen. Schlussfolgerungen: Das Bild des „hellen Gehirns“ und die erniedrigten ADC-Werte sind Ausdruck der hypoxischen Veränderungen bei Hirntod. Die Erkennbarkeit von Axonverletzungen in der nicht-invasiven DTI erweitert das Spektrum der bislang hauptsächlich auf die Diagnostik von Blutungen gestützten forensischen Neuropathologie und lässt zukünftig neue Erkenntnisse in der Traumatologie des Gehirns erwarten.
V-51 FUSION VON COMPUTERTOMOGRAPHIE UND MAGNETRESONANZTOMOGRPHIE IN EINER AUFNAHME – RECHTSMEDIZINISCH SINNVOLL UND NUTZBAR? Jachau K1, Preim B2, Cordes J2,Heinrichs T3, Krause D1 1Institut für Rechtsmedizin der Otto-von-Guericke Universität Magdeburg, 39120 Magdeburg, Leipziger Straße 44 2Institut für Simulation und Graphik der Otto-von-Guericke Universität Magdeburg 3Klinik für Diagnostische Radiologie der Otto-von-Guericke Universität Magdeburg Neben konventionellen Röntgenaufnahmen spielen in der postmortalen Diagnostik Computertomographie (CT) und Magnetresonanztomographie (MRT) als ergänzende Verfahren eine zunehmende Rolle. Während bei der CT die knöchernen Strukturen gut zur Darstellung kommen, ist die MRT für die Visualisierung von Hirnstrukturen und Befunden an anderen parenchymatösen Organen erforderlich, so dass für die Befunderhebung beide Verfahren unerlässlich sind. Am Institut für Simulation und Graphik der Universität Magdeburg wurde, basierend auf der Softwareplattform Ilab4 (MeVis, Bremen) eine Software entwickelt, die es erlaubt, CT- und MRT-Bilder im virtuellen Raum zusammenzuführen und in einer Darstellung zu kombinieren. Dadurch erhält man hochinformative Tomogramme mit den topografischen Bezügen beider Bildinhalte. Darüber hinaus ließen sich einzelne Organe und Organsysteme isoliert dreidimensional darstellen und vermessen sowie Volumenberechnungen durchführen. Die Methode wird an ausgewählten Beispielen erläutert, die aus einer systematischen Serie von 20 Obduktionen stammen, bei denen vor der Sektion die bildgebenden Verfahren zum Einsatz kamen. Die Datensätze wurden anonymisiert ausgewertet. Ein Votum der zuständigen Ethikkommission lag vor. V-52 DIE POSTMORTALE SEDIMENTATION DER ZELLULÄREN BLUTBESTANDTEILE UND IHRE ANWENDUNG IN DER POSTMORTALEN MR (MAGNETIC RESONANCE) – BILDGEBUNG Jackowski C1, Thali M1, Aghayev E1, Yen K1, Sonnenschein M2, Zwygart K3, Dirnhofer R1, Vock P2 1Institute of Forensic Medicine, University of Bern, Switzerland 2Institute of Diagnostic Radiology, Inselspital, Bern, Switzerland 3Department of Clinical Research, Magnetic Resonance Spectroscopy and Methodology, University of Bern, Switzerland Die zellulären Blutbestandteile sedimentieren in der postmortal stehenden Blutsäule innerhalb der Leiche vergleichbar der Blutsenkungsreaktion in der klinischen Routine. Dabei bilden sich von unten nach oben drei Schichten aus überwiegend Erythrozyten, Thrombozyten und Serum aus. Die entstehenden Spiegel können sehr exakt im postmortem MRI (Magnetic Resonance Imaging) mit T2-Wichtung (TE 96ms;TR 4000ms) und mit FLAIR (Fluid Attenuated Inversion Recovery; TE 217,5ms;TI 2200ms;TE 11002ms) – Sequenzen gezeigt werden, wobei sich die zellreiche untere Schicht signalarm und die obere Serumschicht signalreich darstellt. Dazwischen findet sich die schmale Schicht der Thrombozyten in mittlerer Signalintensität. So zeigt sich in der postmortalen Bildgebung ein intravasales Phänomen, welches in der klassischen Autopsie in der Regel nicht gesehen wird. Es fallen dabei bei allen Leichen, von wenigen Ausnahmen abgesehen (weit fortgeschrittene Fäulnisleichen, Fettwachsleichen, Brandleichen, Verblutungstod) entsprechende Spiegelbildungen in den grösseren Bluträumen (überwiegend die grossen Körpergefässe und die Herzkammern) als physiologische postmortale Erscheinung auf. Werden diese ausserhalb des vaskulären Systems nachgewiesen, sind sei radiologische Zeichen innerer Blutungen. Genutzt werden kann dies für den postmortalen minimal invasiven Nachweis von intrakraniellen, intrathorakalen und intraabdominellen Blutungen ebenso wie für den Nachweis von Wund- und Quetschungshöhlen bei rekonstruktiven Fragestellungen. Rechtsmedizin 4 · 2004
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V-53 DER EINFLUSS VON ALTERSABHÄNGIGEN VERÄNDERUNGEN DES KINDLICHEN GESICHTS AUF DIE IDENTIFIKATION Kreutz K1, Verhoff MA2 1Institut für Forensische Anthropologie, Wettenberg 2Institut für Rechtsmedizin, Universität Gießen Das Gesicht von erwachsenen Menschen weist zahlreiche Strukturen auf, die für Deskription und Vergleich zum Zwecke der Identifikation genutzt werden können. Liegen zwischen zwei zu vergleichenden Fotos viele Jahre, können Veränderungen des alternden Gesichtes Probleme bereiten, meistens lassen sich aber ausreichend viele vergleichbare Merkmale herausarbeiten. Auch die künstliche Gesichtsalterung, das sog. Morphing hat eine gewisse Popularität erlangt. Bei einem Kindergesicht finden gravierende wachstumsbedingte Veränderungen in einem kurzen Zeitraum statt. Betrachtet man den Proportions- bzw. den Gestaltwandel, den ein Mensch während seiner Reifung erfährt, ist dies eindeutig nachvollziehbar. Die Veränderungen der Gesichtsmorphologie sind bereits vielfach bearbeitet und beschrieben worden. Wird beispielsweise ein Kind im Alter von 2 Jahren vermisst, stellt sich die Frage, ob 5 oder sogar 20 Jahre später eine Identifikation mittels Bildvergleich möglich wäre. In der vorliegenden Studie sollte der Frage nachgegangen werden, ab welchem Alter ein kindliches Gesicht Strukturen ausbildet, die eine lebenslange Identifikation ermöglichen. Von bislang über 50 jungen Erwachsenen im Alter von 21 bis 29 Jahren wurden Portraitfotos aus verschiedenen Blickwinkeln angefertigt und mit den jeweiligen Kinderbilder aus verschiedenen Altersstufen in den direkten Bildvergleich gesetzt und ausgewertet. Grundsätzlich haben sich nachfolgende Strukturen als frühzeitig (ca. ab dem 6. Lebensmonat) individuell ausgeprägt herausgestellt und waren bis zum Erwachsenenalter in Form und Gestaltung im höchsten Maße ähnlich: Augenbrauenform, Nasenproportion im Verhältnis zum Gesamtgesicht, Lippenkonturen und Ohrform. Den Merkmalszuweisungen liegen die Standards der Identifikation lebender oder verstorbener Personen im direkten Bildvergleich zugrunde. Die Studie wird fortgesetzt, um die bisherigen Ergebnisse zu festigen. Ziel ist es auf lange Sicht die Erkennung vermisster Kinder, die später als Heranwachsende oder Erwachsene mit der Frage und Suche nach ihrer wahren Identität konfrontiert werden, erleichtert und in der Aussagewahrscheinlichkeit sicherer wird. V-54 UNTERSUCHUNGEN ZUM ZEITLICHEN VERLAUF DER WEISHEITSZAHNERUPTION BEI EINER SCHWARZAFRIKANISCHEN POPULATION Olze A1, van Niekerk P2, Schmidt S1, Wernecke KD3, Geserick G1, Schmeling A1 1Institut für Rechtsmedizin (CCM), Berlin 2Department of Oral Pathology and Oral Biology, Pretoria 3Institut für Medizinische Biometrie (CVK), Berlin Ein Hauptkriterium der zahnärztlichen Altersdiagnostik bei Lebenden ist die Beurteilung der Weisheitszahneruption. Bislang unzureichend geklärt ist der Einfluss der Ethnie auf den zeitlichen Verlauf der Weisheitszahneruption. Es wurden 595 konventionall gefertigte Orthopantomogramme von 474 männlichen und 121 weiblichen schwarzen Südafrikanern im Alter von 10-16 Jahren mit gesicherten Geburtsdaten untersucht. Zur Beurteilung des Eruptionsstandes wurde eine vierstufige Stadieneinteilung verwendet. Es wurden nur nicht retinierte Weisheitszähne in die Auswertung einbezogen. Für jedes Stadium werden geschlechtergetrennt Mittelwerte bzw. Mediane mit den jeweiligen Streuungsmaßen präsentiert. Im Vergleich mit kaukasoiden Probanden zeigte sich ein deutlicher Trend zum früheren Durchlaufen der Eruptionsstadien durch die schwarzafrikanische Population.
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Für die Altersschätzungspraxis wird daher die Verwendung populationsspezifischer Standards empfohlen.
DNA, biologische Spuren V-55 FEHLINTERPRETATION VON STR-BEFUNDEN IN DER FORENSISCHEN ROUTINE: LOW COPY NUMBER, DNA-ÜBERSCHUSS UND FALSCH HOMOZYGOTE STRS Schwark T, Mályusz V, Simeoni E, von Wurmb-Schwark N Institut für Rechtsmedizin, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Kiel Der Einsatz von Multiplex- PCRs hat die forensische Spurenkunde revolutioniert. Immer schwierigere und kleinere Spuren werden heutzutage genetisch typisiert und sind häufig wichtige positive oder negative Hinweise in Kriminalfällen. Die Entwicklung von Multiplex-PCRs mit bis zu 15 STRs führte dazu, dass auch bei minimalsten Spuren häufig noch immer eine, für eine Befundung ausreichende, Anzahl STRs typisiert werden kann. Allerdings existieren diverse Möglichkeiten der Fehlinterpretation. Diese können auf eine nicht-optimale Menge eingesetzter DNA (u.a. zu wenig DNA für den jeweiligen Kit, zuviel DNA, low copy Phänomen), auf nicht-optimale Spuren (u.a. Co-Extraktion von Inhibitoren oder nicht humaner DNA) oder auf die Auswahl der eingesetzten Primer (Bestimmung falsch-homozygoter Proben) zurück zuführen sein. Selbst bei einem erfahrenen Gutachter könnten diese Komplikationen zu falschen Befunden führen. Wir zeigen zum einen reale Beispiele aus der forensischen Routine, die beinahe fehlerhaft interpretiert worden wären. Dabei erläutern wir, aus welchen Gründen ein falsches Ergebnis vermieden wurde. Zum anderen werden in einem experimentellen Ansatz DNA-Proben aus Schleimhautabstrichen und forensischen Spuren (Knochen, Zähne) unter unterschiedlichsten Bedingungen (eingesetzte DNA-Menge und Zyklenzahl) typisiert. Es wird dargestellt, wie sich dabei das STRMuster verändern kann und inwiefern die Möglichkeit zur Fehlinterpretation gegeben ist. Diese Ergebnisse zeigen, dass – wenn möglich – auch in Spurenfällen immer Doppeltypisierungen durchgeführt werden sollten. Dabei sollten zum einen unterschiedliche DNA-Konzentrationen und zum anderen zusätzlich ein zweiter PCR Multiplex-Kit mit anderen Primerbindungsstellen eingesetzt werden. Prof. Dr. N. von Wurmb-Schwark Institut für Rechtsmedizin, Abteilung Molekulare Rechtsmedizin Arnold-Heller-Str. 12, 24105 Kiel 0431/597-3633
[email protected] V-56 RÜCKSCHLÜSSE AUF DEN MECHANISMUS VON STR MUTATIONEN DURCH HAPLOTYP ANALYSE Klintschar M1, Immel UD1, Dauber EM2, Ricci U3, Cerri N4, Kleiber M1, Mayr WR2 1Institut für Rechtsmedizin, Martin-Luther Universität Halle-Wittenberg, Franzosenweg 1, 06112 Halle 2Klinische Abteilung für Blutgruppenserologie, Universität Wien, Österreich 3Genetik und Molekular Medizin, Universität Florenz, Hospital „A. Meyer”, Florenz, Italien 4Institut für Rechtsmedizin, Universität Brescia, Hospital Civili di Brescia, Brescia, Italien Mutationen menschlicher STRs (Short tandem repeats) sind Expansionen oder Kontraktionen repetitiver DNA Abschnitte, deren molekularer Mechanismus nur teilweise geklärt ist. Obwohl viele Hinweise für eine Beteiligung von Polymerase Slippage sprechen, könnten diese Mutationen auch durch Unequal Crossing Over (UCO) erklärt wer-
Abstracts den. Bei diesem Rekombinationsprozess kommt es zum Austausch flankierender Marker. Um die Rolle von UCO bei STR Mutationen zu untersuchen, wurden 150 Vaterschaftsfälle bei denen mehr als das übliche Trio (Kind, Mutter und Vater) einer Testung unterzogen werden konnte, mit 16 STRs typisiert. Dabei wurden 4 Mutationen beobachtet (jeweils eine für die Loci D8S1179, D18S51, D21S11 und SE33/ACTBP2). Bei diesen Fällen wurden rund um die mutierten STRs zumindest 4 informative flankierende Loci getestet und durch Stammbaumanalyse Haplotypen determiniert. Dadurch konnte bei allen Mutationen ein crossing over ausschlossen werden. Bei 3 der 4 Mutationen konnte das mutierte Allel eindeutig identifiziert werden. Alle 4 Mutationen wurden als Kontraktion oder Expansion um ein Repeat verifiziert. Diese Ergebnisse sprechen dafür, dass Polymerase Slippage, nicht jedoch UCO der molekulare Mechanismus von STR-Mutationen ist. Michael Klintschar Insitut für Rechtsmedizin, Universität Halle Franzosenweg 1, 06112 Halle E-mail:
[email protected] Fax: ++49 345 557 1587 V-57 CHARAKTERISIERUNG AUTOSOMALER STR-MUTATIONEN – PRAKTISCHE IMPLIKATIONEN Hohoff C1, Fimmers R2, Baur, MP2 und Brinkmann B1 1Institut für Rechtsmedizin, Universitätsklinikum Münster 2Institut für Medizinische Biometrie, Informatik und Epidemiologie, Medizinische Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn Das tiefe Verständnis von Mutationen in STR-Systemen besitzt eines hohes Anwendungspotential in der rechtsmedizinischen Praxis als auch in der Evolutionsbiologie. Im Rahmen von Routine-Abstammungsbegutachtungen und zusätzlichen dezidierten Meiosenstudien wurden 179 de novo Mutationen in autosomalen STR-Systemen in verschiedenen kaukasoiden Populationen beobachtet. Bei Auftreten einer Mendel’schen Inkompatibilität mussten folgende Kriterien für die Charakterisierung als Mutation erfüllt werden: isolierte Mismatches (1–2), Sequenzierung der beteiligten Allele, Einschluss der Mutation in der biostatistischen Berechnung mit resultierendem W-Wert > 99,97 %. Durch ’Maximum Likelihood’ Schätzung konnten systembezogen Parameter wie das Geschlecht, die Mutationsrichtung (Verlust oder Gewinn von Wiederholungseinheiten), das Alter und die Sequenzstruktur ausgewertet werden. Diese Arbeiten sind ein entscheidender Schritt, um zukünftig nicht nur auf der relativen schmalen Basis von tatsächlich beobachteten Mutationen Berechnungen anzustellen, sondern die Grundprinzipien der Mutationen soweit zu verstehen, dass Allel-bezogene Mutationsraten abgeschätzt werden können. V-58 MUTATIONSCHARAKTERIKA Y-CHROMOSOMALER STR-LOCI Hoppe K, Hohoff C, Brinkmann B Institut für Rechtsmedizin, Universitätsklinikum Münster, Röntgenstr. 23, 48149 Münster Etwa 500 hoch-validierte Vater-Sohn-Paare wurden unter Verwendung 13 Y-chromosomaler STR-Systeme typisiert. Unter diesen mehr als 11000 meiotischen Transfers wurden 30 Mutationen beobachtet. Betroffen waren nicht nur tetramere STRs, sondern auch das pentamere DYS438 und das dimere YCAII (1 bzw. 3 Mutationen). In 12 Mutationen lag ein Wiederholungseinheit-Verlust vor, während Wiederholungseinheit-Gewinne in 18 Fällen festgestellt wurden.
In einer der vier DYS385-Mutationsfälle wiesen Vater und Sohn die Allelkombinationen 12-14 bzw. 14-15 auf. Durch Anwendung der Sublocus-spezifischen DYS385-Amplifikation konnte gezeigt werden, dass es sich nicht um 2 gekoppelte Mutationen handelt (14→15 und 12→ 14), sondern um eine 3-Schritt-Mutation des paternalen Allels 12 am Sublocus b, an dem der Sohn das Allel 15 trägt. Dieses ist die erste Beobachtung einer Y-chromosomalen 3-Schritt-Mutation. V-59 EINE STIMULIERTE DEFIENZANALYSE OFFENSICHTLICH UNVERWANDTER PERSONEN AUS 325 FAMILIEN AUS GREIFSWALD UND KIEL Poetsch M1, Fischer L1, Mályusz V2, Lignitz E1, von Wurmb-Schwark N2 1Institut für Rechtsmedizin, Greifswald; 2Institut für Rechtsmedizin, Kiel Defizienzuntersuchungen haben in der Abstammungsbegutachtung einen immer größeren Anteil, insbesondere eine Analyse von Putativvater und Kind ohne die Mutter wird in privaten Gutachten unter Kostenaspekten häufig gewählt. Für den Gutachter stellt sich dabei allerdings die Frage, ob eine reine STR-Analyse in diesen Fällen ausreicht, um den Vater des Kindes zweifelsfrei zu ermitteln, und wie viele STRs mindestens analysiert werden müssen. In der hier vorgestellten Studie wurden 400 offensichtlich unverwandte Kinder, Putativväter und Zeugen aus insgesamt 195 Familien des Untersuchungsgutes in Greifswald und 273 offensichtlich unverwandte Kinder und Putativväter aus insgesamt 130 Familien des Untersuchungsgutes in Kiel mit dem AmpFlSTRTM Identifiler Multiplex PCRKit untersucht. Mit einem selbst erstellten Computerprogramm wurden aus diesem Untersuchungsgut Defizienzfälle simuliert und ermittelt, wie viele Ausschlüsse zwischen den unverwandten Kindern und Putativvätern vorliegen. Im Fall eines vollständigen Einschlusses wurden die Vaterschaftswahrscheinlichkeiten berechnet. Im Ergebnis zeigte sich, dass selbst bei der Analyse von 15 STRs in 5 Fällen aus Greifswald und 4 Fällen aus Kiel bei Kindern mit bekannten Vätern keine Ausschlüsse in der simulierten Defizienzanalyse zu einem anderen Mann nachweisbar waren. Die Vaterschaftswahrscheinlichkeiten lagen zwischen 97,64 und 99,99 %. Die Zahl der Fälle mit nur einem Ausschluss lag in Greifswald bei 117, in Kiel bei 39. Zwei Ausschlüsse fanden sich in 591 Vergleichen in Greifswald und in 248 Vergleichen in Kiel. Unsere Studie zeigt, dass die Beurteilung in Vater-Kind-Defizienzgutachten nicht nur bei verwandten Putativvätern mit großer Vorsicht betrachtet werden muss. Insbesondere bei einer Analyse von weniger als 15 Genorten in Defizienzfällen könnte durchaus ein absolut unverwandter Mann zum Vater deklariert werden. V-60 ChARAKTEERISIERUNG BISHER UNBEKANNTER ’OFF-LADDER’-ALLELE IN DEN STR-SYSTEMEN D19S433, D3S1358 UND D2S1338 Heinrich M1, Hohoff C1, Felske-Zech H2, Rauße K1, Brinkmann B1 1Institut für Rechtsmedizin, Uniklinikum Münster, Röntgenstr. 23, 48149 Münster 2Institut für Rechtsmedizin, Universitätsmedizin Berlin, Campus Benjamin Franklin, Hittorfstr. 18, 14195 Berlin Bei Routineuntersuchungen von Speichelproben mit den MultiplexSystemen SEFiler und SGMplus (Applied Biosystems, Darmstadt) fielen in den Elektropherogrammen Peaks auf, die durch ergänzenden Typisierungen mit z. B. genRes MPX-3 (SERAC) und letztendlich durch Sequenzierung als folgende, bisher unbekannte Allele identifiziert wurden: Im STR-System D19S433 konnte das bislang nicht bekannte Allel 6.2 identifiziert werden, welches in vier von 629 untersuchten Proben (1258 Chromosome; 95 % confidence interval [C.I.] der Allel-Häufigkeit: 0,0012-0,0082) vorlag. In den Multiplex-Kits SEfiler und SGMRechtsmedizin 4 · 2004
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plus bildet D19S433 das kürzeste System des gelben Kanals, wodurch ein Allel, welches kürzer ist als das kleinste Leiter-Allel, leicht durch die manuelle Einstellung der „Zoom“-Funktion im Genotyper übersehen werden kann. Darüber hinaus besteht die Gefahr der Fehlinterpretation dieses Peaks als sog. „dye blob“. Im Multiplex-Kit genRES MPX-3 bildet D19S433 das längste System im blauen Kanal, hier erscheint der Peak für Allel 6.2 innerhalb der Kategorie des Systems vWA. Die Gefahr der Fehltypisierung ist vor allem dann gegeben, wenn im System vWA ein homozygoter Status vorliegt. Im STR-System D3S1358 konnte Allel 21 in zwei von 9293 Proben identifiziert werden (18586 Chromosomen, 95 % C.I. der Allel-Häufigkeit: 0-0,0004), das bis dato noch nicht beschrieben worden war. Auch hier besteht die Gefahr der Fehltypisierung, da dieses Allel in der Genotyper-Darstellung innerhalb der Kategorie von vWA erscheint. Im System D2S1338 trat in einer von 723 Proben (entspricht 1526 Chromosomen; 95 % C.I. der Allel-Häufigkeit: 0,001-0,0038) ein Allel 10 auf. In diesem Fall ist die Gefahr der Fehltypisierung besonders hoch, da dieses Allel in der Genotyper-Darstellung sowohl in MPX-3 als auch in SEfiler und SGMplus als ganzzahliges Allel eines anderen Systems erscheint (Allel 18 in D3S1358 bzw. Allel 15 in D16S539). Diese Beispiele verdeutlichen, dass das Wissen um die Existenz seltener Allele für die korrekte Genotypisierung essentiell ist. V-61 HAPLOTYPISIERUNGSSTRATEGIE FÜR DEN ABSTAMMUNGSTEST MIT X-CHROMOSOMOSOMALEN MARKERN: VALIDIERUNG DES STR-CLUSTERS DXS6801, DXS6809 UND DXS6789 IN XQ21 Edelmann J1, Hering S2, Kuhlisch E3, Krawczak M4, Plate I 5, Szibor R 5 1Institut für Rechtsmedizin, Universität Leipzig 2Institut für Rechtsmedizin, Technische Universität Dresden 3Institut für Medizinische Informatik und Biometrie Dresden 4Institut für Medizinische Informatik und Statistik, Christian-Albrechts-Universität Kiel 5Institiut für Rechtsmedizin, Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg Die Überbrückung von mehreren Generationen im Verwandtschaftsnachweis erfordert den Gebrauch genetischer Marker mit sehr hoher Individualisierungskraft. Die bekannten einfachen VNTR-Marker, die mittels PCR bzw. SLS-Technik analysiert werden, können dies nur im Ausnahmefall leisten. In Fällen, in denen die Familiensituation die Anwendung einer X-chromosomalen Analyse erlaubt, ist deshalb die Untersuchung enggekoppelter STR-Cluster, die stabile Haplotypen bilden, eine erfolgversprechende Strategie. Die Nutzung solcher Haplotypen als komplexe Marker setzt jedoch eine umfangreiche Analyse voraus, die die Kopplungsabstände zwischen den einzelnen Markern, eventuelle Kopplungsungleichgewichte und Haplotypenverteilungen in der relevanten Population prüft. Bisher lagen solche Daten nur für die gekoppelten Marker DXS7424 und DXS101 vor. Wir berichten hier über die Marker DXS6801, DXS6809 und DXS6789, die sich über eine genetische Distanz von 3,9 cM erstrecken und somit für die Haplotypisierungsstrategie geeignet sind. Die physische Kartierung wird bereits durch das Human Genome Project mit 91,296 Mb (DXS6801), 93,752 Mb (DXS6809) und 94,236 Mb (DXS6789) vom p-Telomer in der Region Xq21 des ChrX angegeben. Eine Rekombinationsstudie anhand von Müttern mit mehreren Söhnen bestätigte die enge Kopplung der drei Marker auch mit genetischer Methode. Die Allelfrequenzen und Repeatstrukturen der einzelnen STRs wurden von unserer Arbeitsgruppe bereits charakterisiert. Wir beschreiben hier die simultane Amplifikation der drei Marker in einer Multiplex-PCR und die Haplotypenverteilung von 806 unverwandten männlichen Individuen. Dabei wurden 206 verschiedene Haplotypen gefunden, deren einzelne Frequenzen zwischen 4,7 und << 1 % lagen. Die Anwendung der Haplotypisierung wird an einem Defizienzfall zur Klärung einer möglichen Tante Nichtenverwandtschaft demons-triert.
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V-62 Y-STR HAPLPTYPEN BEI MITTELDEUTSCHEN MIT DEUTSCHSTÄMMIGEN UND MIT SLAWISCHSTÄMMIGEN NAMEN Immel UD1, Krawczak M2, Kleiber M1, Klintschar M1 1Institut für Rechtsmedizin, Martin-Luther Universität Halle-Wittenberg, Franzosenweg 1, 06112 Halle 2Institut für Medizinische Informatik and Statistik, Christian-Albrechts-University, Kiel, Brunswiker Strasse 10, 24105 Kiel Mitteldeutschland ist ein Gebiet, in dem zahlreiche prähistorische und historische Bevölkerungsbewegungen stattgefunden haben. Im letzten Millenium sind zwei Bewegungen von besonderer Bedeutung: Einerseits die Expansion des Deutschen Reiches und die Verdrängung der nach der Völkerwanderung ansässig gewordenen Slawen im 11.-12. Jahrhundert, andererseits die Einwanderung slawischer Arbeiter während der industriellen Revolution. Von diesen Bewegungen zeugen noch heute neben slawischen Ortsnamen zahlreiche Nachnamen alteingesessener mitteldeutscher Familien. Nachnamen werden, genauso wie das Y-Chromosom, patrilinear vererbt. Um zu überprüfen, ob sich aus dem Y-chromosomalen Haplotyp der Ursprung des Familiennamens erschließen lässt, wurden zwei Gruppen von je ca. 200 im Raum Halle geborenen Männern, die eine mit eindeutig deutschstämmigem Familiennamen (Müller, Schmid etc.), die andere mit typisch slawischstämmigen Familiennamen (Suffix –ski oder –ow etc.), hinsichtlich ihrer „minimal Y-STR haplotypes“ verglichen. In einer AMOVA (Analysis of Molecular Variance) unterschieden sich beide Gruppen hochsignifikant (p<0.001). Der paarweise ΦST Wert von 0.031 ist vergleichbar dem geographisch und linguistisch weit entfernter Populationen wie z. B. Köln und Budapest.Die forensische und populationsgenetische Bedeutung dieser überraschend klaren Ergebnisse wird diskutiert. Dipl.-Biol. Uta-Dorothee Immel Insitut für Rechtsmedizin, Universität Halle Franzosenweg 1, 06112 Halle E-mail:
[email protected], Fax: ++49 345 557 1587 V-63 HETEROPLASMIEN DER HYPERVARIABLEN REGION DER MTDNA IN VERSCHIEDENEN ORGANEN Verhoff MA, Kramer N, Weiler G, Heidorn F Institut für Rechtsmedizin, Universitätsklinikum Gießen Bei schlecht erhaltenen oder geringen menschlichen Überresten bzw. Spurenmaterial stellt die Analyse der mitochondrialen DNA (mtDNA) oftmals die letzte Option zur Individualtypisierung dar. Hierbei besteht jedoch das grundsätzliche Problem, dass bei einer Sequenzierung des D-Loops Heteroplasmien nicht von möglichen Mischspuren unterschieden werden können. Deshalb wäre es notwendig, Aussagen über die Häufigkeit des Auftretens von Heteroplasmien in einem Individuum in verschiedenen Organen treffen zu können. Bei 39 Individuen wurden im Rahmen der Obduktion Proben von Herz, Leber, Niere, Gehirn und M. psoas major entnommen. An jeder Probe wurde eine Sequenzierung der HV1- und HV2-Region der mtDNA durchgeführt. Wurde bei der Auswertung an einer Basenposition ein zweites, sich deutlich von der Grundlinie abhebendes Signal detektiert, erfolgte zunächst eine Rückwärtssequenzierung. Bei erneutem Auftreten dieses zusätzlichen Signals wurde zur weiteren Verifizierung eine neue Extraktion der betreffenden Probe und nochmalige Vor- und Rückwärts-Sequenzierung durchgeührt. War auch nach diesen beiden Reaktionsschritten das 2. Signal nachweisbar, wurde dies als Heteroplasmie gewertet. Untersucht wurden 22 weibliche und 17 männliche Verstorbene, die zwischen 2 Monaten und 96 Jahre, im Durchschnitt 53,2 Jahre alt geworden sind. Die in der Literatur für den Psoasmuskel häufig beschriebene Heteroplasmie an Position nt189 konnte bei 16 Individu-
Abstracts en (41,0 %) nachgewiesen werden, wobei sich eine Korrelation mit höherem Lebensalter statistisch sichern ließ. Außerdem waren bei 6 Individuen (15,4 %) die relativ häufig beschriebenen Heteroplasmien am C-Stretch der HV2-Region (nt309) und bei weiteren 6 Individuen (15,4 %) Heteroplasmien an mindestens einem Organ festgestellt. Insgesamt konnte mit den in der Forensik etablierten Analysemethoden bei 25 Individuen (64,1 %) mindestens eine Heteroplasmie detektiert werden, davon wiesen 22 (56,4 %) jeweils eine und 3 (7,7 %) an zwei verschiedenen Lokalisationen Heteroplasmien in einem oder mehreren der untersuchten Organe auf. Das Ergebnis zeigt, dass Heteroplasmien bei der Bewertung von Sequenzierungen des D-Loops zur Individualtypisierung eine Rolle spielen können. Die nt189-Heteroplasmie des Psoas-Muskels ist wegen ihrer Häufigkeit und Altersabhängigkeit gesondert zu betrachten. Für die Praxis wären zum Ausschluss der Identiät oder die Annahme einer Mischspur mindestens 3 Sequenzunterschiede bzw. -polymorphismen zu fordern. V-64 MITOCHONDRIALE MUTAGENESE IN ISCHÄMISCH GESCHÄDIGTEN NERVENZELLEN DER AMMONSHORN-FORMATION IM GEHIRN DES MENSCHEN Fürst S1,2, Oehmichen M², von Wurmb-Schwark N² 1Institut für Zoologie, Abteilung Anthropologie, Christian-Albrechts-Universität zu Kiel 2Institut für Rechtsmedizin, Christian-Albrechts-Universität zu Kiel Einleitung: Eine Folge einer ischämischen Schädigung der Nervenzelle ist die Zunahme der 4977 bp – Deletion („common deletion“) innerhalb des mitochondrialen Erbgutes (mtDNA), die über die normale, altersabhängige Akkumulation hinausgeht. Den Nervenzellen der Ammonshornformation (AH) wird eine besondere Sensibilität gegenüber diesem Mangelzustand zugeschrieben. Ziel dieser Untersuchung ist die schnelle und reproduzierbare Detektion der „common deletion“ sowie die Prüfung, ob sich die Ergebnisse für diagnostische Zwecke innerhalb der Rechtsmedizin verwenden lassen. Material und Methoden: Es wurden in Paraffin eingebettete Gewebeproben von 14 Personen im Alter von 13–61 Jahren bearbeitet, die entsprechend den Ermittlungen und der Obduktion – bis auf zwei Fälle – ausschließlich durch ein äußeres Ersticken zu Tode gekommen sind. Ischämische Nervenzellveränderungen als morphologischer Hinweis auf einen Sauerstoffmangel konnten histologisch nicht beobachtet werden. Nach Anfertigung von Schnittserien wurden unter mikroskopischer Kontrolle fünf verschiedene Regionen des AH separat mikrodisseziert. Die Ergebnisse der Extraktion der Gesamt – DNA für jede Region wurden auf Agarosegelen dokumentiert. In der Folge wurden in zwei unterschiedlichen Duplex – PCRs spezifische nukleäre und mitochondriale sowie mitochondriale und für die 4977 bp deletierte mtDNA charakteristische Fragmente amplifiziert. Über die anschließende Fragmentanalyse kann eine relative Quantifizierung vorgenommen werden, die den Anteil der gesuchten Deletion an der Gesamtmenge der mtDNA in jeder Probe widerspiegelt. Zusätzlich wurden die Fragmente in einer Realtime-PCR absolut quantifiziert. Ergebnisse und Schlussfolgerungen: Es konnte in allen untersuchten Gewebeproben die „common deletion“ nachgewiesen werden. Die Menge an deletierter mtDNA geht dabei erwartungsgemäß z.T. weit über die altersabhängige Anhäufung hinaus; ein quantitativer Unterschied zwischen den verschiedenen Altersklassen konnte nicht festgestellt werden. Ebenso wenig konnten innerhalb des AH segmentale Unterschiede in den einzelnen Abschnitten (CA1 – CA4, Fascia dentata) ermittelt werden. Das vorgestellte experimentelle Design erlaubt somit den Nachweis der ischämischen Schädigung von Nervenzellen selbst aus geringsten Mengen formalinfixierten und in Paraffin eingebetteten Gewebes.
Simon Fürst Institut für Rechtsmedizin, Abteilung Molekulare Rechtsmedizin Arnold-Heller-Str. 12, 24105 Kiel 0431-5973603,
[email protected] V-65 DNA-EXTRAKTION AUS GROSSFLÄCHIGEN SPURENTRÄGERN Jung S, Patzelt D Institut für Rechtsmedizin, Universität Würzburg, Versbacher Str. 3, 97078 Würzburg Eine häufige Fragestellung in der Spurenkunde ist die Ermittlung des Trägers eines Kleidungsstücks. Die DNA-Extraktion aus solchen großflächigen Spurenträgern gestaltet sich jedoch schwierig, wenn keine Sekretantragungen (Blut, Sperma o. ä.) feststellbar sind. Am eigenen Institut wurde eine Methode entwickelt, um aus großen Spurenträgern wie Kleidungsstücken oder Bettlaken DNA zu isolieren. Im Rahmen einer Studie, aber auch in konkreten spurenkundlichen Fällen wurde aus einer Vielzahl von Bekleidungsgegenständen (Unterwäsche, Socken, Schuhe, Mützen, Hüte und Nachthemden) sowie aus Bettbezügen und Handtüchern erfolgreich DNA extrahiert und in den Systemen der DNA-Analyse-Datei typisiert. Die gefundenen DNA-Merkmalskomplexe stimmten in jedem Fall mit denen der Spurenleger überein, soweit diese zum Untersuchungszeitpunkt bekannt waren. V-66 VALIDIERUNG UND ANWENDUNG EINER OCTAPLEX-PCR BEI FORENSISCHEM SPURENMATERIAL Meißner C1, Bruse P1, Oehmichen M1,2 1Institut für Rechtsmedizin des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein-Campus Lübeck 2Institut für Rechtsmedizin des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein-Campus Kiel STR-Systeme (short tandem repeats) erlauben durch ihre Polymorphie eine hohe Individualisierung von forensischem Spurenmaterial. Vorteil dieser Systeme ist einerseits die relative Stabilität gegenüber Umwelteinflüssen. Andererseits bieten sie die Möglichkeit, zeitgleich in einem Multiplex-PCR-Ansatz untersucht zu werden, so dass auch bei dem Vorliegen von geringen Mengen von DNA noch ein zufriedenstellendes Ergebnis erzielt werden kann. Ein Problem stellen jedoch Spuren dar, aus denen nur stark degradierte DNA gewonnen werden kann. Bei diesen Spuren handelt es sich u. a. um einzelne telogene Haare ohne Wurzel, um Knochen aus Erdgräbern oder Gewässern, um formalinfixiertes Material oder um Zigarettenkippen, die Umwelteinflüssen wie Feuchtigkeit und Verschmutzung ausgesetzt waren. Ziel bei der Entwicklung einer Multiplex-PCR für forensisches Spurenmaterial sollte es daher sein, die Primersequenzen so zu wählen, dass möglichst kurze Amplifikationsprodukte entstehen, da diese eine höhere Amplifikationseffizienz besitzen und weniger anfällig gegen Degradation sind. Für diesen Zweck haben wir unsere bereits vorgestellte ShoP-PCR mit den Genorten D3S1358, VWA, D8S1179, TH01 und Amelogenin um die Datenbanksysteme D21S11, D18S51 und FGA erweitert. Nach Auswahl der Primersequenzen wurden die PCR-Bedingungen durch Titration von Primermenge, Polymerase und Magnesium sowie Zugabe von verschiedenen Additiva optimiert. Im Vergleich mit mehreren kommerziell verfügbaren Kits lagen die Zielsequenzen für die Octaplex-PCR im unteren Bereich. Die Validierung der Primersequenzen erfolgte durch Untersuchung von 200 Personen im Vergleich mit einem kommerziell verfügbaren Kit. Bei der systematischen Untersuchung von paraffineingebettetem Gewebe, Zigarettenkippen und einzelnen Haaren konnte festgestellt werden, dass die OctaplexPCR mit sieben Datenbanksystemen und dem geschlechtspezifischen Genort Amelogenin bei schwierigem Spurenmaterial Vorteile gegenüber den routinemäßig eingesetzten Kits haben kann. Durch die ErRechtsmedizin 4 · 2004
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gänzung der bereits entwickelten Pentaplex-PCR um die drei weiteren Systeme wurde die Sensitivität der ShoP-PCR nochmals erhöht und für einige Spuren ein zusätzlicher Informationsgewinn erreicht. Im Hinblick auf diese Ergebnisse erscheint es wünschenswert, dass zur Steigerung des Typisierungserfolges weitere Primersequenzen für kurze Amplikons getestet und publiziert werden. PD Dr. med. C. Meißner Institut für Rechtsmedizin des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein - Campus Lübeck, Kahlhorststraße 31-35, 23562 Lübeck Tel.: +49(0)451 500-2752 Fax: +49(0)451 500-2760 e-Mail:
[email protected] V-67 NATÜRLICHE MUMIFIKATION BEI EINER LEICHENLIEGEZEIT VON 8 JAHREN: MORPHOLOGISCHE, BIOCHEMISCHE UND MOLEKULARGENETISCHE BEFUNDE Mönnichs S, Dobberstein R, Mályusz V, von Wurmb-Schwark N, Huppertz J, Ritz-Timme S Institut für Rechtsmedizin, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Kiel Eine komplette natürliche Mumifikation setzt spezielle Liegebedingungen voraus und ist deshalb sehr selten. Aus diesem Grund gibt es nur wenige Mitteilungen zu entsprechenden morphologischen und molekularen Leichenveränderungen. Deren Kenntnis ist aber Voraussetzung für eine optimale Schätzung der Liegezeit sowie zur Planung des diagnostischen Prozederes. Vor diesem Hintergrund wurden systematische Untersuchungen in einem Fall natürlicher Mumifikation bei einer Leichenliegezeit von acht Jahren durchgeführt. Der Leichnam wurde in einem 1,10 m tiefen trockenen Kontrollschacht aufgefunden. Er zeigte eine nahezu komplette Mumifikation der Weichteile und der inneren Organe. Lediglich in einigen Körperpartien fanden sich Teilskelettierungen und Hinweise auf Madenfraß. Bei der Identifikation spielte die Wertung dieser Leichenveränderungen in Hinblick auf die Dauer der Liegezeit eine entscheidende Rolle. Im Rahmen einer systematischen Analyse unter diesen speziellen Liegezeitbedingungen wurden folgende Untersuchungen durchgeführt: Makro- und histomorphologische Untersuchungen, UV-Fluoreszenz am Knochenquerschnitt, Prüfung der Anfärbbarkeit des Knochens mit Indophenol und Nilblau, Luminoltest an verschiedenen Geweben, Prüfung der Integrität des Kollagens aus Knochen, Bestimmung des Razemisierungsgrades von Asparaginsäure in Dentin. Zusätzlich wurde DNA aus Haut, Muskel, Knochen und Zähnen extrahiert. Die DNA-Qualität und – Quantität wurde auf ethidiumbromid gefärbten Agarosegelen, mittels Duplex-PCR und real time PCR überprüft. Zur Erstellung eines genetischen Fingerabdrucks wurden mehrere Multiplex-PCRs ausgetestet. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen belegen einen guten Erhaltungszustand der Gewebe nicht nur auf der morphologisch fassbaren, sondern auch auf der molekularen Ebene. Aus den getrockneten Geweben ließ sich erwartungsgemäß hochmolekulare DNA gewinnen. Eine verlässliche genetische Typisierung erwies sich dennoch als überraschend kompliziert. Die Lebensaltersschätzung aufgrund des Razemisierungsgrades von Asparaginsäure ist dagegen unter diesen besonderen Bedingungen auch nach langen Liegezeiten problemlos einsetzbar. Sabine Mönnichs Institut für Rechtsmedizin Arnold-Heller-Str. 12, 24105 Kiel 0431/597-3597
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V-68 EINZIGER FUND EINE BLUTSPUR OHNE LEICHE: IST DIE ANKLAGE VON GATTINMORD HALTBAR? Schillaci DR1, Piccinini A2, Colombo E2, Baroncini M2 1Cattedra di Medicina Legale, Università degli Studi di Milano – Bicocca; Monza (Mailand) – Italien 2Istituto di Medicina Legale, Università degli Studi di Milano – Italien Der Fall betrifft italienische Bürger die zur Zeit der Ereignisse im Ausland wohnhaft waren. Am 31.12.01 um 19.00 Uhr informierte eine junge Frau die Polizei über das ungewöhnliche Verschwinden der Eltern, nach der Auffindung von einer Blutspur in ihrer Wohnung. Bei der Ortsbesichtigung stellte sich die Wohnung in Ordnung und im Wohnzimmer in einer Ecke zwischen zwei Sofas, wurde eine Blutspur mit zweifacher verschiedenen Verteilungsmuster auf dem Fliesenpflaster aufgefunden mit rundum eine bescheidene Unordnung einiger Einrichtungen. Eine andere Blutspur wurde an der gegenüberliegenden Seite des Wohnzimmerbodens aufgefunden und als Schrittspur zugeschrieben; außerdem einige, runde Bluttropfen waren auf den Teppich sichtbar, wo auch eine Falte unter dem kleinen Tisch lag und Schmuckstücke auch darauf lagen. Asservate der Blutspuren wurden am Ort gesichert und die DNA-Analyse mit darauffolgendem Vergleich mit der Tochter und den Söhnen bestätigte deren mütterlicher Herkunft. Gleichzeitig in der Umgebung des Wohnortes wurden die Brandüberreste des Auto vom Vater in der Nähe eines Straßenabsturz aufgefunden, darin wurde die Anwesenheit von menschlichen Reste ausgeschlossen. Der beauftragte italienische Staatsanwalt, anhand der Spurenauffindungen am Ort und gleichzeitigen Verschwinden der Frau, formulierte die Anklage von Gattinmord durch Einwirkung von spitzer/scharfer Gewalt. Zur Unterstützung der Staatsanwaltsannahme, ohne einen technischen Gutachten, das Anerkennen einen Schlagaderursprung der Blutspur, die Inkompatibilität der Blutmenge mit dem Leben und die Anwesenheit einer Schrittspur. Die Verteidigung, anhand der Photos und Videos des Fundort, schlägt eine unterschiedliche Blutmusterinterpretation und eine verschiedene Rekonstruktion des Tatgeschehens vor, um die Haltlosigkeit der Anklagethese zu beweisen. V-69 MOLEKULARBIOLOGISCHE ARTIDENTIFIZIERUNG: CHANCHEN UND RISIKEN Zehner R, Amendt J Zentrum der Rechtsmedizin der Johann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt am Main Für die Artidentifizierung zu forensischen Zwecken, z. B. bei entomologischen Fragestellungen, sind mittlerweile molekulargenetische Verfahren etabliert, die sich speziesspezifische Gensequenzen zu Nutze machen. Die Analyse dieser Genabschnitte und der Vergleich mit Referenzsequenzen lässt eine Speziesbestimmung zu. Molekulargenetische Methoden sind vor allem in solchen Fällen von entscheidender Bedeutung, wenn morphologische Verfahren nicht oder nur unter erschwerten Bedingungen angewandt werden können. Neben der direkten Sequenzanalyse können auch indirekte Verfahren wie die PCR-RFLP zum Einsatz kommen, die eine schnellere und technisch weniger aufwändige Methode darstellt. Hierbei werden PCR-Produkte mit einem Restriktionsenzym geschnitten, nach Auftrennung der hieraus resultierenden Fragmente in einer Gelelektrophorese entsteht ein charakteristisches Bandenmuster. Bei der PCR-RFLP werden jedoch nur wenige Positionen innerhalb eines Genabschnittes, nämlich die Erkennungsstellen des Restriktionsenzyms, zur Artbestimmung erfasst. Probleme können sich ergeben,
Abstracts wenn Mutationen gerade an diesen Erkennungsstellen auftreten und so ein untypisches Muster erzeugen; falsche Ausschlüsse können so aufgrund innerartlicher Sequenzvariabilität entstehen. Untypische Muster können auch dann entstehen, wenn Individuen mit einem heteroplasmischem Genom analysiert werden und sich die heteroplasmischen Positionen an Erkennungsstellen des Restriktionsenzyms befinden. Ein Bandenmuster, das sich aus zwei unterschiedlichen Schnittmustern zusammensetzt, ist das Resultat. Im Vortrag werden Beispiele aus der Forensischen Entomologie gezeigt, die diese Problematik illustrieren und Empfehlungen zur Nutzung der PCR-RFLP – Technik gegeben.
genannt. Soziale Veränderungen und das Infragestellen traditioneller Werte werden als Bedrohung empfunden und auch die Wissenschaft und verschiedene andere Gebiete sind mit dem rasch fortschreitenden gesellschaftlichen Wandel konfrontiert. Anhand der differenzierten Analyse der Todesursachenstatistik der Schweiz wird die Entwicklung der Suizidhäufigkeit während der letzten 125 Jahre evaluiert. Die Veränderung der Suizidrate, insbesondere während der letzten Jahre, wird im Lichte der oben aufgeführten Phänomene dargestellt und kritisch hinterfragt. Psychiatrische Universitätspoliklinik Petergraben 4, CH-4056 Basel Tel.:0041612652525
Suizid, Psychose V-70 SUIZID IM VIERTEN LEBENSALTER RECHTSMEDIZINISCHE ASPEKTE – HINTERGRÜNDE UND MOTIVE Klostermann P, Ganswindt M, Algeier-Föll R, Schneider V Institut für Rechtsmedizin Charité – Universitätsmedizin Berlin Abstract: Die Untersuchung von 133 Suiziden älterer- und hochaltriger Menschen versucht, die näheren Umstände, die zum „Sterben wollen“ geführt haben, näher zu beleuchten. Die Hintergründe und Motive von 63 Männern und 70 Frauen, die im Zeitraum 1995-2003 verstarben und im Institut für Rechtsmedizin der Charitè – Universitätsmedizin Berlin, Campus Benjamin Franklin, untersucht wurden, werden gegenübergestellt. Dabei zeigt sich, dass Männer weitaus früher einen Suizid in Erwägung ziehen als dies bei Frauen der Fall zu sein scheint. Beiden Gruppen ist gemeinsam, dass die Entscheidung für den Suizid scheinbar aus einer aus ihrer Sicht nicht mehr zu bewältigenden Hilflosigkeit resultiert. Die Analyse der Abschiedsbriefe und Notizen deutet darauf hin, dass sich insbesondere Frauen weitaus differenzierter mit dem Suizid auseinandersetzen, als dies bei Männern zu beobachten ist. Hinsichtlich suizidprophylaktischer Maßnahmen sollte dies berücksichtigt werden. Gleichwohl dominieren in beiden Gruppen Ängste und die Befürchtung das „Lebensende“ in einem Pflegeheim verbringen zu müssen. Bedeutsam wäre es daher, dass derartige Einrichtungen verstärkt darüber nachdenken sollten, wie sie ihr scheinbar negatives Image in der Öffentlichkeit verbessern könnten. Nicht selten, darauf weisen Abschiedsbriefe und Freitodverfügungen hin, ist diese negative Wahrnehmung ein entscheidendes Motiv, auf weitere Hilfen zur Verbesserung der Lebenssituation und Lebensqualität zu verzichten. Dr. P. Klostermann Forschungsgruppe „Suizid im Alter“ am Institut für Rechtsmedizin Charité – Universitätsmedizin Berlin, Campus Benjamin Franklin Hittorfstr. 18, 14195 Berlin
[email protected] V-71 SUIZIDHÄUFIGKEIT – DICHTUNG UND WAHRHEIT Bilkenroth B Psychiatrische Universitätspoliklinik, Basel In den Medien wird heute oftmals über die Zunahme der Suizide insbesondere auch von Jugendlichen berichtet. In der Schweiz haben in den letzten Jahren wiederholt Parlamentarier Postulate oder Einfache Anfragen zu dieser Thematik eingereicht. Veränderte Gesellschaftsverhältnisse, die Auflösung der familiären Strukturen, die Zunahme von psychischen Erkrankungen, veränderte Arbeitsmarktverhältnisse, das Verschwinden religiöser Bindung und andere Entwicklungen werden als Ursachen für die behauptete Zunahme der Suizide
V-72 ANZEIGEPFLICHT DES PROSEKTORS IM PSYCHIATRISCHEN KRANKENHAUS Bauer G Gerichtsmedizin Wien Nicht selten stellt sich nach einem dubiosen Todesfall im Krankenhaus das Problem, was denn nun zu geschehen hat, wer welche Maßnahmen veranlassen muß, kann oder darf, und das möglichst auf dem Boden des Gesetzes. Immer wieder eine schwierige Frage, die in der Vergangenheit bereits zu gröbsten Unzukömmlichkeiten und sogar zu Gerichtsverfahren geführt hat, und zwar ein Gerichtsverfahren gegen einen berühmten Pathologen und ordentlichen Universitätsprofessor – allerdings in der Nachkriegszeit. Wann und auf welcher Rechtsgrundlage nun tatsächlich eine Anzeige über einen Todesfall in der Krankenanstalt und weiters auch von wem zu erstatten ist, dafür sind in Österreich in erster Linie die Bestimmungen des Ärztegesetzes heranzuziehen, und zwar § 54 Abs 4-6 ÄrzteG, wonach der Arzt der Sicherheitsbehörde unverzüglich Anzeige zu erstatten hat, wenn sich in Ausübung seines Berufes der Verdacht ergibt, dass durch eine gerichtlich strafbare Handlung der Tod oder eine schwere Körperverletzung herbeigeführt wurde. Der obzitierte Pathologe sah in dem bekannten Leitsatz „Indagandis sedibus et causis morborum“ die richtungweisende Vorgabe zur Anzeigepflicht des Prosektors und meinte also, dass der Prosektor nur auf dem Weg der Obduktion und der zu Tage geförderten Todesursache das Ausmaß der angewandten Kunst, der erfüllten Pflicht oder auch eines unzulänglichen Strebens des behandelnden Arztes aufzudecken hat. Weitere gesetzliche Grundlagen, wie Dienstanweisungen der Wiener Fondskrankenanstalten, im besonderen aber auch § 54 Abs 4 2. Satz in der 2. Ärztegesetznovelle 2001 sind bei der Diskussion um die Anzeigepflicht des Prosektors gerade in psychiatrischen Krankenanstalten ebenfalls heranzuziehen. Das Ziel der Untersuchung liegt in einer Analyse und Interpretation der bestehenden Rechtsvorschriften unter Berücksichtigung der heutigen Modalitäten und Problemstellungen in einer stationären psychiatrischen Anstalt. V-73 DIE RECHTLICHE UND MEDIZINISCHE BEWERTUNG DES IATROGEN VERURSACHTEN FREMDKÖRPERVERBLEIBS NACH AMBULANTEN UND STATIONÄREN EINGRIFFEN Parzeller M, Bux R, Bratzke H Zentrum der Rechtsmedizin der Johann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt am Main Nach einem operativen Eingriff versehentlich als Fremdkörper verbliebene ärztliche oder zahnärztliche Instrumente wie Klemmen oder Hilfsmaterialen wie Tupfer sind immer wieder Gegenstand von Auseinandersetzungen zwischen Arzt und Patient vor Gerichten sowie Gutachter- und Schlichtungsstellen.
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Der Beitrag befasst sich mit der medizinischen und rechtlichen Wertung dieses Zwischenfalls nach ambulanten oder stationären Eingriffen. Die Problematik wird anhand unterschiedlicher Kasuistiken gerichtsbekannter Fälle und einer Literaturübersicht dargestellt. Das Zurücklassen von Fremdkörpern im Operationsgebiet wird von den Zivilgerichten unterschiedlich gewertet. Nach den Umständen des Einzelfalls wird von der Rechtsprechung nach sachverständiger Begutachtung abgewogen, ob aus dem im Behandlungs- oder Operationsgebiet zurückgelassenen Fremdkörper kein bzw. der Vorwurf eines einfachen oder groben Behandlungsfehlers resultiert. Eine ärztliche Maßnahme wird als ärztlicher Behandlungsfehler gewertet, wenn diese nach dem Standard der medizinischen Wissenschaft und Erkenntnis unsachgemäß ist und die gebotene Sorgfalt vermissen lässt. Bei einem zurückbelassenen Fremdkörper ist einerseits zu klären, unter welchen Umständen dieser in den Körper des Patienten verbracht wurde. Des weiteren ist zu ermitteln, warum er im Körper des Patienten belassen oder vergessen wurde. Ferner ist zu erörtern, welche Konsequenzen aus einem zurückbelassenen Fremdkörper postoperativ auch hinsichtlich der Aufklärung und Information des Patienten zu erfolgen haben. In einschlägigen Richtlinien chirurgischer Gesellschaften wird auf den iatrogen verursachten Fremdkörperverbleib kaum eingegangen. Um ein unbemerktes Zurücklassen von ärztlichen Instrumenten oder Operationsmaterialien zu verhindern, wird auf deren Markierung, Zählung und Überprüfung auf Vollständigkeit hingewiesen. Anhand eines Ursachenkatalogs werden Kriterien für eine rechtsmedizinische Begutachtung vorgestellt. RA Dr. med. Markus Parzeller, Zentrum der Rechtsmedizin Kennedyallee 104, 60596 Frankfurt am Main Tel.: 069/6301-83576, Fax: 069/6301-83639
[email protected] Rechtsanwaltskanzlei Dr. med. Parzeller Schönbornstr. 22, 63179 Obertshausen
Forensische Pathologie V-74 DIE VERANLASSUNG EINER LEICHENÖFFNUNG DURCH DEN STAATSANWALT – ZUM WIDERSPRUCH ZWISCHEN RECHTLICHER HANDLUNGSGRUNDLAGE UND REALITÄT Wegener R, Rummel J Institut für Rechtsmedizin der Medizinischen Fakultät, Universität Rostock Die Raten rechtsmedizinischer Sektionen gemäß § 87 StPO sind in Deutschland mit einem Anteil von etwa 2 % aller Sterbefälle beklagenswert niedrig. Betrachtet man die Sektionsraten im Detail, finden sich erhebliche Schwankungen in einem Bereich zwischen etwa 1,5 % bis 5 %. Offensichtlich wird die Notwendigkeit von Leichenöffnungen in den zuständigen Staatsanwaltschaften unterschiedlich wahrgenommen. Die stark divergierenden subjektiven Einstellungen der Staatsanwälte zur Sektionstätigkeit schlechthin sind allen Rechtsmedizinern bekannt. Vor diesem Hintergrund sollen unabhängig von den gesetzlichen Vorgaben gemäß §§ 87–91 StPO die konkrete Zuständigkeit und Verantwortlichkeit der Staatsanwaltschaft zur Veranlassung von Sektionen nach den Richtlinien für das Straf- und Bußgeldverfahren (RiStBV) analysiert werden. Dabei wird insbesondere auf das Kapitel 4. „Leichenschau und Leichenöffnung“ mit der Richtlinie Nr. 33 eingegangen. Wie bei allen anderen Richtlinien auch, ist den handelnden Personen – hier den Staatsanwälten – ein Ermessensbereich eingeräumt: Er kann wegen der Besonderheit des Einzelfalles von den Richtlinien abweichen. Anhand von Fallkonstellationen soll aufgezeigt werden, wo der Verzicht auf Leichenöffnungen von Staatsanwaltschaften ganz augen-
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scheinlich gegen Geist und Inhalt dieser Vorschrift verstößt. Ausgehend von eigenen Erfahrungen soll ein „Minimalkatalog“ von zwingend gebotenen Indikationen für eine Gerichtliche Sektion zur Diskussion gestellt werden. Es soll nach wie vor keineswegs in Zweifel gezogen werden, dass viele offene Fragen zur Veranlassung einer Obduktion nur durch rege und vertrauensvolle Konsultationen zwischen den rechtsmedizinischen Instituten und Staatsanwaltschaften vor Ort geklärt werden können. V-75 FORENSISCHE PATHOLOGIE ALS STAATLICHE AUFGABE ODER PRIVATE DIENSTLEISTUNG – EINE VERGLEICHENDE ANALYSE VON OBDUKTIONSDATEN AUS DEN USA UND DEUTSCHLAND Bauer M1, Etzel M1, Patzelt D1, Hunsaker D2, Hunsaker JC III2 1Institut für Rechtsmedizin der Universität Würzburg 2Medical Examiners Office, Kentucky Justice Cabinet, Frankfort und Louisville, Kentucky, USA Die forensische Untersuchung von Todesfällen in den USA basiert auf dem angelsächsischen Coroner-System, ist aber in den meisten Bundesstaaten durch ein aus rechtsmedizinisch ausgebildeten Ärzten bestehendes, staatlich organisiertes Medical-Examiner-System ergänzt oder ersetzt worden. Somit ist im Gegensatz zu den Verhältnissen in Deutschland sichergestellt, dass z. B. Entscheidungen über den Untersuchungsumfang und die Vorgehensweise von den zuständigen Rechtsmedizinern selbst und weitgehend frei von fachfremden Erwägungen wie z. B. Finanzierungsfragen getroffen werden. Der Autor hatte Gelegenheit, während eines Gastaufenthaltes am Medical Examiner’s Office des Bundesstaates Kentucky in Frankfort dieses System kennen zu lernen und neben der täglichen Fallarbeit auch umfangreiche statistische Erhebungen an Falldaten der Jahre 1999-2003 vorzunehmen. Anhand eines Vergleiches mit dem in wesentlichen Populations- und Mortalitätsdaten ähnlichen Einzugsgebiet des Instituts für Rechtsmedizin in Würzburg sollen Unterschiede aufgezeigt und die Frage beantwortet werden, ob ein staatlich organisiertes System eine höhere Effizienz gegenüber dem Universitäts-assoziierten System in Deutschland aufweist. Neben der insgesamt wesentlich höheren Zahl von Obduktionen ist z. B. bemerkenswert, dass in den USA bis zu 80 % aller Todesfälle von Personen jünger als 35 Jahre rechtsmedizinisch untersucht werden, in Würzburg dagegen nur 20-25 %. Bei Personen älter als 65 Jahre kehren sich die Verhältnisse um, hier wird in Würzburg ein deutlich höherer Anteil der Todesfälle untersucht als in Kentucky. Unter Einbeziehung von regionalen Unterschieden in Morbidität und Mortalität sollen mögliche Ursachen für diese und ähnliche Differenzen herausgearbeitet werden. Ein solcher umfassender Systemvergleich kann nach Ansicht der Autoren vor dem Hintergrund einer Neuordnung rechtsmedizinischer Strukturen in Deutschland wertvolle Informationen beitragen. V-76 POLIZEIGEWAHRSAM – PROBLEME MIT DEM FÖDERALISMUS Heide S, Stiller D, Kleiber M, Henn V Institut für Rechtsmedizin, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg Wir haben bereits verschiedentlich darauf hingewiesen, dass jeder Arzt, der von der Polizei zu einer Untersuchung der Gewahrsamstauglichkeit herangezogen wird, unbedingt mit der gesetzlichen Grundlage vertraut sein muss. Für eine vergleichende Betrachtung wurden die Polizeigewahrsamsordnungen aller Bundesländer vor allem hinsichtlich der für die ärztliche Begutachtung wichtigen Aspekte miteinander verglichen. Es zeigen sich – dem deutschen Föderalismus entsprechend – ganz erhebliche Unterschiede der Bestimmungen, über die wir nachfolgend berichten wollen.
Abstracts Beispielsweise ist in Mecklenburg-Vorpommern die Notwendigkeit einer ärztlichen Untersuchung vor der Gewahrsamsnahme auf Fälle beschränkt, in denen die Person erkennbar krank ist oder angibt, krank zu sein. Dagegen sind in der Polizeigewahrsamsordnung von Sachsen zwölf ausführliche „Besorgnisgründe“ für die Hinzuziehung eines Arztes aufgeführt. Auch bei der Häufigkeit und der Art der Durchführung der vorgeschriebenen Kontrollen durch die Polizeibeamten gibt es deutliche Abweichungen. Weitere relevante Unterschiede zwischen den Verordnungen der einzelnen Bundesländer bestehen bei der Dauer des Gewahrsams, beim Procedere im Falle einer Nichtgewahrsamstauglichkeit, bei den Vorgaben zur ärztlichen Dokumentation und der vorgeschriebenen Ausstattung der Gewahrsamsräume. Eine einheitliche Regelung des Polizeigewahrsams in Deutschland erscheint eben wegen des Föderalismus und unterschiedlicher Voraussetzungen kaum realisierbar. Bei geplanten Überarbeitungen von Gewahrsamsordnungen sollte jedoch eine Angleichung wichtiger Aspekte wie Anlass zur Arztkonsultation oder Kontrollmodus angestrebt werden. Aus unserer Sicht positiv zu bewertende Einzelaspekte, die durchaus als Vorbild dienen könnten, werden angesprochen. Dr. med. S. Heide Institut für Rechtsmedizin, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg Franzosenweg 1, 06112 Halle/S. Tel.: +49 (0) 345 557-1588, Fax: +49 (0) 345 557-1587 e-Mail:
[email protected] V-77 GEWALT IN DER FAMILIE – VORSTELLUNG EINES INTERINSTITUTIONELLEN PROJEKTES AUS DEM KREIS MURES (RUMÄNIEN) Jung H, Siklodi PK, Hecser L Institut für Gerichtsmedizin Tirgu Mures, Rumänien Das Phänomen der Gewalt in der Familie tritt in verschiedenen Formen auf, beginnend mit verbalen Auseinandersetzungen, und darauf folgend mit körperlicher und sexueller Aggression eines Familienmitgliedes. In den meisten Fällen, sind Frauen die Opfer des Angriffs und Ehemänner sind die Täter. Seit 2003 wurde unser Institut in eine Partnerschaft mit anderen öffentlichen und privaten nichtstaatlichen Institutionen einbezogen, um ein reelles Bild über diese unerwünschten Phänomene zu erhalten, das charakteristische Profil der Opfer zu beschreiben, um ihnen zu helfen und um die weitere Verbreitung dieses Phänomens zu verhindern bzw. zu begrenzen. Seit dem Jahr 2000 ergänzt ein spezielles Gesetz das rumänische Strafgesetz und führt einige Bestimmungen hinsichtlich der Aggression eines Familienmitgliedes ein. Je nach der gerichtsmedizinischen Auswertung kann eine Geldstrafe oder eine Haftstrafe zwischen 6 Monaten und einem Jahr in Frage kommen, wenn für die Verletzungen keine medizinische Behandlung nötig ist; aber zwischen einem und fünf Jahren Haft, wenn das Opfer zwischen 20 und 60 Tage medizinische Behandlung benötigt. Bei schweren Verletzungen beträgt die Haftstrafe zwischen 2 und 7 Jahren. In den Fällen häuslicher Gewalt kann das Strafverfahren nicht nur durch die Anzeige des Opfers, sondern auch von Amts wegen eröffnet werden. Wir untersuchten alle Opfer einer Körperverletzung im Kreis Mures (ca. 600.000 Einwohner), die eine gerichtsmedizinische Bescheinigung erhalten wollten, damit ein Gerichtsverfahren (Strafverfahren, Zivilverfahren inklusive Scheidungsverfahren) eröffnet werden konnte. Im Jahr 2003 führten wir 2258 Untersuchungen durch, von denen 178 Angriffe gegen ein Familienmitglied waren. Wir füllten für jedes Opfer einen Fragebogen aus, um ein Profil der Familie mit erhöhtem Risiko bezüglich einer Gewalttat zu erhalten. Wir präsentieren die Resultate einer statistischen Aufarbeitung und auch die Hauptdaten der interinstitutionellen Kooperation, die wir im Kreis Mures entwickelt haben.
V-78 DAS ÄRZTLICHE GESPRÄCH MIT DEN ANGEHÖRIGEN VERSTORBENER MIT DER BITTE UM SEKTION UND ORGANSPENDE Tomforde A, Püschel K Institut für Rechtsmedizin, Universität Hamburg Verwaltungssektionen zur Klärung der Todesursache plötzlich und unerwartet Verstorbener haben in der Hamburger Rechtsmedizin eine über hundertjährige Tradition. Seit 1985 ist hierzu aufgrund einer Verfügung des Hamburger Senats die Zustimmung der Angehörigen erforderlich. In einer prospektiven Studie wurde in einem Zeitraum von 6 Monaten versucht, mit den Angehörigen der in das Institut für Rechtsmedizin eingelieferten Verstorbenen telefonisch Kontakt aufzunehmen und sie um ihre Zustimmung zur Sektion sowie zur Hornhautspende und zur Gehirnspende für Forschungszwecke zu bitten. Bei den Gesprächen wurde unter anderem versucht, die Gründe für die jeweilige Entscheidung herauszuarbeiten. Außerdem wurden weitere Parameter wie Angehörigenverhältnis, Anzahl und Dauer der Gespräche sowie Anzahl der vergeblichen Versuche festgehalten. Insgesamt konnten 389 Angehörige kontaktiert werden. Die Zustimmungsrate zur Sektion betrug 47,4 %, wobei unter anderem auffiel, dass entferntere Verwandte eher bereit waren, einer Sektion zuzustimmen als nahestehende Angehörige. Der häufigste Zustimmungsgrund war der Wunsch nach Klärung der Todesursache, als Ablehnungsbegründung wurde in den meisten Fällen die körperlicher Unversehrtheit des Leichnams angeführt. Einer Hornhautspende stimmten 45,5 % der Befragten zu, in der überwiegenden Mehrzahl mit der Begründung, dass damit anderen Menschen geholfen werden kann. Ebenfalls um anderen Menschen zu helfen sowie einen Beitrag zum medizinischen Fortschritt leisten zu wollen, waren die am häufigsten genannten Beweggründe der Angehörigen, einer Gehirnspende zuzustimmen. Von den 84 hierzu befragten Verwandten waren 56 % mit einer Gehirnentnahme einverstanden. Anja Tomforde Institut für Rechtsmedizin, Universität Hamburg Butenfeld 34, 22529 Hamburg Tel. 040-42803-2127
[email protected] V-79 EXITUS IN TABULA – ERGEBNISSE DER BMG-STUDIE I ÜBER DIE BEGUTACHTUNG LETALE BEHANDLUNGSFEHLERVORWÜRFE IN DER RECHTSMEDIZIN Preuß J, Dettmeyer R, Madea B Institut für Rechtsmedizin der Universität Bonn, Stiftsplatz 12, 53111 Bonn Der Exitus in tabula, vor allem bei elektiven operativen Eingriffen, stellt im klinischen Alltag ein eher seltenes Ereignis da. Hierbei ist jedoch mit höherer Wahrscheinlichkeit mit einem Behandlungsfehlervorwurf durch z. B. Angehörige oder Freunde zu rechnen, weil in einem solchen Fall für medizinische Laien die Annahme eines Behandlungsfehlers vermeintlich näher liegt als bei sonstigen Todesfällen im Krankenhaus. Oftmals ist dieser Vorwurf unberechtigt, muß aber selbstverständlich gutachterlich sorgfältig bearbeitet werden.. Ausgewertet werden die im Rahmen der vom Bundesministerium für Gesundheit und Soziales (BMGS) geförderten, multizentrischen Studie über Begutachtungen von behaupteten letalen Behandlungsfehlern in der Rechtsmedizin erhobenen Daten. Von insgesamt 4452 erfassten Fällen lag bei 230 Fällen ein Behandlungsfehlervorwurf nach Exitus in tabula vor. In den meisten Fällen waren die chirurgischen Fächer betroffen (n=129, 56 %). Mit 45 von 230 Fällen, entsprechend 19,5 %, ist die Innere Medizin vertreten. Hier betreffen die Vorwürfe voranging den Tod bei Durchführung von Herzkatheteruntersuchungen und bei endoskopischen Eingriffen. Rechtsmedizin 4 · 2004
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Vorgestellt werden typische Fallkonstellationen sowie die aufgetretenen Komplikationen bei den Operationen. Insbesondere wird auf die Klassifikation der Todesart bei Fällen von Exitus in tabula eingegangen. V-80 FORENSISCHE RELEVANZ VON FEHLFUNKTIONEN BEI HERZSCHRITTMACHERN Bartsch C1, Irnich W1, Haussmann M2, Junge M3, Riße M1, Stertmann WA4, Weiler G1 1Institut für Rechtsmedizin des Universitätsklinikums Giessen 2Zentrum der Rechtsmedizin der Universität Frankfurt 3Institut für Rechtsmedizin der Universität Hamburg 4Klinik für Herz- und Gefäßchirurgie des Universitätsklinikums Giessen Über die unterschiedlichen Komplikationen, die mit und unmittelbar nach einer durchgeführten Implantation von Herzschrittmachersystemen auftreten können, wird in der Literatur ausführlich berichtet. Informationen über die Häufigkeit von Komplikationen, die sich im Laufe einer langjährigen Herzschrittmachertherapie ereignen können, werden ausschließlich über postmortale retrospektive Analysen gewonnen werden. Dieser Umstand verdeutlicht die Schlüsselstellung, die der Rechtsmedizin in diesem Bereich zukommt. Die im Rahmen einer multizentrischen Studie bereits veröffentlichten Daten zur postmortalen in situ-Messung von Herzschrittmachersystemen zeigen, dass die feststellbaren Fehlfunktionen in zwei Gruppen eingeteilt werden können. Zum einen handelt es sich um Handhabungs- und/oder Betreuungsfehler, zum anderen um technische Systemdefekte. Zu den Betreuungs- und Handhabungsfehlern zählen hiernach Elektroden, die nicht ordnungsgemäß am Generator befestigt wurden (mangelhafte Konnektion der Elektroden) sowie Programmierfehler. Zu den technischen Systemdefekten zählen Batterieerschöpfung sowie Generator- und Elektroden-Defekte (Elektrodenbruch, Isolationsdefekt). Derartige Fehlfunktionen können für die betroffenen Patientinnen und Patienten lebensbeeinträchtigend sein oder sogar zu lebensbedrohlichen Zuständen führen. Die neuen Ergebnisse der Studie werden mit den Häufigkeiten der unterschiedlichen Fehlfunktionen an einem Kollektiv von nunmehr über 700 Herzschrittmachersystemen im Hinblick auf ihre forensische Relevanz diskutiert. V-81 THROMBOLYSE WÄHREND DER KARDIOPULMONALEN REANIMATION ? Padosch SA1, Böttiger BW2, Schmidt PH1, Madea B1 1Institut für Rechtsmedizin, Universitätsklinikum Bonn, Stiftsplatz 12, 53111 Bonn 2Klinik für Anaesthesiologie, Universitätsklinikum Heidelberg, Im Neuenheimer Feld 110, 69120 Heidelberg Akute Koronarthrombose und fulminante Pulmonalembolie sind wichtige Ursachen des plötzlichen Todes aus natürlicher Ursache. Obwohl die Überlebensraten nach Herz-Kreislaufstillstand verbessert werden konnten, weist ein hoher Prozentsatz erfolgreich wiederbelebter Patienten ein schlechtes neurologisches Outcome auf. Neben der kausalen Therapie der Ursache des Herz-Kreislaufstillstandes (Koronarthrombose, Pulmonalembolie) trägt die Lyse zur Wiederherstellung einer suffizienten zerebralen Reperfusion bei, die nach Herz-Kreislaufstillstand durch eine Imbalance im Gerinnungssystem beeinträchtigt ist („no-reflow“). In der Vergangenheit stand man einer derartigen Anwendung der Thrombolyse aus Furcht vor Blutungskomplikationen skeptisch gegenüber, nach ersten klinischen Untersuchungen stellte sie sich jedoch als erfolgreiche, sichere Therapiestrategie dar. Es werden 4 Todesfälle junger Menschen mit thrombo-embolischen Geschehen als Todesursache vorgestellt. Unter forensischen Gesichtspunkten wird diskutiert, ob hier eine Thrombolyse als ultima-ratioMassnahme möglich (und wahrscheinlich auch erfolgreich) oder potentiell ungünstig gewesen wäre.
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Demgegenüber wird anhand einer autoptisch festgestellten Herzbeuteltamponade bei Aortendissektion demonstriert, dass bei Patienten mit Herz-Kreislaufstillstand unklarer Genese der Einsatz einer Thrombolyse gerechtfertigt erscheint, zumal andere Ursachen des Herz-Kreislauf-Stillstandes (z. B. Subarachnoidalblutung) auch ohne Thrombolysetherapie in praxi mit einer sehr schlechten Prognose quoad vitam behaftet sind. Es wird eine in Durchführung befindliche internationale multizentrische präklinische Studie zur Thrombolyse während der Reanimation (TROICA- thrombolysis in cardiac arrest) vorgestellt und in Synopsis mit den rechtsmedizinisch bedeutsamen Aspekten diskutiert, da sie bei zunehmendem Einsatz zu einem relevanten Gegenstand der rechtsmedizinischen Begutachtung werden wird. V-82 VIDEOCLIPS IN DER POWERPOINT-PRÄSENTATION – EINE FACHDIDAKTISCH WERTVOLLE ERGÄNZUNG Schütz H, Verhoff MA, Weiler G Institut für Rechtsmedizin, Universitätsklinikum Gießen Powerpoint-Präsentationen haben sich inzwischen allgemein durchgesetzt und die früher übliche Diaprojektion weitgehend verdrängt. Besondere Vorteile sind in der Aktualität und Flexibilität der Gestaltung sowie raschen Datenübermittlung zu sehen. Neben der reinen Bildpräsentation besteht aber auch die Möglichkeit der didaktisch wertvollen Einbindung von Videoclips. Im Rahmen des Beitrages werden Lehrinhalte zu folgenden Themenkomplexen vorgestellt: Wirkung von Alkohol, Stimulantien, Neuroleptika und Dopamin-Agonisten beim Menschen und im Tierversuch Interaktion zwischen Alkohol und Benzodiazepinen im Tierversuch Wirkung von Benzodiazepinen am Rezeptor Interviews mit Betroffenen über Drogenkarriere, Wirkungen und Abhängigkeit Videoclips ergänzen die rein bildhafte Darstellung in didaktisch anspruchsvoller Weise und stellen außerdem eine wertvolle mnemotechnische Unterrichtshilfe dar, wie die Befragung von Studenten unterschiedlicher Fachrichtungen deutlich ergab. V-83 AKTIVITÄTSMUSTER UND VERBREITUNG NEKROPHAGER FLIEGENARTEN Amendt J, Franz S, Krettek R, Zehner R Institut für forensische Medizin, Johann Wolfgang von Goethe-Universität, Frankfurt am Main Fliegen der Familien Calliphoridae, Sarcophagidae, Muscidae und Fanniidae sind in der Forensischen Entomologie von besonders großer Bedeutung, da sie den Verwesungsprozess toter Körper in den ersten Wochen maßgeblich bestimmen. Das Vorkommen und die Flugaktivität der einzelnen Arten in Abhängigkeit von Parametern wie Temperatur, Jahreszeit, Habitat, etc. ist bislang kaum untersucht worden. Die Klärung der hier zu erwartenden Variabilitäten ist jedoch für die forensisch-entomologische Praxis von großer Wichtigkeit, so z. B. bei der Frage nach der möglichen postmortalen Verbringung einer Leiche oder der Eingrenzung der Leichenliegezeit. Im Raum Frankfurt am Main wurden von Juni 2003 bis Mai 2004 adulte Fliegen mit Klebefallen gefangen, die als Köder eine definierte Menge frischer Rinderleber enthielten und mit einem eigens für Freilanduntersuchungen entwickelten wetterbeständigen Klebstoff versetzt waren. Die Fallen wurden an fünf verschiedenen Standorten platziert, die sowohl urbane als auch natürliche Habitate repräsentierten. Die gefangenen Tiere wurden einmal pro Woche abgesammelt und wenn möglich bis auf Art-Niveau bestimmt. Insgesamt konnten so über 20 000 Individuen der genannten Fliegenfamilien gefangen werden, die sich auf mehr als 25 Arten verteilten. In den Proben dominierten mit über 15 000
Abstracts Individuen die Schmeißfliegen (Calliphoridae), wobei allein 96 % durch die Gattung Lucilia repräsentiert waren. Die letzte größere Flugaktivität der Schmeißfliegen war Ende September festzustellen, erste größere Mengen an Fliegen wurden wieder Mitte April gefangen. Lediglich in den Monaten Januar und Februar mit Temperaturwerten zwischen – 6,5°C und + 16,6°C war überhaupt keine Fliege auf den Fallen zu verzeichnen. Unterschiede in der Artengemeinschaft in Abhängigkeit vom untersuchten Habitat waren vorhanden, manifestierten sich aber jedoch vor allem in der Häufigkeit der einzelnen Arten. Der Vortrag präsentiert die Aktivitäts- und Verbreitungsmuster für die forensisch bedeutsamsten Arten und diskutiert die Frage, inwieweit die verwendeten Insektenfallen zum forensischen Monitoring der Fliegenaktivität zu verwenden sind. V-84 MCADD – EINE ERKRANKUNG MIT HOHER RECHTSMEDIZINISCHER RELEVANZ? Szibor R1, Mohnike K2, Nennstiel-Ratzel U3, Busch U3, Rosentreter Y1, Starke I2, Jachau K1, Wittig H1 1Institut für Rechtsmedizin, Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg 2Zentrum für Kinderheilkunde, Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg 3Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit Oberschleißheim Die Einführung der Tandem-Massenspektrometrie als ScreeningTechnik für Neugeborene brachte einen enormen Zuwachs an Wissen über Fettsäureoxidationsdefekte in unserer Population. Medium Chain Acyl CoA Dehydrogenase Defizienz (MCADD) wurde in Bundesländern mit etabliertem Screening mit ca. 1 auf 10.000 Geburten bestimmt und gehört somit zu den häufigsten angeborenen Stoffwechselstörungen. Diese Erkrankung wies bisher eine frühkindliche Mortalität von 30 % im Rahmen von unerkannten hypoglykämischen metabolischen Entgleisungen bei katabolen Situationen (Infektionen, Operationen) auf. Bei Frühdiagnose können diese Folgen durch eingehende Beratung (Vermeidung kataboler Situationen) und einfache Vorsorge (z. B. Carnitinsupplementierung) verhindert werden. Defekte dieser Gruppe werden auch als wichtige Ursachen des plötzlichen unerwarteten Todes im Kleinkindesalter erachtet. Nach MCADD wird gegenwärtig nur in wenigen Bundesländern gescreent. Ein MCADDTest kommt nach der Arbeitshypothese der Autoren auch zur Aufhellung unerklärter Todesfälle im Erwachsenenalter in Betracht. Gegenwärtig werden die MCADD-Patienten Sachsen-Anhalts einer Mutationstypisierung unterzogen. Die Ergebnisse werden hier vorgestellt. Ein Ziel dieses Vortrages ist es auch, die Einsendung von Gewebe- oder DNA-Proben von Sektionsfällen anzuregen, bei denen die Todesursache nicht geklärt werden konnte. Diese Fälle werden dann in die Durchführung eines relativ einfachen genomischen MCADD -Testes einbezogen. V-85 DEFIZITE IM DORSALEN RAPHEKERN BEI HEROINTOTEN Trübner K1, Trautmann D2, Krell D2, Bogerts B2, Baumann B2 1Institut für Rechtsmedizin, Universitätsklinikum Essen, 2Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik, Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg Einleitung: Der dorsale Raphekern gehört zum Raphesystem im Hirnstamm und ist in das serotonerge System eingebunden. Läsionen im dorsalen Raphekern können zu einer signifikanten Reduktion des Serotoningehaltes führen. Serotonerge Effekte spielen auch im Belohnungssystem (Reward-System) eine Rolle und sollen bei der Suchtgenese beteiligt sein. Methode: Zur Untersuchung gelangten 20 µ dicke perpendikular zur Längsachse geschnittene Nissl-gefärbte Schnitte von Hirnstämmen Drogentoter (n = 14) mit langjährigem Heroinabusus sowie Kontrollfälle (n =14) ohne Suchtanamnese. Mit Hilfe des Bildanalysesystems
Digitrace R wurden Neuronenzählungen und Flächenmessungen in den Unterkernen des dorsalen Raphekerns durchgeführt. Resultate: Die Anzahl der Neuronen des dorsalen Raphekerns war bei den Herointoten um 20 %, ihre mittlere Fläche um 27 % vermindert. Trotz fehlender Signifikanz ist zumindest ein Trend erkennbar, dass Herointote Defizite gegenüber Kontrollen aufweisen. Schlussfolgerungen: Diese strukturellen Abweichungen in der dorsalen Raphe könnten eine beeinträchtigte serotonerge Innervation solcher Hirnregionen bedingen, die bei der Sucht eine Rolle spielen. K. Trübner Institut für Rechtsmedizin Universitätsklinikum Essen Hufelandstr. 55, D-45 122 Essen Tel. : + 49-201-723 3600 E-Mail:
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Poster Traumatologie, Biomechanik P-1 COMPUTERTOMOGRAFIE VON SCHÄDELBERSTUNGS-FRAKTUREN: VERBESSERTE DARSTELLUNG NACH ENTWICKLUNG KONTRASTOPTIMALER FARBGRADIENTEN FUER FARBKODIERTE VOLUMENREKONSTRUKTION Schweitzer W1, Häusler M1, Dangel S2, Bär W1 1Institut für Rechtsmedizin der Universität Zürich 2Institut für Geografie der Universität Zürich Die Darstellung dünner Schädelbruchlinien anhand von CT-Daten ist ein Problem, indem diese durch moderne CT-Geräte erfasst, bei der weiteren Datenaufarbeitung aber oft nicht adäquat berücksichtigt werden. Initial haben wir erkannt, dass CT-Absorptionswerte dünner Bruchspalten in einem ähnlichen Bereich wie schwach bis mäßig absorbierende Knochenstrukturen liegen, und dass die (halbtransparente) farbkodierte VR (Volumenrekonstruktion) eine Verbesserung der Darstellung solcher Frakturen ist [1]. Unsere Weiterentwicklung der VR identifizierte folgende Probleme: Da sich Frakturspalt und angrenzender Knochen an der Auflösungsgrenze um nur wenige HE (Hounsfield Einheiten) unterscheiden, ist die Wahl geeigneter Farbrampen in der VR entscheidend für den Erfolg der resultierenden 2D-Projektion. Zudem können im resultierenden zweidimensionalen Bild typische VR-Artefakte wie Rauschen (‚jaggies’) und Treppeneffekte (‚aliasing’) die Darstellung wesentlich beeinträchtigen. Die Methodenentwicklung bedurfte zunächst eines Messwerkzeugs zur Quantifizierung des Rekonstruktions-Erfolgs. Der Kontrast zwischen zwei Regionen, typischerweise ‚Frakturspalt’ und ‚nebenliegender Knochen’, wurde quantifiziert, indem alle Pixel jeder Region aus dem RGB- in den Cie-L*a*b-Farbraum (ein Farbraum mit einer der menschlichen Farbwahrnehmung angepassten Metrik) transfomiert wurden, wo die räumliche Nähe beider Farbregionen durch den Median der Abstandsvektorlängen quantifiziert wurde. Derart wurden zunächst rechnerische Ungenauigkeiten im Ray-Tracing und in der Dateninterpolation als Störgröße identifiziert und korrigiert. Bei der Evaluation von Farbgradienten wurden die Eckwerte sowie die Anzahl der einzelnen Gradienten variiert. Das beste Ergebnis wurde mit Gradienten erzielt, bei deren Entwurf die Eckwerte „optimal“ im CIE-L*a*b-Raum verteilt wurden. Die hier gefundene Version von „Optimum“ orientiert sich an der Art und Weise, wie sich die in der Volumenrekonstruktion stattfindende Farbüberlagerung in den CIEL*a*b-Raum projiziert. Methode und Beispiele werden vorgestellt. E-Mail:
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P-2 SPINALES EPIDURALES HÄMATOM NACH EXTREMER ANTEFLEXION DER HALSWIRBELSÄULE Padosch SA1, Dettmeyer R1,Thal D2, Pietsch T2, Lock M3, Mußhoff F1, Madea B1 1Institut für Rechtsmedizin, Universitätsklinikum Bonn, Stiftsplatz 12, 53111 Bonn 2Institut für Neuropathologie, Universitätsklinikum Bonn, Sigmund-Freud-Str. 25, 53105 Bonn 3Kriminaldirektion Koblenz, K1; Moselring 10-12, 56068 Koblenz Spinale epidurale Hämatome sind gemäss systematischen Untersuchungen häufige Befunde nach HWS-Trauma/Körperverletzung und suizidalem Erhängen. Bei Lebenden werden sie spontan oder posttraumatisch beobachtet; als Ursachen spontaner spinaler epiduraler Hämatome (SSEDH) wurden Gefäßmalformationen, Koagulopathien, Tumoren etc. beschrieben. Penetrierende Verletzungen, Wirbelverletzungen, Geburtstraumen und intraoperative Gefäßverletzungen zählen zu den Ursachen traumatischer spinaler Epiduralhämatome. Es wird von einem 53-jährigen alkoholkranken Mann berichtet, der in seiner Wohnung in einer grotesken Körperposition eingeklemmt zwischen einem Schrank und einer Wand mit maximaler Anteflexion des Kopfes bzw. der Halswirbelsäule tot aufgefunden wurde. Der leichenbeschauende Allgemeinmediziner attestierte einen nicht natürlichen Tod, als Todesursache wurde „Genickbruch und Intoxikation“ attestiert. Bei der Obduktion wurden dorsale Einblutungen in das paravertebrale Weichteilgewebe linksseitig im cerviko-thorakalen Übergangsbereich sowie ein epidurales Hämatom des Wirbelkanals vom Hinterhauptsloch bis zum mittleren Drittel der Brustwirbelsäule festgestellt; kein Nachweis einer Fraktur der Wirbelkörper, keine Einblutungen in die Zwischenwirbelscheiben bzw. den Bandapparat der Wirbelsäule. Die BAK betrug 1,92 ‰, die UAK 1,76 ‰. Weitere Befunde: locker geronnenes Leichenblut, prallvolle Harnblase, Hirnödem, Herzhypertrophie (Herzgewicht 650 g). Aufgrund seiner Alkoholisierung war der Mann auf einem Stuhl sitzend nach hinten in einen 40 cm breiten Spalt zwischen Wand und Schrank gestürzt, wo er in einer grotesk fixierten Körperposition bei maximaler Anteflexion der Halswirbelsäule starb. Als Todesursache wurde die hämatombedingte Raumforderung im Spinalkanal bei möglicher synergistischer Wirkung der Alkoholintoxikation diagnostiziert. Der vorgestellte Fall stellt eine ungewöhnliche Ursache eines bei suizidalem Erhängen häufigen Befundes dar. Die forensischen und kriminalistischen Überlegungen zur Rekonstruktion des Geschehensablaufes anhand der Auffindesituation werden dargestellt, ebenso werden Obduktionsbefunde sowie Ergebnisse weiterführender Untersuchungen demonstriert und diskutiert. Prof. Dr.med. Dr.iur.h.c. K.-S. Saternus Institut für Rechtsmedizin der Georg-August-Universität Windausweg 2, 37073 Göttingen Tel. 0551-394943, Fax: 0551-394986, E-Mail:
[email protected] P-3 FORM UND SPONGIOSAARCHITEKTUR DER KNÖPFCHEN DER CORNUA MAJORA DES MENSCHLICHEN ZUNGENBEINS Skala M, Raab BW, Saternus KS Institut für Rechtsmedizin der Georg-August-Universität Göttingen Basierend auf den von uns früher definierten Grundtypen der Zungenbeine in Hyperbel-, Parabel- und Hufeisenform sowie dem asymmetrischen Typ (Koebke und Saternus, 1979) wurde der Frage nach einer typspezifischen Konfiguration der Knöpfchen nachgegangen, weiterhin der Alternsgang betrachtet. An 100 präparativ dargestellten Zungenbeinen wurde eine Bezugsebene für die Vermessung der Knöpfchen über die maximale Breite des Übergangsbereichs äußeres Drittel Cornua majora zum Knöpfchen
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definiert und in einer zweiten senkrecht darauf stehenden Ebene analog vermessen. Dazu erfolgte auf mm-Papier die fotografische Dokumentation in den Betrachtungsebenen. Pro Altersabschnitt wurde ein Horizontalschnitt im Bereich der Maximalausdehnung des Knöpfchens zur Erstellung von Feinfokus-Röntgenaufnahmen gelegt. Diese Röntgenanalyse erfolgte unter dem Aspekt der bei der früheren Untersuchung dargestellten Biegestrukturen im großen Zungenbeinhorn. Die Knöpfchen selber wiesen eine beträchtliche Variation auf. Letztlich wurde im Äquidensitenbild die Knochendichte zwischen den Extremformen der Knöpfchen vergleichend dargestellt. Prof. Dr.med. Dr.iur.h.c. K.-S. Saternus Institut für Rechtsmedizin der Georg-August-Universität Windausweg 2, 37073 Göttingen Tel. 0551-394943, Fax: 0551-394986, E-Mail:
[email protected] P-4 DIE DORSALE KONFIGURATION DES SCHILDKNORPELS Thiel S, Saternus KS Institut für Rechtsmedizin der Georg-August-Universität Göttingen Zur Frage der Formstabilität des Kehlkopfs bei Gewalt gegen den Hals ist die dorsale Kehlkopfkonfiguration mit der Stellung der Oberhörner bisher nicht systematisch untersucht worden. Material und Methoden: Dazu wurden 85 Kehlköpfe, die ausschließlich nach dem Erhaltungszustand gleichmäßig über die Altersdekaden verteilt waren, vermessen. Es handelt sich um 43 Präparate von Männern und 42 von Frauen, in einem Lebensalter zwischen 14 und 92 Jahren. Für die Untersuchungen wurden die Kehlköpfe mit der Technik nach Maxeiner präpariert. Anschließend wurde das Periost/Perichondrium vom Schildknorpel mit den Ober- und Unterhörnern scharf gelöst und das Präparat in Verlängerung der Incisura mediana getrennt. Vor einem mm-Raster wurden beide Kehlkopfhälften fotografiert, je eine Hilfslinie in die Achse des Oberhorns und in das Dorsum des Schildknorpels bis in das Unterhorn gelegt. Pro Dekade wurden dann jeweils eine weibliche und männliche dorsale Schildknorpelhälfte im a-p-Strahlengang mit einem Mammographiegerät geröntgt, um die Feinzeichnung der Spongiosa beurteilen zu können. Ergebnisse: In dem gesamten Kollektiv fand sich kein Oberhorn, das nach lateral geneigt war. Die mediale Neigung lag zwischen 7 und 46,5° mit einem Median bei 30°. Eine Abhängigkeit des Winkels von Geschlecht und Lebensalter bestand nicht. Unerwartet niedrig (R=0,3 Korrelationskoeffizient nach Pearson) korrelierten die Winkel im Rechts-Links-Seitenvergleich. Röntgenologisch zeigte sich, dass die Kompakta der dorsalen Schildknorpelinnenfläche weitaus kräftiger dimensioniert war als die der Außenfläche. Die Kompakta der Innenfläche fächerte sich im Oberhorn häufig nach innen und außen in Spongiosazügen auf, wurde auf der Außenseite des Horns in einer häufig nur umschriebenen Massierung aufgenommen. Beurteilung: Es wurden erstmals morphologische Merkmale der dorsalen Schildknorpelkontur und der Oberhörner systematisch untersucht. Anders als bei der Achse der Oberhörner in der Sagittalebene fand sich bei der Winkelbildung in der Frontalebene kein Geschlechtsdimorphismus. Die dorsale Kontur mit der Medialneigung der Oberhörner ist typischerweise nicht streng symmetrisch. Bei der Beurteilung der Formstabilität besteht ein Unterschied zwischen der Innen- und Außenfläche des dorsalen Schildknorpelrandes insofern, als die Ossifikation auf der Innenseite deutlich kräftiger ist als lateral.
Abstracts P-5 EIN FALL VON KINDESMISSHANDLUNG Engelgardt P, Pufal E, Wolska E, Sliwka K Lehrstuhl und Institut für Gerichtsmedizin, Bydgoszcz, Polen Es wird der Fall eines acht Monate alten Jungen vorgestellt, bei welchem ein komplexes Verletzungsmuster im Sinne eines Syndroms des misshandelten Kindes einschließlich eines Schütteltraumas festgestellt wurde. Im Rahmen des Aufenthaltes des Säuglings im Krankenhaus ließen sich unter anderem folgende Verletzungen feststellen: Ausgedehnte Einblutungen der Netzhaut beiderseits, Hygrome im Bereich beider Schläfenlappen, Frakturen der VII. Rippe rechtsseitig sowie eine Fraktur des linken Oberarmschuftes mit Fehlstellung der Extremität. Im übrigen wurde eine alte Verletzung der Mundhöhle, sowie diverse Hämatome unterschiedlicher Körperregionen festgestellt. Das Kind war bereits zuvor drei Mal im Krankenhaus behandelt worden und befand sich in ambulanter Betreuung bei verschiedenen Kinderärzten, u. a. auf Grund einer Lebensmittelallergie. Darüber hinaus fanden sich in den ärztlichen Dokumentationen, welche das Kind betrafen, dass im vorherigen Zeitraum einzelne Hämatome bei dem Säugling diagnostiziert wurden. Anhand des gegenständlichen Fallbeispieles wird die Problematik der klinischen Diagnostik der Kindesmisshandlung sowie die Relevanz der fächerübergreifenden Kooperation dargestellt. Dr. Ewa Pufal Katedra i Zakład Medycyny Sadowej AM w Bydgoszczy M. Skłodowskiej-Curie 9, 85-094 Bydgoszcz, Polen Tel.: +48/52-5853560, Fax: +48/52-5853553 E-mail:
[email protected] P-6 SHAKEN-BABY-SYNDROM ODER? Erfurt C1, Schmidt U1, Hahn G2, DreßlerJ1 1Institut für Rechtsmedizin der Technischen Universität Dresden 2Klinik für Kinder- und Jugendmedizin des Universitätsklinikums Dresden Das Shaken Baby Syndrom (SBS) ist eine sehr gewaltsame Form der Kindesmisshandlung mit einer schlechten Prognose. Die Anzahl der rechtsmedizinisch zu begutachtenden Fälle mit SBS nimmt stetig zu. Es wird über einen Fall eines 5 Monate alten Säuglings berichtet, bei dem nach einem erstmalig aufgetretenen Krampfanfall Hygrome und frische Blutungen als Folge eines mehrzeitigen Geschehens festgestellt wurden. Äußerliche Verletzungen bestanden nicht. Nach kontroverser Diskussion der Befunde hinsichtlich ihrer Ätiologie durch Rechtsmediziner und Kinderradiologen unterblieb eine Meldung wegen des Verdachtes auf Schütteltrauma. Die Entscheidung zum Verzicht einer Meldung wird anhand der zugrunde liegenden Befunde werden zur Diskussion vorgestellt. P-7 DAS PROJECT „PENDANT“ – EIN NEUER ANSATZ ZUR ANALYSE VON INSASSENVERLETZUNGEN NACH PKW-UNFÄLLEN Darok M1, Tomasch E2, Leinzinger EP1, Steffan H2 1Institut für Gerichtliche Medizin der Medizinischen Universität Graz 2Institut für Mechanik der Technischen Universität Graz In der EU (ohne die neuen Beitrittsländer seit 1.5.2004) sind jährlich über 40.000 Getötete und 1,6 Millionen Verletzte bei Straßenverkehrsunfällen zu beklagen. In der überwiegenden Zahl der Fälle sind Kraftfahrzeuge an diesen Unfällen beteiligt, es werden also meistens Fahrzeuginsassen und/oder Fußgänger verletzt oder getötet. Die Kosten der bei diesen Unfällen entstehenden Schäden werden auf jährlich mehr als 160 Milliarden Euro geschätzt. Europaweit erhobene und
vergleichbare Daten über die Verletzungen von Fahrzeuginsassen und ihre Enstehungsweise liegen bis dato nicht vor. Im Rahmen des EU-Projekts „PENDANT“ (Pan-European Coordinated Accident and Injury Database) werden Realunfälle mit einem oder mehreren beteiligten Pkw detailliert analysiert. Hierbei werden nur solche Unfälle berücksichtigt, bei denen Pkw ab Modelljahr 1998, also nach Einführung des Verbrauchertests Euro-NCAP, beteiligt waren. Es werden sowohl das genaue Schadensbild des (der) Fahrzeug(e) als auch die exakten Verletzungen der Fahrzeuginsassen (evtl. Fußgänger) anhand der Krankengeschichte erhoben und in standardisierter Form in eine multinationale Datenbank eingespeist, an der derzeit acht Nationen beteiligt sind. Neben Österreich sind das Deutschland, Großbritannien, Finnland, Frankreich, die Niederlande, Spanien und Schweden. Die standardisierte Erfassung der relevanten Daten ermöglicht eine gute Nachvollziehbarkeit und Vergleichbarkeit der Unfälle und der dabei erlittenen Verletzungen. Durch die internationale Beteiligung am Projekt ist der Aufbau einer entsprechend aussagekräftigen Datenbank gewährleistet. Der Zweck der Studie ist, anhand der Ergebnisse neue Richtlinien für eine weitere Verbesserung des Insassenschutzes geben zu können. Hierbei sind insbesondere die vereinheitlichten Verfahren zur Erhebung der Verletzungsschwere und die detaillierte Erfassung der Fahrzeugschäden von Bedeutung. Die Autoren geben einen Überblick über das laufende Projekt und stellen erste Ergebnisse vor. P-8 DAS MATHEMATISCHE MODELL VON CLAUSER: AUCH BEI BERECHNUNGEN AN KINDERN ANWENDBAR? Holley S, Adamec J, Graw M Institut für Rechtsmedizin der Ludwig-Maximilians-Universität München Einleitung: Für die Verkehrsunfallrekonstruktion und –simulation werden zunehmend virtuelle Menschmodelle herangezogen. Allerdings stellt sich die Frage, ob diese für Erwachsene konzipierten Modelle auf Kinder übertragbar sind. Methodik: Insgesamt 25 Kinder und 27 Erwachsene wurden anthropometrisch erfaßt. Mit Hilfe der von Clauser et al. (1969) aufgestellten Regressionsgeraden wurden Gewicht, Volumen und Schwerpunkt der einzelnen Segmente, sowie Segmentgewichte im Verhältnis zum Körpergewicht und Schwerpunkte im Verhältnis zur Segmentlänge in berechnet. Ergebnisse: Erwachsene: Hier stimmen berechnetes und gemessenes Körpergewicht gut überein. Die Segmentgewichte und deren Verhältnis zum Körpergewicht liegen im zu erwartendem Bereich. Gleiches gilt Gesamtkörper- und Segmentvolumen. Die daraus errechnete mittlere Körperdichte ist wie erwartet geschlechtsabhängig. Bei der Berechnung der Schwerpunkte zeigt sich eine relativ breite Varianz. Gleiches gilt für die Verhältnisse von Segmentschwerpunkten zu den jeweiligen Segmentlängen. Kinder: Sowohl die Berechnungen des Gesamtkörpergewichts als auch die jeweiligen Segmentberechnungen führen zu erheblichen Unterschätzungen. Die berechneten mittleren Körperdichten liegen weit unterhalb der Literaturangaben. Die Berechnung der Schwerpunkte zeigt nur eine mäßige Varianz die unter dem erwarteten Bereich liegt. Diskussion: Insgesamt belegen die Ergebnisse, dass dieses Modell auch heute als mathematische Grundlage für die Berechnung Erwachsener geeignet ist. Auffällig sind die Varianzen bezüglich der Segmente die deutlich höher sind als die von Clauser benannten. Ursächlich hierfür sind die säkulare Akzeleration mit den Proportionsver-schiebungen und die geringe Anzahl der von Clauser herangezogenen Probanden (n = 13). Bei den Kindern hingegen sind die Berechnungen von Gewicht, Volumen oder Schwerpunkt nicht valide: Die kindlichen KörperproporRechtsmedizin 4 · 2004
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tionen können mit diesem mathematischen Modell nicht abgebildet werden. Er ist daher als Grundlage für ein Kindermodell ungeeignet. P-9 FINITE-ELEMENTE-SIMULATIONEN MIT MENSCH- UND DUMMY-MODELLEN Merten K, Graw M, Schönpflug M, Muggenthaler H, Praxl N Institut für Rechtsmedizin der Ludwig-Maximilians-Universität München Einleitung: Da bei Verkehrsunfällen mit Seitenaufprall häufig schwere Verletzungen im Thorax-Bereich auftreten, sollte der Fahrzeuginnenraum so verbessert werden, dass die Wahrscheinlichkeit schwerer Verletzungen reduziert wird. Dazu ist es interessant zu wissen, ob eine Konzentration der Belastung auf das Becken zu einer Verringerung der Verletzungsgefahr für den Thorax-Bereich führt. Zu diesem Zweck wurden schon einige Leichenversuche u.a. von Viano et al. oder Cavanaugh et al., durchgeführt. Derartige Versuche können auch am Computer simuliert werden. Auf diese Weise kann man die Gestaltung des Fahrzeuginnenraums sehr einfach variieren. Methode: Für die Simulation des Seitenaufpralls wurde sowohl ein FE-Mensch-Modell als auch ein FE-Modelle eines Side-Impact-Dummies verwendet. Kräfte, Beschleunigungen sowie verschiedene Verletzungskriterien wurden berechnet und die Wahrscheinlichkeit von AIS 4+ Verletzungen abgeschätzt. Die Simualationen wurden mit dem FE-Solver PamCrashTM berechnet. Ergebnisse: Die Konzentration der Belastung auf das Becken reduziert die Rippen-Eindrückung sowohl vom Dummy-Modell als auch vom Mensch-Modell. Allerdings sieht man auch einige deutliche Unterschiede zwischen dem Dummy- und Mensch-Modell. Diskussion: Die Unterschiede zwischen Mensch und Dummy-Modell lassen sich im Aufbau der beiden Modelle begründen. Während das Modell des Dummies, wie der Dummy selbst, eine steife Wirbelsäule hat, besitzt das Mensch-Modell eine voll bewegliche Wirbelsäule, so dass sich Belastungen anders verteilen. Die zwölf Rippen des Menschen werden beim Dummy von nur drei Rippen ersetzt. Da aber bei beiden FE-Modellen eine Verbesserung durch die Konzentration der Belastung auf das Becken erreicht wurde, sollte man dies beim Design des Fahrzeuginnenraums in die Diskussion mit einbeziehen. P-10 SCHARFE GEWALT IN DER KLINISCHEN RECHTSMEDIZIN – BEFUNDMUSTER BEI OPFERN UND TÄTERN Schmidt U, Pollak S Institut für Rechtsmedizin des Universitätsklinikums Freiburg Untersuchungen von Personen, die durch scharfe Gewalt verletzt wurden, machen jährlich zwischen 10 und 20 % aller klinisch-rechtsmedizinischen Begutachtungsfälle am Institut für Rechtsmedizin in Freiburg aus. Es gelangen überwiegend Opfer, aber auch Täter zur Untersuchung, denn auch letztere können sich mitunter – ungewollt – Verletzungen zuziehen, z. B. an den Händen. Die an einem Kollektiv von insgesamt rund 200 Opfern und Tätern erhobenen Verletzungsbefunde werden vorgestellt und mit bisher publizierten Daten verglichen. P-12 TRAUMATISCHER PNEUMOTHORAX UNTER BEATMUNG – SPÄTKOMPLIKATION EINES POLYTRAUMAS Wittig H, Schöning R, Krause D Institut für Rechtsmedizin der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg Bei einem Verkehrsunfall auf winterglatter Fahrbahn prallte ein Pkw BMW mit der Beifahrerseite gegen einen Baum. Die Beifahrerin, eine 36 Jahre alt gewordene Frau, erlitt dabei ein Polytrauma mit Schädel-
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Hirnverletzung, Beckenfraktur und Einklemmung des linken Beines mit größerem Weichteiltrauma. Die Airbags des Fahrzeuges waren ausgelöst gewesen. Nach einer Notfalldiagnostik erfolgte zunächst die Versorgung des linken Beines und die Überwachung der Patientin auf einer neurochirurgischen Intensivstation. Bis zum achten Tag nach dem Unfall hatte sich ihr Allgemeinzustand stabilisiert und sie hatte teilweise das Bewusstsein wiedererlangt. Es sollten nunmehr die Beckenbrüche operativ versorgt werden. Unter der Narkose habe sich die Geschädigte nur sehr schwer und mit hohem Druck beatmen lassen. Wenig später kam es zum Herzstillstand, Wiederbelebungsversuche blieben erfolglos. Die Obduktion erbrachte einen linksseitigen Pneumothorax. Es fand sich eine in Abbau befindliche Unterblutung des Herzbeutels und der angrenzenden Pleura pulmonalis sinistra mit einem 4 mm messenden Defekt. Dieser Bereich zeigte histologisch eine dichte granulozytäre Infiltration, alle anderen Lungenabschnitte wiesen keine Entzündungszeichen auf. Eine mögliche Komplikation eines auf der gleichen Seite angelegten Subclaviakatheters konnte als Ursache des Pneumothorax ausgeschlossen werden. Im Gegensatz zu Herzkontusionen nach stumpfen Thoraxtraumen sind klinisch relevante Lungenkontusionen (ohne Anspießungsverletzungen nach Rippenbrüchen) bislang als Raritäten anzusehen. Die vorliegende Kasuistik soll auf eine Schädigung aufmerksam machen, die möglicherweise im Zusammenhang mit Verletzungen durch Einwirkung eines Airbags häufiger gesehen werden könnte. P-13 ANALYSE VON VERLETZUNGEN NACH STURZ AUS DER HÖHE Szabó Á, Tóth AR Institut für Rechtsmedizin der Universität Szeged, Ungarn Verletzungen nach Sturz aus der Höhe betreffen im allgemeinen mehrere Körperregionen. Diese Weichteil- und Knochenverletzungen bilden in ihrer Gesamtheit ein Verletzungsmuster, mit dem retrospektiv die Körperposition beim Aufschlag rekonstruiert werden kann. Unter den bei der Autopsie festgestellten Verletzungen können sich auch solche befinden, die unmittelbar vor dem Sturz (vielleicht sturzauslösend), während der Sturzphase oder erst nach dem Aufschlag entstanden sind. Bei der Interpretation der Verletzungen in ihrer Gesamtheit müssen auch die lokalen Besonderheiten des Absturzortes einbezogen werden, um das Geschehen rekonstruieren zu können. Wir haben solche Verletzungskomplexe aus dem Obduktionsmaterial unseres Institutes analysiert und die Ergebnisse mit klinischen und in der Fachliteratur publizierten Angaben verglichen. Á. Szabó Institut für Rechtsmedizin der Universität Szeged Kossuth L.sgt. 40, 6723 Szeged, Ungarn Tel. : +36-62-5444-553 E-Mail:
[email protected] P-14 VERLETZUNGSMUSTER NACH EXPLOSION EINER SPRENGBOMBE Maksymowicz K1, Piechocki J2, Markiewicz J3, Trnka J1 1Lehrstuhl und Anstalt für Gerichtsmedizin, Medizinische Universität Wrocław, Polen 2Lehrstuhl für Norfallmedizin, Medizinische Universität Wrocław, Polen 3Polizeihauptdienststelle Wrocław, Polen Es wird über einen Fall berichtet, bei dem Polizisten während der polizeilichen Maßnahmen zur Verhaftung von verdächtigen Personen durch die Explosion eines gezündeten Sprengsatzes verletzt wurden. Das besondere Verletzungsbild wurde durch die Zusammensetzung der Sprengladung (Splitterbombe) bewirkt. Der Sprengstoff der Bombe wird üblicherweise im Bergbau verwendet;
Abstracts als Geschosselemente dienten Metallteile und Schrott wie z. B. Nägel, Schrauben und Muttern. Eine besondere Variante der selbstgebastelten Sprengsätze sind die sogenannten Zielbomben, bei denen die Explosionswirkung angepasst an den Anwendungsort exakt dosiert vorgegeben wird. In dem vorliegenden Fall wurde die in einer keramischen Vase versteckte Sprengladung auf einem Tisch gezündet. Sprengstoffanschläge dieser Art sind insgesamt betrachtet in Polen selten. Dr. n. med. Krzysztof Maksymowicz Lehrstuhl und Anstalt für Gerichtsmedizin Medizinische Universität Wrocław Ul. Mikulicza-Radeckiego 4, 50-368 Wrocław, Polen + 48 -71 - 784 14 62, + 48 - 502-254-856 E-mail:
[email protected] P-15 ELEKTROMYOGRAPHIE – ANWENDUNGSMÖGLICHKEITEN IN DER FORENSISCHEN BIOMECHANIK Muggenthaler H, Praxl N, Schönpflug M, Dier A, Graw M, Schneider K Institut für Rechtsmedizin der Ludwig-Maximilians-Universität München Einleitung: Das Verfahren der Elektromyographie wird in medizinischen Fachrichtungen wie Neurologie oder Orthopädie routinemäßig eingesetzt. Mit Hilfe der Elektromyographie können jedoch auch wertvolle Erkenntnisse für forensische Fragestellungen gewonnen werden, da willkürliche als auch unwillkürliche Muskelaktivität die Bewegung (Kinematik) eines Menschen, die Materialeigenschaften von Muskelgewebe und schließlich auch die Verletzungsmechanik beeinflusst. Dieser Beitrag fasst die Grundlagen der EMG-Anwendung mit Oberflächenelektroden zusammen und stellt einige forensische Anwendungsbeispiele vor. EMG Grundlagen: Die Oberflächen-Elektromyographie ist ein nichtinvasives Verfahren, um die Muskelaktivität in unterschiedlichen Szenarien und Lastfällen zu erfassen und zu analysieren. Zwei auf die Haut geklebte Elektroden erfassen Summenaktionspotentiale der unter der Applikationsfläche liegenden Muskeln. Aus dem EMG-Signal können bei geeignetem Messaufbau und Signalvorverarbeitung bestimmte Parameter erfasst werden. So können Muskelaktivierungszeitpunkte, Aktivierungsdauern und korrelierende Muskelkräfte berechnet werden. Anwendung: Bei der forensischen Begutachtung werden oftmals menschliche Bewegungsabläufe und Traumatisierungsvorgänge rekonstruiert. Dabei spielt die Muskelaktivität eine entscheidende Rolle. Die Muskelaktivität beeinflusst die Kinematik des Menschen, die mechanischen Eigenschaften des Muskelgewebes und somit die Traumatomechanik. Für die forensische Rekonstruktion und Begutachtung ist der Einfluss der Muskelaktivität z. B. für folgende Fragestellungen von Interesse: Insassenkinematik in der Unfallrekonstruktion Rekonstruktion von Stürzen: Begutachtung von Verletzungen, verursacht durch stumpfe Gewalteinwirkung Wir zeigen drei Versuchsanordnungen, die wir bei Studien im Rahmen unserer EU-Projekte (Rollover, Humos) zur Untersuchung der Insassenkinematik konzipierten und erfolgreich anwendeten.
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P-16 UNTERSUCHUNGEN ZUR MYOCARDIALEN APOPTOSE BEIM PLÖTZLICHEN KINDSTOD Fieguth A, Tröger HD Institut für Rechtsmedizin der Medizinischen Hochschule Hannover Infarktbedingte Herzmuskelschäden lassen sich durch immunhistochemische Untersuchungen bereits erkennen, wenn bei Verstorbenen zwischen dem Auftreten erster kardialer Symptome und dem Tod ein Zeitraum von weniger als 1 Stunde liegt. Bei plötzlichen Herztodesfällen sei zusätzlich auch entsprechend früh Apoptose in Kardiomyozyten nachzuweisen. In dieser Untersuchung sollte festgestellt werden, ob Apoptose auch beim Plötzlichen Kindstod in der Herzmuskulatur zu beobachten ist. Untersucht wurde Herzmuskelgewebe von SIDS-Fällen und von Kindern, die im ersten Lebensjahr an aufgeklärten Todesursachen (z. B. Ertrinken, Aspiration, Sepsis, Trauma) verstorben sind. Nur vereinzelt war bei den SIDS-Fällen disseminiert Apoptose in Kardiomyozyten feststellbar. Die Befunde waren überwiegend sehr diskret ausgebildet und zeigten keine signifikanten Unterschiede zu den Ergebnissen in der Kontrollgruppe. P-17 ANALYSE VON TOTALENDOPROTHESEN (TEP) NACH KREMATORIUMS-LEICHENSCHAU Klein A1, Seibel O1, Schulz P1, Schönwald M2, Bishop N2, Reinecke S2, Hahn M3, Morlock M2, Püschel K1 1Institut für Rechtsmedizin, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf 2Arbeitsbereich Biomechanik, Technische Universität Hamburg-Harburg 3Abteilung Osteopathologie, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf Einleitung: Der künstliche Hüftgelenksersatz durch Totalendoprothesen (TEP) wird heutzutage in vielen Klinken als Routineeingriff durchgeführt – ca. 160.000–180.000 Primär-OP pro Jahr in Deutschland. Aufgrund der erhöhten Lebenserwartung sowie der steigenden Zahl jüngerer Patienten ist eine stetige Zunahme an Erstimplantationen und Revisionseingriffen zu verzeichnen. Die Studie (betrifft ca. 1.100 Fälle) analysiert epidemiologische Daten und morphologische Aspekte mit dem Ziel, die implantierten Prothesenmodelle hinsichtlich ihrer Art /Typisierung, ihrer Häufigkeit und Funktionalität im Zusammenhang mit der chirurgischen Technik beurteilen zu können. Methoden: Über den Zeitraum eines Jahres wurden sämtliche nach Kremation anfallende TEP im Krematorium Hamburg-Öjendorf in Zusammenarbeit mit der TU Harburg dokumentiert (ca. 900). Bei 277 Hüftprothesen erfolgten nach Einwilligung der Angehörigen der Verstorbenen eine postmortale Explantation durch Rechtsmediziner sowie biomechanische Analysen (mittels Längs- und Querschnitten). Ergebnisse: Etwa die Hälfte der erfassten Hüftprothesensysteme ist in Hamburg einem einzigen Hersteller zuzuordnen. Die durchschnittlich 83 Jahre alt gewordenen Prothesenträger waren nahezu in 2/3 der Fälle weiblich. Es fanden sich Standzeiten von wenigen Tagen bis zu 36 Jahren. Auf den verschiedenen Schnittebenen zeigten sich in jeweils ca. 20 % Veränderungen wie Bindegewebsmembranen, Blasen, Risse oder Blut im Zementmantel sowie regelmäßig Lockerungen nach sich ziehende Spaltbildungen zwischen den verschiedenen Materialien. 38 der 277 untersuchten Prothesen waren unzementiert. Die Funktionalität der explantierten TEP stand oftmals nicht in Relation zu den sich darstellenden technischen Problemen der Einbaumethodik. – Die Studie zeigt, dass Aspekte der Qualitätssicherung und Versorgungsforschung gerade auch bei Verstorbenen (z. B. im Krematoriumsbereich) objektiviert werden können.
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P-18 DNA-TYPISIERUNG (STRS UND SNPS) VON HAUTEPITHELZELLANTRAGUNGEN DES TÄTERS AN OPFERKLEIDUNG Klein R, Miltner E, Wiegand P Abt. Rechtsmedizin, Universitätsklinikum Ulm Zur Aufklärung zweier verschiedener Fälle (versuchte Vergewaltigung/versuchter Mord) wurden neben anderen Asservaten auch Kleidungsstücke, die vom jeweiligen Opfer stammten und getragen wurden, untersucht. Wie aus dem Tathergang eindeutig abzuleiten war, wurden die Kleidungsstücke im Verlauf der Tat auch intensiv vom Täter angefasst. Die an den Kleidungsstücken angetragenen Zellen wurden mittels Abstrichen asserviert und mit Hilfe der 8 STR-Systeme der DNA-Datei untersucht. Wie zu erwarten, erhielten wir bei der Analyse Mischmuster, aus denen sich über die unterschiedlichen Signalintensitäten der einzelnen Merkmale ein Fremd-DNA-Muster in fast allen Systemen eindeutig darstellen ließ. Zusätzlich wurden Ychromosomale STR-Systeme und SNPs (= Single Nucleotid Polymorphisms) untersucht, da in beiden Fällen die Konstellation weibliches Opfer – männlicher Täter vorlag. Auch hier konnten Voll- bzw. Teilprofile des minimalen Haplotyps des Täters erhoben werden. Mit Hilfe des abgeleiteten Fremd-DNA-Musters in den 8 DNA-DateiSystemen konnte ein Abgleich zu Tatverdächtigen durchgeführt werden, wobei in beiden Fällen ein Tatverdächtiger schlüssig als Spurenverursacher zugeordnet werden konnte. P-19 STR-ANALYSE BEI HUNDEN – FORENSISCHE ANWENDUNG UND ERFAHRUNGEN Pádár Z1, Zenke P1, Egyed B1, Ösz K1, Kontadakis K2, Zöldág L2, Fekete S2 1Abteilung für Hämogenetik, Institut für Forensische Wissenschaften, Budapest, Ungarn 2Fakultät der Veterinärmedizin, Szent Istvan Universität, Budapest, Ungarn Die Mehrzahl der in ungarischen Kriminalfällen gesammelten Proben sind menschlichen Ursprungs, die Anwesenheit von Spuren animalischer Herkunft kann jedoch in mehreren Fällen von Bedeutung sein, z. B. wenn ein Hund der vermeintliche Täter ist. In solchen Fällen, die mit ernsthaften Verletzungen einhergehen oder tödlichen Ausgang haben und durch Hunde verursacht wurden, verlangt das Gericht oft eine individuelle Identifizierung. Die Identifizierung von Hunden für forensische Zwecke wurde in Ungarn mit Hilfe eines kommerziell erwerblichen „canine STR kit” eingeführt. Der „canine STR kit” ist geeignet für heterogene Kriminalproben wie Speichel, Haare oder dergleichen. Bei diesem Typ der DNA-Analyse müssen mehrere besondere Faktoren beachtet werden wie uniforme Nomenklatur, Populationsstudien, gemischte biologische Spuren, usw. In diesem Projekt präsentieren wir den zweiten Teil der Arbeit, in der der Polymorphismus der verwendeten fünf STR Systeme (PEZ1, FHC2010, PEZ12, PEZ3, FHC2079) aus Blut-, Speichel-, Samen- oder Haarproben von 600 Einzelindividuen aus 75 verschiedenen Hunderassen analysiert wurde. Basierend auf der Größe der Fragmente wurden fünf Allelleitern konstruiert. Die Genauigkeit der Multifluoreszenzmessung wurde mit drei internen Standards kontrolliert (ILS-600-CXR, GeneScan 500-ROX, GeneScan 400HD-ROX). Die beobachteten Allele wurden anhand ihrer Repeatstruktur identifiziert und eine statistische Analyse der Populationsdaten wurde vorgenommen. P. Zenke Institut für Forensische Wissenschaften P.O.Box 314/4, 1903-Budapest, Ungarn Tel.: +36-1441-1475 E-mail:
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P-20 WEITERE UNTERSUCHUNGEN ZUM STR-MARKER DXS10011: STRUKTURANALYSE, ALLELNOMENKLATUR, POPULATIONS- UND KOPPLUNGSDATEN Hering S1, Brundiers N2, Kuhlisch E3, Edelmann J4, Plate I2, Benecke M5, Van PH6, Michael M7, Szibor R2 1Institut für Rechtsmedizin, Technische Universität Dresden 2Institut für Rechtsmedizin, Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg 3Institut für Medizinische Informatik und Biometrie, Technische Universität Dresden 4Institut für Rechtsmedizin, Universität Leipzig 5International Forensic Research & Consulting Köln 6Institute of Medicine Hanoi, Vietnam 7Institut für Rechtsmedizin, Friedrich-Schiller-Universität Jena Der von Gerken et al. (1994) entdeckte und von Watanabe et al. (2000) forensisch etablierte Tetranukleotidmarker DXS10011 wurde einer intensiven Reinvestigation unterzogen. Für die komplexe Repeatstruktur, die in zwei unterschiedlichen Grundmustern auftritt (Typ A und Typ B) wird eine Allelnomenklatur entsprechend den ISFG-Empfehlungen vorgeschlagen. In der Repeat-flankierenden Region fanden sich zwei SNP’s, die mit Typ A bzw. Typ B im strikten Kopplungsungleichgewicht stehen. Für eine umfangreiche deutsche Stichprobe werden Populationsdaten und Sequenzanalysen präsentiert. Forensisch relevante Populationsparameter werden auch für Stichproben aus Kamerun, Vietnam, Japan und Peru angegeben. Bemerkenswert ist die hohe väterliche Mutationsrate (15 von 342 Meiosen) im Vergleich zu einer moderaten Mutabiltät bei mütterlichen Meiosen (5 von 780). Dabei sind nur die Typ A-Allele mit langer homogener Repeatstruktur (24–36 GAAA-Repeats) für Slippage-Mechanismen besonders prädisponiert während Typ B-stabil erscheint. DXS10011 wird vom Human Genome Project in der Region Xq28, ca. 149 806 kb vom p-Telomer des X-Chromosoms nahe DXS8377 (148 207 kb) und DXS7423 (148 351 kb) lokalisiert. Eine Rekombinationsstudie anhand von Müttern mit mehreren Söhnen ergab signifikante Kopplung (maximaler LOD score > 2) zu diesen beiden Markern. Dagegen konnte zu HPRTB (Xq26) sowie weiter entfernten forensisch genutzten STR-Markern keine Kopplung nachgewiesen werden. DXS10011 eignet sich besonders zur Lösung komplizierter Defizienzfälle. P-21 POPULATIONSGENETISCHE DATEN ZU VIER UNGEKOPPELTEN X-CHROMOSOMALEN STR-MARKERN FÜR DIE ANWENDUNG BEI ABSTAMMUNGSUNTERSUCHUNGEN Weirich V1, Edelmann J2, Wegener R1 1Institut für Rechtsmedizin, Universität Rostock 2Institut für Rechtsmedizin, Universität Leipzig Die Untersuchung X-chromosomaler (ChrX) STR-Marker ist in der Abstammungsbegutachtung – insbesondere bei Defizienzfällen – eine zusätzliche und zum Teil fallentscheidende analytische Option. In der vorliegenden Studie wurden die ungekoppelten ChrX-STRs DXS7132, DXS7423, DXS8378 und HPRTB untersucht. Dazu ist der seit kurzem auf dem Markt befindliche Kit Mentype® Argus X-UL (Fa. Biotype) genutzt worden. Da die vier Marker unabhängig vererbt werden, bedarf es bei ihrer Anwendung nicht der anderenfalls erforderlichen Beachtung von Kopplung und möglichen Kopplungsungleichgewichten. Somit lassen sich diese Systeme als Erweiterung der autosomalen STR-Analyse bei Abstammungsuntersuchungen mit weiblichen Nachkommen, Defizienzfällen oder Mutter-Sohn-Verwandtschaftsnachweisen verwenden. Für unsere Validierungsstudie an deutschen Kaukasiern aus dem Raum Mecklenburg wurden 101 Familien, bestehend aus Mutter/Tochter/Vater, typisiert und ausgewertet (202 Meiosen je Marker). Wir präsentieren hier die populationsgenetischen Daten sowie biostatistischen Kenngrößen der Marker vergleichend zu den Herstellerangaben und der Literatur.
Abstracts Bei unseren Untersuchungen wurde eine Mutation im System DXS7132 beobachtet, sowie die allelische Variante 11.2 für den Locus HPRTB. Weiterhin sind bei einer Frau drei Allele für den Marker DXS8378 detektiert worden. Insgesamt bestätigen unsere Ergebnisse die Eignung dieses Multiplex-Kits für eine Anwendung bei Abstammungsuntersuchungen, was an einem Beispiel demonstriert wird. P-22 MULTIPLEX STR ANALYSE VON POPULATIONEN AUS TRANSSYLVANIEN Egyed B, Kiss E, Füredi S, Pádár Z Institut für Forensische Wissenschaften, Budapest, Ungarn Seit der Einführung in die forensische DNA-Analytik in den 90er Jahren kommt dem „STR-Profiling” zur forensischen Identifizierung biologischen Spurenmaterials und für die Vaterschaftsbestimmung eine vorrangige Bedeutung zu. Mit der Anwendung der STR-Analyse für populationsgenetische Untersuchungen ist es möglich, in relativ kurzer Zeit relevante Informationen über die genetische Struktur (z. B. Inzuchtgrad) zu erhalten. Populationsstudien in den repräsentativen Gruppen können für die Untersuchung genetischer Differenzierungsprozesse zwischen Populationen sehr aussagekräftig sein. Unsere Untersuchung beinhaltet STR-Daten von zwei ungarischen Populationen, die in Siebenbürgen (Rumänien) leben. 257 Blut- oder Mundschleimproben von Personen aus Csíkszereda (Miercurea Ciuc) repräsentieren die sogenannte „Székely” Population, 185 Proben wurden von der sogenannten „Csángó” Population aus Ghimes typisiert; diese stammen aus dem Dorf Gyimesfels�lok (Lunca de Sus). Allelfrequenzen und genetische Profile wurden für die 13 CODIS-Marker (D3S1358, D5S818, D7S820, D8S1179, D13S317, D16S539, D18S51, D21S11, VWA, FGA, TH01, TPOX, CSF1PO), für zwei weitere tetramere STRs (D2S1338, D19S433) und für zwei pentamere STRs (PentaE, PentaD) erhoben. Der Vergleich der Allelfrequenzen erfolgte mit der G-Test-Statistik, die Substrukturierung der Populationen ist mittels F- und Φ-statistischer Kalkulation analysiert worden. Die Ergebnisse wiesen keine signifikanten Unterschiede zu den Daten einer Population aus Zentral-Ungarn auf, zeigten aber einige interessante Aspekte der populationsgenetischen Strukturen auf. B. Egyed Institut für Forensische Wissenschaften P.O.Box 314/4, 1903-Budapest, Ungarn Tel.: +36-1441-1475 E-mail:
[email protected] P-23 SNP-ANALYSE IN CODIERENDEN REGIONEN DER MT-DNA ZUR IDENTIFIZIERUNG WESTEUROPÄISCHER HAPLOGRUPPEN: EINE POPULATIONSSTUDIE POLNISCHER UND DEUTSCHER KAUKASIER Lebioda A1, Zoledziewska M1, Jonkisz A1, Edelmann J2, Lessig R2 1Institute of Legal Medicine, Institute of Molecular Techniques, Medical University of Wroclaw, Poland 2Institut für Rechtsmedizin, Universität Leipzig Die Analyse von Single-Nukleotid-Polymorphismen (SNPs) spielt auch für Fragen der forensischen Identifikation eine zunehmende Rolle. DNA-Qualität und Menge sind häufig unzureichend, so dass STR-Analysen nicht mehr möglich sind und dafür gegenwärtig die Sequenzen der mitochondrialen Kontrollregion untersucht werden. Die Diskriminationskraft ist dabei jedoch nicht hoch genug, sodass eine größere Anzahl von Markern eingesetzt werden muss. Durch die Untersuchung von SNPs, lokalisiert in den kodierenden Regionen der mt-DNA, ergibt sich eine Methode zur weiteren Differenzierung identischer mt-DNA HV1/HV2 Haplotypen. Mit der Analyse von 16 SNP-Markern wird die Zuordnung zu einer der 9 westeuropäischen
mt-DNA Haplogruppen möglich. Der phylogenetische Stammbaum beginnt seine Gabelung mit der C–T Nukleotidsubstitution in Position 7028. In Anlehnung an die Untersuchungen von Parson et al. (2003) wurden jeweils polnische und deutsche Individuen ausgewertet. Die ausgewählten SNPs sind in zwei Multiplex-Ansätzen amplifiziert und über die Methode der Mini-Sequenzierung mittels SNaPshot Kit analysiert worden. Alle 9 westeuropäischen Haupt-Haplogruppen (H, I, J, K, T, U, V, W, X) sowie die beiden Sub-Haplogruppen H1 und H3 wurden in unseren Populationen beobachtet. Innerhalb der verschiedenen Haplogruppen ließen sich weiterhin jeweils verschiedene Haplotypen feststellen, charakterisiert durch unterschiedliche Basensubstitutionen. Diese Haplotypen sowie die Frequenzen der Haplogruppen und die resultierende Diskriminationskraft wurden für polnische und deutsche Kaukasier vergleichend zu den Daten der österreichischen Population (Parson et al. 2003) ausgewertet. P-24 Y-CHROMOSOMALE HAPLOTYPEN IN RUMÄNIEN Hohoff C1, Constantinescu C2, Möller K1, Brinkmann B1 1Institut für Rechtsmedizin, Universitätsklinikum Münster, Röntgenstr. 23, 48149 Münster 2Laboratory of Genetics, National Institute of Legal Medicine „Mina Minovici“, Bucharest, Romania Aus Rumänien wurden Speichelproben von 118 unverwandten Männern gesammelt, wobei Minoritäten (Ungarn-, Deutsch-Stämmige) ausgespart blieben. Genomische DNA wurde nach dem Chelex/ProteinaseK-Verfahren isoliert und für die Amplifikation der 12 Y-STRLoci DYS19, DYS385a/b, DYS389I/II, DYS390, DYS391, DYS392, DYS393, DYS437, DYS438 und DYS439 unter Verwendung des ’PowerPlex® Y System’ (Promega) eingesetzt. Unter den 118 Rumänen wurden 110 unterschiedliche Haplotypen beobachtet, von denen 101 ein einziges Mal auftraten. Zwei Haplotypen wurden 3 bzw. 4 Mal detektiert, während 5 Haplotypen in jeweils 2 Proben vorkamen. Die ’Gene Diversity’ nach Nei (1987) betrug 0,989. Das informativste System war DYS385 mit einer ’Gene Diversity’ von 0,932. Noch häufiger als der in West-Europa häufigste DYS385-Haplotyp (11/14; 9 %) wurden die Haplotypen 16/18 (13 %) und 14/15 (16 %) in Rumänien beobachtet. Die 12 Y-STR-Loci aus dem ’PowerPlex® Y System’, die den ’minimal haplotype’ aus der ’Y-STR Haplotype Reference Database’ (http:// ystr.charite.de) umfassen, stellen also ein geeignetes Mittel zur Identifikation männlicher Abstammungslinien in der rumänischen Bevölkerung für die Anwendung in Abstammungsbegutachtung und Spurenkunde dar. P-25 Y-CHROMOSOMALE HAPLOTYPEN IN DER SÜDOSTTÜRKEI Hohoff C1, Dönbak L2, Brinkmann B1 1Institut für Rechtsmedizin, Universitätsklinikum klinikum Münster, Röntgenstr. 23, 48149 Münster 2Dept. of Biology, University of Kahramanmaras Sütçü Imam, Karacasu-Kahramanmaras/Türkei Aus der Gegend um Kahramanmaras in der Südost-Türkei wurden Blutproben von unverwandten Männern aus drei Sub-Populationen (104 arabisch-sprechende Eti-Türken, 111 Roma sowie 110 Türken) gesammelt. Genomische DNA wurde nach dem Chelex/Proteinase K-Verfahren isoliert und für die Amplifikation von DYS390, DYS385, DYS389 I/II, DYS391, Amelogenin, DYS393, DYS19, DYS392 (DYSplex1 und 2, Serac) sowie DXYS156 eingesetzt.
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Zwei bislang nicht beschriebene Allele wurden durch Sequenzierung charakterisiert: Allel 12.2 im System DYS385 und Allel 9.2 im System DXYS156-X. Unter den Eti-Türken wurden 93 unterschiedliche Haplotypen beobachtet, von denen 84 ein einziges Mal auftraten. In den türkischen Männern traten 106 unterschiedliche Haplotypen, von denen 103 ein einziges Mal detektiert wurden. Unter den Roma waren 103 unterschiedliche und 98 einzigartige Haplotypen vertreten. Die nicht-einzigartigen Haplotypen kamen jeweils 2-3 Mal vor. Zwei Haplotypen traten sowohl in Türken als auch in Roma auf. Das informativste System in allen drei Sub-Populationen war DYS385. Die Gene Diversity nach Nei (1987) betrug 0,861 in den Eti-Türken, 0,932 in den Roma und 0,945 in den Türken. In allen drei Sub-Populationen ist der Haplotyp 11/14 in DYS385, der häufigste Y-Haplotyp in West-Europa, ebefalls sehr häufig (je ca. 10 %). P-26 ZWEI MARKER IN EINEM: DXS6797 ENTHÄLT ZWEI TYPISIERUNGSFÄHIGE POLYMORPHISMEN Poetsch M1, Szibor R2, Lignitz E1 1Institiut für Rechtsmedizin, Ernst-Moriz-Arndt Universität Greifswald 2Institiut für Rechtsmedizin, Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg Viele der forensisch etablierten STRs enthalten zwei oder mehr Repeatblöcke, die eine voneinander unabhängige Variabilität zeigen. Die Definition der Allele nach ihrer Länge führt dazu, dass sich hinter einer Allelbezeichnung meist unterschiedliche Isoallele verbergen. Da eine Sequenzierung der Allele im Routinebetrieb nicht praktikabel ist, wird die volle Aussagekraft solcher PCR-Systeme im Allgemeinen nicht ausgeschöpft. Wenn die erste Variable mit m, die zweite Variable mit n Allelen auftritt, ist die Gesamtzahl der möglichen Allele m x n. Die Analyse beider Polymorphismen erbringt somit eine beträchtliche Verbesserung der forensisch interessanten Parameter wie PIC, AVACH und PD. DXS6797 umfasst zwei variable ATCT- Repeatblöcke, die durch 128 bp voneinander getrennt sind. Der Bereich zwischen den Repeats enthält eine Taq I –Restriktionsschnittstelle. Wir amplifizieren DXS6797 mit einem FAM-markierten Vorwärtsprimer und einem TAMRA-markierten Rückwärtsprimer und trennen im ABI310 eine Mischung aus ungeschnittenen und Taq I- verdauten Amplifikaten auf. Diese Methode ermöglicht pro Amplifikat die simultane Alleltypisierung für DXS6797 I und DXS6797 II. Bei diploider X -Chromosomenausstattung weiblicher Individuen kann die Kombination von DXS6797I und DXS6797II für jedes Chromosom aus den beiden ungeschnittenen PCR-Produkten und den vier Produkten nach Restriktionsverdau bestimmt werden. Diese Haplotypisierung könnte auf dem Wege der Einzelamplifikation der Repeatblöcke nicht erreicht werden. Durch die Taq I- Restriktion wird aus einem STR mit mittlerer Individualisierungskraft ein hochinformativer Marker, der sich zur Lösung komplizierter Defizienzgutachten anbietet. Untersuchungsergebnisse für eine deutsche Population und Daten für Zell-Linien werden vorgestellt. P-27 IMMUNOLOGICAL AND PHYSIOLOGICAL SIMILARITIES BETWEEN ABH-CARRYER α2-SEMINOGLYCOPROTEIN AND MAC-2 BINDING PROTEIN Tsuruya S1, 2, Tsuda R2, Ikematsu K2, Nakasono I2 1Forensic Science Laboratory, Nagasaki Prefectural Police Headquarters 2Division of Forensic Pathology and Science, Department of Translational Medical Sciences, Course of Medical and Dental Sciences, Graduate School of Biomedical Sciences, Nagasaki University Introduction: The α2-seminoglycoprotein (α2-SGP) was one of seminal protein and a carrier glycoprotein for ABO blood group. However, physiological
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roles of α2-SGP are as yet unknown. After analyzing the internal amino acid sequences of α2-SGP, we could be found that the 12 residues of α2-SGP were identified with a domain 3 of human Mac-2 binding protein (M2BP). The M2BP play a major in cell adhesion and host defense, etc. Then, we have studied to clarify the immunological and physiological properties of α2-SGP and M2BP. In this study, we could be found the immunological cross-reactivity and physiological similarities between α2-SGP and M2BP. Therefore, the α2-SGP might have a same immunological and physiological characterization as M2BP. Material and Methods: 1)The α2-SGP and M2BP were purified from human seminal fluid (Blood group A�Se type) by affinity chromatography using a monoclonal antibody against α2-SGP and M2BP. 2) Blood group A-type substance was purified from human seminal fluid (Blood group A�Se type) by affinity chromatography using a monoclonal anti-A. 3) Immunological cross-reaction between α2-SGP and M2BP was demonstrated by ELISA. Results and Discussion: The purified α2-SGP was reacted to monoclonal antibody against M2BP, and the purified M2BP was also reacted to monoclonal antibody against α2-SGP. The α2−SGP and M2BP have blood group A-type antigenecity. Furthermore, the purified blood group A-type substance was cross-reacted to both of monoclonal antibody against α2-SGP and M2BP. The galectin-3 interacted with M2BP could be bound the α2-SGP. Therefore, we might be concluded that there were immunological and physiological similarities between ABH-carrier α2−SGP and M2BP. P-28 ANALYSE Y-CHROMOSOMALER SNPS: EIN METHODENVERGLEICH Heinrich M, Hohoff C, Brinkmann B Institut für Rechtsmedizin, Universitätsklinikum Münster, Röntgenstr. 23, 48149 Münster In verschiedenen Populationen aus Europa und dem Nahen Osten wurden die folgenden 20 Y-chromosomalen SNPs untersucht: SRY10831.1/10831.2 (SRY1532), YAP, SRY4064 (SRY8299/M40), M35, M216, M181, M213, M170, M172, M46 (Tat), M9, 92R7, M74; M173, P25, M17, M18, M19, M153 und SRY2627. Dabei kamen folgende Methoden zum Einsatz: RFLP: Nach der Amplifikation des Bereichs mittels PCR wurde ein Verdau mit einem Restriktionsenzym, dessen Erkennungssequenz durch den zu untersuchenden SNP zerstört oder gebildet wurde, durchgeführt. Die Analyse der Fragmente erfolgte mittels Polyacrylamidgel und Silberfärbung. Fragmentlängenanalyse: Sog. Indels (Insertionen bzw. Deletionen einer oder mehrerer Basen) wurden z. B. mit Hilfe fluoreszenzmarkierter Primer an einem ABI 310 Genetic Analyzer untersucht. Real-Time-PCR: Im Real-Time-Assay waren zwei TaqMan-MGB-Sonden enthalten, die jeweils spezifisch für einen SNP-Status waren. Die Amplifikation und allelische Diskrimination erfolgten mit Hilfe des SDS ABI 7000. Minisequencing: Im Anschluss an die Amplifikation mittels PCR wurde ein Minisequencing unter Anwendung des SNaPshot-Kits (Applied Biosystems) durchgeführt und die Produkte mit Hilfe des ABI 310 Genetic Analyzers visualisiert. UDG-Verdau: Die PCR wurde unter Verwendung von dUTP statt dTTP durchgeführt. Anschließend wurde ein Verdau mit Uracil-DNAGlykosylase samt alkalischer Hydrolyse (CodeRed, MBI) durchgeführt und die entstehenden Fragmente mit Hilfe des ABI 310 Genetic Analyzers untersucht. Die obigen Methoden werden unter besonderer Berücksichtigung forensischer Anforderungen wie z. B. untere Nachweisgrenze und Multiplexfähigkeit vergleichend dargestellt.
Abstracts P-29 GENE EXPRESSION CHANGES OF MOUSE CEREBELLUM DURING EARLY POSTMORTEM STAGE Ikematsu K, Tsuda R, Nakasono I Division of Forensic Pathology and Science, Department of Translational Medical Sciences, Course of Medical and Dental Sciences, Graduate School of Biochemical Sciences, Nagasaki University Introduction: In forensic practice, the reaction of the body from somatic death to cell death was commonly called „supravital reaction”, such as the mobility of sperm and the tracheal ciliary movement after death. We assumed that the supravital reaction occurred on gene expression. Therefore, we examined the mRNA expression of interleukin 6 (IL-6), tumor necrosis factor (TNF-α) and B cell lymphoma 2 (BCL-2) in mouse cerebellum during early postmortem stage. Materials and Methods: Total RNA was isolated from the cerebellum after death immediately, 0.5 hour later, 1 hour, 3 hours and 24 hours (Group 0, Group 0.5, Group 1, Group 3, Group 24). Five mice belonged to each group. The conditions of total RNA were examined using electrophoresis with formaldehyde. Quantitative mRNA detection of IL-6, TNF-α and BCL-2 was performed with ABI PPRISM 7900HT. GAPDH was used as internal control. Results and Discussion: All of the samples, only in Group 24 were seriously degenerated, however there was no degeneration in the other samples by electrophoresis. Therefore, we have analyzed the quantitative mRNA of four groups (Group 0-3) without Group 24. The mRNA expression IL-6 was no difference among all groups. TNF-α in Group 0.5, 1, and 3 was decreased compared with Group 0. Contrary to the result of TNF-α, BCL-2 in Group 0.5, 1, and 3 was significantly increased compared with Group 0. In central nervous system, it was well known that TNF-α has a role in apoptosis induction and BCL-2 suppresses apoptosis. Therefore, our result indicates that apoptosis might be suppressed by gene expression of supravital reaction during early postmortem stage. P-30 PRÄNATALER DEFIZIENZ-VATERSCHAFTSTEST BEI INZESTVERDACHT WURDE MITTELS X-CHROMOSOMALER MARKER GELÖST Szibor R1, Edelmann J2, Hering S3, Kühnau W4, Krawczak M5, Schmidtke J4, Wand D6 1Institut für Rechtsmedizin, Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg 2Institut für Rechtsmedizin, Universität Leipzig 3Institut für Rechtsmedizin, Technische Universität Dresden 4Institut für Humangenetik, Medizinische Hochschule Hannover 5Institut für Medizinische Informatik und Statistik, Christian-Albrechts-Universität Kiel 6Institut für Humangenetik und Medizinische Biologie, Martin-Luther-Universität Halle Eine 19-jährige Schwangere wünschte einen pränatalen Vaterschaftstest (pnVT). Sie gab an, der Fetus sei entweder von ihrem Freund oder von ihrem leiblichen Vater gezeugt worden. Die Schwangerschaft solle abgebrochen werden, wenn sie auf inzestuöse Weise zustande gekommen wäre. Sie wollte die fraglichen Väter nicht informieren. Somit stand die Aufgabe, einen Defizienz-Vaterschaftstest durchzuführen. Neben dem Chorion und dem Blut der Schwangeren stand auch deren ins Vertrauen gezogene Mutter zur Verfügung. Die Grundlage für die optionale Interruptio ist nach § 218a StGB gegeben, weil ein inzestuös gezeugtes Kind von einem hohen Missbildungsrisiko bedroht ist. Weiterhin ist die Austragung eines solchen Kindes psychisch traumatisierend. Unsere Ablehnung heimlicher Vaterschaftstests kam hier nicht zum Tragen, weil bis zur Geburt die Sondersituation einer Einheit zwischen der Schwangeren und der Leibesfrucht besteht. Die biologische Grundlage für einen Defizienz-Vaterschaftstest ist dadurch gegeben, dass die Schwangere zugleich eine Verwandte des fraglichen Vaters ist und als solche Informationen über dessen Genotyp liefert. Der pnVT verlief in drei Phasen:
Die Typisierung mittels Powerplex 16 erbrachte eine inzestuöse Vaterschaftswahrscheinlichkeit von 98.5 %. Die Erweiterung des Spektrums auf 21autosomale STRs senkte diese Wahrscheinlichkeit auf 48,5 %. Die Einbeziehung von 16 ChrX-STRs erbrachte 11 Ausschlüsse für einen Vater-Tochter-Inzest. Eine Ausschlusskonstellation ist gegeben, wenn der Fetus ChrX-Allele aufweist, die bei der Schwangeren (=Tochter des Putativvaters) nicht vorhanden sind, denn eine Tochter besitzt alle ChrX-Allele ihres leiblichen Vaters. P-31 PUNKTMUTATIONEN DES MITOCHONDRIALEN D-LOOPS IN DUKTALEN ADENOKARZINOMEN DES PANKREAS Schwark T1, Lüttges J2, Klöppel G2, vonWurmb-Schwark N1 1Institut für Rechtsmedizin und 2Institut für Pathologie, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Kiel Verschiedene Autoren haben Mutationen des mitochondrialen Genoms im Zusammenhang mit malignen Tumoren beschrieben. Um zu überprüfen, ob auch duktale Adenokarzinome des Pankreas spezifische Mutationsmuster im Bereich des mitochondrialen d-loops aufweisen, haben wir Formalin fixiertes und Paraffin eingebettetes Tumor – und korrespondierendes normales Pankreasgewebe von 19 Patienten mikrodisseziert, die Gesamt-DNA extrahiert und die mitochondrialen hypervariablen Regionen 1 (HV1) und 2 (HV2) sequenziert. Insgesamt konnten 33 verschiedene Transitionen und Insertionen und 18 verschiedene Haplotypen identifiziert werden. Unterschiede zwischen Tumor- und korrespondierendem Normalgewebe konnten jedoch nicht detektiert werden. Zwei Punktmutationen wurden erstmals beschrieben, zwei weitere konnten in 21 % aller untersuchten Patienten nachgewiesen werden. Diese Untersuchung zeigt, dass die Individualisierung von duktalen Adenokarzinomen des Pankreas mittels mtDNA-Analyse, z. B. in Fällen, in denen nur unzureichende STR-Daten gewonnen werden konnten, aufgrund fehlender intraindividueller Sequenzpolymorphismen möglich ist. P-32 KNOCHENFUND AM NANGA PARBAT – DNA ANALYSEN DER MESSNER BRÜDER Grubwieser P, Rabl W, Steinlechner M, Scheithauer R, Parson W Institut für Gerichtliche Medizin, Medizinische Universität Innsbruck Vor 34 Jahren, 1970, wagten Reinhold Messner und sein jüngerer Bruder Günther Messner die Besteigung des 8.125 hohen Nanga Parbat im Himalaja. Sie durchstiegen erstmals die bis dahin als unüberwindbar geltende, fast senkrecht aufragende Rupal-Wand und die Merkl-Rinne. Laut Reinhold Messner entschieden sie sich dann aufgrund des geschwächten Zustandes und der Höhenkrankheit seines Bruders für den Abstieg über die Diamir-Flanke, eine Route, die weniger kraftraubend und gefährlich zu sein schien. Beim gemeinsamen Abstieg soll Günther Messner dann verunglückt sein und ist seitdem verschollen. In den letzten Jahren äußerten ehemalige Expeditionsteilnehmer Zweifel an Reinhold Messners Darstellung. Sie stellten die These auf, Reinhold Messner habe seinen Bruder über die Rupalseite ins Lager zurückgeschickt, während er die Überschreitung des Berges von der Rupal- auf die Diamirseite alleine vorgenommen habe. Im Juli 2000 fand Hans-Peter Eisendle, im Rahmen einer gemeinsamen Expedition mit Reinhold und Hubert Messner, ein Knochenstück am Fuße der Diamirwand am Nanga Parbat auf ca. 4.400 m Höhe. Dieses Knochenstück, es handelt sich um die Reste einer menschlichen Fibula, wurde Ende 2003 molekularbiologisch untersucht, nachdem anfangs aufgrund der Knochenrestlänge Zweifel an der Zugehörigkeit zu Günther Messner bestanden. Rechtsmedizin 4 · 2004
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Die STR-Typisierung mittels des SGM Plus Kit ergab ein männliches Teilprofil in 4 STR Loci. Likelihood Berechnungen, für die als Vergleichsmaterial die Profile von den Brüdern Reinhold und Hubert Messner einbezogen wurden, ergaben einen starken Hinweis (LR = 651) für das Vorliegen einer leiblichen Bruderschaft. Mitochondriale DNA-Untersuchungen von HV1 und HV2 ergaben in allen drei Fällen eine identische Sequenz, die der Haplogruppe U3, die vor allem in Europa und Westasien vertreten ist, zuzuordnen ist. Zusätzlich zu den haplogruppen-spezifischen Merkmalen (16343, 73, 150, 263) weisen die Proben vier weitere Mutationen (16233, 16256, 16311, 16355) auf. Dieser Haplotyp wurde in den forensischen Datenbanken der SWGDAM mtDNA Population Database und EMPOP (EDNAP mtDNA Population Database) bislang nicht beobachtet. Die vorliegenden Befunde lassen somit keinen vernünftigen Zweifel daran, dass der untersuchte Knochen tatsächlich von einem Bruder von Reinhold und Hubert Messner stammt. P-33 AUFKLÄRUNG DES MORDES AN LYNETTE WHITE NACH 15 JAHREN MIT HILFE DER NATIONALEN DNA DATENBANK Greenhalgh M, McDonald A, Solbrig-Lebuhn H Orchid BioSciences Europe Ltd., Krefeld Im Februar 1988 wurde die Prostituierte Lynette White ermordet in einer Mietwohnung im Hafengebiet von Cardiff in Wales aufgefunden. Sie wurde durch mehr als 50 Messerstiche getötet. Die Entdeckung ihrer verstümmelten Leiche löste bei der Polizei in Südwales eine Großfahndung nach den Mördern aus, die nach zwei Jahren zur Arrestierung von drei Männern führte, den sogenannten „Cardiff Three“. Zwei Jahre später wurde die Verurteilung nach einer Berufungsklage wieder aufgehoben und die Männer entlassen. Nach einer Überprüfung des Falles von unabhängiger Seite und auf Grund des Druckes der Öffentlichkeit wurde er wieder aufgenommen. Eine sehr sorgfältige, erneute Untersuchung der Wohnung in Cardiff und archivierter Beweisstücke enthüllten eine Reihe von Blutspuren eines unbekannten Mannes, der von den Wissenschaftlern und Polizisten den Namen „Cellophan Mann“ erhielt, weil seine Blutspur zuerst auf einer Cellophanhülle einer Zigarettenpackung gefunden wurde. Die in dieser Blutspur bestimmte DNA konnte auch in anderen Blutspuren analysiert werden, die sich an entscheidenden Stellen des Opfers und unter der Farbe der Wände und Fußleisten des inzwischen renovierten Tatortes befanden. Die Suche des DNA Profils vom „Cellophan Mann“ in der Nationalen DNA Datenbank von UK ergab keinen Treffer. Dennoch ergab die Suche in der Datenbank nach ähnlichen Profilen eine Verbindung zu einem jungen Mann, der Polizei wohl bekannt war; zur Zeit des Mordes aber noch nicht geboren war. Daraufhin wurden eine Reihe von verwandten Personen des Teenagers untersucht. Die Befragung des Onkels ergab, daß er Lynette White kannte. Die DNA Analyse des Onkels war identisch mit der vom „Cellophan Mann“. Der Onkel -Jeffery Gafoor- wurde verhaftet und nach einem Selbstmordversuch unter Polizeischutz ins Krankenhaus gebracht. Nach seiner Genesung bekannte er sich des Mordes schuldig. Die Möglichkeit nicht nur nach DNA Profilen von Verdächtigen, sondern auch nach ähnlichen DNA Profilen eventuell verwandter Personen des Verdächtigen in Datenbanken zu suchen, kann eine sehr nützliche Hilfe bei der Lösung von komplexen Kriminalfällen sein. Dr. Heike Solbrig-Lebuhn, Orchid BioSciences Europe Ltd, Kempener Allee 112c, 47803 Krefeld, Tel.: 02151-976656, Fax: 02151-976657
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P-34 KAM ÖTZI AUS MECKLENBURG? POPULATIONSGENETISCHE DATEN ZU DEN HYPERVARIABLEN REGIONEN HVI UND HVII DER MT-DNA AUS DER REGION MECKLENBURG Weirich V1, Tetzlaff S 1, Brandstätter A2, Parson W 2, Wegener R1 1Institut für Rechtsmedizin, Universität Rostock 2Institut für Rechtsmedizin, Universität Innsbruck Die Sequenzierung der hypervariablen Regionen I und II wird in der Spurenkunde zur Individualzuordnung von Mikrospuren aber auch bei phylogenetischen Untersuchungen eingesetzt. Die vorliegende Studie soll ein Beitrag zur Validierung der bestehenden populationsgenetischen Datenbasis sein und soll in diesem Sinne das internationale EMPOP-Projekt unterstützen. Dazu wurden die hypervariablen Regionen I und II der mitochondrialen DNA von 91 unverwandten Personen aus der Region Mecklenburg sequenziert und die populationsgenetischen Kenngrößen für diese Stichprobe ermittelt. Vergleichend werden Daten aus verschiedenen europäischen Populationen gegenübergestellt. Über die korrigierte Paardifferenz (genetic distance) soll zudem der nicht ganz ernst gemeinten Frage nachgegangen werden, ob möglicherweise die Herkunft des im Tiroler Ötztal aufgefundenen mumifizierten Mannes in Mecklenburg zu suchen ist. P-35 UNTERSUCHUNGEN ZUM EINFLUSS VERSCHIEDENER FIXATIONSLÖSUNGEN AUF DIE DNA-DEGRADATION IN GEWEBEPROBEN Miething F, Hering S, Hanschke B, Dreßler J Institut für Rechtsmedizin,Technische Universität, Dresden Anlass der Untersuchungen waren Anfragen der Staatsanwaltschaft zur Überprüfung der Identität von Obduktionsasservaten. Dafür wurde ein DNA-Nachweis in verschiedenen Geweben (Herz, Skelettmuskulatur, Leber, Niere und Hirn) durchgeführt, die über Zeiträume von 1 Tag bis 1 Jahr dem Fixiermittel ausgesetzt waren. Zum Einsatz kamen PBS gepuffertes Formalin (4 %), ungepuffertes Formalin (4 %), Alkohol-Formol-Gemisch (nach Schaffner), Carnoy’sches Gemisch, Davidson’sche Lösung, Glutaraldehyd und Kaliumdichromat-Essigsäure. Um den Grad der Degradation zu beurteilen, wurden PCR-Reaktionen mit unterschiedlich langen Amplifikaten versucht. 1. FGA-Systems (ca. 800 bp Fragmente), Nachweis mittels PAGE und Silberfärbung, 2. TC11 (ca. 150-170 bp Fragmente), Laserfluoreszenzdetektion, 3. HVI-Region mitochondrialer DNA (220 bp Fragmente), Nachweis mittels PAGE und Silberfärbung. Ergebnisse: Für eine dauerhafte Fixierung mit anschließender DNA-Analyse scheinen sich das Carnoy’sche Gemisch und Glutaraldehyd am besten zu eignen; bis zu einem Jahr Fixierdauer konnten sowohl autosomale als auch mt-DNA erfolgreich amplifiziert werden. Die aufwendige Herstellung der beiden oben genannten Lösungen macht eine Verwendung in der Praxis allerdings schwierig. Mit PBS gepuffertem Formalin ließ sich nach drei Monaten in o.g. Geweben lediglich noch das mt-DNA-Fragment amplifizieren. Bei einem Vergleich der verschieden Gewebeproben stellten sich Skelettmuskulatur und Niere als besonders geeignet heraus, das Hirngewebe zeigte starke Schwankungen in den Untersuchungsergebnissen. Die restlichen Fixierlösungen müssen für die bestehende Fragestellung als ungeeignet angesehen werden, da sich z.T. bereits in den ersten Tagen eine nahezu vollständige DNA-Degradierung abzeichnete.
Abstracts P-36 „ICH BESCHWÖRE DICH MIT DIESEM BLUTE, WOMIT ICH SCHREIBE...“ – UNTERSUCHUNGEN AN DEN „BLUTBIBELN“ DES FREIHERRN VON DER TRENCK Arnold R1, Rommeiß S1, Szibor R2, Müller G3, Leistritz L4, Krause D1, Klein A1 1Institut für Rechtsmedizin, Friedrich-Schiller-Universität Jena 2Institut für Rechtsmedizin, Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg 3Restaurierungswerkstatt der Universitätsbibliothek, Friedrich-Schiller-Universität Jena 4Institut für Medizinische Statistik, Informatik und Dokumentation, Friedrich-SchillerUniversität Jena Friedrich Freiherr von der Trenck (16.2.1726–25.7.1794) konnte sich zunächst einer steilen Karriere als Ordonnanzoffizier am Hofe Friedrichs d. Großen erfreuen, wurde dann aber in Magdeburg eingekerkert (1754 –1763). Der Legende nach war der Hintergrund für die Festungshaft eine Liaison zu Prinzessin Amalie, der Schwester des Königs. Dort verfasste er nach autobiografischen Angaben Texte und gezeichnete Miniaturen in bis zu neun nur halbseitig bedruckten Bibeln, wozu er eigenes Blut verwendet habe. Frühere serologische Untersuchungen (M. Smerling, FU Berlin) an einer der beiden erhaltenen Bibeln erbrachten Hinweise auf die tatsächliche Existenz von Menschenblut (schwach positiv) der Gruppe A, Gm (-1,-2) Inv (1) und schienen die Behauptung zumindest teilweise zu bestätigen. Eigene Schreibversuche ergaben, dass Blutschrift möglich ist. Über die Möglichkeit des zerstörungsfreien Nachweises kleinster Blutspuren und ihrer Differenzierung von blutähnlichen Substanzen mit Hilfe der VIS-Spektrometrie haben wir berichtet (82. Jahrestagung der DGRM). Die Methode erlaubte bei einer Spurengröße von 1-2 mm Durchmesser in 90,96 % eine sichere Unterscheidung zwischen Blut und blutähnlichen Substanzen. Wir unternahmen spektrometrische Messungen an dieser Bibel (Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz) und einem weiteren Exemplar (Kulturhistorisches Museum Magdeburg). Zusätzlich wurden Vergleichsspektren für die Auswertung im neuronalen Netz erfaßt, die wir an verschiedenen Tintenqualitäten aus nicht restaurierten Archivarien der Jahre 1750–1770 und 5 Jahre alten Blutverdünnungsreihen erfassten. An der Schrift der Magdeburger Bibel konnte spektrometrisch kein Blutnachweis erbracht werden. Versuche, aus kleinsten Proben DNA zu amplifizieren, erbrachten keine signifikanten Signale. Die Untersuchungen an dem Depositum des Geheimen Staatsarchiv dauern noch an. Die Ergebnisse werden im historischen Kontext diskutiert. P-37 IMMUNCHROMATOGRAPHISCHER TEST ZUM NACHWEIS VON PROCALCITONIN IN POSTMORTALEN SERUMPROBEN Ramsthaler F1, Neis P2, Fink T3, Bratzke H1 1Zentrum für Rechtsmedizin Frankfurt am Main, 2Forensische Dienste Essenheim, 3Institut für Pathologie, Dr. Horst-Schmitt Kliniken Wiesbaden In dieser Studie wird untersucht, ob mittels semiquantitativer Messung von Procalcitonin (PCT) auch postmortal schwere allgemeine bakterielle Infektionen bzw. septische Zustände diagnostiziert werden können. PCT-Q wird dabei als geräteunabhängiges, praxisnahes Testsystem unmittelbar während der Obduktion angewendet. Die ersten Ergebnisse sollen zeigen, ob die Erwartungen, mit PCT-Q ein preiswertes, schnelles und valides Testverfahren für die postmortale Diagnostik zu gewinnen, erfüllt werden können. Dr. (H) F. Ramsthaler Zentrum für Rechtsmedizin, Universitätsklinikum Frankfurt am Main, Kennedyallee 104, 69596 Frankfurt/Main Tel.: +49 (0) 69 6301 7571, Fax: +49 (0) 69 6301-5882 e-Mail:
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P-38 MOLEKULARER NACHWEIS VON MENSTRUALBLUT – METHODISCHE VERBESSERUNGEN UND ERSTE PRAKTISCHE ERFAHRUNGEN Bauer M, Patzelt D Institut für Rechtsmedizin der Universität Würzburg Ein auf der Detektion zellspezifischer Genexpression basierender molekularer Ansatz zur Identifizierung von Menstrualblut ist von den Autoren vor einiger Zeit vorgestellt und veröffentlicht worden. In der Zwischenzeit konnte die Methode an eine Reihe von realen Fällen, teils auch aus dem europäischen Ausland, eingesetzt werden. Dabei zeigte sich eine große Bandbreite möglicher Fallkonstellationen, die jeweils angepasste Vorgehensweisen erforderten. Die Sensitivität und Stabilität des Verfahrens musste gesteigert werden, um dem zur Untersuchung gebrachten Spurenmaterial gerecht zu werden und um die prinzipiell problematische Interpretation von negativen Befunden zu verbessern. Dies konnte durch den Einsatz neuer Primer und ergänzender Marker sowie vor allem durch die Umstellung des Assays auf Real time-PCR im wesentlichen erreicht werden. In dieser Präsentation sollen erste Erfahrungen aus der Fallarbeit sowie die zur Optimierung der Methode durchgeführten Schritte vorgestellt werden. P-39 SCHWIERIGKEITEN UND KOMPLIKATIONEN BEI ABSTAMMUNGSUNTERSUCHUNGEN IN DER FORENSISCHEN ROUTINE Simeoni E, von Wurmb-Schwark N, Wessel I, Bachmann C, Matthiesen M, Oehmichen M Institut für Rechtsmedizin, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Kiel Immer mehr Abstammungsgutachten werden heutzutage mittels alleiniger STR-Analyse durchgeführt. Diesbezüglich fordern die Richtlinien der Bundesärztekammer eine Untersuchung von mindestens 12 Merkmalen, welche auf mind. 10 verschiedenen Chromosomen lokalisiert sein müssen. Da im Institut für Rechtsmedizin, Kiel auch weiterhin RFLP-Analysen durchgeführt werden, ist es uns möglich, beide Methoden bezüglich Ihrer Aussagekraft vergleichen zu können. Zusätzlich besteht bei sogenannten „Problemfällen“ immer die Möglichkeit, eine zweite, sehr diskriminative Methode anzuschließen. Wir stellen aus dem Untersuchungsgut des Instituts für Rechtsmedizin, Kiel aus dem Jahr 2003 (n = 220) zwei Fälle vor, die sich durch Unterschiede bezüglich der Interpretationsfähigkeit mit verschiedenen Methoden unterscheiden. Fall 1: Mutationen von STRs. In diesem Fall wurde vom Gericht ein sog. Komplettgutachten (15 STRs + 3 single locus Sonden) in Auftrag gegeben. Es zeigten sich zwei isolierte STR-Ausschlüsse, während auch in 6 Sonden keine Unverträglichkeiten auftraten. Daraufhin wurden die Ausschlüsse als sog. one-step Mutationen in die Vaterschaftsbeurteilung mit einberechnet. Diese betrug für die STRs allein 99,98 %, zusammen mit der RFLP-Analyse ergaben sich >99,99999 %. Fall 2: RFLP- / STR-Analyse. Zwillinge mit nicht bekannter Zygosität kamen als Putativväter in Betracht. Es wurde ein Komplettgutachten angeordnet. Beide Männer wurden in den routinemäßig eingesetzten Sonden eingeschlossen, mit Vaterschaftswahrscheinlichkeiten von 99.96358 % und 99.86680 %. Bei der STR-Analyse zeigten sich dagegen 7 klare Ausschlüsse für den zweiten Putativvater. Mit diesen Beitrag soll gezeigt werden, dass in der Abstammungsbegutachtung, selbst bei richtlinienkonformen Resultaten, Unregelmäßigkeiten oder schwer interpretierbare Ergebnisse erzielt werden können. Daher sollte dem Gutachter im Labor die Möglichkeit zu weiteren Untersuchungen (z. B. mehr STRs, Y- oder X-spezifische STRs, single locus Sonden, serologische Methoden) gegeben sein, um zusätzlich zur Richtlinienkonformität auch eine eigene vertretbare Sicherheit zu erlangen.
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Dr. Eva Simeoni Institut für Rechtsmedizin Arnold-Heller-Str. 12, 24105 Kiel
[email protected] 0431/597-3576 P-40 RECHTLICHE WERTUNGEN HEIMLICHER DNA-ABSTAMMUNGSGUTACHTEN Parzeller M, Zehner R, Wenk M, Bratzke H Zentrum der Rechtsmedizin der Johann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt am Main Der Beitrag befasst sich mit so genannten heimlichen DNA-Abstammungsgutachten zur Feststellung oder zum Ausschluss der Vaterschaft. Anhand verschiedener Fallkonstellationen aus der medizinischen Praxis und der einschlägigen Rechtsprechung wird geschildert, welche rechtlichen und medizin-ethischen Probleme bei der heimlichen Materialgewinnung entstehen, wenn die Testung nicht von der Kenntnis bzw. Zustimmung aller Beteiligten getragen ist. Die aktuelle Rechtsprechung wertet den Umgang mit heimlichen Vaterschaftstests derzeit uneinheitlich. Das OLG Celle (Urt. v. 29.10.2003 15 UF 84/03 nicht rechtskräftig) und das OLG Jena (Urt. v. 6.3.2003 1 UF 358/02 nicht rechtskräftig) lehnen heimliche, ohne Zustimmung der sorgeberechtigten Mutter eingeholte DNA-Abstammungsgutachten wegen Verstoßes gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 I GG i. V. m. Art. 1 I GG) des Kindes und der fehlenden eindeutigen Sicherung der Identität der Personen als prozessual nicht verwertbar ab. Demzufolge begründete das heimlich eingeholte DNA-Abstammungsgutachten keinen Anfangsverdacht für eine Vaterschaftsanfechtungsklage nach § 1599 BGB. Klagen, die sich lediglich auf die Vorlage eines heimlichen DNA-Abstammungsgutachten stützten, wurden wegen fehlender konkreter Umstände gegen die Vaterschaft als unschlüssig abgewiesen. Dagegen wertete das LG München (Urt. v. 22.5.2003 17 HK O 344/03) die heimliche Erstellung als weniger schwerwiegenden Eingriff in das Kindeswohl als ein im gerichtlichen Verfahren möglicherweise erzwungenen Vaterschaftstest, so dass im Ergebnis die Erstellung heimlicher Vaterschaftstests auch keine wettbewerbswidrige Handlung i. S. d. § 1 UWG sei. Bei der grundrechtlichen Wertung heimlicher Abstammungsgutachten sind die grundrechtlich geschützten Positionen von Kind, Mutter und potentiellem Kindsvater im Wege der praktischen Konkordanz gegeneinander abzuwägen. In wettbewerbsrechtlichen Auseinandersetzungen ist die Ausstrahlungswirkung von Grundrechten bei der Wertung unbestimmter Rechtsbegriffe als mittelbare Drittwirkung zu beachten. Es bleibt abzuwarten, wie der BGH, dem zahlreiche Verfahren zur Revision vorgelegt wurden, entscheiden wird (BGH Az. XII ZR 60/03; BGH Az. XII ZR 227/03). Auf die eingeschränkte rechtliche Verwertung heimlicher DNA-Tests sind die Auftraggeber von den Auftragnehmern deshalb hinzuweisen. RA Dr. med. Markus Parzeller, Zentrum der Rechtsmedizin Kennedyallee 104, 60596 Frankfurt am Main Tel.: 069/6301-83576, Fax: 069/6301-83639
[email protected] Rechtsanwaltskanzlei Dr. med. Parzeller Schönbornstr. 22, 63179 Obertshausen
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Toxikologie P-41 FAHREN UNTER EINFLUSS VON RAUSCHGIFT IN UNGARN Varga T, Hidegh Z, Kovács A, Mágori K Universität Szeged, Gerichtsmedizinisches Institut, Szeged Landesinstitut für Toxikologie, Budapest, Ungarn Nach den Bestimmungen des Gesetzes LXXVII 1988 wurde das Fahren unter Einfluss von Rauschgift und psychotropischen Substanz bestimmt. Es ist ein Bestehen von alkoholischen Einfluss in gerichtsmedizinischer Praxis festzustellen wenn das Rauschgift oder sein Methabolit auch aus dem Blut zu beweisen ist. Wenn es eines Fahrens unter alkoholischen Einfluss verdächtig ist, es wird an Ort und Stelle eine physikalische Untersuchung vorgenommen, die mit der Messung von Atemalkoholkonzentration und immunchemischen ‘screening’ Technik aus dem Urin ergänzt. Im positiven Fall wird eine Probenentnahme von Blut und Urin vorgenommen, eine konzentrierte Analyse erfolgt im Landesinstitut für Gerichtliche und Toxikologie. In unserer gegenwärtigen Arbeit werden über die Erfahrungen von den vergangenen zwei Jahren berichtet. 2002 sind 59 Proben und 2003 sind 147 Proben zur Analyse eingetroffen (197 männliche und 9 weibliche Proben) Der Durschnittsalter bei den Männern und Frauen war 25 Jahre. Die immunchemische Untersuchung des Urins war in 37 Fällen negativ, in den positiven Fällen THC, Amphetamin, Methamphetamin, Opiat Derivaten, Barbiturat und Benzodiasephin Derivat waren nachzuweisen. Aus dem Blut ist in 25 Fällen Rauschgift nachzuweisen (Amphetamin 11, Metamphetamin Derivat 14, Opiat 3, Benzoylecgogin 5, Amobarbiturat 1, Karbamazepin 1). Die Analyse der Angaben zeigt dass das Intervall zwischen dem Delikt und der Probeentnahme lang ist und das wesentlich negative, analytische Ergebnis des Blutes trotz der positiven klinischen Sympthomen und der positiven Urinprobe ist damit zu begründen. Bei den Opfern der tödlichen Verkehrsunfällen waren 0,48 % Rauschgift und 7,8 % rezeptpflichtige Medizin zu beweisen. Auf diesem Grund wäre die Zahl des Fahrens unter Rauschgifteinfluss real. P-42 NACHWEISHÄUFIGKEIT ZENTRAL WIRKSAMER SUBSTANZEN IM STRASSENVERKEHR; ZEITRAUM 1998–2001 – ERGEBNISSE EINER BUNDESWEITEN STUDIE Iwersen-Bergmann S, Kauert G Zentrum der Rechtsmedizin, J.W. Goethe-Universität, Frankfurt am Main Im Rahmen einer Studie für die Bundesanstalt für Straßenwesen (BAST) wurde eine Datenbank erarbeitet, die toxikologische Blutuntersuchungsbefunde (TBUB) von Verkehrsdelikten enthält. Es konnten 25 Blutuntersuchungsstellen (die Blutuntersuchungen bei Verkehrsdelikten durchführen) dafür gewonnen werden ihre TBUB, zusammen mit anderen für die Auswertung relevanten Daten, zur Verfügung zu stellen. Die Datenbank umfasst, repräsentativ für ganz Deutschland, die TBUBs von 59,7 % der im Untersuchungszeitraum gesamten durchgeführten Blutuntersuchungen bei Verkehrsdelikten, bei denen der Verdacht bestand, dass der Verkehrsteilnehmer unter dem Einfluss von „anderen berauschenden Mitteln“ („abM“) stand. Es wird nur ein Teil der im Rahmen des Projektes vorgenommenen Auswertungen präsentiert. Ergebnisse: Die TBUs auf andere berauschende Mittel haben sich im Untersuchungszeitraum von 1998-2001 annähernd verdreifacht (Faktor 2,7). Die relativen Nachweishäufigkeiten der verschiedenen Substanzen (als Anteil an den Tox-positiven Fällen) betragen für THC 52,4 %, Amphetamine/Ecstasy 21,6 %, Benzodiazepine 14,7 %, Benzoy-
Abstracts lecgonin 12,6 %, Morphin 11,8 %, Heroinsubstitutionsmitte 7,6 %, andere zentral wirksame Arzneimittel (ZW AM) 3,4 %. Die gemittelte bundesweite Bestätigungsquote für Tox-positive Fälle (Alkohol wurde hier nicht berücksichtigt) betrug 73,9 %. Sie wies während des Untersuchungszeitraumes einen kontinuierlichen Anstieg von insgesamt 10,3 % auf. Bei einer gleichzeitg annähernden Verdreifachung der Untersuchungszahlen weisen steigende Bestätigungsquoten darauf hin, dass bei der Entdeckung von Drogenfahrten noch keinerlei asymptotischer Verlauf zu verzeichnen ist, wie er bei steigender Kontroll- und Untersuchungsintensität irgendwann zu erwarten wäre. Es kann daher abgeleitet werden, dass sich alle Beteiligten derzeit immer noch in einem Prozess der Erhellung des Dunkelfeldes „Drogen bzw. ZWS im Straßenverkehr“ befinden. Kontroll- und Untersuchungsintensität sollten daher keinesfalls nachlassen. P-43 DAS METHADON-PROGRAMM: FLUCH ODER SEGEN? – EIN ERFAHRUNGSBERICHT Darok M, Gatternig R, Feldner G, Henning G Institut für Gerichtliche Medizin der Medizinischen Universität Graz Das Grazer Substitutions-Programm für Langzeitabhängige besteht seit dem Jahre 1991 als Kooperation zwischen dem Gesundheitsamt der Stadt Graz, ausgewählten Hausärzten und dem Institut für Gerichtliche Medizin der Medizinischen Universität. Die Substituierten haben die Auflage, zur Verlaufskontrolle ihrer Therapie in bestimmten Zeitabständen, meist monatlich, eine Harnprobe abzugeben. Die Harnabgabe erfolgt am Institut für Gerichtliche Medizin unter ärztlicher Aufsicht, die Harnprobe wird ebenfalls im Institut hinsichtlich eines allfälligen Beigebrauchs anderer Substanzen analysiert. In den letzten Jahren konnten wir eine sprunghafte Zunahme der Patientenzahl feststellen. Die Ursache hierfür liegt zum einen in einem gesteigerten Suchtverhalten (Stichwort „Drogenschwemme“), zum anderen aber auch in einem zu leichten Zugang zum Substitutionsprogramm sowie in der laxen Verschreibungspraxis. In vielen Fällen werden viel zu hohe Dosen des Substitutionsmittels verschrieben; die über den tatsächlichen Bedarf hinausgehende Tablettenmenge wird dann am Schwarzmarkt verkauft. Neben ihren Erfahrungen in der Verschreibungs- und Weitergabepraxis berichten die Autoren auch über Untersuchungen zum Beigebrauchverhalten der Substituierten. Die aufgezeigte Problematik wird auch von Fällen aus dem Obduktionsgut erhärtet, die ebenfalls kurz vorgestellt werden.
im Vordergrund, häufig in Kombination mit anderen psychotropen Substanzen. P-45 FAHREN UNTER DEM EINFLUSS VON MEDIKAMENTEN UND DROGEN IN POLEN Kała M1, Adamowicz P1, Chudzikiewicz E1, Lechowicz W1, Pufal E2, Pach J3, Piekoszewski W1, Sliwka K2 1Institut für forensische Forschung, Kraków, Polen 2Lehrstuhl und Institut für Gerichtsmedizin, Bydgoszcz, Polen 3Toxikologische Klinik, Jagellonen-Universität Kraków, Polen Der polnische Gesetzgeber hat seit langem Grenzwerte für die Blutalkoholkonzentration im Straßenverkehr festgesetzt (0,2 und 0,5 Promille). 1997 wurde der Artikel 45 des Straßenverkehrsgesetzes ausgeweitet auf das Fahren unter Einfluss von Drogen („eine Person darf nicht Auto fahren, wenn sie in einem Zustand nach Einnahme von Drogen ist, die ähnlich wie Alkohol wirken“). Gemäß dieser Definition müssten 400 bis 500 Substanzen beachtet werden. Um unterschiedliche Auslegungen zu vermeiden, wurden vom Gesundheitsministerium detaillierte Bestimmungen erlassen, die die Liste der Substanzen betreffen, die „ähnlich wie Alkohol“ wirken und die die Bedingungen und Methoden zum Nachweis dieser Stoffe im menschlichen Körper betreffen. Diese Bestimmungen führen ein bedingungsloses Verbot des Lenkens eines Kraftfahrzeuges unter dem Einfluss der 5 am häufigsten verwendeten Drogen bzw. Drogenklassen ein. Die verbotenen Substanzen sind Morphin und Heroin, Amphetamine und vergleichbare Designerdrogen, Kokain, Cannabis und Benzodiazepine. Die am häufigsten festgestellten Drogen bei Fahrern, die einen Autounfall unter Drogeneinfluss verursacht hatten, sind THC, Amphetamine, Morphin und Benzodiazepine. Die Anzahl von THC-/Amphetamin- positiven Fällen ist seit 1995 angestiegen, während die der Fälle mit Morphin deutlich gesunken ist. In Hinblick auf den Einfluss von Medikamenten ist die Situation erheblich komplizierter. Deshalb wurde eine wissenschaftliche Arbeit durchgeführt, die sich mit Teilen dieses Problems befasst. Die Analyseschwierigkeiten bei Personen, die unter Medikamenteneinfluss stehen, weisen darauf hin, dass neue Untersuchungsmethoden erforderlich sind. Aus diesem Grund wurden mit Hilfe der Posturographie (Gleichgewichtsuntersuchungen) Parameter verglichen, die aus der Analyse der Stabilogramme von 25 gesunden Personen vor und nach Alkohol-, Estazolam-, Doxepin- und Promazin-Konsum gewonnen wurden.
P-44 DIE ENTWICKLUNG DES BETÄUBUNGSMITTELMISSBRAUCHS IM BEZIRK CSONGRÁD (UNGARN) IN DEN JAHREN 1999–2003 Molnár A1, Tóth AR2, Varga T2 1Medizinische Abteilung des Polizeipräsidiums des Bezirks Csongrád, Ungarn 2Institut für Rechtsmedizin der Universität Szeged, Ungarn
Dr. Ewa Pufal Katedra i Zakład Medycyny Sadowej AM w Bydgoszczy M. Skłodowskiej-Curie 9, 85-094 Bydgoszcz, Polen Tel.: +48/52-5853560, Fax: +48/52-5853553 E-mail:
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Seit 1994 zeichnet sich eine dramatische Zunahme des Betäubungsmittelmissbrauchs in Ungarn ab. Besonders verbreitet ist der Konsum von Cannabis-Produkten, gefolgt von Amphetaminen und Opiaten. Urinproben lebender Personen und Verstorbener aus dem Bezirk Csongrád wurden zunächst mittels immunochemischer Schnelltests untersucht und positive Fälle anschließend durch technische Meßverfahren verifiziert. Bei der Datenauswertung wurden außerdem soziodemografische Angaben und Straftatbestände erfasst. Der jährliche Anstieg des Drogenkonsums spiegelte sich in der Mortalitätsrate nicht wieder. Die tödlichen Betäubungsmittelintoxikationen rekrutierten sich sowohl aus offensichtlich unfallbedingten als auch aus suizidalen Fällen. Bei Missbrauch von Opiaten stand nicht der Konsum von Heroin sondern von Tee aus Mohnpflanzen
P-46 BEDEUTUNG DER PFLANZLICHEN DROGE KHAT AUF DEM ILLEGALEN DROGENMARKT Beike J1, Frommherz L1, Köhler H1, Dahlenburg R2, Brinkmann B1 1Institut für Rechtsmedizin, Universitätsklinikum Münster, Röntgenstr. 23, 48149 Münster 2Bundeskriminalamt, KT 34 Die in weiten Teilen Ostafrikas und Südarabiens kultivierte und wegen ihrer stimulierenden und euphorisierenden Wirkung geschätzte Pflanzendroge Khat wurde 1998 dem Betäubungsmittelgesetz unterstellt. Seither tritt Kath immer wieder auf dem illegalen Drogenmarkt in Erscheinung. Bundesweit wurden seit 1999 jährlich zwischen 3 und 5 t Khat sichergestellt. Dadurch ergab sich zwangsRechtsmedizin 4 · 2004
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läufig die Notwendigkeit, den Hauptwirkstoff Cathinon und das beim Welken der Pflanzen entstehende Cathin sicher qualitativ und quantitativ nachzuweisen. Zu diesem Zweck wurde eine gaschromatographisch-massenspektrometrische Methode nach extraktiver Aufarbeitung etabliert. In Khat-Sicherstellungen von 2002 bis 2004 wurden Cathinongehalte zwischen 0,0024 und 0,0443 % und Cathingehalte zwischen 0,0038 und 0,0271 % mit teilweise beträchtlichen Schwankungsbreiten in Stichproben einer Sicherstellung festgestellt. Vor diesem Hintergrund wird einerseits auf die Problematik der Stichprobennahme in großen Sicherstellungen und andererseits auf den Begriff der „nicht geringen Menge“ nach dem Betäubungsmittelgesetz eingegangen. P-47 PSYCHOTROPE MEDIKAMENTE IN DER TOXIKOLOGISCHEN PRAXIS DES GERICHTSMEDIZINISCHEN INSTITUTES IN KATOWICE Olszowy Z, Kulikowska J, Albert M, Celinski R, Nowicka J Institut für Gerichtsmedizin der Schlesischen Medizinischen Akademie, Katowice, Polen Anxiolytische, neuroleptische und antidepressive Medikamente, die eine Gruppe psychotroper Arzneimittel bilden, finden eine breite Anwendung bei der Behandlung psychischer Erkrankungen. Die Verbreitung dieser Medikamente spiegelt sich auch im toxikologischen Labor der Gerichtsmedizin wider. Anlässlich der in den Jahren 1997 bis 2003 im Institut für Gerichtsmedizin in Katowice durchgeführten chemisch-toxikologischen Untersuchungen konnten in den bei den Obduktionen asservierten biologischen Materialien psychotrope Medikamente festgestellt werden. Dabei handelte es sich um 78 Vergiftungsfälle, darunter 48 Suizide und 30 Unfälle; 6 Gewalt-Suizide (Erhängen, Sprung aus großer Höhe) und um 5 Fälle von natürlichem Tod mit todesursächlichen Erkrankungen des koronaren Gefäßsystems. Desweiteren fanden sich psychotrope Arzneimittel auch bei 5 Mordopfern und bei 7 in Verkehrsunfälle verwickelte Personen, die überlebt haben. Die Erfahrungen unseres Institutes weisen auch auf eine breite Anwendung von psychotropen Arzneimittel für nichtmedizinische Zwecke hin. Im untersuchten Zeitabschnitt fanden sich diese im Obduktionsmaterial von 54 opiatabhängigen Drogentoten sowie bei 6 Verkehrsteilnehmen, die zusätzlich Drogen eingenommen hatten. Häufig finden sich im Untersuchungsmaterial Substanzen aus den Gruppen der Benzodiazepine, der Phenothiazine sowie der trizyklischen Antidepressiva. Äthanol fand sich in 42 Fällen mit Konzentrationen zwischen 0,5 und 3,9 ‰. J. Kulikowska Institut für Gerichtliche Medizin der Schlesischen Medizinischen Akademie Katowice ul. Medyków 18, 40-752 Katowice, Polen Tel. : +48-32-2088446 E-Mail:
[email protected] P-48 NEUROBIOLOGIE DER HEROINABHÄNGIGKEIT: „SUCHTGEDÄCHTNIS“ UND �FOSB Stichenwirth M1, Krieger S2, Hönigschnabl S1, Nussbaumer C1, Klupp N1, Risser D1 1Institut für Gerichtliche Medizin, Medizinische Universität Wien, Sensengasse 2, 1090 Wien 2Medizinische Universität Wien – Klinisches Institut für Klinische Pathologie – Währinger Gürtel 18-20, 1090 Wien, Österreich Heroinmissbrauch stellt ein weltweites Problem dar und ist mit einer hohen Morbiditäts- und Mortalitätsrate, vor allem in der Altersgruppe der 15- bis 35-jährigen, verbunden. 70 Prozent der angebotenen
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therapeutischen Maßnahmen zur Bekämpfung der Drogenabhängigkeit werden in Europa von Opiat/Heroinkonsumenten in Anspruch genommen Chronischer Heroinkonsum führt zur Entwicklung von Toleranz und eines sogenannten Suchtgedächtnisses, das für die hohe Rückfallsrate nach erfolgreichen Entzugsbehandlungen verantwortlich gemacht wird. Durch den Einfluss chronischer Opiatzufuhr kommt es im Tierversuch zur Bildung von Isoformen des Transkriptionsfaktors ∆FosB mit erhöhter biochemischer Stabilität in spezifischen Gehirnarealen, insbesondere im Nucleus accumbens. Der Nucleus accumbens ist Teil des sogenannten „Belohnungssystems“, dem mesolimbischen System, das eine zentrale Rolle in der Entwicklung des Suchtverhaltens spielt. Durch ihre erhöhte Stabilität gegenüber intrazellulärem Abbau akkumulieren ∆FosB-Isoformen in den Neuronen dieser Gehirnareale und sind im Tierversuch auch noch Monate nach Absetzen der Droge nachweisbar. Diese intrazelluläre Anhäufung der Isoformen des Transkriptionsfaktors ∆FosB steht in engem Zusammenhang mit der Ausbildung des „Suchtgedächtnisses“ und in weiterer Folge möglicherweise auch mit der Entwicklung des „craving“ sowie einer gesteigerten Sensibilisierung gegenüber „Drogenreizen“. Bisher konnten ∆FosB-Isoformen nur im Tierversuch nachgewiesen werden. Wir beschreiben erstmals den erfolgreichen Nachweis von biochemisch veränderten ∆FosB Proteinen im Nucleus accumbens verstorbener chronischer Heroinkonsumenten. P-49 SIND DROGENASSOZIIERTE TODESFÄLLE VERMEIDBAR? EINE ANALYSE AUS WIEN Czarnowska I, Eisenkölbl A, Haunold K, Jasek T, Maresch J, Meier M, Rosenzopf A, Scharrer M, Scheed A, Wolf D, Risser D Medizinische Universität Wien – Institut für Gerichtliche Medizin – Sensengasse 2, 1090 Wien, Österreich Einleitung: Drogenmissbrauch ist ein weltweites Problem und hat natürlich auch vor Österreich nicht Halt gemacht. Seit Ende der 80er Jahre hat die Anzahl der offiziell registierten drogenassoziierten Todesfälle in Wien zugenommen. So wird zum Beispiel geschätzt, dass allein in Wien mit circa 1,6 Millionen Einwohnern in etwa 10000 bis 15000 HeroinkonsumentInnen leben. Anhand des gängigen Bildes des „klassischen Drogentoten = männlich, jung, tot aufgefunden in verschlossener U-Bahntoilette“, war das Ziel dieser Arbeit zu untersuchen, ob derartige Todesfälle zumindest zum Teil verhinderbar gewesen wären. Methodik: Zu diesem Zweck wurden mit Hilfe der entsprechenden Polizeiprotokolle die näheren Umstände aller drogenassoziierten Todesfälle in Wien im Jahre 2002 hinsichtlich Ereignisort und Anwesenheit anderer Personen sowie der Geschlechts- und Altersverteilung analysiert. Resultate: Im Jahre 2002 wurden am Institut für Gerichtliche Medizin Wien insgesamt 95 drogenassoziierte Todesfälle untersucht. 75 % dieser Todesfälle ereigneten sich in Privatwohnungen, zum Großteil in Gegenwart anderer Personen. 76 % der Opfer waren männlich. Das Durchschnittsalter betrug 33 Jahre. Das jüngste Opfer war 17 Jahre und das älteste 51 Jahre alt. Frauen waren deutlich jünger (31 Jahre; Spannweite: 17 bis 47 Jahre vs. 33 Jahre; Spannweite: 18 bis 51 Jahre). Diskussion: Auf Grund des vorliegenden Untersuchungsergebnisses kann davon ausgegangen werden, dass sich diese Todesfälle vorwiegend in einer Wohnung und meist in Anwesenheit einer anderen Personen ereigneten und bei entsprechenden Maßnahmen (ErsteHilfe, Notarztalarmierung, Naloxongabe) möglicherweise zum Teil vermeidbar gewesen wären.
Abstracts P-50 TRENDWENDE ZU WENIGER CANNABINOIDEN IN SACHSEN-ANHALT? Wittig H, Meyer M, Krause D, Römhild W Institut für Rechtsmedizin der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg Nach der Einheit Deutschlands wurde auf dem Gebiet der ehemaligen DDR eine sich sehr schnell ausbreitende Drogenszene erwartet. Statt dessen kam es nur zu einem sehr langsamen Anstieg der diesbezüglichen Belastungen, wie zahlreiche Publikationen belegen. In den letzten Jahren lässt sich in Sachsen-Anhalt eine annähernde Konstanz in der polizeilich erfassten allgemeinen Rauschgiftkriminalität feststellen. Das spiegelt sich auch in unseren Untersuchungsaufträgen gemäß § 81 a StPO bei Straßenverkehrsdelikten und anderen Delikten wider. Qualitativ ist jedoch eine Trendwende zu erkennen. Während bis zum Jahr 2000 die absolute Anzahl der positiven Cannabinoid-Befunde anstieg, kam es danach zu einem deutlichen Abfall. Der relative Anteil der Cannabinoide fiel von ca. 60 % auf etwa 40 % im Jahr 2003. Mischkonsum und isolierter Missbrauch der anderen routinemäßig untersuchten Betäubungsmittel (Opiate, Amphetamine, Kokain) nahmen entsprechend zu. P-51 IN VITRO UNTERSUCHUNGEN ZUR ANTRAGUNG VON CANNABINOIDEN AUS MARIHUANARAUCH IN DAS KERATINISIERTE HAAR Skopp G1, Thorspecken J1, Pötsch L2 1Institut für Rechtsmedizin und Verkehrsmedizin, Ruprecht-Karls Universität, Heidelberg 2Institut für Rechtsmedizin, Johannes-Gutenberg Universität, Mainz Die direkte Antragung eines Fremdstoffes an Haare durch Stäube, Aerosole oder Gase stellt eine Alltagssituation dar. Diesem potenziellen Aufnahmeweg wurde in der Haaranalytik bisher nur wenig Beachtung geschenkt. In in vitro Experimenten wurden daher mögliche Einflussfaktoren bei der Aufnahme/Ablagerung von Cannabinoiden aus Marihuanarauch in/an das keratinisierte Haar und die Effizienz verschiedener Waschprozeduren untersucht. Für die Bedampfungsexperimente wurde eine Probe weitestgehend homogen gemischter Haare portioniert. Anteile wurden entweder mit Wasser befeuchtet, mit Talg gefettet, mit einer Mischung aus Talg/künstlichem Schweiß benetzt, gebleicht oder einer Dauerwellbehandlung unterzogen. Unbehandelte und behandelte Haare wurden 60 Minuten im Marihuanarauch (86 mg THC/g Marihuana, 0,4 mg Cannabinol/g Marihuana, Cannabidiol war nicht nachweisbar) belassen. Jeweils 250 mg der exponierten Haare wurden mit Dodecylsulfatlösung und Wasser, Methanol oder Dichlormethan gewaschen. Anschließend wurde der Cannabinoidgehalt in nicht gewaschenen und gewaschenen Haarproben, Waschflüssigkeiten sowie Luftproben, die nach Verdampfen der Marihuana/Tabak-Mischung aus der Expositionskammer entnommen worden waren, mittels GC/MS bestimmt. THC und Cannabinol wurden, abhängig von der Luftkonzentration, aus der Dampfraumphase auf/in das keratinisierte Haar abgelagert/ aufgenommen. Der Cannabinoidgehalt unbehandelter Haare war geringer als der behandelter Haare. Fettiges Haar war höher belastet als feuchtes Haar, das seinerseits höhere Konzentrationen als trockenes Haar aufwies. Zwischen dauergewellten und blondierten Proben ergaben sich keine wesentlichen Unterschiede. Die Antragungen konnten nur bei unbehandelten Haaren mit Methanol oder Dichlormethan vollständig entfernt werden, nach dem Waschen mit Dodecylsulfat/ Wasser verblieben in allen Proben Rückstände im Haar. Die Ergebnisse zeigten, dass eine kurzfristige Exposition von Haaren an Marihuanarauch zu nachweisbaren Konzentrationen an Cannabinoiden im Haar führen kann. Das Ausmaß der externen Stoffantragung ist neben der Luftkonzentration von hygienischen und haarkosmetischen Behandlungen des Haares abhängig. Prinzipiell kann eine Cannabinoidantragung zu falsch positiven oder, bei aktiven Rauchern, zu erhöhten Werten führen. Wesentlichen Einfluss auf ein
Messergebnis hat bei gerauchten Drogen die „Dekontaminationsstrategie“ in der Haaranalytik. P-52 THC-KONZENTRATIONEN BEI STRASSENVERKEHRSDELIKTEN Iwersen-Bergmann S, Kauert G Zentrum der Rechtsmedizin, J.-W. Goethe-Universität, Frankfurt am Main Im Rahmen eines Forschungsprojektes für die BAST (vgl. weiterer Vortrag) wurde eine Datenbank mit insgesamt 38.518 toxikologischen Blutuntersuchungsbefunden (TBUBs) von Verkehrsdelikten aus den Jahren 1998-2001 erarbeitet, die etwa 60 % der bundesweit in diesem Zeitraum untersuchten toxikologischen Blutuntersuchungen bei Verkehrsdelikten umfasst. In 15.294 Fällen wurde der Nachweis von Tetrahydrocannabinol im Blut geführt, für 15.131 Fälle stand ein quantitativer Untersuchungsbefund zur Verfügung. Im Hinblick auf die Diskussion um einen Grenzwert zur absoluten Fahruntüchtigkeit bei THC sollte anhand dieser erheblichen Datenmenge geprüft werden, ob sich die nachgewiesenen THC-Konzentrationen im Untersuchungszeitraum verändern und ob sich bei den verschiedenen Untersuchungsanlässen Unterschiede in der Höhe der nachgewiesenen THC-Konzentration zeigen. Ergebnisse: 1. Der Mittelwert der nachgewiesenen THC-Konzentrationen nimmt über den Untersuchungszeitraum zu. 2. Die Deliktarten wurden unterteilt in Ordnungswidrigkeiten, folgenlose Trunkenheitsfahrten und Unfälle aller Art. Die Unfälle wiesen den niedrigsten THC-Mittelwert von 5,9 ng/ml auf, folgenlose Trunkenheitsfahrten von 7,6 ng/ml und die Ordnungswidrigkeiten von 9,1 ng/ml. Bei dieser Art der Auswertung ist zu berücksichtigen, dass ein Teil der Blutproben zusätzlich zum nachgewiesenen THC auch noch andere zentral wirksame Substanzen aufweist, die zu einer Verzerrung des Ergebnisses führen können. Wird nur der Anteil der Cannabismonokonsumenten ausgewertet zeigt sich jedoch ein nahezu identisches Bild. Die Unfälle (N=710) wiesen den niedrigsten THC-Mittelwert von 6,7 ng/ml auf, folgenlose Trunkenheitsfahrten (N=3094) von 8,0 und die Ordnungswidrigkeiten (N= 1952) von 10,0 ng/ml. Die Daten zeigen:1. Das Ausmaß des Konsums von Cannabis ist für den Straßenverkehr von erheblicher Relevanz. 2. Soweit es das zur Verfügung stehende unfangreiche Datenmaterial im Hinblick auf die verschiedenen Deliktarten zulässt, ist keine Konzentrations-Wirkungsbeziehung für THC ableitbar. P-53 ZUR AUSSAGEKRAFT DES ZUSÄTZLICHEN NACHWEISES VON CANNABINOL UND CANNABIDIOL IN SERUM UND HAAREN MITTELS GC-MS-MS Weller JP, Teske J, Breitmeier D, Tröger HD Institut für Rechtsmedizin, Medizinische Hochschule Hannover Es wird eine Methode zum simultanen Nachweis von Cannabinol (CBN) und Cannabidiol (CBD) neben Tetrahydrocannabinol (THC), 11-Hydroxy-tetrahydrocannabinol (11-OH-THC) und THC-Carbonsäure (THC-COOH) mittels Ion-Trap-GC-MS-MS beschrieben und über die Erfahrungen nach Cannabis- bzw. Dronabinolaufnahme berichtet. Bei den Cannabiskonsumenten konnte im Serum in der überwiegenden Zahl der Fälle zumindest eine der beiden „Markerverbindungen“ für natürliche Cannabinoide erfaßt werden. In Anbetracht des zunehmenden Einsatzes von Dronabinol (Marinol®) in Arzneimittelstudien z. B. als Antiemetikum im Zusammenhang mit Chemotherapien, bei agitierten Patienten auf Intensivstationen in Fällen einer Verzögerung der Entwöhnung (Weaning) vom Beatmungsgerät, bei AIDS-Patienten oder bei Tourette-Syndrom kann der Wunsch aufkommen, einen Beikonsum von Cannabisprodukten analytisch zu kontrollieren, da von den Patienten die inhalative Aufnahme zum Teil als wirksamer empfunden wird. In Serumproben von mit Dronabinol behandelten Patienten konnte bisher in keiner Probe CBD nachgewiesen werden, bei allerdings Rechtsmedizin 4 · 2004
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überwiegend sehr niedrigen THC-Konzentrationen einhergehend mit überdurchschnittlichen Konzentrationen für 11-OH-THC im Vergleich zu Cannabiskonsumenten. Auch CBN, das auch als Oxidationsoder Abbauprodukt von THC beschrieben ist trat zumindest in den frisch untersuchten Seren nicht in Erscheinung. In den Haaren kann der zusätzliche Nachweis der beiden Verbindungen einen vorliegenden Cannabiskonsum weiter erhärten oder aber bei alleinigem Nachweis zumindest plausibel machen. P-54 ALKOHOL UND DROGEN BEI KINDERN UND JUGENDLICHEN IN EINEM KLINISCHEN UNTERSUCHUNGSGUT VON 1992–2001 Banaschak S, Enger C, Klein A Institut für Rechtsmedizin, Universitätsklinikum Jena Für einen 10-Jahres-Zeitraum erfolgte eine retrospektive Auswertung mittels Access-Datenbank. Insgesamt wurden 2455 Proben dieser Altersgruppe untersucht. Ab 1997 stiegen die Untersuchungszahlen insgesamt deutlich an. Die meisten Untersuchungen erfolgten im Alter zwischen 13 und 18 Jahren (ca. 80 % aller Anforderungen). Die Geschlechter waren annähernd gleich verteilt. Die Fragestellungen waren Therapiekontrollen bei Medikation (37,6 %), die Frage nach einer Drogeneinnahme (35,2 %) und Intoxikationen (27,3 %). In den Altersklassen 0–10 Jahre überwogen die Therapiekontrollen. Ab dem 13. Lebensjahr stand die Frage einer Drogeneinnahme im Vordergrund. Die häufigsten Einsender waren die Kinder- und Jugendpsychiatrie (33 %), die Kinderklinik (29 %) und die Psychiatrie (12 %). Es wurden 532 Blutalkoholmessungen angefordert. 152 waren positiv bei Patienten ab 9 Jahren (1 Patient, 2,1‰). Die positiven Werte waren in der Mehrzahl bei Eiluntersuchungen festgestellt worden (65 %). Bei ca. 60 % der Patienten lag eine BAK von 1–1,9 ‰ vor, bei ca. 14,5 % eine Konzentration von 2‰ und mehr. Werte über 2 ‰ fanden sich zu 50 % bei 17 und 18jährigen. Eine Steigerung der maximalen Alkoholkonzentrationen über die Jahre ist nicht nachzuweisen. Auch der relative Anteil positiver Befunde nimmt nicht zu. Veränderungen des Trinkverhaltens sind aus diesen Ergebnissen nicht abzuleiten. Im gesamten Untersuchungszeitraum wurden 1282 Drogenscreenings durchgeführt; 218 (17 %) waren positiv; positive Ergebnisse wurden im wesentlichen ab dem 13. Lebensjahr festgestellt. In den ersten 5 Jahren (1992–1996) wurden 138, also nur 10 % der Untersuchungen durchgeführt. Das Verhältnis positiver / negativer Befunde blieb annähernd gleich. Nachgewiesen wurde am häufigsten Cannabis, mit deutlichem Abstand Amphetamine (ab 1996) und Opiate; nur in Einzelfällen Kokain und LSD (erst ab 1997). Mehr als eine Substanz wurde nur in 47 Fällen gefunden. – Es handelt sich selbstverständlich um ein hochselektives Klinikumskollektiv. Die Auswertung bezüglich der illegalen Drogen kann aber Vermutungen stützen, nach denen diese mit einer gewissen Verzögerung nach der „Wende“ relevant wurden. Der Schwerpunkt liegt derzeit bei den Drogen, deren Konsum bekanntermaßen am verbreitetsten ist (Cannabis / Amphetamine). P-55 ZUR VERLÄSSLICHKEIT VON VOL.- % -ANGABEN AUF WEINFLASCHENETIKETTEN Erdmann F, Verhoff MA, Schütz H, Weiler G Institut für Rechtsmedizin, Universitätsklinikum Gießen Häufig wird für Nachtrunksberechnungen oder die Ermittlung der BAK anhand von Trinkangaben der auf dem Flaschenetikett in Vol.- % angegebene Alkoholgehalt zugrunde gelegt. Nach der Verordnung (EG) Nr. 1493/1999 des Rates vom 17. Mai 1999 über die gemeinsame Marktorganisation für Wein (Abl. L 179 vom 14.7.1999) und der GMO Wein 2000 (Anhang VII A) muss die Etikettierung von Weinflaschen bindend u.a. Angaben zur Verkehrsbezeichnung des Erzeugnisses, zum Nennvolumen sowie zum vorhandenen Alkoholgehalt
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enthalten. Der tatsächliche Alkoholgehalt darf den auf dem Etikett angegebenen um höchstens 0,5 Vol.- % über- oder unterschreiten. Lediglich bei Lagerung von Qualitätsweinen in Flaschen länger als 3 Jahre, erweitern sich die zugelassenen Toleranzen auf ± 0,8 Vol.- %. Untersucht wurden zahlreiche Weinsorten aus dem In- und Ausland. Insbesondere bei länger gelagerten Flaschen waren Überschreitungen der gesetzlichen Toleranzen feststellbar. Im Hinblick auf die aus den bekannten Grenzwerten resultierenden straf- und ordnungswidrigkeitsrechtlichen Konsequenzen kann es in Einzelfällen von Bedeutung sein, ob ein Deklarationswert möglicherweise überschritten wurde und in welchem Ausmaß dies möglich ist. P-56 ALKOHOL-CE. DATENBANKSOFTWARE FÜR POCKET PC Ramsthaler F1, Köster F2 1Zentrum für Rechtsmedizin, Universität Frankfurt am Main 2QSI, Langen Blutalkoholberechnungen in foro gehören zur den Routineaufgaben des Rechtsmediziners. Obwohl die Kenntnis über Alkoholkonzentrationen handelsüblicher Getränke zum Basiswissen eines Sachverständigen gehören sollte, wird die Übersichtlichkeit über den Alkoholgehalt einzelner Getränke durch die Überschwemmung des Marktes mit immer neuen Produkten, insbesondere mit Mixgetränken erschwert. Die Relevanz selbst geringer Fehleinschätzungen im Alkoholgehalt darf besonders dann, wenn die Berechnung größerer Konsummengen in Betracht kommt, nicht unterschätzt werden. Die zunehmende Verbreitung des PDA und seine vermehrte Anwendung als professionelles Hilfsmittel führte zu der Idee, eine komfortable, updatefähige Software für den Pocket-PC zu entwickeln, die eine zügige und fehlerfreie Alkoholberechnung aller verbreiteten alkoholischen Genussmittel erleichtert. Im Rahmen der Posterpräsentation soll die Funktionsweise des Programms an Vorführgeräten vorgestellt werden. Dr. (H) F. Ramsthaler Zentrum für Rechtsmedizin, Universitätsklinikum Frankfurt am Main Kennedyallee 104, 69596 Frankfurt/Main Tel.: +49 (0) 69 6301 7571, Fax: +49 (0) 69 6301-5882 e-Mail:
[email protected] P-57 IMMUNHISTOCHEMISCHE QUALIFIZIERUNG UND QUANTIFIZIERUNG INTERSTITIELLER LEUKOZYTEN IM MYOKARD DROGENTOTER Dettmeyer R, Schmidt P, Friedrich K, Madea B Institut für Rechtsmedizin, Universitätsklinikum Bonn, Stiftsplatz 12, 53111 Bonn Einleitung: Die todesursächliche Bedeutung myokardialer Affektionen bei Drogentoten ist nach wie vor unklar. Einerseits wird eine medikamentös-toxische Schädigung des Myokards diskutiert, andererseits inflammatorische Prozesse im Rahmen der bei Drogentoten häufig anzutreffenden Virämien mit Hepatitis B und C. Da bei Erwachsenen Grenzwerte für interstitielle myokardiale Leukozyteninfiltrate in der Literatur genannt werden, sollte durch immunhistochemische Qualifizierung und Quantifizierung interstitieller Leukozyten im Myokard der These einer u.U. auch todesursächlich relevanten inflammatorischen myokardialen Schädigung des Myokards nachgegangen werden. Material: Untersucht wurden jeweils 8 aus definierten repräsentativen Lokalisationen entnommene Myokardproben von Drogentoten (Studienkollektiv; n = 15). In gleicher Zahl und Lokalisation entnommene Myokardproben von altergleichen Verstorbenen mit bekannter nicht-inflammatorischer Todesursache und ohne Drogenanamnese standen als Kontrollpräparate zur Verfügung (Kontrollkollektiv; n = 15).
Abstracts Methode: Neben konventionell-histologischen Untersuchungen des Myokard erfolgte die immunhistochemische Qualifizierung interstitieller Leukozyten mit LCA als Leukozytenmarker, CD45R0 als T-Lymphozytenmarker und mit CD68 als derzeit makrophagenspezifischstem Primärantikörper. Die Quantifizierung der Zellen erfolgte durch Auszählung in 20 High Power Fields (HPF) bei 400-facher Vergrößerung und Mittelwertbildung. Die Ergebnisse wurden mit denen des Kontrollkollektivs verglichen. Ergebnisse: Im Ergebnis der immunhistochemischen Qualifizierung und Quantifizierung interstitieller Leukozyten im Myokard Drogentoter zeigte sich keine signifikante Erhöhung der Zellzahlen im Vergleich zum Kontrollkollektiv. Priv.-Doz. Dr. Dr. R. Dettmeyer Institut für Rechtsmedizin Universitätsklinikum Bonn Stiftsplatz 12, 53111 Bonn Tel. +49 (0)228 73 83 31, Fax: +49 (0)228 73 83 39 e-mail:
[email protected] P-58 NUKLEOPHILER ANGRIFF VON LIGANDEN AM ZENTRALATOM VON HÄMOPROTEINEN – UNTERSUCHUNGEN ZUR BINDUNG VON ACRYLAMID MITTELS FTIR-SPEKTROSKOPIE Briese BH, Kijewski H Institut für Rechtsmedizin, Windausweg 2, 37073 Göttingen Acrylamid hat toxikologische Relevanz. Die potentielle kanzerogene und mutagene Wirkung hat dazu geführt, dass seit 1985 MAK-Werte für Acrylamid nicht mehr angegeben werden können. Der Nachweis der Bildung von Acrylamid in erhitzten Lebensmitteln wurde in der Öffentlichkeit als besorgniserregend wahrgenommen. Der Bindungs- und Schädigungsmechanismus wurde aber bisher nicht vollständig aufgeklärt. Unter Berücksichtigung der chemischen Struktur des Acrylamids erschien es sinnvoll, die früher durchgeführten Untersuchungen zum nukleophilen Angriff von neutralen Liganden an das Zentralatom von Hämoproteinen unter Verwendung der FTIR-Technik zu erweitern. Bindungsorte und Bindungsstärke von Ligand-Hämoproteinkomplexen werden dargestellt. Die Befunde werden mit früheren Ergebnissen verglichen und diskutiert. Die Untersuchungen können für das Verständnis der Bindungs- und Wirkungsmechanismen von u.a. Acrylamid relevant sein. Literatur: H. Kijewski, M. Hofmann, O. Henze, J. Hoffmann, A. Hoffmeister, S. Frisch, B.H. Briese (2000): Möglichkeiten und Grenzen der FourierTransform-Infrarot (FTIR)-Spektrophotometrie zur KohlendioxidHämoglobin-(CO-Hb)-Bestimmung. In: Hyperthermie, Brand und Kohlenmonoxid (Hrsg. M. Oehmichen), Rechtsmedizinische Forschungsergebnisse, Band 21, S. 365-395. (Lübeck, Schmidt-Römhild Verlag) P-59 TOD DURCH AKZIDENTELLE PIRITRAMID-ÜBERDOSIERUNG BEI PATIENTENKONTROLLIERTER ANALGESIE MIT DARSTELLUNG DER ORGANVERTEILUNG Mußhoff F, Padosch SA, Madea B Institut für Rechtsmedizin der Universität Bonn Kasuistik: Ein 50 Jahre alt gewordener Mann wurde nach einer Schulteroperation im Rahmen einer Patienten-kontrollierten Analgesie an eine Schmerzpumpe (PCA-Pumpe) angeschlossen, mit der er sich Dipidolor (Wirkstoff: Piritramid) in Einzeldosen mittels Druckschaltung selbst verabreichen konnte. Bei Sperrfristen von 5 min und einer Bolusdosis von 1,5 mg habe eine Einstellung vorgelegen, bei der ein Maximalwert von 20 mg/4 h nicht hätte überschritten werden können. Nachdem er gegen Mitternacht wach, ansprechbar und schmerzfrei
gewesen sei, wurde er am nächsten Morgen leblos bei beginnender Leichenstarre aufgefunden. Bei der Obduktion war die Todesursache makroskopisch zunächst nicht zu klären. Methodik: Neben chemisch-toxikologischen Routineuntersuchungen an asservierten Körperflüssigkeiten und Organteilen erfolgte die Bestimmung von Piritramid mittels LC-ESI-MS/MS. Ergebnisse: Neben Ranitidin, Metoclopramid und Nordiazepam in nicht relevanten Mengen wurden folgende Piritramid-Konzentrationen bestimmt: Herzblut 0,32 mg/l, Femoralblut 0,1 mg/l, Urin 2,21 mg/ l, Mageninhalt 0,48 mg/l, Niere 5,19 mg/kg, Leber 1,89 mg/kg, Galle 2,51 mg/kg, Gehirn 0,02 mg/kg. Diskussion: Bei Ausschluss anderweitiger Todesursachen war in Anbetracht der erhaltenen Befunde ohne weiteres von einer todesursächlichen Piritramid-Intoxikation auszugehen. Nach Überprüfung der Schmerzpumpe durch den TÜV ohne Beanstandung räumte die behandelnde Ärztin ein Versehen bei der Programmierung der Pumpe ein, wonach jeweils das 1,5fache der beabsichtigten Dosis verabreicht wurde. Die Organverteilung und Fallkonstellation werden diskutiert. P-60 ZUR ANALYTIK VON SUCCINYLCHOLIN Brockmeyer J, Wollersen H, Mußhoff F, Madea B Institut für Rechtsmedizin der Universität Bonn Einführung: Der analytische Nachweis einer Succinylcholin-Gabe ist aufgrund der schnellen Verstoffwechselung problematisch. Succinylcholin (SC) wird in vivo durch Pseudocholinesterasen nach einem triphasischen Mechanismus mit Halbwertszeiten von 0,4 bzw. 1,2 und 8 min über Succinylmonocholin (SMC) zu Cholin und Succinat abgebaut. Letztere Substanzen sind auch physiologischen Ursprungs, so dass deren Nachweis keine SC-Gabe beweist. Neben der kurzen Plasmahalbwertszeit ist die Instabilität der Muttersubstanz in vitro zu beachten. Es ist ein Verfahren zu entwickeln, das von der Probennahme bis zur Analyse artifizielle Einflüsse auf das Untersuchungsergebnis ausschließt oder zumindest minimiert. Methodik: Zur Bestimmung von SC und SMC wurde ein LC-MS/MSVerfahren entwickelt. Artifizielle Einflüsse ab der Probenahme werden systematisch untersucht und umfassen u.a. den Einsatz von Stabilisatoren und die Variation der Lagerungsbedingungen sowie den Einfluss verschiedener Extraktionsverfahren bis hin zur Probelagerstabilität. Die gesamte Verfahrensweise ist an authentischen Proben aus der Anästhaesie getestet. Ergebnisse: Der simultane Nachweis beider Analyten erfolgt mittels LC-ESI-MS/MS (Phenomenex Synergie Hydro RP C18 column (4 µm, 150 x 2 mm)) bei Gradientenelution mit einer mobilen Phase aus Ammoniumformiat/Acetonitril im MRM (multiple reaction monitoring) mit folgenden Übergängen: SC (m/z 145,0 → 115,3 und m/z 145,0 → 85,9), SMC (m/z 203,9 → 144,8 und m/z 203,9 → 98,9). Bereits wässrige Standardlösungen zerfallen in Abhängigkeit von der Konzentration. Als Extraktionsverfahren bietet sich die Festphasen-Extraktion sowie Ionenpaarextraktion an. Als Stabilisatoren kommen in erster Linie Pseudocholinesterasehemmer in Betracht. Diskussion: Im Gegensatz zu SC ist SMC der stabilere Analyt und kann u.U. als Leitsubstanz nach SC-Gabe angesehen werden. Die Ergebnisse der Stabilitätsuntersuchungen und weitere störende artifizielle Einflüsse werden diskutiert. P-61 STARKE VARIATIONEN DER SCOPOLAMIN- UND ATROPINGEHALTE HYBRIDER ENGELSTROMPETEN Rentsch D, Weltz L Institut für Rechtsmedizin, St.-Georg-Str. 108a, 18055 Rostock Der Konsum von Engelstrompete ist ein zwar ein relativ seltenes, doch immer wieder zu beobachtendes Phänomen bei im Umgang mit Rechtsmedizin 4 · 2004
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Drogen experimentierfreudigen Jugendlichen. Der allgemeine Trend zum Konsum von sogenannten „Biodrogen“ ist weiterhin ungebrochen. Die Hauptalkaloide Scopolamin und Atropin, der bei Gartenfreunden besonders wegen ihrer zahlreichen Erscheinungsformen sehr beliebten Engelstrompete gehören zu den am stärksten psychotrop wirksamen, natürlich vorkommenden Substanzen. Wegen ihrer schwer kalkulierbaren Wirkung gilt die Engelstrompete in der Szene auch als die „Achterbahn“ unter den pflanzlichen Drogen. Aufgrund zahlreicher, aktueller Züchtungen ist eine taxonomische Strukturierung nur schwer möglich. Uns interessierte in Hinblick auf das Gefährdungspotential die Frage, welche Konzentrationsbereiche für die Alkaloide – bezogen auf Trockenmasse – unter hiesigen Vegetationsbedingungen (Mecklenburg) zu erwarten sind. Zu diesem Zweck wurden insgesamt 232 Blätter und 103 Blüten von unterschiedlichsten Individuen (alte Pflanzen, junge Pflanzen, verschiedene Blütenfärbungen) in der Hauptvegetationsperiode Mai-September beprobt und analysiert. Die Alkaloidkonzentrationen wurden nach Ultraschallextraktion der homogenisierten getrockneten Proben mittels GC/MS bestimmt. Der mittlere Scopolamingehalt der Blüten betrug 1,81 mg/g (Median: 0,87 mg/g, s = 2,61) und der der Blätter 1,42 mg/g (Median: 0,40 mg/g, s = 3,58). Für Atropin wurde in den Blüten ein mittlerer Gehalt von 0,63 mg/g (Median: 0,41 mg/g, s = 0,73) und in den Blättern von 0,34 mg/g (Median: 0,24 mg/g, s = 0,36) bestimmt. Bemerkenswert war insbesondere die inter- und intrainduviduelle Variationsbreite der Sekundärmetabolitkonzentrationen im Verlaufe der Vegetationsphase. Die Extremwerte betrugen für Scopolamin 38,2 mg/g (Blatt) und für Atropin 4,1 mg/g (Blüte).
Brandeinwirkung begründet werden. Es sollte überprüft werden, ob in diesen Fällen der Tod durch Sauerstoffmangel eingetreten sein kann. Bei Originalbrandversuchen und im Ergebnis von Brandsimulationsrechnungen konnte gezeigt werden, dass in der Vollbrandphase der Sauerstoffgehalt im Brandraum 0 % beträgt. Dieser Zustand entsteht durch Umsetzung des gesamten beim Brand zur Verfügung stehende Sauerstoff im Feuer. Dies steht im Widerspruch zu der vielfach vertretenen These, dass ein Feuer bei Sauerstoffkonzentrationen von weniger als 14 % von selbst erlischt. Weiterhin zeigte sich bei den Versuchen und Berechnungen, dass in überwiegend geschlossenen Wohnungen der Rauch in der Art einer „Rauchwalze“ vom Brandraum zu anderen mit diesem verbundenen Räumen geführt wird, und teils zum Brandherd zurück strömt. In diesem nach dem Boden hin umgeleiteten Rauchgasstrom liegen, weil die Verdünnung durch Frischluftzufuhr fehlt, die Sauerstoffkonzentrationen teilweise unter 4 % und damit im für Personen tödlichen Bereich. Es werden am Beispiel mehrerer Brandfälle die Bezüge zwischen den Befunden an den Leichen und den Untersuchungsergebnissen zum Brandverlauf hergestellt. P-64 TÖDLICHE INTOXIKATION MIT TRIMIPRAMIN UND METOPROLOL Kröner L, Käferstein H, Riepert T, Rothschild MA Institut für Rechtsmedizin, Klinikum der Universität zu Köln
P-63 UNTERSUCHUNGEN ZUR TODESURSACHE „SAUERSTOFFMANGEL“ BEI BRANDOPFERN Lessig R1, Wenzel V1, Wilk E2, Kleemann WJ1 1Institut für Rechtsmedizin, Universität Leipzig 2Brandschutz Consult GmbH Leipzig
Medikamentenvergiftungen verlaufen bei rechtzeitiger Einleitung intensivmedizinischer Maßnahmen nur noch selten tödlich. Wir berichten über eine derartige letal verlaufene Mischintoxikation insbesondere mit Metoprolol und Trimipramin. Eine 37 Jahre alt gewordene Frau hatte nach Beziehungsproblemen zuletzt wohl unter Alkoholeinfluss mit einer Freundin bzw. dem Ehemann telefoniert. 13 Stunden später wurde sie bewusstlos aufgefunden, ins Krankenhaus eingeliefert, wo sie allerdings trotz intensivmedizinischer Maßnahmen weitere 5 Stunden später verstarb. Als todesursächlich wurde in der Klinik der Verdacht auf eine fulminante Lungenembolie als Folge einer Beinvenenthrombose nach atypischer Lagerung infolge einer Intoxikation angegeben. Bei der gerichtlichen Leichenöffnung konnte die Todesursache allerdings nicht geklärt werden. Hinweise für eine Lungenembolie wurden nicht gefunden, jedoch waren die Befunde am ehesten mit einer Vergiftung zu vereinbaren. Aufgrund aufgefundener leerer Tablettenbehältnisse konnte die Verstorbene 20 Tabletten Trimipramin 100 und 10 Tabletten Metoprolol 200 eingenommen gehabt haben. Ferner waren noch die Medikamente Zopiclon und Opipramol verfügbar gewesen. In den noch in der Klinik entnommenen Blutproben konnten Trimipramin, Nortrimipramin, Metoprolol und Zopiclon identifiziert werden. Die Trimipraminkonzentration stieg während des Klinikaufenthaltes leicht von 0,61 auf 0,8 mg/L Blut an. Postmortal konnte im Herzblut eine Trimipraminkonzentration von 6,4 mg/L gemessen werden. Die Nortrimipraminkonzentration lag postmortal sogar mehr als um den Faktor 10 über dem zu Lebzeiten vorhandenen Wert. Die Metoprololkonzentration lag 1 Stunde vor Todeseintritt mit 7,5 mg/L Blut im deutlich toxischen bereich und im postmortal entnommenen Herzblut noch um 43 % höher. Die unterschiedlichen Organverteilungen der trizyklischen Antidepressiva und des Betablockers werden dargestellt und im Hinblick auf die Beurteilung ausschließlich postmortal erhaltener Analysenergebnisse diskutiert. Sowohl aufgrund der in den noch zu Lebzeiten entnommenen Blutproben erhaltenen, als auch der postmortal gefundenen Konzentrationen kommt man im konkreten Fall zu dem Schluss, dass von einer tödlichen Medikamentenintoxikation auszugehen ist.
Bei rechtsmedizinischen Untersuchungen von Brandopfern werden neben den Verletzungen, Inhalationstraumen, Hitzeschock etc. häufig Intoxikationen durch Rauchgas (CO, HCN) als Todesursache festgestellt. Gelegentlich kann der Tod weder jedoch weder durch die toxikologisch-chemischen noch die thermischen Merkmale durch
Dr. rer. nat. L. Kröner Institut für Rechtsmedizin, Klinikum der Universität zu Köln Melatengürtel 60-62, 50823 Köln Tel.: ++49(0)221 478-86543, Fax: ++49(0)221 478-3496 e-mail:
[email protected]
P-62 SCHWERE INTOXIKATION MIT GLYCERIN ? Andresen H1, Bingel U2, Schmoldt A1 1Institut für Rechtsmedizin 2Neurologische Klinik; Universitätsklinikum Eppendorf, Hamburg Der dreiwertige Alkohol Glycerin gilt als ungiftige Substanz, die vielfältig in Industrie und Medizin eingesetzt wird (z. B. als Lösungsmittel, mildes Laxans, in der Dermatologie, sowie gelegentlich auch zur Menière-Diagnostik). Im Rahmen unserer klinischen Notfall-Analytik bekamen wir eine Anfrage zu einer vermuteten Glycerin-Intoxikation: Ein 73-jähriger Patient wurde mit Aphasie, Gedächtnisstörungen und angedeuteter Halbseiten-Symptomatik auf die neurologische Intensivstation des Universitätsklinikums eingeliefert. Anamnestisch konnte ermittelt werden, dass vorher in einem anderen Krankenhaus eine orale Glycerin-Applikation zur Menière-Diagnostik durchgeführt worden war. Durch Bestimmung des Glycerin-Spiegels im Blut konnte eine extrem erhöhte Glycerin-Konzentration nachgewiesen werden. Anhand der Verlaufsmessungen konnte die Elimination als Reaktion 0. Ordnung charakterisiert und näherungsweise auf die ursprünglich verabreichte Glycerin-Menge extrapoliert werden. Es wird über eine schwere Intoxikation durch Glycerin berichtet.
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Abstracts P-65 K.O.-TROPFEN – EIN RECHTSMEDIZINISCHER ÜBERBLICK Graß H, Kröner L, Rothschild MA Institut für Rechtsmedizin, Klinikum der Universität zu Köln Sowohl in der allgemeinen als auch in der fachspezifischen Literatur finden sich immer wieder Berichte zu einer verdeckten Verabreichung von akut sedierenden, psychotropen Substanzen, um kriminelle Handlungen unbemerkt durchführen zu können. Bei Raubdelikten und Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung sind solche Beibringungen mehrfach beschrieben. Aktuell erscheint neben den „klassischen“ Substanzen aus der Gruppe der Benzodiazepine, Narkotika und Barbiturate sowie in seltenen Fällen der organischen Lösungsmittel, die Substanz Gamma-Hydroxybuttersäure (GHB) eine zunehmende Bedeutung zu erlangen. Die auch als Anästhetikum (SOMSANIT®) zugelassene Substanz findet augenscheinlich darüber hinaus in der Drogenszene als „Liquid-Ecstasy“ und in der Bodybuilder-Szene als Muskelaufbaupräparat Verbreitung. Auf der Grundlage einer Literaturrecherche werden die wesentlichen Aspekte für die Anamnese und chemisch-toxikologische Analyse bei Verdacht auf Beibringung von „K.O.-Tropfen“ erörtert und ein Handlungsleitfaden vorgestellt. Insbesondere bei Verdacht auf GHB-Einnahme ist es von großer Bedeutung, möglichst zeitnah zu dem Ereignis Blut- und Urinproben zu sichern, da GHB im Körper rasch abgebaut wird und geringe Konzentrationen auch physiologisch im Körper als Vorläufer neuronaler Botenstoffe nachgewiesen werden können. Von rechtsmedizinischer Seite soll darauf hingewiesen werden, dass für den Nachweis der z. T. sehr niedrig dosierten Wirkstoffe angesichts der häufig rasch ablaufenden Elimination sensitive Analysemethoden erforderlich sind. Zum anderen sind eine sorgfältige Anamneseerhebung und die Gewinnung geeigneter Untersuchungsmaterialien von großer Wichtigkeit für eine effiziente Ermittlung im Zusammenhang mit dem Verdacht auf eine Beibringung von K.O.-Tropfen. P-66 TODBRINGENDE GASE – PROPAN UND BUTAN Kurka P1, Ondra P2, Stanková M1, Dvorácek I1 1Institut für Rechtsmedizin, FNsP Ostrava, Syllabova 19, 703 86 Ostrava, Tschechische Republik 2Institut für Gerichtsmedizin und medizinisches Recht, Fakultätsklinikum, Hnevotínská 3, 775 09 Olomouc, Tschechische Republik Propan und Butan werden im Allgemeinen als nicht toxische Gase bezeichnet. Trotzdem sind bei uns in den letzten 2 Jahren eine steigende Anzahl von Todesfällen aufgetreten, die durch diese Gase verursacht wurden. In diesem Beitrag werden drei Fälle des plötzlichen Todes nach Applikation von Butan und Propan-Butan Mischung beschrieben, und ein Fall, wo eine Mischung von Propan-Butan am gewaltsamen Tod eines jungen Mädchens mittodesursächlich waren. In den Fällen der plötzlichen Tode hat es sich um die Applikation sowohl des flüssigen Butans aus der Gasfeuerzeugefüllung, als auch um die Applikation des flüssigen Butans aus einem zerbrochenen Gasfeuerzeug, direkt in den Mund, gehandelt. In allen Fällen ist der Tod infolge der Anschwellung der Schleimhaut und nachfolgender Erstickung rasch eingetreten. Beim gewaltsamem Tod eines vierzehnjährigen Mädchens war die Propan-Butan Mischung aus einer Gasbombe als todbringendes Mittel benutzt worden. Das Mädchen war zuerst durch Rohypnol (Flunitrazepam, 6 Tabletten) und Diazepam (2 Tabletten) eingeschläfert worden. Die Identifikation von Propan und der Propan-Butan Mischung wurde mit Hilfe der Gaschromatographie mit Flammenionisationsdetektor und mit Gaschromatographie mit Massendetektor (GC-MS) durchgeführt. Butan und Propan-Butan Mischung wurden im Blut, in den Lungen und im Gehirngewebe der verstorbenen Personen nachgewiesen.
Im Falle des gewaltsamen Todes wurden im Urin des Mädchens durch die GC-MS Methode Metaboliten des Flunitrazepam und 2-Amino-5Chlorobenzophenon nachgewiesen. P. Kurka Institut für Rechtsmedizin FNsP Ostrava, Syllabova 19, Ostrava 3, Tschechische Republik Tel.: 0042-(0)-595 702 892 E-Mail:
[email protected] P-67 MÖGLICHKEIT DER ANZEIGE DURCH HAMBURGER BLUT- UND LEICHENSPÜRHUNDE NACH LEICHENKONTAMINATION Oesterhelweg L1, Thies N2, Kröber S3, Gehl A1, Püschel K1 1Institut für Rechtsmedizin, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Hamburg 2Fachbereich Polizei, Fachhochschule für öffentliche Verwaltung, Hamburg 3Landespolizeischule (LPS 36), Behörde für Inneres, Hamburg Seit dem Jahr 2000 bildet die Landespolizeischule Hamburg Blutund Leichenspürhunde aus. Hinweise in der deutschsprachigen und internationalen Literatur oder gesicherte Erfahrungswerte über die Leistungsfähigkeit von Blut- und Leichenspürhunden fehlen jedoch bisher. Die Polizei Hamburg verfügt derzeit über drei Blut- und Leichenspürhunde. Ziel der Versuchsreihe ist es, zum einen festzustellen, wie lange ein Trägerstoff kontaminiert werden muss, um von einem Blut- und Leichenspürhund angezeigt zu werden. Zum anderen soll ermittelt werden, wie lange eine Kontamination dann in der Suche des Hundes nachweisbar ist. Als Trägerstoff dienen fabrikneue Teppichstücke, die in geruchsneutral verschließbaren Gläsern außerhalb des Institutes für Rechtsmedizin gelagert werden, um eine mögliche Umweltkontamination auszuschließen. Die Trägerstoffe werden in einer geruchsneutralen Umgebung in unterschiedlicher Zeitdauer unter einen unversehrten, nicht blutenden, trockenen Leichnam (PMI <3 Stunden) gelegt. Zur Vermeidung des direkten Kontaktes und somit der Möglichkeit der direkten Materialübertragung mit dem Trägerstoff und dem Leichnam wird eine neutrale Stofflage zur Simulation der Kleidung zwischen Leichnam und Trägerstoff gelegt. Um eine realitätsgetreue Geruchsausdünstung zu gewährleisten, werden die Trägerstoffe nach der ersten Vergleichssuche in einem neutralen Gestell offen gelagert. Die Trägerstoffe werden dann in definierten Zeitintervallen von den Diensthunden abgestöbert. Dargestellt werden die Ergebnisse, ab welchem Zeitintervall der Kontamination ein Blut- und Leichenspürhund ein sicheres Anzeigeverhalten zeigt, sowie eine Einschätzung der Frage, wie lange nach einem mutmaßlichen Leichenkontakt ein Anzeigeverhalten des Hundes erwartet werden kann.
Ballistik P-68 SUIZID DURCH „ERSCHIESSEN“ MIT EINEM FLIESENLEGERHAMMER Türk EE, Heinemann A Institut für Rechtsmedizin, Universität Hamburg Ein 36 Jahre alt gewordener Fliesenleger wird am Ufer eines Sees liegend tot aufgefunden. In seiner linken Brust ist ein Einschussloch sichtbar. In dem See wird eine Gaspistole gefunden, welche zunächst für die Schusswaffe gehalten wird, weiterhin ein Metallrohr und ein Fliesenlegerhammer. Durch Röntgen und anschließende gerichtliche Obduktion wird ein 12 mm-Projektil direkt unter der Haut des hinteren linken Brustkorbs gefunden; der Schusskanal verläuft durch Rechtsmedizin 4 · 2004
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den knorpeligen Anteil der linken 6. Rippe, die rechte Herzkammer, das Zwerchfell, Leber, Magen und Milz, erneut durch das Zwerchfell und schließlich in der MCL durch die 10. Rippe. Durch spätere kriminaltechnische Untersuchungen kann die Gaspistole als Schusswaffe ausgeschlossen werden. Vielmehr wurde das am Leichenfundort liegende Metallrohr als „Schusswaffenlauf“ verwendet und mit einem Zündhütchen versetzt; als Schlagstück diente der Fliesenlegerhammer. P-69 GEWEBSDEFEKT AM EINSCHUSS: WO BLEIBT DIE HAUT? Große Perdekamp M1, Mattern D2, Braunwarth R3, Pollak S1 1Institut für Rechtsmedizin des Universitätsklinikums Freiburg 2Pathologisches Institut des Universitätsklinikums Freiburg 3Kriminaltechnische Untersuchungsstelle der LPD Freiburg Der Hautdefekt gehört zu den charakteristischen Merkmalen einer Einschusswunde. Um der Frage nachzugehen, wo die vom Projektil getroffene Haut verbleibt, wurden experimentelle Untersuchungen an Verbundmodellen aus farbmarkierter Schweinehaut und Gelatineblöcken durchgeführt. Beschossen wurden die Haut-Gelatine-Präparate mit Patronen im Kaliber.38 spec., wobei verschiedene Geschossformen zum Einsatz kamen. Fragmentierung und Endlage der farbmarkierten Hautpartikel werden dokumentiert und in Abhängigkeit vom Geschosstyp vergleichend dargestellt.
Diagnostische Methoden P-70 VERBLUTEN ALS OBJEKTIVIERBARE TODESURSACHE IN DER FORENSISCHEN MEDIZIN; MESSUNGEN DER QUERSCHNITTFLÄCHEN DER GROSSEN KÖRPERGEFÄSSE UND DER HERZVOLUMINA MITTELS POSTMORTALER MSCT AND MRT Aghayev E, Sonnenschein M, Thali M, Jackowski C, Yen K, Buck U, Vock P, Dirnhofer R Institut für Rechtsmedizin in Bern, Bühstrasse 20, CH-3012 Bern, Schweiz Einleitung: In der forensischen Medizin stürzt sich die Diagnose Verblutungstod vor allem auf die Beobachtungskraft des einzelnen Obduzenten. Objektivierbare Befunde sind meist nicht vorhanden. In unserer Studie soll geprüft werden, ob die postmortal angewandte radiologische Verfahren Multi-slice Computertomographie (MSCT) und Magnetresonanztomographie (MRT) einen objektiven Beitrag zur Diagnosestellung des Verblutungstodes leisten können. Methoden und Materialen: Bis Ende Oktober 2003 wurden 90 forensische Fälle mittels postmortaler MSCT und MRT untersucht und mit den Autopsiebefunden korreliert. 25 dieser Fälle wurden ausgeschlossen, weil entweder eine ausgedehnte Gewebedestruktion durch Trauma oder Fäulnis vorlag, oder der Körper lediglich einer partiellen radiologischen Untersuchung unterzogen wurde. Von 65 verbleibenden Fällen starben 19 aufgrund eines Verblutens (V) und weitere 46 aus anderen Gründen (N). Die Querschnittfläche der 12 großen Körpergefäße und die Volumina der 4 Herzkammern wurden auf 2D axialen Bildern gemessen; die quantitative Differenz zwischen den Gruppen V und N wurde retrospektiv evaluiert. Ergebnisse: Die durchschnittliche Querschnittfläche von Vena cava superior, Vena cava inferior, Trunkus pulmonaris, absteigender Aorta und Karotiden waren 43/24/24/28/96 % von den durchschnittlichen Werten in der Gruppe N. Die durchschnittlichen Volumina von rechtem Atrium/rechtem Ventrikel/linkem Atrium/linkem Ventrikel waren 19/24/23/75 % von den Werten in der Gruppe N. Schlussfolgerung: Die Untersuchungen der Querschnittflächen der großen Körpergefäße und der Herzvolumina zeigen signifikant geringere Werte bei Verblutungstod im Vergleich zu anderen Todesur-
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sachen. Dieser Befund lässt sich in Zukunft als objektives diagnostisches Kriterium für den Verblutungstod etablieren. P-71 REAL DATA BASED VIRTOPSY APPROACH IN FORENSIC MEDICINE: REKONSTRUKTIONEN BASIEREND AUF PHOTOGRAMMETRIE BASIERTEM 3D OPTICAL SOWIE RADIOLOGISCHEM CT / MRI SCANNING Thali M, Buck U, Braun M, Aghayev E, Jackowski C, Vock P, Dirnhofer R Universität Bern, Institut für Rechtsmedizin, 3012 Bern / Schweiz Virtopsy (vgl. www.virtopsy.com) hat sich vor dem Hintergrund der technologischen Entwicklung der bildgebenden Methoden in den letzten Jahren das Ziel gesetzt, moderne minimal-invasive, berührungsfreie 3D Dokumentations- und Analysemethoden für die forensische Medizin zu evaluieren und zu validieren. Zur 3D-Erfassung von Befunden an der Körperhülle (beim Lebenden und Verstorbenen) eignen sich die Methoden der klassischen Photogrammetrie sowie auch des Optical Scannings. Mit diesen Methoden können Verletzungsbefunde am Körper (z. B. geformte Verletzungen, sogenannte „morphologische Fingerprints“) sowie mutmassliche Tatwerkzeuge dreidimensional erfasst werden. Die 3D Datenmodelle des Verletzungsbefundes und des mutmasslichen Tatwerkzeuges können dann am Computer hinsichtlich allfälliger Übereinstimmung überprüft werden. Moderne schnittbildgebende Verfahren – Computer Tomographie (CT), Magnet Resonanz Imaging (MRI) und hochauflösende Verfahren wie Micro-CT und Micro-MR – wurden von der Berner Forschungsgruppe sowie anderen Gruppen für forensische Anwendungen geprüft. Die bildgestützte Körpervolumendokumentation wird sich innerhalb des Virtopsy-Ansatzes Richtung „minimal-invasive bildgestützte virtuelle Autopsie“ entwickeln, die sich zunehmend auch auf Technologien wie der postmortalen Biopsie- und Angiographietechnik abstützt. Die forensische Wertsteigerung wird letztendlich durch die Fusion der Körperoberfläche mit den radiologischen Körpervolumendaten erreicht. Es werden Methode und forensisch relevante Resultate an Fällen aus dem Alltag dargestellt. Neben der heute schon implementierten Anwendung der Tatwerkzeugzuordnung wird der Virtopsy-Ansatz auch in der Verkehrsunfallanalyse, da seine Dokumentations- und Analysemethode „real data based“ ist, neue Horizonte eröffnen. P-72 EVALUATION VON 3D-SCANNER FÜR DEN EINSATZ IN DER RECHTSMEDIZIN Häusler M1, Schweitzer W1, Braun M2, Brüschweiler W2, Bär W1 1Institut für Rechtsmedizin der Universität Zürich 2Wissenschaftlicher Dienst der Stadtpolizei Zürich Das Digitalisieren von Oberflächenstrukturen ist heute mit so hoher Detailtreue durchführbar, dass dies auch in der Rechtsmedizin für Dokumentations- und Analysezwecke evaluiert wird. 3D-Scanner aus der Industrie werden neuerdings von einigen Anbietern auch für die Forensik angeboten. Spezifikationen verschiedener Hersteller sind oft auf eine Industrieanwendung ausgerichtet, so dass für uns eine sorgfältige Evaluation wichtig ist. Auch sind konkrete Ergebnisse öfters enttäuschend, obwohl Datenblätter hohe Auflösungen versprechen. Haupttechnologien sind Laser-Scanner und Streifenlichtprojektion von Weisslicht. Beide Methoden bilden die Oberfläche primär als Punktwolke ab. Unterschiedliche Reflexionseigenschaften der Oberfläche für das verwendete Licht können zu erheblichem Rauschen und Ausreissern führen. Wichtige Objekteigenschaften, wie Eckpunkte und Kanten, werden nicht direkt erfasst und erst bei der softwaremässigen Weiterverarbeitung der Punktwolken modelliert oder unter Umständen weggeglättet. Viele Geräte erlauben zusätzlich die Erfassung der Textur des Objektes, wobei die Überlagerung des drei-
Abstracts dimensionalen Oberflächenmodells mit einer Farbphotographie Ungenauigkeiten der Oberflächengeometrie verdecken kann. Ein rechtsmedizinischer 3D-Scanner müsste idealerweise in der Lage sein, innert nützlicher Frist die Oberfläche eines Leichnams derart zu dokumentieren, dass später anhand der 3D-Daten z. B. das Vorliegen eines Injektionsnadeleinstiches überprüft werden kann. Technisch von besonderer Bedeutung ist daher (a) eine hohe Auflösung, die aber mit einem kleineren Scanbereich und höherer GesamtScanzeit und Datenmenge eingehandelt wird, (b) der Umstand, dass wir bei der Farb- und Oberflächenbeschaffenheit unserer Objekte (Haut, Gegenstände) nicht frei sind, (c) Einsatzmöglichkeit vor Ort (Umgebungslicht-Verhältnisse, Transportabilität) und (d) eine präzise, effiziente Software. Auf dem Poster werden qualitative und quantitative Vergleiche für verschiedene 3D-Oberflächenscanner anhand eines Testobjekts mit abgestuften, feinen Lochbohrungen vorgestellt und diskutiert. P-73 VIRTUELLE REALITÄT: ILLUSTRATION MÖGLICHER KRITERIEN FÜR DIE RELEVANZ VISUELL RÄUMLICHER DARSTELLUNGEN MITTELS ANAGLYPHEN Schweitzer W1, Häusler M1, Wyler D2, Radue EW3, Bär W1 1Institut für Rechtsmedizin der Universität Zürich 2Institut für Rechtsmedizin der Universität Basel 3Abteilung für Neuroradiologie, Universitätsspital Basel Bei der dokumentarischen Darstellung räumlicher Verhältnisse oder Rechnerdaten beschränken wir uns zumeist auf zwei Dimensionen – auf Papier, auf Projektionsmedien oder auf Bildschirm. Dies ist eine Limitierung, die meist auch unbewusst zugunsten einer möglichst relevanten zweidimensionalen Darstellung in Kauf genommen wird: die Relevanz der Darstellung ist auch ein wichtigeres Beurteilungskriterium für die Qualität von fotorealistischen oder diagrammatischen Dokumentationen als deren visuelle Räumlichkeit als solche. Diese Limitierung bedeutet konkret Verlust von Zeit – der Betrachter muss Bilder geistig zusammenfügen -, Qualität – es gelingt ihm ev. nur teilweise –, sowie ein Mehrbedarf an Bildfläche. Da Kriterien für die Bestimmung des Relevanzgrades der Räumlichkeit einer Darstellung nicht vorliegen, versuchen wir eine erste Aufstellung, die mittels Anaglyphen illustriert wird. Anaglyphen sind winkelverschiedene Doppelbilder in Komplementärfarben, deren technische Auftrennung mittels Stereobrille den meisten Menschen eine subjektive Raumwahrnehmung erlaubt. Ihre Herstellung ist einfach, rasch und kostengünstig, da sie mit zwei geeigneten 2D-Ansichten sowie kostenloser (z. B. The Gimp, www.gnu. org) oder kostengünstiger (z. B. RedGreenX, www.clauss-net.de) Computersoftware auskommt. Relevanz in der räumlichen Darstellungen ergibt sich für die rechtsmedizinische Fotografie aus der Besonderheit einer Raumdistanz gegenüber der beiden anderen (besonders grosse Höhe oder Steilheit), aus der Asymmetrie einer Formfläche, deren Ausprägung sich nicht in derselben Anschaulichkeit durch zweidimensionale Projektionen visualisieren lässt (z. B. manche Ein- oder Ausschussverletzungen) und stets aus der Ungewohntheit eines Objekts, da aufgrund fehlendem Erfahrungswissen oder Kontext ein normales Foto schwer interpretierbar sein kann. Fehlendes Erfahrungswissen begründet auch, weshalb eine räumliche Darstellung virtueller Realitäten (3-dimensionale Diagramme, 3D-Rekonstruktionen) von Vorteil ist. Es werden Technik und vergleichende Beispiele dargestellt. E-Mail:
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P-74 PASSGENAUIGKEITS-BESTIMMUNGEN MIT FARBKODIERTEN FEHLEROBERFLÄCHEN Häusler M1, Schweitzer W1, Braun M2, Brüschweiler W2, Bär W1 1Institut für Rechtsmedizin der Universität Zürich 2Wissenschaftlicher Dienst der Stadtpolizei Zürich Die Problematik der Oberflächenkongruenz- und -inkongruenz ist ein wichtiges Thema in der Rechtsmedizin, wenn zum Beispiel geformte Oberflächenbefunde potentiellen Tatwerkzeugen zugeordnet oder Knochenstücke zusammengesetzt werden sollen. Intuitives Einpassen ist manuell oft relativ rasch und meist recht kostengünstig durchführbar, zerstört aber das gesamte Spurenbild. Ohne diese Nachteile und auch ohne das Vorliegen der Originalprobe kann dies anhand eines digitalisierten Oberflächenmodells mit geeigneter CAD-Software nachempfunden werden, doch ist es mit diesen unbearbeiteten 3D-Daten (true to life) nur schwer möglich, den Grad der Passgenauigkeit zu objektivieren. Eine Methode, um die Passgenauigkeit dreidimensionaler Flächen darzustellen und gleichzeitig zu quantifizieren, ist, den minimalen Abstand zwischen den Flächen als farbkodierten Überzug einer der beiden Flächen darzustellen. Zur Vermeidung störender Überlappungen wird die andere Fläche ausgeblendet. Die Berechnung dieser minimalen Abstände kann ‚direkt‘ erfolgen oder etwa unter Verwendung einer geometrischen Gewichtung [1]. Solche Fehleroberflächen erlauben das Ablesen der dreidimensionalen Passgenauigkeit an der virtuellen Oberfläche, wobei der direkte Bezug zur Geometrie und, soweit mitberücksichtigt, Textur der erfassten 3D-Daten erhalten bleibt. Technisch erfolgt die Analyse in IDL (Interactive Data Language, Research Systems, Boulder, Colorado). Wir demonstrieren anhand typischer Beispiele, wie nach Akquisition von dreidimensionalen Oberflächendaten durch Scanmethoden wie der Computertomographie oder optischer 3D-Scanner die Passgenauigkeit konkret evaluiert werden kann. Auf dem Poster werden Methode, erste Ergebnisse und Anwendungsbeispiele diskutiert. [1] Schweitzer W, Schaepman M Bär W: Geometrie von virtuellen Oberflächen: Darstellung der Passgenauigkeit durch Berechnung einer farbkodierten Fehleroberfläche. Rechtsmedizin 13:259 (2003) P-75 ALTERSDIAGNOSTIK BEI LEBENDEN IM ANWENDUNGSBEREICH DER RÖNTGENVERORDNUNG (RÖV) Parzeller M, Ramsthaler F, Bratzke H Zentrum der Rechtsmedizin der Johann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt am Main Die rechtsmedizinische Praxis in Frankfurt belegt, dass eine große Unsicherheit über den Einsatz radiologischer Methoden zur Altersdiagnostik bei Lebenden besteht. Die Altersdiagnostik wird mittels eines dreigeteilten Untersuchungsverfahren u. a. unter der Anwendung von Röntgenstrahlen durchgeführt. Mit der Novellierung der Röntgenverordnung im Juni 2002 wurden europarechtliche Vorgaben zweier europäischer Richtlinien aus den Jahren 1996 und 1997 (Richtlinien 96/29/EURATOM und der Patientenschutzrichtlinie (97/43/EURATOM)) für den Bereich der Röntgenstrahlung umgesetzt. Ziel der Novellierung war, die Strahlenbelastung von Patienten und Personen, die Röntgeneinrichtungen betreiben, zu senken. In § 25 RöV sind die Anwendungsgrundsätze für den Einsatz von Röntgenstrahlen am Menschen aufgeführt. Die RöV lässt den Einsatz von Röntgenstrahlen in Ausübung der Heilkunde, Zahnheilkunde, in der medizinischen Forschung, in sonstigen durch Gesetz vorgesehenen oder zugelassenen Fällen, zur Untersuchung nach Vorschriften des allgemeinen Arbeitsschutzes, bei der Ermittlung übertragbarer Krankheiten und im Anwendungsbereich des Infektionsschutzgesetzes zu. In den Gesetzesmaterialien, insbesondere der Begründung der Bundesregierung, wird unter entsprechender Anwendung der Rechtsmedizin 4 · 2004
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rechtfertigenden Indikation gemäß §§ 25 Abs. 1 S. 3, 23 Abs. 1 RöV ausdrücklich erwähnt, dass ein gesundheitlicher Nutzen für den Einzelnen nicht vorhanden sein muss, sondern auf den der jeweiligen Norm immanenten Nutzen für die Allgemeinheit abgestellt werden kann. In diesem Beitrag werden die Anwendungsgrundsätze der Röntgenverordnung, insbesondere der vom Gesetz vorgesehenen oder zugelassenen Fälle, für unterschiedliche praxisrelevante Rechtsgebiete (Strafrecht, Asylrecht, Ausländerrecht, Sozialrecht, Zivilrecht) geprüft und erörtert, inwieweit ein sonstiger durch Gesetz vorgesehener oder zugelassener Fall durch eine einschlägige Ermächtigungsgrundlage vorliegt. Ferner wird dargestellt, ob die Einwilligung des einzelnen einen vom Gesetz vorgesehenen oder zugelassenen Fall darstellt. Bei der Auslegung der Anwendungsgrundsätze werden unter Erörterung der amtlichen Materialien praxistaugliche Vorschläge erarbeitet, die dem Gesundheitsschutz des Probanden, dem Gesetzesanwender bei der Gesetzesauslegung und den gesellschaftspolitischen Anforderungen Rechnung tragen. RA Dr. med. Markus Parzeller, Zentrum der Rechtsmedizin Kennedyallee 104, 60596 Frankfurt am Main Tel.: 069/6301-83576, Fax: 069/6301-83639
[email protected] Rechtsanwaltskanzlei Dr. med. Parzeller Schönbornstr. 22, 63179 Obertshausen P-76 VERFAHREN ZUR BESTIMMUNG DER TODESZEIT AN ZÄHNEN Hoffmann A, Szep S, Heidemann D ZZMK-Carolinum, Poliklinik für Zahnerhaltungskunde, Frankfurt am Main Zähne, der atmosphärischen Luft ausgeliefert, trocknen, verändern charakteristisch und gerichtet über längerfristige Zeiträume ihre Farbe. Diese Farbveränderungen wurden in vitro mittels 3 Farbmessapparaturen als auch visuell (Farbmuster) und gravimetrisch begleitet, die farblich relevante Flüssigkeitsaufnahmechronologie und weiterhin über thermogravimetrische Untersuchungen in Beziehung mit Farbmessungen die Flüssigkeitsabgabe und Farbentwicklung bis zur völligen Abgabe der austreibbaren Zahnflüssigkeit betrachtet, mehr als 100 000 Werte erfasst und ausgewertet. Für jeden Zeitpunkt der Trocknungs- und Flüssigkeitsaufnahmeperiode und für jeden Flüssigkeitsgehalt existiert eine für diesen einmalige Spektralkurve und Farbmeßwertekombination bestehend aus L* (Helligkeit), a*, b*, C* (Buntheit), h (Farbtonwinkel). Die statistische Auswertung erfolgte über die Rangvarianzanalyse nach Friedmann sowie über nachgeschaltete nicht-parametrische Testungen (Wilcoxon-Wilcox, Schaich-Hamerle). Unter beschleunigter Trocknung hat bereits nach 20 Minuten die Wertigkeit der Farbmaßzahlen L*, a*, b*, C* signifikant zu- und von h als auch die des Flüssigkeitsgehaltes abgenommen. Ebenso besteht bei der Lufttrocknung nach einer Stunde für die L*-, a*- Werte und den Flüssigkeitsgehalt als auch nach 1,5-2 Stunden für die b*- und C*- Werte Signifikanz in Bezug auf die Ausgangswerte des flüssigkeitsgesättigten Zahnes. Bereits zu Beginn der Lufttrocknungsphase verhält sich L* gerichtet, alle anderen Farbmaßzahlen nehmen die beschriebenen Trends nach 30 Minuten auf. Beim Lebenden befindet sich der Zahn im flüssigkeitsgesättigten Zustand oder kommt diesem sehr nahe. Ist der Mund des Toten bei und nach Todeseintritt geöffnet, würde unmittelbar die farblich relevante Trocknungsphase beginnen, welche sich bei Raumtemperatur dann über mehr als eine Woche erstreckt. Die Ermittlung der Todesstunde innerhalb dieses Zeitraumes wird als möglich erachtet. Für die materielle Unterstützung zum Gelingen dieser Arbeit danke ich den Firmen Minolta, Sartorius, VITA, NORMLICHT, Dr. Lange, XRite, Neubauer-, Grill und Grill Dental, Sirona und Rowenta.
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P-77 VERGLEICHENDE ANALYSE VERSCHIEDENER STADIENEINTEILUNGEN ZUR BEURTEILUNG DER WEISHEITSZAHNMINERALISATION Schmeling A1, Bilang D1, Schmidt S1, Wernecke K-D2, Geserick G1, Olze A1 1Institut für Rechtsmedizin (CCM), Berlin 2Institut für Medizinische Biometrie (CVK), Berlin Ein Hauptkriterium der zahnärztlichen Altersdiagnostik bei Lebenden ist die Beurteilung des Mineralisationsstandes der dritten Molaren. Zur Beurteilung der Zahnmineralisation liegen verschiedene Stadieneinteilungen vor. Ziel der Studie war die die Untersuchung der gebräuchlichen Stadieneinteilungen in Bezug auf ihre Validität. Zu diesem Zweck wurden 420 konventionell gefertigte Orthopantomogramme von weiblichen deutschen Probanden im Alter von 12 bis 25 Jahren ausgewertet. Dabei wurde jeweils der Mineralisationsstand des Zahns 38 nach den Stadieneinteilungen von Gleiser und Hunt (1955), Demirjian et al. (1973), Gustafson und Koch (1974), Harris und Nortje (1984) sowie Kullman et al. (1992) bestimmt. Von den untersuchten Methoden erreichte die Stadieneinteilung nach Demirjian sowohl bezüglich der Übereinstimmung zwischen den Begutachtern als auch der Übereinstimmung der aus der jeweiligen Methode erhaltenen Stadien in Bezug zum tatsächlichen Alter die höchsten Werte und kann damit als die beste Methode gelten. Als Gründe für dieses Ergebnis werden eine ausreichende Stadienanzahl und von spekulativen Längenschätzungen unabhängige Stadiendefinitionen diskutiert. Es wird geschlussfolgert, dass für die Beurteilung der Weisheitszahnmineralisation im Rahmen der forensischen Altersdiagnostik die Stadieneinteilung nach Demirjian verwendet werden sollte. P-78 DIE IMPLANTIERTE INTRAOKULARE LINSE ALS MERKMAL ZUR IDENTIFIZIERUNG UNBEKANNTER TOTER Riepert T1, Claessens D2, Sobotka M2, Schultes A1, Rothschild MA1 1Institut für Rechtsmedizin des Klinikums der Universität zu Köln 2Augenärztliche Gemeinschaftspraxis Köln Lindenthal Die Identifizierung unbekannter Toter ist eine wichtige Aufgabe in der rechtsmedizinischen Praxis. Neben den inzwischen etablierten molekularbiologischen Methoden sind nach wie vor morphologische Methoden (u. a. Zahnstatus, Röntgenbildvergleich) wertvoll. Der vorliegende Beitrag soll die Aufmerksamkeit auf die Bedeutung implantierter intraokularer Linsen lenken. Indikation einer solchen Operation ist in der Regel das Vorliegen einer Katarakt („grauer Star“). Hierunter versteht man eine Trübung der Augenlinse unabhängig von ihrer Genese. Weitaus am häufigsten ist der graue Altersstar (Cataracta senilis). Bei der Operation wird die trübe Linse durch eine Linse aus Kunststoff ersetzt. Mit einer Frequenz von etwa 600.000/Jahr handelt es sich um die häufigste Implantat-Operation in Deutschland überhaupt, die beispielsweise 10-mal häufiger als die Implantation eines künstlichen Hüftgelenkes ist. Eine andere Therapie, beispielsweise durch Medikamente, ist derzeit – auch zur Prophylaxe – nicht bekannt. Es werden drei Fälle vorgestellt, bei denen die Asservierung mit anschließender Untersuchung der Augenlinsen eine entscheidende Bedeutung bei der Identifizierung eines unkenntlichen, weil Fäulnis veränderten Leichnams hatte. Eine Individualisierung ist über die zahlreichen verschiedenen Typen von Augenlinsen und über die Messung der Brechkraft möglich. Da eine Kennzeichnung im Bereich der Optik aus verständlichen Gründen nicht möglich und im Bereich der Haptik technisch nicht machbar ist, ist dieses Implantat von der CE Kennzeichnungspflicht ausgenommen. Daher kommt der Dokumentation des Operateurs und der Aushändigung eines Linsenausweises an den Patienten eine erhebliche Bedeutung zu.
Abstracts P-79 VERDACHT AUS SELTENES OSTEOLOGISCHES KRANKHEITSBILD BEI EINEM FORENSISCH-OSTEOLOGISCHEN IDENTIFIZIERUNGS-FALL Verhoff MA1, Kreutz K2, Stachetzki U3, Battmann A4 1Institut für Rechtsmedizin, Universitätsklinikum Gießen 2Institut für Forensische Anthropologie, Wettenberg 3Institut für Pathologie, BG-Kliniken Bergmannsheil, Universitätsklinik in Bochum 4Institut für Pathologie, Universitätsklinikum Gießen In einer Waldlichtung wurde ein überwiegend skelettierter und noch von mumifizierten Weichteilresten zusammengehaltener Leichnam mit einem Strangwerkzeug um den Hals an einem Baum fixiert aufgefunden. Weder Kleidung noch Beifunde gaben Hinweise auf die Identität. Nach forensisch-osteologischen Untersuchungsergebnissen handelte es sich um einen Mann im Alter zwischen 50 und 60 Jahren und einer Körpergröße zwischen 157 und 163 cm. Das postmortale Intervall wurde in Anbetracht der Mumifizierung und der Witterungsverhältnisse auf weniger als 3 Monate eingeschätzt. Als einziges perimortales Verletzungszeichen war ein Bruch des rechten oberen Schildknorpelhornes festzustellen. Zudem bestand eine prämortale Verletzung in Form einer linksseitigen mit einer Lochplatte versorgten Mittelgesichtsfraktur, deren Heilungsdauer mit ½ bis 2 Jahre geschätzt werden konnte. Ergänzend wurde gemutmaßt, dass ein derartiger Eingriff in einer Abteilung für Mund-Kiefer-Gesichts-Chirurgie durchgeführt worden sein musste. Mit diesen Informationen konnte in der vom Auffindeort nächstgelegenen Klinik mit einer derartigen Spezialabteilung ein Patient ausfindig gemacht werden, der genau 1 Jahr vor dem Auffinden behandelt worden war und vor 10 Wochen zuletzt lebend gesehen wurde. Die Identifizierung gelang über eine Röntgenvergleichsuntersuchung. Daneben wurden makroskopische Befunde erhoben, die in Kombination mit der Fremdanamnese zunächst auf eine tumorassoziierten hypertrophe Osteoarthropathie (sekundäre Form des sog. Pierre-Marie Bamberger-Syndroms) hinwiesen: Plumpe Langknochen mit borkiger Aufpolsterung der Knochenoberfläche, Eburnisationen an beiden Handgelenken ohne Arthrosezeichen, eine Blockwirbelbildung in der LWS und Uhrglasnägel. Bei der makroskopischen, histologischen und radiologischen Untersuchung war kein ossäres Tumorgewebe darstellbar. Ein das Bamberger-Syndrom beweisender periostaler Anbau lamellären Knochens konnte histologisch nicht gesichert werden. Somit blieb aus rechtsmedizinischer Sicht ein interessanter „Nebenbefund“, ohne jedoch eine pulmonale Neoplasie zumindest unter dem Aspekt einer ossären Metastasierung oder eines paraneoplastischen Syndroms nachweisen zu können. P-80 GESCHLECHTSBESTIMMUNG DURCH BIOANALYTISCHE METHODE Mark L1, Bajnoczky I2 Universität Pécs, Fakultät für allgemeine Medizin 1Institut für Biochemie und Ärztliche Chemie 2Institut für Rechtsmedizin Das Ziel war eine schnelle, billige und zuverlässige chemische Methode auszuarbeiten, mit der es möglich ist das Geschlecht von Skelettresten zu bestimmen. Mittels Flüssigkeitschromatographie konnte nachgewiesen werden, daβ der Kaliumcitratgehalt der Knochen bei Frauen signifikant höher als bei Männern ist. Auch ein mehrere Jahrtausende altes weibliches Knochengewebsstück enthält mehr Kaliumcitrat als ein rezentes männliches. Die Verfasser haben auch eine neue Methode zur qualitativen Analyse von Sexualhormonen in alten und rezenten Knochen ausgearbeitet, so daβ mit einer vergleichenden Analyse das Geschlecht eindeutig bestimmt werden kann. A szerz�k célja olyan gyors, olcsó és megbízható kémiai módszer kidolgozása volt, amellyel a nem meghatározása töredékes csont-
maradványokon is elvégezhetö. Ezzel a kromatográfiás eljárással megállapítható volt, hogy a nöi csontszövet kálium-citrát tartalma szignifikánsan magasabb, mint a férfi csontoké, és ez a különbség paleoantropológiai mintákon is kimutatható. Több ezer éves nöi csontszövet kálcium-citrát tartalma is magasabb, mint egy recens férfi csonté. Sikerült módszert kidolgozni a csontmaradványok nemi hormon összetételének meghatározására is. Az összehasonlító kvalitatív analízissel egyértelmüen meghatározható a nem. P-81 „MORPHOLOGISCHER FINGERPRINT“: MERKMALSKOMBINATIONEN ALS METHODE ZUR STATISTISCHEN ZUORDNUNG VON HAUTVERLETZUNGEN ZU EINEM TATWERKZEUG ODER EINER OBERFLÄCHE Schweitzer W, Martinez R, Häusler M, Bär Institut für Rechtsmedizin der Universität Zürich Stehen in Frage kommende Tatwerkzeuge und Oberflächen vom Ereignisort oder andere Anknüpfungstatsachen nicht zur Verfügung, ist die Benennung möglicher Ursachen vorliegender Hautverletzungen ggf. schwierig. Diese Arbeit wurde mit der Frage nach einem Verfahren unternommen, welches mögliche Zuordnungen von Ursachen zu Verletzungsbeschreibungen quantifiziert. Aus den Obduktionsprotokollen 2002 unsers Instituts wurden retrospektiv bei total 1973 Verletzungen Elemente der Beschreibungen (Hautunterblutung, Schürfung, Substanzdefekt, Grösse, usw.), als „morphologische Fingerprints“ kodiert, sowie die gesicherten oder aufgrund der Umstände anzunehmenden Ursachen erfasst. Die Gegenüberstellung von „Fingerprints“ und erfassten Ursachen erlaubt, Häufigkeiten zum Vorliegen einer bestimmten Ursache für eine Verletzung, und zum Vorliegen einer bestimmten Verletzung für eine Ursache abzulesen. Diese Verletzungs-Ursachen-Paarung wurde Clusteranalysen unterworfen, welche als Ergebnis ursächliche Tatwerkzeuge oder Oberflächen statistisch aufgrund des Häufigkeitsprofiles der verursachten Verletzungen gruppieren. Derart bestimmte, statistische Gruppen widerspiegeln intuitives Erfahrungswissen. Tatsächlich sind Ein- und Ausschussverletzungen auch statistisch besser voneinander abgrenzbar als z. B. flächige Verletzungen als Folge stumpfer Gewalt. Dies ist ein einem ersten Schritt eine qualitative Validierung der Clusteranalyse. Während die von uns kodierten Einzelmerkmale dem Datensatz (Protokolle) angepasst war und sich auf Begriffe beschränkte, lassen sich in einem weiteren Schritt Merkmale zusammenfassen, genauer spezifizieren, oder auch auf völlig andere Kriterien hin optimieren, etwa auf die Einfachheit in der automatischen Merkmalsextraktion von digitalen Messdaten. Zudem besteht die Möglichkeit zur Problemsuche bei der verwendeten Kodierung, indem Einzelmerkmale, die nicht oder ungenügend differenzieren, mit dieser Methode einfach bestimmt werden können. Wir stellen die Methode und ausgewählte Ergebnisse vor. E-Mail:
[email protected] P-82 MORPHOLOGISCHE UND ANALYTISCHE UNTERSUCHUNGEN VON STROMMARKEN NACH KURZZEITSTROMKONTAKTEN Thüte S, Schmidt PF, Fechner G, Du Chesne A, Brinkmann B Institut für Rechtsmedizin, Universitätsklinikum Münster, Röntgenstr. 23, 48149 Münster Schlüsselwörter: Strommarke, Metallisation, Kurzzeitstromkontakt Um die Ausprägung von Strommarken nach einem kurzzeitigen elektrischen Kontakt gegenüber der Ausprägung einer klassischen Strommarke differenzieren zu können, wurden mit Hilfe der Lichtmikroskopie, der Rasterelektronenmikroskopie, insbesondere der Rechtsmedizin 4 · 2004
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Niedervakuumrasterelektronenmikroskopie und mikroanalytischer Verfahren (EDX, LAMMA und Mikroröntgenfluoreszenzanalyse) an Schweine- und Leichenhaut die Morphologie der Hautoberflächen, der Hautstruktur in der Tiefe und die Form und Ausprägung von Metallisationsprodukten an der Oberfläche und in der Tiefe bestimmt. Für die Versuche wurden unterschiedlich geformte Elektroden, die aus Reinmetallen und Legierungen bestehen, verwendet. Die Versuche wurden an trockener, feuchter, in Wasser gelagerter und mit unterschiedlichen Textilstoffen bedeckter Schweine- und Menschenhaut durchgeführt. In Abhängigkeit von den Versuchsbedingungen ergaben sich in der Morphologie der Hautoberfläche und in der Verteilung und Zusammensetzung der Metallisationsprodukte sehr charakteristische Ausprägungen. Durch Nachweis von Elementen in geringen Konzentrationen konnte mit LAMMA und Mikroröntgenfluoreszenzanalyse die Zuordnungsgenauigkeit zu bestimmten Elektroden erhöht werden. P-85 QUANTITATIVE BESTIMMUNG DER TODESZEIT MITTELS 1H MR SPEKTROSKOPIE IN SITU: VERGLEICH MIT FORENSISCH ERMITTELTEN TODESZEITEN Scheurer E1, Ith M2, Yen K1, Thali M1, Vermathen P2, Kreis R2, Boesch C2, Dirnhofer R1 1Institut für Rechtsmedizin, Universität Bern, Bühlstr. 20, 3012 Bern, 2Departement klinische Forschung, Abteilung für MR-Spektroskopie und -Methodologie, Universität Bern 3010 Bern Die Schätzung des postmortalen Intervalls bei Leichen mit einer Liegedauer von Tagen bis Wochen ist schwierig und häufig unbefriedigend. In situ 1H-MR Spektroskopie des Gehirns in einem Tiermodell zeigte, dass die Konzentrationen mehrerer Abbauprodukte einen eindeutigen zeitlichen Verlauf über mindestens 3 Wochen postmortal aufweisen. Im Schafsmodell wurde auch gezeigt, dass die Berechnung des postmortalen Intervalls auf der Basis von mathematischen Funktionen, die den zeitlichen Verlauf der Metabolitenkonzentrationen beschreiben, möglich ist. Eine wichtige Frage ist aber, inwiefern die Schlussfolgerungen und Werte des Modells auf menschliche Leichen übertragen werden können. Dazu wurden mittels MR-Spektren von Leichen und standardisierten Metabolitenkurven aus dem Schafsmodell berechnete Todeszeiten mit forensisch ermittelten Todeszeiten verglichen. Bei 32 Leichen des Instituts für Rechtsmedizin, Bern, mit Todeszeiten von 11-920h wurde ein in situ Hirnspektrum gemessen. Daraus wurden die Konzentrationen von 10 Abbauprodukten ermittelt und mittels mathematischer Funktionen die Todeszeiten berechnet. Das forensisch ermittelte postmortale Intervall (PMI) basierte auf der Untersuchung von Körpertemperatur, Totenflecken, Totenstarre, Fäulniszeichen und kriminalistischen Informationen. 13 der 32 Fälle mussten von weiteren Analysen ausgeschlossen werden, da die Ungewissheit bezüglich wahrem Todeszeitpunkt übermässig gross war oder extreme Temperaturen vorlagen. Die übrigen 19 Fällen zeigen, dass die im Schafsmodell ermittelten Kurven benutzt werden können, um bei menschlichen Leichen das PMI zu berechnen. Die Korrelation für Todeszeiten bis zu 200h ist mit einem Korrelationskoeffizient von 0.79 gut, trotz fehlendem Goldstandard betreffend des wirklichen Todeszeitpunkts. Zusammenfassend lässt sich schliessen, dass die in situ 1H-MR Spektroskopie des Leichengehirns geeignet ist, um postmortale Intervalle bis zu 200 h auf der Basis eines Schafsmodells zu berechnen. P-86 TODESZEITINFORMATIVE PARAMETER IN GLASKÖRPERFLÜSSIGKEIT – PRÄZISION DER TODESZEITSCHÄTZUNG Madea B, Rödig A Institut für Rechtsmedizin der Universität Bonn, Stiftsplatz 12, D 53111 Bonn Der postmortale Anstieg der Kaliumkonzentration (K+) in Glaskörperflüssigkeit (GLK) wird seit ca. 40 Jahren zur Todeszeitschätzung
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empfohlen. Einer praktischen Anwendbarkeit standen bislang differierende Ergebnisse zur Präzision der Todeszeitschätzung gegenüber: Optimistische Ergebnisse früher Untersuchungen (Sturner 1963) konnten durch Nachfolgestudien nicht bestätigt werden. Die Straffheit des Zusammenhangs zwischen K+ und Todeszeit ist dabei im Wesentlichen abhängig von Todesursache, Agoniedauer, Umgebungstemperatur bis zur Probenentnahme etc. Diese Einflussfaktoren auf die Präzision der Todeszeitschätzung können teilweise durch interne Standards berücksichtigt werden (Madea et al. 1989). In den letzten Jahren wurden statistische Ansätze zur Erhöhung der Präzision der Todeszeitschätzung empfohlen: (1) Statt wie bisher üblich die Todeszeit soll die [K+] als unabhängige Variable für die Regressionsberechnung verwendet werden (Munoz et al. 2001); (2) Eine statistische Reevaluation von 6 großen Untersuchungskollektiven mittels einer „lokalen“ Regressionsanalyse (Loess-Verfahren) ergab eine Präzision der Todeszeitschätzung (95 % Toleranzgrenzen zwischen ± 1 Stunde im frühpostmortalen Intervall und ± 10 Stunden 110 hpm), die selbst aufsehenerregende Empfehlungen früherer Untersuchungen übertraf (Lange et al. 1994). Die Ergebnisse beider Studien wurden an eigenen und unabhängigen, in der Literatur mitgeteilten Kollektiven (Gesamt-n > 300) überprüft. Die Verwendung von K+ als unabhängiger Variabler führt zu einer statistisch signifikanten Erhöhung der Präzision der Todeszeitschätzung (von ± 26,5 auf ± 23,7 Stunden). Die publizierte Präzision der Todeszeitschätzung nach Anwendung des Loess-Verfahrens erwies sich demgegenüber als nicht nachvollziehbar. Das auf der Metaanalyse von Lange et al. basierende Verfahren führt zu einer systematischen Unterschätzung der Todeszeit (maximale Unterschätzung von ca. 70 Stunden, Überschätzung ca. 20 Stunden) und ist daher für die Praxis völlig ungeeignet. Prof. Dr. med. Burkhard Madea Institut für Rechtsmedizin der Universität Bonn Stiftsplatz 12, 53111 Bonn Tel.: 0228 / 738315, Fax: 0228 / 738368 Mail:
[email protected] P-87 TODESZEITBESTIMMUNG ANHAND DER LEICHENABKÜHLUNG BEI LAUBLAGERUNG Althaus L, Stückradt S, Henßge C Institut für Rechtsmedizin, Universitätsklinikum Essen Die Eingrenzung eines Todeszeitbereichs aus der tiefen Rektaltemperatur nach dem „Nomogramm-Verfahren“ nach Henßge erfordert die Abschätzung eines Körpergewichtskorrekturfaktors für Abkühlbedingungen, die vom Bezugsstandard des Nomogramms abweichen. Für Leichenfunde mit Laubbedeckung fehlen bislang Erfahrungswerte. Anhand von Abkühlexperimenten mit Hilfe der literaturbekannten leichenähnlich abkühlenden Kunstkörper wurden folgende Richtwerte ermittelt: Für Lagerung des Dummy auf trockenem Laub (2 cm Schichtdicke) und bei vollständiger Bedeckung mit trockenem Laub (Schichtdicke 10 cm) ergaben sich Korrekturfaktoren um 2,4. In den Untersuchungen mit gering feuchtem Laub wurden Korrekturfaktoren um 1,8 ermittelt. Bereits bei alleiniger Lagerung des Dummy auf trockenem Laub von 2 cm Schichtdicke waren Korrekturfaktoren um 1,5 erforderlich. Bei geringer Feuchte des Laubes ergaben sich Korrekturfaktoren um 1,3. Lagerung auf ausgesprochen nassem Laub verlangte keine Korrektur (Körpergewichtskorrekturfaktor um 1,0). In den einzelnen Abkühlversuchen ergaben sich trotz der Bemühung um eine jeweils gleichartige Laublagerung bzw.- bedeckung Variationen von _+/- 0,3 Einheiten um die genannten Richtwerte.
Abstracts P-88 URBANE UND RURALE SCHWERMETALLBELASTUNG IN HAAREN UND KNOCHEN VERGANGENER JAHRHUNDERTE Geibel D Institut für Rechtsmedizin der Heinrich Heine Universität Düsseldorf Fragestellung: Welchen Schwermetallbelastungen (Blei, Cadmium) waren die Menschen der vergangenen Jahrhunderte in ihrem Lebensraum (urban vs. rural) ausgesetzt ? Untersuchungsmaterialient: „Historische” Haar- und Knochenproben (14.–19. Jh.); Kontrollproben (Haare und Knochen) aus dem Sektionsgut (1998– 1999) des Institutes für Rechtsmedizin der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf. Methode: Voltammetrie Ergebnisse: In den „historischen” Haarproben aus den urbanen Siedlungsgebieten (Berlin, Braunschweig, Bordesholm und Rendsburg) sowie in der „historischen” Knochenprobe aus Braunschweig fanden wir stark erhöhte Bleikonzentrationen (70–320 µg/g). Demgegenüber konnten wir wesentlich niedrigere Bleikonzentrationen in den „historischen” Haar- und Knochenproben aus dem ruralen Siedlungsgebiet (Fürstenberg) nachweisen (Haare: 3,5–9,5 µg/g, Knochen: 4,3–17,4 µg/g). Die Bleibelastung der Kontrollproben aus dem Sektionsgut beträgt durchschnittlich 5,7 µg/g (1,8–12,4 µg/g) in den Haaren und 8,4 µg/g (2,2–14,1 µg/g) in den Knochen. Die Cadmiumkonzentrationen der „historischen” Proben sind mit denen der Kontrollproben aus dem Sektionsgut vergleichbar (Haare: 0,1–0,25 µg/g, Knochen 0,25–0,64 µg/g). Bis auf eine „historische” Haar- und Knochenprobe, die offenkundig mit Zink und Kupfer kontaminiert war (Braunschweig), liegen die Konzentrationen der Metalle Kupfer und Zink der „historischen” Proben sowie der Kontrollproben innerhalb des heute gültigen Grenzbereiches. Zusammenfassung: Anhand von „historischen” Haar- und Knochenproben konnte eine ca. 10fach höhere Bleibelastung urbaner Siedlungsgebiete (Berlin, Braunschweig, Bordesholm und Rendsburg) gegenüber einer der ruralen Region (Fürstenberg) nachgewiesen werden. Wir konnten erstmals das Schwermetall Cadmium in „historischen” Haar- und Knochenproben in einer der heutigen Zeit vergleichbaren Konzentration nachweisen. Mögliche Ursachen anthropogener Belastung insbesondere von Blei wurden diskutiert sowie Fehlerquellen (Kontamination, postmortale Veränderungen) berücksichtigt. Welche Auswirkungen erhöhte Bleiaufnahme auf die Menschen der vergangenen Jahrhunderte hatte, läßt sich derzeit nicht einschätzen. Möglicherweise trug sie zur Morbidität und Mortalität der betroffenen Bevölkerung mit bei. P-89 DER IMMUNHISTOCHEMISCHE NACHWEIS CAMP – DEGRADIERENDER PHOSPHODIESTERASE – ENZYME IM HUMANEN VAGINALEPITHEL Albrecht K1, Ückert S2, Oelke M2, Hedlund P3, Andersson K E3, Jonas U2, Tröger H D1 1Institut für Rechtsmedizin, 2Klinik und Poliklinik für Urologie und Kinderurologie der Medizinischen Hochschule Hannover 3Universitätsklinik Lund (Schweden), Abtlg.: Klinische Pharmakologie3 Allgemeines: Sexuelle Stimulation führt bei der Frau zu physiologischen Veränderungen im Genitaltrakt im Sinne einer Durchblutungssteigerung sowie einer Erhöhung der Lubrikation und einer Änderung des Muskeltonus. Die im Zusammenhang mit dem männlichen Erektionsgeschehen präzise untersuchten Vorgänge der durch cAMP und cGMP induzierten Signaltransduktion sind in der Literatur für die weibliche Physiologie praktisch nicht beschrieben. Der Abbau
des auch für die Kontrolle des Muskeltonus der Vaginalwand relevanten second messengers cAMP erfolgt durch Phosphodiesterase (PDE)-Isoenzyme. Dieses lässt vermuten dass die PDEn ebenfalls an der Regulation der Funktion weiblicher Genitalorgane beteiligt sind. Ziel dieser Studie ist der Nachweis der immunhistochemischen Expression (Immunfloureszenz) cAMP-degradierender Phosphodiesterasen in der humanen Vagina. Material und Methoden: Im Rahmen von 3 gerichtlichen Obduktionen erfolgte die Entnahme von Anteilen aus der vaginalen Wand. Von den Proben wurden Kryostat-Dünnschnitte gefertigt, welche mit primären Antikörpern gegen die PDEn 1,2,3,4, und 10 inkubiert wurden. Anschließend erfolgte die Inkubation mit Floureszeinisothiocyanat (FITC)- oder Texas Red- (TR) markierten Sekundärantikörpern. Die Auswertung erfolgte mit einem Lasermikroskop. Ergebnisse: Im vaginalen Epithel zeigten sich Signale für die PDEn 3,4 und 10 während sich in subepithelialen Anteilen der vaginalen Wand die Präsenz der PDEn 1,2 und 3 darstellen ließ. Zusätzlich fand sich eine Expression der PDE 4 in der glatten Muskulatur sowie in den Wandschichten arterieller Gefäße. Schlussfolgerung: Die Untersuchung zeigt erstmalig das Vorkommen der cAMP-Phosphodiesterasen 1,2,3,4 und 10 in der humanen Vagina, welches eine regulatorische Funktion im Rahmen des weiblichen Sexualzyklus vermuten lässt. In weiterführenden Studien sollen PDEn-Nachweise an vaginalen Exfoliativabstrichen im Rahmen der Untersuchung von Sexualdelikten geführt, quantifiziert und mit Kontrollen verglichen werden, um Hinweise auf eine mögliche erhöhte Aktivität der PDEn nach einem Sexualkontakt zu erhalten. P-90 ZYTOMEGALIEVIRUS-INDUZIERTE PNEUMONIE UND MYOKARDITIS IN EINEM FALL VON MUTMASSLICHEM PLÖTZLICHEN KINDSTOD (SIDS) – IMMUNHISTOCHEMISCHE UND MOLEKULARPATHOLOGISCHE UNTERSUCHUNGEN Dettmeyer R, Schmidt P, Padosch SA, Stiel M, Madea B Institut für Rechtsmedizin, Universitätsklinikum Bonn, Stiftsplatz 12, 53111 Bonn Einleitung: Virusinduzierte Pneumonien und Myokarditiden werden gelegentlich bei mutmaßlichen SIDS-Opfern nachgewiesen. Zytomegalieviren gelten dabei als eher selten anzutreffende Erreger. Eine Publikation zum kombinierten morphologisch-molekularpathologischen Nachweis einer Zytomegalievirus-induzierten Pneumonie und Myokarditis bei einem mutmaßlichen SIDS-Fall liegt bislang nicht vor. Fallbericht: Ein nach unauffälliger Schwangerschaft, Geburt und postnataler Entwicklung am Termin erstgeborener, 5 Monate alt gewordener, voll gestillter, männnlicher Säugling einer 21-jährigen Mutter wurde leblos in Rückenlage gefunden. Seit ca. 5 bis 10 Tage vor dem Tode habe der Säugling an einer Bronchitis gelitten. Beide Eltern sind Nichtraucher. Sektion. Bei der Obduktion fanden sich lediglich locker verteilte Petechien subpleural, subepikardial sowie unter der Thymuskapsel. Akute Stauungshyperämie und Ödem der inneren Organe. Histologie: Konventionell-histologisch stellte sich in der Lunge eine fokale interstielle Pneumonie dar, vereinzelt mit Zellen im Sinne sogenannter Eulenaugenzellen. In einer (!) von acht Myokardproben zeigte sich eine verstärkte zelluläre Infiltration im myokardialen Interstitium. Immunhistochemie: Die immunhistochemische Qualifizierung und Quantifizierung der interstitiellen Leukozyten, T-Lymphozyten und Makrohphagen im Myokard ergab keine auffällig abweichenden Befunde. Immunhistochemisch ließ sich jedoch im Lungengewebe Zytomegalievirus nachweisen. Molekularpathologie: Der Nachweis des Genoms der Zytomegalieviren mittels PCR gelang in Gewebeproben aus der Lunge, dem Herzen, der Leber und dem Pankreas. Die Untersuchung des Serums führte zum Nachweis einer Virämie. Rechtsmedizin 4 · 2004
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Priv.-Doz. Dr. Dr. R. Dettmeyer Institut für Rechtsmedizin Universitätsklinikum Bonn Stiftsplatz 12, 53111 Bonn Tel. +49 (0)228 73 83 31, Fax: +49 (0)228 73 83 39 e-mail:
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Suizid, Psychose P-91 DER FALL EINES ERWEITERTEN SUIZIDES (POSTAGGRESSIVE SELBSTTÖTUNG) Bloch-Bogusławska E, Pufal E, Wolska E, Engelgardt P Lehrstuhl und Institut für Gerichtsmedizin, Bydgoszcz, Polen Es wird der Fall eines so genannten erweiterten Suizides vorgestellt, welcher im Sinne einer postaggressiven Selbsttötung zu interpretieren ist. Unter dem Begriff der postaggressiven Selbsttötung versteht man ein (versuchtes) Tötungsdelikt an einer anderen Person mit anschließendem Suizid der ausführenden Person. Der dargestellte Vorfall betrifft eine Frau, welche ihren 22 jährigen Sohn durch die Verabreichung von psychoaktiven Arzneimitteln und Mitteln zur Entwurmung, sowie durch Zufügen von zahlreichen Schnittwunden tötete und versuchte, ihrem zweiten, 29 jährigen Sohn auf die gleiche Weise das Leben zu nehmen. Im Anschluss an die Tat beging sie Suizid, indem sie sich zuerst Schnittwunden am Hals und den oberen Extremitäten zufügte und sich nachfolgend erhängte. Die toxikologische Analyse des asservierten Materials ergab die Anwesenheit einer Konzentration von Diazepam, Sulpirid, Carbamazepin und Anthelminthicum- Pyrantel. Dr. Ewa Pufal Katedra i Zakład Medycyny Sadowej AM w Bydgoszczy M. Skłodowskiej-Curie 9, 85-094 Bydgoszcz, Polen Tel.: +48/52-5853560, Fax: +48/52-5853553 E-mail:
[email protected] P-92 SUIZID BEI ÄLTEREN MENSCHEN Palmiere C, Burkhardt S, La Harpe R Institut de Médecine Légale, 9, av. de Champel, 1211 Genève 4, Switzerland Selbsttötungen bei älteren Menschen stellen ein bedeutsames Problem dar, einerseits als soziales Phänomen, andererseits sind Risikofaktoren zu identifizieren um effiziente Präventionsmassnahmen ergreifen zu können. Im Vergleich mit allen anderen Altersgruppen haben in nahezu allen Industrieländern über 70 Jahre alte Männer die höchste Suizidrate. Bei jungen Menschen sind Suizid und Suizidversuch häufig impulsive Handlungen, bei älteren Menschen (d. h. älter als 65 Jahren) werden Suizid und Suizidversuch dagegen nicht selten genau geplant als Endpunkt einer gereiften Entscheidung (sogenannter Bilanzsuizid). Häufig ist hier der Suizid verbunden mit schweren psychischen Problemen bzw. Depressionen, in der Mehrzahl der Fälle stellen zusätzlichen somatische Erkrankungen einen weiteren Risikofaktor dar. Waern et al. berichten, dass einerseits schwere Depressionen am häufigsten mit einem Suizid bzw. Suizidversuch verbunden sind und andererseits können weitere Erkrankungen ebenfalls von Bedeutung sein. Als zusätzliche Risikofaktoren sind zu nennen: vorangegangenen Suizidversuche, Verlust eines Familienangehörigen, Alkohol- und/oder Medikamentenabusus, soziale Isolierung. Häufig sind mehrere Risikofaktoren gleichzeitig anzutreffen. Im Jahre 2004 wurde am Institut für Rechtsmedizin der Universität Genf eine retrospektive Studie durchgeführt, bei der alle Suizidfälle der letzten sieben Jahre (1997-
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2003) des Kantons Genf einbezogen werden konnten. Mit Blick auf betroffene ältere Menschen wurden die Entwicklung der Suizidrate und die persönlichen Besonderheiten der Suizidenten erfasst. Dies nicht nur in Bezug auf Alter, Geschlecht und die hauptsächlichen Risikofaktoren, sondern auch mit Blick auf die Begehensweise (Suizidarten) und die epidemiologische Bedeutung des Alterssuizids. Die Resultate unserer Studie bestätigen aus der Literatur bekannte Charakteristika des Phänomens „Suizid im Alter“ und die Bedeutung der genannten Risikofaktoren. P-93 SUIZID UND MOBBING – RECHTLICHE UND MEDIZINISCHE ASPEKTE Parzeller M 1,2, Murmann A 3 1Zentrum der Rechtsmedizin der Johann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt am Main 2Rechtsanwaltskanzlei Dr. med. Parzeller, Obertshausen 3Rechtsanwaltskanzlei Frenzel, Stock & Coll., Langenselbold Zusammenhänge zwischen Mobbing und Suiziden werden beschrieben. In ca. 10–20 % aller Selbstmordfälle wird Mobbing als mitursächlich für den Suizid gewertet. Die Kausalität zwischem systematischem Mobbing durch einen Vorgesetzten und dem Freitod einer jungen Polizeibeamtin wurde vom BGH bejaht und generell eine Haftung des Dienstherrn für das schädigende Verhalten seines Untergebenen nach Amtshaftungsgrundsätzen konstatiert [BGH (2002) Urt. v. 1.8.2002–III ZR 277/01]. Bossing, Bullying oder Mobbing wird inzwischen auch als gesellschaftspolitisches Problem mit gravierenden Folgen für die Gesamtwirtschaft beschrieben. In den letzten Jahren werden solche Konflikte auch zunehmend aus dem ärztlichen und pflegerischen Bereich gemeldet. Das Bundesarbeitsgericht definiert Mobbing als systematisches Anfeinden, Schikanieren oder Diskriminieren von Arbeitnehmern untereinander oder durch Vorgesetzte [BAG (1997) Beschluss v. 15.01.1997–7 ARB 14/96]. Der Beitrag befasst sich mit unterschiedlichen medizinischen und juristischen Wertungen von Bossing, Bullying, Mobbing und dem neu entwickelten Begriff des Scientific Mobbings. Anhand einer Rechtsprechungsübersicht werden aktuelle Entscheidungen erläutert. Der mehrphasige Prozess schädigender Verhaltensweisen kann durch die Ausgrenzung aus dem Arbeitsumfeld, dem Absinken der Arbeitsleistung und der Zunahme von Krankmeldungen den Verlust des Arbeitsplatzes zur Folge haben. Der komplexe Formenkreis sich beeinflussender Faktoren und Interaktionen kann zu partnerschaftlichen und familiären Konflikten bis zur Scheidung sowie einem einfachen oder erweiterten Suizid als Folge subjektiv ausweglos gewerteter Mobbing-Konflikte führen. Arbeits-, straf- bzw. zivilgerichtliche Auseinandersetzungen können zur Einschaltung medizinischer Sachverständiger Anlass geben. Neben medizinischen Kriterien zum Erkennen und zur Prävention von Bossing-, Bullying-, Mobbing- bzw. Scientific Mobbing-Sachverhalten erfolgen Ratschläge aus rechtlicher Sicht für die Begutachtung auch von tödlichen Verläufen. Fehleinschätzung bei der gutachterlichen Bewertung einer Mobbing bedingten Beeinträchtigung mit möglicherweise behandlungsbedürftigem Krankheitswert sind zu Lasten einer weiteren Sekundärviktimisierung des tatsächlichen Opfers ebenso zu vermeiden wie zu Gunsten eines neurotischen Begehrens durch das vermeintliche Opfer. RA Dr. med. Markus Parzeller, Zentrum der Rechtsmedizin Kennedyallee 104, 60596 Frankfurt am Main Tel.: 069/6301-83576, Fax: 069/6301-83639
[email protected] Rechtsanwaltskanzlei Dr. med. Parzeller Schönbornstr. 22, 63179 Obertshausen
Abstracts P-94 LETALE PSYCHOSE NACH INSEKTIZIDINTOXIKATION? Cremer U, Kröner L, Käferstein H, Rothschild MA Institut für Rechtsmedizin, Klinikum der Universität zu Köln Ein 69-jähriger Mann wurde in den frühen Abendstunden in seinem Firmenfahrzeug, in welches durch einen mit dem Auspuff verbundenen Gartenschlauch Auspuffabgase einströmten, bewußtlos mit einer Bradycardie und einer Miosis aufgefunden. Neben einer leeren Rotweinflasche wurde ein Behältnis mit dem Organophosphat-Insektizid Roxion® vorgefunden. Bereits am Auffindeort und während des Krankentransportes wurde durch den Notarzt Atropin verabreicht, welches rasch Wirkung zeigte. Die stationäre Aufnahme erfolgte unter der Diagnose einer akuten Intoxikation mit Autoabgasen, Alkohol und einem Insektizid. Bei einem zunächst während der Nachtstunden unauffälligen Behandlungsverlauf ohne pulmonale und/oder kardiale Intoxikationssymptomatik wurde am folgenden Morgen eine zunehmende motorische Unruhe beobachtet, die sich auch unter einer Medikation mit Clomethiazol und Haloperidol nicht besserte. Die motorische Unruhe erforderte eine Fixierung des Patienten. Bei erhöhten Transaminasen war die erstmalig überprüfte Cholinesteraseaktivität mit 1.257 U/ L deutlich erniedrigt. Nach einer neurologischen Diagnostik wurde unter der Annahme einer abgeschlossenen Detoxikation die Diagnose einer Psychose gestellt und eine Unterbringung nach § 14 PsychKG in einem Landeskrankenhaus veranlasst. Etwa 4 Stunden nach Übernahme trat unter hochdosierter antipsychotischer Medikation eine Hypersalivation mit zunehmender Dyspnoe auf. Unter Sauerstoffgabe trat akut ein Atem- und Herzstillstand auf. Sofort eingeleitete Reanimationsmaßnahmen blieben erfolglos. Nach der Obduktion, bei der als wesentliche Befunde eine massive obere Einflussstaung, ein alveoläres Lungenödem mit multiplen, bis zu erbsengroßen Parenchymeinblutungen, mit Ödemflüssigkeit ausgefüllte periphere Atemwege und feinschaumig belegte Schleimhäute der oberen Atemwege erhoben wurden, wurden auf den Nachweis von Organophosphaten ausgerichtete chemisch-toxikologische Untersuchungen durchgeführt. Sowohl in den Körperflüssigkeiten als auch in Organgeweben konnten Dimethoat und Omethoat in hohen Konzentrationen detektiert werden, durch deren Wirkung der tödliche Behandlungsverlauf bestimmt wurde. Da eine Dimethoatintoxikation in der klinischen Routine eine eher selten zu behandelnde, lebensbedrohliche Intoxikation darstellt, durch die ein als Psychose fehldeutbares psychotisches Zustandsbild bewirkt werden kann, werden zur Vermeidung einer folgenschweren symptomenbasierten Fehldiagnose Empfehlungen zur klinischen und toxikologischen Analytik angesprochen. Die Ergebnisse der toxikologischen Untersuchungen werden dargestellt und diskutiert. Dr. med. U. Cremer, Institut für Rechtsmedizin, Klinikum der Universität zu Köln, Melatengürtel 60-62, 50823 Köln. Tel.: +49 (0) 221 4784283. Fax: +49 (0) 221 478-3496. e-mail:
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Forensische Pathologie P-95 PLÖTZLICHER HERZTOD – MÖGLICHKEITEN DER LABORDIAGNOSTIK – PILOTSTUDIE Šidlo J1, Martáková L2, Majdan M2, Parrák V2 Universität Krankenhaus st. Cyril und Method, Bratislava, Slowakische Republik 1Institut für Gerichtsmedizin, 2Abteilung für klinische Biochemie Die Diagnostik des plötzlichen Herztodes ist ein tägliches Problem in der Gerichtsmedizin.
In manchen Fällen ist die Diagnostik auf Grund eines überzeugenden makroskopischen bzw. histologischen Befundes (z. B. pathologisch veränderter Herzmuskel allein, oder Koronargefäßveränderungen) möglich. Einen Herzstillstand als Todesursache anzunehmen ist problematisch, wenn die Krankengeschichte und alle makroskopischen, mikroskopischen und toxikologischen Untersuchungen unergiebig sind. Zielsetzung der Studie ist es, relevante Marker für die Diagnose eines plötzlichen Herztodes zu finden. Im Zeitraum 01.10. 2003-30.03.2004 haben wir bei 29 Toten im Alter von 24-81 Jahre (21 Männer, 8 Frauen) aus der linken Herzkammer und aus der Vena femoralis dextra Blutproben entnommen. Im 25 Fällen hatten wir einen Verdacht auf einen plötzlichen Herztod gehabt. Das Intervall zwischen Tod und Probenentnahme betrug 6-105,5 Stunden. Die Proben wurden zentrifugiert, aliquotiert und bei –20 ° C gelagert. Die Proben wurden auf die Anwesenheit von kardialem Troponin I und pro-ANP mit dem Chemiluminiszenz-verfahren untersucht: cTNI mit ACS 180 (BAYER Germany), cut off: 0,15ng/mL, pro-ANP SERISTRA (BRAHMS Germany), cut off: 200 pmol/L. Die Resultate von cTNI betrugen im Blut des linken Ventrikels zwischen 15,0 ng/ml und 5500 ng/ml und in der Vena femoralis zwischen 0,134 ng/ml und 1500 ng/ml. Die Resultate von pro-ANP im linken Ventrikel betrugen zwischen 1039 ng/ml und 3158 ng/mL und in der Vena femoralis zwischen 23 pmol/l und 2585 pmol/l. In unserer Pilotstudie haben wir festgestellt, daß die Konzentrationen der untersuchten Parameter in der Peripherie wesentlich niedriger sind. Eine grössere Zahl von Untersuchungen ist nötig, um definitiv Stellung nehmen zu können. J. Sidlo Institut für Rechtsmedizin, Krankenhaus des St. Cyril und Metod Petrzalka, Antolska 11, 857 01Bratislava, Slowakische Republik Tel.: +42-1-(0)2-68672349 E-mail:
[email protected] P-96 TO HAVE THE GAME IN ONE’S POCKET AND TO FADE AWAY Els A De Letter1, Willy E Lambert2, Michel HA Piette1 Ghent University – Belgium 1Department of Forensic Medicine, J. Kluyskensstraat 29, 9000 Gent 2Department of Toxicology, Harelbekestraat 72, 9000 Gent Sudden cardiac death in young adults who are – apparently – in perfect health, often results in helpless anger of the relatives. Myocarditis, cardiomyopathies, and coronary anomalies are the most common causes of sudden cardiac death, with structural heart disease in persons younger than 35. A soldier, 33-years-old, died totally unexpectedly following an athletics meeting. He was the first at the finish of a 2400 meters run. At arrival, his heart rate meter indicated a pulse of 170/min, which spontaneously decreased to 110/min within 3 minutes, but a few seconds later, he suddenly collapsed. Intensive cardiopulmonary reanimation was performed, but failed. The autopsy revealed an athletic man of normal build. An enlarged heart (weighing 473 g) with a 3-branch coronary pathology was found. Histological investigation showed several small fibrotic scars and signs of protracted hypoxia. In addition, obvious haemorrhagic pulmonary congestion and oedema were noted. Cardiopulmonary failure was the mechanism of death. A broad toxicological screening (including stimulants) was negative. Questioning of the relatives and examination of the medical files revealed that the man never complained of cardiac-related pain. He never smoked neither drank alcohol and was used to go jogging every day. However, in the medical files, transient hypertension was observed in Rechtsmedizin 4 · 2004
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adolescence (up to 210/105 mm Hg). At the age of 32, blood analyses showed elevated cholesterol concentrations (up to 263 mg/dl). A thorough check-up including e.g. electrocardiogram was never performed. In conclusion, the man died due to an undiagnosed severe 3-branch coronary pathology. Surprisingly, he never showed any cardiac complaints, although at autopsy an ischemic heart disease was demonstrated. Finally, the medico-legal and therapeutic implications are discussed. P-97 PLÖTZLICHER HERZTOD BEI STRRUKTURELL UNAUFFÄLLIGEM HERZ: ÜBERWIEGEND GENETISCHE URSACHEN? Sinicina I1, Kääb S2, Hinterseer M2, Mall G1 1Institut für Rechtsmedizin der Ludwig-Maximilians-Universität München 2Medizinische Klinik und Poliklinik I, Klinikum Großhadern der Ludwig-MaximiliansUniversität München In Deutschland ist von etwa 100.000 plötzlichen Herztodesfällen pro Jahr auszugehen. Bei etwa 5–10 % lassen sich strukturelle Veränderungen weder makro- noch mikromorphologisch nachweisen. Meist sind funktionelle Störungen zu postulieren. Insbesondere bei jüngeren Menschen stehen die kongenitalen Long-QT-Syndrome im Vordergrund. So wird für Long-QT-Syndrome eine Inzidenz von 1:7000 Personen angegeben. Derzeit sind 6 Long-QT-Syndrome beschrieben, die mit Mutationen in Genen, die für Ionenkanäle kodieren, assoziiert sind. In abnehmender Häufigkeit folgen das Brugada-Syndrom und die katecholaminerge polymorphe Tachykardie. Das Brugada-Syndrom ist durch EKG-Abnormitäten, wie ein rechtsschenkelblockähnliches Bild und ST-Hebungen in den rechts-präcordialen Ableitungen charakterisiert. Bei einem Teil der Patienten wurden Mutationen in einem für einen Na-Kanal kodierenden Gen nachgewiesen. Die katecholaminerge polymorphe Tachykardie wird mit einem defekten kardialen Ryanodin Rezeptor (hRYR2) in Verbindung gebracht. Den Übergang zur strukturellen Herzerkrankung bildet die arrhythmogene rechtsventrikuläre Cardiomyopathie, bei dem Typ 2 ist ebenfalls der kardiale Ryanodin Rezeptor betroffen. Es besteht jedoch keine strenge Korrelation zwischen Genotyp und Phänotyp. So zeigte sich im Fall eines 5-jährigen Jungen eine bisher nur einmal beschriebene Variation im SCN5A-Gen, entsprechend einem Long-QT3-Syndrom als Ursache eines plötzlichen Herztodes, während die Mutter, ebenfalls Trägerin dieser Mutation, asymptomatisch ist. P-98 NATÜRLICHE TODESFÄLLE BEI SPORTLICHER BETÄTIGUNG IM OBDUKTIONSGUT DES ZENTRUMS DER RECHTSMEDIZIN DER JOHANN WOLFGANG GOETHE-UNIVERSITÄT FRANKFURT/MAIN VON 1972 BIS 2003 Bux R1, Parzeller M1, Raschka C2, Bratzke H1 1Zentrum der Rechtsmedizin, J.W. Goethe-Universität, Frankfurt/Main 2Institut für Sportwissenschaften, J.W. Goethe-Universität, Frankfurt/Main In einer retrospektiven Obduktionsstudie wurden ca. 30.800 Obduktionen des Zentrums der Rechtsmedizin in Frankfurt am Main aus 32 Jahren (1972–2003) analysiert. In 107 Fällen (0,35 % der Obduktionen) ereignete sich ein plötzlicher natürlicher Tod während oder unmittelbar nach einer sportlichen Belastung. Die 102 betroffenen männlichen Sportler waren durchschnittlich 53,1 Jahre, die fünf weiblichen Athleten im Durchschnitt 36,4 Jahre alt. In 80 Fällen hatte sich der Tod im Zusammenhang mit dem Training, in 13 Fällen bei einem Wettkampf ereignet. 82 Todesfälle ereigneten sich während der Sportausübung, 23 innerhalb von 24 Stunden nach deren Beendigung. Bei 56 Sportlern lagen Angaben zur Befindlichkeit unmittelbar vor dem Tod vor. Von diesen waren 20 (35,7 %) beschwerdefrei. Bei 20 Sportlern wurde innerhalb der letzten 24 Stunden vor dem Tod vom Fehlen jeglicher Beschwerden berichtet. Die Übrigen hatten teils pek-
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tanginöse, teils unspezifische Beschwerden (Übelkeit, Unwohlsein, Schwindel) geäußert. Die häufigsten Todesursachen bei den Erwachsenen waren ein frischer Myokardinfarkt (n = 26, Durchschnittsalter = 49,2 Jahre), bzw. ein Reinfarkt (n = 22, Durchschnittsalter = 60,9 Jahre) sowie eine KHK (n = 33, Durchschnittsalter = 56,5 Jahre). Bei Kindern und Jugendlichen traten vier plötzliche Sporttodesfälle auf, die in zwei Fällen auf eine klinisch inapparente Myokarditis und in je einem Fall auf einen zuvor unbekannten Bildungsfehler des Herzens bzw. eine bereits zu Lebzeiten diagnostizierte nichtobstruktive hypertrophe Kardiomyopathie (NOHCM) zurückgeführt werden konnten. Am häufigsten waren die Sportarten Fußball (n = 21), Schwimmen (n = 15), Laufsport (n = 15), Radfahren (n = 14), und Tennis (n = 6) vertreten. Die Dominanz ischämischer Herzmuskelschädigungen kann bei Erwachsenen die Notwendigkeit sportmedizinischer Routineuntersuchungen unterstreichen. Eine verbesserte Aufklärung der Sportler und Sportlerinnen über Prodromi ischämischer Ereignisse kann zu einer Reduktion tödlicher Ereignisse beitragen. Selbst banale Infekte können bei Mitbeteiligung des Myokards insbesondere auch bei Kindern und Jugendlichen zu einem plötzlichen Herztod beim Sport führen. In der Regel wurden die Todesermittlungsverfahren nach der Obduktion eingestellt. Nur in Einzelfällen kam es zu straf- und zivilrechtlichen Verfahren. Dr. Roman Bux Zentrum der Rechtsmedizin, J.W. Goethe-Universität Kennedyallee 104, 60596 Frankfurt/Main Tel. 069/6301-5277, Fax 069/6301-83461 e-mail:
[email protected] P-99 PRÄVALENZ DES PLÖTZLICHEN HERZTODES VON KINDERN, JUGENDLICHEN UND HERANWACHSENDEN IM RECHTSMEDIZINISCHEN OBDUKTIONSGUT Pfeiffer H, Karger B, Fechner G, Du Chesne A, Brinkmann B Institut für Rechtsmedizin, Universitätsklinikum Münster, Röntgenstr. 23, 48149 Münster Etwa ein Drittel aller am Institut für Rechtsmedizin Münster im Zeitraum von 1993-2004 obduzierten natürlichen Todesfälle 3-21Jähriger (n = 73) war assoziiert mit Erkrankungen des Herzens. Nach histologischer Befundung erfolgte eine Einteilung in folgende Kategorien: Myokarditis (n = 11) Kardiomyopathie (n = 3) Koronare Herzerkrankung (n = 2) Andere (n = 9). Eine Auswahl dieser Fälle wird vorgestellt und diskutiert. Bei einigen Verstorbenen war eine familiäre Häufung des plötzlichen Herztodes bekannt. Die Diagnostik hereditärer Herzerkrankungen erlaubt es, andere Betroffene in einem frühen Stadium der Erkrankung zu identifizieren und den Verlauf der Erkrankung günstig zu beeinflussen. Die rechtsmedizinische Obduktion kann dazu einen wichtigen Beitrag leisten, wenn die Familienangehörigen über die Erkrankungen eingehend informiert und aufgefordert werden, einen Kardiologen aufzusuchen. P-100 VORHERSEHBARKEIT SPONTANER AORTENRUPTUREN: BANDBREITE KLINISCHER UND MORPHOLOGISCHER BEFUNDE Fink T1, Steppuhn A2, Rottmann A2, Urban R3, Fisseler-Eckhoff A1 1Institut für Pathologie und Zytologie, Dr.-Horst-Schmidt-Kliniken Wiesbaden 2Abt. Innere Medizin, Krankenhaus Sankt Josef, Rüdesheim/ Rhein 3Institut für Rechtsmedizin, Johannes Gutenberg-Universität Mainz Unerwartete Todesfälle bei Patienten im jüngeren und mittleren Lebensalter in zeitlichem Zusammenhang mit einer ärztlichen Be-
Abstracts handlung werfen regelmäßig die Frage nach der Vorhersehbarkeit und Vermeidbarkeit des lebensbedrohlichen Zustandes auf. An zwei Fallberichten mit Aortenruptur bei idiopathischer zystischer Medianekrose (Erdheim-Gsell) wird diese Problematik unter arztrechtlichen Aspekten kritisch diskutiert. Fall 1: Ein 38 Jahre alter Patient stellte sich mit Rückenschmerzen in einer Klinik der Maximalversorgung vor. Bei der ambulanten Untersuchung wurde die Diagnose einer Lumboischialgie gestellt. Wenige Stunden später verstarb der Patient an den Folgen einer letalen Herzbeuteltamponade aufgrund einer histologisch maximal wenige Stunden alten, massiven Aortendissektion bei zystischer Medianekrose. Fall 2: Ein 47 jähriger Patient zeigte im Rahmen der stationären Abklärung pektanginöser Beschwerden (durch die Autoren2, s. o.) wechselhafte thorakale Beschwerden mit Besserung auf Nitrogabe und ohne eindeutige Ischämiekorrelate im EKG. Noch vor Durchführung der geplanten Koronarangiographie verstarb der Patient völlig unerwartet. Die Obduktion ergab eine Herzbeuteltamponade nach supravalvulärer Aortendissektion. Histologisch wies die dissezierte Aortenwand eindeutige Zeichen zurückliegender Mikrorupturen mit Blutungsresiduen in der Umgebung intramuraler Nervenfasern auf, die als morphologisches Korrelat für die pseudopektanginösen Beschwerden gewertet wurden. Beide Fälle zeigen bereits die erhebliche Bandbreite der Symptomatik einer Aortendissektion bei M. Erdheim-Gsell. Gutachterlich ist daher große Zurückhaltung bei Stellungnahmen zur Erkennbarkeit des Grundleidens sowie zur Wahrscheinlichkeit eines bevorstehenden Rupturereignisses geboten. Frühstadien einer sich anbahnenden Aortendissektion bieten vielgestaltige und auch in der Bildgebung oft unspezifische Symptome. Auch bei gesicherter Diagnose ist zudem selbst bei jüngeren Patienten mit einer erheblichen, forensisch relevanten Operationsletalität zu rechnen. Dr. med. Thosten Fink Institut für Pathologie und Zytologie, Dr.-Horst-Schmidt-Kliniken Wiesbaden Ludwig-Erhard-Str. 100, 65199 Wiesbaden Tel: 0611-43 25 40, Fax: 0611-43 31 02 thorsten.fi
[email protected] bzw.
[email protected] P-101 PLÖTZLICHER TOD INFOLGE AUTOIMMUNVASCULITIS Dermengiu D1, Sirbu DG1, Sirbu A1, Curca CG1, Buda O1, Trübner K2 1Nationales Institut für Gerichtsmedizin ”Mina Minovici”, Bukarest, Rumänien 2Institut für Rechtsmedizin, Universitätsklinikum Essen Eine 19-jährige Frau wurde wegen Otalgie, beidseitiger Taubheit und Otopyrrhoe stationär aufgenommen. Die Eingangsdiagnose war eine eitrige Otitis media, die mittels einer petromastoidalen Kürettage und einer Polypektomie therapiert wurde. Die histologische Untersuchung des kürettierten Materials ergab eine granulomatöse Nekrose bei diskreten vaskulitischen Veränderungen. Unterstützt durch weitere Untersuchungsbefunde – Röntgen-Thorax, Erhöhung unspezifischer Entzündungsmarker, ein erhöhter Titer der anti-Neutrophilen-cytoplasmatischen Antikörper (ANCA) – wurde die Verdachtsdiagnose einer Wegenerschen Granulomatose gestellt. Die Frau wurde in sehr gutem Zustand ohne weitere spezifische Therapie aus dem Krankenhaus entlassen Drei Wochen nach der Entlassung klagte die Frau über plötzliche Schwäche, Kurzatmigkeit und Muskelschmerzen in den unteren Extremitäten. Sie verstarb unerwartet im Krankenwagen auf dem Transport zum Krankenhaus. Die Obduktion ergab eine Myokardhypertrophie, eine massive Thrombose im rechten Vorhof und im rechten Ventrikel sowie diffuse myocardiale und renale granulomatöse Läsionen. Histologisch fanden sich multiple Herde einer chronisch granulomatösen Entzündung mit reichlich Eosinophilen im Lungen- und im Nierengewebe,
disseminierte Herde einer nekrotisierenden Arteriitis mit Eosinophileninfiltrat und eine nekrotisierende Glomerulonephritis. Dieser histologische Befund deutete auf ein Churg-Strauss-Syndrom hin. Todesursache war ein plötzlicher Herztod infolge einer massiven intrakardialen Thrombose bedingt durch eine parietale Endokarditis ohne Klappenbeteiligung. Die initiale endokarditische Läsion (verursacht durch eine nekrotisierende endokardiale Autoimmunvaskulitis) löste den Prozess der Thrombozytenaggregation aus. Obwohl die Initialsymptome und der erhöhte ANCA-Titer eher auf das Vorliegen einer Wegenerschen Granulomatose hindeuten, sprechen die histologischen Befunde (insbesondere die kardiale Beteiligung), die Präsenz eines erhöhten ANCA-Titers, die klinischen und die Laborbefunde eher für ein Churg-Strauss-Syndrom mit ungewöhnlichem Beginn. Dieser Fall illustriert die Schwierigkeit, diese Erkrankung in eine der Formen der ANCA – assoziierten Vaskulitiden der kleinen /mittleren Gefäße einzugrenzen, entsprechend den Diagnosekriterien des American College of Rheumatology. Dan Dermengiu National Institute of Legal Medicine ”Mina Minovici” str. Vitan-Barzesti 9-11, sector 4, 042122 Bukarest / Rumänien Tel. 004021. 332 50 08, Fax. 004021. 334 62 60 e-mail:
[email protected], WEB SITE: http://www.legmed.ro P-102 1100 POST-MORTAL ÜBERPRÜFTE SCHRITTMACHER IN 4 JAHREN: ABSCHLUSSBERICHT UND WEGE FÜR DIE ZUKUNFT Junge M1, Lühring O1, Bandholz J1, Stepp K1, Weckmüller J2, Nägele H3, Püschel K1,4, Riße M5 1Inst. f. Rechtsmedizin, UKE, Hamburg 2Med. Klinik II, Univ. Klinikum Lübeck, Lübeck 3Krankenhaus Reinbek, St. Adolf-Stift, Hamburg 4Gruppe der postmortalen Schrittmacherüberprüfer (PMPS) 5Institut für Rechtsmedizin, Universitätsklinikum Gießen Im Rahmen der PMPS Studie wurde in den letzten 4 Jahren im Krematorium Hamburg-Öjendorf bei 1109 Verstorbenen ein Herzschrittmacher (PM) diagnostiziert. In-situ Untersuchungen konnten in 669 Fällen durchgeführt werden: 387 telemetrische Abfragen, 460 Ableitungen der PM-Impulse an der Leichenoberfläche. Alle PM wurden post-explantationem telemetrisch abgefragt, in 18 Fällen konnte dies erst nach Anschluss einer neuen Batterie erfolgen. Der Funktionszustand der PM (n=1085) gliedert sich wie folgt: 900 IO, 93 ERI, 45 EOL, 9 erst nach Reset IO, 3 auf VVI herunterprogrammiert, 1 defekter Konnektor. In 8 Fällen wurde eine Programmierung auf 30bpm kurz vor dem Tod diagnostiziert. Die mittlere Implantationsdauer betrug 4,04a±3,32a (n=467), die letzte Nachsoge war im Mittel vor 330d±416d, die Perzentilen 0/25/50/75/100 lagen bei 3d/64d/180d/388d/2859d (n=232). Als reliabelste und objektivste Methode stellte sich die telemetrische, in-situ Abfrage der Generatoren heraus. Nur mit ihr ließen sich definiert Batteriezustand und Elektrodenimpedanz des implantierten Systems bestimmen. Bei einer telemetrischen Abfrage post-explantationem kann es aufgrund der Kappung der Elektrodenkabel zu Problemen der Validität der ausgelesenen Daten, insbesondere der verbleibenden Batteriekapazität, kommen. Die elektrische Ableitung des PM-Impulses an der Leichenoberfläche erwies sich als sehr störanfällig und bedarf zur routinemäßigen Anwendung ein in Messtechnik erfahrenes Personal. Aussagen über Elektrodenimpedanz und Rest-Batteriekapazität bedürfen bei dieser Methode gesonderter Messungen. Es konnte gezeigt werden, dass zur Diagnose eines natürlichen Todes, sei es in der ersten oder zweiten äußeren Leichenschau, unerlässlich ist, den PM zu überprüfen. Am sichersten geschieht dies durch telemeRechtsmedizin 4 · 2004
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trische Abfrage. Zur vollständigen Evaluation der programmierten Parameter ist eine retrospektive Erhebung der Krankengeschichte erforderlich. P-103 HISTOMORPHOMETRISCHE UNTERSUCHUNGEN DER AORTENMEDIA IN UNTERSCHIEDLICHEN ABSCHNITTEN BEI MAKROSKOPISCH WEITGEHEND UNAUFFÄLLIGEN AORTEN Bockholdt B1, Meyer R2, Hetzer R2, Schneider V1 1Charité – Universitätsmedizin Berlin, Campus Benjamin Franklin, Institut für Rechtsmedizin, Hittorfstr. 18, 14195 Berlin 2Deutsches Herzzentrum Berlin, Augustenburger Platz 1, 13353 Berlin Die Bemühungen, mikroskopisch erhobene Befunde zu quantifizieren, sind über 300 Jahre alt. Die Geschichte begann bei ersten Versuchen, anhand von Objekten bekannter Größe auf die Größe mikroskopisch erkennbarer Strukturen zu schließen, reicht heute bis zur modularen Bildanalyse bzw. geht bereits weit darüber hinaus. Histomorphometrische Verfahren werden in der rechtsmedizinischen Praxis kaum angewendet, sind in der Grundlagenforschung zur quantitativen Erfassung von Veränderungen allgemein anerkannte Verfahren. In der Gefäßpathologie sind quantitative Veränderungen der Aortenmedia bei Aortenwanderkrankungen beschrieben. Um krankheitsbedingte Veränderungen zu erkennen, ist die Kenntnis von Normalwerten erforderlich, hier finden sich in der Literatur lediglich einzelne Arbeiten kleinerer Fallgruppen. Wie verhalten sich ausgewählten Parameter in Bezug zu Geschlecht, Lebensalter, Körperkonstitution, Herzgewicht oder Aortenregion? Material und Methodik: In einem Kollektiv von 103 „aortenunabhängigen“ Todesfällen wurden ausgewählte Parameter der Tunica media (Breite der Media, Breite der elastischen Lamellen, Breite der interlamellären Räume, mittlerer prozentualer Kollagengehalt) der Aorta an verschiedenen Regionen der Aorta (Ao. th. ascendens, Ao. th. descendens, Ao. abdominalis) morphometrisch bestimmt. Zur Anwendung kam das modulare Bildanalysesystem KS 400 (Carl Zeiss Vision). Ergebnisse: Die Mediabreite nimmt von der Aorta th.asc. zur Aorta abd. ab. Unterschiede in Geschlecht oder Konstitution waren nicht feststellbar. Die durchschnittliche Breite der Einzellamelle lag bei 3,1- 3,2 µm in allen untersuchten Aortenabschnitten. Bei den Frauen war ein Trend zu breiteren elastischen Lamellen erkennbar. Die Breite der interlamellären Räume war in der Ao. th. desc. mit 9,7 µm am geringsten, lag in der Ao. th. asc. bei 10,6 µm und in der Ao. abd. Bei 11,1 µm. Der durchschnittliche prozentuale Kollagengehalt der Aortenmedia betrug in der Ao.th.asc. 21,5 %, in der Ao. th. desc. 20 % und in der Ao. abd. 19 %. Bei der Quantifizierung des Kollagengehaltes war in allen untersuchten Aortenabschnitten ein höchst signifikanter Unterschied zwischen der inneren und äußeren Mediahälfte nachweisbar. Der Kollagengehalt lag in allen Aortenabschnitten in der inneren Mediahälfte über dem der äußeren Mediahälfte. In der Literatur ist dieser Unterschied bisher in dieser Form nicht beschrieben. Diese Untersuchungen stellen die Grundlage für vergleichende Untersuchungen bei Aortenwanderkrankungen dar.
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P-104 KATECHOLAMINKONZENTRATIONEN IM LIQUOR, URIN UND IN DER AUGENKAMMERFLÜSSIGKEIT IN ABHÄNGIGKEIT VON DER TODESART UND DER AGONIEZEIT Breitmeier D1, Wilke N1, Janßen H1, Fahrenhorst C2, Hecker H3, Manns MP2, Brabant EG2, Tröger HD1 1Institut für Rechtsmedizin, Medizinische Hochschule Hannover, Carl-Neuberg-Str.1, 30625 Hannover 2Zentrum Innere Medizin, Abt. Gastroenterologie, Hepatologie und Endokrinologie, Medizinische Hochschule Hannover, Carl-Neuberg-Str.1, 30625 Hannover 3Institut für Biometrie, Medizinische Hochschule Hannover, Carl-Neuberg-Str.1, 30625 Hannover Die Angaben in der Literatur über Katecholaminkonzentrationen bzw. Katecholaminquotienten im Liquor und Urin bei bestimmten Todesarten mit unterschiedlicher Agoniedauer sind uneinheitlich, zur Augenkammerflüssigkeit fehlen sie ganz. Ein Zusammenhang zwischen den Katecholaminen, insbesondere des Adrenalin-Noradrenalin-Quotienten, und der Todesart bzw. Agoniedauer könnte bei diffentialdiagnostischen Überlegungen bezüglich der jeweiligen Todesursache hilfreich sein. Es wurden bisher 70 Leichen mit kurzen (Sekunden bis Minuten) und langen (mehrere Stunden) Agonieintervallen sowie unterschiedlichen Todesarten untersucht. Liquor wurde durch occipitale Punktion, Augenkammerflüssigkeit durch Punktion der vorderen Augenkammer sowie der Urin durch Katheterisierung bzw. direkte Eröffnung der Blase entnommen. Ferner wurden das Geschlecht, das Alter, Größe und Gewicht, die Todeszeit und die Leichenliegezeit sowie die Lagerungszeit der Leiche in der Kühlbox bis zur Materialentnahme dokumentiert. Das Probenmaterial wurde bis zur Messung der Katecholamine mittels HPLC kontinuierlich gekühlt. Im Liquor war der Adrenalin-Noradrenalin-Quotient bei 58 untersuchten Leichen im Mittel kleiner als 0,4. Ein signifikanter Unterschied zwischen der jeweiligen Todesart und der Agoniezeit konnte nicht verifiziert werden. Die Adrenalin-Noradrenalin-Quotienten im Urin (n=29) lassen ebenfalls keinen Rückschluss auf die Todesart und die Agoniedauer zu. Die Noradrenalinkonzentrationen sind um ein vielfaches höher als die Adrenalinkonzentrationen. In der Augenkammerflüssigkeit (n=59) ist die Höhe des Noradrenalins gegenüber der des Adrenalins bei den Todesarten Erhängen und Ersticken mit kurzer Agonie um den Faktor 14, bzw. 12 erhöht. Bei Todesarten mit langer Agonie ist das Noradrenalin um den Faktor 10 gegenüber dem Adrenalin erhöht. Diese großen Konzentrations-unterschiede fanden sich in keiner der anderen untersuchten Körperflüssigkeiten. Hierdurch ergeben sich für die Augenkammerflüssigkeit charakteristisch niedrige Adrenalin-Noradrenalin-Quotienten von unter 0,12. Zusammenfassend ist festzustellen, dass das Noradrenalin im Liquor, Urin und in der Augenkammerflüssigkeit um ein vielfaches höher ist, zum Teil um mehrere Zehnerpotenzen, als das Adrenalin. Der Adrenalin-Noradrenalin-Quotient ergab keinen statistisch signifikanten Unterschied im Zusammenhang mit der Todesart und der Agoniedauer.
Abstracts P-105 POSTMORTALE KONZENTRATIONSBESTIMMUNG VON STRESSHORMONEN IM HERZBLUT UND OBERSCHENKELVENENBLUT IN BEZIEHUNG ZUR TODESART UND AGONIEDAUER Breitmeier D1, Wilke N1, Janßen H1, Fahrenhorst C2, Hecker H3, Manns MP2, Brabant EG2, Tröger HD1 1Institut für Rechtsmedizin, Medizinische Hochschule Hannover, Carl-Neuberg-Str.1, 30625 Hannover 2Zentrum Innere Medizin, Abt. Gastroenterologie, Hepatologie und Endokrinologie, Medizinische Hochschule Hannover, Carl-Neuberg-Str.1, 30625 Hannover 3Institut für Biometrie, Medizinische Hochschule Hannover, Carl-Neuberg-Str.1, 30625 Hannover Der Literatur ist ein Zusammenhang zwischen dem Quotienten der Katecholamine aus Adrenalin und Noradrenalin und der Todesart sowie der Agoniedauer zu entnehmen. Es ist beschrieben, dass bei langen Agoniephasen das Adrenalin doppelt so hoch ist wie bei kurzer Agonie, insofern der Quotient aus Adrenalin und Noradrenalin immer größer als 1 sein soll, abhängig vom jeweiligen Körperkompartiment. In der vorliegenden Arbeit wurde bisher von 54 Leichen bei Obduktionen und Leichenschauen Oberschenkelvenen-blut und von diesen bei 24 Leichen im Rahmen der Obduktion Herzblut zur Bestimmung von Adrenalin und Noradrenalin entnommen. In der Literatur findet sich keine einheitliche Einteilung zu den Agonieintervallen im Zusammenhang mit der TodesArt. Im Rahmen unserer Untersuchungen galten Zeiträume von wenigen Sekunden bis Minuten als kurze Agonie, Zeiträume von mehreren Stunden als lange Agonie. Erfasst wurden zudem Geschlecht, Alter, Größe und Gewicht, Vorerkrankungen und die Todesursache. Im Weiteren wurden die Zeitspanne zwischen Todeszeitpunkt und Eintreffen in der Kühlkammer, die Verweildauer in der Kühlkammer bis zur Probenentnahme, sowie die Dauer von der Probenentnahme bis zum Eintreffen und Bearbeiten der Proben im Labor festgehalten. Die Proben wurden zwischen Entnahme und Messung im Labor mittels HPLC bei 4° C gelagert. Im Herzblut (n=24) war die Adrenalinkonzentration, unabhängig von der Todesart und des Agonieintervalls, immer größer als die Noradrenalinkonzentration, insofern der Quotient aus Adrenalin und Noradrenalin stets größer als 1. Im Oberschenkelvenenblut (n=54) ergibt sich hingegen, dass die Noradrenalinkonzentration, ebenfalls unabhängig von der Todesart und der Agoniedauer, größer ist als die Adrenalinkonzentration. Der Quotient aus Adrenalin und Noradrenalin ist immer kleiner als 1. Zusammenfassend ist aufgrund unserer Untersuchungen entgegen der Literaturdaten auszuführen, dass kein statistisch signifikanten Unterschied zwischen den jeweiligen Agonieintervallen und den Todesarten hinsichtlich des Adrenalin-Noradrenalin-Quotienten besteht. P-106 ÜBER POSTMORTALE VERÄNDERUNGEN DER KATECHOLAMINKONZENTRATIONEN Wollersen H, Maylahn MA, Mußhoff F, Madea B Institut für Rechtsmedizin der Universität Bonn Einführung: Katecholamine zählen zu der Gruppe der Stresshormone und bewirken eine katabole Umstellung des Stoffwechsels. Sie erhöhen die Leistungsfähigkeit durch Steigerung der Herzfrequenz, des Schlagvolumens und des Blutdruckes, durch Erweiterung der Bronchien und Drosselung der gastrointestinalen Durchblutung zugunsten der Skelettmuskulatur. Postmortal können Veränderungen der Katecholamin-Konzentrationen aufgefunden werden, insbesondere nach Stress in der Agoniephase. In einer prospektiven Studie sollen postmortal Katecholamin-Konzentrationen in unterschiedlichen Blutkompartimenten oder anderen Körperflüssigkeiten bestimmt werden. Bei einer Methodenentwicklung sind insbesondere auch prä-
analytische Faktoren (Oxidationsempfindlichkeit der Analyten) zu beachten. Methodik: Zur Bestimmung von Katecholaminen wird ein HPLC/ ECD-Verfahren entwickelt. Bei der Asservation von authentischem Probenmaterial werden Stabilisatoren ausgetestet. Ergebnisse: Bewährt hat sich ein Stabilisatorengemisch aus EGTA (Ethylenglycoltetraessigsäure) und Glutathion. Zur Aufarbeitung der Proben wird eine Festphasenextraktion mit Aluminiumoxid verwendet. Die Trennung erfolgt über eine RP 18 Säule mit einem Methanol/ Wasser Gemisch als mobiler Phase. Der simultane Nachweis von Adrenalin, Noradrenalin und Dopamin erfolgt mittels elektrochemischer Detektion mit einer Detektorspannung von 0,48V. Die Nachweisgrenze liegt bei 10 pg/mL und die Linearität bei 10-1000 pg/mL. Diskussion: Die ermittelten Katecholamin-Konzentrationen in den unterschiedlichen Blutkompartimenten und Körperflüssigkeiten werden in Abhängigkeit von der Todesursache diskutiert. P-107 WISCHNEWSKI-FLECKEN. VERGLEICH DER DATEN DER ERSTPUBLIKATION 1895 MIT HEUTIGEN UNTERKÜHLUNGSTODESFÄLLEN AUS DER REGION KASAN IN RUSSLAND Spiridonov VA1, Ehrlich E2, Nigmatullin NS1 1Institut für Rechtsmedizin, Medizinische Universität Kasan, Republik Tatarstan, Russland 2Institut für Rechtsmedizin, Campus Benjamin Franklin, Charité Berlin Die Magenschleimhauthämorrhagien als Zeichen einer allgemeinen Unterkühlung wurden erstmalig 1895 von dem russischen Landarzt S.M. Wischnewski beschrieben. Er arbeitete im Landkreis Tscheboksary an den Ufern der Wolga in der Nähe der Stadt Kasan. S.M. Wischnewski fand bei 44 Obduktionen an einer Hypothermie Verstorbener in 40 Fällen (91 %) Magenschleimhautblutungen, die bis heute im deutsch- und russischsprachigen Raum seinen Namen tragen. Die Wischnewski-Flecken haben sich in ihrer mehr als 100-jährigen Geschichte als ein verlässliches Zeichen einer terminalen Hypothermie erwiesen; die Epidemiologie der Häufigkeit dieses Zeichens variiert jedoch beträchtlich (von 40 % bis 91 %). Die breit streuenden Daten sind sicherlich unter anderem auf die unterschiedlichen klimatischen Zonen, aus denen die Untersuchungskollektive stammen, zurückzuführen. Um zu überprüfen, ob die Daten des Kreisarztes S.M. Wischnewski, die er vor rund 110 Jahren sammeln konnte, mit den heutigen Obduktionsbefunden bei Unterkühlten übereinstimmen, wurden aus der gleichen Region Kasan aus dem Obduktionsgut des regionalen Institutes für Rechtsmedizin alle Unterkühlungstodesfälle (88 Hypothermien von 4226 Obduktionen aus dem Jahr 2003) anhand von Obduktionsprotokollen analysiert. Die Auswertung zeigte, dass Wischnewski-Flecken in 78 % der Fälle beschrieben wurden. Der Vergleich mit einer größeren epidemiologischen Studie aus Deutschland zeigte trotz klimatischer Standortunterschiede überraschende Übereinstimmungen. So fanden Madea, Preuß und Lignitz aus Bonn und Greifswald Wischnewski-Flecken in 74 Fällen von 95 (77 %) an einer allgemeinen Unterkühlung verstorbenen. Interessanterweise wird in Russland eine ganze Reihe von Unterkühlungsmerkmalen systematisch erhoben, die in Deutschland weitgehend unbekannt sind. Hier drei Beispiele mit Angaben zur Häufigkeit aus unserem Untersuchungskollektiv: „Leerer Hodensack“ (87 % der Männer /die Hoden hochgezogen und am Anulus inguinalis superficialis des Leistenkanals tastbar/); Gänsehaut (69 %); Schleimhautblutungen des Nierenbeckens (42 %). Der Originalartikel von S.M. Wischnewski, der kürzlich zum ersten Mal aus dem Alt-Russischen in die deutsche Sprache übertragen wurde, wird von den Autoren bereitgestellt.
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P-108 MUKOSA-ASSOZIIERTES LYMPHATISCHES GEWEBE (MALT) IM RESPIRATIONSTRAKT – HINWEIS AUF EINE WIEDERHOLTE IMMUNSTIMULATION BEIM SID? Debertin AS1, Tschernig T2, Larsch K3, Tröger HD1, Pabst R2 1Institut für Rechtsmedizin, Medizinische Hochschule Hannover, Carl- Neuberg- Str.1, 30625 Hannover 2Funktionelle und Angewandte Anatomie, MHH, Hannover 3Institut für Rechtsmedizin, MHH, Außenstelle Oldenburg In früheren eigenen Arbeiten konnte gezeigt werden, dass bronchusassoziiertes lymphatisches Gewebe (BALT) und nasen-assoziiertes lymphatisches Gewebe (NALT) in ca. 40 % der Todesfälle im ersten Lebensjahr vorhanden sind, wohingegen larynx-assoziiertes lymphatisches Gewebe (LALT) bei den meisten Fällen (80 %) zu beobachten war. Dabei war jeweils kein Unterschied zwischen SID und Kontrollen gefunden worden. Wir stellten nun die Hypothese auf, ob bei SID-Fällen als Zeichen einer erhöhten chronischen Stimulation, z. B. rezidivierende Infekte des Schleimhautimmunsystems, eine höhere Koinzidenz dieser Strukturen zu finden ist. Dazu wurden 35 Kinder (26 SID-Fälle und 9 Kontrollen) mit dem Vorhandensein von NALT im Alter von 18 bis 338 Tagen ausgewertet und auf eine Koinzidenz von BALT und LALT geprüft. Als Kontrolle wurden 11 Kinder (9 SIDFälle und 2 Kontrollen) in vergleichbarem Alter ausgewählt, die kein NALT aufwiesen. Dabei fand sich eine hohe Koinzidenz von LALT (ca. 80 %), aber auch von BALT (ca. 70 %). Zwischen SID und Kontrollen bestand kein signifikanter Unterschied. In der Kontrollgruppe ohne NALT betrug die Inzidenz von BALT dagegen nur ca. 30 %. Schlussfolgerungen: 1. Im integrierten Schleimhautimmunsystem gibt es ein gemeinsames Auftreten von typischen schleimhaut-assoziierten lymphatischen Strukturen. 2. Ein Hinweis auf eine besondere möglicherweise generalisierte Immunstimulation des mukosalen Immunsystem bei SID konnte nicht gefunden werden. Dr. A.S. Debertin Institut für Rechtsmedizin, Medizinische Hochschule Hannover Carl- Neuberg- Str.1, 30625 Hannover Tel.: +49 (0) 511 532- 4589, Fax: +49 (0) 511 532- 5635 e-mail:
[email protected] P-109 HEXAVALENTE IMPFSTOFFE UND PLÖTZLICHER SÄUGLINGSTOD. ERGEBNISSE DER BMBF-STUDIE (GESID) Bajanowski T1, Vennemann M3, Butterfaß-Bahloul T2, Brinkmann B2, Jorch G4 für die GeSID-Gruppe 1Institut für Rechtsmedizin, Universitätsklinikum Essen, 2Institut für Rechtsmedizin, Universitätsklinikum Münster, 3Institut für Rechtsmedizin, Universitätsklinikum Freiburg 4Klinik für allgemeine Pädiatrie und Neonatologie, Universitätsklinikum Magdeburg Im Oktober 2000 wurden in Deutschland zwei hexavalente Impfstoffe (Hexavac, Aventis Pasteur und Infanrix Hexa, GlaxoSmithKline) eingeführt, die 15 verschiedene Antigen enthalten und Impfschutz gegen Erkrankungen durch Poliomyelitis, Diphtherie, Tetanus, Pertussis, Haemophilus influenzae Type B und Hepatitis B schützen sollen. Bis zum April 2003 wurden in Europa 8,7 Mio. Dosen verkauft und etwa 3 Mio. Kinder immunisiert. Unter den 130 Fällen von plötzlichem Säuglingstod, die im letzten Jahr (11/2000 bis 10/2001) der BMBF-Studie analysiert wurden, verstarben 12 innerhalb von 14 Tagen nach einer Impfung. Lediglich in 6 Fällen waren Sechsfachimpfstoffe angewendet worden, wie die retrospektive Befragung der impfenden Kinderärzte ergab. 3 dieser 6 Säuglinge verstarben innerhalb von 48 Stunden nach Impfung. Bei Berücksichtigung der Fallerfassung in der Studie lässt sich die Gesamtzahl der Todesfälle, die in der Studienregion innerhalb von
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48 Stunden nach Sechsfachimpfung in dem genannten 12-Monatszeitraum auftraten auf 5 berechnen. Diese Häufigkeit ist 2,5-fach größer als jene, die sich für einen „zufälliges“ Zusammentreffen von Impfung und Tod innerhalb von 48 Stunden ergibt. P-110 SCHAUMZELLPNEUMONIE – KALKULIERBARES NARKOSERISIKO? Henn V, Kleiber M, Heide S Institut für Rechtsmedizin der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg Ambulante „Operationen“, die in sog. Kurznarkosen erfolgen, finden insbesondere in der Zahnmedizin, wenn es um aufwendigere Behandlungen geistig behinderter Personen geht, immer häufiger Anwendung. Sie bedürfen einer sorgfältigen Abwägung aller Für und Wider und entsprechender Vorsorgeuntersuchungen. Dass es trotz Einhaltung aller Vorsichtsmaßnahmen zu tödlichen Zwischenfällen kommen kann, wird an folgendem Fall dargestellt: Bei einer 33jährigen Patientin wurde eine Extraktion der Unterkieferschneidezähne in Narkose (Intubation, halbgeschlossenes Narkosesystem) unter Assistenz eines Anästhesisten durchgeführt. Nach erfolgreicher Extraktion kam es bei der Ausleitung der Narkose zum Blutdruckabfall und zum Anstieg der Herzfrequenz bei gleichzeitigem Rückgang der Sauerstoffsättigung. Die Reanimationsbemühungen des Anästhesisten und des hinzugezogenen Notarztes blieben erfolglos. Bei der Obduktion (5 Tage nach Todeseintritt!) konnten regelrechte Operationsverhältnisse festgestellt werden. Auffällig waren bis zu 1mm große weiße Indurationen in allen Abschnitten der minderbelüfteten Lungen. Die histologische Untersuchung ergab eine Schaumzellpneumonie, die als Ursache für einen verminderten Gasaustausch infrage kommt und somit als wichtiger Faktor für den Eintritt der Narkosekomplikation anzusehen ist. P-111 INFEKTIONEN MIT VIRUSHEPATITIS TYP B UND C IM KRANKENHAUS – EIN RECHTSMEDIZINISCHES PROBLEM IN POLEN Chowaniec C, Rygol K, Chowaniec M Institut für Gerichtsmedizin der Schlesischen Medizinischen Akademie, Katowice, Polen An polnischen Gerichten werden jährlich tausende Anträge auf Schadensersatz wegen Infektionen mit Virushepatitis (HBV und HCV), welche sich die Patienten im Krankenhaus zugezogen haben, gestellt. Die Gerichte versuchen festzustellen, ob die Wahrscheinlichkeit einer Ansteckung im beklagten Krankenhaus bestanden hat, nur wenn diese bestand, berücksichtigen sie die Klage. Oft nehmen die Gerichte aus Mangel an Gegenbeweisen des beklagten Krankenhauses lediglich die Möglichkeit, dass die Infektion im Krankenhaus stattfand, als gegeben an. In den letzten Jahren beobachteten wir einen wesentlichen Anstieg eingereichter Zivilklagen ehemaliger Patienten auf Schadensersatz wegen gesundheitlichen Nachteilen in Verbindung mit einer während der Diagnostik oder Behandlung im Krankenhaus erworbenen Infektion. Die meisten Klagen betreffen dabei eine erworbene Virushepatitis B und C Infektion. Die vom Institut für Gerichtsmedizin in Katowice in den Jahren 1993 bis 2003 untersuchten Fälle werden insbesondere unter Berücksichtigung der Kompliziertheit dieser Erscheinung als epidemiologischer Aspekt aus rechtsmedizinischer Sicht vorgestellt.
Abstracts K. Rygol Institut für Gerichtsmedizin der Schlesischen Medizinischen Akademie ul. Medykow, 40-752 Katowice Tel.: +48-322521331 E-mail:
[email protected] P-112 HÄUFIGKEIT VON MILZMETASTASEN IN EINEM GROSSEN OBDUKTIONSGUT Schön C, Moll R, Barth P Institut für Pathologie, Klinikum der Philipps-Universität Marburg Einleitung: Milzmetastasen gelten als selten. Dies wird durch Symptomarmut, mangelnde Gründlichkeit bei der Untersuchung und organspezifische Eigenschaften begründet. Durch immunhistologische Nachuntersuchung von histologisch als tumorfrei beschriebenen Milzen aus dem Obduktionsgut sollte geprüft werden, ob sich die Häufigkeit von Milzmetastasen gegenüber der vorliegenden Routinediagnostik erhöhen würde. Methoden: Von 1980 bis 1999 fanden sich unter Ausschluss von Tumoren des hämolymphatischen Systems 1898 Patienten mit Malignomen. Die Häufigkeit einzelner Primärtumoren und Metastasierungsorte wurde ausgewertet. Milzen mit bekannten Metastasen sowie Milzen ohne bekannten Tumorbefall von 50 Fällen mit Mammakarzinom und 16 malignen Melanomen wurden immunhistologisch mit sensitiven Markern (CK MNF 116, HMB 45, S100) untersucht. Ergebnisse: Karzinome in Lunge, Dickdarm und Mamma waren die häufigsten Primärtumore; Lymphknoten, Leber und Lunge die häufigsten Metastasierungsorte. Die Häufigkeit von Milzmetastasen betrug 3,2 %. Diese stammten am häufigsten von Bronchialkarzinomen, malignen Melanomen und Mammakarzinomen. Die immunhistologische Untersuchung der als tumorfrei beschriebenen Milzen zeigte zusätzlich in 10 % der Mammakarzinome und 38 % der malignen Melanome einen Tumorbefall der Milz; ohne Immunhistologie betrugen die Werte 4,3 % bzw. 30 %. Diskussion: Die Häufigkeit der Milzmetastasen von 3,2 % lässt sich in die Angaben der Literatur einordnen. Allerdings konnte gezeigt werden, dass die Häufigkeit bei gründlicher Untersuchung ansteigt. Auch traten Milzmetastasen oftmals im späten Krankheitsverlauf auf, so dass anzunehmen ist, dass Tumorpatienten häufig vor Entstehung dieser Metastasen verstarben. Schlussfolgernd sind Milzmetastasen zumindest nicht so selten wie angenommen wird. P-113 KOMPLEXES FEHBILDUNGSSYNDROM EINES 6 MONATE ALTEN MÄDCHENS Padosch SA1, Dettmeyer R1, Schmidt PH1, Knöpfle G2, Bungardt N1, Madea B1 1Institut für Rechtsmedizin, Universitätsklinikum Bonn, Stiftsplatz 12, 53111 Bonn 2Institut für Pathologie, Universitätsklinikum Bonn, Sigmund Freud-Strasse 25, 53127 Bonn Es wird über ein komplexes Fehlbildungssyndrom bei einem 6 Monate alt gewordenen Mädchen berichtet. Das Kind kam nach unauffälligem Schwangerschaftsverlauf in der 38. SSW per Sectio zur Welt (2630 g, 49 cm, APGAR 9/9/10). Wegen einer Gaumenspalte und eines gräulichen Hautkolorites erfolgte die Verlegung in die Kinderklinik. In der Folge kam es zur Ateminsuffizienz bei muskulärer Hypotonie und Stammhirndysfunktion, ebenso zu generalisierten Krampfanfällen. Neben einer Mikrozephalie wurden ein Caroli-Syndrom, eine Nephropathie mit Nephromegalie und rezidiv. Nierenversagen, ein Vorhofseptumdefekt, persistierender Ductus Botalli, Aorteninsuffizienz II–III°, sekretorische Diarrhoe, enteraler Eiweissverlust, exokrine Pankreasinsuffiienz und gastroösophagealer Reflux mit rezidivierten Aspirationspneumonien diagnostiziert. Unter den führenden Symptomen der Nephropathie und des bioptisch gesicherten Caroli-Syn-
droms wurde versucht, häufige Syndrome laborchemisch und mit molekulargenetischen Methoden abzuklären, jedoch ohne Erfolg. Autoptisch wurden die folgenden Befunde erhoben: Körpergewicht 5,8 kg, Körpergröße 65 cm, Hepatomegalie (697 g) bei massiver Erweiterung intra- und extrahepatischer Gallenwege, Galle mit feinsten Konkrementen, freie Durchgängigkeit der Gallenwege. Nephromegalie mit glasig-verwaschenem Nierengewebe. Verwachsungen der Milz mit der Leber und der linken Zwerchfellkuppel bei zum Teil porzellanartiger Verdickung der Milzkapsel; keine Milzvergrößerung. Aszites (50 ml), bilaterale Pleuraergüsse (rechts 10 ml, links 2 ml). Kleines subdurales Hämatom. Histologisch ergab sich das Bild einer Duktalplattendysplasie, bzw. einer kongenitalen hepatischen Fibrose, weiters eine kortical betonte, herdförmig akzentuierte zystische Nierendysplasie mit Einbeziehung zahlreicher, in den tieferen Rindenzonen gelegener Glomeruli in den zystischen Transformationsprozeß. Differentialdiagnostisch waren aufgrund der postmortal erhobenen Befunde nun komplexe Fehlbildungssyndrome, wie die autosomal-rezessive polyzystische Nierenerkrankung (ARKD), Zellweger-Syndrom oder einer Glutarazidurie Typ II zu diskutieren. Die erhobenen Befunde werden demonstriert und unter besonderer Berücksichtigung (differential-) diagnostisch relevanter seltener kongenitaler Fehlbildungssyndrome diskutiert. P-114 SEXUELLE GEWALT: BETREUUNG DER OPFER Burkhardt S, Palmiere C, La Harpe R Institut de Médecine Légale, 9, av. de Champel, 1211 Genève 4, Switzerland Sexuelle Agressionen stellen einen wichtigen Aspekt innerhalb der Gewalt gegen Menschen dar. In den letzten zehn Jahren konnten zunehmend spezielle Strukturen etabliert werden um eine verbesserte Betreuung der Opfer sexueller Gewalt zu ermöglichen. In Genf besteht eine besondere multidisziplinäre Einrichtung mit einer nicht nur somatischen, sondern ebenfalls auch psychologischen und juristischen Betreuung der Gewaltopfer. Die Statistik dieser Einrichtung zeigt, dass seit einigen Jahren die Zahl der Opfer sexueller Gewalt, welche Hilfe im Spital suchen, deutlich angestiegen ist. Die Opfer sexueller Gewalt sind in den meisten Fällen Frauen, allerdings zeigt sich auch eine Zunahme sexueller Gewalt gegen Männer und Kinder. Die Betreuung erfolgt u.a. durch ein Aerzteteam, welche entsprechend ausgebildet sein muss und welches den Erwartungen der Gewaltopfer auf adaequate Hilfe entsprechen können muss. Dazu ist in jedem Einzelfall mit Hilfe eines standardisierten Vorgehens die Erhebung einer möglichst vollständigen Anamnese erforderlich. Gegebenenfalls werden Asservate (Abstriche etc.) genommen und eine Fotodokumentation durchgeführt, um später qualifizierte Aussagen machen zu können. Insbesondere erfolgen ein Screening auf Geschlechtskrankheiten, ein Schwangerschaftstest und molekulargenetische Untersuchungen zum Nachweis genetischen Materials des Täters. Da die Zahl sexuell motivierter Gewalttaten unter dem Einfluss von Drogen und/oder Medikamenten zugenommen hat, sind auch derartige chemisch-toxikologische Untersuchungen zunehmend erforderlich. P-115 AKTUELLE ENTWICKLUNG IN DER RECHTSPRECHUNG ZUR STRAFBARKEIT DES ORGAN- UND GEWEBEHANDELS Henze C, Parzeller M Zentrum der Rechtsmedizin der Johann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt am Main Die Entnahme von Geweben zum Zweck der Heilbehandlung, z. B. der Hornhaut, stellt eine wichtige Aufgabe der Rechtsmedizin dar. Durch das Transplantationsgesetz (TPG) ist das Handeltreiben mit Geweben und Organen, die einer Heilbehandlung dienen sollen, verRechtsmedizin 4 · 2004
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boten (§ 17 I TPG). Ebenso ist gemäß § 17 II TPG die Entnahme, das Übertragen und das Sichübertragenlassen von Organen und Geweben, die Gegenstand verbotenen Organhandels sind, strafbar. Verstöße gegen diese Verbote werden in § 18 I TPG mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe sanktioniert. Die §§ 17, 18 TPG beinhalten keine Legaldefinition des Tatbestandsmerkmals „Handeltreiben“. Für die Interpretation des Begriffs verweist der Gesetzgeber auf die Rechtsprechung des BGH zum BtMG. In einem Rechtssprechungsüberblick zur Strafbarkeit des Organund Gewebehandels werden aktuelle Sachverhalte kurz umrissen sowie deren rechtliche Wertung und Ausführungen zum Strafmaß dargestellt. Eines der bundesweit ersten Urteile erging im November 2001 vor dem AG Homberg/Efze. Ein Jugendlicher, der seine Nieren im Internet zum Verkauf angeboten hatte, wurde wegen versuchten Verstoßes gegen das Organhandelsverbot verurteilt. In einem Urteil des LG München aus dem Jahr 2002 wurde bereits das Versenden von Telefax-Anfragen an Krankenhäuser, in denen der Verkauf von Organen angeboten wurde, als tatbestandliche Verwirklichung des unmittelbaren Ansetzens zum Organhandel angesehen und die Wertung zum Handeltreiben des BtMG übernommen. Ein weiteres Urteil wegen versuchten Organhandels erließ das AG Kassel im Juli 2003. In einem Grundsatzurteil hat das BSG in 2003 über die Cross-over-Spende entschieden. Das Urteil verringert die Anforderungen an die persönliche Verbundenheit zwischen Organspender und -empfänger bei dieser Spendenform und trägt dadurch erheblich zur Erleichterung der Lebendspende bei. Der Gesetzgeber hatte die Intention, ein umfassendes Regelwerk zu schaffen, durch das insbesondere Rechtssicherheit gewährleistet werden sollte. Ungeachtet dessen gibt das Gesetz u. a. in strafrechtlicher Hinsicht Anlass zu Kritik. Die Pönalisierung jeglicher Kommerzialisierung sowie von Ärzten, Spendern und Empfängern diesbezüglich könnte mitursächlich für den Organ- und Gewebemangel sein. Anhand der derzeitigen Rechtslage werden praxisrelevante Vorschläge zum Umgang mit dem TPG vorgestellt und Änderungsvorschläge zur Gesetzeslage erörtert. RA Dr. med. Markus Parzeller, Zentrum der Rechtsmedizin Kennedyallee 104, 60596 Frankfurt am Main Tel.: 069/6301-83576, Fax: 069/6301-83639
[email protected] Rechtsanwaltskanzlei Dr. med. Parzeller Schönbornstr. 22, 63179 Obertshausen P-116 TODESFÄLLE VON ROLLSTUHLFAHRERN Bockholdt B1, Schönfeld C2, Schneider V1 1Charité – Universitätsmedizin Berlin, Campus Benjamin Franklin, Institut für Rechtsmedizin, Hittorfstr. 18, 14195 Berlin 2Charité – Universitätsmedizin Berlin, Campus Mitte, Institut für Rechtsmedizin, Hannoversche Str. 6, 10115 Berlin Die körperliche Behinderung eines Menschen stellt besondere Anforderungen an Pflege und Versorgung der betroffenen Person. Dabei handelt es sich nicht ausschließlich um ältere Menschen. Welche Bedeutung der Behinderung „Rollstuhlfahrer“, in der rechtsmedizinischen Praxis bezüglich aller Todesfälle beizumessen ist, war in der überschaubaren Literatur nicht zu finden. Einzelne kasuistische Beiträge über Todesfälle im Rollstuhl existieren in der forensischen Literatur. Um Aussagen über Todesursachen und Todesumstände von körperlich behinderten Personen, die auf den Rollstuhl angewiesen sind, zu geben, erfolgte die folgende Untersuchung. Material und Methodik: In einer retrospektiven Analyse des Obduktionsgutes der Berliner rechtsmedizinischen Institute wurden 46 Todesfälle von Rollstuhlfahrern ausgewertet.
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Ergebnisse: Bei den verstorbenen (und gerichtlich untersuchten) Rollstuhlfahrern handelte es sich um 26 Frauen (im Alter zwischen 34 und 100 Jahren) und 20 Männer (im Alter zwischen 35 und 97 Jahren). In 18 Fällen war ein natürlicher Tod feststellbar (39 %), in 28 Fällen handelte es sich um eine nichtnatürliche Todesart (61 %). Bei den natürlichen Todesfällen dominierten die Herzkreislauferkrankungen wie stenosierende/verschließende Coronararteriensklerose und der akute Myokardinfarkt bei 72 % aller natürlich Verstorbenen. Sturzverletzungen und die Folgen von Stürzen mit unterschiedlichen Überlebenszeiten dominierten bei den nichtnatürlichen Todesfällen (54 %). Intoxikationen waren in zwei Fällen (7 %) todesursächlich. Suizide stellten von den Todesumständen eher die Ausnahme dar, in drei Fällen (6 %) handelte es sich offensichtlich um einen Suizid. Dieser Aspekt spricht dafür, dass keine außerordentlich hohe Suizidalität unter behinderten Personen, die auf den Rollstuhl angewiesen sind, besteht. P-117 GESCHLECHTSSPEZIFISCHE UNTERSCHIEDE BEI TOETUNGSDELIKTEN – DARSTELLUNG HÄUFIGER FALLKONSTELLATIONEN UNTER PRÄVENTIVEN ASPEKTEN Klotzbach H1, Lentz E2 1Institut für Rechtsmedizin, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, 2Institut für Kriminalwissenschaften, Universität Hamburg Von 1990 bis 2001 wurden 1434 Tötungsdelikte im Großraum Hamburg registriert. Männer, die Frauen oder Kinder töteten (19 %) wurden der Gesamtzahl der weiblichen Täter (7 %) gegenübergestellt. Erste Ergebnisse wurden bereits vorgestellt. Neben der deutlich geringeren Anzahl weiblicher Delinquenten hatten sich Unterschiede hinsichtlich der Tatumstände und der Motivation ergeben. Als Risikofaktoren für die Täter-Opfer-Konstellation beiderlei Geschlechts konnten ein schwacher sozialer Status, vorbestehende häusliche Gewalt sowie Suchtmittelmissbrauch festgestellt werden. Diese traten nicht selten kombiniert auf. In den beiden untersuchten Subgruppen töteten 49 % der Männer ihre Lebenspartnerin, bei den Frauen waren es 36 %. In über ¾ der Fälle der Tötungen des Lebenspartners oder der Partnerin hatten zuvor länger anhaltende Streitigkeiten oft mit körperlichen Auseinandersetzungen und Suchtmittelmissbrauch bestanden. Von 12 % der Täterinnen wurden vorangegangene Misshandlungen häufig auch sexueller Art als unmittelbares Tatmotiv genannt. Der Anteil von Migranten unter den Tätern beiderlei Geschlechts lag deutlich über ihrem Anteil an der Bevölkerung des Hamburger Stadtgebietes. Es dominierten männliche Migranten aus der Türkei (21 % der männlichen Täter). Die Tatumstände der Tötungen von Partnerin oder weiblichen Familienangehörigen ergaben sich in der Regel aus unterschiedlichen Vorstellungen des weiblichen Rollenverhaltens sowie dem Auseinanderbrechen der traditionellen Familienstrukturen dieses Kulturkreises. Bei den männlichen Delinquenten war in 7 % (n=19) der Tötungsdelikte das Opfer ein Kind, bei den weiblichen Delinquentinnen in 34 % (n=34). Insgesamt wurden überwiegend Neugeborene, Säuglinge und Kleinkinder (n=22) von alleinstehenden oder in problematischen Partnerbeziehungen befindlichen Frauen aus schwächeren sozialen Schichten getötet. Männer töteten Kinder nicht selten im Rahmen sog. erweiterter Suizide oder Mehrfachtötungen von Familienmitgliedern. Unter präventiven Gesichtspunkten ergibt sich somit ein gewisser Handlungsbedarf im Bereich der häuslichen Gewalt, des Suchtmittelmissbrauchs sowie der Intergration von Migranten beiderlei Geschlechts. Sinnvoll erscheint die Kooperation und Vernetzung unterschiedlicher Disziplinen und Einrichtungen vor allem im niederschwelligen Bereich. Der Rechtsmedizin kommt hierbei eine zentrale Rolle zu.
Abstracts P-118 EINGRENZUNG DER LEICHENLIEGEZEIT: EINE BEWERTUNG VON 217 FÄLLEN AUS KRIMINALISTISCHER UND ENTOMOLOGISCHER SICHT Amendt J, Gherardi M, Zehner R und Costantini G Institut für forensische Medizin, Johann Wolfgang von Goethe-Universität, Frankfurt am Main Istituto di Medicina Legale, Milano Die Eingrenzung länger zurückliegender Leichenliegezeiten ist eine der Hauptaufgaben der Forensischen Entomologie. Dennoch wird von Seiten der Ermittlungsbehörden noch immer nur zögerlich von ihr Gebrauch gemacht. Es scheint oftmals bereits am Leichenfundort oder aufgrund der in den ersten Stunden nach Auffinden des Leichnams zusammengetragenen Informationen möglich, eine Eingrenzung der Leichenliegezeit vorzunehmen, die meist nicht mehr verifiziert wird. Es ist in diesem Zusammenhang interessant, einen retrospektiven Vergleich solcher kriminalistisch erhobener Daten (z. B. erhalten durch Aussagen von Zeugen, die die Person mutmaßlich das letzte Mal lebend gesehen haben, aufgrund eines nicht geleerten Briefkastens, dem Datum der aufgeschlagenen Fernsehzeitung, usw.) mit den zugehörigen entomologischen Befunden durchzuführen. Unter dieser Fragestellung wurde an den rechtsmedizinischen Instituten von Mailand und Frankfurt am Main das Sektionsgut von drei Jahren ausgewertet. Insgesamt 217 Leichen mit Insektenbefall konnten analysiert werden. In lediglich 65 % aller Fälle war ein Vergleich zwischen entomologischer und kriminalistischer Datenerhebung möglich: Die restlichen Fälle waren von mangelnder entomologischer Asservierung gekennzeichnet und deshalb nicht auswertbar. In den Vergleichsfällen waren meist Unterschiede zwischen den rein kriminalistischen Ermittlungsergebnissen und den entomologischen Befunden zu erkennen. Der Großteil der Abweichungen (~ 75 %) lag dabei zwischen 2 und 5 Tagen. Auch wenn in vielen Fällen eine endgültige Klärung der Liegezeiträume aussteht, illustriert dieses Ergebnis anschaulich die Notwendigkeit entomologischer Asservierungen im Rahmen von Todesermittlungen. P-119 AUSKUNFTSPFLICHTEN VON BEHÖRDEN BEI ORGAN- UND GEWEBESPENDEN Parzeller M1, Rothschild M2, Bratzke H1 1Zentrum der Rechtsmedizin der Johann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt am Main 2Institut für Rechtsmedizin, Klinikum der Universität zu Köln In § 7 Transplantationsgesetz (TPG) sind Auskunftspflichten im Rahmen der Organ- bzw. Gewebeentnahme bei toten Organspendern gesetzlich normiert. Die Auskunftspflicht dient der Information des Arztes, der nach § 3 TPG mit Einwilligung des Organspenders bzw. nach § 4 TPG mit Zustimmung anderer Personen eine Organ- und/ oder Gewebeentnahme plant. Er soll durch die Auskunft Dritter in die Lage versetzt werden, die vom Transplantationsgesetz geforderten rechtlich und medizinisch relevanten Informationen zu erhalten. Der Kreis der zur Auskunft verpflichteten Personen ist in § 7 Abs. 2 TPG enumerativ geregelt. Unter diesen Personenkreis fallen auch Behörden, in deren Gewahrsam sich der Leichnam befindet. Zu diesen Behörden zählt nach dem Willen des Gesetzgebers insbesondere die Staatsanwaltschaft. In einem aktuellen Vorgang bestehen unterschiedliche Auffassungen, ob die Polizei zur Übermittlung personenbezogener Daten bei Hornhauttransplantationen befugt und verpflichtet ist. So wird von einem Polizeipräsidium und einem Landesdatenschutzbeauftragten unter Verweis auf die datenschutzrechtlichen Bestimmungen des § 14 TPG vertreten, dass die Polizeibehörden zur Übermittlung personenbezogener Daten der Angehörigen weder verpflichtet noch befugt sind. Ferner wird ausgeführt, dass die Polizeibehörden von den Auskunftspflichten des § 7 Abs. 2 TPG nicht umfasst seien. Zudem ließe das Landespolizeigesetz eine Übermittlung der Daten der Angehörigen
an den transplantierenden Arzt nicht zu, um die Zustimmung zur Gewebetransplantation einzuholen. Dieser Auffassung wird für den Regelfall der gerichtlichen Leichenöffnung in den rechtsmedizinischen Instituten widersprochen. Es wird der rechtliche Gewahrsamsbegriff des TPG erläutert und dargelegt, warum die Polizei im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren als „verlängerter Arm der Staatsanwaltschaft“ zur entsprechenden Auskunftsleistung verpflichtet ist, um dem gesetzlichen Auftrag aus dem TPG zu entsprechen. Das informationelle Selbstbestimmungsrecht, das postmortale Persönlichkeitsrecht und die Totenfürsorgepflicht der Angehörigen werden durch eine schnelle und zielgerichtete Information der Angehörigen durch Weitergabe von der Daten an die transplantierenden Ärzte besonders beachtet. Um erfolgreich Gewebe transplantieren zu können, ist eine zügige Entscheidung unter strikter Beachtung des Willens des Verstorbenen erforderlich. RA Dr. med. Markus Parzeller, Zentrum der Rechtsmedizin Kennedyallee 104, 60596 Frankfurt am Main Tel.: 069/6301-83576, Fax: 069/6301-83639
[email protected] Rechtsanwaltskanzlei Dr. med. Parzeller Schönbornstr. 22, 63179 Obertshausen P-120 PROJEKTSTART 2004: DAS DEUTSCHE FORENSISCHE SEKTIONSREGISTER Bratzke H1, Parzeller M1, Köster 2 1Zentrum der Rechtsmedizin der Johann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt/ Main 2QSI GmbH, Langen Im Januar 2004 war der Projektstart für das Deutsche Forensische Sektionsregister (DFS). Bei dem Deutschen Forensischen Sektionsregister handelt es sich um ein für Deutschland neues Projekt, das wissenschaftlich schon seit längerer Zeit als Beitrag zur Qualitätssicherung durch eine epidemiologische und bundesweite Auswertung von Obduktion gefordert wird. In dem Beitrag wird der aktuelle Stand (September 2004) des Deutschen Forensischen Sektionsregister vorgestellt, so dass die beteiligten Institute unmittelbar und zeitnah neben dem jährlich zu verfassenden schriftlichen Statusreport über die bundesweit erhobenen Daten unterrichtet werden. Neben der Gesamtzahl der angeschlossenen Zentren wird eine geschlechts- und altersspezifische Darstellung aller gemeldeter Fälle bezüglich Todesart und Todesumstände erfolgen. Zudem werden die Ergebnisse einer das Projekt begleitenden qualitätssichernden Fragebogenaktion vorgestellt, mit der Compliance und Schwierigkeiten bei der Datenerhebung, -erfassung und -versendung eruiert wurden. Mit der schriftlichen Befragung der Anwender in den angeschlossenen rechtsmedizinischen Instituten und Zentren sollten die Installations- und Bedienerfreundlichkeit des Programms sowie der Suchfunktionen erfasst werden. Die Möglichkeit für Verbesserungsvorschläge wurde ebenso vorgesehen wie die Angabe von konkreten Hilfswünschen durch aktiven Support. Statuten für ein das Deutsche Forensische Sektionsregister beratendes wissenschaftliches Komitee unter dem Dach der DGRM werden vor und zur Erörterung gestellt. In der begleitenden Diskussion sollen Unklarheiten beseitigt, Fragen zum Projektstand beantwortet und weitere Anregungen für das Deutsche Forensische Sektionsregister sowie für den jährlichen Statusreport erfasst werden. Prof. Dr. med. Hansjürgen Bratzke Zentrum der Rechtsmedizin, Institut für Forensische Medizin Kennedyallee 104, 60596 Frankfurt am Main Tel. 069-6301-7553, Fax: 069-6301-5882
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P-121 VATERSCHAFTSFESTSTELLUNG NACH DEM TOD EINES BETEILIGTEN UNTER BERÜCKSICHTIGUNG VON POSTMORTALER SCHWEIGEPFLICHT, RECHT AUF KENNTNIS DER EIGENEN ABSTAMMUNG UND TOTENSORGEBERECHTIGUNG Parzeller M, Wenk M, Zehner R, Bratzke H Zentrum der Rechtsmedizin der Johann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt am Main Am 12.2.04 wurde der Gesetzesbeschluss des Deutschen Bundestages zur Änderung der Vorschriften über die Anfechtung der Vaterschaft vom Bundesrat angenommen. Die Gesetzesänderung hat die Rechte des biologischen Vaters gestärkt. In der Praxis bestehen nach wie vor Schwierigkeiten, wenn ein Beteiligter verstorben ist und Angehörige bzw. Dritte nach einer Obduktion von den behandelnden Ärzten Gewebe für Vaterschaftsfeststellungen verlangen. Das Familiengericht ist nach dem Tod eines Beteiligten gemäß § 1600 e BGB für die Entscheidung zuständig. Kenntnisse über die biologische Herkunft sind für das Verständnis der eigenen Persönlichkeit und für deren freie Entfaltung wichtige Faktoren. Der Beitrag befasst sich deshalb mit den rechtlich relevanten Spannungsfeldern des Rechts auf Kenntnis der eigenen Abstammung, dem postmortalen Persönlichkeitsrecht bzw. der ärztlichen Schweigepflicht und der Totensorgeberechtigung. Beim Tod des mutmaßlichen Vaters vor Prozessbeginn kann ein Kindschaftsverfahren nicht mehr nach § 640 ZPO durchgeführt werden, sondern ist ein Verfahren nach §§ 56 c FGG, 621a Abs. 1 ZPO vor dem Familiengericht durchzuführen. Für die gerichtliche Feststellung der Vaterschaftsfrage gemäß § 1600 d BGB können Abstammungsgutachten herangezogen werden. Dabei kann es zu Auseinandersetzungen oder auch Interessenkonflikten zwischen dem Kind, das die Vaterschaftsfrage geklärt haben möchte, und den Totensorgeberechtigten kommen. Nach allgemeiner Auffassung besteht die Schweigepflicht und das Zeugnisverweigerungsrecht des Arztes nach dem Tod des Patienten fort. Aus Art. 2 Abs. 1 GG, dem Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit, i. V. m. Art. 1 GG, der Menschenwürde, wird ein höchstpersönliches Recht des Menschen auf Kenntnis der eigenen biologischen Abstammung abgeleitet. Eine ausdrückliche gesetzliche Regelung zum Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung wurde trotz entsprechender Anregung des Bundesrates noch nicht umgesetzt. Nach allgemeiner Auffassung hat der Totensorgeberechtigte für Klärung von Abstammungsfragen Entnahmen von Gewebeproben analog § 372 a ZPO, z. B. Exhumierung, zu dulden (OLG Dresden (2002) FRP 570–571). Anhand von Fallbeispielen wird in unterschiedlichen Konstellationen die rechtliche Problematik verdeutlicht. Empfehlungen für die tägliche Praxis sollen den Umgang mit diesbezüglichen Anfragen zur postmortalen Vaterschaftsfeststellung erleichtern. RA Dr. med. Markus Parzeller, Zentrum der Rechtsmedizin Kennedyallee 104, 60596 Frankfurt am Main Tel.: 069/6301-83576, Fax: 069/6301-83639
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P-122 DIE BEGUTACHTUNG VON ÄRZTLICHEN BEHANDLUNGSFEHLERN BEI ERSCHWERTER ZUGÄNGLICHKEIT DER OBEREN ATEMWEGE IM ZUSAMMENHANG MIT TODESFÄLLEN BEI SCHWIERIGER INTUBATION AUS RECHTSMEDIZINISCHER SICHT Breitmeier D1, Schoor C2, Wilke N1, Günther D1, Panning B3, Tröger HD1 1Institut für Rechtsmedizin, Medizinische Hochschule Hannover, Carl-Neuberg-Str.1, 30625 Hannover 2Abt. für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Kinderklinik Auf der Bult, Janusz-Korczak-Allee12, 30173 Hannover 3Abt.I Anästhesiologie I/II, Medizinische Hochschule Hannover, Carl-Neuberg-Str.1, 30625 Hannover Schwierige Intubationen kommen im Klinikalltag immer wieder vor. Entscheidendes Kriterium für eine Intubation ist, ob sie schlussendlich erfolgreich war oder nicht. Die American Society of Anesthesiologists (ASA) definiert in ihren 1993 publizierten Practice Guidelines for Management of the difficult Airway drei mögliche Formen des schwierigen Atemweges: 1. die schwierige Maskenbeatmung, 2. die schwierige Laryngoskopie und 3. die schwierige endotracheale Intubation. Das Erkennen von Atemwegsproblemen bei Obduktionen im Zusammenhang mit Behandlungsfehlern bei schwieriger Intubation ist für weitergehende gutachterliche Stellungnahmen von immenser Bedeutung. Ferner sollte der forensische Gutachter Einteilungen der Oropharyngealstrukturen nach „Mallampati“, die Schwierigkeitsgrade der Laryngoskopie nach „Cormack und Lehane“ sowie den Test nach „Patil“ für weitere Begutachtungen kennen. Die klinischen Zeichen können dem forensischen Gutachter einen wichtigen Hinweis zur Differenzierung zwischen einer Fahrlässigkeit oder einem schicksalshaften Ereignis geben. Um Art und Häufigkeit von Atemwegsproblemen zu eruieren, wurden im Institut für Rechtsmedizin der Medizinischen Hochschule Hannover von 1991 bis 2004 sämtliche Obduktionen im Zusammenhang mit einem ärztlichen Kunstfehlervorwurf bei schwieriger Intubation untersucht. Die Untersuchungen haben gezeigt, dass der iatrogene Todesfall in Verbindung mit Intubationsschwierigkeiten ein eher seltenes Ereignis darstellt. Häufig handelte es sich um Tubusfehllagen bzw. nicht korrekt durchgeführte Tracheotomien. Offensichtliche Intubationsschwierigkeiten, wie etwa eine bösartige Erkrankung des Pharynx/ Larynx, eine Struma, Trachealstenosen oder Mediastinaltumoren, wurden im Obduktionsprotokoll festgehalten. Nicht dokumentiert wurden hingegen eine Makroglossie, ein fliehendes Kinn, prominente, lockere Schneidezähne, eine Prognathie, Kieferanomalitäten, eine eingeschränkte Mundöffnung bzw. eine vergrößerte Zungengrunddrüse. Gerade die versteckten Intubationsschwierigkeiten können bei weiteren Begutachtungen, z. B. auch durch erfahrene Kliniker (Anästhesisten), von erheblicher Relevanz sein. Zusammenfassend stellt der Intubationszwischenfall ein eher seltenes Ereignis dar (vermutlich nicht unerhebliche Dunkelziffer). Häufig werden gerade versteckte Intubationshindernisse nicht dokumentiert. Eine Begutachtung sollte in mediokollegialer Zusammenarbeit erfolgen. P-123 DIE RECHTSMEDIZIN IN SERBIEN Matejic D1, Alempijevic DJ2, Savic S2, Schneider V1 1Institut für Rechtsmedizin, Campus Benjamin Franklin, Charité – Universitätsmedizin Berlin 2Institut für Gerichtliche Medizin der Universität Belgrad Die Entwicklung des rechtsmedizinischen Dienstes in Serbien hat im Jahr 1830 mit der ersten Begutachtung von Blutspuren begonnen. Im Jahr 1870 wurde das Fach Rechtsmedizin an der Juristischen Fakultät in Belgrad eingeführt. 10 Jahre später erfolgten die Obduktionen
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Abstracts routinemäßig im Städtischen Krankenhaus in Belgrad. Mit der Gründung der Medizinischen Fakultät in Belgrad im Jahr 1920 wurde der rechtsmedizinische Dienst fast ausschließlich mit den Universitäten verknüpft. Diese Tradition ist bis heute, mit wenigen Ausnahmen, beibehalten worden. Derzeit existieren 5 medizinische Fakultäten, die für die Ausbildung der Ärzte zuständig sind, wobei die Rechtsmedizin als selbständiges Fach mit 90 Stunden unterrichtet wird. Unabhängig davon bestehen noch in drei Städten innerhalb von Städtischen Krankenhäusern rechtsmedizinische Abteilungen und eine rechtsmedizinische Abteilung beim Militär. Insgesamt sind in Serbien 52 Fachärzte für Rechtsmedizin (17 davon in Belgrad) tätig. Die ersten Fachärzte für Gerichtsmedizin wurden in Österreich und Deutschland ausgebildet und somit die deutsche Obduktionstechnik eingeführt, die bis heute als Standard gilt. Ähnlich wie in der Bundesrepublik werden die rechtsmedizinischen Dienste von der jeweils zuständigen Staatsanwaltschaft beauftragt, Obduktionen vorzunehmen und Gutachten zu erstellen, nachdem ein Arzt eine „nichtnatürliche Todesursache“ diagnostiziert hat. Die durchschnittliche Obduktionsrate beträgt in Belgrad 1200 Sektionen pro Jahr. Diese Zahl hat sich auch während und nach dem Zerfall des ehemaligen Jugoslawiens nicht wesentlich verändert. Jedoch bestand in dieser Periode ein Anstieg an tödlichen Schussverletzungen, sowie eine sinkende Selbstmordrate. Trotz der begrenzten finanziellen Mittel in den letzten Jahren konnte der rechtsmedizinische Dienst einen gewissen Standard gewähren, jedoch ist der Bedarf einer Modernisierung, besonders des chemischtoxikologischen Bereiches, groß. In der letzten Zeit besteht aufgrund der neuen Strafgesetz-Änderungen wachsender Bedarf an der Etablierung einer organisierten klinischen Rechtsmedizin und der Einführung einheitlicher forensischklinischer Untersuchungen. Bis jetzt wurden die Opfer von klinisch tätigen Ärzten verschiedener Fachrichtungen untersucht, wobei sich häufig Mängel in dem gefertigten Gutachten sowie das völlige Fehlen von fotografischen Dokumentationen zeigten. Dr./ Univ. Beograd D. Matejic Institut für Rechtsmedizin, Campus Benjamin Franklin, Charité-Universitätsmedizin Berlin, Hittorfstr. 18, 14195 Berlin Tel.: +49 (0) 30 8445-1312. Fax: +49 (0) 30 8445-1354 e-Mail:
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Adamec J P-8 Adamowicz P P-45 Aghayev E P-70, P-71, V-52 Albert M P-47 Albrecht K P-89 Alempijevic D P-123 Algeier-Föll R V-70 Althaus L P-87 Amberg R V-4 Amendt J P-118, V-69, V-83 Anders S V-37 Andersson K E P-89 Andresen H P-62 Arnold R P-36 Auch J V-19 Bachmann C P-39 Bajanowski T V-35a Bajnoczky I P-80 Banaschak S P-54, V-45 Bandholz J P-102 Bär W P-1, P-72, P-73, P-74, P-81, V-36 Baroncini M V-68 Barth P P-112 Bartholl T V-35b Bartsch C V-80 Battmann A P-79 Bauer G V-72 Bauer M P-38, V-46, V-75 Baumann B V-85 Baur MP V-57 Beike J P-46 Benecke M P-20 Bertolini J V-35b Bilang D P-77 Bilkenroth B V-71 Bingel U P-62 Bishop N P-17 Bloch-Bogusławska E P-91 Bockholdt B P-103, P-116 Bode G V-23 Boesch C P-85 Bogerts B V-85 Bohnert M V-22 Boldt P V-16 Böttiger BW V-81 Bouska I V-35 Brabant EG P-104, P-105 Brandstätter A P-34, V-25 Bratzke H P-37, P-40, P-75, P-98, P-119, P120, P-121, V-73 Braun M P-71, P-72, P-74 Braunwarth R P-69 Breitmeier D P-53, P-104, P-105, P-122 Breyer R V-14 Briese BH P-58 Brinkmann B P-24, P-25, P-28, P-46, P-82, P-99, P-109, V-35a, V-35b, V-35c, V-40, V-57, V-58,V-60 Brockmeyer J P-60 Brundiers N P-20 Brüschweiler W P-72, P-74 Bruse P V-66 Buck U P-70, P-71 Buda O P-101 Bungardt N P-113 Burkhardt S P-92, P-114
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Busch U V-84 Butterfaß-Bahloul T P-109 Büttner A P-84 Bux R P-98, V-48, V-73 Celi�ski R P-47 Cerri N V-56 Chowaniec C P-111 Chowaniec M P-111 Chudzikiewicz E P-45 Claessens D P-78 Colombo E V-68 Constantinescu C P-24 Cordes J V-51 Costantini G P-118 Cremer U P-94 Curca CG P-101 Czarnowska I P-49 Dahlenburg R P-46 Dangel S P-1 Darok M P-7, P-43 Dauber EM V-56 De Letter EA P-96 Debertin AS P-108 Dermengiu D P-101 Dettmeyer R P-2, P-57, P-90, P-113, V-79 Dier A P-15 Dirnhofer R P-70, P-71, P-85, V-50, V-52 Dittmann V V-36 Dobberstein R V-67 Dönbak L P-25 Döpfner M V-11 Dreßler J P-6, P-35, V-39 Du Chesne A P-82, P-99, V-35b, V-35c, V-40 Duchstein HJ V-20 Dvorácek I P-66 Edelmann J P-20, P-21, P-23, P-30, V-61 Egyed B P-19, P-22 Ehrlich E P-107, V-34, V-38 Eisenkölbl A P-49 Engelgardt P P-5, P-91 Enger C P-54 Erdmann F P-55, V-10, V-19 Erfurt C P-6 Etzel M V-75 Fahrenhorst C P-104, P-105 Falk J V-18 Fechner G P-82, P-99, V-35c, V-40 Fekete S P-19 Feldner G P-43 Felske-Zech H V-60 Fieguth A P-16 Fimmers R V-57 Fink T P-37, P-100 Fischer L V-59 Fisseler-Eckhoff A P-100 Flechtenmacher C V-47 Frahnert H V-29 Franz S V-83 Friedrich K P-57 Frommherz L P-46 Füredi S P-22 Fürst S V-64
Gamerdinger U V-35d Ganswindt M V-70 Ganten M V-47 Gatternig R P-43 Gehl A P-67 Geibel D P-88 Gerlach K V-36 Geserick G P-77, V-54 Gherardi M P-118 Graß H P-65, V-12, V-13, V-21 Graw M P-8, P-9, P-15 Greenhalgh M P-33 Grellner W V-8 Große Perdekamp M P-69, V-35a Grubwieser P P-32, V-25 Günther D P-122 Hädrich C V-44 Hahn G P-6 Hahn M P-17 Hanisch U V-39 Hanschke B P-35 Hartmann M V-46 Haunold K P-49 Häusler M P-1, P-72, P-73, P-74, P-81 Haussmann M V-80 Hecker H P-104, P-105 Hecser L V-77 Hedlund P P-89 Heide S P-110, V-76 Heidemann D P-76 Heidorn F V-63 Heinemann A P-68 Heinrich M P-28, V-60 Heinrichs T V-51 Henn V P-110, V-76 Henning G P-43 Henßge C P-87 Henze C P-115 Hering S P-20, P-30, P-35, V-61 Herzog C V-48 Hetzer R P-103 Hidegh Z P-41 Hinterseer M P-97 Hoffmann A P-76 Hofmann O V-44 Hohoff C P-24, P-25, P-28, V-57, V-58, V-60 Holley S P-8 Honerkamp J V-22 Hönigschnabl S P-48 Hoppe K V-58 Horisberger B V-36 Hubig M P-84 Hunsaker D V-75 Hunsaker JC III V-75 Huppertz J V-67 Ikematsu K P-27, P-29 Immel UD V-56, V-62 Irnich W V-80 Ith M P-85 Iwersen-Bergmann S P-42, P-52 Jachau K V-24, V-26, V-51, V-84 Jackowski C P-70, P-71, V-52 Janßen H P-104, P-105 Jasek T P-49
Autorenregister Jonas U P-89 Jonkisz A P-23 Jorch G P-109 Jung H V-77 Jung S V-65 Junge M P-102, V-80 Kääb S P-97 Kaever V V-14 Käferstein H P-64, P-94, V-11, V-13, V-16, V-18 Kaiser WA V-45 Kała M P-45 Karger B P-99, V-35b Kauert G P-42, P-52, V-17 Kawecki J V-49 Kernbach-Wighton G V-2, V-39 Kijewski H P-58, V-20, V-28, V-31, V-32 Kimont HG V-12, V-13 Kiss E P-22 Kleemann WJ P-63 Kleiber M P-110, V-56, V-62, V-76 Klein A P-17, P-36, P-54, V-42, V-44, V-45 Klein R P-18 Klintschar M V-56, V-62 Klir P V-35 Klöppel G P-31 Klostermann P V-70 Klotzbach H P-117 Klupp N P-48 Knöpfle G P-113 Koal T V-14 Koch A V-8 Köhler H P-46 Köhler K V-10 Kontadakis K P-19 Köster F P-56, P-120 Kovács A P-41 Kramer N V-63 Krause D P-12, P-36, P-50, V-24, V-26, V-51 Krawczak M P-30, V-61, V-62 Kreis R P-85, V-50 Krell D V-85 Krettek R V-83 Kreutz K P-79, V-53 Krieger S P-48 Kröber S P-67 Krompecher T V-43 Kröner L P-64, P-65, P-94, V-21 Kuhlisch E P-20, V-61 Kühnau W P-30 Kühne O V-37 Kulikowska J P-47 Kurka P P-66 La Harpe R P-92, P-114 Lachenmeier DW V-27 Lachenmeier K V-9 Lasczkowski G V-35d Lambert E P-96 Larsch K P-108 Lebioda A P-23 Lechowicz W P-45 Lehmann S V-8 Leinzinger EP P-7 Leistritz L P-36 Lentz E P-117
Lessig R P-23, P-63 Libiseller K V-25 Lignitz E P-26, V-41, V-59 Lock M P-2 Lövblad KO V-50 Lühring O P-102 Lüttges J P-31 Madea B P-2, P-57, P-59, P-60, P-86, P-90, P-106, P-113, V-7, V-9, V-15, V-41, V-79, V-81 Mágori K P-41 Majdan M P-95 Maksymowicz H V-49 Maksymowicz K P-14, V-49 Mall G P-84, P-97 Mályusz V V-55, V-59, V-67 Manns MP P-104, P-105 Maresch J P-49 Mark L P-80 Markiewicz J P-14, V-49 Mart’áková L P-95 Martinez R P-81 Matejic D P-123 Mateju E V-35 Mattern D P-69 Matthiesen M P-39 Maxeiner H V-34, V-38 Maylahn MA P-106 Mayr WR V-56 McDonald A P-33 Meier M P-49 Meißner C V-66 Merten K P-9 Mettin R V-31, V-32 Meyer M P-50 Meyer R P-103 Michael M P-20 Miething F P-35 Miltner E P-18 Mohnike K V-84 Moll R P-112 Möller K P-24 Molnár A P-44 Mönnichs S V-67 Morlock M P-17 Muggenthaler H P-9, P-15 Müller G P-36 Murmann A P-93 Mußhoff F P-2, P-59, P-60, P-106, V-9, V-15, V-27 Nadolny C V-24 Nägele H P-102 Nakasono I P-27, P-29 Neis P P-37 Nennstiel-Ratzel U V-84 Nigmatullin NS P-107 Nowicka J P-47 Nussbaumer C P-48 Oehmichen M P-39, V-1, V-64, V-66 Oelke M P-89 Oesterhelweg L P-67 Olszowy Z P-47 Olze A P-77, V-54 Ondra P P-66
Ortmann C V-42, V-44 Ösz K P-19 Pabst R P-108 Pach J P-45 Pádár Z P-19, P-22 Padosch SA P-2, P-59, P-90, P-113, V-81 Pahl H V-33 Palmiere C P-92, P-114 Panning B P-122 Parrák V P-95 Parson W P-32, P-34 Parzeller M P-40, P-75, P-93, P-98, P-115, P-119, P-120, P-121, V-73 Patyk AJ V-33 Patzelt D P-38, V-46, V-65, V-75 Pavlic M V-25 Pedal I V-47 Pfeiffer H P-99, V-35a Piccinini A V-68 Piechocki J P-14 Piekoszewski W P-45 Pietsch T P-2 Piette MHA P-96 Plate I P-20, V-61 Poetsch M P-26, V-59 Pogoda P V-37 Pollak S P-10, P-69 Polzin S V-46 Potente S V-38 Pötsch L P-51 Praxl N P-9, P-15 Preim B V-51 Preuß J V-41, V-79 Pufal E P-5, P-45, P-91 Püschel K P-17, P-67, P-102, V-37, V-78 Raab BW P-3, V-33 Rabl W P-32, V-25 Radue EW P-73 Ramsthaler F P-37, P-56, P-75 Raschka C P-98 Rauße K V-60 Reichenbach JR V-45 Reinecke S P-17 Rentsch D P-61 Ricci U V-56 Richter S V-30 Riepert T P-64, P-78 Riße M V-10, V-80 Risser D P-48, P-49 Ritz-Timme S V-67 Rödig A P-86 Roggendorf W V-46 Römhild W P-50 Rommeiß S P-36 Rosentreter Y V-84 Rosenzopf A P-49 Roths T V-22 Rothschild MA P-64, P-65, P-78, P-94, P-119, V-11, V-12, V-13, V-18, V-21 Rottmann A P-100 Rueger JM V-37 Rummel J V-74 Rygol K P-111 Rzanny R V-45
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Saternus KS P-3, P-4, V-33 Savic S P-123 Scharrer M P-49 Scheed A P-49 Scheithauer R P-32 Scheurer E P-85 Schillaci DR V-68 Schlimmer J V-14 Schmeling A P-77, V-54 Schmidt A V-47 Schmidt P P-57, P-90 Schmidt PF P-82, V-35c, V-40 Schmidt PH P-113, V-81 Schmidt S P-77, V-54 Schmidt U P-6, P-10 Schmidtke J P-30 Schmiederer B V-35c, V-40 Schmoldt A P-62, V-6 Schneider K P-15 Schneider PM V-5 Schneider U V-14 Schneider V P-103, P-116, P-123, V-70 Schön C P-112 Schoner J V-44 Schönfeld C P-116 Schöning R P-12 Schönpflug M P-9, P-15, P-17 Schoor C P-122 Schultes A P-78 Schulz P P-17 Schütz H P-55, V-10, V-19, V-82 Schwark T P-31, V-55 Schweitzer W P-1, P-72, P-73, P-74, P-81 Schyma C V-30 Seibel O P-17 Seilwinder J V-44 Sevecke K V-11 Šidlo J P-95 Siegmund B V-31, V-32 Siklodi PK V-77 Simeoni E P-39, V-55 Sinicina I P-84, P-97 Sirbu A P-101 Sirbu DG P-101 Skala M P-3 Skopp G P-51 Sliwka K P-5, P-45 Sobotka M P-78 Solbrig-Lebuhn H P-33 Sonnenschein M P-70, V-52 Spiridonov VA P-107 Stachetzki U P-79 Stanˇková M P-66 Starke I V-84 Stasicki B V-29 Steffan H P-7 Steidl M V-13 Stein KM V-47 Steinlechner M P-32 Stepp K P-102 Steppuhn A P-100 Stertmann WA V-80 Stichenwirth M P-48 Sticht G V-11, V-21 Stiel M P-90 Stiller D V-76 Stückradt S P-87
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Szabó Á P-13 Szep S P-76 Szibor R P-20, P-26, P-30, P-36, V-61, V-84
Wollersen H P-60, P-106, V-9 Wolska E P-5, P-91 Wyler D P-73, V-36
Teske J P-53, V-14 Tetzlaff S P-34 Thal D P-2 Thali M P-70, P-71, P-85, V-52 Thiel S P-4 Thies N P-67 Thoben M V-20 Thorspecken J P-51 Thüte S P-82 Toennes SW V-17 Tomasch E P-7 Tomforde A V-78 Tóth AR P-13, P-44 Trafkowski J V-15 Trautmann D V-85 Trnka J P-14 Tröger HD P-16, P-53, P-89, P-104, P-105, P-108, P-122, V-14 Trübner K P-101, V-85 Tschernig T P-108 Tsuda R P-27, P-29 Tsuruya S P-27 Türk EE P-68
Yen K
Ückert S P-89 Urban R P-100, V-8 van Niekerk P V-54 Van PH P-20 Varga T P-41, P-44 Vennemann B V-35a, V-35b Vennemann M P-109 Verhoff MA P-55, P-79, V-10, V-19, V-53, V-63, V-82 Vermathen P P-85 Vock P P-70, P-71, V-52 v. Wurmb-Schwark N P-31, P-39, V-55, V-59, V-64, V-67 Walther R V-22 Wand D P-30 Weckmüller J P-102 Wegener R P-21, P-34, V-74 Wehner HD V-3 Weiler G P-55, V-19, V-35d, V-63, V-80, V-82 Weirich V P-21, P-34 Weis J V-50 Weller JP P-53, V-14 Weltz L P-61 Wenk M P-40, P-121 Wenzel V P-63 Wernecke KD P-77, V-54 Wesiger S V-42 Wessel I P-39 Wiegand P P-18 Wilk E P-63 Wilke N P-104, P-105, P-122 Willumat KH V-10 Wilske J V-30 Wirasuta IMAG V-20 Wittig H P-12, P-50, V-24, V-84 Wolf D P-49 Wolfrum B V-31, V-32
P-70, P-85, V-50, V-52
Zedler M V-14 Zehner R P-40, P-118, P-121, V-69, V-83 Zenke P P-19 Zimmer G V-47 Zöldág L P-19 Zoledziewska M P-23 Zwygart K V-52