Abstracts
Symposien S1 Arzt-Patient-Interaktion S1.2 Beziehungsthemen von Patienten mit somatoformer Schmerzstörung – Erste Ergebnisse einer Studie mittels Operationalisierter Psychodynamischer Diagnostik (OPD) N. Sauer, T. Grande, N. Bludau, H. Bardenheuer Psychosomatische Universitätsklinik Heidelberg, Thibautstraße 2, 69115 Heidelberg Es werden N=50 Patienten mit einer somatoformen Schmerzstörung nach ICD-10 im Schmerzzentrum der Universitätsklinik Heidelberg psychosomatisch untersucht. Neben einem 1- bis 3-stündigen Interview werden die Patienten anhand von Fremd- und Selbsteinschätzungen beurteilt (PDI, SEB, HADS, SF-36, SOMS, FKV, NI-90, SKID-I und -II, MARDS). Die Interviews werden mit Video aufgezeichnet. Eine zentrale Stellung nimmt in der Studie die Operationalisierte Psychodynamische Diagnostik (OPD) ein, die seit 1994 von einer gleichnamigen Gruppe von ca. 30 Wissenschaftlern entwickelt worden ist. Mit Hilfe der OPD lassen sich wichtige psychodynamischen Kategorien in standardisierter Form zur diagnostischen Beurteilung von Patienten anwenden. Neben den lebensbestimmenden Konflikten werden die strukturellen Fähigkeiten bzw. Vulnerabilitäten und die dominanten Beziehungsthemen erfasst. Damit ist erstmals die Möglichkeit gegeben, der empirischsystematischen Untersuchung von Schmerzpatienten eine umfassende psychodynamische Perspektive hinzuzufügen. Die OPD-Einschätzung basiert auf den Vidoaufnahmen der Interviews. Es werden vorläufige Ergebnisse der noch bis 12/2001 laufenden Studie berichtet.Als Beobachtung zeigt sich, dass aufgrund der bekanntermaßen schwierigen Zugänglichkeit von Schmerzpatienten in der Regel mindestens zwei 1-stündige Untersuchungsgespräche erforderlich sind, um eine zuverlässige Einschätzung mit OPD zu ermöglichen. Die Patienten weisen überwiegend ein mittleres (mäßiges) Integrationsniveau der Struktur auf. Im Bereich der Konflikte bildet in fast allen Fällen eine Kombination von Versorgungs-vs.-Autarkie- und Selbstwertkonflikten den dynamischen Kern der Störung, wobei diese Konstellation durch weitere Konflikte – meist entweder Unterwerfung-vs.-Kontrolle oder ödipal-sexuelle Konflikte – moderiert werden können. Für das Erscheinungsbild des Patienten spielt es außerdem eine wichtige Rolle, ob der Modus der Konfliktverarbeitung eher passiv oder eher aktiv ist (phobisch oder kontraphobisch). Anhand der Auswertungen zu den dominanten Beziehungsthemen lassen sich typische Interaktionsmuster mit in sich widersprüchlichen Beziehungsangeboten aufzeigen, die mit diesen Konflikten verbunden sind und die Zusammenarbeit mit diesen Patienten schwierig gestalten. Die Kenntnis dieser Muster ist für den ärztlichen und psychotherapeutischen Umgang mit den betroffenen Patienten hilfreich.
S2 Botulinumtoxin: mögliche Mechanismen und Indikationen S2.2 Möglichkeiten und Indikationen zur Prophylaxe mit Botulinum-Toxin bei Migräne G. Arnold Neurologische Klinik der Charité, Humboldt-Universität zu Berlin, D-10098 Berlin Eine Arbeit mit doppelblindem Design zur Migräne-Prophylaxe ist bisher erschienen (1), sie beansprucht für sich ein positives Ergebnis, das jedoch bei genauerer Betrachtung entsprechend den Richtlinien der Internationalen Kopfschmerzgesellschaft für die Durchführung kontrollierter Studien zur Migräne-Prophylaxe genau entgegengesetzt interpretiert werden muss. Das geforderte Zielkriterium, nämlich eine Attackenreduktion um 50%, wird nicht erreicht, die niedrigere Dosis schneidet sogar besser ab. Die beiden Hersteller von Botulinum-Toxin (Allergan und Ipsen-Beaufort) führen gegenwärtig breit angelegte multizentrische, placebokontrollierte Dosisfindungsstudien mit multiplen Injektionspunkten durch. Bis zum Abschluss dieser Studien kann zum Potential von Botulinum-Toxin, dessen pathophysiologisch begründete Wirkweise bei den gängigen Migräne-Modellen ohnehin nur schwer nachvollziehbar ist, nichts abschließendes gesagt werden. Die von Göbel (2) vorgeschlagene Injektion in tender points scheitert daran, dass die Definition dieser Punkte unscharf ist und nach neueren Un-
tersuchungen eine hohe Varianz zwischen Untersuchern hat (3). Der Gefahr, dass Patienten mit Analgetika-induziertem Kopfschmerz BotulinumToxin-Injektionen erhalten, weil die zugrundeliegende primäre Kopfschmerzart eine Migräne ist, kann nur vorgebeugt werden, wenn bei diesen Patienten auf Injektionen konsequent verzichtet wird; hier ist ein Analgetika-Entzug Therapie der Wahl. Ob die auch bei Betroffenen hohen Erwartungen in die Botulinum-Toxin-Therapie gerechtfertigt sind, kann erst nach Abschluss der Studien beantwortet werden. 1. Silberstein S, Mathew N, Saper J, Jenkins S. Botulinum toxin type A as a migraine preventive treatment. For the BOTOX Migraine Clinical Research Group. Headache 2000;40:445-450 2. Göbel H, Heinze A, Heinze-Kuhn K, Austermann K. Botulinum-Toxin A in der Therapie von Kopfschmerzerkrankungen und perikranialen Schmerzsyndromen. Nervenarzt 2001;72:261-274 3. Van Suijlekom HA, De Vet HC, Van Den Berg SG, Weber WE. Interobserver reliability in physical examination of the cervical spine in patients with headache. Headache 2000;40:581-586 S2.3 Botulinumtoxin in der Therapie spastik-assoziierter Schmerzen J. Wissel Neurologische Rehabilitationsklinik Beelitz-Heilstätten, Deutschland Spastizität ist als geschwindigkeitsabhängige Zunahme des Muskeltonus definiert. Neben der Spastik sind Lähmungen, assoziierte Schmerzen und Feinmotorikstörungen wesentliche Zeichen der Schädigung des zentralen motorischen Systems. Ätiologisch stellen Patienten nach Schlaganfall, Schädel-Hirn- und Rückenmarkstraumata, Enzephalitis disseminata und Zerebralparese (CP) die größten Gruppen mit Spastizität und begleitenden Schmerzen dar. Klassische orale Antispastika und Analgetika zeigen besonders bei lokalisierter Spastik mit Schmerzen ein ungünstiges Wirkungs- und Nebenwirkungsverhältnis. Kontrollierte Studien haben eine dosisabhängige Abnahme der Spastik nach Injektionen von Botulinumtoxin (Btx) Typ A bei Erwachsenen und Kindern gezeigt. Nach Injektion von Btx kommt es mit Latenz zur Induktion einer über Wochen anhaltenden lokalen Lähmung der behandelten Muskeln mit klinisch relevanter Abnahme der Spastizität. Bei 60 Patienten mit spastik-assoziierten Schmerzen mit und ohne begleitende Spasmen zeigte sich bei klinischer Identifikation der mit Btx A zu behandelnden Muskeln (Tonus- und Schmerzzunahme bei passiver Bewegung des Bewegungssegment) bei 90% der Patienten nach im Mittel einer Woche eine relevante Abnahme der Schmerz- und Spasmenintensität und -frequenz für im Mittel über 6 Wochen. Lokale transiente Nebenwirkungen traten bei 6% in Form von lokalen Schmerzen, Schwäche oder einer Schwellung auf. Systemische Nebenwirkungen wurden nicht beschrieben. Weiterhin zeigte eine kontrollierte Studie zum Schmerzmanagement bei CP-Kinder mit Adduktorenspastik und einer Adduktorentenotomie signifikant reduzierte postoperative Schmerzen und einen reduzierten postoperativen Schmerzmittelbedarf in der Gruppe mit einer Btx A Injektion im Operationsareal (Adduktoren) eine Woche vor der Operation. Bei lokalisierter Spastizität mit assoziierten Schmerzen oder antizipierten spasmen- bzw. spastik-assoziierten Schmerzen perioperativ zeigen Btx A Injektionen eine gute Effektivität und geringe Nebenwirkungsrate. Eine primäre Indikation zur symptomatischen Therapie mit Btx A bei diesen Indikationen auch vor dem Einsatz von klassischen orale Antispastika und Analgetika sollte diskutiert werden. S2.4 Indikation und Einsatz von Botulinumtoxin in der Prophylaxe des chronischen Spannungskopfschmerzes W. J. Schulte-Mattler Klinik und Poliklinik für Neurologie der Universität Regensburg Botulinumtoxin wurde vor mehr als 20 Jahren erstmals therapeutisch eingesetzt. Zunächst wurden Krankheiten behandelt, bei denen ein pathologisch erhöhter Muskeltonus gesenkt werden soll, so fokale Dystonien und Spastizität. Schmerzen gehören bei den genannten Krankheiten zum klinischen Bild und werden durch eine Therapie mit Botulinumtoxin so günstig beeinflusst, dass Botulinumtoxin bei diesen Erkrankungen inzwischen auch mit dem primären Ziel der Schmerzlinderung eingesetzt wird. Entsprechend wurde die Substanz auch bei Patienten mit chronischem Spannungskopfschmerz versucht. Einzelbeobachtungen, Erwägungen zur Pathophysiologie und Pilotstudien waren ermutigend und gaben Hinweise auf geeignete Injektionsorte und Dosierungen. ErDer Schmerz [Suppl 1]•2001
| S3
Abstracts
S3.1 Metaanalyse: Statistische Alchemie oder klärender Focus
Freisetzung von Transmittern aus präsynaptischen Terminalen und dämpfen die neuronale Erregbarkeit. Über welche zellulären Wirkmechanismen (Hemmung von cAMP, Hemmung spannungsgesteuerter CaKanäle, Öffnung von K-Kanälen) Cannabinoide Sedation, Euphorie und Analgesie erzeugen oder Motorik und Gedächtnis beeinflussen, ist derzeit noch weitgehend unbekannt. Vermutlich spielen Interaktionen zwischen inhibitorischen (z.B. GABAergen) Interneuronen, die CB1-Rezeptoren tragen, und ihren Zielneuronen eine wichtige Rolle. Es wurde postuliert, dass Anandamid, dessen Synthese postsynaptisch durch depolarisierende synaptische Reize ausgelöst wird, als retrograder Faktor präsynaptisch auf die Freisetzung von „klassischen“ erregenden (L-Glutamat) und hemmenden (GABA) Transmittern wirkt. Cannabinoide hemmen sowohl LTP (long-term-potentiation) als auch LTD (long-term-depression), die als zelluläre Korrelate für Lernen und Gedächtnis gelten. Vergleichbare molekulare Mechanismen werden auch bei der Chronifizierung von Schmerz vermutet. In zahlreichen Anteilen der Schmerzmatrix wurden CB1-Rezeptoren nachgewiesen. Die Wirkung der Cannabinoide beschränkt sich dabei in diesen Strukturen nicht auf die Vermittlung und Verarbeitung akuter Schmerzreize. Durch Endocannabinoide vermittelte neuronale Prozesse scheinen auch eng mit neuronalen Extinktionsmechanismen verknüpft zu sein. Es ist daher zu vermuten, dass sich durch Cannabinoide auch neuronale Übererregbarkeit wie sie nach längeranhaltenden Schmerzzuständen auftritt, reduzieren lässt. Exogen zugeführte Cannabinoide könnten so, über ihre akut analgetische und antispastische Wirkung hinaus, auch für die Therapie chronischer Schmerzzustände an Bedeutung gewinnen. Neueste Untersuchungen zeigen, dass insbesondere auch limbische Strukturen wie die Amygdala, die eng mit der Konditionierung und Verarbeitung von Angst assoziiert ist, durch Cannabinoide stark beeinflusst werden.
U. Mansmann Institut für Medizinische Biometrie und Informatik, Universität Heidelberg
S4.2 Einfluss von Cannabinoiden auf synaptische Transmission und neuronale Plastizität
gebnisse erster kontrollierter Studien zur Behandlung verschiedener Kopfschmerzformen – einschließlich der Migräne – waren positiv. Dabei hielt die analgetische Wirkung von Botulinumtoxin A länger an, als normalerweise die Wirkung auf den Muskel. Dies könnte auf methodische Mängel der Studien hinweisen oder ein Argument dafür sein, dass Botulinumtoxin A eine eigene, bislang unentdeckte, analgetische Wirkung hat. Da aber auch negative kontrollierte Studien vorliegen, allerdings mit kleiner Fallzahl und geringer Dosierung, ist eine abschließende Beurteilung zur Zeit noch nicht zuverlässig möglich. Dies gilt insbesondere auch für die Wahl der besten Injektionsorte und der Dosierung. Da aber Botulinumtoxin ein vollkommen neues therapeutisches Prinzip des chronischen Spannungskopfschmerzes darstellen würde, kommt einem exakten Wirkungsnachweis eine besondere Bedeutung zu. Aus diesen Gründen rechtfertigt der gegenwärtige Stand des Wissens noch nicht den Einsatz der Substanz außerhalb klinischer Studien. Literaturhinweise: Jensen R, Olesen J (2000) Tension-type headache: an update on mechanisms and treatment. Curr Opin Neurol 13: 285-289. Rollnik JD, Tanneberger O, Schubert M, Schneider U, Dengler R. Treatment of tension-type headache with botulinum toxin type A: a doubleblind, placebo-controlled study. Headache. 2000 Apr;40(4):300-5. Smuts JA, Baker MK, Smuts HM, Stassen JMR, Rossouw E, Bernard PWA. Prophylactic treatment of chronic tension-type headache using botulinum toxin type A. Europ J Neurol 1999; 6 (Suppl. 4): 99-102
S3 Meta-Analysen für die Schmerztherapie
Die Meta-Analyse ist zu einem wichtigen Instrument der klinischen Epidemiologie geworden, obwohl noch wesentliche Aspekte dieser Technik ungelöste Probleme darstellen. Der Einschluss von unveröffentlichen, nicht einem Peer-Review unterzogene Daten kann problematisch sein. Zur Beantwortung wichtiger Fragen werden oft individuelle Patientendaten benötigt. Es fehlt jedoch an Mechanismen, die eine bessere Verfügbarkeit von Studiendaten für Meta-Analysen ermöglichen. Darüber hinaus ist die Übertragbarkeit der in Meta-Analysen erzielten Resultate auf den einzelnen Patienten immer wieder eine schwierige Ermessenssache. Diese und andere ungelöste Fragen mögen der Grund dafür sein, dass ausschlaggebende Meinungsbildner den Ergebnissen von Meta-Analysen kein Vertrauen schenken, obwohl diese Technik dem narrativen Ansatz in der medizinischen Praxis eindeutig überlegen ist. Es besteht aber auch die Gefahr, dass die unkritische und unsystematische Synthese versprengter Ergebnisse aus randomisierten, kontrollierten Studien den Ruf der Meta-Analyse untergräbt.
S4 Cannabinoide S4.1 Endocannabinoide – Molekulare und zelluläre Mechanismen W. Zieglgänsberger Max-Planck-Institut für Psychiatrie, München Die psychotropen Wirkungen von Cannabinoiden werden vorwiegend durch ∆9-tetrahydrocannabinol (THC) vermittelt. Der Nachweis spezifischer Rezeptoren (CB1, CB2) für Bestandteile von Cannabis sativa und entsprechender endogener Liganden (Endocannabinoide) wie Arachidonylethanolamid (Anandamid) und 2-arachidonylglycerol im Säugetiergehirn führten in der jüngsten Vergangenheit zu einer hektischen Suche nach den Wirkprinzipien von Cannabinoiden und deren möglicher medizinischer Verwertbarkeit. CB1 und CB2 gehören zur Familie der Gprotein-gekoppelten Rezeptoren. Derzeit geht man davon aus, dass nur der CB1-Rezeptor im Zentralnervensystem vorkommt, und die peripheren Wirkungen der Cannabinoide durch Bindung an den CB2-Rezeptor vemittelt werden. Unter physiologischen Bedingungen binden an diese Rezeptoren endogene Liganden, die als Folge gesteigerter neuronaler Aktivität aus Bausteinen neuronaler Membranen synthetisiert werden. Die Details dieser Synthese- und Abbauwege sind derzeit noch weitgehend unbekannt. Die Wirkungen der endogenen Liganden auf die neuronale Erregbarkeit werden über prä- und postsynaptische Rezeptoren vermittelt. Synthetische Cannabinoide und Endocannabinoide reduzieren die
S4 |
Der Schmerz [Suppl 1]•2001
S.C. Azad Klinik für Anästhesiologie, LMU München und Max-Planck-Institut für Psychiatrie, München In den letzten Jahren gewinnt der Einsatz von Cannabinoiden in der Medizin zunehmend an Interesse. Neben den therapeutisch z.T. bereits genutzten Wirkungen auf Emesis, Appetit, Schmerz und Spastik entfalten Cannabinoide weitere Effekte, die von großem therapeutischem Nutzen sein könnten. Die vorgestellten, eigenen Untersuchungen befassen sich mit dem Einfluss von Cannabinoiden auf synaptische Transmission und neuroplastische Vorgänge wie Langzeitpotenzierung (LTP) und Langzeitdepression (LTD) im Bereich der Amygdala. Diese Hirnregion gilt derzeit als zentrale Struktur bei der Entstehung von emotional-gekoppelten Lernprozessen wie der Angstkonditionierung, die auch im Zusammenhang mit schmerzhaften Ereignissen eine wichtige Rolle spielt. Cannabinoide entfalten ihre Wirkung durch Bindung an spezifische körpereigene Rezeptoren, von denen bislang zwei bekannt sind, der Cannabinoidrezeptor 1 (CB1) und der Cannabinoidrezeptor 2 (CB2). Entscheidend für die zentralen Effekte der Cannabinoide ist dabei der CB1. Beide Rezeptoren gehören zur Gruppe der 7-transmembran-Rezeptoren. Nach Bindung eines Agonisten führen sie über die Aktivierung eines Gi/G0-Proteins unter anderem zur Inhibierung des Adenylatzyklase-Proteinkinase-Apathways sowie zu einer Änderung des Aktivitätszustandes von K+- und Ca++-Kanälen. In elektrophysiologischen Untersuchungen konnte gezeigt werden, dass Cannabinoide die synaptische Transmission in der Amygdala ebenso wie in anderen Hirnregionen durch prä- und postsynaptische Mechanismen hemmen. Ebenso deuten elektrophysiologische und verhaltensbiologische Untersuchungen in transgenen Tieren mit fehlendem CB1-Rezeptor (CB1-Knockout-Mäuse) sowie in Wildtyp-Mäusen darauf hin, dass Cannabinoide in der Lage sind, neuroplastische Vorgänge wie LTP und LTD sowie appetitive und aversive Lernprozesse entscheidend zu beeinflussen. LTP und LTD gelten als mögliche zelluläre Mechanismen, die an der Konsolidierung von Lern- und Gedächtnisinhalten beteiligt sind. Vergleichbare Vorgänge werden auch bei der Chronifizierung von Schmerz vermutet. Es ist daher zu erwarten, dass der Aktivierung des endogenen Cannabinoidsystems durch exogen zugeführte Cannabinoide bei der Verhinderung von Schmerzchronifizierung, insbesondere auch im Hinblick auf die dazu beitragenden emotionalen Komponenten, eine bedeutende Rolle zukommt.
S5 „Current Opinion“ – Periphere und zentrale Stimulationstechniken S5.1 Neue Wirkmechanismen der spinalen Analgesie durch Gegenirritation J. Sandkühler Institut für Physiologie und Pathophysiologie, Universität Heidelberg, Im Neuenheimer Feld 326, 69120 Heidelberg Die Erregung von primär afferenten Nervenfasern wird bei der transkutanen elektrischen Nervenstimulation (TENS), der Akupunktur und bei physikalischen Formen der Schmerztherapie erfolgreich zur Behandlung einiger Schmerzsyndrome eingesetzt. Die analgetischen Wirkungen wurden bislang meist auf die in der Gate-Control-Theorie beschriebenen Mechanismen der prä- und postsynaptischen Hemmung von C-Faser-Antworten durch inhibitorische (z.B. GABAerge) Neurone im Rückenmark zurückgeführt (Melzack and Wall, 1965). Diese Hemmung wird durch Erregung von niederschwelligen Ab-Faserafferenzen ausgelöst und erzeugt für die Dauer der Stimulation eine Hemmung nozizeptiver Entladungsantworten von Hinterhornneuronen. Es werden jedoch auch lang anhaltende analgetische Wirkungen durch Gegenirritationsverfahren erreicht, wenn zur Stimulation leicht schmerzhafte Intensitäten gewählt werden (Ishimaru et al., 1995). Diese anhaltenden Wirkungen können mit den Mechanismen der Gate-Control Theorie nicht befriedigend erklärt werden. Es liegen nun neue Befunde vor die zeigen, dass die therapeutische Stimulation von afferenten Ad-Fasern zu einer lang anhaltenden Hemmung der synaptischen Übertragungsstärke in C-Fasernafferenzen führt (Sandkühler et al., 1997; Liu et al., 1998). Diese Hemmung ist unabhängig von einer GABAergen oder gyzinergen Hemmung und kann durch AbFaserafferenzen nicht ausgelöst werden. Sie stellt offenbar einen neuen, von der Gate-Control-Theorie unabhängigen Mechanismus dar (Sandkühler, 2000). An der synaptischen Langzeithemmung ist ein schwacher, über 10–20 Minuten anhaltender Einstrom von Kalziumionen in nozizeptive Neurone des Rückenmarks durch Glutamatrezeptoren vom NMDA Typ beteiligt. Die Wirkung der konditionierenden Stimulation ist abhängig von der Aktivität der körpereigenen Schmerzabwehr: Bei intakter körpereigener Schmerzabwehr wird eine robuste, anhaltende Hemmung erzeugt. Bei unterbrochener absteigender Hemmung führt eine identische konditionierende Stimulation dagegen zur Potenzierung der synaptischen Übertragungsstärke in C-Faserafferenzen. Bei insuffizienter körpereigener Schmerzabwehr ist der Kalziumeinstrom, der durch die konditionierende Stimulation ausgelöst wird stärker und reicht offenbar aus, um eine zentrale Sensibilisierung auszulösen. Dieser Befund könnte die klinischen Beobachtung erklären, wonach identische therapeutische Stimulationen bei einigen Patienten die Schmerzsymptomatik verschlechtern können oder wirkungslos bleiben, während sie bei anderen Patienten zur Schmerzhemmung führen. Literatur Ishimaru, K, Kawakita, K and Sakita, M. (1995) Analgesic effects induced by TENS and electroacupuncture with different types of stimulating electrodes on deep tissues in human subjects. Pain 63: 181-187. Liu, XG, Morton, CR, Azkue, JJ, Zimmermann, M and Sandkühler, J. (1998) Long-term depression of C-fibre-evoked spinal field potentials by stimulation of primary afferent Ad-fibres in the adult rat. Eur. J. Neurosci. 10: 3069-3075. Melzack, R, Wall, PD. (1965) Pain mechanisms: a new theory. Science 150: 971-979. Sandkühler, J . (2000) Long-lasting analgesia following TENS and acupuncture: Spinal mechanisms beyond gate control. In: M. Devor, Rowbotham M.C., Z. Wiesenfeld-Hallin (Eds.), Proceedings of the 9th World Congress on Pain, Progress in Pain Research and Management, Vol.16, IASP Press, Seattle, pp. 359-369. Sandkühler, J, Chen, JG, Cheng, G and Randic, M. (1997) Low-frequency stimulation of afferent Ad-fibers induces long-term depression at primary afferent synapses with substantia gelatinosa neurons in the rat. J. Neurosci. 17: 6483-6491. Gefördert durch den Forschungsschwerpunkt „Schmerz“ der Medizinischen Fakultät Heidelberg und durch die DFG (Sa 435).
S5.2 Indikationen, Techniken und Outcome der peripheren und zentralen Stimulation V. Tronnier Neurochirurgische Univ.-Klinik Heidelberg Im Gegensatz zu den peripheren Stimulationstechniken zählt man zur Stimulation des Zentralen Nervensystems die epidurale Rückenmarkstimulation (SCS), die Tiefenhirnstimulation (DBS) und die Motor-Cortexstimulation (MCS). Während die Indikationen für die epidurale Rückenmarkstimulation in verschiedenen Konsensuskonferenzen festgelegt wurden, nämlich die chronische Radikulopathie, CRPS I und II, Schmerzen bei arterieller Verschlusskrankheit und Angina pectoris sowie Schmerzen nach Amputation und Rückenmarksverletzung, sind die Indikationen für die weniger deutlich. Vor allen Dingen neuropathische peripherer oder zentraler Ursache gelten für diese Stimulationsformen als Indikation. Die DBS gilt als ultima ratio nach Versagen weniger invasiver Verfahren wie der SCS oder bei zentralen Schmerzsyndromen, wo für die SCS kein Stimulationssubstrat mehr vorhanden ist, z.B. Wurzelausriss, Rückenmarksverletzung, Thalamisches Schmerzsyndrom. Die MCS hat sich bei Deafferentierungsschmerzen des Gesichts (Dys- und Anästhesia dolorosa) und beim Thalamischen Schmerzsyndrom in bestimmten Fällen bewährt. Neuerdings werden die Indikationen jedoch auf neuropathische Schmerzen peripherer Ursache ausgedehnt. Neue funktionelle Bildgebende Verfahren (u.a. PET, fMRT) haben unser Verständnis von der Schmerzleitung und -verarbeitung insbesondere im Bereich des zerebralen Kortex verändert. Erste funktionelle Untersuchungen wurden auch unter Nutzung der obengenannten therapeutischen Verfahren eingesezt und haben neue Einsichten in deren Wirkmechanismen ermöglicht. Eine Serie von 47 Patienten mit DBS und 11 Patienten mit MCS mit Indikationen und Outcome werden vorgestellt. S5 .3 Indikationen, Techniken und Outcome von SCS und PNS C. Maier, B. Völker Abteilung für Schmerztherapie, BG-Klinik Bergmannsheil Bochum, Universitätsklinik Die spinale und periphere Elektrostimulation mittels epidural (SCS), bzw. perineural implantierter Elektroden sind heute wesentliche Bausteine der interventionellen Schmerztherapie. Der Wirkmechanismus beider Verfahren bleibt umstritten. Es handelt sich um operative Techniken, die eine operative Erfahrung, Asepsis und Vorhaltung der operativen Logistik erfordert. Ihre Anwendung ist durch häufige technische Probleme (konsekutive Nachoperation), selten durch Infektionen, Blutungen und Hämatome (z.B. epidural: Paresen, Querschnittslähmung) sowie sekundäre Nervenschäden belastet. Bei beiden Verfahren sind zwischenzeitlich ausreichende Langzeiterfahrungen gesammelt worden, die bei richtiger Indikationsstellung eine im Mittel 40-60%ige Schmerzreduktion bei jahrelanger Anwendung belegen. Bei SCS scheinen für die Analgesie verschiedene Wirkeffekte verantwortlich zu sein, deren einzelne Komponenten bei verschiedenen Indikationen unterschiedlich bedeutsam zu sein scheinen: Bei peripherer Verschlußkrankheit, vasospastischen Erkrankungen und der Angina pectoris ergänzen sich die sympathikolytische mit einem zentralen analgetischen Effekt. Die Sympathikolyse ist deutlich schwächer als bei Sympathektomie. Die wichtigsten Indikationen sind: therapieresistente Angina pectoris, periphere AVK Stadium III, vasospastische Erkrankungen der oberen Extremität (Sklerodermie, Endangiitis obliterans) einschl. der neuropathischen Schmerzen infolge der Erkrankungen. Für die Angina pectoris liegen kontrollierte Studien vor. Erkrankungen mit Läsionen oder Affektionen der Spinalganglien, des Myelons oder des Gehirns sind kaum beeinflußbar (Phantomschmerz, Zoster, Querschnittslähmung), d.h., dass eine spinal ungestörte Weiterleitung der elektrischen Impulse ist für den Effekt bedeutsam. Eine wichtige Ausnahme sind die Radikulopathien (postoperative Zustände,Arachnopathien),die auf eine SCS-Therapie besser reagieren als lokalisierte Rückenschmerzen jeder Genese. SCS ist hier operativen Revisionseingriffen überlegen, ihr Einsatz ist jedoch durch die häufigen Mischbilder limitiert. Patienten mit sympathisch unterhaltenem Schmerz infolge von Nervenverletzungen zeigen eine höhere Ansprechbarkeit als andere Neuropathien. Die Anwendung beim CRPS (vor allem Typ II) wird überwiegend positiv bewertet, obgleich Funktionsverbesserungen nicht beschrieben sind. Die Domäne der PNS sind periphere Neuralgien und CRPS Typ II unter Ausschluß von Patienten mit Deafferentierungsschmerz. Eine Veränderung von der Funktion der peripheren Nerven konnte bislang nicht gesichert sein, eine teilweise dramatische Reduktion der taktilen Allodynie ist dagegen ein regelmäßiger Befund. Der Schmerz [Suppl 1]•2001
| S5
Abstracts S6 Iatrogene Wirkungen und Faktoren des Gesundheitssystems S6.1 Iatrogene Wirkungen und Faktoren des Gesundheitssystems im Chronifizierungsprozess von Schmerzerkrankungen M. Pfingsten Schwerpunkt Algesiologie, Georg-August-Universität Göttingen In den Chronifizierungsprozess von (Schmerz-)Erkrankungen wirken neben den im Mittelpunkt stehenden Patienten-Faktoren (sowohl auf somatischer als auch psychologischer Ebene) zusätzlich die Bedingungen des Gesundheits-/Versorgungssystems sowie spezifische Behandlerfaktoren ein. In einer Studie von Kouyanou et al. (1997) aus dem King’s College School of Medicine in London wurden die Behandlungsverläufe bei 125 Patienten aus zwei Londoner Schmerzkliniken ausführlich untersucht, sowie ihre Krankheitsgeschichte und der Behandlungsverlauf sorgfältig analysiert. Die Autoren kamen schließlich in einer schematischen Zusammenfassung zu 4 Problembereichen iatrogener Faktoren (d.h. schädigende Einflüsse resultierend aus dem ärztlichen Verhalten und Nicht-Verhalten): Diese Bereiche lassen sich zusammenfassen in: a)Überdiagnostik (z.B. zu spezifische Diagnostik bei unspezifischen Beschwerden, Ausschlussdiagnostik, etc.) b) Informationsmängel (z.B. zu häufiger Rat zur körperlichen Schonung mit nachfolgender körperlicher Dekonditionierung) c)Fehler bei der Medikation (z.B. zu viele Medikamente, Kombinationsanalgetika, zu wenig Kommunikation unter ärztlichen Kollegen, keine ausreichende Information über Dosierung und Einnahme), und d) ungenügende Berücksichtigung psychosozialer Randbedingungen und psychologischer Einflussfaktoren (Somatisierungsbedürfnisse auf Seiten der Ärzte und Patienten). Bei den systembedingten Faktoren kann man schichtspezifische Nachteile, Mängel des Versorgungssystems sowie Mängel der Qualitätssicherung unterscheiden. Insbesondere die für Schmerzsyndrome immer noch weitgehend fehlenden oder unpräzisen Behandlungs-Leitlinien sind für qualitative Mängel der Versorgung verantwortlich. S6.2 Iatrogene Wirkungen der therapeutischen Beziehung und Kommunikation P. Nilges DRK-Schmerz-Zentrum Mainz Die Feststellung des Orthopäden Nachemson, „abnormes Verhalten der Diagnostiker führt zu abnormem Krankheitsverhalten der Patienten“, unterstreicht die Bedeutung der Interaktion für das Verhalten und für die auf ihre Schmerzen bezogenen Gedanken und Gefühle der Patienten. Für Erfolge und Misserfolge von Schmerzbehandlungen spielen unspezifische oder Kontextfaktoren nicht selten eine größere Rolle als spezifische Wirkmechanismen therapeutischer Verfahren. Die Inhalte der Kommunikation sowie die Art und Qualität der Behandlungsbeziehung beeinflussen die weitere Entwicklung der Patienten, damit der Schmerzen selbst sowie deren Konsequenzen in Form von psychischen Belastungen und Behinderung. In Empfehlungen zur Therapie von Patienten mit Kreuzschmerzen spielen diese Aspekte eine zentrale Rolle insbesondere in der Anfangsphase. Informationen, die Patienten erhalten, Äußerungen der Behandler zu Schmerzursachen, zur Prognose, Hinweise auf den Umgang mit den Beschwerden und Verhalten bei Rückfällen sind wesentliche und oft vernachlässigte Kernpunkte der Therapie. Abhängig vom Zeitpunkt und Ausmaß der Schmerzentwicklung können identische Erklärungen dabei zu völlig unterschiedlichen Bewertungen führen. Während beispielsweise zu Beginn eines Schmerzproblems beruhigende Informationen sinnvoll sind und meist positiv bewertet werden, kann die kurze Mitteilung unauffälliger Untersuchungsbefunde bei Patienten mit zahlreichen Voruntersuchungen und -behandlungen als „schlechte Nachricht“ gelten, Enttäuschung und Ärger provozieren und letztlich für den Patienten ungünstige Auswirkungen haben. Geeignete Verfahren zur Lösung dieses Problems werden diskutiert. Schmerztherapie setzt in besonderem Maß Eigenaktivität der Patienten selbst voraus. Gut gemeinte Anweisungen, die wichtigen lerntheoretischen Prinzipien widersprechen (z.B. „wenn der Schmerz zu stark wird, hören sie auf“), können dabei zu Überforderung und Misserfolgen führen. Zu hohe Erwartungen an die Patienten hinsichtlich Tempo und
S6 |
Der Schmerz [Suppl 1]•2001
Stabilität von Veränderungen sind eine weitere Ursache von Fehlschlägen. Ob auf eine angemessene Informationsvermittlung aufbauende sinnvolle Behandlungsvorschläge akzeptiert werden und ob schließlich Entspannungsverfahren und Physiotherapie tatsächlich langfristig und selbständig durchgeführt werden, wird von der Qualität und Tragfähigkeit der ursprünglichen Therapiebeziehung mitbestimmt. Diskutiert wird schließlich der noch zu wenig beachtete vorbeugende Umgang mit zu erwartenden Rückschlägen. S6.3 Iatrogene Schäden in der Schmerztherapie M. Strumpf, C. Maier, M. Zenz Klinik für Anaesthesiologie, Intensiv- und Schmerztherapie, Berufsgenossenschaftliche Kliniken Bergmannsheil – Universitätsklinik, Bürkle-de-la-Camp-Platz 1, 44789 Bochum Iatrogene Schäden speziell in der Schmerztherapie wurden in der Literatur bislang nicht systematisch untersucht. Es finden sich nur einzelne Fallberichte, die über Nervenschäden oder Blutungen als Komplikationen invasiver Therapieverfahren berichteten. Bekannt sind iatrogene Schäden bei der medikamentösen Therapie. Exemplarisch seien hier Ulcera, Leber- oder Nierenschädigungen, Ergotismus oder die Ausbildung einer iatrogenen Abhängigkeit genannt. Wahrscheinlich ist jedoch die Dunkelziffer indirekter iatrogener Schäden in der Schmerztherapie wesentlich höher als vielfach angenommen wird, auch wenn sich dies durch die Literatur nicht belegen lässt. Die klinische Erfahrung zeigt, dass eine unzureichende Anamnese ohne Berücksichtigung psychologischer Aspekte und eine lückenhafte monodisziplinäre Diagnostik häufig zu einer falschen Therapie führen. Werden bestehende Therapiealgorithmen nicht eingehalten und bleiben aktuelle Leitlinien unberücksichtigt, verstärkt der behandelnde Schmerztherapeut iatrogen die Chronifizierung seiner Patienten. Unter diesen Gesichtspunkten ist die grundsätzliche Gefährdung der Patienten durch die diagnostische und daraus abgeleitete therapeutische Herangehensweise des einzelnen Arztes oder Psychotherapeuten möglicherweise größer als durch Medikamente oder invasive Verfahren.
S7 „Pro und Contra“ – Chronische Migräne: Fiction or Fact S7.3 Kopfschmerzmanagement bei Jung und Alt – Strategiewechsel nach dem 65. Lebensjahr? Pro und Kontra J. M. Klotz, H. D. Langohr Klinik für Neurologie, Klinikum Fulda Der Anteil der über 65jährigen Patienten mit Kopfschmerzen nimmt seit Jahren zu. Dennoch gibt es kaum Daten zur Prävalenz, Diagnostik und Therapie von Kopfschmerzen jenseits des 65. Lebensjahres. Es gibt nur wenige epidemiologische und demographische Studien zum Kopfschmerz bei Älteren. Danach leiden Ältere häufiger an Spannungskopfschmerzen und symptomatischen Kopfschmerzen bei Arteriitis temporalis, intrakranieller Blutung, degenerativen HWS-Veränderungen, zerebralen Ischämien und Hirntumoren. Migräne und Clusterkopfschmerzen treten im Alter seltener auf. Die operationalisierten IHS-Kriterien zur Diagnostik der Kopfschmerzen haben auch bei älteren Patienten Gültigkeit. Neu auftretende Kopfschmerzen im Alter bedürfen jedoch der dringenden neurologischen Abklärung. Ist eine Änderung der Therapiestrategien nach dem 65. Lebensjahr erforderlich? Pro: Evidenz basierte Therapieempfehlungen zur Behandlung der Kopfschmerzen bei Patienten über 65 Jahre gibt es nicht. Studien zur medikamentösen Behandlung wurden zumeist an Patienten zwischen dem 18. und 65. Lebensjahr durchgeführt. In der Migräneattackentherapie sind Ergotamine und Triptane im Alter häufig wegen kardialer Komorbidität kontraindiziert. Zur Migräneprophylaxe können ß-Blocker wegen kardiopulmonaler und Flunarizin wegen psychiatrischer und extrapyramidaler Nebenwirkungen häufig nicht eingesetzt werden. Zur Prophylaxe der chronischen Spannungskopfschmerzen können trizyklische Antidepressiva wegen Glaukom, Blasenentleerungsstörungen und kardialen Erkrankungen im Alter häufig nicht eingesetzt werden. Veränderte Resorptionsverhältnisse, reduzierte Eiweißbindungskapazitäten, verlängerte Plasmahalbwertszeiten durch hepatische oder renale Funktionseinschränkungen und Interaktionen mit anderen Medikamenten sind im Einzelfall zu berücksichtigen.
Abstracts Kontra: Das Alter hat keinen prinzipiellen Einfluss auf die Kopfschmerztherapie. Unter Beachtung möglicher Kontraindikationen (erhöhte Komorbidität im Alter) kann die Behandlung der Kopfschmerzen bei Patienten über 65 Jahre grundsätzlich nach den allgemeinen Therapieempfehlungen erfolgen.
S8 „Pro und Contra“ – Opioide und Nichttumorschmerz
angaben der Eingangs- und Verlaufsfragebögen (DGSS) zur Schmerzintensität sowie aus ADS, PDI und SF-36 aufbereitet und exportiert werden. Die statistische Auswertung dieser Daten zeigt als Ergebnis der multimodalen Therapie nicht nur signifikante Verbesserungen der Depressivität, der empfundenen Behinderung und der Lebensqualität, sondern auch einen hochsignifikanten Rückgang der Schmerzintensität. Die Ergänzung von QUAST durch das Auswertungsprogramm AQUAST ermöglicht es, mit vergleichsweise geringem Aufwand die Effektivität des multimodalen Therapieprogramms zu belegen.
S8.1 Statistische Meta-Analyse publizierter Studien
S9.4 Voraussetzungen für externen Qualitätsvergleich
H. Sorgatz, A. Imhof Institut für Psychologie der TU Darmstadt
J. Martin Klinik für Anästhesiologie, operative Intensivmedizin und Schmerztherapie, Klinik am Eichert, Eichertstraße 3, 73035 Göppingen
Hohe Wirksamkeitsindizes in Fallserienstudien, aber niedrige in Untersuchungen mit randomisierter Kontrollbehandlung sind das Ergebnis einer Metaanalyse zu ‘Opioiden bei Nichttumorschmerz’. Unter Berücksichtigung ihrer insgesamt geringen methodischen Qualität sollen aus den mehr als 20 Studien Schlussfolgerungen für die weitere Anwendung von Opioiden bei Nichttumorschmerzen erstellt werden. Wird statt der Effektstärke das klinisch bedeutsame Erfolgsmaß ‘Number needed to treat’ berechnet, gleichen sich die Ergebnisse der Studiengruppen an. Es resultiert ein geschlossenes Bild von der Brauchbarkeit von Opioiden in diesem Anwendungsbereich und von der Notwendigkeit begleitender Maßnahmen. Das Gesamtresultat der Metananalyse, eine mittlere – auf eins normierte – Effektstärke von r = 0,81, täuscht eine hohe theoretische Wirksamkeit ohne klinische Bedeutung vor. Trotz dieses augenscheinlich hohen analgetischen Effektes sind mittelfristig höchstens bei jedem vierten Schmerzpatienten deutliche Schmerzreduktionen zu erwarten. Nozizeptiver Schmerz erscheint etwas beeinflussbarer zu sein als neuropathischer; die Unterschiede sind aber wie die Wirkungen einer Opioidanwendung auf Aspekte der Lebensführung statistisch nicht bedeutsam. Aus dem Vergleich der Studien ergeben sich keine wesentlichen Vorteile für einzelne Indikationen und Präparate. Daher sollte mit Hilfe einer engmaschigen Therapieevaluation versucht werden, nach begonnener Opioidanwendung das Behandlungsangebot auf dafür geeignete Patienten zu begrenzen. Die nur dort zu erwartende, zudem zeitlich begrenzt anhaltende analgetische Wirkung ist rechtzeitig für Maßnahmen zu nutzen, die sowohl das erreichte Schmerzniveau stabilisieren als auch die Lebensqualität des Schmerzpatienten steigern können.
Der § 137 des Sozialgesetzbuches schreibt qualitätssichernde Maßnahmen für ärztliches Handeln gesetzlich vor. Im stationären Bereich werden diese Maßnahmen vorwiegend bei chirurgischen Fallpauschalen durchgeführt. Die Etablierung eines externen Qualitätsvergleiches „Schmerztherapie“ war bisher nicht möglich, da kein gemeinsamer Datensatz mit den entsprechenden Qualitätsindikatoren vorhanden war und die Aufbaustruktur zum externen Qualitätsvergleich bisher nicht gegeben war. Mit der weiten Verbreitung des Softwareprogramms QUAST ist es möglich, auf der Basis eines gemeinsamen Datenpools einen institutsübergreifenden externen Qualitätsvergleich durchzuführen.
S9 QUAST-Symposium S9.3 QUAST zur Evaluation multimodaler Therapien B. Arnold, R. Rauch, T. Rausch, T. Tonhauser Kreisklinik Dachau, Abteilung für Schmerztherapie, Krankenhausstr. 15, 85221 Dachau Multimodale Therapieprogramme werden angeboten, wenn mit medikamentösen oder invasiven schmerztherapeutischen Maßnahmen nur unzureichende Ergebnisse erzielt werden können. Das Dachauer Programm beinhaltet u.a. Schmerzbewältigungstraining, körperliche Aktivierung, Entspannungstraining, lösungsfokussierte Gruppentherapie, Training der Körperwahrnehmung und Kreativtherapie. Es wird nach vorgegebenem strukturierten Plan ganztägig über fünf Wochen tagesklinisch durchgeführt. Sechs Monate nach Therapieende erfolgt geplant ein ReAssessment. Für die Dokumentation und Evaluation multimodaler Programme lassen sich die Funktionen von QUAST mit wenigen Ausnahmen gut nutzen. Die Basismodule zur Patientenverwaltung, für Diagnose, Anamnese, Komorbidität etc. können ohne Einschränkung eingesetzt werden. Die Tagesprotokolle dienen der Verlaufsdokumentation und werden ergänzt durch das Stationsmodul zur Erfassung der (teil)stationären Aufenthalte.Wegen der täglichen Anwesenheit der Patienten ist der Einsatz des Tagesfragebogens wenig sinnvoll, da das Therapieprogramm auf langfristige Veränderungen abzielt und rasche Befindensänderungen nicht zu erwarten sind. Die Prozessqualität des multimodalen Programmes lässt sich mit QUAST nur teilweise über die Leistungsdokumentation darstellen, da standardisierte Therapieinhalte multimodaler Programme noch nicht definiert sind. Für die Darstellung der Ergebnisqualität ist es von großer Bedeutung, die vielschichtigen somatischen und psychosozialen Effekte der Therapie zu erfassen. Über das Auswertungsprogramm AQUAST können die Patienten-
S8 |
Der Schmerz [Suppl 1]•2001
Institutionen, die sich auf freiwilliger Basis an einem externen Qualitätsvergleich beteiligen möchten, erhalten nach Abgabe ihrer Strukturdaten bei einer Treuhandstelle eine eindeutige ID-Nummer, die in das QUASTProgramm eingepflegt wird. Die Daten werden dann anonymisiert mit der ID-Nummer exportiert und an die Treuhandstelle versandt. Diese leitet die Daten anonymisiert zur Auswertestelle weiter. Nach Prüfung der Daten auf Plausibilität, logische und formale Fehler wird der gesamte Datensatz bei Erfüllung der Referenzkriterien in die Referenzdatenbank aufgenommen. Die Auswertung der individuellen Daten erfolgt dann gegen die Daten der Referenzdatenbank. Die Auswerteinstitution erstellt einen Qualitätsbericht für jede Klinik, dieser wird dann der Steuerungsgruppe „Externe Qualitätssicherung Schmerztherapie“ zur Interpretation zugesandt. Nach Interpretation und individueller Rückmeldung der anonymisierten Daten werden diese von der Steuerungsgruppe zurück an die Treuhandstelle verschickt und von dort deanonymisiert wieder an die Institution übersendet. Damit bleibt während des gesamten Prozesses die Anonymisierung gewahrt. Die Steuerungsgruppe ist ein 6 bis 10 Mitglieder umfassendes Expertengremium. Die Aufgaben sind: 1. Interpretation der Benchmarking-Daten der Institutionen 2. Erstellung der Referenzkriterien 3. Erarbeitung der Qualitätsindikatoren 4. Vorgaben für die Auswertung externe Qualitätssicherung 5. Vorgaben für die Weiterentwicklung von QUAST 6. Genehmigung und Erarbeitung von Fragestellungen zur Auswertung der Referenzdatenbank Durch das systematisch gesicherte Verschlüsseln der teilnehmenden Institutionen sowie das Fehlen von Sanktionen wird ein offener Diskussions- und Handlungsspielraum gewährleistet. Dies ist eine wesentliche
Grundlage für die Entwicklung und Durchführung einer Qualitätssicherungsmaßnahme, die den Leistungserbringern und damit auch den Patienten echten Nutzen bringt. Darüber hinaus dokumentiert die freiwillige Teilnahme an externen Qualitätsvergleichen den Willen der Teilnehmer, sich ohne Zwang dem Anliegen der Qualitätssicherung zu stellen. S9.5 Qualitätsindikatoren in der Schmerztherapie C. Maier Abteilung für Schmerztherapie, BG-Klinik Bergmannsheil Bochum, Universitätsklinik Qualitätsindikatoren sind jene Komponenten der Struktur – Prozeß – und Ergebnisqualität, die es erlauben, die Qualität überhaupt zu messen. Hierfür bedarf es geeigneter Messinstrumente (womit messe ich Qualität?), um die Einhaltung von Zielvorgaben zu überprüfen und um überhaupt sicherzustellen, dass bei Abweichungen von diesen Korrekturen vorgenommen werden können. Qualitätsindikatoren sind in der Schmerztherapie komplexer strukturiert als bei vielen Erkrankungen anderer Fachdisziplinen. Für Prozeß - und Strukturqualität sind jene Indikatoren von zentraler Bedeutung, die den Grad der Realisierung der Interdisziplinarität dokumentieren. Da Schmerztherapeuten unterschiedliche Grunderkrankungen behandeln, variieren die Indikatoren für die Ergebnisqualität besonders (beim Aufbau eines externen Qualitätsvergleiches spielt auch der Aspekt der Dokumentierbarkeit eine herausragende Rolle, wobei schrittweise vermutlich die Zahl der relevanten Indikatoren erst herausgefiltert werden müssen, wobei die unterschiedlichen Möglichkeiten verschiedener Organisationsstrukturen (Praxis, Klinik und Kompetenzzentren) hier eine unterschiedliche Gewichtung verlangen. Folgende Tabelle zeigt einen Überblick über mögliche Indikatoren, deren Erfassung in QUAST möglich ist. Erste Ergebnisse der Auswertung einer Referenzdatenbank werden präsentiert. Qualitätsindikatoren in der Schmerztherapie 1. Strukturqualität: a) Zusammensetzung des Patientenkollektivs (Chronifizierung, Komorbidität, Anteil von Rentnern, Arbeitsunfähigen) b) Organisationsstruktur der interdisziplinären Kommunikation c) Vorhaltung einer erweiterten multimodalen Diagnostik d) Vorhaltung multimodaler Therapiekonzepte e) Möglichkeit zur ambulanten und (tages)stationären Therapie 2. Prozeßqualität a) Häufigkeit und Ablauf der interdisziplinären Kommunikation mit Ärzten mehrerer Fachgebiete, Psychologen, Physio- und Ergotherapeuten b) Frequenz von Nachuntersuchungen zur Verlaufskontrolle c) Einsatz algesiologischer/psychologischer Mess und Testinstrumente d) Einhaltung von Leitlinien (z.B. bei Migränebehandlung) e) Einhaltung von Standards bei Interventionen 3. Ergebnisqualität a) Patientenbezogene Ergebnisindikatoren • Schmerzreduktion (Schmerzskalen) • Beeinträchtigung (PDI) • Symptomlinderung • Lebensqualität (SF-36) • Erfolgsbewertung der Therapie durch den Patienten b) objektivierbare Ergebnisindikatoren • Minimierung unerwünschter Begleiteffekte • niedrige Komplikationsrate • Optimierung der Pharmakotherapie • Funktion c) sozio-ökonomische Ergebnisindikatoren • Inanspruchnahme medizinischer Leistungen (Behandlungshäufigkeit, Arztwechsel, Reha-, Kur- und Krankenhausaufenthalte, Operationen) • Arbeitsfähigkeit (AU-Tage, Wiederaufnahme der Berufstätigkeit) • Kosten
S10 „Current Opinion“ – NMDA-Antagonisten für akuten und chronischen Schmerz NMDA-Antagonisten für akuten und chronischen Schmerz C. Parsons, W. Zieglgänsberger, R.-D. Treede Pharmakologie Merz + Co., Frankfurt, Max-Planck-Institut für Psychiatrie, München, Institut für Physiologie und Pathophysiologie, Mainz Diese Sitzung ist als Fortbildungsveranstaltung gedacht, in der aktuelle Konzepte zur Chronifizierung des Schmerzes im Lichte des momentanen Standes der Forschung präsentiert werden. Im Vordergund der Vorträge sollen Literaturübersichten und Konzepte zu den relevanten Mechanismen stehen und nicht so sehr einzelne Ergebnisse. Seit vielen Jahren ist bekannt, dass Glutamatrezeptoren vom NMDA-Typ im Zentrum vieler Mechanismen der Steuerung der synaptischen Übertragung stehen. Diese zentrale Stellung führt dazu, dass es viele indirekte Mechanismen gibt, an denen NMDA-Rezeptoren an irgendeiner Stelle in der Signalkette auch beteiligt sind. Außerdem ergibt sich daraus ein potenziell sehr breites Spektrum von Nebenwirkungen. Diese Thematik soll durch kurze Übersichtsreferate dargestellt und mit den Teilnehmern diskutiert werden.
S11 Somatoforme Schmerzstörung S11.4 Die Aufgabe des anästhesiologischen Schmerztherapeuten in der Behandlung somatoformer Schmerzstörungen R. Schwab Schmerzambulanz der Klinik für Anästhesiologie, Johannes Gutenberg-Universität, Mainz Bereits früh haben Anästhesiologen die Bedeutung chronischer Schmerzen als eigenständiges Krankheitsbild erkannt (Bonica, 1953) und konnten durch ihre fachspezifischen Methoden nachhaltige Erfolge in der Therapie akuter und chronischer Schmerzen erzielen. Anästhesiologische Schmerztherapeuten haben in der Folgezeit bis heute der Schmerzforschung wesentliche Impulse gegeben und sind entscheidend an der Versorgung von Schmerzpatienten beteiligt. Im letzten Jahrzehnt hat sich im Rahmen der Schmerzforschung das Wissen um Schmerzentstehung, -verarbeitung und -therapie enorm erweitert; damit wurde auch zunehmend die Rolle psychischer Faktoren und körperlich-seelischer Wechselwirkungen deutlich. Dem traditionell überwiegend organmedizinisch ausgebildeten Anästhesisten als Schmerztherapeuten werden daher psychische Aspekte bei der Entstehung und Aufrechterhaltung chronischer Schmerzen zunächst ungewohnt oder fremd sein. Dies birgt die Gefahr, wesentlich Faktoren eines Schmerzsyndroms zu übersehen und Fehlbehandlungen, iatrogenen Schädigungen oder einer Chronifizierung Vorschub zu leisten. Im Hinblick auf die wichtige Funktion des anästhesiologischen Schmerztherapeuten für diagnostische Koordination, Entwicklung und Verlauf von Therapiekonzepten auf der Basis interdisziplinärer Kooperation ist die Kenntnis psychischer Störungen, psychosomatischer Wechselwirkungen und psychotherapeutischer Therapieoptionen von wesentlicher Bedeutung. Wichtige Eckpfeiler der Funktion eines anästhesiologischen Schmerztherapeuten müssen daher sein: • Grundlegende Kenntnisse häufiger psychischer Störungen bei Schmerzpatienten; • Fähigkeiten zum Aufbau einer tragfähigen Arzt-Patient-Beziehung • Fähigkeit interdisziplinäre Kooperationsstrukturen aufzubauen und aufrecht zu erhalten • Das eigene therapeutische Repertoire einzubringen und um evidenzbasierte Methoden zu erweitern • Im Rahmen psychotherapeutischer Therapieprogramme eine kontinuierliche somatische Betreuung sicherzustellen. Notwendigkeiten und Möglichkeiten der Ausbildung sollen anhand von Fallbeispielen und inzwischen gut strukturierter Therapiestrategien dargelegt werden.
Der Schmerz [Suppl 1]•2001
| S9
Abstracts S12 Immunsystem und Schmerz S12.1 Wie entsteht Entzündungsschmerz? P. W. Reeh Institut für Physiologie und Experimentelle Pathophysiologie, Universitätsstr. 17, 91054 Erlangen e-mail:
[email protected] Die Entdeckung der durch Hitzereize aktivierten Ionenströme und die Klonierung der daran beteiligten Capsaicin-Rezeptorkanäle VR1 und VRL1 in sensorischen Nervenzellen hat ein grundsätzlich neues Licht auf die Transduktionsmechanismen geworfen, durch die Entzündungsmediatoren Nozizeptoren erregen und Schmerz sowohl hervorrufen als auch aufrecht erhalten. Prostaglandin E2, Histamin, ATP und, am wirksamsten, Bradykinin und Gewebsazidose bewirken in erster Linie eine dramatische Sensibilisierung der Nozizeptoren gegen Hitze (bzw. Wärme), die eine Rekrutierung zuvor unempfindlicher Nervenendigungen mit einschließt. Membranständige Rezeptoren und verschiedene „second-messenger“-Kaskaden, einschließlich cAMP, Calcium-Einstrom und Proteinkinasen, sind an der Transduktion der sensibilisiernden Wirkung beteiligt. Verschiedene hitzeaktivierte Ionenkanaltypen, darunter die durch Entzündung rekrutierten Capsaicinrezeptoren, sind das Ziel der Sensibilisierung, die durch Phosphorylierung der Kanalproteine erreicht wird. Für Bradykinin und Gewebsazidose kann bereits demonstriert werden, dass die Nozizeptorschwellen, die in allen Geweben normalerweise über 40°C liegen, in Sekunden bis Minuten in den Bereich der Raumtemperatur absinken, wodurch die aktuelle Gewebs- oder Körpertemperatur zum massiven Reiz wird und Entladungstätigkeit in nozizeptiven Nervenfasern mit steiler Reiz-Antwortbeziehung induzieren kann. Diese scheinbar chemisch, aber in Wahrheit thermisch induzierte Aktivität unterliegt dann der klassischen Adaptation und einer mehr oder weniger langsamen Desensitisierung der biochemischen Transduktionskaskaden. Selbst nach Bradykinin aber, dessen erregende Wirkung innerhalb von Minuten abklingt, verbleiben die Nozizeptorschwellen weit unter der Körpertemperatur und zwar in nachhaltiger Weise, die von sekundärer Prostaglandinsynthese, induziert durch Bradykinin, abhängt. Dadurch wird die Nozizeptorsensibilisierung und die daraus resultierende Daueraktivität und Hyperalgesie solange aufrecht erhalten, wie die sich gegenseitig in ihrer Wirkung verstärkenden Entzündungsmediatoren im Gewebe vorliegen. Erregung durch thermische Sensibilisierung mag auch als Mechanismus dienen, der die bisher rätselhaften viszeralen Hitzenozizeptoren im Falle von Entzündung und die ektope Erregung in neuropathischen Nerven antreibt. Nicht nur die Nervenendigungen sondern auch die Axone selbst antworten nämlich wohlabgestuft auf Capsaicin, Azidose und noxische Hitzereize, wodurch calciumabhängig im peripheren Nerv entzündungsfördernde und gefäßerweiternde Neuropeptide (Substanz P und CGRP) freigesetzt werden. Eine vereinheitlichende Theorie zuvor divergierender nozizeptiver Mechanismen könnte neue Ziele für pharmazeutisch-chemische Entwicklungen liefern sobald die molekularen Grundlagen, hitzeaktivierte Ionenkanäle, identifiziert sein werden. S12.2 Charakterisierung opioidhaltiger Immunzellen bei Entzündung H. L. Rittner Klinik für Anaesthesiologie und operative Intensivmedizin, Universitätsklinikum Benjamin Franklin, Freie Universität Berlin Opioide können sowohl über zentrale Opiatrezeptoren als auch über periphere Opiatrezeptoren auf sensorischen Neuronen Schmerz hemmen. Dies zeigt sich klinisch in einer analgetischen Wirkung von intraartikulärem Morphin zur postoperativen Schmerztherapie. Neben exogen appliziertem Morphin wirken auch endogen produzierte Opioide beim Menschen analgetisch. Wird der Opiatantagonist Naloxon intraartikulär appliziert, erhöhen sich die Schmerzen, was sich in einem gesteigerten Analgetikabedarf widerspiegelt. Der Mechanismus der peripheren Analgesie lässt sich im Tiermodell genauer untersuchen. Entzündungsschmerz, ausgelöst durch eine lokale Injektion von Freunds Adjuvans in die Rattenhinterpfote, kann einerseits durch peripher applizierte Opioide gehemmt werden.Andererseits können endogen produzierte Opioide wie b-Endorphin und Enkephalin unter Stressbedingungen (Kaltwasserschwimmstress) oder nach Stimulation mit Corticotropin Releasing Factor (CRF) oder Interleukin-1 sezerniert werden. Die endogenen Opioidpeptide werden von verschiedenen Immunzellsubpopulationen produziert. Eine quantitative Analyse der opioidhaltigen Immunzellen aus der
S 10 |
Der Schmerz [Suppl 1]•2001
Rattenhinterpfote im Verlauf dieser Entzündung mittels Durchflusszytometrie zeigt, dass 1. alle Immunzellen (Granulozyten, Monozyten/Makrophagen und Lymphozyten) Opioidpeptide produzieren können und 2. in der frühen Entzündungsphase (2 h) neutrophile Granulozyten (66%) und in der späteren Entzündungsphase (96 h) Monozyten/Makrophagen (73%) Hauptproduzenten für Opioidpeptide sind. Daher sind nicht nur Immunzellen der spezifischen Immunantwort wie Lymphozyten, sondern auch solche der frühen natürlichen Immunität wie Granulozyten und Monozyten/Makrophagen für die Stress-induzierte Analgesie verantwortlich. Für die Stärke der endogenen Analgesie spielen weitere Faktoren eine Rolle. Im Verlauf der Freunds Adjuvans Entzündung nimmt die Stress-induzierte Analgesie von 2 h bis 96 h auf 160% zu. Parallel dazu steigen sowohl der b-Endorphingehalt als auch die absolute Anzahl opioidhaltiger Immunzellen in der entzündeten Rattenhinterpfote an. Auf der anderen Seite führt eine Entzündungshemmung durch Blockade der Einwanderung von opioidhaltigen Immunzellen z.B. durch den Selektinblocker Fucoidin zu einer Reduzierung der endogenen Analgesie. Ebenso verhindert die Immunsuppresion durch Bestrahlung oder Gabe von Cyclosporin die endogene Analgesie. Daher ist die Stress-induzierte endogene Analgesie sowohl der Menge der produzierten Opioidpeptide und als auch der Anzahl der opioidhaltigen Zellen proportional. In anderen Tiermodellen gibt es im Gegensatz dazu Hinweise, dass unter Immunsuppression (z.B. Neutropenie) weniger Schmerz nach Nervenverletzungen oder Applikation von Nerve Growth Factor (NGF) auftritt. Ob man sich daher den Mechanismus der endogenen peripheren Analgesie durch Immunzellen in Zukunft therapeutisch zu Nutze machen kann, indem man die Einwanderung von opioidhaltigen Immunzellen ins Wundgebiet fördert, hängt davon ab, welche Faktoren postoperativ dominieren. Referenzen: Rittner HL et al. ANESTHESIOLOGY 2001, 95(2):500; Machelska H et al. NAT MEDCINE. 1998, 4:1425; Stein C et al. N ENGL J MED 1991, 325:1123; Perkins NM et al. NEUROSCIENCE 2000, 101(3):745 S12.3 Kopfschmerzen unter immunmodulatorischer Therapie W. Pöllmann Marianne Strauß-Klinik, Berg Hintergrund: Zu den bekannten Nebenwirkungen einer prophylaktischen Behandlung der Multiplen Sklerose (MS) mit Beta-Interferonen (βIFN) gehören neben lokalen Symptomen an den Injektionsstellen grippeähnliche Symptome. Kopfschmerzen (KS) treten den Ergebnissen der großen plazebokontrollierten Doppelblindstudien zufolge im allgemeinen unter den 3 zugelassenen Präparaten (Avonex®, Betaferon®, Rebif®) nicht signifikant häufiger auf als unter Placebo. Nachdem uns jedoch mehrere Patienten über eine Zunahme ihrer vorbestehenden bzw. vom Auftreten „neuer“ KS berichteten, haben wir Patienten unter beginnender wie länger bestehender β-IFN-Therapie mit Patienten unter Glatirameracetat-Behandlung, einer anderen Form einer immunmodulatorischen Therapie, verglichen. Methodik: 167 konsekutiv gesehene Patienten mit einer klinisch eindeutigen MS (nach den Kriterien von Poser), 123 Frauen und 44 Männer, im Mittel 40.7 Jahre alt mit Indikation zu bzw. unter einer immunmodulatorischen Therapie mit β-IFN oder Glatirameracetat wurden untersucht, 65 prospektiv in den ersten 6 Monaten einer β-IFN-Therapie (Gruppe I), 53 unter einer länger bestehen β-IFN-Behandlung (Gruppe II) und 49 unter einer Glatirameracetat-Therapie (Gruppe III). Ergebnisse: Die Häufigkeit vorbestehender Kopfschmerzen stieg unter einer mindestens halbjährigen β-IFN-Therapie um 18% (Gruppe I) bzw. 34% (Gruppe II) an, jedoch nur in 6% unter Glatirameracetat (Gruppe III). 12% (Gruppe I) bzw. 17% (Gruppe II) der mit β-IFN behandelten Patienten entwickelten „neue“ KS, jedoch nur 2% unter Glatirameracetat (Gruppe III). Schlussfolgerung: Die signifikant unterschiedlichen Effekte der beiden MS-Prophylaktika im Hinblick auf die Zunahme oder das neue Auftreten von KS kann als weiteres Argument völlig unterschiedlicher Wege der Immunmodulation von β-IFN und Glatirameracetat gewertet werden. Für Glatirameracetat wird vorwiegend eine Wirkung auf das Verhältnis Th2zu Th1-Lymphozyten diskutiert; β-IFN entfalten eine Reihe von Wirkungen auf verschiedene Zytokine, wie z.B. TNF-α. Sie scheinen auch in unterschiedlicher Weise KS zu triggern. Pragmatisch sollten Patienten vor allem unter immmunmodulatorischer Therapie mit β-IFN gezielt nach KS befragt werden, um bei deutlicher Zunahme eine Optimierung der Attackenkupierung bzw. eine Prophylaxe nach den Empfehlungen der DMKG einzuleiten.
S13 „Pro und contra“ – PCA S13.2 Psychische Einflussfaktoren für die PCA K. Breme Klinik für Anästhesiologie der Universität Regensburg, Direktor: Prof. Dr. K. Traeger Schmerz wird heute allgemein als ein multidimensionales und subjektiv empfundenes Phänomen betrachtet, das auf verschiedenen Ebenen der Informationsverarbeitung und des Verhaltens eines Organismus abläuft. In der Regel werden 3 Ebenen von Schmerz unterschieden: eine physiologische, eine kognitiv-bewertende und eine verhaltensmäßige Ebene. Im Bereich der postoperativen Schmerztherapie konnte mit der Methode der patientenkontrollierten Analgesie der – selbst bei identischen Eingriffen – außerordentlich variable Schmerzmittelbedarf als Ausdruck dieser subjektiven Erfahrung aufgezeigt werden. Auch wenn der akute postoperative Schmerz im Vergleich zum chronischen Schmerz seltener im Interesse psychologischer Forschung stand, gilt der Einfluss verschiedener psychologischer Variablen wie der präoperativen Angst, der Depressivität, sozialen Unterstützung sowie Persönlichkeitsfaktoren auf das postoperative Schmerzerleben und die Medikamenteneinnahme als gesichert. Einige Untersuchungen konnten dabei zeigen, dass selbst unter PCA-Bedingungen, in der der Patient die Kontrolle über die Schmerzmitteleinnahme hat, was sowohl die Angst reduzieren als auch den Umgang mit den Schmerzen erleichtern sollte, die interindividuelle Variabilität der psychologischen Variablen sowohl den postoperativen Schmerz als auch die Bedienung der PCA Pumpe wesentlich beeinflusst. So ist der PCA-Modus u. a. abhängig von der Fähigkeit des Patienten auf einen aversiven Stimulus mit einer aktiven Antwort zu reagieren. Die Fähigkeit, auf einen Schmerzreiz optimal zu reagieren, kann dabei sowohl von der aktuellen Befindlichkeit eines Patienten (z. B.Angst, Depressivität) als auch von Persönlichkeitsvariablen wie der Überzeugung Schmerzen kontrollieren zu können, Einstellung zu Medikamenteneinnahme, der allgemeinen Ängstlichkeit oder auch den Erwartungen bzgl. postoperativer Schmerzen eines Patienten beeinflusst werden. Transaktionale Modelle zu Schmerz und Schmerzverarbeitung wie sie im Bereich chronischer Schmerzen bereits lange verwendet werden, können hier wesentlich zu unserem Verständnis beitragen.
S14 Trigeminales-spinales System S14.1 Synaptische Mechanismen der spinalen Analgesie J. Sandkühler Institut für Physiologie und Pathophysiologie, Universität Heidelberg, Im Neuenheimer Feld 326, 69120 Heidelberg Auf der Ebene des Rückenmarks kann die Weiterleitung nozizeptiver Information sehr wirksam unterdrückt werden. Klinisch werden zur spinalen Analgesie insbesondere Agonisten an µ-Opiat-Rezeptoren und an α2Adrenorezeptoren oder Gegenirritationsverfahren wie transkutane elektrische Nervenstimulation (TENS) oder Akupunktur eingesetzt. Die Wirksamkeit und die Dauer der Analgesie kann sehr unterschiedlich sein, was auf verschiedene Wirkprinzipien hindeutet. Tatsächlich wird durch die Aktivierung präsynaptischer µ-Opiatrezeptoren oder α2-Adrenorezeptoren die Freisetzung von Neurotransmittern aus nozizeptiven Nervenendigungen verringert, während die Aktivierung der postsynaptischen Rezeptoren die Erregbarkeit der nozizeptiven Hinterhornneurone herabsetzt. Darüber hinaus können Opioide die Funktion der Glutamatrezeptoren vom Typ der NMDA-Rezeptoren beeinflussen und somit vermutlich auch die NMDA-Rezeptor-abhängigen Prozesse der Zentralen Sensibilisierung. Opioide können über zelluläre Signaltransduktionswege NMDA-Rezeptor-gesteuerte Ströme hemmen oder fazilitieren, oder, in sehr hohen Konzentrationen, direkt den NMDA-Rezeptorkanal blockieren. Die hemmenden Wirkungen können die präventive Analgesie durch Opioide erklären, die fazilitierenden Effekte können der Hyperalgesie zugrundeliegen, die nach Opioidgabe in einigen Modellen nachweisbar ist (Celerier et al., 1999). Bei der spinalen Analgesie durch Gegenirritationsverfahren wird ein Neuromediatorgemisch im Rückenmark freigesetzt, das mindestens zwei unterschiedliche analgetische Wirkmechanismen besitzt: 1.) Die Stimulation von Aβ-Fasern löst die Erregung hemmender, u.a. GABAerger Neurone aus, die nozizeptive Neurone im Hinterhorn für die Dauer der Gegenirritation hemmen [Gate-control Mechanismus (Melzack and Wall, 1965) bei TENS mit niedriger Reizintensität und hoher Reizfrequenz].
2.) Kurze Stimulation mit Aδ-Faser Intensität (TENS mit hoher Reizintensität und niedriger Frequenz, Akupunktur an Nahpunkten) führt zu einer anhaltenden Antinozizeption, die durch die Mechanismen der gate-control Theorie nicht erklärt werden können. Hierbei kommt es zu einer Langzeithemmung der synaptischen Übertragung in Aδ- und C-Faserafferenzen, an der die Aktivierung von ionotropen und metabotropen Glutamatrezeptoren auf nozizeptiven Hinterhornneuronen beteiligt ist. GABAerge oder glyzinerge Interneurone spielen bei dieser Form der Langzeithemmung dagegen keine Rolle (Sandkühler, 2000). Celerier, E, Laulin, J, Larcher, A, Le Moal, M and Simonnet, G. (1999) Evidence for opiate-activated NMDA processes masking opiate analgesia in rats. Brain Res. 847: 18-25. Melzack, R, Wall, PD. (1965) Pain mechanisms: a new theory. Science 150: 971-979. Sandkühler, J . (2000) Long-lasting analgesia following TENS and acupuncture: Spinal mechanisms beyond gate control. In: M. Devor, Rowbotham M.C., Z. Wiesenfeld-Hallin (Eds.), Proceedings of the 9th World Congress on Pain, Progress in Pain Research and Management, Vol.16, IASP Press, Seattle, pp. 359-369. Gefördert durch den Forschungsschwerpunkt „Schmerz“ der Medizinischen Fakultät Heidelberg und durch die DFG (Sa 435). S14.2 Modulatoren der spinalen Neurotransmission – Targets für neue Analgetika? H. U. Zeilhofer, S. Ahmadi, S. Lippross Institut für Experimentelle und Klinische Pharmakologie und Toxikologie, Universität Erlangen-Nürnberg, Fahrstrasse 17, 91054 Erlangen In den oberflächlichen Schichten des Hinterhorns, der Substantia gelatinosa, terminieren aus der Peripherie kommende nociceptive Afferenzen und werden auf zentrale Neurone umgeschaltet. Dieser Vorgang unterliegt der Kontrolle eines lokalen Netzwerks von erregenden glutamatergen und inhibitorischen glycinergen und GABAergen Interneuronen. Ob ein aus der Peripherie kommender nociceptiver Input in höhere Zentren des ZNS fortgeleitet wird und damit zum bewusst erlebten Schmerz führen kann, wird von diesem Netzwerk wesentlich mitbestimmt. Die Filterfunktion dieses Netzwerks steht wiederum unter der Kontrolle verschiedener Neuromodulatoren, die pronociceptiv wirken können, wie etwa Substance P, NO und Prostaglandine, oder antinociceptiv, wie z.B. Opioidpeptide und einige Catecholamine. In den letzten Jahren haben wir uns insbesondere für zelluläre Mechanismen interessiert, die den pro- oder antinociceptiven Wirkungen zweier erst relativ kürzlich entdeckter Neuropeptide, dem Nociceptin/Orphanin FQ (N/OFQ) und dem Nocistatin (NST), und den Prostanoiden (PGE2) zugrunde liegen. Wir fanden dabei, dass N/OFQ über die Aktivierung von ORL-1 Rezeptoren spezifisch die Freisetzung des excitatorischen Neurotransmitters LGlutamat hemmt, während NST spezifisch mit der Freisetzung der hemmenden Neurotransmitter Glycin und GABA interferierte. Diese zellulären Wirkungen korrelieren mit den im sogenannten Formalintest der Ratte beobachteten Veränderungen des nociceptiven Verhaltens. Während N/OFQ in nanomolaren Dosen die nociceptive Reaktion der Tiere verminderte, kam es in den NST behandelten Tieren zu einer dosisabhängigen Steigerung des nociceptiven Verhaltens. Diese Veränderungen des nociceptiven Verhaltens entsprechen im wesentlichen denen, die man auch nach spinaler Gabe von Glutamatrezeptorantagonisten (CNQX und APV) und von Glycinrezeptorantagonisten (Strychnin) beobachtet. Eine Reihe von weiteren Befunden spricht dafür, dass die Beeinflussung der erregenden glutamatergen oder hemmenden glycinergen oder GABAergen Übertragung einen weit verbreiteten Mechanismus darstellt, über den Neuromodulatoren auf spinaler Ebene die Fortleitung nociceptiver Information ins Gehirn beeinflussen. Die Identifizierung der daran beteiligten Mediatoren und Rezeptoren könnte die Basis für die Entwicklung neuer besser verträglicher Analgetika liefern. S14.3 Calciumkanäle in der spinalen und trigeminalen Nozizeption H.-G. Schaible, A. Ebersberger, F. Richter Institut für Physiologie an der Universität Jena, 07740 Jena Spannungsgesteuerte Calciumkanäle werden nach molekularbiologischen und elektrophysiologischen Untersuchungen in L-, N-, P/Q- und R-TypKanäle eingeteilt. Allen Kanälen ist gemeinsam, dass sie „high voltage-acDer Schmerz [Suppl 1]•2001
| S 11
Abstracts tivated“ sind, d.h. sie werden nur bei ausreichender Depolarisation geöffnet. Die Kanäle sind in den neuronalen Schaltkreisen unterschiedlich verteilt. N-Typ- und P/Q-Typ-Kanäle sind besonders in den präsynaptischen Endigungen lokalisiert (sie regeln die Exozytose von Transmittern), während L-Typ-Kanäle in der Regel postsynaptisch sind und die Erregbarkeit des Neurons beeinflussen. Der Beitrag einzelner Kanaltypen zur nozizeptiven synaptischen Verarbeitung lässt sich durch die Applikation von spezifischen Kanalblockern untersuchen. Der N-Typ-Kanalblocker Conotoxin reduziert im Rückenmark die Antworten auf nichtnoxische und noxische mechanische Reizung des Kniegelenks und im Trigeminuskern die Antworten auf chemische Reizung der Meningen mit „Inflammatory Soup“. Es ist daher anzunehmen, dass die Freisetzung von Transmittern aus Afferenzen teilweise N-Typ-abhängig ist. Der P/Q-Typ-Kanalblocker hat im Rückenmark eine leicht fördernde Wirkung auf die Antworten von Rückenmarkzellen auf mechanische Reize, solange das Gelenk normal ist, dagegen reduziert er die Aktivität, wenn das Gelenk entzündet ist. Vermutlich überwiegen bei den Agatoxin-Effekten im Normalfall die Wirkungen auf hemmende Neurone (reduzierte Freisetzung von hemmenden Transmittern führt zur Erregung benachbarter Neurone), während bei Entzündung P/Q-Kanäle in sensibilisierten Afferenzen eine größere Rolle spielen. Im Trigeminuskern führt die Applikation von Agatoxin konsistent zu einer deutlichen Steigerung der Spontanaktivität, dagegen nicht zu einer Reduktion der Antworten auf chemische und thermische Stimulation der Meningen. Wir nehmen an, dass durch die Applikation von Agatoxin eine tonische Hemmung reduziert wird, d.h. der Wirkort des Agatoxin sind vermutlich P/Q-Kanäle an inhibitorischen Interneuronen. Nimodipin, ein L-Typ-Kanalblocker, reduziert im Rückenmark die Antworten auf mechanische Reizung des Gelenks. Im Trigeminuskern scheint Nimodipin die neuronale Aktivität eher zu erhöhen. Diese Daten zeigen, dass die Wirkung von spezifischen calciumkanalblockierenden Substanzen je nach Region unterschiedlich sein kann, und dies hängt vermutlich mit der Lokalisation der einzelnen Kanaltypen in den einzelnen Neuronen des jeweiligen neuronalen Netzwerkes zusammen. Umgekehrt lassen diese Untersuchungen vermuten, dass es Unterschiede im spinalen und trigeminalen Netzwerk gibt. S14.4 Kopfschmerz – Was ist Besonderes am trigeminalen System? K. Messlinger Institut für Physiologie & Exper. Pathophysiologie, Universität Erlangen-Nürnberg, Universitätsstraße 17, 91054 Erlangen Kopfschmerzen werden durch unterschiedlichste Bedingungen ausgelöst und zeigen eine große Variationsbreite in ihrer Symptomatik. Bei primären Kopfschmerzen (z.B. Migräneschmerz, Spannungskopfschmerz, ClusterKopfschmerz) ist die Pathogenese unklar, vieles spricht für ein zentrales Geschehen. Dennoch geht man davon aus, dass bei allen Formen von Kopfschmerzen pathophysiologische Vorgänge in den Hirnhäuten – speziell der Dura mater encephali – oder den großen Hirngefäßen eine wichtige Rolle spielen, denn nur von dort ließen sich experimentell typische Kopfschmerzen auslösen. Auch ist Schmerz die einzige Empfindung, die bei Reizung dieser Strukturen hervorgerufen werden konnte.Damit stellt sich die Frage, ob das nozizeptive System der Hirnhäute als Teil des trigeminalen Nervensystems Besonderheiten gegenüber dem spinalen nozizeptiven System aufweist. Diese Hypothese wird durch tierexperimentelle Befunde gestützt, von denen einige in diesem Übersichtsreferat vorgestellt werden. Strukturell und funktionell ist die sensorische Innervation der intrazerebralen Strukturen den viszeralen Organen ähnlich. Hirnhäute und Hirngefäße werden ausschließlich durch Aδ- und C-Fasern innerviert, korpuskuläre Nervenendigungen fehlen. Der Anteil neuropeptidhaltiger (Substanz P- und CGRP-positiver) Neurone im Ganglion trigeminale ist deutlich höher als in den Spinalganglien, die Dichte neuropeptiderger Nervenfasern in der Dura mater entsprechend hoch. Bei Reizung meningealer Strukturen wird CGRP (Calcitonin gene-related peptide) freigesetzt und führt zur Hyperämie der Hirnhäute. Interessanterweise wurden erhöhte CGRP-Spiegel im Venenblut des Kopfes auch bei Migräne- und ClusterKopfschmerz-Anfällen gemessen. Afferenzen der Dura mater encephali können wie spinale Nozizeptoren zum großen Teil durch Entzündungsmediatoren und Capsaicin erregt werden, weisen aber in ihren meningealen rezeptiven Feldern sehr niedrige mechanische Schwellen auf, wie sie auch bei Nozizeptoren der Cornea gefunden werden. Diese Eigenschaften lassen sich auch an sekundären Neuronen im spinalen trigeminalen Nucleus ablesen, wobei die meisten dieser Zellen neben dem meningealen Input auch faziale rezeptive Felder besitzen. Die hohe Konvergenz des afferenten Inputs aus verschiedenen Strukturen könnte eine wichtige Eigenart des trigeminalen nozizeptiven Systems sein, welche ebenfalls an viszerale No-
S 12 |
Der Schmerz [Suppl 1]•2001
zizeption erinnert. Es gibt experimentelle Hinweise darauf, dass die Interaktion von Mediatorsubstanzen aus Hirnhautgefäßen und aus Afferenzen der Dura mater, z.B. Stickstoffoxid und CGRP, im meningealen System eine besondere Rolle spielt. Schließlich ist das trigeminovaskuläre System der Hirnhäute durch 5-HT1B/D-Rezeptoren charakterisiert, die an den Afferenzen („präjunktional“) die Neuropeptidfreisetzung hemmen und an den Hirnhaut- und Hirnarterien („postjunktional“) vasokonstriktorisch wirken. Ähnliche Rezeptormechanismen wie in der Peripherie sind im spinalen trigeminalen Nucleus und in höheren Zentren anzunehmen und könnten die Grundlage für die zentralen therapeutischen Wirkungen der modernen 5-HT1D-Rezeptoragonisten, der sog. Triptane, bilden.
S15 „Current Opinion“ – Schmerz und AIDS S15.2 Häufige internistische Ursachen von Schmerzen bei HIV-Infektionen D. Schürmann, M. Vallée Medizinische Klinik mit Schwerpunkt Infektiologie (Direktor: Professor Dr. Norbert Suttorp), Charité – Campus Virchow-Klinikum, Humboldt-Universität zu Berlin, Berlin Patienten mit HIV-Infektion/AIDS leiden häufig unter Schmerzen. Diese sind zum einen Folge des direkten Einflusses von HIV auf das zentrale und periphere Nervensystem. Zum anderen treten sie im Rahmen von opportunistischen Infektionen (OI), Malignomen und weiteren HIV-assoziierten Begleiterkrankungen sowie als Nebenwirkung der antiretroviralen Therapie auf. Häufige Erreger der OI sind Viren (v.a. HSV, CMV), Pilze (v.a. Candida), Protozoen (Pneumocystis carinii, Toxoplasma gondii) und Mykobakterien (M. tuberculosis, MAC). Das Spektrum der Schmerzlokalisationen ist – bedingt durch die oft disseminierten Krankheitsmanifestationen – breit. Die am häufigsten betroffenen Organsysteme neben dem zentralen Nervensystem sind der Gastrointestinaltrakt und das Bronchialsystem. Ebenfalls häufig sind rheumatische Beschwerden wir Gelenk-, Muskel- und Knochenschmerzen. Durch die hochaktive antiretrovirale Therapie (HAART) konnten Morbidität und Mortalität HIVInfizierter in den letzten Jahren deutlich gesenkt werden, insbesondere durch den Rückgang der OI. Bei insgesamt niedrigerer Inzidenz von Infektionen durch die verbesserte Immunität ist jetzt eine relative Zunahme von bakteriellen Infektionen, inbesondere der oberen und unteren Luftwege (Sinusitis, Pneumonie, Pleuritis), zu verzeichnen. Im Gegensatz zu den OI ist die Inzidenz der Malignome nicht generell gesunken. Während die Inzidenz des KS deutlich abgenommen hat, zeigen sich die Inzidenzen des NHL und des Zervixkarzinoms unverändert. Andere, bisher nicht als AIDS-assoziiert betrachtete Malignome scheinen jetzt – auf niedrigem Niveau – häufiger aufzutreten. (v.a. Hodgkin-Lymphome, Bronchial-Ca, Magen-Ca, Anal-Ca). Die HAART selbst hat sich inzwischen durch ihre Nebenwirkungen und Komplikationen als Ursache von Schmerzen erwiesen. Generell kann es unter HAART zu abdominellen Schmerzen, die mit und ohne Erbrechen/Durchfall einhergehen können, kommen. Einzelne Medikamente können spezifische Komplikationen verursachen (Nierensteine bei Indinavir, Pankreatitis bei Didanosin und Stavudin). Ob es durch das metabolische Syndrom im Zusammenhang mit dem HAARTassoziierten Lipodystrophiesyndrom zu einem Anstieg von ischämischen Herzerkrankungen kommt, ist zur Zeit noch unklar. Die Verbesserung der Verträglichkeit der HAART stellt eine vordringliche Aufgabe dar. S15.5 Schmerzen durch Myalgien und Myopathien bei HIV-Infektion I. W. Husstedt, A. Frese, A. Rahmann, S. Evers Universitätsklinikum Münster, Klinik und Poliklinik für Neurologie, HIV-Ambulanz, Albert-Schweitzer-Str. 33, D-48129 Münster, Tel.: 0251/83-48188, e-mail:
[email protected] Einleitung: Bei Patienten mit HIV-Infektion werden grundsätzlich primäre und sekundäre Neuromanifestationen unterschieden. Zu den primären Neuromanifestationen zählen die HIV-assoziierte Enzephalopathie, verschiedene Formen der HIV-assoziierten Polyneuropathien sowie HIV-assoziierte Myopathien, die in jedem Stadium der HIV-Infektion, schwerpunktmäßig jedoch in den fortgeschrittenen Stadien auftreten können. Die Prävalenz unter antiretroviraler Kombinationstherapie beträgt vermutlich 1 bis 2%, bei unbehandelten Patienten 1%. Klinische Befunde und Diagnostik: Initial bestehen meistens belastungsabhängige Myalgien, zu denen oft erst nach Monaten proximal betonte Muskelatrophien und Paresen hinzutreten. Auch bei schweren Atrophien
sind die Paresen oft nur mäßig ausgeprägt. Die Kreatinkinase (CK) ist in typischer Weise um das Mehrfache der Norm erhöht. Da Myalgien und eine Erhöhung der CK bei Patienten mit HIV-Infektion oft bestehen, kann von einer klinisch wahrscheinlichen Myopathie insbesondere dann ausgegangen werden, wenn zusätzlich typische elektromyographische Befunde vorliegen wie Spontanaktivität in Form von Fibrillationspotentialen und positiven Wellen, polyphasische, amplitudenreduzierte Aktionspotentiale motorischer Einheiten und ein vorzeitig dichtes Interferenzmuster. Die Muskelbiopsie und Untersuchung durch einen myopathologisch erfahrenen Neuropathologen stellt den Goldstandard in der Diagnostik von HIV-assoziierten Mypopathien dar. Seltene Formen primärer HIV-assoziierter Myopathien sind die Nemaline, die vakuoläre und die Einschlusskörperchen-Myositis. Neben der primären HIV-assoziierten Polymyositis, die durch das HI-Virus selbst ausgelöst wird, existieren sekundäre Myopathien. Am bekanntesten ist die AZT-Myopathie, bei der medikamentös induzierte mitochondriale Veränderungen im Vordergrund stehen. Histologisch imponieren Ragged-fibres und abnorme Mitochondrien. Andere seltene sekundäre Myopathien werden durch eine Vaskulitis oder durch Lymphominfiltration hervorgerufen, sehr selten durch Erreger. Auch arzneimittelinduzierte Rhabdomyolysen sind selten. Das Wasting-Syndrom kann in Einzelfällen eine Myopathie hervorrufen. Nicht selten bestehen primäre und sekundäre Myopathien parallel nebeneinander wie z. B. eine HIV-assoziierte Polymyositis und AZT-Myopathien. Die Differentialdiagnose gegenüber Symptomen einer HIV-assoziierten Polyneuropathie ist durch einen auf diesem Sektor erfahrenen Neurologen praktisch immer möglich. Weitere differentialdiagnostische Erkrankungen stellen HIV-induzierte rheumatische Erkrankungen, Myalgien durch Medikamente, die zur antiretroviralen Therapie benutzt werden, und Schmerzen im Rahmen depressiver Syndrome dar. Therapie und Prognose: Bei leichteren Formen der HIV-assoziierten Polymyositis mit ausschließlichen Myalgien sind oftmals nicht-steroidale Antirheumatika ausreichend. Eine HIV-assoziierte Polymyositis spricht gut auf Prednison (100 mg/die über 3–4 Wochen, dann langsam ausschleichen) an.Andere therapeutische Optionen stellen Immunglobuline (0,4 g/kg Körpergewicht tgl. über 5 Tage) oder auch eine Plasmapherese dar. Bei einer AZT-Myopathie ist das Absetzen der Substanz therapeutisch indiziert, im allgemeinen tritt innerhalb von 4 bis 6 Wochen eine Remission der quälenden Symptome ein. Bei Medikamenten, die bei einer medikamentösen Myopathie oder medikamentös induzierten Myalgien unverzichtbar sind, muss zumindest eine Dosisreduktion vorgenommen werden. In der Literatur wird auch in solchen Fällen über gelegentliche Beschwerdeverbesserungen durch Prednison berichtet. Depressive Reaktionen mit Schmerzen sind thymoleptisch und psychotherapeutisch zu behandeln. Bei Ausschöpfung aller therapeutischer Verfahren ist oftmals eine wesentliche Reduktion der sehr quälenden Beschwerden und eine erhebliche Verbesserung der Lebensqualität von Patienten mit HIV-assoziierter Myopathie zu erreichen.
S16 Urogenitale Schmerzsyndrome Urogenitale Schmerzsyndrome I. Gralow1, W. Jänig2, K.-P. Jünemann3, M. Weber4 Anaesthesiologie, Universität Münster; 2Physiologie, Universität, Kiel; 3Klinik für Urologie, Universitätsklinikum Kiel; 4Facharzt für Gynäkologie, Münster
1
Grundlagen: Der Urogenitaltrakt (UGT) dient einerseits der neuronalen Regulation von Miktion und Kontinenz der Harnblase und andererseits der Fortpflanzung (sexuelle Aktivität, Austragen und Geburt der Nachkommenschaft). Diese globalen Funktionen des UGT stehen weitgehend unter neuronaler Kontrolle des Zentralnervensystems und sind präzise an das Verhalten des Organismus angepasst. Schmerzen, die ihren Ursprung im UGT haben, gehören in den Bereich der viszeralen und z.T. tiefen somatischen Schmerzen. Sie sind aus klinischer, psychologischer und grundwissenschaftlicher Sicht komplex und wenig erforscht. Die Gründe für dieses Defizit liegen in der komplexen Struktur und den multiplen Funktionen der Beckenorgane, in der komplexen afferenten und efferenten Innervation des UGT und in den diagnostisch und experimentell schwer zu trennenden Schmerzformen, die in diesem Bereich eine Rolle spielen (viszerale Organschmerzen, tiefe somatische Schmerzen; viszerale und tiefe somatische übertragene Schmerzen). Ein weiterer wichtiger Grund ist wahrscheinlich in der Psychobiologie der schmerzhaften und nichtschmerzhaften Empfindungen, die vom UGT auslösbar sind, zu suchen. Der UGT wir afferent und efferent (parasympathisch und sympathisch) von sakralen und oberen lumbalen Rückenmark innerviert. Die sakrale viszerale afferente Innervation ist wichtig für schmerzhafte und nicht-
schmerzhafte Empfindungen und für die Regulation der Harnblase. Die lumbale viszerale afferente Innervation spielt keine Rolle für die Organregulation, ist jedoch verantwortlich für bestimmte Schmerzen des UGT. Die proximale Vagina und Urethra wird von somatischen Afferenzen im N. pudendus innerviert. Sakrale und lumbale viszerale Afferenzen des UGT kodieren hoch- und niederschwellige adäquate Reize in ihrer Aktivität (z.B. Dehnung von Harnblase, Vagina und Uterus). Einige viszerale Afferenzen des UGT sind unter physiologischen Bedingungen mechanisch nicht erregbar. Eine Klassifikation von viszeralen Afferenzen des UGT in nozizeptive und nichtnozizeptive Afferenzen nach physiologischen, histochemischen, pharmakologischen und molekularen Kriterien, wie es für die afferente Hautinnervation möglich ist, ist bisher nicht geglückt und vermutlich aus konzeptionellen Gründen auch nicht möglich. Bei Entzündungen werden hoch- und niederschwellige viszerale Afferenzen des UGT gleichermaßen sensibilisiert und stumme viszerale Afferenzen rekrutiert. Die Aktivität in den viszeralen Afferenzen des UGT wird im Rückenmark auf viszero-somatische Konvergenzneurone in den Laminae I und V und tieferen Laminae des sakralen und lumbalen Rückenmarkes synaptisch übertragen. Diese Sekundärneurone sind entweder aszendierende Traktneurone, segmentale Interneurone oder propriospinale Neurone. Eine Differenzierung dieser Neurone in solche, die verantwortlich sind für schmerzhafte und nichtschmerzhafte Empfindungen, für Organregulationen und Organreflexe (z.B. der Harnblase oder Sexualorgane) ist bisher nicht geglückt. Weiterhin sind die neuronalen Mechanismen der (chronischen) Sensibilisierung dieser Rückenmarksneurone bei persistenter Erregung der Afferenzen vom UGT unbekannt. Letztendlich sind auch die neuronalen Mechanismen der Übertragung viszeraler Schmerzen des UGT in den tiefen somatischen Bereich (z.B. die Beckenbodenmuskulatur), in die Haut (sakrale und lumbale Dermatome) und in andere Viszera unbekannt. Die zentrale Repräsentation viszeraler Empfindungen des UGT (einschließlich des Schmerzes) befinden sich vermutlich im Inselkortex. Dieser Kortex repräsentiert die Interozeption, zu der auch körperliche Allgemeinempfindungen und im weiteren Sinne homöostatische autonome Regulationen gehören. Vermutlich spielen die zentralen endogenen Kontrollsysteme des Hirnstammes (zentrales Höhlengrau, ventromediale Medulla, pontines Tegmentum) beim viszeralen Schmerz eine bedeutende Rolle. Klinik: Im klinischen Alltag häufig aufzufindende chronische urogenitale Schmerzsyndrome sind die Reizblase und die chronisch-rezidivierende Zystitis bei der Frau sowie die Prostatodynie beim Mann. Ätiopathogenetisch sind Dyssynergien der verschiedenen Anteile der Beckenorgane, der Beckenbodenmuskulatur und deren komplexer nervaler Innervation neben den Sphinktersystemen zu berücksichtigen. Aus Sicht der Psychosomatik werden neben der organischen Disposition, der psychoimmunologisch-bakteriellen Interaktionen, Beziehungskonflikte sowie eine frühe Fixierung in der psychosexuellen Entwicklung diskutiert. Daher erklärt sich auch der hohe Anteil der vergesellschafteten sexuellen Funktionsstörungen. Eines der häufigsten chronischen Schmerzsyndrome in der Gynäkologie stellt die Pelvipathie dar, häufig verbunden mit Dyspareunien sowie Dysmenorrhoen.Wegen chronischer Unterbauchschmerzen werden bis zu 30% aller Laparoskopien und 10–20% der Hysterektomien veranlasst. Nach differentialdiagnostischem Ausschluss verbleiben mehr als 30% der Patientinnen, bei denen kein objektivierbarer somatischer Befund nachweisbar ist. Als häufigste somatische Ursachen werden Adhäsionen sowie die Endometriose und Myome in ihrer pathognomonischen Bedeutung kontrovers diskutiert, wobei nachgewiesen ist, dass das Ausmaß dieser auffindbaren somatischen Befunde nicht mit dem Ausmaß der chronischen Schmerzen oder deren Behandlungsbedürftigkeit korreliert. Aus der psychosomatischen Forschung lassen sich funktionelle chronische Unterbauchschmerzen häufig als Somatisierung psychosozialer Konflikte beschreiben. Neben chronischen Partnerschaftskonflikten finden sich gehäuft Trennungs- und Verlusterfahrungen. Schwere sexuelle Missbrauchserfahrungen in der Kindheit und Jugend werden bei bis zu 50% der betroffenen Patientinnen beschrieben. Nach langjähriger schwerer Traumatisierung sind häufig auch Alkohol- oder Medikamentenmissbrauch aufzufinden, die in der pharmakologischen Schmerzbehandlung berücksichtigt werden müssen. Aufgrund der Komplexität der Genese chronischer urogenitaler Schmerzsyndrome im Sinne eines multifaktoriellen bio-psycho-sozialen Geschehens sollten Diagnostik und Therapie interdisziplinär stattfinden. Literatur Diederichs P. Urologische Psychosomatik. Huber, Bern Göttingen Toronto Seattle (2000) Giamberadino MA. Recent forgotten aspects of visceral pain. Europ J Pain 3:77-92 (1999) Jänig W. Regulation of the lower urinary tract. Kapitel 81 in: Greger R, Windhorst U (Hrsg) Comprehensive Human Physiology - From CelluDer Schmerz [Suppl 1]•2001
| S 13
Abstracts lar Mechanisms to Integration. Springer-Verlag, Heidelberg New York. S 1611-1624 (1996) Jänig W. Behavioral and neurovegetative components of reproductive functions. Kapitel 118 in: Greger R, Windhorst U (Hrsg) Comprehensive Human Physiology - From Cellular Mechanisms to Integration. Springer-Verlag, Heidelberg New York. pp. 2253-2263 (1996) Jänig W, Häbler H-J. Physiologie und Pathophysiologie viszeraler Schmerzen. Der Schmerz im Druck (2001) Jänig W, Koltzenburg M. Pain arising from the urogenital tract. In: Maggi CA (Hrsg) Nervous Control of the Urogenital System. In: The Autonomic Nervous System Vol 2, Harwood Academic Publishers, Chur, Switzerland, S 523-576 (1993) Lampe A, Söllner W. Pelipathie. In Egle UT, Hoffmann SO, Joraschky P (Hrsg) (1997) Sexueller Mißbrauch, Mißhandlung, Vernachlässigung. Schattauer Stuttgart New York (1997) Maggi CA (Hrsg) Nervous Control of the Urogenital System. In: The Autonomic Nervous System Vol 2, Harwood Academic Publishers, Chur, Switzerland (1993) Wesselmann U. Klinik und Pathophysiologie der Schmerzen der Beckenorgane der Frau. Der Schmerz im Druck (2001) Weber M. Pelvipathie. Skript zum Curriculum „Spezielle Schmerztherapie“, Münster (2000)
S17 „Pro und Contra“ – Medikamentöse versus invasive Schmerztherapie S17.1 Pro: Medikamentöse Schmerztherapie ist „state-of-the-art“ bei chronischen Schmerzen M. Strumpf, M. Zenz Klinik für Anaesthesiologie, Intensiv- und Schmerztherapie, Berufsgenossenschaftliche Kliniken Bergmannsheil – Universitätsklinik, Bürkle-de-la-Camp-Platz 1, 44789 Bochum Effizienz und unerwünschte Wirkungen der medikamentösen Schmerztherapie sind in der Literatur gut abgesichert. So führt die konsequente Umsetzung eines simplen Stufenschemas mit verschiedenen Analgetika bei tumorbedingten Schmerzen zu geschätzten Erfolgsquoten von bis zu 85% Effizienz bei beherrschbaren Nebenwirkungen. Durch konsequente medikamentöse Therapie ist der Anteil invasiver Therapieverfahren bei diesen Patienten auf unter 5% gesunken. Obwohl kontrollierte Langzeitstudien fehlen, existieren zahlreiche Fallserien, die die Erfolge einer Langzeitanwendung demonstrieren. Selbst stärkste Analgetika scheinen bei Daueranwendung keine Organtoxizität aufzuweisen. Der Einsatz von Analgetika, insbesondere Opioiden, bei nicht-tumorbedingten chronischen Schmerzen wird dagegen kontrovers diskutiert. Bei sorgfältiger Indikationsstellung profitieren aber gerade die Patienten, die mit einer guten Schmerzreduktion auf die Opioidtherapie respondieren. NichtOpioidanalgetika eignen sich nicht zur Langzeittherapie, sind aber z. B. bei akuten Rückenschmerzen höchst effektiv. Die medikamentöse Schmerztherapie ist – neben psychologischen Interventionen – ebenfalls Standard bei der Therapie der meisten Kopfschmerzformen. Ein differenzierter Einsatz der in Leitlinien vorgeschlagenen Medikamente führt in den meisten Fällen zu einem signifikanten Rückgang der Beschwerden. Ebenfalls ist die gute Wirksamkeit von Antidepressiva und Antikonvulsiva bei neuropathischen Schmerzen belegt. Einschränkungen in der Effizienz sind dann hinzunehmen, wenn die medikamentöse Schmerztherapie als Monotherapie eingesetzt wird und nicht in einem multimodalen Kontext. Dies gilt nicht nur für Medikamente, sondern auch für invasive Therapieverfahren. S17.2 Invasive Schmerztherapie ist konventionellen Verfahren in vielen Fällen überlegen. H. Harke Klinik für Anästhesie und spezielle Schmerztherapie, Klinikum Krefeld Schmerzfreiheit des Patienten besitzt oberste Priorität. Mit zunehmender Chronifizierung droht jedoch oftmals infolge peripherer und zentraler Sensibilisierungsmechanismen eine ungenügende Analgesie. Ursache ist ein Wirkverlust der analgetischen Arzneimittel, da die durch chronische Schmerzen übermäßig stimulierten, übererregten Rückenmarksneurone ihre Anziehungskraft für Analgetika verlieren. Da dieser Affinitätsverlust nur durch eine Erhöhung des Angebotes, d.h. eine Dosiserhöhung des Arzneimittels, egalisiert werden kann, scheitert eine suffiziente Schmerz-
S 14 |
Der Schmerz [Suppl 1]•2001
therapie mit oraler, subcutaner, transdermaler oder intravenöser Analgetikagabe an den mit steigender Dosis unerträglichen und therapieresistenten Nebenwirkungen wie Nausea, Müdigkeit oder Pruritus. Die Schmerzwahrnehmung wird durch die Aktivität in primär afferenten Neuronen und deren (pharmakologische) Modulation sowohl auf spinaler als auch supraspinaler Ebene bestimmt. Da Opiate, parenteral appliziert, hauptsächlich über supraspinale µ1-Rezeptoren wirken (1), ist eine selektive Beeinflussung der schmerzverschaltenden „übererregten“ Spinalneurone auf Rückenmarksebene nur schwerlich möglich. Da hochfrequente chronische Erregungen die postsynaptische Erregbarkeit und Schmerzimpulsrate steigern, ist eine systemische pharmakologische Besserung chronischer Schmerzen schwierig. Demgegenüber werden bei rückenmarksnahen Katheter- und/oder Elektrostimulationstechniken derart hohe Wirkkonzentrationen an den Synapsen der Rückenmarksneurone erreicht, so daß durch das erhöhte Angebot die verminderte Affinität sensibilisierter Neurone effektiv kompensiert werden kann. So können systemisch opioidresistente chronische Schmerzen durch rückenmarksnahe Applikation mit Hilfe invasiver Kathetertechniken wirksam therapiert werden. Ebenso ist klinisch evident , daß die lokale elektrische Reizung GABAerger Interneurone die spinale Übererregbarkeit unterbricht und das gesteigerte Schmerzempfinden bestimmter neuropathischer Schmerzsyndrome normalisiert. Die Domäne der elektrischen Rückenmarkstimulation (SCS) sind neuropathische Schmerzen bei postherpetischer Neuralgie, inkompletten Querschnitten, inkompletten Nerven- und Plexusläsionen, Phantom- und Stumpfschmerzen, Radikulopathien sowie die sympathische Reflexdystrophie. Mit Hilfe rückenmarksnaher Techniken kann die bei chronischen Schmerzen gesteigerte neuronale Impulsübertragung normalisiert werden, so daß die Patienten ohne zentrale Nebenwirkungen schmerzfrei werden. 1. T.Reisine und G.Pasternak. Opiodanalgetika und Antagonisten. In: Goodman and Gilman (Hrsg), Pharmakologische Grundlagen der Arzneimitteltherapie, 9.Aufl.1998, McGraw-Hill London. 2. JG. Cui , WT O’Connor et al. Spinal-cord stimulation attenuates augmented dorsal horn release of excitatory amino-acids in mononeuropathy via a GABAergic mechanism. Pain 73(1997) 87-95 3. H.Harke. Neurostimulation bei chronischen Schmerzen. In: Deutsche Akademie für Anästhesiologische Fortbildung (Hrsg). Refresher Course Bd. 26 (2000), p 61-66, Springer, Berlin. S17.3 Der akute Fall - Interaktive Fallvorstellung mit Auditoriums- und Expertendiskussion P. Gretenkort Klinik für Anästhesie und spezielle Schmerztherapie, Klinikum Krefeld Der Wirksamkeitsnachweis einer oralen Medikation unter den Kriterien der „evidence based medicine“ steht für eine Reihe von Krankheitsbildern noch aus. Meta-Analysen, z.B. zur Therapie der postherpetischen Neuralgie, basieren bisher nur auf wenigen Placebo-kontrollierten Studien (z.B. Collins et al., J Pain Sympt Manage 2000; 20:449-58). Die Angaben zur „number-needed-to-treat“ lassen einen nennenswerten Anteil an nicht zufriedenstellend schmerzgelinderten Patienten vermuten. Dies zeigt auch die klinische Praxis: Patienten beklagen trotz dosisadäquater Einstellung auf ein „Mittel der Wahl“, oft sogar noch unter einer mehrfachen Kombinationstherapie, weiterhin Schmerzen. Häufig nehmen Nebenwirkungen überhand, zumal es sich etwa bei der postherpetischen Neuralgie vorwiegend um Patienten im fortgeschrittenen Lebensalter handelt. Die Entscheidung, ob es sinnvoll ist, bei diesen Patienten eine weiter differenzierte medikamentöse Einstellung anzustreben oder alternative Wege unter Einsatz passagerer oder permanenter invasiver Verfahren zu wählen, ist im klinischen Kontext nicht immer einfach. Die interaktive Vorstellung des klinischen Fallbeispiels eines Patienten mit postherpetischer Neuralgie soll im Rahmen der Sitzung „Medikamentöse versus invasive Schmerztherapie“ mithelfen, Entscheidungskriterien zu definieren und zu systematisieren.
S18 „Pro und Contra“ – Tiermodelle in der Schmerzforschung S18.1 Tiermodelle zum Akutschmerz P. K. Zahn Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie und operative Intensivmedizin (Dir.-Univ. Prof. Dr. med. H. Van Aken); Universitätsklinikum Münster (UKM) Aus der Fülle richtungsweisender Ergebnisse experimenteller Schmerzforschung entstand die Charakterisierung von zwei Schmerztypen: dem physiologisch-transienten Schmerz und dem pathophysiologisch-klinischen Schmerz (Woolf und Chong 1993). Physiologischer Schmerz entsteht durch die Aktivierung von Nozizeptoren (A-•- und C-Fasern) der Haut oder anderen Gewebetypen (z.B. Cornea, Muskel) ohne zugrundeliegende Gewebeverletzung und besitzt eine warnende und protektive Funktion für den Körper. Im Gegensatz tritt der pathologische Schmerz nach Gewebeverletzungen auf und kann sowohl durch Aktivierung von Nozizeptoren als auch A-β Mechanosensoren ausgelöst werden (Cervero und Laird 1996; Woolf und Chong 1993). Tiermodelle des Akutschmerzes prüfen das Verhalten der Tiere auf schmerzhafte thermale, mechanische oder elektrische Stimuli ohne vorliegende Gewebeverletzung (Test für den physiologischen Schmerz). Zu den akuten Schmerzmodellen zählen der tail flick test/reflex, der limb-withdrawal test/reflex und der orofacial test/reflex (Chapman et al. 1985; Dubner und Ren 1999). Obwohl diese einfach anzuwendenden Verfahren eine verlässliche Überprüfung der analgetischen Wirkung bestimmter Substanzen ermöglichen (Dubner und Ren 1999), ist die Aussagekraft und der Anwendungsbereich deutlich eingeschränkt. So messen diese Tiermodelle die spinale Reflexaktivität bzw. Reflexlatenz und nicht ein bestimmtes Schmerzverhalten; die Messung der Reflexaktivität ist wie andere Verhaltensmuster nur ein indirektes Maß für das Auftreten von Schmerz. Außerdem ist die Reflexlatenz nicht direkt von der Stimulusintensität abhängig und kann durch Veränderungen der motorischen Funktion beeinträchtigt werden (Chapman et al. 1985). Ein anderes akutes Schmerzmodell, das im Gegensatz zu den reinen Reflex-Modellen ein komplex organisiertes Schmerzverhalten beurteilt, ist der hot plate test. (Chapman et al. 1985). Zusammenfassend ist festzustellen, dass Tiermodelle des Akutschmerzes einfach durchzuführen sind und eine verlässliche Beurteilung der analgetischen Wirkung bestimmter Substanzen erlauben. Dennoch ist die Aussagekraft dieser Tiermodelle limitiert. So ist zu bedenken, dass durch die meisten Tiermodelle des Akutschmerzes eine unspezifische Messung der spinalen Reflexlatenz erfolgt und der Untersucher somit nur indirekte Hinweise auf das Schmerzverhalten der Tiere erhält; da die Ausbildung von physiologischem und pathophysiologischem Schmerz auf unterschiedlichen Mechanismen beruht, kann aus den im akuten Schmerzmodell gewonnenen Ergebnissen nicht auf die Schmerzsituation nach einer Gewebeverletzung geschlossen werden (Woolf und Chong 1993). Letztendlich spielt der physiologisch-transiente Schmerz im klinischen Alltag keine wichtige Rolle (Loeser und Melzack 1999). Literaturnachweis 1. Cervero, F. and Laird, J.M.A., From acute to chronic pain: mechanisms and hypotheses. In: G. Carli and M. Zimmermann (Eds.), Towards the neurobiology of chronic pain, Vol. 110, Elsevier, 1996, pp. 3-15. 2. Chapman, C.R., Casey, K.L., Dubner, R., Foley, K.M., Gracely, R.H. and Reading, A.E., Pain Measurement: An Overview, Pain, 22 (1985) 1-31. 3. Dubner, R. and Ren, K., Assessing transient and persistent pain in animals. In: P.D. Wall and R. Melzack (Eds.), Textbook of Pain, Churchill Livingstone, 1999, pp. 359-369. 4. Loeser, J.D. and Melzack, R., Pain: An overview, Lancet, 353 (1999) 16071609. 5. Woolf, C.J. and Chong, M.-S., Preemptive analgesia-treating postoperative pain by preventing the establishment of central sensitization, Anesthesia and Analgesia, 77 (1993) 362-379.
S18.2 Von der peripheren Nozizeption zur spinalen Modulation peripherer Entzündungen
durch Einzelfaserableitungen registriert. Hierbei wird ein peripherer Nerv in dünne Faszikel präpariert, so dass diese dann idealerweise noch eine afferente Gruppe III- (A delta-) oder Gruppe IV- (C-) Faser enthalten, deren Aktionspotentiale mittels einer Ableitelektrode registriert sowie nach Filterung und Verstärkung aufgezeichnet werden. Diese Untersuchungen wurden sowohl in vivo als auch in vitro an vielen Tierspezies, u.a. Ratte, Katze, Kaninchen, Hund, und von diversen Strukturen, z.B. Haut, Gelenk, Muskel, im normalen Gewebe oder nach Entzündungsinduktion, durchgeführt. Die Nervenendigungen können durch mechanische, chemische, thermische Stimuli gereizt werden, wobei die Applikation beispielsweise für lösliche Substanzen lokal auf die rezeptive Struktur, aber auch i.a. in das die Region versorgende Gefäß erfolgt. Des Weiteren kann z.B. an der Haut der Rattenpfote eine Entzündung durch Carrageenan oder Capsaicin induziert und deren Parameter Vasodilatation, Permeabilitätssteigerung, Volumenzunahme (Ödem), durch entsprechende Verfahren quantifiziert werden. Die Intensität der neurogenen Vasodilatation ist durch andere Mediatoren, z.B. Immunmediatoren, modulierbar. Eine Weiterentwicklung dieser Techniken ist, durch spinale Applikation von transmissionsmodulierenden Substanzen, u.a Opioide, die Intensität peripherer Entzündungen zu vermindern. Dies ist möglich nach chronischer Implantation eines intrathekalen Katheters zur Opioidapplikation bei Ratten, an deren Pfoten dann durch (verschiedene) Agentien eine Entzündung hervorgerufen und die Intensität der Entzündungsparameter durch Laserdoppler-Flowmetrie, Plethysmographie, Evans blue-Extravasation quantifiziert wird. S18.3 Modelle des chronischen Entzündungsschmerzes und des neuropathischen Schmerzes H.-G. Schaible1, G. Segond von Banchet1, R. Bräuer2 Institute für Physiologie1 und Pathologie2 an der Universität Jena, 07740 Jena Für die Erforschung von klinisch relevanten Schmerzen sind Modelle erforderlich, an denen die Vorgänge im peripheren Nerven und im Zentralnervensystem untersucht werden können. In der Erforschung des chronischen Entzündungsschmerzes wird derzeit vor allem die durch Complete Freund’s Adjuvant (CFA) ausgelöste Entzündung benutzt. CFA wird in der Regel in die Pfote von Ratten injiziert und produziert dort eine unilaterale lokale Entzündung, die Tage bis wenige Wochen anhält.Von der Induktion einer Polyarthritis durch CFA (höhere Dosis erforderlich) wurde aus ethischen Gründen weitgehend Abstand genommen. Die lokale Entzündung ist durch eine mechanische und thermische Hyperalgesie gekennzeichnet, die in Verhaltensversuchen getestet werden kann. Eine chronische unilaterale Gelenkentzündung, die viele Aspekte der rheumatoiden Arthritis simuliert, ist die antigen-induzierte Arthritis (AIA). Hierbei werden Ratten oder Mäuse vorimmunisiert, und dann wird das Antigen (methyliertes BSA) in ein Kniegelenk injiziert. Es entwickelt sich eine Entzündung, die in den ersten 10 Tagen die Kennzeichen einer Akutentzündung hat (Infiltration von Granulozyten) und dann zunehmend Charakteristika einer chronischen Entzündung (Pannusbildung, Knorpeldestruktion) entwickelt. In der akuten und frühen chronischen Phase (bis etwa 30 Tage) ist nozizeptives Verhalten nachzuweisen. Am deutlichsten sind Einschränkungen der Bewegungen des Beines mit Entzündung. Für die Erforschung des neuropathischen Schmerzes werden derzeit vor allem die Läsion eines peripheren Nerven (Modell nach Bennett und Xie) und die Läsion einer Hinterwurzel (Chung-Modell) benutzt. Hierbei wird durch eine lockere Ligation eine Konstriktion des Nerven bzw. der Hinterwurzel erzeugt. Auch die komplette Durchschneidung eines wichtigen Nerven kann neuropathischen Schmerz auslösen, doch da die Durchschneidung des Nerven mit dem Verlust der gesamten Sensorik/Motorik der betroffenen Extremität verbunden ist, kann in diesem Modell nur die Autotomie als Schmerzindikator angesehen werden. Dagegen erlauben die Modelle nach Bennett/Xie und Chung die Feststellung einer mechanischen und thermischen Hyperalgesie. Eine andere Variante ist die Kompression von Hinterwurzelganglien, als Modell einer Radikulopathie. Seit kurzem gibt es ein erstes Modell des Krebsschmerzes. Hierbei wird durch die Injektion von osteolytischen Sarkomzellen in einem Röhrenknochen Knochenkrebs erzeugt, der wie eine Metastase zur Knochendestruktion führt.
M. Herbert Klinik für Anaesthesiologie der Univ. Würzburg Veränderungen der Aktivität peripherer afferenter Nervenfasern nach Erregung der nozizeptiven Nervenendigungen durch mechanische, thermische oder chemische Reize wurden über viele Jahre standardmäßig Der Schmerz [Suppl 1]•2001
| S 15
Abstracts S19 Schmerztherapie beim Kind
S20.2 Klinische Diagnostik und Pathophysiologie
S19.2 Postoperative Schmerztherapie bei Kindern – Besonderheiten
R. Baron Klinik für Neurologie, Christian-Albrechts-Universität Kiel
F.-J. Kretz Klinik für Anästhesiologie und operative Intensivmedizin, Olgahospital - Klinikum Stuttgart, Bismarckstr. 8, 70176 Stuttgart Bedauerlicherweise ist die postoperative Schmerztherapie bei Kindern, insbesondere bei Früh-, Neugeborenen und Säuglingen auch heute noch ein Stiefkind der Medizin. Gründe dafür sind die irrige Annahme von Ärzten, Früh- und Neugeborene sowie Säuglinge hätten noch keine Schmerzen und könnten, wenn sie denn Schmerzen empfinden würden, sich später nicht mehr daran erinnern. Außerdem sei der Einsatz von Opioiden bei diesem risikobehafteten Klientel, wenn nicht kontraindiziert, so doch gefährlich. Eine Fülle von Untersuchungen haben diese Mythen und Ängste längst widerlegt. Frühgeborene haben bereits ab der 22. SSW Schmerzen, die Schmerzleitungsbahnen sind bereits bei der Geburt komplett angelegt, Opioidrezeptoren sind ab der 12. SSW vorhanden, die endogenen Liganden auch. Zugegeben – alles ein wenig modifiziert: die Myelinisierung der schmerzleitenden Bahnen ist noch nicht komplett ausgebildet. Auch die regionale Verteilung der Opioidrezeptoren zeigt noch Differenzen zu der des Erwachsenenalters. Und auch die deszendierende Hemmung ist bei Früh- und Neugeborenen noch nicht ausgebildet. Dies modifiziert nicht nur die Schmerzäußerungen dieser Kinder, auch die Schmerztherapie muss sich an die speziellen Bedingungen im Kindesalter anpassen. In dem Beitrag werden die regionalanästhesiologischen Methoden der postoperativen Schmerztherapie, die patientenkontrollierte Analgesie im Kindesalter und die medikamentösen Komponenten der Schmerztherapie im Einzelnen dargestellt.
Bei der postzosterischen Neuralgie lassen sich drei verschiedene Schmerzformen unterscheiden, die häufig in Kombination vorkommen: (1) ein brennender, bohrender Dauerschmerz, (2) kurze, einschießende, neuralgiforme Schmerzattacken, die aber im Vergleich zur Akutphase seltener auftreten, und (3) heftigste Berührungsschmerzen, die sogenannte dynamische Berührungsallodynie. Hierbei wird die leichteste Berührung der Haut, z.B. durch die Kleidung, als heller Schmerz empfunden. Im Gegensatz dazu bewirkt eine feste Berührung im befallenen Areal oft sogar eine gewisse Erleichterung. Sensibilitätsstörungen, Dauerschmerzen und Allodynie zeigen häufig eine Ausbreitung in benachbarte narbenfreie Segmente, die in der Akutphase nicht sichtbar befallen waren. Hypothesen zur Schmerzentstehung und -chronifizierung beim Herpes Zoster sind: (1) Periphere Sensibilisierung nozizeptiver C-Fasern durch die Zoster-Infektion und nachfolgende zentrale Sensibilsierung nozizeptiver Neurone im Hinterhorn des Rückenmarks. (2) Degeneration nozizeptiver C-Fasern durch eine schwere Zoster-Infektion und sekundäre anatomische Reorganisation synaptischer Strukturen im Hinterhorn des Rückenmarks. (3) Entstehung einer pathologischen Interaktion zwischen dem nozizeptiven System und dem efferenten sympathischen System, so dass Aktivität in sympathischen Neuronen Schmerz auslösen und unterhalten kann. Daraus ergeben sich einige theoretische Möglichkeiten einer Prophylaxe der postzosterischen Neuralgie: (1) gute Analgesie in der Akutphase (Analgetika, Antidepressiva, Sympathikusblockaden), Verhinderung der zentralen Sensibilisierung (NMDA-Rezeptor-Antagonisten) und (2) Verhinderung der C-Faser-Degeneration durch Verminderung der Entzündungsreaktion (Virustatika, Kortikosteroide, Neurotrophine).
S20 „Current Opinion“ – Postzosterische Neuralgie
S21 Schmerz und DRGs
S20.1 Infection by Human Varicella Zoster Virus Confers Noradrenaline Sensitivity to Sensory Neurons from Rat Dorsal Root Ganglia
S21.1 Überblick über das neue Entgeltsysthem
M. Kress1, M. Schmidt2, H. Fickenscher2 1 Institut für Physiologie und Experimentelle Pathophysiologie, 2Institut für Klinische und Molekulare Virologie, Erlangen, Germany Varicella-zoster virus (VZV) is a widespread human herpesvirus. It causes chickenpox upon primary infection and persists latently in sensory neurons for the entire life. After decades reactivation of the virus occurs and causes shingles which are characterized by severe pain and do often lead to postherpetic neuralgia. In order to elucidate the mechanisms of VZV-associated hyperalgesia, we have established an in vitro model for the VZVinfection of sensory neurons from rat dorsal root ganglia. In infected cultures, between 35 and 50% of the neurons showed strong expression of the immediate-early virus specific antigens IE62 and IE63, and the late glycoprotein gE. When the intracellular calcium concentration was monitored microfluorimetrically for individual cells after infection, the sensitivity to GABA or capsaicin was similar in controls and in VZV-infected neurons. However, baseline calcium concentrations were increased in neurons from infected cultures as compared to controls. After VZV infection, neurons became de novo sensitive to adrenergic stimulation: neurons responding to noradrenaline with an increase in calcium concentration were more frequent and calcium increases in response to noradrenaline were significantly larger after infection with wild type isolates than with the attenuated vaccine strain OKA. Noradrenaline induced rises in intracellular calcium concentration were preserved in calcium free recording solution suggesting calcium release from intracellular stores. The responses showed pronounced tachyphylaxis probably due to store depletion. The adrenergic agonists phenylephrine and isoproterenol had similar efficacy. We suggest that the infection with wild type VZV isolates confers noradrenaline sensitivity to sensory neurons by utilizing α1- and/or β1-adrenergic receptors. This provides a model for the pathophysiology of the severe pain associated with the acute reactivation of VZV.
S 16 |
Der Schmerz [Suppl 1]•2001
L. Zeuner Kreiskrankenhaus Arnstadt / Thüringen Ein neues, diagnosebezogenes, durchgängig leistungsorientiertes und pauschalierendes Vergütungssystem für alle stationären Krankenhausleistungen ist ab dem 1. Januar 2003 an den deutschen Krankenhäusern, die der Bundespflegesatzverordnung (BPflV) unterliegen, vorgesehen. Das schreibt das Krankenhausfinanzierungsgesetz als Teil des GKV-Gesundheitsreformgesetzes 2000 vor. Großen Wirbel und organisatorischen Aufwand gibt es aber schon seit geraumer Zeit, weil die Leistungsdokumentation der Krankenhäuser im Jahre 2001 eine wesentliche Grundlage für die Anpassung und Einführung des künftigen Vergütungssystems bilden soll. Die rechtzeitige und gute Vorbereitung auf die besonderen Anforderungen dieser DRG-gesteuerten Leistungsabrechnung ist dabei von existentieller Bedeutung für das einzelne Krankenhaus. Und in der Tat werden die deutschen Krankenhäuser einem bisher nicht gekannten Wettbewerb ausgesetzt, mit dem strategischen Ziel der Effizienzsteigerung durch organisatorische Umstrukturierungen. Wie Fachleute es schon frühzeitig prophezeiten, ist die knappe Terminsetzung nicht einzuhalten. Laut aktuellem Referentenentwurf (August 2001) für das Gesetz zur Einführung des DRG-Systems soll der Start der generellen Finanzierung durch DRG’s ab 01.01.2003 zunächst auf freiwilliger Basis möglich sein, die verpflichtende DRG-Einführung für alle Krankenhäuser ist nun erst Anfang 2004 vorgesehen. Ab 2007 werden bundesweit einheitliche Basisfallwerte und damit einheitliche Preise gelten. Von besonderen Einführungsbedingungen sollen die Krankenhäuser profitieren, die ihre Optionsmöglichkeiten ab 2003 nutzen. Ihnen wird u.a. eine budgetneutrale Phase von 2 Jahren versprochen. Das Gesetz (KHG) legt nur die Grundzüge des Vergütungssystems (DRG’s) fest, überlässt aber Entwicklung und Einführung im einzelnen der Selbstverwaltung von Krankenkassen und Krankenhäusern auf Bundesebene. Diese haben sich letztendlich für die australische Variante entschieden und sollen bis 31.12.2001 die Bewertungsrelationen sowie Bewertung von Zu- und Abschlägen in einer Vereinbarung abgeschlossen haben. Über diagnosebezogene Fallgruppen (DRG’s, ICD-10) erfolgt eine Bewertung der Leistungen (OPS 301), die sich in Relation auf eine Bezugsleistung definieren und nach einem Punktsystem abgerechnet werden. Dieses künftige Entgeltsystem hat Komplexitäten und Komorbiditäten abzubilden. Der Differenzierungsgrad sei (angeblich) praktikabel.
Im einleitenden Vortrag wird ein Überblick gegeben. Die Auswirkungen des neuen Entgeltsystems auf die Abrechenbarkeit von schmerztherapeutischen Leistungen sollen anschließend aus anästhesiologischer und neurologischer Sicht kritisch dargestellt werden. Ein abschließender Beitrag wird die (möglichen) Auswirkungen auf den niedergelassenen Bereich beleuchten. S21.2 Abrechenbarkeit schmerztherapeutischer Leistungen nach dem Entgeltsystem „AR-DRG“ und dem Operations- und Prozedurenkatalog „OPS-301“ aus schmerztherapeutischer - anästhesiologischer Sicht C. Maier Abteilung für Schmerztherapie, BG-Klinik Bergmannsheil Bochum, Universitätsklinik Die Einführung des „AR-DRG“ und die jüngst erfolgte Revision des OPS 301 wirft für die Schmerztherapie eine Reihe von Problemen auf. Die Version 2.0 OPS 301 (http://www.dimdi.de/germ/klassi/ops301/fr-ops301.htm) ist trotz einiger Fortschritte ein substantieller Rückschritt sowohl für die Spezielle Schmerztherapie bei chronischen Schmerzen wie auch für die prä- und postoperative Schmerztherapie und die Palliativmedizin. Dadurch werden die wenigen Erfolge der letzten Monate teilweise rückgängig gemacht. Ein Fortschritt ist es jedoch zweifellos, dass inzwischen der Schmerztherapie ein eigenes Kapitel im OPS (8-91) aufgenommen wurde, das von der rein anästhesiologischen Prozedurenkatalog (8-90) getrennt wurde. Bei der jüngsten Revision wurde in logisch unsinniger und formal inkonsistenter Weise auch die multimodale Schmerztherapie unter 8918 aufgenommen. Weiterreichende Vorschläge der Fachgesellschaften (www.medizin.uni-koeln.de/projekt/dgss) wurden verworfen, besonders gravierend die Ablehnung einer algesiologischen Diagnostik, einer eigenen Komplexziffer für die Palliativmedizin und für die organisierte Akutschmerztherapie. Die Meinungsbildung ist jedoch noch nicht zu einem Abschluß gekommen, Zusatzerklärung von DIMDI: (www.dimdi.de/germ/ klassi/ops301/opshtml21/beglschr.htm). Entsprechende Gegenmaßnahmen der Fachgesellschaften gilt es hier zu organisieren. Die Situation bei den DRG`s ist im Moment noch unübersichtlich. Schmerztherapeutische Prozeduren haben zwar Einfluß auf den klinischen Schweregrad und damit auf den CCC-Level, wobei jedoch einzelne Prozeduren nur für bestimmte MDC`s (Major diagnostic category) relevant sind. Alle interventionellen, jetzt auch multimodalen Prozeduren gewichten ausschließlich die nicht-operativen Nacken- und Rückenschmerzen (MDC I 68). Andere, z.B. alle MDC 01 Diagnosen haben keinen Einfluß (Neuralgie, Kausalgie, CRPS). Ob multimodale Verfahren zu einer höheren Gewichtung (und damit höherem CCC-Level) bei anderen Krankheitsbildern führen können, ist völlig ungewiss. Um diese Programme überhaupt gewichten zu können, müssten Multiplikationsfaktoren bis zu 0,8 bei der DRG Gewichtung möglich sein, andernfalls ist diese Therapie nach Einführung des neuen Entgeltsystems wirtschaftlich nicht mehr praktikabel. Die verbreiteten Hoffnungen über die bekannte Komorbidität von Schmerzpatienten noch eine andere Gewichtung zu kommen, könnten sich rasch als trügerisch erweisen (überwiegend F-Diagnosen des ICD 10). Ein wirklicher Fortschritt wäre es, wenn der therapieresistente Schmerz ein eigene MDC erhalten würde. Entscheidend wird auch sein, dass schmerztherapeutisch arbeitende Zentren in die primäre Basisdokumentation in Deutschland einbezogen werden. S21.3 Schmerz und DRG’s – ein neurologischer Blickwinkel K.-H. Grotemeyer Neurologische Klinik, Klinikum Saarbrücken gGmbH Die Abbildung der DRG’s ist – wenn sie aus einem anderen Kulturkreis (Australien) kommt – zwangsläufig eine Funktion der dortigen medizinischen Standards und der Versorgungsbedingungen (20 Mio Menschen auf einem ganzen Kontinent) mit zwangsläufig breiter Grundversorgung in kleinen Einheiten. Dass die Basisversorgung des staatlichen Gesundheitssystems auch in Australien problematisch ist, zeigt nicht nur die Förderung der privaten Gesundheitsvorsorge durch die Regierung. Der Stellenwert der Schmerztherapie richtet sich daher an den Australischen Bedingungen aus. Der australische Grouper muss als dynamisch lernendes System an die deutschen Bedingungen herangeführt werden. Hierzu ist es allenfalls nötig, dass wenige Einrichtungen ihre Behandlungen und diagnostischen Kosten genau verifizieren. Es macht aber überhaupt keinen Sinn, mit einem sophistisch ausgefeilten Prozedurenschlüssel auch den letzten Handgriff am Patienten so zu verschlüsseln. Dieses
ist nicht nur unökonomisch, sondern dem australischen oder später dann deutschen Grouper weitestgehend „egal“. Hier wird nur das relative Verhältnis einzelner Krankheitsbilder abgebildet. Relativ wird derzeit eine TIA mit einem Kostenfaktor 0.73, ein Clusterkopfschmerz mit 0,66, ein Grand mal mit 0,56 und eine Migräne mit 0,46 im australischen System abgebildet. Bei einer Base-rate von 4100 DM wären dieses derzeit 1886 DM für eine stationäre Migränebehandlung. Die Base-rate wird sich ändern, aber die Einstufung in den Relationen zu den anderen Krankheiten dürfte sich nur grenzwertig ändern (lassen). Selbst dann, wenn man ärztliche Leistungen, die in Australien nur teilweise von den DRG`s erfasst sind, neu einrechnen muss ist das eher ein grundsätzliches als ein schmerztherapeutisches Problem. Es fragt sich daher, wieviel Sinn eine weitere ausgefeilte Leistungsdokumentation (OPS 301) machen kann. Bindet sie nicht bereits in der jetzigen Form – einer komplex erweiterten deutschen Fassung – unsinnig ärztliche Kapazität? Aufgabe der Fachgesellschaften ist es hier mit Augenmaß vorzugehen. Es gilt nur wenige Punkte wirklich neu anzugehen. Genannt sei hier z.B. die Notwendigkeit, eine Errungenschaft wie die interdisziplinäre stationäre Schmerz- diagnostik und /oder -therapie in komplizierten Fällen korrekt abzubilden. Der Vorteil eines jährlich lernenden flexiblen DRG-Systems ist, dass es genau solche „Neuerungen“ ohne großen Aufwand erlaubt, sobald eine genaue Beschreibung eines „neuen“ Tatbestandes gefasst ist.
S22 Posttraumatische Belastungsstörung und Schmerz S22.4 Psychobiologische Aspekte der posttraumatischen Belastungsstörung U. Ehlert, Zürich Die Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) wird durch das Auftreten eines schwerwiegenden Ereignisses ausgelöst und geht mit deutlichen psychischen Fehlanpassungen einher. Für verschiedene dieser psychischen Symptome finden sich biologische Korrelate, die sich als Stressreaktionen des Körpers interpretieren lassen. Zu diesen biologischen Systemen, die Veränderungen im Zusammenhang mit der PTBS aufweisen, gehören auf endokriner Ebene die Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse (HHNA), auf der Neurotransmitterebene das noradrenerge System sowie die endogenen Opiate als Indikatoren der zentralnervösen Innervation und auf morphologischer Ebene hirnanatomische Veränderungen. Wenngleich die beobachteten biologischen Dysregulationen wie ein relativer Hypocortisolismus mit einer erhöhten Feedbacksensitivität der HHNA, eine erhöhte noradrenerge Aktivität sowie die Hinweise auf neuroanatomische Veränderungen das Vorliegen von Störungssymptomen erklären können, stellt sich doch die Frage nach der Spezifität der beobachteten biologischen Veränderungen für das Störungsbild der PTBS. Bei einer Reihe von Patienten mit chronifizierten Schmerzzuständen ergibt die Exploration das komorbide Vorliegen einer PTBS. Die Schmerzsymptomatik kann insofern mit den o.g. Dysregulationen der HHNA in Beziehung gebracht werden, als die natürliche Inhibition der Prostaglandinsynthese durch Cortisol bei erniedrigter adrenerger Aktivität unterbleibt. Diese Dysinhibition der Prostaglandinsynthese könnte eine Erklärung für Schmerzsymptome bei Patienten mit einer PTBS sein. Ein entsprechendes psychobiologisches Modell wird für Patientinnen mit chronischem Unterbauchschmerz ohne Organkorrelat vorgestellt.
S23 Aufmerksamkeit und Schmerz S23.0 Aufmerksamkeit und Schmerz P. Kropp1, M. Hasenbring2 1 Universitätsklinikum Kiel, Institut für Medizinische Psychologie, Niemannsweg 147, 24105 Kiel, 2Ruhr Universität Bochum, Abteilung Medizinische Psychologie, Universitätsstraße 150, 44780 Bochum Es ist bekannt, dass kognitive Strategien die individuelle Schmerzwahrnehmung und -toleranz beeinflussen können und dass diese Mechanismen eine wichtige Rolle sowohl bei akuten als auch bei chronischen Schmerzzuständen spielen (Hasenbring 2000). Insbesondere werden chronische Schmerzzustände mit einem hypervigilanten Zustand in Verbindung gebracht, der auch bei Patienten mit Angstzuständen oder DeDer Schmerz [Suppl 1]•2001
| S 17
Abstracts pressionen beobachtet werden kann. Diese Hypervigilanz, die in Form einer besonderen Aufmerksamkeitszuwendung auftritt, lässt sich sowohl mit Hilfe evozierter Potentiale als auch mit Fragebögen oder psychometrischen Testverfahren erfassen, wobei die zeitliche Chronifizierung eng mit dem Ausmaß der evozierten Potentialamplituden zusammenhängt (Kropp et al. 2000). Im Syposium „Aufmerksamkeit und Schmerz“ werden Aspekte der Chronifizierung von Schmerzzuständen mit modernen kognitiven Aufmerksamkeitskonzepten vorgestellt. Dabei werden Studien zur funktionellen Bildgebung, evozierten Potentialforschung und Psychometrie gleichermaßen eingesetzt. In der Diskussion soll auf modernere therapeutische Implikationen des Konzeptes der Chronifizierung von Schmerz eingegangen werden. Hasenbring, M. (2000). Attentional control of pain and the process of chronification. In: J. Sandkühler, B. Bromm & G. F. Gebhart (eds.). Progress in Brain Research, Vol 129. Amsterdam: Elsevier, chapter 38. Kropp, P., Siniatchkin, M., Gerber, W.D. (2000). Contingent negative variation as indicator of duration of migraine disease. Funct Neurol 15(3):78-81.
Deafferenzierung können auch gerichtete Aufmerksamkeit und noxische Reizung eine solche Reorganisation auslösen. In einer experimentellen Studie untersuchten wir den Einfluss von noxischer Reizung bzw. einer einfachen Reizerkennungsaufgabe an den Fingern 4 und 5 auf die kortikale Repräsentation der benachbarten Finger 2 und 3 mittels SEP und Quellenanalyse (Buchner et al. 2000, Neuroreport 11: 1289-1293). Unter beiden experimentellen Bedingungen kam es zu einer Verschiebung der Quellen nach medial, d.h. in Richtung auf das Repräsentationsareal der Finger 4 und 5, an denen die konditionierende Reizung stattfand. Die Quellenpotenzialstärke war ebenfalls unter beiden Bedingungen erhöht. Während die Effekte der gerichteten Aufmerksamkeit jedoch unmittelbar mit Aufgabenbeginn nachweisbar waren, traten die Effekte der konditionierenden noxischen Reizung mit Eiswasser erst verzögert auf. Räumlich gerichtete Aufmerksamkeit verstärkte vor allem die Quellenstärke, während schmerzhafte Reizung vor allem zu einer Verschiebung der Quellenorte führte. Diese Befunde sprechen für eine wichtige Rolle des nozizeptiven Systems in der Aufrechterhaltung des Körperschemas, die sich gegenüber Veränderungen der selektiven Aufmerksamkeit abgrenzen lässt.
S23.1 Handlungs-, Lageorientierung und langsame Gleichspannungspotentiale bei Migränepatienten
S24 „Pro und Contra“ – Komplementärmedizin I Osteopathie, Phytotherapie
U. Niederberger, P. Kropp, I. Nürnberger, D. Bouman, M. Siniatchkin, W.-D. Gerber Institut für Medizinische Psychologie, Klinikum an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, Niemannsweg 147, 24105 Kiel
S24.1 Phytopharmaka in der Schmerztherapie R. W. März, Bionorica AG
Fragestellung: Ergebnisse psychophysiologischer Untersuchungen mit Hilfe aufmerksamkeitskorrelierter Hirnpotentiale (CNV) legen nahe, Migräne als Reizverarbeitungsstörung aufzufassen. Ziel der vorliegenden zwei Studien ist es zu untersuchen, ob zwischen den CNV-Amplituden und einem Fragebogen zur Handlungskontrolle bzw. der Handlungs-Lageorientierung (HAKEMP) Zusammenhänge bestehen. Die HAKEMP-Unterskala „Grad der Entscheidungs- und Handlungsplanung (HOP)“ beansprucht,Aussagen darüber treffen zu können, wie umfangreich sich die Informationsverarbeitung der betroffenen Personen in einer Entscheidungssituation unter Zeitdruck gestalten wird. Es soll überprüft werden, ob sich die mit Hilfe des Fragebogens feststellbaren kognitiven Unterschiede auch in unterschiedlichen CNV-Amplituden niederschlagen. Methoden: In Studie I wurden bei 12 Patienten mit Migräne ohne Aura im schmerzfreien Intervall sowie 12 gesunden Kontrollpersonen der Fragebogen HAKEMP-90 in seiner Gesamtform sowie die Bestimmung der CNV durchgeführt. Studie II stellt einen Replikationsversuch der Ergebnisse von Studie I dar, hierbei wurden erneut 12 Migränepatienten sowie 25 Kontrollpersonen mittels HAKEMP-90 und CNV untersucht. Ergebnisse der Studie I: Hinsichtlich der HAKEMP-Unterskala „Grad der Entscheidungs- und Handlungsplanung (HOP)“ ergaben sich in der Migränegruppe gegenüber der Kontrollgruppe Scores, die nicht signifikant verschieden waren (Migräne: 6,7±2,8; Kontrollen: 5,3±3,1; F(1,22)=1,37 n.s.). Bei der Bestimmung der Korrelationen zwischen der HOP-Skala und den Amplituden der CNV fanden sich dagegen in der Gruppe der Migränepatienten hochsignifikante Zusammenhänge bis r = 0,74, während in der Kontrollgruppe die höchste Korrelation mit r = 0,34 insignifikant blieb. Ergebnisse der Studie II: Die korrelativen Zusammenhänge zwischen HAKEMP und CNV konnten bestätigt werden, hier betrugen die höchsten Zusammenhänge r = 0,70 für die Migränegruppe, während sich in der Kontrollgruppe sogar inverse Korrelationen bis r = -0,50 zeigten. Schlussfolgerungen: Umfangreichere Informationsverarbeitung in Form einer vermehrten Lageorientierung im HAKEMP stellt einen höheren kognitiven Aufwand dar, der in der Gruppe der Migränepatienten in einem signifikanten Zusammenhang zur aufmerksamkeitsbezogenen kortikalen Aktivierung in der CNV steht. Für die Kontrollgruppen konnte dies jeweils nicht gezeigt werden. Wir nehmen schlussfolgernd an, dass der gefundene psychophysiologische Zusammenhang Ausdruck der Pathophysiologie der Migräne im Sinne der Reizverarbeitungs-Hypothese ist.
Die Pharmakologie hat ihre wissenschaftlichen Fundamente über die Anwendung von pflanzlichen Wirkstoffen erhalten, wichtige Rezeptoren - insbesondere im Bereich der Schmerzpharmakologie sind nach diesen Stoffen benannt. Morphin war der erste Stoff, der aus einem seit der Vorgeschichte bekannten wirksamen Arzneistoff, dem eingetrockneten Milchsaft des Schlafmohns Papaver somniferum („Opium“), isoliert worden ist (Sertürner, 1804). In dichter Folge wurden in den Jahren danach tausende von weiteren Inhaltsstoffen isoliert, welche oft als Startmolekül für synthetische Modifikationen gedient haben. Dass damit eine gewaltige pharmazeutische Verbesserung stattfand, weil man damit die Dosis des wesentlichen Wirkstoffs erstmals „unter Kontrolle“ hatte, wird klar, wenn man sich den Stand der analytischen und pharmazeutischen Technologie vor zweihundert Jahren oder hundert Jahren, als dieser Umschwung vollzogen wurde, vor Augen hält. Die Probleme mit der Unsicherheit der inneren Zusammensetzung von Extrakten gibt es heute so gut wie keine mehr, da die analytischen Verfahren so ausgereift sind, dass eine in-Prozess-Kontrolle möglich ist und Extrakte konstanter und reproduzierbarer Qualität hergestellt werden können. Interessanterweise gibt es so gut wie keine Untersuchungen darüber, ob mit dem Übergang vom Extrakt auf die Reinsubstanz tatsächlich ein therapeutischer Fortschritt verbunden war. Geht man von heutigen Herstellungsverfahren aus, ergäben sich unter Umständen für viele als obsolet erachtete Arzneidrogen neue Perspektiven. Am Beispiel von Weidenrinde, gemeinhin als Ausgangsdroge für einen der weltweit am meisten benutzten synthetischen Wirkstoffe, das Aspirin bekannt, scheint sich abzuzeichnen, dass a) das zu Salizylsäure metabolisierte Salizin (Salizinester eingeschlossen) nicht unbedingt der einzige wirksamkeitsbestimmende Inhaltsstoff ist, und dass b) der Extrakt gegenüber der Reinsubstanz erhebliche Vorteile im Nutzen-Risiko-Verhältnis im Vergleich zu Aspirin hat: im pharmakologischen Modell des Rattenpfotenödems benötigt man die fünffache Dosis von Aspirin, um die gleiche antiinflammatorische Wirkung zu erzielen wie mit Weidenrindenextrakt. Auch für andere Wirkstoffe aus Arzneipflanzen, die in der Schmerztherapie eine wesentliche Rolle spielen ist die Antwort auf diese Frage offen: Ein bekanntes Beispiel aus dem Bereich der Schmerzforschung und -therapie ist Cannabis sativum.
S23.3 Einfluss von Schmerzreizen auf Aufmerksamkeitsparameter und die kortikale Repräsentation im primären somatosensorischen Kortex
S25.2 Myoarthropathien des Kausystems
R.-D. Treede Institut für Physiologie und Pathophysiologie, Mainz Die kortikale Repräsentation des Tastsinns im primären somatosensorischen Kortex zeigt nach Amputationen eine ausgeprägte Reorganisation, die empirisch mit der Stärke des Phantomschmerzes korreliert. Neben
S 18 |
Der Schmerz [Suppl 1]•2001
S25 Mund- und Gesichtsschmerz P. Nilges DRK-Schmerz-Zentrum Mainz Diagnostik und Therapie von Gesichtsschmerzen sind derzeit noch durch eine hohe Variabilität gekennzeichnet. Diese zeigt sich auch als begriffliche Verwirrung zur Beschreibung der Beschwerden und in der Vielfalt der ätiologischen Konzepte.
Abstracts Die Research Diagnostic Criteria for Temporomandibular Disorders (RDC/TMD; Dworkin & LeResche, J Craniomandib Disord Oral Facial Pain 1992;6:301-355) wurden mit dem Ziel entwickelt, die häufigsten Formen muskuloskelettaler Gesichtsschmerzen (Myoarthropathien) genauer zu beschreiben und auf zwei Achsen (somatisch, psychosozial) möglichst zuverlässige diagnostische sowie differentialdiagnostische Algorithmen zu formulieren. Als zusätzliche Merkmale – neben Schmerzen selbst – finden sich oft Einschränkungen der Beweglichkeit des Unterkiefers und/oder Geräusche in den Kiefergelenken. In zahnärztlichen Praxen stehen hinsichtlich ihrer Prävalenz myofasziale Schmerzen und/oder Arthralgien bzw. aktivierte Arthrosen der Kiefergelenke mit und ohne Limitationen der Mundöffnung im Vordergrund.Vorgestellt werden in diesem Praktikerseminar die somatischen Kriterien, die auf Achse I der RDC/TMD beschrieben werden. Psychosoziale Faktoren, deren Diagnostik und Therapie bei Patienten mit chronischen Schmerzen inzwischen als selbstverständlich gilt, werden auf Achse II mit standardisierten Verfahren erfasst. Dadurch ist eine weitere Differenzierung über die somatische Befundung hinaus möglich. Gleichzeitig wird eine im Praxisalltag brauchbare Basis zur Indikationsstellung für eine psychologische Mitbehandlung geschaffen. Der Arbeitskreis für Mund- und Gesichtsschmerzen der DGSS hat vor kurzem Empfehlungen zur standardisierten Diagnostik erarbeitet (Türp et al.: Schmerz 2000;14:416-428). Dabei werden für unterschiedliche Arbeitsbereiche – Praxisroutine, Praxis und Kliniken mit Behandlungsschwerpunkt Gesichtsschmerzen, Forschung – Mindest-, Standard- und erweiterte Diagnostik unterschieden. Die Darstellung der multifaktoriellen Diagnostik wird ergänzt durch Befunde zur interdisziplinären Therapie von Patienten mit Myoarthropathien. S25.4 Atypischer Gesichtsschmerz – atypische Odontalgie: Die gar nicht atypischen Erkrankungen A. May1, J.C. Türp2,3 Neurologische Universitätsklinik, Universitätsklinikum Regensburg; 2Zahn-, Mund- und Kieferklinik, Universitätsklinikum Freiburg i. Br.; 3 Zentrum für Zahnmedizin, Universität Basel
1
Bereits die Definition des atypischen Gesichtsschmerzes ist umstritten: Benutzt wird dieser Begriff häufig, um eine Restkategorie und einen Sammelbegriff für alle Schmerzen zu schaffen, die Kopf- und Gesichtsstrukturen einbeziehen. Solch ein begriffliches und diagnostisches Niemandsland führt oft zu einseitigen Therapieversuchen und letztlich zu Resignation. Historisch entstanden ist der Begriff, um diesen Schmerz von der „typischen“ Trigeminusneuralgie zu trennen. Es wurde vor allem auf die Feststellung Wert gelegt, dass eine Trigeminusneuralgie definitionsgemäß durch scharf umgrenzte Schmerzattacken und ansonsten schmerzfreie Intervalle charakterisiert ist. Demgegenüber ist der atypische Gesichtsschmerz definiert als ein (eventuell undulierender) Dauerschmerz, meist des 2., seltener des 3. Trigeminusastes. Der Schmerz kann sich über das Gesicht ausbreiten und ist häufig durch äußere Reize (z. B. Kälte) zusätzlich triggerbar. Andere (z. B. entzündliche) Ursachen müssen ausgeschlossen werden. Sehr häufig geht dem Schmerzereignis ein kleineres Trauma, z. B. eine Zahnextraktion oder ein operativer Eingriff im HNO-Bereich, voraus. Pathophysiologisch ist z. B. von einer postläsionellen Neuropathie auszugehen. Als eine lokalisierte Form des atypischen Gesichtsschmerzes ist die atypische Odontalgie zu sehen, welche – im Gegensatz zu ersterem – in der Klassifikation chronischer Schmerzen der Internationalen Gesellschaft zum Studium des Schmerzes (IASP) als eigenständige Schmerzdiagnose gelistet ist. Obwohl seit mehr als 200 Jahren detailliert in der zahnärztlichen Literatur beschrieben, ist die atypische Odontalgie vielen (Zahn-) Medizinern weiterhin unbekannt und führt dadurch zu unnötigen invasiven Eingriffen, wie Wurzelspitzenresektionen und Zahnextraktionen. Die Therapie des atypischen Gesichtsschmerzes bzw. der atypischen Odontalgie besteht in erster Linie im Verhindern weiterer operativer Eingriffe, dem Weglassen von „klassischen“ Schmerzmitteln (antipyretische Analgetika) und der Durchführung einer medikamentösen Dauertherapie (z. B. niedrig dosierte trizyklische Antidepressiva).
S 20 |
Der Schmerz [Suppl 1]•2001
S26 „Current Opinion“ – Tumorschmerz S26.2 Opioide und evidenzbasierte Medizin: Ist auch in der Tumorschmerztherapie nichts bewiesen? M. Strumpf, R. Dertwinkel, M. Zenz Klinik für Anaesthesiologie, Intensiv- und Schmerztherapie, Berufsgenossenschaftliche Kliniken Bergmannsheil – Universitätsklinik, Bürkle-de-la-Camp-Platz 1, 44789 Bochum Immer wieder wird das Fehlen von RCT-Studien (randomized controlled trials) beim Einsatz von Opioiden und nicht-tumorbedingten Schmerzen beklagt. Aber auch beim Einsatz von Opioiden bei tumorbedingten Schmerzen sieht die Datenlage wesentlich kritischer aus, als klinische Erfolgsberichte über die hohe Effizienz der medikamentösen Schmerztherapie bei Tumorpatienten erwarten lassen. Tatsächlich wurden in den letzten Jahren einzelne kontrollierte Studien durchgeführt, die auch bei Tumorpatienten der Frage nachgehen, ob die in den Leitlinien vorgeschlagenen Therapiealgorithmen effizient sind und ob neuere Opioide ähnlich effektiv sind wie der Goldstandard Morphin. Dabei wird immer wieder angemerkt, dass es schwierig ist, Konzepte von RCT-Studien bei dem sehr inhomogenen Patientenkollektiv von Tumorpatienten aufgrund der sehr variablen Schmerzätiologie umzusetzen. Zusätzlich bestehen ethische Bedenken gegen RCT-Studien bei Tumorschmerzpatienten. In einer Studie gelang es nicht einmal, die Überlegenheit von transdermalem Fentanyl gegenüber Placebo zu zeigen, obwohl die Effizienz von transdermalem Fentanyl in vielen klinischen Studien belegt ist. Dies zeigt gerade am Beispiel der Tumorpatienten, wie sehr ein Irrweg beschritten würde, wollte man eine Therapie nur dann empfehlen, wenn deren Evidenz statistisch abgesichert ist. Gerade die Nicht-Beachtung der wichtigeren klinischen Evidenz wäre bei Tumorpatienten ethisch bedenklich.
S27 Schmerz und Sexualität S27.1 Sexualkopfschmerz – Klinik und Therapie I. W. Husstedt, A. Frese, S. Evers Universitätsklinikum Münster, Klinik und Poliklinik für Neurologie, Kopfschmerzambulanz, Albert-Schweitzer-Str. 33, D-48129 Münster, Tel.: 0251/83-48188, e-mail:
[email protected] Einleitung: Nach epidemiologischen Untersuchungen liegt die Lebenszeitprävalenz von Kopfschmerzen bei sexueller Aktivität vermutlich bei 1%, das Geschlechterverhältnis dürfte 2:1 bis 4:1 (Männer/Frauen) betragen. Der Kopfschmerz bei sexueller Aktivität (IHS 4.6) gehört zu den idiopathischen Kopfschmerzen. Kopfschmerzen bei sexueller Aktivität sind im ärztlichen Gespräch tabuisiert, vermutlich haben 90% darüber nie mit dem behandelnden Arzt gesprochen. Diagnostik: Die enge zeitliche Korrelation der Kopfschmerzen mit sexueller Aktivität sowie der typische Verlauf stellen die richtungsweisenden Angaben dar. Wie z.B. auch bei den verschiedenen Formen der Migräne findet sich beim Kopfschmerz bei sexueller Aktivität trotz sorgfältiger Untersuchung keinerlei Hinweis auf intrakranielle Erkrankungen. Nach klinischen Kriterien und pathophysiologischen Modellen wird der dumpfe Kopfschmerz (24%) (IHS 4.6.1), der explosive Schmerztyp (69%) (IHS 4.6.2) und der haltungsabhängige Typ (7%) (IHS 4.6.3) unterschieden. Die Frequenz dieser Kopfschmerzformen korreliert mit der sexuellen Aktivität selbst, wobei die Kopfschmerzen über lange Strecken sistieren und zu anderen Zeitpunkten wieder auftreten können. Eine Phase mit Kopfschmerzen bei sexueller Aktivität kann ca. 3 Monate anhalten. Der dumpfe Schmerz ist durch Schmerzen im Kopf und Nacken charakterisiert, der mit zunehmender sexueller Erregung ansteigt. Beim explosiven Schmerztyp tritt plötzlich ein schwerer explosiver Kopfschmerz während des Orgasmus auf. Beim haltungsabhängigen Typ treten die Kopfschmerzen postkoital haltungsabhängig ein. Diagnostische Verfahren und Differentialdiagnosen: Typische technische Untersuchungsergebnisse, die die Diagnose beweisen, existieren nicht. Die Diagnose ‘Kopfschmerz während sexueller Aktivität’ basiert auf den typischen Angaben in der Anamnese und dem Ausschluss intrakranieller Erkrankungen. Wichtige Differentialdiagnosen stellen die Subarachnoidalblutung und Schlaganfälle dar. Ein plötzlich einsetzender, extrem heftiger Kopfschmerz bei sexueller Aktivität ist immer dringend verdächtig auf eine Subarachnoidalblutung. Die pathophysiologischen Abläufe der verschiedenen Kopfschmerzformen während sexueller Aktivität sind bislang nur ansatzweise geklärt. Therapie und Verlauf: Für den Kopfschmerz bei sexueller Aktivität existieren keine großen Therapiestudien. Der Kopfschmerz bei sexueller Akti-
vität beginnt meistens im 3. bis 6. Lebensjahrzehnt, eine äußere Ursache ist nicht erkennbar. Als nicht-medikamentöses Therapieverfahren soll das Vermeiden eines schnellen Anstiegs sexueller Erregung und Positionsveränderung hilfreich sein. Eine etablierte Prophylaxe zur akuten Prävention ist nicht durch große Studien validiert. Acetylsalicylsäure, Ergotamin und insbesondere Triptane werden mit gutem Erfolg direkt vor sexueller Aktivität als Kurzzeitprophylaxe eingesetzt. Bei Versagen dieser Kurzzeitprophylaxe besteht eine Indikation zur Langzeitprophylaxe mit Propranolol in einer Dosierung von 40 bis 200 mg. In kleineren Studien trat hierunter ein komplettes Sistieren der Kopfschmerzen ein. Weniger validierte Substanzen stellen Diltiazem, Indometacin,Verapamil, Flunarizin und Valproinsäure dar. Phenobarbital, Phenytoin, Acetylsalicylsäure, Diazepam und Clonidin erwiesen sich nach derzeitiger Datenlage in der Langzeitprophylaxe als ineffektiv. S27.2 Pathophysiologie des Kopfschmerzes bei sexueller Aktivität A. Frese, I.-W. Husstedt, S. Evers Klinik und Poliklinik für Neurologie (Direktor: Prof. Dr. E. B. Ringelstein), Universität Münster Fragestellung: Der Kopfschmerz bei sexueller Aktivität (KSA, Diagnose 4.6 der International Headache Society) ist eine seltene primäre Kopfschmerzform. Es werden drei Subtypen unterschieden, von denen der explosive Typ (Typ II, Diagnose 4.6.2 der IHS) der häufigste ist. Hierbei kommt es zu stärksten Kopfschmerzen in engem zeitlichen Zusammenhang mit dem Orgasmus. Wir haben die Reizverarbeitung visueller Stimuli bei unseren Patienten mit KSA Typ II untersucht, um Rückschlüsse auf die Ätiologie dieser Erkrankung zu ziehen, nachdem wir zuvor eine Reizverarbeitungsstörung als pathophysiologischen Faktor für die Migräne, nicht jedoch für andere primäre Kopfschmerzen nachgewiesen hatten. Methodik: Die Patienten wurden vor einen Bildschirm gesetzt, auf dem in einer zufälligen Reihenfolge 400 Lichtblitze von 100 msec Dauer und einem Intervall von 1800 msec erschienen, von denen 15% rot, 85% weiß waren. Sie hatten die Aufgabe, bei Erscheinen eines roten Blitzes einen Knopf zu drücken, die weißen Blitze jedoch zu ignorieren. Das EEG wurde nach dem internationalen 10-20 System zentroparietal, zentrozentral und zentrofrontal (differente Elektroden) verbunden mit dem Mastoid (indifferente Elektrode) abgeleitet. Die Komponenten der ereigniskorrelierten Potentiale (EKP) nach roten Lichtblitzen wurden analysiert. Latenz und Amplitude der P3-Komponente aller 60 Zielreize wurde mit bereits publizierten Ergebnissen von Kontrollpersonen und Patienten mit Migräne verglichen. Die Latenzen nach den ersten 30 Lichtblitzen (1. Durchgang) wurden mit denen nach den zweiten 30 Lichtblitzen (2. Durchgang) verglichen, um das Ausmaß der Habituation im 2. Durchgang zu bestimmen. Ergebnisse: Die EKP wurden bei 15 Patienten mit KSA Typ II untersucht (Durchschnittsalter 42,8 a, 9 männlich, 6 weiblich). Die Amplituden und Latenzen lagen innerhalb der bei gesunden Kontrollpersonen ermittelten laborinternen Normalwerte und unterschieden sich nicht signifikant verglichen mit Migränepatienten. Zehn der Patienten (75%) hatten eine aufgehobene Habituation der ereigniskorrelierten Potentiale im zweiten Messdurchgang. Schlussfolgerung: Als pathophysiologischer Mechanismus wurde bislang ein plötzlicher Blutdruckanstieg oder eine Vasodilatation der Hirngefäße während der Orgasmusphase diskutiert. Andere Autoren halten den KSA für eine Sonderform der Migräne, da ca. 30% der Patienten eine positive Migräneanamnese haben, und der KSA mit Propanolol effektiv therapiert werden kann. Bei 75% der Patienten mit Migräne, jedoch nur bei 16% der Kontrollpersonen und 6% der Personen mit Spannungskopfschmerzen, zeigt die Messung der EKP eine fehlende Habituation im zweiten Messdurchgang. Der Nachweis einer fehlenden Habituation bei 10 von 15 Patienten mit KSA unterstützt die Theorie eines pathophysiologischen Zusammenhangs zwischen Migräne und KSA Typ II. S27.3 Dyspareunie der Frau – nur schlechter Sex? Zur Mehrdimensionalität eines Schmerzsyndroms M. Weber, Münster Der Begriff Dyspareunie bezeichnet den akuten Schmerz während des Geschlechtsverkehrs. Die oft synonym benutzten Begriffe der Dyspareunie, Algopareunie und des Vaginsimus, die Unterscheidung im ICD zwischen psychogener (F 52.6) und somatischer Dyspareunie (N94.2), organischem
Vaginismus (N94.2) und nichtorganischem Vaginismus (F52.5) sowie die Vielzahl der in der Literatur zusätzlich eingeführten Begriffspaare von akut und wiederkehrend, oberflächlich und tief, primär und sekundär machen die Komplexität dieser Schmerzerscheinung deutlich. Die Prävalenz von ca. 15% in der weiblichen Allgemeinbevölkerung und 10–15% der gynäkologischen Praxisklientel deutet die Verbreitung dieses Schmerzsyndroms nur an. Da es sich um eine sexuelle Funktionsstörung handelt, die zwingend einen Partner voraussetzt, ist bei der Betrachtung der Dyspareunie neben der somatischen und psychischen auch die soziale Dimension zu beachten. Die somatische Dimension umfasst neben den Veränderungen anatomischer Strukturen auch die Störung physiologischer Parameter. In der pathologischen Anatomie können wir nach der Lokalisation im Genitaltrakt unterscheiden: von der Vulva über den Introitus, die Vagina, die Zervix bis zum Uterus. Des weiteren lassen sich unter ätiologischen Gesichtspunkten Infektionen von Fehlbildungen,Verletzungen, Schäden nach Operation und Bestrahlung, gutartigen und bösartigen Veränderungen differenzieren. Die Physiologie des sexuellen Reaktionszyklus, wie sie von Masters und Johnson schon 1966 beschrieben wurde, wird nicht nur durch die lokale Pathoanatomie beeinflusst, sondern zusätzlich durch extragenitale Erkrankungen, altersbedingte physiologische Veränderungen und durch die Wirkung von bestimmten Medikamenten. Die psychische Dimension umfasst zum einen die Gesamtheit der situativen Erfahrungen. Alle zurückliegenden Erfahrungen in bezug auf Kohabitation fließen in das Erleben des gegenwärtigen Geschlechtsverkehrs mit ein und führen so zu einer ständigen Modifikation des Erlebten. Zum anderen gehören zur psychischen Dimension die persönlichen Einstellungen zur Sexualität allgemein, wie sie durch Erziehung und Sozialisation geprägt werden. Hier sind Aspekte von unzureichender sexueller Aufklärung, sexuellen Mythen, orthodoxen religiösen Überzeugungen, aber auch Mechanismen der Schmerzattribuierung, als bedeutsame Faktoren bei der Entstehung und Aufrechterhaltung von sexuellen Störungen zu nennen. Die soziale Dimension ist gekennzeichnet durch die eine Partnerschaft bedingenden Faktoren der Interaktion wie z.B. Rollenerwartungen, Rollenverteilung, Projektionen. Sowohl die psychischen als auch die sozialen Faktoren können einen negativen Einfluss (Feedback) auf den physiologischen Ablauf des sexuellen Reaktionszyklus ausüben und so unabhängig von pathoanatomischen Veränderungen das Schmerzsyndrom der Dyspareunie verstärken oder überhaupt erst hervorrufen. Umgekehrt können sich primäre vorübergehende pathoanatomische Veränderungen wie Infektionen negativ auf die sozialen und psychischen Faktoren auswirken und weit über die beispielsweise ausgeheilte Infektion hinaus bestehen bleiben. Während bei vielen psychosomatischen Erkrankungen die psychischen Anteile einseitig ausgeblendet werden, ist es bei der Dyspareunie eher umgekehrte Praxis. Kohabitationsschmerzen der Frau werden von vielen Männern, aber auch von vielen Gynäkologen allzu schnell als Ausdruck sexueller Verweigerung oder allenfalls als Ausdruck von Partnerschaftsproblemen angesehen. Die Ausführungen zur Komplexität der Dyspareunie der Frau verdeutlichen, dass zu einer adäquaten Diagnostik neben der subtilen Anamnese eine gründliche gynäkologische Untersuchung gehört, die alle genannten Ursachen schrittweise mit einschließt. In Abhängigkeit von der Schwere und Dauer der Schmerzen sollte bereits initial oder in einem zweiten Schritt das Ausmaß der individuellen psychischen wie auch der partnerschaftlichen Beeinträchtigung eruiert werden. Dieses Vorgehen öffnet den Weg zu einer mehrdimensionalen Therapie, die je nach Umfang der Störung mehr den somatischen, den psychischen oder den sozialen Aspekt betont, ohne die anderen dabei aus den Augen zu verlieren oder gar von vornherein auszublenden, wobei eine Kooperation mit Psychotherapeuten und/oder Sexualtherapeuten oft hilfreich sein dürfte. S27.4 Sexueller Missbrauch als Risikofaktor für chronischen Schmerz G. Schneider Klinik und Poliklinik für Psychosomatik und Psychotherapie, Universitätsklinikum Münster Fragestellung: Ist sexueller Missbrauch ein Risikofaktor für chronischen Schmerz? Methodik, Ergebnisse und Schlussfolgerungen: Nach Darstellung des bio-psycho-sozialen Krankheitsmodells in einem Überblick über die aktuelle Literatur und aktuelle Studienergebnisse dargestellt. Die Ergebnisse und mögliche Zusammenhänge werden diskutiert und psychotherapeutische Behandlungsansätze dargestellt.
Der Schmerz [Suppl 1]•2001
| S 21
Abstracts S28 Bildgebung und Schmerz S29 „Pro und Contra“ – Komplementärmedizin II Akupunktur und Hypnose S29.4 Hypnose – Einführung H. Ebell, München Um die Hypnose ranken sich vielfältige Vorurteile und Mythen. In der klinischen Schmerztherapie handelt es sich auf Seiten der Patienten meist um eine magisch regressive Erwartungshaltung, dass – ähnlich wie in der Bühnenhypnose – ihr kritisches Bewusstsein ausgeschaltet werde und sie „nach dem Erwachen“ weniger oder gar keine Schmerzen mehr haben; auf Seiten der medizinischen Profession zu Unrecht ein Ruch von „nicht seriös“. Als Ergänzung eines interdisziplinären und multimodalen GesamtTherapiekonzepts für akute und chronische Schmerzsyndrome haben sich Hypnosetechniken als erstaunlich wirksam erwiesen – nicht nur publiziert als Fallberichte, sondern auch nach kritisch wissenschaftlicher Prüfung. Auf dem Hintergrund des zur Zeit verfügbaren neurobiologischen Wissens erstaunt dies nicht: Erfahrungen haben individuellen Charakter und werden als Erinnerung durch Modifikation der neuronalen Netzwerke des Gehirns gespeichert. Schmerzen können sowohl im peripheren als auch im zentralen Nervensystem Veränderungen (incl. Zelltod) betroffener Neurone verursachen. Als Folge „positiver“ bzw. „negativer“ Erfahrungen kommt es zur Induktion von Genen, zur Synthese von Proteinen, zu Zellwachstum sowie qualitativen und quantitativen Veränderungen der Neurotransmitter an den Synapsen; neue neuronale Bahnen können gebildet und bereits vorhandene anders verknüpft werden. Diese sog. „neuronale Plastizität“ könnte nicht nur Chronifizierungsprozesse bei Schmerzpatienten erhellen, sondern wäre auch eine plausible Erklärung, warum Hypnose in der Behandlung von Schmerzen deutlich besser abschneidet als Placebo: Hypnose kann nämlich intensive Erfahrungen vermitteln. Die Vertreter der Pro- und Contra-Position werden folgende Aspekte anreißen: • (Grundlagen-)wissenschaftliche Aspekte: Neurophysiologisch nachweisbare Veränderungen bei Schmerzen durch Hypnose • Klinische Aspekte: Hypnose bei akuten und chronischen Schmerzen • Methodische Aspekte: „Professionalität“ bei der therapeutischen Anwendung von Hypnose. S29.5 Hypnose – Pro W. Häuser Medizinische Klinik I – Funktionsbereich Psychosomatik, Klinikum Saabrücken, D-66119 Saarbrücken „Hypnose hat wegen ihrer manchmal spektakulären, nicht therapeutischen Anwendungsform einen zweifelhafteren Ruf, als sie verdient“ ..... Es handelt sich nicht nur um eine der ältesten Formen der seelischen Krankenbehandlung, sondern auch um eine seriöse und relativ gut abgesicherte Therapie (Forschungsgutachten der Bundesregierung zur Psychotherapie, Meyer 1991). Trotz dieser Feststellung einer Expertenkommission auf der Grundlage der zum damaligen Zeitpunkt vorhandenen Studienergebnisse hat die Hypnose sowohl in der Psychotherapie als auch in der Medizin einschließlich der Schmerztherapie nicht den Stellenwert, der ihr auf dem Hintergrund einer evidenzbasierten Medizin zukommen sollte. Dabei ist der Einsatz von Hypnose in der Behandlung akuter Schmerzen evidenzbasierter (Evidenz Grad I a) als der Einsatz von Opioiden in der Therapie chronischer benigner Schmerzsyndrome (Evidenz Grad I b). In einer Metaanalyse der kontrollierten Studien von Hypnose bei Schmerzen, welche 18 Studien (11 bei experimentellen Schmerz-, 7 bei klinischem Schmerzsyndromen) mit 993 Probanden einschloss, errechneten Montgomery et al ( INT J CILN EXP Hypnosis 2000; 48: 138 -153 ) eine Effektstärke von d=0,74. Es fand sich kein signifikanter Unterschied der Effektstärken bei experimentellen und klinischen Schmerzsyndromen, ebenfalls kein Unterschied Hypnose im Vergleich zu anderen psychologischen Verfahren der Kontrollgruppe. Es fand sich ein signifikanter Unterschied der Effektstärken bei hochsuggestiblen (d=1,2) und niedrigsuggestiblen (d=0,1). Weitere kontrollierte Studien, welche eine Effektivität der Hypnose beim Reizdarmsyndrom zeigen (5 Studien), bei der Fibromyalgie (1 Studie), bei der Myoarthropathie (1 Studie) sowie bei Akutschmerz bei radiologischen Prozeduren (1 Studie) wurde nicht berücksichtigt. In den genannten Studien wurde Hypnose symptomorientiert bei nozizeptiven
S 22 |
Der Schmerz [Suppl 1]•2001
bzw. neuropathischen Schmerzsyndromen zur eigenständigen Schmerzkontrolle eingesetzt. Eine weitere Einsatzmöglichkeit der Hypnose ergibt sich durch die Identifikation und Bearbeitung von intrapsychischen Konflikten, dysfunktionellen Kognitionen und zur Förderung von Ressourcen im Sinne einer psychodynamischen bzw. kognitiven Therapie in Trance bei psychosomatischen Schmerzsyndromen. Es ist bisher nicht geklärt, ob die Hypnose einen spezifischen Wirkfaktor enthält, der über Informationen, Entspannung und Wachsuggestion hinausgeht. Weitere ungeklärte Fragen der Wirksamkeit sind: Entspannung versus Wachsuggestion versus Aktivwachhypnose, Livesuggestionen versus Audiokassetten, Hetero- versus Selbsthypnose sowie Inhalt, Wortwahl und Timing der Suggestionen zur Optimierung der therapeutischen Wirkung. Die Ausbildung zum Hypnosetherapeuten unterscheidet sich in den einzelnen Hynosefachgesellschaften in Umfang und Inhalten. Die Mechanismen, mit denen Hypnose physiologische Abläufe beeinflusst, sind nicht vollständig geklärt. Verschiedene Forschungsgruppen konnten mit Hilfe der PET beim experimentiell induzierten Schmerz als auch bei klinischen Schmerzsyndromen zeigen, dass Hypnose die affektive Schmerzkomponente durch Veränderungen der Aktivität im Gyrus cinguli anterior und der sensorischen Schmerzkomponente im primären somatosensorischen Kortex bewirkt. S29.6 Hypnose – Contra W. Larbig Institut für Medizinische Psychologie und Verhaltensneurobiologie der Universität Tübingen Trotz extensiver Erforschung der Mechanismen, die für die Hypnoseeffekte verantwortlich sind, existieren wenig interpretierbare Untersuchungen über langfristige therapeutische Effekte bei chronischen Schmerzen. Ebenso wenig gibt es ausreichende Daten dafür, welche chronischen Schmerzerkrankungen im Sinne einer differentiellen Indikation besonders gut auf Hypnose ansprechen. Spektakuläre, meist nur in Einzelfällen berichtete Effekte der Hypnose (Amputationen, Krebsschmerz, Verbrennungen, Warzen) wurden bisher nicht in kontrollierten vergleichenden Therapiestudien repliziert. Psychophysiologische Mechanismen sind ebenso noch nicht ausreichend geklärt. Befunde hirnelektrischer Untersuchungen ergaben sehr inkonsistente und widersprüchliche Ergebnisse. So zeigen Daten im SpontanEEG während Hypnose sowohl deutliche Syn- wie auch Desynchronisationsmuster. Dies gilt auch für die Hemisphärenunterschiede im EEG. Einheitlicher sind experimentelle Daten bei evozierten Potentialstudien, die im Zusammenhang mit Änderungen der Aufmerksamkeitsregulation meist reduzierte somatosensorisch evozierte Potentialamplituden aufwiesen. Die bisherigen Ergebnisse verdeutlichen, dass während der Hypnose kein spezifischer Trancezustand vorliegt, der verschieden ist von anderen wachen, meditativen Bewusstseinszuständen. Daraus folgt, dass die meisten Hypnoseeffekte auch ohne spezielle Induktions- und Entspannungsprozeduren hervorgerufen werden können. Auch ist vermutlich nicht das Ausmaß der Suggestibilität für den klinischen Erfolg der Hypnose entscheidend, sondern vielmehr die ausreichende Erfahrung des Therapeuten, sodass bei jedem motivierten Patienten hypnotische Effekte erreichbar sind.
S30 Nozizeptor: Kodierung noxischer Reize S30.1 Encoding of noxious stimuli R.-D. Treede, V. Vlachová, W. Greffrath, C. Weidner Institut für Physiologie und Pathophysiologie, Mainz, Institute of Physiology of the Academy of Sciences of the Czech Republic, Praha, Institut für Physiologie und experimentelle Pathophysiologie, Erlangen Diese Sitzung ist als Fortbildungsveranstaltung gedacht, in der Sinnesphysiologen über den neuesten Kenntnisstand zur Kodierung noxischer Reize an den freien Nervenendigungen berichten. Jeder von uns hat im Studium gelernt, dass Sinnesreize zunächst lokale Sensorpotenziale auslösen, die für die Fortleitung ins ZNS in Aktionspotenzialfolgen umkodiert werden. Die Details dieser Mechanismen sind noch nicht für alle Sinnessysteme bekannt. Gerade bezüglich der peripheren Kodierung schmerzhafter Reize gab es in den letzten fünf Jahren aber große Fortschritte, über die in dieser Sitzung berichtet werden soll. Es wird gezeigt werden, dass die Reizkodierung innerhalb des ersten Neurons der nozizeptiven Bahnen an mindestens drei Stufen modifiziert werden kann:
1) Transduktion: bei der Auslösung von Membranströmen kommt es sowohl zu Adaptation als auch zu Sensibilisierung 2)Transformation: die spannungsabhängigen Ionenkanäle beeinflussen den Zeitgang der Aktionspotenzialfolgen und sie sind ebenfalls sensibilisierbar 3) Transmission: bei der Fortleitung der Aktionspotenziale im Axon kommt es zu frequenzabhängigen Modulationen S30.2 Encoding of noxious stimuli as membrane currents in primary nociceptive neurons V. Vlachová Institute of Physiology, AS CR, Videnska 1083, Prague 4, Czech Republic Sensitivity to capsaicin, the pungent chemical present in hot peppers, is an important hallmark of a specific subpopulation of primary sensory neurons that signal painful stimuli. These neurons highly express a nonselective cation channel, vanilloid receptor (VR1), a molecular sensor which is considered to act as a transducer of noxious stimuli in vivo (1). Both when expressed endogenously in DRG neurons or when expressed heterologously in HEK 293 cells, VR1 exhibits sensitivity to vanilloids, acids and noxious heat and all these stimuli interact synergistically (2). Recent studies using site directed mutagenesis demonstrate that protein domains involved in the gating by capsaicin or protons can be modulated in a mutually independent manner apart from distinct domain(s) underlying the gating induced by noxious heat (3, 4). Despite growing information accrued in recent years on VR1 function, little is known about the mechanisms by which this channel translates elevating temperatures, ligand binding and pH changes into structural rearrangements leading to altered gating. We have addressed these issues by studying the interactions among capsaicin, heat and protons in native and recombinant VR1 under whole-cell voltage clamp. The data provide new insight into distinguishing characteristics among functional states of VR1 and support the tenet that capsaicin can enhance responses induced by noxious heat, similar to the modulatory effect of protons (5). We found that in the cells sensitive to capsaicin at room temperature, there is a temperature-dependent increase in potency for capsaicin at VR1 and that the estimated ligand-binding cooperativity remains constant over the temperature range investigated (25-50°C). On the other hand, in cells in which capsaicin does not produce a detectable current at room temperature, its presence dramatically sensitizes responses induced by noxious-heat suggesting at least two different ligand-dependent activation pathways. Primary nociceptive neurons are unique in their capacity to detect a range of chemical and physical stimuli. The synergistic interactions among noxious stimuli of different modalities may provide a general mechanism by which nociceptive neurons reset stimulus thresholds in the context of tissue injury or disease. 1. M. J. Caterina et al., Nature 389, 816 (1997). 2. M. Tominaga et al., Neuron 21, 531 (1998). 3. S. E. Jordt, M. Tominaga, D. Julius, Proc Natl Acad Sci USA 97, 8134 (2000). 4. J. M. Welch, S. A. Simon, P. H. Reinhart, Proc Natl Acad Sci USA 97, 13889 (2000). 5. V. Vlachová, A. Lyfenko, R. K. Orkand, L. Vyklick˝, Journal of Physiology 533.3, 717 (2001). S30.3 Encoding of action potential discharges in primary nociceptive neurons W. Greffrath1, S. Schwarz1, D. Büsselberg2, R.-D. Treede1 1 Institute of Physiology and Pathophysiology, Saarstr. 21, D-55099 Mainz 2Institute of Physiology, Hufelandstr. 55, D-45147 Essen Fast transduction mechanisms for noxious heat stimuli are investigated using the somata of nociceptive primary sensory neurons as models for their own peripheral terminals. Noxious heat pulses elicit rapidly activating inward currents (Iheat) in a subset of these neurons that are thought to be mediated by temperature-operated membrane channels such as the cloned vanilloid receptor VR1. We have previously demonstrated inactivation and tachyphylaxis of Iheat in rat dorsal root ganglion (DRG) neurons using stepped heat stimuli (J. Physiol. 528: 539-549) which could account for adaptation and suppression of action potential (AP) discharges observed in nociceptive afferents in vivo. In the peripheral nociceptive terminals, Iheat must be transformed into AP discharges in order to be transmitted to the central nervous system. However, only little informa-
tion is available on this transformation step where additional membrane channels beyond the temperature-operated channels must be involved, e.g. voltage-gated sodium – and calcium channels (Neuroscience 104: 539550). Since all these channels are influenced by heat stimuli, either specific or unspecific, it is impossible to predict whether Iheat is sufficient to evoke trains of action potentials at noxious temperatures above 40 °C. Therefore, we investigated, whether the somata of DRG neurons can be used as models to study the transformation process in their peripheral terminals. When acutely dissociated small DRG neurons (diameter ≤32.5 :m) patchclamped in the whole-cell configuration in current-clamp mode (at about -60 mV) were excited with stepped noxious heat stimuli (up to 46 °C for 3 s), about 30% of the small neurons responded with overshooting AP discharges during the first heat stimulus. The remaining neurons displayed either truncated spikes (~8%), subthreshold depolarization (~60%) or hyperpolarization (~4%). Heat-evoked trains of APs did not display a decrease of mean AP frequency. When tested repetitively (every ~38 s), only half of the heat sensitive neurons responded to the second and 30% to the third heat stimulus with APs. Thus, the absolute number of APs discharged during repeated stimulation decreased (P < 0.05). When free intracellular calcium was clamped using BAPTA (10 mM) in the patch pipette, repolarization of heat-induced APs in all neurons tested was blocked throughout the heat stimulus but membrane potential rapidly recovered thereafter. In conclusion, noxious heat does evoke AP discharges in a subset of small DRG neurons. These heat-evoked AP trains display signs of suppression (correlate of tachyphylaxis), but lack adaptation (correlate of inactivation). Ca2+-dependent mechanisms are essential for the maintenance of heat-evoked action potential discharge. Supported by the Deutsche Forschungsgemeinschaft (Tr236/11) S30.4 Action potential propagation in primary nociceptive afferents C. Weidner, M. Schmelz, R. Schmidt*, B. Hammarberg*, K. Ørstavik*, M. Hilliges*, H. E. Torebjörk*, H. O. Handwerker Dept. Physiology 1, University Erlangen, *Dept. Clinical Neurophysiology, University Uppsala, Sweden Microneurography was applied to record from single C-fibre afferents of the peroneal nerve of healthy human subjects. Different patterns of electrical stimulation in the identified receptive field were compared with the recorded pattern at the knee level to asses activity dependent modification of action potential frequencies along the peripheral nerve. Stimulus duplets in the receptive field reached the knee at lower than stimulus frequency in a previously unused nerve fibre. If, however, neural background activity increases, i.e. basal conduction velocity decreases, the second action potential in a train of two might exhibit relative conduction velocity speeding. This results in an increased central frequency that might asymptotically reach a maximum as high as 190 Hz although the peripheral stimulus frequency was as low as 20 Hz. These peak frequencies are more easily (i.e. at lower background activity) reached by silent nociceptors. This pattern is also applicable for longer trains. Increasing neural background activity allows for increasing numbers of action potentials in a train of four to be entrained, i.e. to maximally close up to their predecessor. For trains of four the maximum observed frequency was 160 Hz at knee level stimulating at 50 Hz in the periphery. Besides these implications on neural coding, we can deduce a comprehensive description of activity dependence of post excitatory mechanisms in human C-fibres including the first published estimate for the duration of the refractory period of about 11±1,4 ms. In conclusion, we found a contrast enhancement mechanism in the peripheral nerve that reduces peripheral action potential frequency on the way centrally at low neural activity levels and increases it at high levels. At the same peripheral frequency, maximum and minimum central frequency might differ by a certainly relevant factor of about 10.Astonishingly the peak frequencies of more than 150 Hz can only be reached in a heavily used nerve fibre, predominantly in silent nociceptors.
Der Schmerz [Suppl 1]•2001
| S 23
Abstracts S31 „Current Opinion“– Kopfschmerz
S32.4 Sport als Prävention und Therapie von Schmerzen
S31.2 Andere intermittierende Kopfschmerzenn
C. D. Reimers Klinik für Neurologie, Sächsisches Krankenhaus Arnsdorf
C. Wöber, P. Wessely Univ. Klinik für Neurologie Wien Zu den intermittierend auftretenden Kopfschmerzen zählen – neben der Migräne – der episodische Spannungskopfschmerz, die trigeminalen autonomen Kephalgien sowie Kopf- und Gesichtsneuralgien. Darüber hinaus kann der zervikogene Kopfschmerz eine intermittierende (episodische) Verlaufsform aufweisen. Für die genannten Kopfschmerzformen werden in diesem Beitrag die diagnostischen Kriterien kurz dargestellt, neue relevante pathophysiologische Erkenntnisse diskutiert und die rezenten Entwicklungen in der Therapie kritisch analysiert. Der episodische Spannungskopfschmerz ist die häufigste Kopfschmerzform. Es liegen jedoch nur relativ wenige methodisch adäquate Therapiestudien vor. Einer rezenten plazebo-kontrollierten Studie, in welcher die Wirksamkeit und Verträglichkeit von Metamizol und Azetylsalizylsäure untersucht wurden, kommt daher besondere Bedeutung zu. Als trigeminale autonome Kephalgien werden der Clusterkopfschmerz, die paroxysmalen Hemikranien, die Hemicrania continua sowie das SUNCT-Syndrom zusammengefasst. In der Therapie des Clusterkopfschmerzes wurde neben den etablierten Maßnahmen (Sumatriptan s.c., O2 zur Attackenkupierung sowie Verapamil, Cortison, Lithium bzw. Methysergid zur Prophylaxe) zuletzt die Wirksamkeit von oralem Zolmitriptan zur Akuttherapie beschrieben und über den Einsatz von Topiramat, Gabapentin und Naratriptan sowie des Gammaknife berichtet. Die episodische und chronische paroxysmale Hemikranie sowie die Hemicrania continua werden aufgrund ihres hervorragenden therapeutischen Ansprechens als Indomethacin-responsible Kopfschmerzen zusammengefasst. Das SUNCTSyndrom ist differentialdiagnostisch gegenüber der Trigeminusneuralgie abzugrenzen; zur Therapie liegen nur anekdotische Berichte vor. Exemplarisch für die Kopf- und Gesichtsneuralgien wird die Trigeminusneuralgie besprochen, mit Schwerpunkt auf dem Einsatz der neuen Antiepileptika. Abschließend wird der zervikogene Kopfschmerz kurz dargestellt und auf dessen Therapie mit Botulinumtoxin eingegangen.
S32 Schmerz nach Verletzungen,Sport gegen Schmerz S32.1 Schmerz als Verletzungsfolge C. Simanski II. Chirurgischer Lehrstuhl der Universität zu Köln Einleitung: Die Inzidenz von signifikanten Schmerzen nach einer traumatischen Verletzung ist hoch, die therapeutischen Interventionen werden jedoch durch den behandelnden Arzt eher zurückhaltend gehandhabt. Daher kommt einer effizienten Akutschmerztherapie präklinisch wie auch in der chirurgischen Notaufnahme eine besondere Bedeutung zu. Methode: Das chirurgische Patientengut im Kölner Rettungsdienst wurde retrospektiv durch Auswertung der Notarztprotokolle hinsichtlich der Verabreichung von Analgetika / Sedativa, durch den verantwortlichen Notarzt, untersucht. Eine weitere Patientengruppe wurde hinsichtlich der Inzidenz und Therapie von Akutschmerzen in einer chirurgischen Notaufnahme evaluiert. Ergebnisse: Während im Jahre 1990 noch 76% (n=2020) der chirurgischen Notfallpatienten präklinisch keine Schmerztherapie erhielten (Gesamtkollektiv: n=3417), wurden sechs Jahre später 61% der Patienten ohne Analgetikatherapie notärztlich behandelt. Dementsprechend berichten 84% der Ambulanzpatienten weiterhin über signifikante Schmerzen. Patienten mit skelettalen Verletzungen weisen höhere Schmerzintensitäten auf, als solche mit Weichteilverletzungen. Schlussfolgerung: Präklinisch wird nur etwa jeder Dritte chirurgische Patient schmerztherapiert, vier von fünf Patienten zeigen zum Zeitpunkt der notfallambulanten chirurgischen Versorgung signifikante Schmerzen. Diese Ergebnisse zeigen, dass einer effizienten prästationären Akutschmerztherapie mehr Aufmerksamkeit entgegengebracht werden muss. 1. Hoppe TG; Dauber A; Burkner K; Neugebauer E; Troidl H (1990): Schmerz in der chirurgischen Ambulanz. Eine prospektive Beobachtungsstudie. Chirurg 61(7) : 535–539
S 24 |
Der Schmerz [Suppl 1]•2001
Zahlreiche experimentelle Studien belegen eine Hypoalgesie (Schmerzschwelle und -toleranz) gegenüber einer Reihe schmerzhafter Reize, vor allem gegenüber elektrischen und Druckstimuli, unter und nach körperlicher Aktivität. Am besten untersucht sind aerobe Belastungen. Die Effekte sind bei hoher Belastungsintensität (>70% der maximalen aeroben Kapazität) am deutlichsten.Aber auch die Wirksamkeit isometrischer Belastungen wurde in mehreren Studien belegt. Der hypoalgetische Effekt überdauert die körperliche Aktivität etwa 30 Minuten. Über die Mechanismen des hypoalgetischen Effektes herrscht noch Unklarheit. Während einige Studien eine Beteiligung des endogenen Opioid-Systems (Verminderung des hypoalgetischen Effektes durch Applikation von Naloxon) zeigen, konnten andere Studien dessen Bedeutung nicht belegen. Obwohl die experimentellen Studien nur eine kurzzeitige hypoalgetische Wirkung körperlicher Aktivität bei Gesunden belegen, liessen sich in einigen klinischen Studien bei chronischen Schmerzkrankheiten länger überdauernde schmerzlindernde Effekte leichter körperlicher Aktivität zeigen. So verminderte regelmäßige körperliche Aktivität in einigen Therapiestudien bei der Fibromyalgie die Zahl der tender points, die Schmerzen, Depressivität und Angst. Sie erhöhte die Schmerzschwellen und verbesserte das allgemeine Befinden.Verschiedene Studien weisen auf günstige Effekte körperlicher Aktivität auf Kopfschmerzen, insbesondere Migräne, hin, andere Studien konnten diese Angaben jedoch nicht bestätigen. In dem Übersichtsreferat werden die human-experimentellen und klinischen Studien vorgestellt und Konsequenzen für die ärztliche Praxis diskutiert. S32.5 Schmerzbewältigung bei Verletzungen im Sport: Soziodemografische und situative Bedingungen J. Kleinert Psychologisches Institut, Deutsche Sporthochschule Köln Das Phänomen der Schmerzbewältigung im Sport besitzt sowohl für den Sport als auch für Bereiche außerhalb des Sports hohe Relevanz. Für den Sport zeigen laufende und abgeschlossene Studien, dass der Umgang mit Schmerzen für die Entstehungswahrscheinlichkeit und den Heilungserfolg von Verletzungen mitverantwortlich ist (vgl. Kleinert & Wilczkowiak, 2001). Die Relevanz der Verletzungsfrequenz und der Verletzungsschwere für den Erfolg im Sport macht ein Blick in die Sportmedien mehr als deutlich. Relevante Bezüge ergeben sich auch für Bereiche außerhalb des Sports: Studienergebnisse verweisen darauf, dass Sport- und Körpererfahrung den Umgang mit Schmerzen verändern können (vgl. Kleinert, 2000). Die Erforschung von Bewältigungsformen im Sport und den Bedingungen ihres Auftretens kann somit Hinweise auf bewegungs- oder sportbezogene Gestaltung von Therapiekonzepten bei Schmerzen geben. Im Rahmen der Analyse von Bedingungen für unterschiedliches Bewältigungsverhalten im Sport soll mit der vorliegenden Fragebogenstudie geprüft werden, inwieweit soziodemografische und situative Bedingungen das Schmerzbewältigungsverhalten von Sportlerinnen und Sportlern moderieren. Als Befragungsinstrument wurde der SBS-V (Schmerzbewältigungsstatus bei Verletzungen) mit 25 Items und 8 Faktoren eingesetzt. Zur Überprüfung des Einflusses soziodemografischer Variablen wurde eine Stichprobe von 160 verletzten Sportlern hinsichtlich der Variable Herkunft (Brasilien n=80, Deutschland n=80), Geschlecht (99 Männer, 61 Frauen) und Alter (M=24.5; SD=4.4) untersucht. Zur Überprüfung des Einflusses situativer Variablen wurde eine zweite Stichprobe Verletzter hinsichtlich der Variablen Sportaktivität (Aktiv n=80; Inaktiv n=80) sowie Schmerzdauer, -intensität und -häufigkeit untersucht. Die Prüfung von Haupteffekten soziodemographischer Einflussgrößen auf Bewältigungsformen zeigt, dass die Nationalität der Befragten sich auf die Bewältigungsformen Fehlanpassung, Selbstmotivation, Spannungsregulation, Informationssuche, Bewältigungsplanung und Ablenkung auswirkt. Das Alter zeigt Zusammenhänge mit dem Ausmaß an Abwärtsvergleichen und Ablenkung. Das Geschlecht hat in der Gruppe der befragten Sportler keinen Einfluss auf das Ausmaß unterschiedlicher Bewältigungsformen. Interaktionseffekte zeigen sich lediglich zwischen Alter und Nationalität (hinsichtlich Bewältigungsplanung, Abwärtsvergleichen und Ablenkung). Die Prüfung von Haupteffekten situativer Variablen zeigt, dass Sportaktive die Bewältigungsstrategien Spannungsregulation sowie Informationssuche häufiger durchführen, gleichzeitig aber auch eher zur Fehlanpassung tendieren. Befragte mit starken Schmer-
zen lenken sich häufiger ab als Befragte mit geringen und mittleren Schmerzen. Kürzer andauernde Schmerzen (weniger als 3 Monate) gehen häufiger mit Selbstmotivation und Ablenkung einher als länger andauernde Schmerzzustände. Die Zusammenhänge von Schmerzdauer und Schmerzhäufigkeit mit Bewältigungsformen sind zwischen Sportaktiven und Sportinaktiven unterschiedlich (Interaktionseffekte). Die Ergebnisse verdeutlichen den starken Einfluss von Kultur, Gesellschaft und Entwicklung auf die Bewältigungsform bei verletzungsbedingten Schmerzen. Die Auswirkungen von Schmerzdauer und -häufigkeit auf die Ausprägung von Bewältigungsstrategien werden durch die Sportaktivität der Befragten moderiert. Der alltägliche sportbedingte Umgang mit dem eigenen Körper verändert demnach auch den Umgang mit köperbedingten Schmerzen. Kleinert J (2000) Schmerzwahrnehmung und Schmerzbewältigung von Patienten in ambulanter orthopädischer Behandlung. Universität zu Köln Kleinert J, Wilczkowiak, I-U (2001). Klinischer Befund, emotionale Stimmung und Schmerzbewältigung als Prädiktoren des Heilungsverlaufs. Deutsche Zeitschrift für Sportmedizin. 52:57
S33 Genetik und Schmerz S33.3 Untersuchungen zu Polymorphismen im opioidergen System J. Lötsch, G. Geisslinger pharmazentrum frankfurt, Institut für Klinische Pharmakologie, Klinikum der Johann Wolfgang Goethe-Universität, Theodor Stern Kai 7, 60590 Frankfurt am Main Die meisten klinisch eingesetzten Opioide entfalten ihre Wirkung über mu-Opioid-Rezeptoren. Daher sind genetische Polymorphismen, die die mu-Opioid-Rezeptoren betreffen, für die klinischen Wirkungen von Opioiden besonders interessant. Für das den mu-Opioid–Rezeptor codierende Gen (OPRM1) sind zurzeit mindestens 12 genetische „Single Nucleotide Polymorphismen“ (SNP) mit Auswirkungen auf die Aminosäurestruktur des Rezeptors beschrieben. Für zwei dieser SNPs wurden Bindungs- bzw. Funktionsänderungen des Rezeptors gezeigt: In vitro hatte der A118G-SNP eine höhere Potenz von Endorphin an den resultierenden mu-Rezeptoren zur Folge, während für Morphin keine Auswirkungen beobachtet wurden. In vivo wurde bei heterozygoten Trägern des A118G-SNPs eine halbierte Potenz des aktiven Morphin-Metaboliten Morphin-6-Glcuronid demonstriert. Außerdem wurde beobachtet, dass bei Patienten mit dem A118G-SNPs Alfentanil schwächer analgetisch wirkte bzw. höhere Dosen zur Analgesie erforderlich waren als bei Patienten ohne diesen SNP. Der T802C Single Nucleotide Polymorphismus bewirkte eine im Vergleich zum Wildtyp-Rezeptor gestörte Rezeptor-Desenitisierung und verminderte G-Protein-Kopplung nach DAMGO-Applikation. Außerdem war an T802C die Signaltransduktion erheblich gestört, was zu einer deutlich verminderten Potenz und Effizienz von DAMGO, Beta-Endorphin und Morphin führte. Neben Veränderungen der Rezeptorfunktionalität und damit der Wirksamkeit bestimmter Opioide an mutierten mu-Opioid-Rezeptoren wurden einige Zusammenhänge zwischen Opiodabhängikeit und mu-Rezeptor-Mutationen beschrieben. Zum Beispiel wurde die C17T Mutation des mu-Opioid-Rezeptor-Gens etwas häufiger bei Opioidabhängigen hispanischer Herkunft gefunden als bei Nicht-Opioidabhängigen aus dieser Bevölkerungsgruppe. Außerdem wurde ein bestimmtes Muster von Single Nucleotide Polymorphismen des mu-Opioid-Rezeptor-Gens (-T1793A, -1699Tins, -A1320G, -C111T, C17T) mit einer höheren Prädisposition für Heroin- und Cocainabhängigkeit in Zusammenhang gebracht. Weiterhin waren bei Chinesen A118G-Mutation und C1031G-Mutation signifikant mit Opioidabhängigkeit assoziiert. Auf der anderen Seite gibt es auch Studienergebnisse, die A118G- und C17T-Mutationen nicht als Risikofaktoren für Opioidabhängigkeit identifizierten. Oxycodon und Pentazozin wirken mehr über kappa-Opioid-Rezeptoren, für die auch SNPs beschrieben sind. Auswirkungen von kappa-OpioidRezeptoren betreffenden SNPs auf die analgetische Wirkung von Opioiden sind jedoch nicht untersucht. Von der Aufklärung der Konsequenzen von Mutationen der Opioid-Rezeptor-Gene ist in naher Zukunft eine Erklärung von Teilen interindividueller Variabilität der klinischen Opioidwirkungen zu erwarten. Die kann dazu genutzt werden, den Therapieerfolg durch geeignete Auswahl oder Dosierung des Opioids zu optimieren. Acknowledgement: DFG Lo 612/3-1
S34 Lernmechanismen und psychophysiologische Parameter S34.2 Klassische Konditionierung bei der Chronifizierung von Rückenschmerz: Zentralnervöse Parameter H. Flor Lehrstuhl für Neuropsychologie der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg, Zentralinstitut für Seelische Gesundheit, J 5, 68159 Mannheim Überlegungen zur respondenten Konditionierung von Schmerz befassen sich meist mit der Konditionierung muskulärer Reaktionen. Dabei wird angenommen, dass die intensive und häufige Auslösung eines konditionierten Muskelspannungsanstieges zur Schmerzverstärkung und mit der Zeit auch zur Induktion von Muskelschmerz führt.Wir haben uns darüber hinaus dafür interessiert, ob respondente Konditionierung auch zu zentralnervösen Veränderungen führt, d. h. ob kortikale „Gedächtnisspuren“ dieses Lernprozesses auftreten. In Experiment 1 wurden visuelle konditionierte Reize (CS) mit schmerzhaften elektrischen unkonditionierten Reizen (UCS) am Rücken bei Patienten mit chronischen Rückenschmerzen und Gesunden gepaart. Neben einer erhöhten antizipatorischen und symptomspezifischen muskulären Reaktion fand sich zentralnervös bei den Patienten eine verminderte kontingente negative Variation in Antizipation des schmerzhaften Reizes, die mit einer vergrößerten Reaktion auf den UCS einherging. In der zweiten Studie wurde zunächst nur bei Gesunden die Assoziation eines taktilen CS mit einem schmerzhaften UCS hinsichtlich ihrer Auswirkung auf die Reizrepräsentation im primären somatosensorischen Kortex geprüft. Hier zeigte sich eine erhöhte neuronale Aktivität sowohl auf den schmerzsignalisierenden CS wie auch auf den gepaarten, nicht jedoch den ungepaarten UCS hin. Diese Befunde zeigen, dass Lernprozesse zu zerebralen Veränderungen führen, die eine stärkere Verarbeitung somatosensorischer Reize bedingen. Diese „Gedächtnisspuren“ können somit die Chronifizierung von Schmerz mitbedingen. Mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft.
S34.3 Klassische Konditionierung muskulärer Reaktionen bei der Chronifizierung myogener Schmerzen R. Klinger, B. Dahme Universität Hamburg, Psychologisches Institut III, Verhaltenstherapie Fragestellung: Respondente Lernvorgänge spielen bei der Entstehung und auch Aufrechterhaltung myogener Schmerzen (muskulär bedingter Kopf- und Rückenschmerzen) eine Rolle. Schmerzen bzw. deren psychophysiologische Korrelate (z.B. muskuläre Verspannungen) sollen über die Koppelung mit primär neutralen Reizen klassisch konditionierbar sein. Die konditionierten Reize können dann schließlich eine konditionierte Schmerzreaktion hervorrufen und auf diesem Weg einen maßgeblichen Teil zur Chronifizierung beitragen. Das Hauptziel der vorliegenden Studie ist es, den Einfluss respondenter Lernvorgänge auf muskuläre Anspannung bei chronischen Kopf- und Rückenschmerzpatienten sowie schmerzfreien Probanden zu untersuchen. Es soll die Hypothese einer erhöhten Konditionierbarkeit von Muskelspannung bei chronischen Schmerzpatienten getestet werden. Ferner soll geprüft werden, ob sich in Abhängigkeit der symptomspezifischen Muskulatur Unterschiede zwischen Kopf- und Rückenschmerzpatienten ergeben. Methodik: In einem experimentellen differentiellen Pawlowschen Konditionierungsdesign werden 15 Probanden mit chronisch-rezidivierenden myogenen Rückenschmerzen, 15 Probanden mit chronisch-rezidivierenden Kopfschmerzen vom Spannungstyp und 15 schmerzfreie Probanden untersucht. Dabei dient ein unangenehmer Ton nach dem Prinzip der CSUS-belongingness als CS+, der mit einem elektrischen Schmerzreiz (UCS) gekoppelt wird. Simultan werden die EMG-Werte am lumbalen Erector spinae, beidseits; M. Trapezius, beidseits, sowie am M. flexor digitorum, beidseits, erhoben und auf ihren Zusammenhang mit subjektiven Schmerz-, Spannungs- und Stressratings hin analysiert. Zusätzlich wird die Herzrate erhoben. Ergebnisse und Schlussfolgerungen: Es sollen die Ergebnisse der Voruntersuchung vorgestellt werden.Die EMG-Daten von 8 schmerzfreien Probanden zeigen bei allen Probanden eine deutliche unkonditionierte muskuläre Reaktion (UCR) infolge des UCS / CS+ (Reizstrom + hochfrequenter Ton) und keine muskuläre Reaktion infolge des CS- (niedrigfrequenter Ton) beobachten. Die UCR wird nicht durch die alleinige Darbietung des CS+ ausDer Schmerz [Suppl 1]•2001
| S 25
Abstracts gelöst. Die UCR zeigt sich bei den verschiedenen Probanden in unterschiedlichen muskulären Systemen. Auf Nachfragen bestätigte sich bei 4 der 8 Probanden, dass das muskuläre System, welches hauptsächlich unter der Schmerzreizapplikation reagierte, auch unter Alltagsstress als subjektiv belastet empfunden wird. Eine konditionierte Reaktion (CR), also die muskuläre Reaktion, die infolge des CS+ ohne Darbietung des Schmerzreizes auftrat, zeigte sich in 5 der 8 Fälle, wobei die CR der UCR sehr ähnelte. S34.4 Schmerzschwelle bei Patienten mit atopischer Dermatitis im Vergleich zu Hautgesunden S. Soost, M. Worm, R. Klinger* Klinik f. Dermatologie u. Allergologie, Charité, Humboldt-Universität Berlin *Universität Hamburg, Psychologisches Institut III, Verhaltenstherapie Fragestellung: Die atopische Dermatitis (AD) ist eine chronisch rezidivierende Hauterkrankung, die durch quälenden Juckreiz gekennzeichnet ist. In der vorliegenden Arbeit wird untersucht, ob bei Patienten mit AD ein verändertes Schmerzempfinden im Vergleich zu Hautgesunden vorliegt. Ferner soll geprüft werden, ob es bei Patienten mit AD zu einem veränderten Ansprechen auf ein Placebo kommt und ob eine veränderte Konditionierbarkeit im Vergleich zu Hautgesunden erkennbar ist. Hintergrund hierfür sind Prozesse der klassische Konditionierung nach dem Pawlowschen Paradigma. Methodik: In einem experimentellen Konditionierungsdesign wurden 48 Probanden mit atopischer Dermatitis und 48 hautgesunde Probanden untersucht. Die Hälfte der Probanden jeder Gruppe erhält, eine als schmerzlindernd deklarierte Salbe, die andere Hälfte eine neutrale Salbe, um den Placeboeffekt zu überprüfen. Bei einem Teil jeder Gruppe wird die Reizstärke zusätzlich verändert, um die Konditionierung zu erfassen. Mittels der Applikation intracutaner Elektroreize, die in ihrer Intensität auf- und absteigend von 0,02 mA bis maximal 3 mA variiert werden, wird die Wahrnehmungsschwelle und die Schmerzschwelle in allen Untersuchungsgruppen ermittelt. Ergebnisse und Schlussfolgerungen: Die bislang erhobenen Daten zeigen, dass chronisch Hauterkrankte, die an einer atopischen Dermatitis leiden, eine verminderte Wahrnehmungsschwelle besitzen. So ist die Wahrnehmungsschwelle der Reize bei den weiblichen Atopikern (n=12 / 0.308 mA) geringer als bei der weiblichen Kontrollgruppe (n=20 / 0.365 mA). Die männlichen Atopiker (n=8 / 0.381 mA) weisen ebenfalls eine geringe Wahrnehmungsschwelle als die männliche Kontrollgruppe (n=15 / 0.438 mA) auf. Weiterhin lässt sich aus den bisherigen Untersuchungen eine verminderte Schmerzschwelle bei den chronisch Hauterkrankten im Vergleich zu hautgesunden Patienten darstellen. Die Schmerzschwelle ist bei den weiblichen Atopikern (n=12 / 0.653 mA) geringer als bei der weiblichen Kontrollgruppe (n=20 / 0.765 mA). Bei den männlichen Atopikern (n=8 / 0.75 mA) ist die Schmerzschwelle im Vergleich zur männlichen Kontrollgruppe (n=15 / 0.895 ) ebenfalls vermindert. Zusammenfassend zeigt sich, dass eine chronische Hauterkrankung die Schwellenwerte beeinflusst.
S35 Entzündung und Schmerz S36 „Current Opinion“ – Muskuloskelettaler Schmerz und sensomotorisches System S36.2 Sensomotorisches System: koordinative Fähigkeit, Funktionsstörung und Trainierbarkeit W. Laube Landeskrankenhaus Rankweil, Physikalische Medizin und Rehabilitation, Valdunastr. 16, A-6830 Rankweil Das sensomotorische System (SMS) wird bei jeder motorischen Anforderung grundsätzlich immer als „eine funktionelle Gesamteinheit“ aktiv (Laube 2000, Laube und Hildebrandt 2000). Teile des SMS sind nicht selektiv ansprechbar und damit trainierbar. Das SMS hat zeitgleich stets zwei Aufgaben zu erfüllen: 1. die zweckgebundene Realisation des Bewegungszieles und 2. die angepasste kontraktile (aktive) Muskeltonusregulation zur Sicherung von Haltung, Stellung und Gleichgewicht als immanenter Bestandteil jeder Willkürhandlung.
S 26 |
Der Schmerz [Suppl 1]•2001
In Abhängigkeit von der Art der sensomotorischen Handlung sind auch die passiv mechanischen Eigenschaften der Muskel-Sehnen-Komplexe (passiver Muskeltonus) an der Leistung des SMS beteiligt. Sensomotorisches (koordinatives) Lernen basiert auf einer beanspruchungsbedingten Strukturveränderung im SMS als Adaptation an eine systematisch in Art, Umfang und Intensität durchgeführte Belastung. Die Verbesserung der koordinativen SMS-Funktion ist an hohe Umfänge bzw.Wiederholungszahlen gebunden und erfordert einen systematischen Aufbau. Die Ursachen einer veränderten koordinativen Funktion des SMS sind komplexer Natur. Sie können sowohl Ergebnis einer chronischen Inaktivität oder auch einer hohen Belastungsspezifik sein. Akute Verletzungen und chronisch-degenerative Erkrankungen führen funktionell zu vergleichbaren Resultaten. Als immanenter Bestandteil des klinischen Bildes liegen pathophysiologische Veränderungen in 2 Schweregraden (Laube 2000) vor, welche die Koordination und Trainierbarkeit deutlich verändern und einschränken. Bei 60–70% der Patienten lässt sich eine funktionelle Teilparese nachweisen, die einen individuell verschieden großen Anteil des Muskels der Willkürmotorik und damit der Trainierbarkeit entzieht. Die veränderte und verminderte Trainierbarkeit beruht auf den Komponenten (1) Funktionsstörung im SMS, (2) Strukturum- und -abbau infolge Immobilisation mit wesentlichen Konsequenzen für (2.1) die Durchblutung, (2.2) die Funktionsbedingungen und Funktionalität der Sensoren und (2.3) die passiv mechanischen Eigenschaften des Muskel-SehnenKomplexes und (3) nozizeptiv bedingten Beeinflussungen der sensomotorischen Funktionen auf der spinalen wie supraspinalen Ebene. Die Beanspruchung des funktionsgestörten SMS kann durch funktionelle orthopädische Hilfsmittel begünstigt bzw. die Bewegungsqualität beeinflusst werden (Laube und Hildebrandt 2001).
S37 Schmerz und Bewusstsein Schmerz und Bewusstsein R. Wörz Schmerzzentrum Bad Schönborn, Friedrichstr. 73, 76669 Bad Schönborn Das Bewusstsein des Menschen wird als allgemeiner Begriff für „Bewusstheit, Wahrnehmungen, Vorstellungen, Gefühle, Gedanken, Erlebnisse, Erinnerungen, Hoffnungen und Wünsche, Sorgen, Ängste und Befürchtungen“ definiert, als das „Ganze des augenblicklichen Seelenlebens“ (K. Jaspers). Bewusstsein ist ein unmittelbares Faktum mit den Charakteristika der Erlebnisqualität und Intentionalität – dem Bezug auf Gegenstände im Raum, Ereignisse in der Zeit oder auf andere Bewusstseinsinhalte. Wir können zwar beschreiben, was Bewusstsein ist und wozu es dient, die Grundfragen des wie, warum und dass es entstand, sind aber ungeklärt und erstaunenswert ! Die Vorstellungen über den Weg des Zustandekommens werden zur Zeit intensiv wie selten in der Geschichte diskutiert. Der Wettstreit der hergebrachten Konzeptionen des Materialismus, Idealismus, Monismus und Dualismus ist nicht entschieden. Neuerdings wird auch eine fatalistische Auffassung vertreten, das Leib-Seele-Problem sei schlechthin unlösbar (Mc Ginn). Meine Beschäftigung mit Schmerzpatienten führte zu einem „komplementären Dualismus“, der abstrahiert und nicht separiert, die Unterschiede sieht zwischen dem Innen und Außen, Subjekt und Objekt, Geist und Materie, dem Verstehen und Erklären, Beobachten und Denken, zwischen empirisch und rational, nomothetisch und idiographisch, Vergangenheit und Zukunft, Determinismus und Freiheit. Im Unterschied zum dreidimensionalen Gehirn als Voraussetzung für das Bewusstsein ist es als ganzheitliche Realität dem räumlichen Zugriff entzogen, wie auch Schmerz als Erlebnis. Im Begriff Erlebnis ist die Gebundenheit an das Leben, die Berührung von Welt und Ich, eine Art „Subjekt – Objekt – Identität“ (W. Dilthey) enthalten. Wir können zwar die metabolischen, chemischen, elektrischen und magnetischen Prozesse bestimmen, die mit Schmerz einhergehen, sie räumlich zuordnen und sogar ihre Änderungen verfolgen, nicht jedoch Bewusstsein oder Schmerz sehen bzw. direkt wahrnehmen. Bei der Analyse der Aspekte Lokalisation – Qualität – zeitliche Abläufe – Intensität – Modulation – Auswirkungen ist zu bedenken, dass Schmerz als Bewusstseinsinhalt einen ganzheitlichen Charakter besitzt, dass diese Phänomene nicht zerstückelt werden können, sondern interaktiv zusammenhängen, wofür es auch einige behandlungsrelevante empirische Daten gibt: Beispielsweise chronifiziert ein heftiger Schmerz bei Herpes zoster oder Lumbago eher als ein erträglicher. Wird Schmerz als Bewusstseinsphänomen mit den wesentlichen Kennzeichen der Erlebnisqualität und Intentionalität angesehen, so erbringt
das auch eine bessere Erklärung vielfacher Erfahrungen, dass bei einem hilfesuchenden Schmerzpatienten eine ganz andere Situation vorliegt als bei einem zu Begutachtenden mit Rentenwunsch. Das diagnostische Instrumentarium darf deshalb keinesfalls in unkritischer Weise vom einen in den anderen Fall übertragen werden, was speziell für Testverfahren gilt.Werden Bewusstsein und Person in die Betrachtung eingeschlossen, so bedeutet das auch ein gewisses Maß an Freiheit für die Betroffenen, sofern das Leiden nicht ganz übermächtig ist. Damit ist aber auch immer Non-Determinismus bezüglich Behandlungserfolg und Langzeitprognose verbunden. S37.1 Schmerz sichtbar gemacht B. Bromm Institut für Physiologie, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf Moderne Methoden der funktionellen Bildgebung sind zunehmend in der Lage, mentale und psychische Erfahrungen identifizierbaren Hirnstrukturen zuzuordnen. Solche Bemühungen sind insbedondere für die Schmerzforschung von ausschlaggebender Bedeutung, da Schmerzerfahrung und Schmerzbewältigung vor allem eine kognitive Leistung darstellt. Die empfundene Schmerzstärke hängt entscheidend vom Wachheitsgrad, dem Arousal-Niveau des Gehirns ab, und von der Aufmerksamkeit und Zuwendung, die der Patient dem Schmerzgeschehen beimisst. Gerade dieser Zusammenhang wird in der Diskussion über neuroplastische Ausbildungsmechanismen, die zu einer Schmerzchronifizierung führen, viel zu wenig gesehen. Kombinierte Hirnquellenanalysen von Vielkanal-EEG und -MEG-Messungen erlauben, umschriebene Zentren in der individuellen Hirnrinde sichtbar zu machen.
Demnach zeigt sich die Interferenz zwischen Aufmerksamkeit und Schmerzstärkeneinschätzung vor allem in der Modulation von schmerzrelevanter Aktivität in perisylvischen Arealen (SII und Insula), in denen die sensorisch-epikritische Verarbeitung repräsentiert ist mit Somatotopie, Reizstärkenbeziehung und Reizspezifität, sowie einer starken Abhängigkeit vom Vigilanzgrad. Unter Bewusstlosigkeit, in der Narkose, wird damit Schmerz nicht mehr wahrgenommen, trotz der vielen immer noch vorhandenen nozizeptiven Reaktionen, wie Muskelreflexe, Änderung der Vitalparameter. Demgegenüber reflektiert später einsetzende Aktivität im Gyrus cinguli, einer limbischen Struktur, die charakteristische Tönung der Schmerzempfindung als quälend und folternd. Schmerzrelevante Aktivität gerade in diesen Strukturen wiederum wird durch effiziente Narkoanalgetika stark gedämpft, deren Wirkung wird damit sichtbar gemacht und messbar. Mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft (Br 310/20-2).
den (Assemblies) zusammengeschlossen werden können. Auf diese Weise könnten Synchronisationsprozesse die Bildung von kohärenten Objektrepräsentationen und damit die Gestaltbildung in sensorischen Systemen ermöglichen. Am visuellen System wurden in den letzten Jahren Ergebnisse erzielt, die diese Hypothese stützen und darauf hinweisen, dass die zeitliche Bindung von Neuronen tatsächlich eine wesentliche Voraussetzung für die Repräsentation und Selektion von perzeptiver Information darstellt. Im Vortrag werden Experimente vorgestellt, die zeigen, dass zeitliche Korrelationen eine Rolle für die Antwortselektion und den Aufbau von Perzepten spielen. Untersuchungen an Katzen haben ergeben, dass bei binokulärem Wettstreit die perzeptive Dominanz der Reize mit der Stärke der Synchronisation in den jeweils an der Verarbeitung beteiligten Assemblies kovariiert. Diese Daten lassen den Schluss zu, dass Synchronisationsprozesse notwendig sein können, um perzeptiver Information den Zugang zum Bewusstsein zu ermöglichen und die Bildung bewusster mentaler Zustände zu induzieren. S37.3 Schmerz als psychisches Phänomen und Agens R. Wörz Schmerzzentrum Bad Schönborn, Friedrichstr. 73, 76669 Bad Schönborn Pain is an unpleasant sensory and emotional experience which we primarily associate with tissue damage or describe in terms of tissue damage, or both (IASP 2001). – Mit dem Wort experience kommt das Ausgeliefertsein zum Ausdruck. Schmerz ist aber nicht „ruhige Empfindung oder Gefühl, sondern ein Drang, der durch Widerstand für den Gepeinigten zugleich dessen eigener Zustand und ein ihn angreifender Widersacher ist“ (H. Schmitz). Schmerz ist auch kein atmosphärisches Gefühl, sondern ein mehr oder wenig umschriebener, am Körper lokalisierter Bewusstseinsinhalt mit aktivierendem Charakter. Dies wurde von vielen Denkern erkannt und von den großen Pionieren der modernen Algologie hervorgehoben: So bezeichnete der Arzt und Philosoph John Locke Schmerz als „die ungestümste aller Sensationen“ und auch als Kraft: „Der Schmerz ist als Antrieb zum Handeln für uns ebenso wirksam und wertvoll wie die Freude, denn wir betätigen unsere Kräfte ebenso gern zur Vermeidung des ersteren wie zur Erreichung der letzteren“. Für I. Kant, der von Gicht betroffen war und sich von seinem Leiden durch die intensive Vorstellung „Cicero“ abzulenken versuchte, war Schmerz der „Stachel der Tätigkeit“. Nach Leriche, der mit der Auffassung eines „wohltätigen Schmerzes“ brach und die „Schmerzkrankheit“ beschrieb, handelt es sich dabei nicht um das Ergebnis einlaufender neuronaler Impulse, sondern um die Resultante im Konflikt zwischen Stimulus und Individuum. Bonica listete in seinem Opus magnum „The Management of Pain (1953)“ vielfältige Folgen des Schmerzes im somatischen und psychischen Bereich auf. Dabei differenzierte er die Bedeutung der Intensität (leicht, mäßig, stark und unerträglich/ überwältigend), der Schmerzdauer und -qualität sowie psychischer Einflüsse). Unerträglicher organischer Schmerz führt als pathogenes Agens bei der Mehrzahl der Betroffenen zu einem „Algogenen Psychosyndrom“ – zu missmutig-trauriger Verstimmung, Einengung von Erlebnisfähigkeit und Interessen, zu Insomnie und fakultativ zu Suizidalität. Schmerz hat also nicht nur sensorische und emotionale, sondern auch evaluative, motivationale und interaktionelle Aspekte. Er kann zwar flüchtige, physiologische Empfindung bei drohender Gewebeschädigung sein, aber auch eine lebenszerstörende Kraft.Vor allem bei anhaltenden Verläufen und heftiger Ausprägung könne sich Beeinträchtigungen der Persönlichkeitsentfaltung im beruflichen und sozialen Leben einstellen und die Lebensqualität grundlegend verschlechtern.
S37.2 Neuronale Mechanismen des Bewusstseins S37.4 Schmerz als Konflikt im vitalen Antrieb A. K. Engel Institut für Medizin, Forschungszentrum Jülich GmbH, 52425 Jülich Kognitive Funktionen wie Wahrnehmung, Gedächtnis, Sprache oder Bewusstsein basieren auf einer hochgradig parallelen neuronalen Informationsverarbeitung, an der zahlreiche kortikale und subkortikale Zentren beteiligt sind. Gegenwärtig ist noch unklar, auf welche Weise die verteilt bearbeiteten Informationen integriert und kohärente repräsentationale Zustände etabliert werden können. Aktuelle Forschungsergebnisse lassen vermuten, dass dieses sogenannte „Bindungsproblem“ durch Ausnutzung zeitlicher Strukturen in der neuronalen Aktivität gelöst wird. Der Vortrag wird die Hypothese diskutieren, dass die an der Verarbeitung beteiligten Neurone durch Synchronisation ihrer Aktionspotentiale zu Zellverbän-
H. Schmitz Philosophisches Seminar der Universität zu Kiel, Olshausener Str. 40-60, 24118 Kiel Der Schmerz wird phänomenologisch in Bezug auf die Dynamik des spürbaren Leibes charakterisiert. Achse dieser Dynamik ist der vitale Antrieb, gebildet aus antagonistisch ineinander greifenden Tendenzen der Engung und Weitung. Beweis: Wenn die Engung aushakt (z.B. Schreck), ist der Antrieb erstarrt oder gelähmt; wenn das Band zwischen Engung und Weitung zur Weitung hin „ausleiert“ (z.B. Einschlafen), ist er erschlafft. Ein gutes Beispiel ist die Erschlaffung nach Durchbruch der Weitung durch die Engung in der Ejakulation. Schmerz ist wie Angst ein KonDer Schmerz [Suppl 1]•2001
| S 27
Abstracts flikt durch übermächtig hemmende Engung eines weitenden Impulses, der sich z.B. symbolisch im Schrei (gehemmt im Stöhnen) entlädt. Anders als Angst ist Schmerz nicht rhythmisch durch flukturierenden Wechsel des Übergewichtes von Engung und Weitung. Beleg: Niemand keucht vor Schmerz (wie vor Angst). Anders als Angst ist Schmerz ferner nicht nur eigener Zustand des Gepeinigten, sondern auch auf ihn eindringender Widersacher (wie reißende Schwere, wenn man stürzt oder sich gerade noch fängt): Man kann im Schmerz nicht aufgehen wie in der Angst, sondern muss sich mit ihm auseinandersetzen. Der Schmerz als Widersacher ist selbst eine expansive, weitende Tendenz, die mit der Weitung des Gepeinigten hemmend konkurriert (ihr „in die Quere kommt“). Daher will der Gepeinigte nicht nur weg vom Schmerz, sondern auch den Schmerz zurückdrängen. Deswegen gibt es nicht nur weitende Schmerzgesten (Stöhnen, Schrei), sondern auch engende (Ballen der Fäuste, Zusammenbeißen der Zähne). Diese dynamische Theorie des Schmerzes zeigt auf, in welchem Sinn er (als Konflikt, im Gegensatz etwa zum Schreck) weh tut; man kann die Schwelle beobachten, wenn leichter Schmerz allmählich anschwillt. Die Theorie zeichnet überdies zwei Weisen der Schmerzersparung vor: die immobilisierende (sich nicht verführen lassen vom Schmerz, die Weitung aus der Konkurrenz mit der Engung lösen, z. B. durch Entspannung, Vermeidung expansiver Impulse) und die mobilisierende (die expansive Tendenz des Schmerzes durch aggressive Weitung überholen, z.B. durch stürmische Aktivität, die in der Schlacht den Schmerz einer Wunde vergessen lässt). Auch die Abreaktionen durch einen Fluch oder Wutausbruch ist mobilisierende Schmerzersparung.
S38 „Pro und Contra“ – Hormone und ihr Einfluss auf Kopfschmerzen S38.2 Kopfschmerzen in der Schwangerschaft: ein Hormoneffekt? I. W. Husstedt, A. Frese, S. Evers Universitätsklinikum Münster, Klinik und Poliklinik für Neurologie, Kopfschmerzambulanz, Albert-Schweitzer-Str. 33, D-48129 Münster, Tel.: 0251/83-48188, e-mail:
[email protected] Einleitung: Es besteht weitgehende Einigkeit darüber, dass zwischen hormonellen Veränderungen und Migräne Verbindungen existieren. Während Migräne sowohl bei 4% der Jungen als auch der Mädchen besteht, ist unter der erwachsenen Bevölkerung ein Ungleichgewicht der Lebenszeitprävalenz der Migräne von 65 bis 80% zuungunsten der Frauen festzustellen. Nach der Menopause verändert sich das Verhältnis wieder mehr zugunsten der Frauen. Datenlage: Nach der Literatur liegt der Anteil von Patientinnen mit Migräne, bei denen es zur Reduktion der Attacken in der Schwangerschaft kommt, bei 60 bis 70%, dagegen weisen nur 15 bis 20% ein komplettes Sistieren von Migräneattacken auf. Der Anteil von Patientinnen, bei denen während der Schwangerschaft keine Änderung der Attackenfrequenz eintritt, ist in der Literatur mit 4 bis 20% angegeben. Eine Reduktion von Migräneattacken wird hauptsächlich im 2. und 3. Trimester der Schwangerschaft beobachtet. Der Anteil von Patientinnen, bei denen Migräneattacken erstmalig während der Schwangerschaft einsetzen, liegt nach der Literatur zwischen 2 und 16%, die Attacken setzen bevorzugt im 1. Trimester ein. Patienten mit Migräne mit Aura weisen vermutlich eine geringere Regressionsrate von Attacken auf als Patienten mit Migräne ohne Aura. Hinweise auf einen Zusammenhang zwischen Migräne und weiblichen Geschlechtshormonen stellen die Untersuchungen zum Einfluss oraler Kontrazeptiva und zur sog. menstruellen Migräne dar. Der Kopfschmerz vom Spannungstyp weist dagegen während der Schwangerschaft weniger ausgeprägte Veränderungen auf. Die Pathophysiologie der Frequenzalterationen von Migräneattacken während der Schwangerschaft sind nicht sicher geklärt. Ursächlich sollen hohe und stabile Östrogenspiegel verantwortlich sein, wodurch auch heftige Exazerbationen von Migräneattacken in den ersten Wochen nach der Geburt erklärt werden; der Abfall des Östrogenspiegels soll hier ursächlich sein. Auch der postpartale Kopfschmerz, der klinisch oft einer blanden Migräneattacke gleicht, wird auf diesen Abfall zurückgeführt. Differentialdiagnosen: Erstmalig auftretende Kopfschmerzen während einer Schwangerschaft bedürfen einer besonders sorgfältigen diagnostischen Abklärung bez. symptomatischer Kopfschmerzen durch Sinusvenenthrombose, Pseudotumor cerebri, Subarachnoidalblutung und Präeklampsie. Therapieverfahren: Als Therapiemaßnahmen bei Migräneattacken während der Schwangerschaft sind in erster Linie nicht-medikamentöse Verfahren zu bevorzugen, deren Effekt auch noch lange postpartum anhalten
S 28 |
Der Schmerz [Suppl 1]•2001
kann. Prinzipiell sind Medikamente in der Schwangerschaft zu vermeiden, bei Migräneattacken oder Kopfschmerzen vom Spannungstyp kann jedoch Paracetamol eingesetzt werden. Unter den Antiemetika bestehen gegen Metoclopramid die geringsten Bedenken. Eine Migräneprophylaxe ist während der Schwangerschaft kaum und nur bei Patientinnen mit lange anhaltenden und häufigen Attacken ohne Wirksamkeit der bislang angeführten Therapien indiziert. Für Propranolol liegen umfangreiche Erfahrungen aus der Hypertonie- und Eklampsietherapie bei Schwangerschaft vor, so dass für Propranolol in den Fällen, bei denen eine Prophylaxe notwendig ist, die geringsten Bedenken bestehen. Wie Ergotamin sollten Triptane auch während einer Schwangerschaft nicht eingesetzt werden. Die Publikation des Sumatriptan-Schwangerschaftsregisters ergab keine Unterschiede bez. Fehlbildungen der Neugeborenen zwischen Patientinnen mit und ohne Sumatriptan-Applikation in der Schwangerschaft. Die beobachtete Fehlbildungsrate unterschied sich nicht von der in der Normalpopulation. S38.4 Contra: Hormone und Hormontherapie der Migräne S. Evers Klinik und Poliklinik für Neurologie, Universität Münster Der Einsatz von Hormonen in der Therapie der Migräne ist bis heute umstritten und berührt zwei verschiedene Aspekte. Zum einen soll durch den gezielten Einsatz von Hormonen eine spezifische Therapie der Migräne erreicht werden. Zum anderen kann die Gabe von Hormonpräparaten den Verlauf der Migräne beeinflussen. In diesem Beitrag soll dargestellt werden, welche Gründe gegen eine Gabe von Hormonen bei Migränepatientinnen sprechen. Eine spezifische Therapie der Migräne durch Hormonpräparate ist bis heute nicht konsistent belegt. Es gibt nur eine geringgradige Evidenz dafür, dass die Gabe von Östradiol (100 µg Pflaster) vor der erwarteten Menstruation zu einem Ausbleiben der menstruellen Migräneattacke führen kann.Ansonsten existieren keine Studien, die modernen Kriterien genügen, um einen therapeutischen Einsatz von Hormonen in der Kurzoder Langzeitprophylaxe der Migräne zu rechtfertigen. Zwar gibt es reproduzierbare Verläufe von Migränepatientinnen, in denen die Gabe eines Hormonpräparates zu einem Ausbleiben der Migräne führen kann. Für diese Verläufe gibt es jedoch bis heute keine Prädiktoren. Ebenso gibt es Verläufe, in denen die Gabe eines Hormonpräparates zu einer Häufung der Migräne führen kann. Auch hierfür gibt es keine Prädiktoren. Nach manchen Studien ist dieser letztere Verlauf statistisch sogar häufiger. Problematisch ist die Gabe eines Hormonpräparates bei Frauen mit Migräne auch, weil mehrere Fall-Kontroll-Studien inzwischen überzeugend zeigen konnten, dass die Migräne einen Risikofaktor für einen ischämischen Insult im Alter von unter 45 Jahren darstellt. Zwar ist noch nicht abschließend geklärt, ob die Migräne einen unabhängigen oder einen von anderen Faktoren abhängigen Risikofaktor darstellt, es ist jedoch beobachtet worden, dass das gleichzeitige Vorliegen einer Migräne und die Einnahme eines Hormonpräparates das Risiko für einen ischämischen Insult potenziert. Zusammenfassend gibt es keine gesicherte Evidenz dafür, dass die Gabe von Hormonen bei Migräne therapeutisch sinnvoll ist (mit Ausnahme des 100 mg Östradiol Pflasters). Frauen mit Migräne unter 45 Jahren sollte wegen des dadurch potenzierten Insultrisikos von der Einnahme von Hormonpräparaten abgeraten werden.
S39 „Pro und Contra“ – Analgetikaabhängigkeit in der Schmerztherapie S39.1 Opioidrezeptoren: Molekulare Grundlagen V. Höllt, T. Koch, J. Kraus, P. Mayer, S. Schulz Institut für Pharmakologie und Toxikologie, Otto-von-Guericke-Universität, Magdeburg Bislang wurden drei Opioidrezeptor-Subtypen (µ, δ, κ) in ihrer Struktur aufgeklärt. Es handelt sich bei diesen Rezeptoren um G-Protein-gekoppelte Proteine mit sieben membranständigen Domänen. Die drei RezeptorSubtypen sind in ihrer Aminosequenz sehr ähnlich (Homologie über 60%). Gößere Unterschiede finden sich in der zweiten extrazellulären Schleife, die eine wichtige Rolle bei der Bindung von subtyp-spezifischen Liganden spielt. Durch Heterodimerisierung von einzelnen Rezeptoruntertypen können Opioidrezeptoren mit veränderten Bindungseigenschaften generiert werden. Dies weist auf den hohen Diversifikationsgrad
des Opioidrezeptorsystems hin. Aufgrund einer hohen Homologie (ebenfalls ca. 60%) wird auch ein weiterer Rezeptor (ORL-1) zur Familie der Opioidrezeptoren gerechnet, obwohl er keine Opioide bindet. Für den ORL-1 wurde Nociceptin (oder Orphanin FQ) als endogener Ligand identifiziert. Dieses Peptid unterscheidet sich vom Wirkungsprofil von Opioiden und führt in bestimmten Schmerztests sogar zur Hyperalgesie. Für die schmerzhemmende Wirkung von Opioiden ist vor allem der µ-Opioidrezeptor-Subtyp (MOP) verantwortlich. Vom MOP gibt es verschiedene alternativ gespleisste Isoformen (MOP-A, -B, C, D etc), die sich in der Aminosequenz des C-Terminus unterscheiden. Über die Funktion und Verteilung dieser Isoformen ist bislang wenig bekannt; jedoch scheinen sie weniger die Bindung als die Toleranzbildung (Desensitisierung) gegenüber Opioidliganden zu beinflussen. Daneben wurden auch Polymorphismen im MOP-Gen entdeckt. Eine Rezeptorvariante, bei der die Aminosäure Asparagin in Aspartat in Position 40 ausgetauscht ist, kommt bei 10–16% der Normalbevölkerung vor. Sie führt zu veränderten Bindungseigenschaften und scheint auch das Verhalten von Patienten gegenüber Opioiden zu beeinflussen. Als seltener Polymorphismus (Häufigkeit weniger als 1%) kommt eine Austausch der Aminosäure Serin (in Position 268) in Prolin vor. Diese allelische Variante besitzt eine stark herabgesetzte G-Proteinkopplung und eine verminderte Toleranzbildung. Ein Polymorphismus im Promoterbereich des MOP-Gens beeinflusst die Bindung des STAT-6 Faktors und vermindert die Transskription des MOP-Gens gegenüber Zytokinen. Chronische Gabe von Agonisten führt zur Toleranz des MOP. Dabei kommt es zu einer Phosphorylierung des Rezeptors im Bereich der dritten intrazellulären Schleife und am C-Terminus, die zu einer Entkopplung des Rezeptors von den G-Proteinen führt. Bei der Toleranzbildung spielt auch die Internalisierung und Rezyklisierung der Rezeptoren eine wesentliche Rolle. Dabei kommt es zur Dephosphorylierung und zur Resensitisierung der Rezeptoren.
S40 Chronic Back Pain (IASP Tschechien) S40.2 Possible algorithm of invasive techniques by Low Back Pain /LBP/ J. Kozák Multidisciplinary Pain Centre, Faculty Hospital Motol Praha, Czech Republic Introduction: Even if invasive techniques in algesiology are based on regional anaesthesia, they differ from them in many important aspects. In practice lower concentration of local anaesthetics is used in order to obtain sensitive and/or vegetative nerve blocks. Full motor blockade is not desirable and should be avoided with proper techniques. Introduction of continuous catheters with subcutaneous tunnel is a common technique in the treatment of non-cancer pain, too. Unfortunately, these efficient methods are often underused by careproviders, even in case of in-patients management. The other extreme is non-critical use of these methods with underestimation of pharmacological treatment of pain syndromes. Methods: We present our algorithm of invasive techniques for the treatment of non-cancer LBP, mainly Failed Back Surgery Syndrome. For outpatients we start with 3 to up 5 epidural or caudal blocks. Between blocks is the interval of one week.After the procedure the patient has to be followed at least for three hours, to be sure that any undesirable effects (motor block, postural hypotension…) have not developed. When the neuroaxial blocks effectively suppress pain but duration of analgesia is short lasting, it is useful to receive the patient to the hospital, Pain Centre. In this setting under close supervision we can apply more aggressive approaches (continuous epidural analgesia, repeated caudal blocks or combined techniques with nerve blocks). The other step for the therapy is neuromodulation. Results: By 65% of patients last the pain relief and reduction of analgesics consumption for 2 - 6 month, 30% of inpatients report improvement lasting for 3 - 5 weeks. In only 5% of patients we are not able to achieve any measurable pain suppression despite all therapeutic efforts. Conclusion: Many authors for its only short lasting efficacy doubt importance of neuroaxial and peripheral blocks in the treatment of nonmalignant pain.We can demonstrate in our experience that even this temporary relief is of value for significant proportion of chronic pain suffers. This complex approach allows substantial drug reduction (drug holiday) and increases the quality of life. Undesirable effects and complication are rare with rigorous adherence to proper methodology, even of more invasive techniques.
S40.4 Psychology in low back pain patients J. Raudenska Pain Management Unit and Institute for Postgraduate Medical Education, University Hospital Bulovka, Budinova 2, 18081, Prague 8, Czech Republic,
[email protected] Background: Since the 1930’s or 1940’s pain was explained as defense against psychic conflict and psychoanalytic approaches were used in treatment. Development in physiological psychology led to an improved understanding of the pain system. Gate theory was the first theoretical model to offer an explanation for variability in response.A diverse array of cognitive, behavioral, emotional and environmental factors have been identified as key components in this complex modulation system. Since the 1970's behavioral theorists have offended an analysis of pain behavior, either in terms of a „respondent“ to a painful stimulus, or as „operant“ maintained by reinforces such as financial compensation, the avoidance of unpleasant activities, or increase in attention. Since the 1980’s there has been increasing emphasis on cognitive factors and theorists have studied the influence of beliefs and coping strategies on pain and pain behavior. Factors such as attributions, expectations, self-efficacy, perception of pain control, coping and imagery have all been investigated. Recent psychological assessment and psychotherapy: Psychological assessment has expanded considerably from the assessment of personality structure and detection of psychopathology to much wider psychosocial perspectives, including consideration of influences on symptoms presentation and response to treatment. Psychotherapy has moved from individual therapy to include also group treatment and interdisciplinary cognitive-behavioral pain programs. Can psychology add something to the treatment of low back pain? Cognitive-behavioral pain programs can improve quality of life, decrease depression, anxiety, the pain's interference in activities, increase feeling of being in control, increase general activity level, develop pain management skills. In order to investigate the effects of psychotherapy in low back pain patients major topics and questions was considered from literature. 1. Keefe F. Cognitive-Behavioral Approaches to Assessing Pain and Pain Behavior. In: Campbell J. (Ed), Pain 1996 - an updated review. Seattle, IASP Press 1996, 517-523. 2. Waddell G. The back pain revolution. London, Churchill Livingstone 1998. 3. Williams AC de C. Psychological Assessment of the Chronic Pain Patients: an Overview. Pain in Europe III., EFIC Nice 2000, 162. S40.5 Pathophysiology of low-back pain R. Rokyta Charles University, 3rd Faculty of Medicine, Department of Normal, Pathological and Clinical Physiology, Prague, Czech Republic Molecular, cellular and physiological aspects of pathogenesis of low-back pain will be discussed. Special attention will be paid to the personal experience with measurement of different physiological characteristics before and after the treatment of low-back pain. In general, the therapeutical issues of the pathophysiological aspects, will be treated. S40.6 The role of sulfhydryl groups in signal transduction of noxious stimuli in primary nociceptors L. Vyklicky Institute of Physiology, Academy of Sciences of Czech Republic, Prague Back pain represents a complex clinical syndrom. We can expect that among many others, the sensitivity of the common sensor for transducing signals of potentially damaging intensity plays an important role in this kind of pain. This receptor was termed VR1 and its molecular structure has been identified (1). The protein consists of 838 amino-acids that form 6 transmembrane domains with a pore forming loop between TM 5 and 6. VR1 represents a cationic channel incorporated in the plasma membrane of small and medium size mammalian DRG neurones. VR1 can be activated by capsaicin, noxious heat (over 43°C) and acids. A strong synergy between these agents exists. Recently, we reported that this receptor can exist in two inactive states that can be recognized according to the sensitivity to capsaicin at room temperature (2). Here we report that secondary structure of VR1 may account for these two states. Der Schmerz [Suppl 1]•2001
| S 29
Abstracts VR1 possesses at three critical positions (616, 621 and 634) cysteine residues that by forming disulfide bridges may determine its secondary structure and thus the sensitivity. We used whole cell patch clamp technique to study the effects of dithiothreitol (DTT), the recognized specific agent maintaining –SH groups in reduced state, on the membrane currents induced by capsaicin and noxious heat in cultured DRG neurones isolated from the rat or in rVR1 transfected HEK 293 cells. We found in DRG neurones (n=57) and in rVR1 transfected HEK cells (n=27) that DTT (2-60 mM) in a concentration dependent manner facilitates the membrane current induced by noxious heat (43-52 °C) (> twofold), dramatically increases capsaicin (1µM) induced responses (> five times) and converts the receptor from an inactive to an active state at room temperature. The effects are fully reversible. These results demonstrate that disulfide bonds between the cysteine residues in VR1 control the sensitivity of this receptor and suggest that sulfhydryl groups represent a target in searching for new drugs in the treatment of pain. 1. Caterina M.J., Schumacher M.A., Tominaga M., Rosen T.A., Levine J. D. and Julius D.: Nature 389: 816-824, 1997. 2. Vlachová V., Lyfenko A., Orkand R. and Vyklicky L.: J. Physiol. 533, 717-728, 2001.
S41 „Current Opinion“ – Neuropathischer Schmerz Neuropathischer Schmerz W. Jänig1, C. Sommer2 1 Physiologisches Institut, Christian-Albrechts-Universität, Olshausenstr. 40, 24098 Kiel; 2Neurologische Universitätsklinik, Josef-Schneider-Str. 11, 97080 Würzburg A. Von dem physiologisch sinnvollen, der Vermeidung von Gewebsschädigung dienenden Akutschmerz unterscheiden wir in erster Annäherung zwei Kategorien von chronischen Schmerzen den: 1) Chronische Schmerzen nach Gewebetraumen (z.B. chronischen Entzündungen), bei denen die peripheren und zentralen neuronalen Strukturen von Nozizeption und Schmerz intakt sind. Man bezeichnet diese Schmerzen etwas ungenau als Nozizeptorschmerzen. Die Kodierung der noxischen Reize durch die peripheren nozizeptiven Neurone und die zentrale Verarbeitung dieser nozizeptiven Impulse sind bei Schmerzen dieser Kategorie verändert (periphere und zentrale Sensibilisierung). Die zentrale Sensibilisierung wird durch die Veränderungen der peripheren nozizeptiven Neurone induziert. Die zellulären und subzellulären Prozesse in den peripheren und zentralen Neuronen, die den chronischen „Nozizeptorschmerzen“ zugrunde liegen, sind nach unseren derzeitigen wissenschaftlichen Erkenntnissen vermutlich auch bei längerer Dauer der Schmerzen prinzipiell reversibel. 2)Schmerzen, die nach Schädigungen nozizeptiver Systeme entstehen. Schmerzen dieser Kategorie werden als neuropathische Schmerzen bezeichnet. Hierzu gehören Schmerzen, die nach mechanischen Verletzungen, bei metabolischen (z.B. Diabetes mellitus) und viralen (z.B. postherpetische Neuralgie) peripheren Neuropathien und nach zentralen Läsionen auftreten können. Als Folge der Verletzungen verändern sich die nozizeptiven und nicht-nozizeptiven Neurone biochemisch, morphologisch und physiologisch. Zentral verändern sich die Repräsentationen der nozizeptiven und nicht-nozizeptiven somatosensorischen Systeme und die dortige Verarbeitung der Impulsaktivitäten. Dieses hat zur Folge, dass Symptomatik und Verlauf neuropathischer Schmerzen und chronischer „Nozizeptorschmerzen“ verschieden sind. Die plastischen Veränderungen im peripheren und zentralen Nervensystem können unter Umständen (insbesondere bei inkompletter Regeneration) irreversibel sein. Klinische und experimentelle Daten zeigen, dass nicht nur die neuronalen Mechanismen, die den chronischen Nozizeptorschmerzen und den neuropathischen Schmerzen zugrunde liegen, verschieden sind, sondern dass es auch innerhalb der Gruppe der neuropathischen Schmerzen eine Vielzahl von Mechanismen gibt. Die bisherigen Behandlungsverfahren neuropathischer Schmerzen sind nur teilweise an den pathophysiologischen Mechanismen orientiert und sind oft nur mäßig erfolgreich. Ein aktuelles Forschungsziel ist, durch die Untersuchung der genauen Mechanismen verschiedener Subtypen neuropathischer Schmerzen gezieltere Angriffspunkte für die Behandlung zu finden. B. In diesem Symposium werden die neuesten Ideen und Ergebnisse der Forschung zu den Mechanismen neuropathischer Schmerzen diskutiert. Diese Diskussion soll von der klinischen Phänomenologie neuropathischer Schmerzen bis zur molekularen Pathophysiologie führen. Folgende Schwerpunkte sind in der Darstellung vorgesehen:
S 30 |
Der Schmerz [Suppl 1]•2001
1) Ursachen und Symptomatik neuropathischer Schmerzen: Klinische Charakterisierung, Klassifikation und Quantifizierung, Untersuchungsmethoden 2)Allgemeiner pathobiologischer Hintergrund neuropathischer Schmerzen; Darstellung der Konzepte. 3) Experimentelle Forschung an humanen Modellen und Tiermodellen; Darstellung der Limitationen und Interaktionen der verschiedenen Forschungsansätze; Darstellung der Integration und Interaktion verschiedener Forschungsmethoden (einschließlich des Einsatzes von transgenen [knock-out] Tieren) a) Die humanen Modelle b) Die Tierverhaltensmodelle c) Die reduzierten Tiermodelle in vivo (z.B. neurophysiologische Untersuchungen) d) Die reduzierten Tiermodelle in vitro (Untersuchung von Neuronen in situ [z.B. in isolierten Nerven, Spinalganglien, Rückenmark-Slicepräparaten usw.], Neuronen in Zellkulturen oder isolierten Neuronen) 4)Molekulare Mechanismen neuropathischer Schmerzen: Die Rolle von Transmittern und ihren Membranrezeptoren, Rolle von Ionenkanälen und Second-Messenger-Systemen, Rolle neurotropher Substanzen; genomische Veränderungen Ausblick: Darstellung der Interaktion verschiedener Forschungsansätze und ihrer Ausrichtung auf die klinische Anwendbarkeit und Praxis. Literatur Baron R, Jänig W. Neuropathische Schmerzen. In Zenz M, Jurna I (Hrsg) Lehrbuch der Schmerztherapie. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft m.b.H., Stuttgart, pp 65-87 (2001) Bennett GJ Neuropathic pain. In Wall PD, Melzack R (Hrsg) Textbook of Pain. 3. Aufl., Churchill Livingstone, pp 201-224 (1994) Hansson PT, Fields HL, Hill RG, Marchettini P (Hrsg) Neuropathic pain: pathophysiology and treatment. Progress in Pain Research and Management Vol. 21. Seattle, IASP Press (2001) Harden RN, Baron R, Jänig W (Hrsg). Complex regional pain syndrome. Progress in Pain Research and Management. Vol. 22. Seattle, IASP Press (2001) McMahon SB, Bennett DLH. Trophic factors and pain. In Wall PD, Melzack, R (Hrsg) Textbook of Pain. 4. Aufl., Churchill Livingstone, pp 105-128 (1999) Quasthoff S, Sommer C. Pain mechanisms in Nerve injury. In Sommer C (Hrsg) Pain and Peripheral Nerve Disease. Basel, Karger. im Druck (2001). Woolf CJ, Bennett GJ, Doherty M, Dubner R, Kidd B, Koltzenburg M, Lipton R, Loeser JD, Payne R, Torebjörk E. Towards a mechanismbased classification of pain? Pain 77, 227-229 (1998)
S42 Schmerz und Komorbidität S42.3 Schmerz und Alter F. Nauck Zentrum für Palliativmedizin, Malteser Krankenhaus, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn Einleitung: Akute und – insbesondere – chronische Schmerzen zählen zu den Hauptproblemen älterer Menschen. Etwa 25% aller Menschen über 65 Jahre leiden unter ständig vorhandenen oder rezidivierenden Schmerzzuständen. Im Alter nehmen chronische Erkrankungen, wie degenerativen Gelenkerkrankungen, Osteoporose etc. zu. Diese sind bei vielen Patienten nicht nur mit Schmerzen, sondern auch mit Einbußen der körperlichen Funktionsfähigkeit, Verlust der Selbständigkeit bis hin zum Rückzug und sozialer Isolation verbunden. Obwohl 80% der älteren Menschen (>65 Jahre) unter mindestens einer chronischen Erkrankung leiden, existieren nur sehr wenige Publikationen zum „chronischen Schmerz“ im Alter. Eine Erklärung liegt sicherlich in der sehr inhomogenen Gruppe geriatrischer Patienten (Persönlichkeit, psychologische und sozioökonomische Charakteristik, medizinische Probleme) aber auch daran, dass häufig Patienten, die älter als 65 Jahre sind, von klinischen Studien ausgeschlossen werden. Besonderheiten in der Schmerztherapie: Die Erhebung der Schmerzursache und Schmerzstärke ist im Alter häufig erschwert. Schmerzäußerung und die Möglichkeit, Schmerzen zu beschreiben können bei geriatrischen Patienten durch Kommunikationsstörungen, Konfusion oder Demenz eingeschränkt sein. Untersuchungen zeigen, dass ältere Patienten ihre Schmerzen als notgedrungen mit dem Alter auftretend akzeptieren und besonders bei chronischen Schmerzen seltener als jüngere Patienten einen Arzt aufsuchen. Es wird unterstellt, dass im Alter die Schmerzsensi-
Abstracts bilität abnimmt. Studien, die diese Behauptung untermauern, fehlen. Dagegen spricht die Untersuchung von Loick, die zeigt, dass das Alter im Vergleich jüngerer mit älteren Tumorschmerzpatienten (>65 Jahre) keinen Einfluss auf die Höhe der Opioidosierung hat [1]. Eine medikamentöse Schmerztherapie nach den Grundsätzen der WHO, stellt – neben einer physiotherapeutischen Behandlung – die Grundlage einer erfolgversprechenden Therapie dar. Aufgrund des Nebenwirkungsspektrums der NichtOpioide und der fehlenden Organtoxizität der Opioide, sollten Opioide häufiger und frühzeitiger eingesetzt werden. Bei alten Menschen ist jedoch aufgrund der oft vorbestehenden Multimorbidität mit Einschränkung der geistigen Leistungsfähigkeit aber auch durch Polimedikation und Arzneimittelinteraktionen eine vorsichtige Dosistitration erforderlich. Bei einigen Schmerzsyndromen und problematischen Schmerzzuständen kann trotz Dosissteigerung der Opioide keine ausreichende Schmerzreduktion erreicht werden.Am häufigsten handelt es sich hierbei um neuropathische Schmerzen. Kommt es trotz zusätzlicher Gabe von Adjuvanzien wie z.B. trizyklischen Antidepressiva nicht zu einer ausreichenden Schmerzlinderung oder zu anhaltenden Nebenwirkungen, so kann ein Opioidwechsel z.B. aufgrund von Vigilanzstörungen erforderlich werden. Schlussfolgerungen: Bis zum heutigen Tag besteht nicht nur in der Schmerztherapie sondern auch in der Behandlung anderer belastender Symptome bei alten Menschen ein Defizit. Es ist dringend erforderlich, dass schmerztherapeutische und palliativmedizinische Konzepte für diese Patientengruppen erarbeitet werden, um neben Schmerzlinderung die größtmögliche Selbständigkeit der Patienten zu erhalten oder wiederherzustellen. Literatur: 1. Loick G.; Radbruch L., Sabatowski R., Siessegger M., Grond S., Lehmann K.A. Morphindosis und Nebenwirkungen – Ein Vergleich älterer mit jüngeren Tumorschmerzpatienten, Dtsch. Med. Wochenschr. 2000 125(41):1216-21
S43 Ausblick: Innovative Therapieansätze S43.2 Repetitive kortikale Magnetstimulation: Beeinflussung der kortikalen Plastizität? E. Lang Neurologische Klinik der Universität Erlangen, Schwabachanlage 6, 91054 Erlangen Durch Stimulation des motorischen Kortex über epidural implantierte Reizelektroden konnten die Schmerzen von Patienten mit zentralen Schmerzsyndromen nach einem Schlaganfall gebessert werden (Tsubokawa et al. 1993). Als Wirkungsmechanismus wird die Erregung kortikofugaler Fasersysteme mit Beeinflussung des somatosensiblen Kortex und tieferer Hirnregionen, die an der Schmerzverarbeitung beteiligt sind, diskutiert. Analoge Effekte sind durch die repetitive transkranielle Magnetstimulation (rTMS) des motorischen Kortex zu erwarten. Diese könnte unter anderem auch zu einer Veränderung der kortikalen Reizverarbeitung von taktilen Hautreizen, wie bei Phantomschmerzen und chronischen Rückenschmerzen gezeigt, führen. Die Beeinflussung der Schmerzverarbeitung von der rostralsten Seite des Nervensystems durch rTMS könnte ein neuer Ansatz für die Behandlung chronischer Schmerzen darstellen. Hierzu liegen noch keine Studien vor. Wir sammelten die ersten Erfahrungen zur Wirksamkeit von rTMS des motorischen Handareals bei 4 Patienten mit Halbseitenschmerzen nach einem apoplektischem Insult, die gegen konventionelle Therapieverfahren resistent waren. Patient 1 gab unmittelbar nach den rTMS-Behandlungen ein Wärmegefühl und Schmerzfreiheit für ca. 4 Stunden unterhalb des kontralateralen Knies an. Die somatosensorisch evozierten Felder (SEF) nach pneumatischer Stimulation der Mechanorezeptoren beider Fingerbeeren wurde mit einem 37-Kanal Magnetenzephalographen (Magnes II, BTI) vor und nach der rTMS-Behandlung gemessen. Der Dipol der frühen SEF-Komponente war 60 Minuten nach rTMS in der stimulierten Hemisphäre um ca. 15 mm verschoben, in der kontralateralen Hemisphäre unverändert. Patient 2 berichtete keine unmittelbaren Stimulationseffekte, gab jedoch ab dem fünften Stimulationstag (NRS: 9) eine kontinuierliche und bis zum zehnten Stimulationstag (NRS: 6) anhaltende Schmerzreduktion in der ganzen betroffenen Körperhälfte an. Die Patienten 3 und 4 berichteten keine Veränderung ihrer Schmerzen. Patient 3 gab jedoch für ca. vier Stunden nach der rTMS-Behandlung eine bessere Beweglichkeit der betroffenen Körperhälfte an. Bei den Patienten 2, 3 und 4 änderte sich die kortikale Quelle der SEF durch rTMS in beiden Hemisphären nicht. In diesen ersten Untersuchungen erbrachte die rTMS bei Patienten mit bisher therapieresistenten zentralen Schmerzen nach apoplektischem In-
S 32 |
Der Schmerz [Suppl 1]•2001
sult nur geringe und kurzzeitige klinische Effekte hinsichtlich der Schmerzlinderung. Bei einem Patienten fand sich während der Phase der Schmerzlinderung eine Verschiebung der kortikalen somatosensiblen Reizverarbeitung. Zur Bewertung der rTMS bezüglich schmerztherapeutischer Effekte sind weitere Untersuchungen erforderlich. Diese sollten auch die Behandlung anderer chronischer Schmerzsyndrome einbeziehen. S43.3 Schmerzkontrolle durch Gentherapie? N. Sitte Klinik für Anaesthesiologie und operative Intensivmedizin, Freie Universität Berlin, Klinikum Benjamin Franklin Unter Gentherapie ist im allgemeinen die Einschleusung und Expression eines oder mehrerer Fremdgene in den Organismus mit einem therapeutischen Nutzen für das Individium zu verstehen. Die somatische Gentherapie hat zum Ziel, Krankheitssymptome vererbter und erworbener Genkrankheiten durch das Einbringen von gesunden Erbanlagen in bestimmte Zielzellen des Körpers zu behandeln. Die erste erfolgreiche Gentherapie wurde 1990 an einem Kind vorgenommen, das aufgrund eines Erbdefektes an einer angeborenen Immunschwäche litt. Den Leukozyten dieses Kindes fehlte ein Entgiftungsenzym, die Adenosin-Desaminase (ADA), was mit einer Leukopenie und erhöhter Infektanfälligkeit einherging. In die Leukozyten wurde ein gesundes ADA-Gen eingeschleust. Anschließend wurden dem Kind die gentechnisch veränderten Zellen durch Infusion wieder zurückgegeben. War vor der Behandlung für die Patientin noch jede Erkältungskrankheit lebensbedrohlich, so ist sie nun gegenüber Infektionen gefeit und kann ein normales Leben führen. Zu den bisher in der Literatur diskutierten Möglichkeiten der genetisch vermittelten Schmerzbekämpfung zählen die Überexpressions- und die Knockout-Strategie. Ziel der Überexpressionsstrategie ist z. B. die Überproduktion von analgetisch wirksamen Mediatoren wie Acetylcholin, Cannabinoiden, Opioiden und Serotonin-Rezeptoren. Im Gegensatz dazu ist das Ziel der Knockout-Strategie die vollständige Aufhebung der Synthese schmerzrelevanter Moleküle. Als Beispiel seien Substanz P-Rezeptor-Knock-out-Mäuse genannt, bei denen durch das Fehlen entsprechender Rezeptoren die vermehrte Schmerzhaftigkeit im Rahmen einer Gewebeverletzung aufgehoben werden konnte. Diese überwiegend experimentellen Untersuchungen tragen zum besseren Verständnis von Schmerzprozessen bei. Erste vielversprechende therapeutische Ergebnisse gibt es bei der Überexpression der potentiell analgetisch wirksamen Opioidpeptide. Opioidpeptide spielen bei der endogenen Schmerzkontrolle in Gehirn, Rückenmark und Peripherie eine entscheidende Rolle. Es konnten z. B. schmerzlindernde Effekte nach Gentransfer mittels Preproenkephalin-kodierenden Herpes-Viren in Mäusen nachgewiesen werden. In unseren eigenen Untersuchungen konnten wir zeigen, dass Opioidpeptide wie z. B. ß-Endorphin in Immunzellen exprimiert, sezerniert und analgetisch wirksam sind. Durch das Einbringen eines für Endorphin kodierenden Gens in entzündetes, schmerzhaftes Gewebe soll eine erhöhte Endorphinexpression erreicht werden, die eventuell in einer verbesserten peripheren Schmerzkontrolle resultiert. Erste präliminäre Ergbnisse werden diskutiert. S43.4 Neuste Aspekte bei der Opioidtherapie – opioidinduzierte Hyperalgesie? W. Koppert Klinik gür Anästhesiologie, Universität Erlangen, Krankenhausstr. 12, 91054 Erlangen Im Gegensatz zu tierexperimentellen Untersuchungen konnten am Menschen noch keine eindeutigen präemptiven analgetischen Effekte für Opioide nachgewiesen werden. Vielmehr mehren sich Beobachtungen, dass die intravenöse Gabe von Opioiden unter bestimmten Voraussetzungen sogar ein gesteigertes Schmerzempfinden (Hyperalgesie) resultieren kann (1,2). Diese Beobachtungen ließen J. Eisenach in einem Editorial in Anesthesiology die Vermutung äußern: „Preemptive Hyperalgesia, not Analgesia?“ (3) Generell können nach der gegenwärtigen Studienlage zwei grundsätzlich unterschiedliche opioidbedingte Hyperalgesien unterschieden werden: Frühe Hyperalgesien unmittelbar nach Beendigung der Opioidzufuhr, und späte Hyperalgesien, welche in einem Zeitraum von Tagen nach Absetzen der Opioide auftreten. Die späten Hyperalgesien sind sensibel gegen NMDA-Antagonisten, konnten aber eindeutig bisher nur im Tierexperiment gezeigt werden. Jedoch lassen langdauernde an-
tihyperalgetische Wirkungen von perioperativ verabreichtem, niedrigdosierten Ketamin ähnliche Wirkmechanismen auch am Menschen vermuten (4). Frühe Hyperalgesien insbesondere nach Gabe kurzwirksamer Opioide konnten dagegen auch am Menschen nachgewiesen werden (5,6). So muss nach Absetzen einer Remifentanil-Infusion mit einer deutlich gesteigerten Schmerzempfindung gerechnet werden, welche sich durch die präemptive Gabe von Clonidin, nicht aber durch NMDA-Antagonisten modifizieren lässt. Untersuchungen deuten darauf hin, dass diese Hyperalgesie auf einer vorübergehenden Inaktivierung des endogenen Opioidsystems beruht. Als Ursache werden Internalisierungen mit Entkopplung des Rezeptors von G-Proteinen auf zellulärer Ebene diskutiert, aber auch ein akuter Entzug kann nicht ausgeschlossen werden (7). Unter Berücksichtigung der experimentellen Befunde ergeben sich so Ansätze für ein integratives Analgesiekonzept, bei dem Opioide mit unterschiedlichen Co-Analgetika kombiniert werden, um klinisch relevanten Hyperalgesien vorzubeugen. 1. Celerier E, et al. Long-lasting hyperalgesia induced by fentanyl in rats. Anesthesiology 2000; 92: 465-72 2. Guignard B, et al. Acute opioid tolerance. Anesthesiology 2000; 93: 409–17 3. Eisenach JC. Preemptive hyperalgesia, not analgesia? Anesthesiology 2000; 92: 308-9 4. Schmid RL, et al. Use and efficacy of low-dose ketamine in the management of acute postoperative pain: Pain 1999; 82: 111-21 5. Koppert W, et al. A new model of electrically evoked pain and hyperalgesia in human skin. Anesthesiology (in press) 6. Koppert W, et al. Remifentanil-induced hyperalgesia in a new model of electrically evoked pain and hyperalgesia in human skin. Anesthesiology (in press) 7. Borgland SL. Acute opioid receptor desensitisation and tolerance: is there a link? Clin Exp Pharmacol P 2001; 28: 147–54
S44 „Pro und Contra“ – Evidence based Medicine in der Organisation der Schmerztherapie – Konzeption, Ergebnisse und Kosteneffektivität verschiedener Organisationsstrukturen
S44.2 Schmerztherapie in der interdisziplinären Schmerzambulanz M. Pfingsten Schwerpunkt Algesiologie, Georg-August-Universität Göttingen In der Schmerzbehandlung lassen sich verschiedene Organisationsformen unterscheiden. Schmerzambulanzen, die üblicherweise an größeren Krankenhäusern bzw. Universitätskliniken lokalisiert sind, stellen eine der häufigsten schmerzbehandelnden Einrichtungen in Deutschland dar. Unabhängig von der Organisationsform sollte die Ausrichtung der Schmerzbehandlung interdisziplinär angelegt sein, d.h., dass eine integrierte und koordinative Anwendung fachspezifischer Fähigkeiten und Erfahrungen stattfindet. Dieses fachübergreifende Miteinander grenzt sich deutlich ab von „multidisziplinärer“ Konsiliartätigkeit oder gar „Auftragsarbeiten“. Für das Basisteam einer Schmerzambulanz sind idealerweise 2 Ärzte unterschiedlicher Fachdisziplinen, 1 Psychologe, 1 Krankengymnastin, 1–2 Pflegekräfte sowie ggf. ein Sporttherapeut anzunehmen; idealerweise gehört auch sozialrechtliche Kompetenz (z.B. Sozialarbeiter) in das therapeutische Team (zusätzlich Arzthelferin und Sekretärin). Das therapeutische Team sollte sich in den Grundlagen durch eine fachübergreifende Kompetenz und eine unbedingte Kooperationsbereitschaft auszeichnen. Zu Merkmalen der Prozessqualität gehört dabei auch ein ausreichender Zeitaufwand sowohl für diagnostische/therapeutische Interventionen als auch für die gemeinsame, regelmäßig stattfindende Kommunikation (z.B. morgendliche Teamsitzung). Die Vorteile der ambulanten Schmerztherapie liegen in der Möglichkeit der wohnortnahen Betreuung und in der Möglichkeit, individuelle Umgebungsfaktoren auf Seiten der Patienten (psychosoziale Randbedingungen) unmittelbar in die Behandlung einbeziehen zu können. Eine ambulante Betreuung in der Wohnumgebung des Patienten bietet über das vorhandene (!) Netzwerk von lokalen Unterstützungsmöglichkeiten auch eine bessere Nutzung zusätzlicher Ressourcen. Dadurch wird über die Behandlungszeit hinaus ein besserer Transfer der erreichten Veränderungen in den Alltag der Patienten erreicht. Die ambulante Betreuung hat selbstverständlich auch Nachteile z.B. die durch diese Organisationsform auferlegten Grenzen in den therapeutischen Möglichkeiten (z.B. bei interventionellen Eingriffen, schwieriger medikamentöser Einstellung oder für den Medikamentenentzug).
S44.1 Schmerztherapie in der Schmerzpraxis
S44.3 Schmerztherapie in der Tagesklinik
A. Delbrück-Schneider, Celle
F.-J. Tentrup Abteilung für Palliativmedizin und Schmerztherapie, Mutterhaus der Borromäerinnen, Trier
Schmerztherapie als vom Ansatz her interdisziplinäre Aufgabe kann nur effektiv und kostengünstig geleistet werden, wenn sowohl horizontal auf der Ebene der Zusammenarbeit verschiedener Fachdisziplinen als auch vertikal im Rahmen eines Stufenmodells der schmerztherapeutischen Versorgung eng vernetzt gearbeitet wird. Die dazu erforderlichen Organisationsstrukturen für eine schmerztherapeutische Praxis werden dargestellt. Ausgehend vom Modell der Integration der einzelnen Ebenen schmerztherapeutischer Versorgung kann die Frage nicht lauten „Ambulante oder stationäre Schmerztherapie“ sondern es gilt, die im Einzelfall optimale Therapieebene zu finden, wobei Betroffene durchaus mehrere Ebenen durchlaufen können. Bei der Erstellung von Kosten-Nutzen-Analysen schmerztherapeutischer Behandlungsverfahren darf nicht außer Acht gelassen werden, dass Langzeiteffektivität und kurzfristige Kosteneinsparung nicht immer parallel zu erhalten sind. Wegen der Vielfalt der zu berücksichtigenden Faktoren gibt es nur wenige gut dokumentierte und praxisrelevante Analysen dieser Art. Stärken der Organisationsform „Schmerzpraxis“ sind die wohnortnahe und ggf. auch langfristige Betreuung chronisch Schmerzkranker, die Einbindung in die lokale Versorgungs-Struktur mit der Möglichkeit der engen Kooperation mit Haus- und FachärztInnen sowie PsychologInnen und PhysiotherapeutInnen vor Ort und schließlich die ambulante und damit kostengünstige Durchführung auch invasiver schmerztherapeutischer Maßnahmen. Allerdings können diese Stärken nur unter geeigneten gesundheitspolitischen Rahmenbedingungen zum Tragen kommen, da niedergelassene SchmerzärztInnen als KassenärztInnen den entsprechenden Zwängen unterworfen sind.
Die Tagesklinik ist für chronische Schmerzpatienten insofern ein spezifisches Angebot, als sie Behandlungsinhalte und -bedingungen zusammenführt, die in dieser Kombination weder in der Schmerzambulanz noch in der vollstationären Schmerzklinik gegeben sind. Sie ermöglicht eine multimodale Schmerztherapie durch ein interdisziplinäres Team, bietet zeitliche Flexibilität über berufsbegleitende Intervallprogramme, belässt durch Wohnortnähe die Patienten in ihrem beruflichen und privaten Umfeld und hilft auf diese Weise, Therapieelemente in den Alltag zu übertragen. Die verfügbare Behandlungszeit erlaubt eine hohe Therapieintensität und eine kontinuierliche Verlaufskontrolle. Das Gruppensetting ermöglicht den Erfahrungsaustausch der Patienten untereinander und bietet einen geschützten Raum, die soziale Reintegration der krankheitsbedingt oftmals isolierten Schmerzpatienten einzuüben. Nach Behandlungsabschluss besteht die Möglichkeit des weiteren Kontakts der Patienten zu einzelnen Therapeuten. Die Tatsache, dass die Tagesklinik sich „vor Ort“ befindet, erleichtert die Verbindung zu den weiterbehandelnden Haus- oder Fachärzten. Nach der Erörterung dieser eher grundsätzlichen Aspekte wird am Beispiel eines in Trier seit 4 Jahren durchgeführten tagesklinischen Intervallprogramms zur Behandlung von Kopfschmerzpatienten der Tagesklinikbetrieb unter den Gesichtspunkten Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität sowie der Kosten-Nutzen-Relation konkret diskutiert. S44.4 Schmerztherapie in der vollstationären Schmerzklinik H. Göbel Neurologisch-verhaltensmedizinische Schmerzklinik Kiel e-mail:
[email protected] Zur Bewertung der klinischen und ökonomischen Effektivität von klinischen Behandlungsprogrammen im Rahmen der speziellen Schmerztherapie wurden in den vergangenen Jahren zahlreiche Studien vorgelegt. Neben Der Schmerz [Suppl 1]•2001
| S 33
Abstracts der Erfassung der klinischen Erfolge der Behandlungsprogramme zielten eine Reihe von Studien auch darauf, die Kosteneffektivität von Einrichtungen zur speziellen Schmerztherapie zu evaluieren. Eine neue Disziplin steht dabei immer im Mitbewerb mit den bereits vorhandenen Disziplinen. Daher liegt Kritik an der Entwicklung von Konzeptionen auf der Hand, die darauf zielen, effektivere Ergebnisse zu realisieren als bereits vorhandene Einrichtungen. Studien belegen jedoch, dass Einrichtungen für spezielle Schmerztherapie eine große klinische Effektivität erzielen können. Gleichzeitig wird auch ein bedeutsames Kosteneinsparpotential durch spezialisierte Behandlung in Schmerzkliniken eröffnet. Dieses Potential zeigt sich an verschiedenen Bewertungsparametern wie insbesondere Arbeitsfähigkeit, Medikamentenverbrauch, Inanspruchnahme von Einrichtungen des Gesundheitssystems, Berentung und direkte und indirekte Kosten. Dagegen zeigen Patienten mit chronischen Schmerzen, die im Rahmen konventioneller Behandlungsstrukturen behandelt werden, entweder einen Status quo oder sogar eine Verschlechterung ihres Zustandes. Bei der Analyse der Kostenökonomie muss auch berücksichtigt werden, dass für die meisten konventionellen Therapieverfahren nur in seltenen Ausnahmefällen ökonomische Studien durchgeführt worden sind. Ebenfalls ist zu berücksichtigen, dass vollstationäre Schmerzkliniken in der Regel erst dann in Anspruch genommen werden, wenn konventionelle Möglichkeiten ausgeschöpft sind. Die Nutzung der speziellen Schmerztherapie quasi als „letzte Wiese“ der Versorgung muss überdacht werden. Eine frühere Inanspruchnahme von Einrichtungen zur speziellen Schmerztherapie könnte dazu führen,dass die klinischen und ökonomischen Ergebnisse noch besser sind, als es sich bereits in den aktuellen Studien darstellt.
S45 Organisationsformen eines ASD S45.2 Aufgaben des Pflegepersonals in einem Akutschmerzdienst D. Märkert, C. Geiss, S. Rauh, I. Pahl, N. Griessinger, R. Sittl Klinik für Anästhesiologie der FAU- Erlangen Nürnberg, Schmerzambulanz, Krankenhausstr. 12, 91054 Erlangen Der Akutschmerzdienst (ASD) der Klinik für Anästhesiologie in Erlangen wurde im Jahre 1990 aufgebaut.Von Anfang an waren Pflegekräfte ein wesentlicher Bestandteil des ASD. Das Aufgabengebiet der ASD-Pflegekräfte ist vielfältig. Sie unterstützen das ärztliche Team bei der Schmerzpumpentherapie, führen die transkutane elektrische Nervenstimulation (TENS) selbständig durch und halten Fortbildungen über Schmerztherapie für das Stationspflegepersonal. Die ASD-Pflegekräfte bereiten die patientenkontrollierte intravenöse und epidurale Analgesie mit Schmerzpumpen vor und überwachen sie. Nach Absprache mit dem Arzt des Akutschmerzdienstes werden die Pumpen programmiert und die entsprechende Spritzen- oder Beutelbefüllung vorgenommen. Zusammen mit dem Arzt erfolgt der Anschluss des PCASystems. Die kontinuierliche Überwachung und Dokumentation der festgelegten Überwachungsparameter erfolgt durch das Stationspflegepersonal. Neben der morgendlichen ärztlichen Visite führen die Pflegekräfte des ASD am Nachmittag eigenständige Pflegevisiten durch. Hierbei wird der PCA-Betrieb überprüft, Fragen des Stationspflegepersonals geklärt und notwendige Wechsel der Medikamentenreservoirs durchgeführt. Bei Patienten mit Periduralkathetern wird zusätzlich täglich die Einstichstelle und der Verband kontrolliert und gegebenenfalls gewechselt. Im Rahmen der Qualitätssicherung werden die Überwachungsprotokolle auf Vollständigkeit überprüft und evaluiert. Auch am Samstag besteht für die Pflegekräfte des klinischen Schmerzdienstes eine Rufbereitschaft, um in Zusammenarbeit mit den Ärzten die Pumpentherapien am Wochenende sicherzustellen. Die therapeutischen Aufgaben des ASD-Pflegepersonals liegen in der nichtmedikamentösen Schmerztherapie. Zum Beispiel ist der Schmerzpflegedienst für die Durchführung, Überwachung und Dokumentation der TENS-Therapie im stationären Bereich verantwortlich. Die Mitarbeit und Assistenz bei invasiven Schmerztherapieverfahren (Periduralanalgesien, Nervenblockaden, IVR) gehört ebenfalls zu den Aufgaben des ASD-Pflegedienstes. Um die patientenkontrollierte Analgesie auf den Allgemeinpflegestationen durchführen zu können, muss zunächst das Stationspflegepersonal fortgebildet und geschult werden. Die Geräteeinweisungen (PCA, TENS) werden vom ASD-Pflegedienst durchgeführt und finden regelmäßig in den Räumen des ASD statt. Zusammen mit den Ärzten wird Unterricht in den Krankenpflegeschulen erteilt und als innerbetriebliche Fortbildung wird ein Schmerztherapietag angeboten, an dem interessierte Pflegekräfte aus dem gesamten Universitätsklinikum teilnehmen können. In Abständen wird der Wissensstand und das Interesse an Weiterbildungen unter dem Stationspflegepersonal durch Fragebögen erhoben.
S 34 |
Der Schmerz [Suppl 1]•2001
Das Pflegepersonal ist ein wichtiger Bestandteil eines Akutschmerzdienstes. Organisatorische Abläufe und Überwachungsaufgaben sowie nichtmedikamentöse Verfahren können selbständig wahrgenommen werden. S45.3 Organisation eines Qualitätsmanagement-Projektes in der postoperativen Schmerztherapie K. Ullrich Klinik für Anästhesiologie, Friedrich-Schiller-Universität Jena, 07740 Jena Die Qualität der postoperativen Schmerztherapie im klinischen Alltag scheint weit von einer optimalen Situation entfernt (1). Dies liegt offensichtlich nicht daran, dass die postoperative Schmerztherapie ein besonders komplexes medizinisches Problem darstellt – geeignete medizinische Verfahren und Techniken wurden vielfach beschrieben – , sondern dass ihrer Umsetzung eine Reihe vor allem organisatorischer Widerstände gegenüberstehen (2). Zielparameter und Qualitätsmerkmale der postoperativen Schmerztherapie sind in Deutschland – im Gegensatz zu einigen anderen Ländern – bisher kaum diskutiert worden (3). Methodik: Ein interdisziplinäres und interprofessionelles Team führte zunächts eine systematische Defizitanalyse und Patientenbefragung durch. Anschließend wurden Zielparameter und Lösungsmöglichkeiten festgelegt, die Veränderungen des medizinischen Procederes, aber vor allem organisatorische Aspekte (Verantwortungsklärung, Einführung von Standards, Einbeziehung des Pflegepersonals, Dokumentation) umfassten. Es konnte personalbedingt zwar kein kontinuierlicher ärztlicher „Akutschmerzdienst“, jedoch eine sogenannte „Schmerzschwester“ eingeführt werden. Daran schlossen sich die Umsetzung und ein Jahr später eine Analyse des erreichten Erfolgs und eine erneute Patientenbefragung an. Aufbauend auf diesen Erfahrungen wurde eine kontinuierlichen Kontrolle von Aspekten der Prozess- und Ergebnisqualität mit Feed-Back-Mechanismen initiiert. Ergebnisse und Schlussfolgerungen: Die prä-postinterventionelle Analyse zeigte nicht nur eine Veränderung der schmerztherapeutischen Prozeduren, sondern auch einen signifikanten Zuwachs an Patienten, die in den ersten 48 postoperativen Stunden keine oder nur leichte Schmerzen angaben. Ebenso erhöhte sich der Anteil der Patienten signifikant, die mit der postoperativen Schmerztherapie sowie mit ihrem Krankenhausaufenthalt sehr zufrieden waren. Insgesamt wurden seit Beginn der kontinuierlichen Qualitätskontrolle bis heute weit über 5000 Patienten befragt. Es zeigte sich, dass im Vergleich zur präinterventionellen Erhebung eine anhaltende Verbesserung sowohl der Prozess- als auch der Ergebnisqualität – wenn auch mit gewissen Schwankungen – gesichert werden konnte. Das vorgestellte Modell verursachte Mehrkosten von ca. 3.50 € pro behandeltem Patient. Durch die Einführung eines Konzeptes zur postoperativen Schmerztherapie konnte eine meßbare Verbesserung von Prozess- und Ergebnisparametern erreicht werden. Im Vordergrund der Interventionen standen dabei Organisationsstrukturen, während die Bedeutung der medizinischen Verfahren unserer Meinung nach häufig überschätzt wird.Wichtige Eckpunkte bei der Umsetzung solcher Konzepte sind a) die – möglichst kontinuierliche – Beteiligung aller relevanten Partner, insbesondere des Pflegepersonals b) klare Handlungsanweisungen c) nicht nur Delegation von Mehrarbeit, sondern auch von Handlungsspielraum d) Transparenz, kontinuierliches Feed-back von Erfolgen und Defiziten 1. Neugebauer E et al. Situation der perioperativen Schmerztherapie in Deutschland – Ergebnisse einer repräsentativen, anonymen Umfrage von 1000 chirurgischen Kliniken. Chirurg 1998;69:461-466 2. Rawal N, Berggren L. Organisation of acute pain services: a low cost model. Pain 1994;57:117-123 3. American Pain Society Quality of Care Committee. Quality improvement guidelines for the treatment of acute pain and cancer pain. JAMA 1995;274:1874-1880
S46 „Current Opinion“ Osteoporose – Von der Pathophysiologie zur Therapie – Neue Einsichten S46.2 Osteoporose-Diagnostik mit Ultraschall G. Armbrecht Zentrum für Muskel- und Knochenforschung, Abteilung für Radiologie, Universitätsklinikum Benjamin Franklin, Freie Universität Berlin Seit der Veröffentlichung von Langton et al. 1984 ist die Untersuchung des Knochens mittels Quantitativem Ultraschall Gegenstand intensiver Forschung. So wurden auch in den letzten beiden Jahren Artikel mit unterschiedlichen Aspekten zu diesem Thema publiziert. So untersuchten zum Beispiel Knapp et al. sowie Barkmann et al. ein neues Ultraschallgerät, das Omnisense (Sunlight), mit dem Messungen an verschiedenen Skelettregionen möglich sind. Im Gegensatz zu den meisten anderen Geräten wird hier nicht die Geschwindigkeit (SOS) der transversalen sondern der axialen Transmission der Schallwellen über einige Zentimeter parallel zur Kortikalis gemessen. Frost et al. verglichen Messungen des Calcaneus mittels Ultraschall und des proximalen Femurs und der LWS mittels DXA mit dem Vorliegen von klinischen Risikofaktoren für Osteoporose in einer Studienpopulation von 1115 Frauen. Ekman et al. verglichen die Frakturdiskriminierung bei Patienten mit bzw. ohne Schenkelhalsfraktur mittels DXA des proximalen Femur, Ultraschall des Calcaneus sowie der Finger und radiographic absorptiometry. Roux et al. befassten sich in ihrer Arbeit mit der diagnostischen Aussagekraft der reflektierten Ultraschallwellen (BUB) allein und in Kombination mit den Transmissionsparametern. Greenspan et al. untersuchten die klinische Performance des neuen QUS-2 am Calcaneus sowie dessen Ergebnisse im Vergleich zu DXA-Messungen am proximalen Femur und der LWS. Sahota et al. verglichen die longitudinalen Änderungen der Ergebnisse mittels Ultraschall des Calcaneus und DXA der LWS und des proximalen Femurs über vier Jahre im Rahmen einer Studie mit Hormonersatztherapie. Hier zeigte sich für eine festgesetzte Änderungsrate eine um das dreifach verlängerte Zeit für die Parameter des quantitativen Ultraschall im Vergleich zur DXA der LWS. In nahezu allen hier angegebenen Studien wurden TScores bzw. Z-Scores für die Ultraschallparameter in Bezug auf die von der WHO festgesetzten Werte für die Einteilung der Knochendichte mittels DXA ermittelt, hierbei kommen die Autoren auf sehr unterschiedliche Ergebnisse. Sowohl zwischen den neueren Veröffentlichungen als auch im Vergleich zu früheren Publikationen zeigen sich deutliche Diskrepanzen der Ergebnisse. Es wird eine Vielzahl verschiedener Parameter ermittelt bzw. berechnet, es existieren zwischen den Autoren Unterschiede in der Berechnung der häufig angewendeten standardised precision zum Vergleich unterschiedlicher Geräte. Noch immer fehlt es an einer Standardisierung der Anwendung, an allgemeingültigen Empfehlungen für die Interpretation der verschiedenen Parameter sowie den Einsatz des Quantitativen Ultraschalls in der Routine. Solange diese grundlegenden Punkte nicht geklärt sind, sollte eine Diagnostik der Osteoporose mittels Ultraschall in der klinischen Routine abgelehnt werden.
S46.3 Moderne Strategien der Osteoporosetherapie S. Valentine Klinikum Benjamin Franklin, Abt. für Muskel und Knochenforschung 80% der Osteoporose-assoziierten Frakturen betreffen Frauen in und nach der Menopause. 30% aller weltweit erfassten Hüftfrakturen treten bei Männern auf. Die Folgen der Erkrankung stellen eine enorme Belastung für die Betroffenen und für das Gesundheitssystem dar. Osteoporose ist mittlerweile von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) als das zweitgrößte Gesundheitsproblem anerkannt. Neben den nicht medikamentösen Therapiemaßnahmen stehen aktuell verschiedene Therapeutika zur Behandlung und Prophylaxe der Osteoporose zur Verfügung. Bei den derzeitig zur Therapie der postmenopausalen Osteoporose zugelassenen Medikamenten (Östrogenen, Bisphosphosphonate, selektive Östrogenrezeptormodulatoren und Calcitonin) handelt es sich um Antiresorptiva, die durch Inhibition der Osteoklasten den Knochenabbau hemmen. Bei den Bisphosphonaten kam in den letzten 2 Jahren zu dem bereits zur Therapie der postmenopausalen- und der steroidinduzierten Osteoporose erhältlichen Alendronat das Risedronat zur Zulassung. Bei diesen beiden Aminobisphosphonaten konnte eine deutliche Reduktion des vertebralen - und peripheren Frakturrisikos gezeigt werden. Eine Senkung des Frakturrisikos wurde ebenfalls durch die
Einnahme von 60 mg des selektiven Östrogenrezeptormodulators, Raloxifen erreicht. Sowohl für die Hormonersatztherapie und Analoga (z.B. Tibolon), als auch für Calcitonin wurden keine prospektiven Studien, die das Frakturrisiko untersuchten, durchgeführt. Neuere Therapien beinhalten osteoanabol wirksame Medikamente, die durch Stimulation der Osteoblasten eine Zunahme des Knochens bewirken. Bisher standen nur Fluoride für diesen Zweck zur Verfügung. Obwohl Fluoride möglicherweise das vertebrale Frakturrisiko zu senken vermögen, sollte der beobachtete Hüftfraktur-Anstieg zur Vorsicht bei der Verordnung dieses Pharmakons Anlass geben. Erste Ergebnisse über die Therapie mit dem osteogenen Fragment des Parathormons (PTH) 1-34 scheinen eine vielversprechende Therapiealternative darzustellen. Durch subkutane Injektion von 20- und 40 µg PTH 1-34 konnten Neer et al. bei 1093 postmenopausalen Frauen einen Knochendichteanstieg und eine Senkung des vertebralen und Hüftfrakturrisikos demonstrieren. Über die Wirkung der Statine auf die Frakturhäufigkeit wurden in der Vergangenheit uneinheitliche Ergebnisse publiziert. Vier große retrospektive Studien weisen darauf hin, dass die anabol wirksamen Statine die Knochendichte erhöhen und das Frakturrisiko senken konnten. In einer von Reid et al. publizierten nachträglichen Analyse der 9014 Patienten beinhaltenden LIPID (Lipid Intervention with Pravastatin in Ischaemic Disease) Studie konnte jedoch kein Unterschied in der Frakturhäufigkeit zwischen mit dem Statin Behandelten und der Kontrollgruppe beobachtet werden. Weitere, in der Entwicklung befindliche anabol wirksame Substanzen sind Wachstumshormon (GH) und der insulin-like growth Faktor I. Neue, noch in der Entwicklung befindliche Therapiekonzepte stellen Kombinationen von anabol mit antiresorptiv wirksamen Präparaten dar. Allen medikamentösen Therapiemaßnahmen ist gemein, dass eine zusätzlich adäquate Zufuhr von Kalzium und Vitamin D gewährleistet sein muss. S46.4 Östrogentherapie – Paradigmenwechsel M. Dören Freie Universität Berlin, Universitätsklinikum Benjamin Franklin, Klinisches Forschungszentrum Frauengesundheit Jede postmenopausale Hormonsubstitution bedarf einer Indikation und deren gelegentlicher Überprüfung; da heute auch im menschlichen Organismus nicht sezernierte Östrogene sowie synthetische Gestagene in der Hormonsubstitution eingesetzt werden, wäre wohl die Bezeichnung Hormontherapie korrekter. Eine individualisierte Östrogentherapie kann vasomotorische Symptome lindern, zu einer Verbesserung einer fakultativ als beeinträchtigt empfundenen Stimmungslage im Klimakterium beitragen, sowie ein wesentlicher Bestandteil der Prophylaxe urogenitaler Alterungsvorgänge sein. Die präventive Langzeitindikation Osteoporoseprophylaxe sollte bei zum Zeitpunkt der Menopause bestehenden erhöhtem Frakturrisiko in den Entscheidungsfindungsprozess miteinbezogen werden. Regelmäßige gynäkologische Krebsfrüherkennungsuntersuchungen in mindestens jährlichen Abständen wie bei Frauen ohne Hormonanwendung sollten durchgeführt werden. Durch regelmäßige klinische Überwachung können sowohl die Wirkung der gewählten Therapie überprüft als auch etwaige Nebenwirkungen und Risiken behoben werden. Heute werden oft 5–10 Jahre Hormonsubstitution zur Prophylaxe als Erfordernis postuliert, sehr wahrscheinlich sind sehr viel längere Zeiträume erforderlich, um eine Demineralisation zu vermeiden. Eine MetaAnalyse epidemiologischer Studien kommt zu dem Schluss, dass die Anwendung von Östrogenen das relative Risiko einer nicht-traumatisch bedingten Oberschenkelhalsfraktur um 25% senkt, verglichen mit Frauen, die nie Östrogene nach der Menopause angewendet haben. Leider fehlen derzeit kontrollierte Studien, die die Effizienz von Östrogenen zur tatsächlichen Senkung von Frakturen – Schenkelhals, Wirbelkörper – bei jüngeren und älteren Frauen nach der Menopause belegen. Diese Daten sind aus Frakturstudien mit anderen Antiresorptiva wie Bisphosphonaten – Alendronat, Risedronat – und dem selektiven Estrogen Rezeptor Modulator Raloxifen (nur Wirbelkörper) vorhanden. Über Maßnahmen der Lebensführung – Kalzium- und Vitamin-D-reiche Ernährung – und regelmäßige körperliche Betätigung sollten alle Frauen in der Postmenopause beraten werden. Eine chronische Anwendung von Östrogenen zur Osteoporoseprophylaxe sollte die derzeitige Evidenz sowie auch die derzeitige Nutzen-Risiko-Konstellation – erhöhte Inzidenz von östrogenabhängigen Malignomen bei mehr als 5jähriger Anwendung – berücksichtigen. Der Schmerz [Suppl 1]•2001
| S 35
Abstracts
Workshops WS1 Therapie beim komplex-regionalem Schmerz-Syndrom (CRPS) WS1.1 CRPS – Klinische Diagnose und Epidemiologie S. Förderreuther Neurologische Klinik und Poliklinik Klinikum Großhadern, Ludwig-Maximilians-Universität München Das CRPS entwickelt sich in Folge eine Verletzung oder Operation, selten auch nach einem banalen Trauma. Man unterscheidet zwischen CRPS Typ 1 ohne begleitende Nervenläsion und Typ 2 mit begleitender Nervenläsion (früher Kausalgie). Alle Altersgruppen können erkranken, auch Kinder. Der Altersschwerpunkt liegt zwischen 20 und 70 Jahren mit einem deutlichen Überwiegen der Frauen (➁:❹ etwa 3:1). Die obere Extremität ist häufiger betroffen als die untere (OE:UE etwa 2:1). Prospektive Untersuchungen ermittelten eine Inzidenz des CRPS nach Radiusfraktur zwischen 19 und 27%. CRPS-Patienten haben nach einer erneuten Verletzung ein erhöhtes Risiko wieder ein CRPS zu entwickeln. In einer Studie an 1183 CRPS-Patienten erkrankten im weiteren Verlauf 10% erneut, was statistisch einem jährlichen Erkrankungsrisiko von 1.8% entsprach. Eine genetische Disposition der Erkrankung wird diskutiert, konnte jedoch bislang nicht nachgewiesen werden. Auch konnte der oft geäußerte Verdacht einer psychopathologischen Prädisposition (Sudeck-Persönlichkeit) nicht wissenschaftlich untermauert werden. Klinisch sind in aller Regel vor allem die distalen Anteile einer Extremität betroffen. Patienten klagen typischerweise brennende und sehr intensive, in die Tiefe lokalisierte Ruheschmerzen, die bei Belastung zunehmen und bezüglich Dauer und Intensität in keinem Verhältnis zum vorangegegangenen Trauma stehen. Hinzu kommen Sensibilitätsstörungen, die sich keinem Nervenversorgungsgebiet zuordnen lassen, und eine Einschränkung der Motorik. Neben den Schmerzen sind die motorischen Symptome oft krankheitsbestimmend, weil sie zu einer erheblichen Funktionseinschränkung und Versteifung der betroffenen Gliedmaße einschließlich der angrenzenden Gelenke bis hin zum vollständigen Verlust der Funktion führen können. Veränderungen der autonomen Innervation mit Ausbildung eines Ödems, Änderungen von Temperatur, Durchblutung, Sudomotorik und Trophik kommen regelhaft hinzu. Es gibt keine apparative Untersuchung, die ein CRPS positiv nachweist. Basis der Diagnose sind die Anamnese und klinische Untersuchung, sowie der Ausschluss anderer Erkrankungen. Gemäß der Diagnose-Kriterien nach Brühl müssen neben dem Schmerz vom Patienten Symptome aus jeder den nachfolgenden vier Kategorien geschildert werden und es müssen im klinischen Befund mindestens je ein Symptom aus zwei Kategorien objektiviert werden: - Sensibilität (Anamnese: Hyperästhesie; Befund: Hyperalgesie/Allodynie) - Vasomotorik (Anamnese: Temperaturveränderungen und/oder Veränderungen/Asymmetrie der Hautfarbe; Befund: Temperaturdifferenz und/oder Asymmetrie/Veränderungen der Hautfarbe) - Sudomotorik/Ödem (Anamnese / Befund: Ödem und/oder Asymmetrie/Veränderung des Schwitzens) - Motorik/Trophik (Anamese / Befund: Bewegungsstörung und/oder motorische Dysfunktion [Schwäche, Tremor, Dystonie] und/oder trophische Veränderungen [Haut, Haare, Nägel]) Eine typischerweise strähnige und feinfleckige Osteoporose kann frühestens ca. 6 Wochen nach Beginn der Symptomatik röntgenologisch nachgewiesen werden, ist somit kein Frühzeichen, zudem klinisch unspezifisch (DD z.B. Inaktivität) und wird daher für die Diagnose nicht gefordert. Auch ist nicht ausschlaggebend, ob der Schmerz sympathisch vermittelt ist. Der Schmerz wird dann als sympathisch vermittelt (SMP: sympathetically maintained pain) klassifiziert, wenn er durch Sympathikusblockaden reproduzierbar gelindert werden kann, sonst spricht man vom SIP (sympathetically independent pain). Differentialdiagnostisch müssen andere neuropathische Schmerzsyndrome, chirurgisch nicht oder unzureichend behandelte Traumafolgen/-Komplikationen und erregerbedingte bzw. parainfektiöse Erkrankungen von Knochen, Gelenk und Weichteilgewebe durch geeignete Untersuchungen ausgeschlossen werden. Der Verlauf ist oft langwierig und chronisch, geprägt von Schmerzen und einer schweren Gebrauchseinschränkung der betroffenen Extremität.
S 36 |
Der Schmerz [Suppl 1]•2001
WS1.2 CRPS – Chirurgische Differentialdiagnostik und Therapie M. Schürmann Klinik für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie, Freie Universität Berlin, Universitätsklinikum Benjamin Franklin, Hindenburgdamm 30, 12200 Berlin Das CRPS stellt eine sehr häufige Komplikation nach Verletzung vor allem der oberen Extremität dar. In prospektiven Studien an Patienten mit distaler Radiusfraktur konnten Inzidenzen von 10–27% gesehen werden. Trotz des häufigen Auftretens wird das CRPS relativ selten diagnostiziert und als eigenständige Erkrankung therapiert. Ein wichtiger Grund hierfür ist der fließende Übergang zwischen normalen posttraumatischen Symptomen und CRPS I Symptomen. Ein postoperativ stark geschwollenes Gelenk mit Ruheschmerz und Funktionseinbuße kann in vielen Fällen allein durch das Trauma oder die Operation erklärt sein. Ab wann diese Symptome bereits als Ausdruck eines manifesten oder beginnende CRPS zu interpretieren sind, ist im Einzelfall schwierig zu beurteilen. Neben typischen posttraumatischen Beschwerdebildern sind jedoch auch andere posttraumatische Komplikationen als Differentialdiagnosen in Betracht zu ziehen. So können Weichteilinfektionen, Osteomyelitis und Frakturheilungsstörungen zu ähnlicher Symptomatik führen. Obwohl das CRPS eine rein klinische Definition besitzt und auch als klinischer Symptomkomplex verstanden werden sollte, werden etliche apparative Diagnostikmethoden angewendet, um eine frühe Diagnosestellung und gezielte Therapie zu ermöglichen. Eine prospektive Evaluation der diagnostischen Potenz von seitenvergleichenden Röntgenbildern, 3Phasen-Skelettszintigraphie, Thermographie und MRT erbrachte in einem Patientengut von Radiusfraktur-Patienten, welche für 4 Monate nach Trauma nachuntersucht wurden, eine brauchbare bis gute Spezifität der Methoden bei zum Teil sehr geringer Sensitivität (z.B. konv. Röntgenbilder: Sensitivität 36 %, Spezifität 96 %). Somit sind die meisten Untersuchungsverfahren als Screening-Tests unbrauchbar, helfen aber unter Umständen in klinisch unklaren Fällen, die Diagnose zu etablieren. Die geringe Sensitivität bedingt jedoch eine große Anzahl von falsch negativen Untersuchungsergebnissen, welche bei der Interpretation dieser diagnostischen Informationen berücksichtigt werden muss. Neben den seltenen Indikationen zu chirurgischen Sympathektomien oder SCS (= spinal cord stimulation) Sonden Implantation besteht die chirurgische Therapie des CRPS in erster Linie darin, sanierungsbedürftige und schmerzhafte Komplikationen zu behandeln, welche durch persistierenden nocizeptiven Input eine CRPS unterhalten oder prolongieren können. Dazu gehört neben der Sanierung von postoperativen Infekten der Ausgleich von posttraumatischen Fehlstellungen (v.a. bei Gelenkverletzungen), Nervenkompressionssyndromen, o.ä.. Die Indikationsstellung zur operativen Therapie dieser chirurgischen Probleme muss unbedingt interdisziplinär zusammen mit den behandelnden Schmerztherapeuten erfolgen, um perioperativ durch geeignete Maßnahmen (z.B. Plexuskatheter oder Periduralanaesthesie) eine optimale Analgesie zu gewährleisten. Nur damit kann wirkungsvoll eine Verschlechterung des CRPS Beschwerdebildes durch die Operation verhindert werden. WS1.3 CRPS – Physikalische Therapie A. Römer Klinik und Poliklinik für Physikalische Medizin und Rehabilitation der Universität München (Direktor: Prof. Dr. G. Stucki) Die Physikalische Medizin stellt eine wesentliche Säule in der Therapie des CRPS dar. Durch die physikalisch-medizinischen Interventionen werden sowohl die Funktions- und Strukturstörungen (Impairment) als auch die Störungen der Aktivität und der Partizipation behandelt. Dabei sind neben Schmerz, Sensibilität, Temperaturveränderungen, Ödem, trophischen Störungen und Gelenkfunktion auch insbesondere die Aktivitäten des täglichen Lebens (ADL) und die berufliche Situation die Ziele der therapeutischen Interventionen. Die therapeutischen Maßnahmen umfassen die Physiotherapie, die Ergotherapie, die Hydro- und Thermotherapie, die Massagetherapie, die Elektrotherapie sowie auch andere „fakultative“ Verfahren. (Akupunktur, Ultraschall, Magnetfeldtherapie etc.) Die multimodale Therapie richtet sich dabei nach der Symptomatik und dem vorliegenden Stadium. Die zum Teil fließenden Übergänge der Stadien erfordern eine ständige Überprüfung der Therapiemaßnahmen und der Dosierung. Oberstes Prinzip ist die schmerzfreie Therapie und das Vermeiden von Schmerzexazerbationen. Im Akutstadium sind die Therapieziele Analgesie, Ödemreduktion, Entstauung, Trophikverbesserung und
Förderung der physiologischen Propriozeption, gegebenenfalls unter Ausnutzung der konsensuellen Reaktion mit Behandlung der Gegenseite. Im postakuten Stadium ist das Ziel der Therapie die Funktion und die Trophik zu verbessern. Dies geschieht durch Bewegung unter Entlastung und durch Behandlung der trophischen Veränderungen. Im chronischen Stadium tritt dann die Verbesserung der Beweglichkeit und der Gebrauchsfunktion in den Vordergrund. Die Physikalische Therapie wird in vielen Publikationen als essentiell und als ein Eckpunkt der Therapie des CRPS bezeichnet. Die Therapiemaßnahmen sind meist empirisch und in verschiedenen Zentren unterschiedlich zusammengestellt. Für einzelne Therapiemaßnahmen liegen Studien vor, jedoch ist eine sichere Beurteilung der Wertigkeit der verschiedenen Therapiemaßnahmen aus den vorliegenden Studien schwierig, insbesondere weil es sich in der Regel um eine komplexe Therapie mit verschiedenen Therapiemodalitäten handelt. WS1.4 CRPS – Medikamentöse Therapie und Nervenblockaden A. Beyer Klinik für Anästhesiologie, Schmerzambulanz, LMU München Eine Voraussetzung zur Rehabilitation von CRPS-Patienten ist die analgetische Therapie. Diese umfaßt medikamentöse und interventionelle Therapiemaßnamen. Entsprechend der Arbeitshypothese, dass es sich beim CRPS I und II sowohl um ein inflammatorisches als auch um ein neuropathisches Geschehen handelt, stellen NSAID und Antidepressiva/Antikonvulsiva die Basis der analgetischen medikamentösen Therapie dar. EBM-fundierte Beweise für die Wirksamkeit dieser Medikamentenkombination beim CRPS stehen jedoch aus, es existieren lediglich Fallberichte und einzelne Studien für einzelne Wirkstoffe (z.B. Keterolac, Gabapentin, Carbamazepin). Dies gilt auch für die Supplementierung der analgetischen Stufe I mit Opioiden bei unzureichender Analgesie. Hier kann lediglich ein Analogieschluss zu anderen neuropathischen Schmerzsyndromen herangezogen werden. Zu den „Nicht-Analgetika“ beim CRPS mit analgetischer Wirksamkeit gehören antiadrenerge Medikamente (z.B. Clonidin, Phenoxybenzamin, Guanethidin) Glukokorticoide, Calcitonin und Bisphosphonate. Für alle dieser Substanzen liegt mindestens eine kontrollierte Studie vor. Der beste Wirksamkeitsnachweis wurde für Calcitonin erbracht. Bezüglich der interventionellen Methoden empfiehlt sich ein pragmatisches Vorgehen: Als erster Schritt wird mittels einer fachgerecht durchgeführten und überprüften Sympathikusblockade mit einem Lokalanästhetikum festgestellt, ob es sich um ein sympathisch unterhaltenes Schmerzsyndrom (SMP) handelt. Ist dies der Fall, kenntlich an relevanter und länger anhaltender Schmerzlinderung nach der Blockade, können zur analgetischen Therapie und Verbesserung der Trophik Sympathikusblockaden weitergeführt werden. Hierzu eignet sich auch die lokale Applikation einer kleinen Menge eines Opioids (GLOA). Der Nutzen von intravenösen, regionalen Guanethidinblockaden zur Sympathikolyse wird durch Metaanalysen kontrollierter Studien dieser Technik in Frage gestellt. Handelt es sich um einen sympathisch unabhängigen Schmerz (SIP) oder ist die Wirkung von Sympathikusblockaden zu kurz, können somatische Blockaden, ggf. mit Katheterverfahren angewandt werden.
WS2 Differentialdiagnostik der Kopfschmerzformen WS2.1 Ergotamine versus Triptane K.-H. Grotemeyer Neurologische Klinik, Klinikum Saarbrücken gGmbH Seit mehr als 50 Jahren war Ergotamin ein „Standard der Migränetherapie“. Erst in den letzten Jahren wurde überprüft, ob diese Therapie noch den heutigen Anforderungen an eine nebenwirkungsarme effektive Therapie genügt. Neuere Studien lassen im Vergleich zu Aspirin aber besonders im Vergleich zu Triptanen an der „historischen“ Wertigkeit einer Ergotamintherapie – selbst, wenn sie derzeit noch ungleich „billiger“ ist als eine Triptangabe – zweifeln. Triptane sind wirksamer. Insbesondere die vaskulären Nebeneffekte wie auch das Abhängigkeitsrisiko des Ergotamins sprechen gegen Ergotamin. Ergotamin als quasi unsaubere Vorstufe der Triptane hat nur noch ein enges Indikationsspektrum. Patienten mit seltenen Anfällen und einer hohen Kopfschmerz-Wiederkehrwahrscheinlichkeit unter Triptanen dürften auch heute noch von der lang anhaltenden Wirkung des Ergotamins profitieren.
WS2.2 Neues in der Prophylaxe von Kopfschmerzen: Was ist sinnvoll? R. Malessa Klinik für Neurologie und Klinische Neurophysiologie, Sophien- und Hufeland-Klinikum Weimar, Henry-van-de-Velde-Str. 2, 99425 Weimar, Akademisches Lehrkrankenhaus der Friedrich-Schiller-Universität Jena Valproinsäure und Gabapentin haben sich aufgrund der aktuellen Datenlage als Medikamente der zweiten Wahl, nach Betablocker und Flunarizin, in der Migräneprophylaxe etabliert. Bemerkenswerterweise kann die intravenöse Gabe von Valproat auch in der akuten Migräneattacke eine gute und rasche Wirkung zeigen, so dass ein relativ direkter Effekt auf den Pathomechanismus des Migränekopfschmerzes zu diskutieren ist. Topiramat ist wegen der noch limitierten Daten und potentiellen Nebenwirkungen in der Migräneprophylaxe nur als Reservepräparat anzusehen. Lamotrigin zeigt keine signifikante Wirksamkeit gegen den Migränekopfschmerz, unterdrückt aber möglicherweise die Häufigkeit von Auren. Die Frage, ob ACE-Hemmer in der Migräneprophylaxe eine hinreichende Wirksamkeit zeigen, ist noch offen. Nicht nur chronischer Spannungskopfschmerz führt zu Depressionen. Neue Studien belegen die im allgemeinen unterschätzte Häufigkeit von Depressionen auch bei Migränepatienten. Insbesondere bei mangelndem Effekt einer Migräneprophylaxe muss dieser Aspekt berücksichtigt und gegebenenfalls ein Antidepressivum eingesetzt werden. In diesem Fall sind Trizyklika zu bevorzugen, für die, anders als z.B. für die SSRIs, nicht nur eine antidepressive, sondern auch eine migräneprophylaktische Wirkung nachweisbar ist. Nicht-medikamentöse Behandlungsformen, wie die Anwendung von Entspannungstechniken, Biofeedback und verhaltenstherapeutische Verfahren, sind nach aktuellen Studien sehr wahrscheinlich ebenfalls effektiv, während für die Hynose, Akupunktur und hyperbare Oxygenierung keine Wirksamkeit belegt werden konnte. Im Kindesalter werden für die Migräneprophylaxe Propranolol und Flunarizin eingesetzt, für die Spannungskopfschmerzprophylaxe Amitriptylin, sofern nicht medikamentöse Verfahren keinen hinreichenden Effekt zeigen. Die häufig eingesetzte Akupunktur zur Prophylaxe des Spannungskopfschmerzes zeigt nach neuen Untersuchungen keinen nachweisbaren Effekt. Beim seltenen SUNCT Syndrom kann in Einzelfällen Gabapentin prophylaktisch wirksam sein. Neue Studien zur Prophylaxe des chronic daily headache (CDH) sprechen für eine mögliche Effektivität des alpha-2-adrenergen Agonisten Tizanidin und des selektiven 5-HT2 Antagonisten Nefazodon.
WS3 Begutachtung von Schmerzsyndromen WS4 Strategien beim chronischen Rückenschmerz WS4.3 Therapie-Algorithmus des Rückenschmerzes: Wie steht es mit der Vernetzung im Behandlungsmanagement? H.-R. Casser Arzt für Orthopädie-Rheumatologie, Chefarzt der Orthopädischen Klinik, Klinikum Staffelstein Ziel einer effektiven Rückenschmerzbehandlung ist es, frühzeitig Chronifizierungsfaktoren zu identifizieren und die Chronifizierung zu verhindern.Aus diesem Grunde hat die Internationale Gesellschaft für Orthopädische Schmerztherapie (IGOST) einen Algorithmus entwickelt, der aus drei aufeinanderfolgenden diagnostischen und therapeutischen Ebenen besteht. Insbesondere das Verhalten des Arztes beim Erstkontakt mit dem Rückenschmerzpatienten entscheidet über die weitere Entwicklung. Deshalb sind gerade vom Erstbehandler profunde Kenntnisse in der Diagnostik und Differentialdiagnostik des Rückenschmerzes zu verlangen, inkl. des Erkennens von „red und yellow flags“.Verzögerungen in der Therapie spezifischer Ursachen, inadäquate Aufklärung des Patienten über funktionelle Störungen und Nichterkennen psychosozialer Zusammenhänge bahnen den Weg zum chronischen Rückenschmerz mit all seinen medizinischen und psychosozialen Folgen.
Der Schmerz [Suppl 1]•2001
| S 37
Abstracts WS4.4 Therapeutischer Stufenplan in der Praxis und Kosten-Nutzen-Analyse ambulanter Therapieprogramme H. E. Brunner Orthopädisches Schmerztherapiezentrum Kaarst Sind bekannte und seit zehn Jahren durchgeführte interdisziplinäre, multimodale, ambulante Therapiekonzepte in der Lage, eine Frühchronifizierung von Rückenschmerzen zu vermeiden und damit in der Lage, Kosten im ambulanten therapeutischen Bereich einzusparen? Die angewandte Methodik ist das Modell „KAARST AKTIV“, in dem zwei niedergelassene Orthopäden, ein Physiotherapeut und ein Psychotherapeut gemeinsame Therapiepläne entwickeln, um eine frühe Chronifizierung von Rückenschmerzen zu vermeiden und die Folgen von chronifizierten Rückenschmerzen zu lindern. Das System besteht aus einem Kurssystem mit weiterführender interdisziplinärere Betreuung von Rückenschmerzpatienten. Die Ergebnisse der vorgelegten Untersuchung zeigen eine deutliche Tendenz zur Reduzierung der Kosten im ambulanten Behandlungsbereich sowie zur deutlichen Verbesserung der Schmerzsituation und Lebensqualität unter deutlicher Reduzierung der Indikationsstellung zur Operation.
thodisch den S2 Standard (Expertenkommisssion + formaler Konsensusprozess mittels Delphi-Methode). Aus der spezifischen Leitlinienliteratur ist bekannt, dass die passive Dissimination (Publikation in wissenschaftlichen Journalen) allein nicht ausreicht, um Veränderungen in der Praxis zu erreichen. Es wurden deshalb verschiedene Implementationsstrategien eingesetzt. 1. Breite Mehrfachpublikation über die Informationsorgane der beteiligten Fachgesellschaften (z.B. Mitteilungen der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie, G 84/ Heft 2/ 1999). 2. Publikation im Internet unter www.Leitlinien.de der AWMF. 3. Mehrere Workshops/ Symposien seit Mai 1999 auf Fachkongressen der Gesellschaften. 4. Systematische Verbreitung über Pharmafirmen. 5. Aufnahme der LL in Schmerzmanuale einiger Kliniken. Zur Überprüfung des Erfolges der Umsetzung einiger der in den LL formulierten Grundsätze zur Schmerzmessung- und therapie wurden zwei Umfragen durchgeführt: 1. Umfrage (33 Fragen) vor der Publikation der LL im Jan./Feb. 1997 – alle chirurgischen Kliniken /Abteilungen in Deutschland (n=2254) und Publikation der Ergebnisse im „Chirurgen“ 69: 461–466 (1998). 2. Umfrage (13 Fragen) 2 Jahre nach der Publikation der LL (Mai 2001) – alle chirurgischen Kliniken/ Abteilungen in Deutschland (n=2393). Die Rücklaufquote der ersten Umfrage lag bei 44,4% (n=1000), die der 2. Umfrage bei 38% (n=720). 7 Fragen (komplexe) waren in beiden Umfragen gleichlautend. Die Gegenüberstellung kann einen Hinweis auf Praxisveränderungen durch die LL geben. Die Auswertung der 2. Umfrage ist noch nicht abgeschlossen.
WS4.5 Mermale von „good“ and „bad“ Respondern bei der Trainingstherapie von Rückenschmerzpatienten WS5.3 Akutschmerzdienst: Möglichkeiten und Grenzen in der Praxis W. Harter Forschungs und Präventionszentrum (FPZ) Köln Fragestellung: Im Zeichen der Qualitätssicherung ist es von Interesse, vor Beginn einer Therapie Risikofaktoren, sogenannte „yellow flags“, erkennen zu können, die auf einen möglichen geringeren als zu erwartenden Erfolg schliessen lassen. Die vorliegende Studie zeigt ein Verfahren, mit welchen Methoden derartige Faktoren am Beispiel der analysegestützten medizinischen Trainingstherapie zur Behandlung subakuter und chronischer Rückenschmerzpatienten entwickelt werden können. Methodik: Insgesamt wurden 1062 Versuchspersonen aus zwei Perspektiven evaluiert. Die eine Perspektive definiert einen Erfolg/Misserfolg über die Veränderung eines Gesamtscores aus subjektivem Schmerzempfinden, Wohlbefinden und Leistungsfähigkeit aus Patientensicht, die andere evaluiert eine Änderung kostenrelevanter Faktoren aus Arbeitgebersicht und Nutzung der Ressourcen des Gesundheitssystems. Diese unterschiedlichen Definitionen konnten die „good responder“ und „bad responder“ aus dem jeweiligen Therapieoutcom characterisieren.Deren Unterschiedsmerkmale in der Eingangsanalyse wurden mit Hilfe analytischer statistischer Verfahren evaluiert. Resultat: Aus Patientensicht, in einer heterogenen Stichprobe, waren es vorwiegend die Einschätzung der individuellen Fähigkeiten zu alltäglichen Verrichtungen, als auch der Arbeitsplatzbelastung welche Risiken zum Misserfolg vorhersagen lassen. In einer weitestgehend homogenen Stichproben eines Betriebes stellten sich wiederum die Einschätzung der Arbeitsplatzproblematik und der Zusammenhang der Rückenbeschwerden mit körperlicher Aktivitäten, aber auch des Wohlbefindens und die Dauer der aktuellen Schmerzepisode als Prädiktoren heraus. Unabhängig von der Wahl der Stichprobe zeigten sich aber immer wieder auffällige Unterschiede in den Eingangswerten der motorischen Fähigkeiten. Ebenso haben individuelle Kontrollüberzeugungen eine besondere Bedeutung für den Therapieprozess.
WS5 Postoperative Schmerztherapie WS5.1 Leitlinien Akutschmerz und ihre Umsetzung E. Neugebauer, S. Sauerland und die AG Schmerz Biochemische und Experimentelle Abteilung, II. Chirurgischer Lehrstuhl der Universität zu Köln In Zusammenarbeit mit den wissenschaftlichen Fachgesellschaften und Berufsverbänden der Chirurgen und Anästhesisten, sowie der Deutschen Gesellschaft zum Studium des Schmerzes (DGSS) wurden von einer interdisziplinären Expertenkommission im Auftrag der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Schmerztherapie (DIVS) Leitlinien (LL) zur „Behandlung akuter perioperativer und posttraumatischer Schmerzen“ erstellt. Nach den Kriterien der AWMF erfüllen diese Leitlinien me-
S 38 |
Der Schmerz [Suppl 1]•2001
W. Meißner Klinik für Anästhesiologie, Friedrich-Schiller-Universität Jena, 07740 Jena Sowohl deutsche als auch ausländische Leitlinien empfehlen die Einrichtung eines Akutschmerzdienstes (ASD) als wünschenswerte Organisationsform einer postoperativen Schmerztherapie. Weder die zeitliche Dimension noch die personelle Besetzung eines ASD werden jedoch einheitlich definiert. Ein ASD in Form einer 24-stündigen ärztlichen Bereitschaft ausschließlich für die schmerztherapeutische Versorgung ist wünschenswert, jedoch nur an den wenigsten Kliniken vorhanden. Andererseits garantiert allein die Existenz eines ASD keineswegs eine qualitativ gute Schmerztherapie. Daher stellt ein ASD nur einen Aspekt aller organisatorischen und medizinischen Bemühungen um die Einrichtung und Aufrechterhaltung eines effektiven postoperativen Schmerzmanagements dar. Über die Patientenversorgung hinaus bietet sich an, einen ASD – sofern vorhanden – für weitere Aufgaben, z.B. Fort- und Weiterbildung oder Qualitätskontrolle einzusetzen. Darüber hinaus kann ein ASD eine ideale Plattform für eine strukturierte „perioperative Medizin“ gerade an der oft vernachlässigten Schnittstelle zwischen AWR/Intensivüberwachung und Normalstation darstellen. Im Vortrag sollen folgende Aspekte eines ASD beleuchtet werden: • Für welche Verfahren ist ein ärztlicher ASD Bedingung? • Welche Vorteile bietet ein ärztlicher ASD? • Welche Alternativen gibt es zu einem ärztlichen ASD? • Wie kann Schmerztherapie organisiert werden, wenn kein Schmerzdienst vorhanden ist? • Argumentationshilfen für die Einrichtung eines ASD Literatur: ASA Task Force on Pain Management. Practice guidelines for acute pain management in the perioperative setting. Anesthesiology 1995, 82:1071-81 AWMF/DIVS. Behandlung akuter perioperativer und posttraumatischer Schmerzen. http://www.uni-duesseldorf.de/WWW/AWMF/ll/divs-001.htm WS5.4 Überleitung von Schmerzpatienten aus der Akutklinik: Probleme und Lösungen G. Koch-Epping HAILIZ Home Care Service GmbH, Leverkusen II. Chir. Lehrstuhl der Universität zu Köln, Krankenhaus Merheim Einleitung: In einer Zeit von rasant wachsendem Fortschritt in der Medizin werden gleichzeitig neue Wege der Kostenersparnis gesucht. Als eine Folge daraus stellen die Kostenträger mehr und mehr die ambulante Versorgung vor die stationäre Behandlung. So muss immer häufiger und frühzeitiger die Krankenhausentlassung in einen häuslichen Bereich geplant, organisiert und gesichert werden.
Besondere Anforderungen werden an alle Beteiligten vor allem dann gestellt, wenn Patienten im häuslichen Bereich z.B. spezieller Schmerztherapie und/oder Infusionstherapie bedürfen. Problem: Im Alltag zeigt sich, dass gegenwärtig ein erhebliches Defizit bei der Realisierung des Anspruchs der Patienten auf eine angemessene häusliche Schmerztherapie unverkennbar ist. So werden diese Patienten auf Grund von zunehmender Schmerzproblematik sehr häufig zu „Drehtürenpatienten“. Hauptursachen für die Defizite sind aus unserer Sicht auf Seiten der Kliniken, der Hausärzte und der ambulanten Dienste: • mangelndes Problembewusstsein • fehlende Kommunikation zwischen den stationär und poststationär Beteiligten • mangelndes Wissen zur Schmerztherapie, unzureichende Ausbildung • fehlende Organisationsstrukturen • unzureichende interdisziplinäre Zusammenarbeit • Scheu vor erhöhten Kosten Lösungsmöglichkeit: Eine Lösungshilfe bietet die strukturierte, standardisierte Überleitung der Patienten aus der Klinik in den häuslichen Bereich. Ein Modellbeispiel soll zeigen, wie bei Patienten mit Schmerzen durch ein entsprechendes Entlassungsmanagement eine optimierte, grenzübergreifende Überleitung aus der Klinik in die ambulante Betreuung gewährleistet werden kann. Dieses System baut auf die enge Kooperation des gesamten klinikinternen und -externen therapeutischen Teams auf. Es wird von einer „Überleitungspflegekraft“ bereits in der Klinik, nach Absprache mit allen an der Patientenversorgung Beteiligten, ein Bedarfsplan erstellt. Dabei werden die häusliche, soziale und die medizinische Situation berücksichtigt und bereits mit dem behandelnden Hausarzt besprochen. Die wesentlichen Ziele bei der Überleitung sind: 1. Vermeidung von unzureichend vorbereiteten Entlassungen 2. Sicherung der ambulanten Schmerztherapie 3. Verhinderung von Wiederaufnahmen in die Klinik aufgrund von Versorgungs- und Informationsdefiziten 4. Verkürzung von Krankenhausaufenthalten durch Sicherstellung der ambulanten Betreuung 5. Prävention von Komplikationen durch sachgerechte Beobachtung, Kontrolle und Rücksprache 6. Verhinderung von Versorgungslücken 7. Ungehinderter Informationsfluss aller Beteiligten 8. Vertrauensbildung und Steigerung der Patienten- und Angehörigenzufriedenheit 9. Qualitätskontrolle Schlussfolgerung: Die Organisation und Durchführung einer für den Patienten zufriedenstellenden Schmerztherapie kann durch die Verbesserung von Kooperation und Kommunikation zwischen klinischem und ambulantem Bereich vereinfacht und gesichert werden.
WS6 Problematische Therapiesituationen und Therapieresistenz – Interdisziplinäre Falldiskussionen – WS6.2 Schwierige Therapiesituationen bei tumorbedingten Schmerzen M. Kloke Innere Klinik und Poliklinik (Tumorforschung) Univ.-Klinik, Hufelandstr.55, 45122 Essen Trotz des hohen Effizienzgrades > 90% der WHO Leitlinien zur Tumorschmerztherapie, gibt es immer wieder Patienten, bei denen sich das Erreichen einer suffizienten Analgesie schwierig gestaltet oder auch nicht gelingt. Bereits 1995 wurden von Bruera anhand prospektiven Studien negative Prädiktoren für das Gelingen einer Schmerztherapie definiert. Das hieraus in Analogie zum Tumorstaging entwickelte Edmonton Cancer Pain Staging System hat leider keinen Eingang in die Routine-Schmerzdiagnostik gefunden. Auf der Basis von Erkankungsverläufen werden Logarithmen zu Diagnose und Therapie dieser schwierigen Schmerzsyndrome entwickelt. 1. Break through pain ist definiert als ein zeitlich eng befristet auftretender Schmerz bei ansonsten suffizienter Analgesie. Es werden Konzepte zur Palliation nozizeptiver und neuropathisch/neuralgieformer Durchbruchschmerzen entwicklet. 2. Rasch ansteigender Opioidbedarf ohne adäquate Zunahme des nozizeptiven Inputs wird zumeist auf eine Toleranzentwicklung zurückgeführt. Pro und Kontra eines gezielten Opioidwechsels werden hier dem Konzept der Dosissteigerung bis zum Auftreten von Nebenwirkungen gegenübergestellt. 3. Neuropathische Schmerzen erfor-
dern oft Ko-Analgetika, deren Gabe beim multimorbiden und schwerkranken Tumorpatienten nicht unproblematisch ist. Der Stellenwert neuerer Substanzen wird in diesem Zusammenhag kritisch beleuchtet. 4. Patienten mit einer vorbestehenden Suchterkrankung stellen eine Risikopopulation bzgl einer suffizienten Schmerztherapie dar. Untersuchungen zu diesem Thema ergaben Hinweise auf eine Multifaktorialität dieses Phänomens. Lösungsversuche sollen dargestellt werden. 5. Auch oder gerade für den Schmerz des Krebspatienten gilt das bio-psycho-soziale Schmerzmodell, d.h. unerledigte psychische, soziale oder auch spirituelle Belastungen verhindern eine adäquate Analgesie. Sie zu erkennen, verhindert oft eine pharmakolgische Über- und Fehlbehandlung. Patienten mit Risikofaktoren für das Gelingen einer Schmerztherapie sollten frühzeitig identifiziert werden. Neben der exakten Diagnose der negativen Prädiktoren ist hier eine engmaschige Kontrolle des Therapieerfolges notwendig. Unter diesen Bedingungen lässt sich der Prozentsatz der Patienten, die keine oder nur eine unzureichende Linderung ihrer Schmerzen erfahren, noch reduzieren. Bruera E, Schoeller T, et al (1995) A prospective multicenter assessment of the Edmonton staging system for cancer pain. Pain Symp Manag 10:348-355
WS7 Zielkriterien für die Schmerztherapie: Was messen wir und warum? WS7.2 Schmerzintensität: Dimension, Gestalt, Zeitraum, Zielkriterium G. Lindena CLARA-Institut, Clinical Analysis, Research & Application, Kleinmachnow Die Schmerzintensität ist sicher das am häufigsten erfasste Zielkriterium in der Schmerztherapie überhaupt. Umso wichtiger erscheint die Begründung und die Vereinheitlichung der Instrumente. Für den Deutschen Schmerzfragebogen wird die Dimension „Intensität“ durch die Formulierung der Endpunkte festgelegt („kein“ und „stärkster vorstellbarer Schmerz“). Die Skala (0–10) enthält ausreichend Stufen, um selbst kleine Therapieschritte zu erfassen und ist auch im Alltag gut zu differenzieren. Der Zeitraum ist je nach Fragestellung zu wählen, im Deutschen Schmerzfragebogen zur Erhebung der Anamnese ist ein Zeitraum von 4 Wochen gewählt, für den die durchschnittlichen, größten und geringsten Schmerzen – natürlich durch den Patienten selbst angegeben werden sollen. Wenn eine Selbsterfassung nicht möglich ist, z.B. bei Kleinkindern und Patienten mit Kognitionsstörungen, sollten möglichst nahe am Patienten arbeitende Personen zur Fremdbeobachtung herangezogen werden. In jedem Fall sind die Ausdrucksformen von Schmerzen sehr individuell geprägt. Die Schmerzintensität ist zunächst Interventionspunkt für Patient und Arzt. Als Therapieerfolgskriterium kann sie differentialdiagnostisch und -therapeutisch genutzt werden, jedoch – vor allem bei chronischen Schmerzen – mit weiteren Kriterien gemeinsam. Da die Schmerzintensitätserfassung in fast (!) allen Studien in der Schmerztherapie eingesetzt wird, ist sie eines der wenigen Kriterien, das studienübergreifend verglichen werden kann. So bezieht sich die number-needed-to-treat (NNT), in der verschiedene Medikamente und Therapieverfahren verglichen werden können, auf die Patientenzahl, die behandelt werden muss, um bei einem Patienten eine 50%ige Schmerzlinderung zu erreichen. Für solche Vergleiche, aber auch für die Qualitätssicherung im Vergleich verschiedener Einrichtungen sind daher Gestalt, Dimension, Zeitraum und die Abfrage zu standardisieren. Bitte sehen Sie sich Ihre eigenen in Ihrer Einrichtung verwendeten Instrumente an. Je nach eingesetztem Instrument verändert sich die Therapieerfolgsrate und damit Ihr Ergebnis! WS7.3 Zielkriterien für die Schmerztherapie: Schmerzlokalisation und -ausbreitung, Schmerzzeichnung M. Pfingsten Schwerpunkt Algesiologie, Georg-August-Universität Göttingen Siehe Poster: Kann man Schmerzen sehen? Eine Untersuchung zu den Gütekriterien der Schmerzzeichnung als diagnostisches Instrument.
Der Schmerz [Suppl 1]•2001
| S 39
Abstracts WS7.4 Angst und Depression J. Korb DRK Schmerz-Zentrum-Mainz Die Prävalenz depressiver Störungen ist bei chronischen Schmerzpatienten als Folge der schmerzbedingten Beeinträchtigungen deutlich erhöht. Dies hat rückwirkend erhebliche Auswirkungen auf die Schmerzverarbeitung und Bewältigungsmöglichkeiten, das Ausmaß an Aktivität und sozialen Kontakten sowie die Motivation. Das Vorhandensein einer depressiven Störung ist aus prognostischen Gründen relevant mit wesentlichen Implikationen für die Schmerztherapie. Eine erhöhte Ängstlichkeit ist oft der Grund für ausgeprägtes Vermeidungs- und Schonverhalten, erhöhte Aufmerksamkeit auf die Körpersymptomatik und katastrophisierende Kognitionen. Daneben können zahlreiche körperliche Symptome Ausdruck einer Angststörung sein, so dass eine Erfassung auch im Rahmen der Schmerztherapie von Belang sein dürfte. Die häufigsten Testverfahren zur Erfassung von Depressivität und Angst sollen mit ihren jeweiligen Besonderheiten im Überblick dargestellt werden. Dabei soll vor allem die Anwendbarkeit für Schmerzpatienten sowohl unter psychometrischen Gesichtspunkten, als auch unter Aspekten der Praktikabilität und Ökonomie bewertet werden. Auf der Grundlage der dargestellten Ergebnisse werden Vor- und Nachteile der einzelnen Verfahren diskutiert und Empfehlungen für eine geeignete Auswahl gegeben. WS7.6 Funktionelle Beeinträchtigung durch Schmerzen J. Hildebrandt Schwerpunkt Algesiologie, Universitätsklinik Göttingen, Robert-Koch-Str. 40, 37075 Göttingen Die funktionelle Beeinträchtigung durch Schmerzen spielt in der Beurteilung der Schwere der Erkrankung und ihrer Therapie eine große Rolle. Sie ist vermutlich auch ein wesentlicher Faktor bei der Behandlung durch spezifische Programme. Dabei ist seit längerer Zeit der Zusammenhang von Krankheit (disease), körperlicher Beeinträchtigung (impairment), subjektiver Beeinträchtigung (disability) und sozialer Beeinträchtigung (handicap) Gegenstand von Forschung und Diskussion. Die subjektive Beurteilung der Schwere der Beeinträchtigung ist bezüglich der Prognose offensichtlich wesentlich bedeutsamer als die Krankheit selbst oder die objektive körperliche Leistungsfähigkeit. Dies gilt zumindest für die meisten problematischen chronischen Schmerzen des Bewegungssystems (z.B. Rückenschmerzen, Fibromyalgie). Die Beurteilung der körperlichen Leistungsfähigkeit ist aufwendig und benötigt zur Durchführung technische Hilfen (z. B. sog. Iso-Geräte und Ergometer). In der Physiotherapie gibt es sehr viele „funktionelle Tests“. Die große Mehrheit evaluiert jedoch nur das Impairment (z.B. Brügger, Manuelle Diagnostik, Osteopathie). Funktionelle Beeinträchtigung kann entweder (aufwendiger) durch körperliche Funktionstests gemessen werden oder (auf leichte Weise) durch validierte Fragebogentests (PDI, FFbH, SF-36, PACT). In letzter Zeit mehren sich Veröffentlichungen über einfache Funktionstests, die ohne großen Geräteaufwand und mit einem realistischen Zeitaufwand durchgeführt werden können. Ob sie zur Einschätzung der Krankheitsschwere, der Prognose und der Therapiesteuerung wirklich notwendig sind und in welchem Zusammenhang sie zur objektiven Beeinträchtigung stehen (z.B. Arbeitsfähigkeit), muss aber noch differenziert untersucht werden. Dies ist z.B. Gegenstand eines Projekts des vom BMBF geförderten Rückenschmerz-Netzwerks.
WS8 Zusatzbezeichnung spezielle Schmerztherapie WS9 Qualitätssicherung in der Schmerztherapie (QUAST) WS10 Ergebnisorientiertes, gestuftes Rückenmanagement WS10.1 Auswahlkriterien der Patienten B. Kügelgen, Koblenz Das Göttinger Rückenintensivprogramm ist ein ergebnisorientiertes Programm. Zur Qualitätssicherung bedarf es bei einem solchen Programm
S 40 |
Der Schmerz [Suppl 1]•2001
vor allem der Definition der Therapieziele und der als positives und negatives Ergebnis zu messenden Kriterien mit Zeitpunkt und Methode. Auf der anderen Seite sind die Zugangs- und Ausschlusskriterien entscheidend für ein solches Verfahren. Schlicht formuliert, sagt die beste Ergebnisqualität nichts aus, wenn überwiegend Gesunde behandelt wurden. Insofern kommen den Zugangskriterien und Ausschlusskriterien große Bedeutung bei, eine viel größere Bedeutung zum Beispiel als der Strukturqualität und den gewählten therapeutischen Methoden. Ausgeschlossen werden Patienten, die nicht aktuell krank sind, die unter drei Monaten krank sind, bei denen eine Fehldiagnose nicht ausgeschlossen ist, zum Beispiel eine Depression oder eine Abhängigkeit oder Erkrankungen des kleinen Beckens, auch werden Patienten ausgeschlossen, die nicht ausreichend kurativ behandelt wurden, bei denen also der Begriff therapieresistent sich auf die Qualität der bisher durchgeführten Maßnahmen bezieht, nicht aber auf die Organisationsform. Bei den Yellow-Flags, biopsychosozialen Risikofaktoren, ist im Einzelfall abzuwägen, ob der Patient in das Programm aufgenommen werden kann oder ob noch zugewartet wird. Die Red-Flags müssen in jedem Fall abgeklärt werden, besteht eine Nervenwurzelkompression, ist das eine Kontraindikation, solange eine entsprechende akute klinische Symptomatik besteht. Ein neurologisches Defizit allein ist kein Ausschlusskriterium. Fehlende Motivation, fehlende Disziplin sowie unzureichende Deutschkenntnisse sind Ausschlusskriterien, da sie mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Scheitern während des Kursus bedingen werden.Wichtig ist auch der richtige Zeitpunkt, es gibt Kandidaten, für die beim Erst- oder Zweitkontakt das Programm zu früh kommt, zum Beispiel weil sie noch eine Störung haben, die bei Belastung im Programm wahrscheinlich dekompensieren würde, zum Beispiel mit aktueller ISGFunktionsstörung oder aktueller Piriformis-Reizung, genauso bei einer akuten Schulterproblematik, zum Beispiel AC-Gelenkblockierung. Wir legen großen Wert darauf, bereits vor Beginn des Programms eine tragfähige Arzt-Patienten-Therapeutenbeziehung zu bauen, die dann im Kursus auch belastet werden kann. WS10.2 Psychologische Aspekte der Therapie J. Scherler Abteilung für Schmerztherapie und Palliativmedizin im Mutterhaus der Borromäerinnen Trier Der Schmerz ist eines der wichtigsten Signale in der menschlichen Informationsverarbeitung. Er signalisiert unmittelbare Gefahr für die körperliche Unversehrtheit und startet auf psychischer Ebene elementare Schutzprogramme. Zwei Kernfragen steuern diese Programme: 1.„Woher kommt die Gefahr?“ und 2.„Wie kann ich mich schützen?“ Diese Kognitionen sind mit den Begriffen „Angst“ auf der emotionalen und „Kontrolle“ auf der Handlungsebene verbunden. Dieses Steuerungsmodell ist sinnvoll für den akuten Schmerz aber sinnlos für den chronischen Schmerz. Wird letzterer von der Person nicht als Fehlalarm erkannt und behandelt, werden Gefahren wahrgenommen wo keine sind, und es werden Schutzprogramme ausgeführt, die wirkungslos bleiben. In der Folge werden Angst, Kontrollverlust und Hilflosigkeit verstärkt. Die hierdurch ausgelösten Teufelskreisläufe beschreiben den psychischen Prozess der Schmerzchronifizierung. Das eigentliche Problem ist nicht der Schmerz, sondern die durch seine fehlerhafte Bewertung ausgelösten Ängste. Aus diesem Grunde haben AngstVermeidungs-Modelle in der psychologischen Schmerzforschung eine zentrale Bedeutung. Die wesentlichen Therapieziele bestehen in der Vermittlung des Bio-Psycho-Sozialen-Krankheitsmodells chronischer Schmerzen, dem Erkennen und Bewältigen irrationaler Schmerzängste, dem Unterlassen inadäquater Schutzmaßnahmen (wie z.B. Vermeidungsverhalten, Doctorshopping und Medikamentenabusus), der Verantwortungsübernahme für die eigene Schmerzerkrankung, der weitgehenden Unabhängigkeit vom medizinischen Versorgungssystem und der Vernunft – statt angstgesteuerter Einnahme von Schmerzmitteln. Eine zentrale Voraussetzung für die Erreichung der genannten Therapieziele ist ihre Vermittlung im Rahmen eines multimodalen und interdisziplinären Settings. Nur wenn Arzt, Psychologe und Physiotherapeut die gleiche Sprache sprechen, kann der Patient die Botschaft eindeutig interpretieren und sich umorientieren. Um den unterschiedlichen Chronifizierungsgraden Rechnung zu tragen, erfolgt die Behandlung in gestufter Intensität bei entsprechend adaptiver Zielsetzung. Angestrebt wird eine langfristige Verhaltensänderung im Umgang mit dem Schmerz: Erst wenn es dem Patienten auf Dauer gelingt, den störenden Einfluss des Schmerzes im Denken, Fühlen und Handeln so weit zu neutralisieren, dass er seine privaten und beruflichen Lebensziele in hinreichender Weise realisieren kann, ist das Behandlungsergebnis zufriedenstellend.
WS10.3 Trainingstherapie im Göttinger-Rücken-Intensiv-Programm S. Lucan Sportwissenschaftler, Schmerzambulanz Uni-Klinikum Göttingen In diesem Work-Shop werden die Praxisinhalte der Trainingstherapie im Göttinger-Rücken-Intensiv-Programm (GRIP) und Göttinger-RückenAktiv-Programm (GRAP) dargestellt sowie deren theoretische Grundlagen. Es werden die Bausteine Krafttraining, Beweglichkeitstraining, Koordinationstraining, die Inhalte der morgendlichen Sportstunde dargestellt sowie die multimodale Zusammenarbeit im GRIP erläutert. Im Behandlungskonzept von chronischen Rückenschmerzen vollzieht sich in den letzten Jahren auf der Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse ein grundlegender Wandel: Zum einen weichen einfaktorielle, somatisierende Konzepte einer multifaktoriellen Sichtweise (z. B. Einbeziehung psychosozialer Faktoren) zum anderen werden „Schonkonzepte“ von aktivierenden Maßnahmen abgelöst (WADDELL 1998; PFINGSTEN 2001). Ein multimodales Behandlungskonzept erfordert mitunter modifizierte Trainingsinhalte, die verhaltenstherapeutische Maßnahmen in Didaktik und Methodik berücksichtigen und somit zum Teil Abweichungen von gängigen Trainingsmethoden und -inhalten zur Leistungsmaximierung erfordern. Zudem müssen wir konzeptionell berücksichtigen, dass zahlreiche Rückenpatienten nach monate- bzw. jahrelanger körperlicher Inaktivität zu uns kommen, weshalb eine reduzierte Belastbarkeit und eine generalisierte Bewegungsangst in der Trainingsplanung einkalkuliert werden muss. Unter Beachtung der genannten Aspekte wird ein intensives Training der Kraft, Ausdauer, Beweglichkeit und Koordination durchgeführt, wobei der Schmerz des Patienten kein Abbruchkriterium und kein Kriterium der Belastungssteuerung darstellt, sondern die erbrachte Leistung und deren Verbesserung im Vordergrund steht (MÜLLER 1997). Hierzu wird u.a. ein Training nach Quote (DOLCE 1986) durchgeführt. Das Behandlungskonzept GRIP umfasst eine vierwöchige, ambulante Gruppentherapie, die wochentäglich ein Programm von 8.00 bis 14.30 Uhr beinhaltet. Das Patientenkollektiv im GRIP besteht überwiegend aus chronischen Rückenschmerzpatienten, die aufgrund ihrer Beschwerden über einen längeren Zeitraum bzw. wiederholt arbeitsunfähig waren. GRIP: Tagesablauf Montag–Freitag, 8.00–14.30 Uhr Dauer: 4 Wochen 8.00 Uhr 9.00 Uhr 9.30 Uhr 10.30 Uhr 11.00 Uhr 12.00 Uhr 12.45 Uhr 13.15 Uhr 14.00 Uhr
Sport Frühstückspause Psychologische Schmerztherapie Entspannungstraining Beweglichkeits- und Koordinationstraining Muskelfunktionstraining Mittagspause Work-Hardening bzw. berufsspezifisches Training Aktiver Ausklang (Dehnen)
Das Behandlungskonzept GRAP umfaßt eine zehnwöchige, ambulante Therapie, die zweimal pro Woche von 17.00 bis 19.30 Uhr durchgeführt wird. Im GRAP haben wir hingegen vorrangig chronische Rückenschmerzpatienten, die noch keine längeren Arbeitsausfallzeiten durchlaufen haben und derzeit im Beruf stehen. Diese Patienten kommen daher nach der Arbeit zur Therapie. GRAP: Ablauf Montag/Mittwoch, 17.00–19.30 Uhr Dauer: 10 Wochen 17.00 Uhr 18.00 Uhr 18.30 Uhr
Bewegungstraining für Alltag und Beruf (Montag) bzw. Psychologische Schmerztherapie (Mittwoch) Beweglichkeits- und Koordinationstraining Muskelfunktionstraining
Hieraus ergibt sich die Konsequenz, dass ein multimodales Behandlungskonzept mit dem Ziel einer Wiederherstellung der funktionellen Kapazität („functional restoration“) auf ein gezieltes Training konditioneller und koordinativer Parameter nicht verzichten kann. WS10.4 Workhardening als Teil eines ergebnisorientierten gestuften Rückenmanagements D. Seeger BE Physiotherapie/Schwerpunkt Algesiologie, Kliniken der Georg-August-Universität, Robert-Koch-Str. 40, 37075 Göttingen, e-Mail:
[email protected] In der Therapie von Patienten mit chronischen Rückenschmerzen kommen derzeit vor allem aktive Trainingskonzepte zum Einsatz. Besonders erfolgreich sind nach neuen Ergebnissen multimodale Programme, die sich an Konzepten orientieren, die schon in den 80iger Jahren in den USA erfolgreich waren. Das Ziel der Therapie ist die Reintegration eines Arbeitnehmers an seinen alten Arbeitsplatz. Ein wichtiges Ziel ist, die volle Belastungsfähigkeit einer Person zu erreichen. 1988 beschrieben Mayer und Gatchel (1), dass es in der Therapie von Patienten mit chronischen Rückenschmerzen von größerer Bedeutung sei eine bessere Funktionsfähigkeit zu erreichen, als die Reduktion der Schmerzen in den Vordergrund zu stellen. Man entschied schon damals, dass es sinnvoller sei Patienten nach den Kriterien der Sportmedizin im Sinne der Trainingstherapie zu rehabilitieren, als die damals noch üblichen passiven Maßnahmen der physikalischen Therapie auszuschöpfen, die zu keinen zufriedenstellenden Ergebnissen führten. Ergänzend kamen Bewegungen aus dem Arbeitsalltag hinzu, womit sich das heutige „Workhardening“ entwickelte. In der Kombination von Trainingstherapie, Ergotherapie (Occupational Therapy) und Psychotherapie wurde mit großem Erfolg ein multimodales Programm (PRIDE/Dallas) durchgeführt und 1990 mit dem GöttingerRücken-Intensiv-Programm (GRIP) (2) in Deutschland eingeführt. Das Workhardening als Bestandteil des GRIP ist eine Kombination aus Trainingstherapie, Rückenschule, Koordinationsschulung und Information (Ergonomie/Anatomie/Physiologie). Nach der notwendigen Diagnostik zur Differenzierung der Beschwerden und Indikationsstellung werden die Patienten dem multimodalen Behandlungskonzept mit 20 Terminen zugeführt. Für die Definition des Therapieziels und die Messung des Therapieerfolges kommen zu Beginn des Workhardening-Trainings folgende Tests zum Einsatz: • Parcourtest • PILE-Test • Pact-Test • Funktionsfragebogen • Spezifische Fragen zur Arbeitsplatzsituation • Arbeitsplatzanalyse Das Training beinhaltet allgemeine Bewegungsgrundlagen des Alltags wie Sitzen, Stehen, Gehen, Heben, Bücken, Tragen sowie spezifische Bewegungen aus dem Berufsalltag einer jeden Teilnehmerin. Alle Bewegungen werden nicht nur unter koordinativen Aspekten geübt sondern auch für realistische Alltagsbedingungen trainiert. Am Ende des Programms wird mit Hilfe der Abschlusstests darüber entschieden, ob ein Teilnehmer mit oder ohne Einschränkungen an seinen Arbeitsplatz zurückkehren kann und/oder weiterführend trainingstherapeutische Maßnahmen oder spezifische Therapie benötigt. Literatur: 1. Mayer TG, Gatchel RJ; Functional Restoration for Spinal Disorders: The Sports Medicine Approach (1988) Lea & Febiger. Philadelphia, U.S.A. 2. Saur P, Hildebrandt J, Pfingsten M et al., Das Göttinger Rücken Intensiv Programm (GRIP) - ein multimodales Behandlungsprogramm für Patienten mit chronischen Rückenschmerzen, Teil 2; Der Schmerz (1996) 10:237-253
Die Begründung der trainingstherapeutischen Inhalte ergibt sich z.T. aus theoretischen Überlegungen, z.T. aus den Ergebnissen wissenschaftlicher Forschung mit Rückenpatienten. Dem Baustein Krafttraining wurde in den letzten Jahren ein Hauptaugenmerk geschenkt (MAYER et al. 1985; BRADY et al. 1994; DENNER 1998). Unstrittig ist, dass zahlreiche Patienten mit chronischen Rückenschmerzen eine körperliche Dekonditionierung aufweisen, neben der Kraft sind aber auch die Fähigkeiten Beweglichkeit, Koordination, Ausdauer zu beachten (MÜLLER 2001, PARKKOLA et al. 1993). Der Schmerz [Suppl 1]•2001
| S 41
Abstracts
BMBF-Seminare BMBF1 – Rückenschmerz BMBF1.2 Diagnostik und Therapie J. Hildebrand Schwerpunkt Algesiologie, Universitätsklinik Göttingen, Robert-Koch-Str. 40 37075 Göttingen Diagnostik: Subjektive Beeinträchtigung und körperliche Leistungsfähigkeit spielen in der Beurteilung der Schwere von chronischen Rückenschmerzen eine deutlich größere Rolle als medizinische Befunde einschließlich bildgebender Verfahren. In letzter Zeit mehren sich Veröffentlichungen über einfache Funktionstests, die ohne großen Geräteaufwand und mit einem realistischen Zeitaufwand durchgeführt werden können. Es soll untersucht werden, ob zur Beurteilung körperlicher Leistungsfähigkeit, Krankheitsschwere, Prognose und Therapiesteuerung diese Maßnahmen ausreichen, aufwendige technische Hilfen (Isometrische Messungen, EMG, Ergometrie) notwendig sind oder ob validierte Fragebogentests hierfür genügen. Therapie: Der therapeutische Teil des Netzwerks befasst sich neben der Evaluation von verhaltenstherapeutischen Maßnahmen bei subakuten Rückenschmerzen (siehe M. Hasenbring: Psychologische Faktoren und Interventionen) erstens mit der Evaluation des Effekts (subjektive Beeinträchtigung, Schmerz, Lebensqualität, Rückkehr zur Arbeit, Kosten) von multimodalen aktivierenden Maßnahmen nach dem GRIP-Konzept bei chronischen Rückenschmerzen, da diese offensichtlich sehr effektiven Behandlungs-Programme in Deutschland noch nicht kontrolliert untersucht worden sind. Diese Untersuchung wird im Rahmen der Implementierung von Leitlinien in Praxen für Allgemeinmedizin (siehe A. Becker: Primärärztliche Versorgung) durchgeführt (Göttingen gegen Marburg). Eine zweite Untersuchung befasst sich mit der kontrollierten Evaluation von spezifischer Physiotherapie (Maitland, Brügger sowie lokale und globale Stabilisierung) gegenüber spezifischer Massage (klassische Massage, Triggerpunktbehandlung sowie Dehnung und Detonisation von Muskeln) und Bindegewebsmassage im Rahmen eines komplexen stationären Rehabilitationsprogramms,da noch immer unklar ist,welche physikalischen Maßnahmen bei Rehabilitations-Behandlung von Rückenschmerzen effektiv sind. Das dritte therapeutische Projekt geht innerhalb eines randomisierten, kontrollierten Untersuchungs-Design der Fragestellung nach, ob eine konservative multimodale Therapie bei Patienten mit akuten radikulären, bandscheibenbedingten Schmerzen oder ein mikrochirurgisches Vorgehen zur Dekompression der betroffenen Wurzel bei diesem Krankheitsbild effektiver ist. Bis heute gibt es zu dieser, klinisch sehr relevanten Fragestellung keine befriedigende Antwort. BMBF1.3 Allgemeinärztliche Versorgung von Rückenschmerz-Patienten: Studie zur Epidemiologie, Behandlung und Wirksamkeit von zwei Strategien zur Qualitätsverbesserung A. Becker1, M. M. Kochen1, E. Baum3, N. Donner-Banzhoff3, J. Hildebrandt2, M. Pfingsten2, H.-D. Basler4, S. Keller4 1 Abt. Allgemeinmedizin und 2 Schmerzambulanz, Georg-August-Universität Göttingen 3 Abt. Allgemeinmedizin und 4 Inst. für medizinische Psychologie, Philipps-Universität Marburg Trotz der Tatsache, dass Rückenschmerzen zu den häufigsten Konsultationsgründen von PatientInnen in hausärztlichen Praxen gehören, ist über die ambulante Versorgung dieser Kranken in Deutschland wenig bekannt. Es ist anzunehmen, dass – ähnlich der Situation in anderen Ländern – mit einer hohen Varianz im diagnostischen und therapeutischen Vorgehen der behandelnden Hausärzte zu rechnen ist. Mit Hilfe von Leitlinien sollen rationale Behandlungsprinzipien (z.B. Verzicht auf übertriebene Diagnostik und frühzeitige Aktivierung der Patienten) stärker in die ambulante Versorgung integriert werden. Möglicherweise scheitern solche Strategien aber an lokalen Bedingungen sowie an der fehlenden Motivation vieler Patienten zur langfristigen Teilnahme an aktivierenden Maßnahmen. Im Rahmen des vom Bundesministerium für Forschung und Technologie (BMBF) geförderten Deutschen Rückenschmerz-Forschungs-Verbundes werden in einem interdisziplinären Projekt Leitlinien entwickelt und ihre Effektivität in einer Therapiestudie gestestet (1. Studienarm). In einem zweiten Studienarm werden Hausärzte zusätzlich geschult, die Motivation ihrer Patienten zu mehr körperlicher Aktivität einzuschätzen (transtheoretisches Modell zur Verhaltensänderung) und in ihrem Betreuungskon-
S 42 |
Der Schmerz [Suppl 1]•2001
zept zu berücksichtigen. Zusätzliche Fragestellungen sind der natürliche Verlauf der Erkrankung und die aktuelle Versorgung in Deutschland (dritter Studienarm / Kontrollen). In Göttingen und Marburg sowie umgebenden ländlichen Gebieten werden 120 allgemeinärztliche Praxen in die drei Studienarme randomisiert und nach einer Vorbereitungs- und Pilotierungsphase zwei Interventionen (Leitlinien-Implementierung mit bzw. ohne zusätzliche Motivationsschulung) zugeführt. Die Datenerhebung erfolgt in allen Studienarmen in gleicher Weise anhand mündlicher und schriftlicher Befragungen. Hauptparameter ist die Einschränkung im alltäglichen Leben („disability“). Weitere Ergebnisparameter bzw. Details zum Studienablauf werden auf dem Kongress vorgestellt. BMBF1.4 Psychologische Faktoren und Intervention M. Hasenbring (Bochum)
BMBF2 – Neuropathischer Schmerz BMBF2.2Primär- und Sekundär-Prävention C. Maier Abteilung für Schmerztherapie, BG-Klinik Bergmannsheil Bochum, Universitätsklinik Im BMBF-Projekt sind zwei integrative Netzwerkprojekte enthalten, an denen sich mehr als 20 Schmerzkliniken beteiligen werden. Sie werden begleitet von einzelnen Projekten. Gemeinsames Ziel ist unter anderem der Aufbau einer von allen Zentren gespeisten Datenbank, die über modulare Erweiterungen in QUAST aufgebaut wird. Diese Datenbank ist für alle Teilnehmer einsehbar und wird eine zentrumsübergreifende Kommunikation erlauben, für spezielle Untersuchungen auch ein Austausch von Probanden. Diese Datenbank ist auch Grundlage von verschiedenen multizentrischen Studien, bei denen durch die Nutzung gemeinsamer Meßinstrumente (speziell hier die quantitative und sensorische Testung - QST) und vereinheitlichter Einschlußkriterien das Konzept der Pathomechanismus-basierten Therapie mit einem mehrfaktoriellen Studiendesign umgesetzt wird. So sollen verschiedene Pharmaka bei Patienten mit unterschiedlichen Charakteristika (Allodynie mit und ohne periphere C-Faserdegeneration) in verschiedenen Studienarmen behandelt werden. Es wurden zwei Netzwerkprojekte vorbereitet: 1. Primärprävention (Projektleiter Kochs, München). In einem ersten Schritt soll placebokontrolliert die Effektivität von NMDA-Antagonisten (z.B. Memantine) hinsichtlich der Prävention chronischer neuropathischer Schmerzsyndrome (Phantomschmerz, chronische Neuropathien nach Operationen) nach elektiven Eingriffen untersucht werden. In einem ersten Studienschritt wird die kurzfristige i.v. Administration mit einer längerfristigen oralen Medikation verglichen, in weiteren Studienarmen in Kombination beider bzw. die Plazeboeffekte. Eine bundesweite Studie zur Testung der intravenösen Ketaminapplikation (PHAP Studie, Studienleiter: Dertwinkel/ Maier Bochum) läuft bereits seit mehreren Monaten. 2. Sekundärprävention Projektleiter Maier, Bochum). Hier wird in einem Paralleldesign das Konzept der Mechanismen basierten Behandlung evaluiert bei Patienten mit und ohne Ab Allodynie als Symptom der zentralen Sensitivierung bei jeweils zwei Subgruppen mit und ohne Hitzehypoalgesie (Dysfunktion nichtmyelisierter Fasern). Entscheidende Vorteile dieses Konzeptes sind auch die Unabhängigkeit von der pharmazeutischen Industrie, so dass erstmals auch Medikamentenkombinationen und Verumvergleiche möglich werden. Ein weiterer Vorteil ist die Möglichkeit, nach dem „Play the winner“ Prinzip die als effektiv getesteten Medikamente gegen weitere Substanzen, die zukünftig Bedeutung erlangen können, zu vergleichen.Verglichen wird zuerst die analgetische und präventive Effektivität von Opioiden und NMDA-Antagonisten sowie der Kombination im Vergleich zu Placebo. In einer zweiten offenen Studie werden die Responder für die jeweilige Medikament nachuntersucht.
BMBF3 Kopfschmerz BMBF3.1 BMBF Netzwerk Medikamenten-induzierter Dauerkopfschmerz H. C. Diener Neurologische Universitätsklinik, Hufelandstraße 55, 45122 Essen, e-mail:
[email protected] Der dritte Arbeitsbereich des BMBF Projektes untersucht Patienten mit medikamentenindiziertem Dauerkopfschmerz. Unsere eigenen Studien
in der Vergangenheit haben gezeigt, dass Menschen, die unter einer Migräne oder chronischen Spannungskopfschmerzen leiden, wenn sie sehr häufig oder täglich Schmerz- oder Migränemittel einnehmen, eine Zunahme ihrer Kopfschmerzen erfahren. Werden die entsprechenden Medikamente dann entzogen, bessern sich die Kopfschmerzen wieder. In diesem Projekt soll zunächst in einer epidemiologischen Studie in einer Groß-, einer mittelgrossen Stadt sowie in einem ländlichen Bereich untersucht werden, wieviele Patienten unter chronischen Kopfschmerzen in der Bevölkerung leiden und welcher Prozentsatz von diesen einen medikamenteninduziertem Dauerkopfschmerz hat. In einem zweiten Teil der Studie wird untersucht, wie die Entzugserscheinungen während der Entzugsphase am besten behandelt werden können. In einem verhaltenspsychologisch orientierten Projekt wird dann untersucht, inwieweit Rückfälle bei medikamenteninduziertem Dauerkopfschmerz vermieden werden können. Die entsprechenden Prädiktoren sind aus bisherigen Studien bekannt. BMBF3.2 Grundlagenforschung: Für eine bessere Kopfschmerztherapie K. Brune1, G. Arnold2, J. Ellrich1 1 Institut für Experimentelle und Klinische Pharmakologie und Toxikologie, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Fahrstr. 17, D-91054 Erlangen, 2 Klinik für Neurologie, Charité, Humboldt Universität Berlin, D-10117 Berlin Chronischer Kopfschmerz gehört zu den häufigsten Gesundheitsstörungen in Deutschland. Die pathophysiologischen Ursachen dieses chronischen Schmerzsyndroms liegen weitgehend im Unklaren. In dem vom BMBF geförderten Projekt sollen folgende Hypothesen analysiert werden: 1. Repetitive, geringgradig schmerzhafte sensorische Reize führen zu anatomischen, biochemischen und funktionellen Veränderungen der zentralnervösen Informationsverarbeitung. 2. Die Art und Intensität der repetitiven Stimulation ist von geringer Bedeutung für den Prozess der Chronifizierung. 3. Pharmakologische und verhaltensbiologische Interventionen können die vermutete anatomische, biochemische und funktionelle Reorganisation der sensorischen Informationsverarbeitung verhindern und sogar wieder normalisieren. Dabei werden zwei methodische Ansätze verfolgt: Einerseits werden die Signaltransduktionswege untersucht, die bei repetitiver Stimulation der Hirnhaut beim Versuchstier zu funktionellen, morphologischen und biochemischen Veränderungen in unterschiedlichen Arealen des ZNS führen. Mit Hilfe von histologischen, physiologischen und pharmakologischen Methoden werden die Prozesse charakterisiert. Auf der anderen Seite werden bildgebende Verfahren zum Einsatz kommen. Plastische Veränderung im ZNS werden mit Hilfe von Optical Imaging und MRITechniken definiert. Es ist das Ziel, auf diese Weise sowohl die plastischen Veränderungen zu erfassen, als auch Methoden zur pharmakologischen und verhaltensbiologischen Intervention zu entwickeln. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die geplanten experimentellen Untersuchungen als Brücke zur angewandten Forschung in der Klinik dienen sollen, um eine gegenseitige Beeinflussung und Befruchtung möglich zu machen. BMBF3.5 Chronische Spannungskopfschmerzen: Wo liegt das Problem? A. Straube Neurologie, Klinikum Grosshadern, LMU-München Nach Bevölkerungs-basierten Untersuchungen leiden etwa 4–5% der Bevölkerung an tgl. Kopfschmerzen, wobei diese bisher mit einem chronischen Spannungskopfschmerz (cSK) gleichgesetzt wurden. In den letzten Jahren haben aber neuere epidemiologische Daten diese Sicht relativiert und man geht heute davon aus, dass etwa 2–3% einen cSK haben, mit einem Überwiegen des weiblichen Geschlechtes (ca. 2:1 häufiger), etwa 2% haben eine sogenannte transformierte Migräne und 0.2% einen sogenannten akuten neuen persistierenden Kopfschmerz (ANPK) (engl.: new daily persisting headache) oder sehr selten eine Hemicrania continua. Ein Teil dieser Patienten betreibt einen Analgetikafehlgebrauch, der z.T. die Ursache der Chronifizierung der Kopfschmerzen ist. Der überwiegende Teil der Patienten mit chronischem Spannungskopfschmerz hatte vorher einen episodischen Spannungskopfschmerz und es besteht oft eine familiäre Belastung (ca. 3x häufiger in Familien mit cSK). Daneben gibt es einige symptomatische Kopfschmerzen, die phänomenologisch einem Span-
nungskopfschmerz entsprechen, z.B. Pseudotumor cerebri, KS bei SchlafApnoe-Syndrom, oro-mandibuläre Dysfunktion usw.. Ein wesentliches Problem in der Therapie der tgl. chronischen Kopfschmerzen stellt also die richtige Einordnung der Kopfschmerzen dar. Insbesondere die Diskussion um die chronische Migräne (auch transformed migraine) ist noch nicht abgeschlossen und könnte für einen Teil der Patienten neue Ansätze liefern. Ein weiterer Punkt in der wissenschaftlichen Diskussion ist, inwieweit sich der „klassische“ chronische Spannungskopfschmerz weiter in aetiologisch unterschiedliche Subtypen unterscheiden lässt und sich hierbei verschiedene pathomechanismen aufdecken lassen. Ein verfolgter Ansatz geht von der Aktivierung von immunologischen, entzündlichen Prozessen aus, die dann über eine Aktivierung von NO-abhängigen Mechanismen zu einer Schmerzwahrnehmung und später Chronifizierung führen. Davon zu unterscheiden wären Prozesse, die primär über muskuläre Prozesse zu einer Aktivierung intramuskulärer nozizeptiver Afferenzen oder durch eine Änderung der Schmerzschwellen (z.B. durch das endogene Antinozizeptive-System) zu einem cSK führen. Es ist also abzusehen, dass die bisher relativ undifferenziert durchgeführte Therapie des cSK in absehbarer Zukunft einer differenzierteren, auf den unterschiedlichen Pathomechanismen aufbauenden Therapie weichen wird.
Poster P1 Fallberichte P1.1 Bedeutung neuronaler Strukturen bei schmerzhaften chemotherapie-induzierten Nagelbettveränderungen – eine Kasuistik A. Binder1, G. Wasner1, F. Hilpert2, J. Schattschneider1, J. Pfisterer2, R. Baron1 1 Klinik für Neurologie und 2Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel Einleitung: Chemotherapeutika aus der Gruppe der Taxoide, wie Docetaxel, finden eine breite Anwendung bei der Therapie solider Tumoren. Bei bis zu 40% der mit Docetaxel behandelten Patienten treten schmerzhafte Nagelbettveränderungen als schwerwiegende Nebenwirkung auf. Die ursächlichen Mechanismen und eine Therapie sind bis heute unbekannt. Anhand der folgenden Kasuistik lassen sich wichtige pathophysiologische Mechanismen der Nagelbettschädigung unter Docetaxel ableiten. Eine 62jährige Patientin wurde aufgrund eines rechtsseitigen Mammakarzinoms mit Docetaxel behandelt. Nach der Applikation einer kumulativen Dosis von 320 mg/m2 entwickelten sich eine Rötung und Schwellung der Finger- und Zehenglieder, schmerzhafte Paronchyien, subunguinale Blutungen und Oncholysen. Diese schweren Nagelbettschädigungen bildeten sich symmetrisch an der linken Hand und an den Füßen aus, die rechte Hand zeigte jedoch nicht derartige Veränderungen. Methode: In der klinisch-neurologischen Untersuchung wurde eine komplette Plegie und ein komplettes sensorisches Defizit des distalen rechten Armes aufgrund einer tumorösen Plexusinfiltration festgestellt. Elektrophysiologisch zeigte sich ein vollständiger Verlust der peripheren Nervenfaserfunktion und insbesondere eine Degeneration nozizeptiver Afferenzen und sympathischer Efferenzen an der rechten Extremität. Ergebnisse: Aufgrund einer Degeneration der peripheren Nerven, insbesondere der dünnen nozizeptiven Afferenzen und sympathischen Efferenzen, am distalen rechten Arm haben sich dort keine Nagelbettveränderungen ausgebildet. Schlussfolgerungen: Zwei mögliche Hypothesen sollen diskutiert werden: 1.Taxoide können primär nozizeptive C-Faser-Afferenzen aktivieren. Die konsekutive Freisetzung von Neuropeptiden induziert eine neurogene Entzündung, die zu den beschriebenen Nagelbettveränderungen führt. 2. Taxoide setzen Prostaglandine aus sympathischen Varikositäten frei und unterhalten dadurch eine schmerzhafte Entzündung. Entsprechend dieser Hypothese führte ein Therapieversuch mit Cyclooxygenase-Hemmern zu einer deutlichen Symptomreduktion. Unterstützt durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG Ba 1921/1-1)
Der Schmerz [Suppl 1]•2001
| S 43
Abstracts P1.2 Der Fall D. oder „Schmerzen ohne Ende“ Bericht über eine coenästhetische Schizophrenie C. Crist, Düsseldorf Es wird über einen Fall berichtet, der mit einer 17jährigen Schmerzanamnese als „anhaltende somatoforme Schmerzstörung“ überwiesen wurde. Darüber hinaus waren noch folgende Diagnosen gestellt worden: • Lumboischialgie rechtsbetont • Iliosakralgie bds. • Myofasciales Schmerzsyndrom der Beine bei Beinlängendifferenz (ca. 1 cm) rechts • Anhaltende somatoforme Schmerzstörung • Mittelgradige depressife Episode mit somatischem Syndrom • Chronifizierungsgrad: II (Mainzer Stadieneinteilung) Im Verlauf seiner Krankheitsgeschichte war er mit vielen Diagnosen, Untersuchungen und Behandlungen konfrontiert worden. Alle medikamentösen und physikalischen Behandlungen – ausschließlich somatischer Natur – waren ausgeschöpft und auch vom Patienten pflichtbewußt wahrgenommen worden. Bei einem stationären Aufenthalt in einer Schmerzklinik wurde er das erste Mal mit psychologischen Verfahren – hier Verhaltenstherapie – konfrontiert. Die psychotische Wahnbildung, die Körperhalluzinationen blieben bei dem ansonsten besonnenen und angepaßten Patienten unentdeckt. Als der Patient sich bei mir vorstellte, bot er das Bild eines schwerkranken Mannes, wobei das Fehlen jeglichen Affektes trotz verbaler Beteuerung seines Leidens („rasende Schmerzen ohne Ende“) schon damals auffiel. Der 55jährige Mann ist in leitender Stellung tätig. Ein Rentenbegehren ist nicht festzustellen, ganz im Gegenteil, die Vorstellung nicht arbeiten zu können, bereitet ihm Angst. Er lebt allein und zurückgezogen, betreibt aber viel Sport, denn das lindere die Qual. Seine Familie sei „ausgerottet.“ Sie wären alle tot. Er habe Schmerzen im rechten Bein, ausgehend vom Rücken,manchmal am ganzen Körper.Man habe ihm gesagt,er leide an einer Depression. Das fand er „interessant“. Nach seinem Empfinden sei dies eine Reaktion auf seinen Zustand. Das „endlose Leiden“ mit einem Selbstmord zu beenden, habe er schon erwogen, aber sich letztendlich nicht dazu entschließen können. Auch hier konnte die Diagnose nicht gleich gesehen werden. Die Befunde wurden durch eine immunologische, rheumatologische und neurologische Untersuchung ergänzt. Außer einer ausgeprägten Muskelverhärtung mit generalisierten muskulären Schmerzen fand sich kein Hinweis auf das Vorliegen einer entzündlich-rheumatischen oder immunologischen Systemerkrankung. Die bereits vertraute Medikamentation (Saroten 75 – abends) wurde weiter empfohlen. Schmerzmittel nimmt der Patient nach Bedarf (Tramal). Eine andere Form wurde ihm nicht empfohlen. Die richtige Diagnose konnte aber auch hier erst gestellt werden, als die Gegenübertragung im Rahmen der Behandlung deutlich wurde. Bei der sogenannten „Gegenübertragung“ handelte es sich um die Reaktion des Arztes, des Therapeuten, des Psychoanalytikers auf die Person des Patienten. Sie ist als eine Reaktivierung von kindlichem Erleben und früheren Erfahrungen zu verstehen. Diese werden in der Behandlung aktualisiert, sind Antworten auf die Geschichte des Patienten, sozusagen von „Unbewußt zu Unbewußt“. Im Rahmen der psychoanalytischen Kur ist dies ein wichtiges Instrument. Es handelt sich also hier um eine • Schizophrenie mit Körperhalluzinationen betreffend den Bewegungsapparat mit ängstlich und depressiven Zügen • Zwangsideen in Bezug auf Verbrechen und schuldhaftes Vergehen • Hyperhydrose seit dem 15. Lebensjahr Die Diagnose einer solchen Form der Psychose ist zugegebenermaßen schwierig. Unter anderem deswegen, weil dieses Krankheitsbild sehr selten ist. Es soll aber nicht unerwähnt bleiben, dass der richtigen Diagnose der Widerstand des Patienten entgegensteht, und wie hier deutlich wird, auch der Widerstand von Ärzten und Psychologen. Der Widerstand des Patienten kann hier nur kurz zusammengefaßt werden, denn die Bearbeitung und Überwindung wird Gegenstand der Behandlung sein. Herr D. befürchtete zu erfahren, dass seine Erkrankung wirklich eine Strafe sei, die ihm auferlegt worden ist und in dem Sinne sei er unheilbar. Auf ewig müsse er ekelerregend, abstoßend und dadurch einsam bleiben. Die therapeutische Aussichtslosigkeit behindert das Verstehen, das Erkennen und beeinflußt natürlich dadurch die Erstellung der Diagnose. Die Aussichtslosigkeit von Heilung macht ärgerlich. Niemand hat es gern, wenn er nicht helfen kann. Die vornehmste Äußerung von Leben, von Lebendigsein ist die Seele, jedoch erscheint es mühsam, die Äußerungsformen des psychischen zu akzeptieren. Denn wie ist es sonst zu erklären, dass der Patient meistens damit getröstet wird „es sei nur psychisch“, „er habe nichts“, „ihm fehle auch nichts“. Dies wird abwertend verstanden und wahrscheinlich ist es auch so gemeint. Die Seele, ein nebelhaftes Ge-
S 44 |
Der Schmerz [Suppl 1]•2001
bilde, mehr der Mystik zugehörend, bestenfalls dem Glauben, der Religion zugedacht. Die Symptome, die der Patient anbietet, werden als Schwäche, als Simulation, auf jeden Fall als „nicht krank“ verstanden. Die Anerkennung dessen, was man Seele nennt, die Würdigung psychischer Prozesse fällt schwer, solange es im Nebulösen bleibt. Der Schmerz aber, was ist er anderes als ein seelisches Erlebnis. Dem körperlichen Schmerz gleichgestellt ist der seelische. Um verstanden zu werden, um Hilfe zu bekommen, wird die Sprache des Körpers verwendet. Der Leidende wendet sich an den Arzt und er verwendet die Sprache von der er hofft, dass der Arzt sie versteht. Psyche ist altgriechisch und heißt Seele. Es heißt aber auch Schmetterling. Der Schmetterling, der Papilio, ist also ein Symbol für das, was man seither Seele nennt. Deswegen ist die Seele noch lang kein Schmetterling. P1.3 Patienten-kontrollierte Analgesie mit intravenösem L-Methadon bei einem Kind mit Morphin-refraktärem Tumorschmerz Dimski T, Schneider G, Elsner F, Sabatowski R, Radbruch L Klinik und Poliklinik für Anaesthesiologie und Operative Intensivmedizin der Universität zu Köln Opioide stellen einen unverzichtbaren Anteil in der Tumorschmerztherapie bei Kindern dar. Doch auch eine hochdosierte Opioidtherapie führt in einigen Fällen nicht zu ausreichender Schmerzreduktion, da die mit steigender Dosierung zunehmenden opioidassoziierten unerwünschten Wirkungen gelegentlich den limitierenden Faktor dieser Therapiestrategie darstellen. Beim Erwachsenen stellt ein Opioidwechsel zu einem anderen Opioid („Opioidrotation“) eine praktikable Lösung dieser Problematik dar.Wir berichten über den Opioidwechsel von Morphin auf intravenöses L-Methadon mit einer PCA (patient controlled analgesia) bei einem 8jährigen, männlichen Patienten, der an einem fortgeschrittenen Neuroblastom erkrankt war. Im Rahmen der Grunderkrankung entwickelte er zunehmende stärkste neuropathische und Nozizeptorschmerzen im Bereich der Inguinalregion, sowie entlang der gesamten Wirbelsäule. Da der Junge eine orale oder transdermale Schmerzmedikation kategorisch ablehnte, wurde primär eine Schmerztherapie mit intravenösem Morphin als PCA eingeleitet. Hierunter konnte zunächst eine zufriedenstellende Schmerzreduktion erzielt werden. Nach 2 fi Monaten kam es zu einem rapiden, klinisch relevanten Progreß der Grunderkrankung, gleichzeitig nahm die Schmerzintensität zu und die täglich erforderliche Morphindosis stieg bis auf 2450mg (i.v.). Hierunter traten zunehmend Zeichen einer Opioidtoxizität im Sinne von generalisierten Myokloni, Halluzinationen und einer kutanen Hyperalgesie bei gleichzeitig unzureichender Schmerzreduktion auf. Wir führten einen Opioidwechsel auf intravenöse L-Methadon Applikation (Infusionsrate 4 mg/h, Bolusdosis 5 mg, lock-out 15 min) mittels PCA (Umrechnungsfaktor Morphin 1:20 L-Methadon) durch. Unter diesem Therapieregime konnte schnell eine adäquate Analgesie erzielt werden, der maximale Tagesbedarf lag bei 186 mg L-Methadon. Die Intoxikationszeichen verschwanden innerhalb von 3 Tagen vollständig. Der Patient verstarb 1 Woche später bei guter Symptom- und Schmerzkontrolle. Im vorgestellten Fall konnte nach der Umstellung der Schmerztherapie von Morphin auf L-Methadon sowohl eine zufriedenstellende Schmerzreduktion, als auch eine Verminderung der opioidassoziierten Nebenwirkungen erzielt werden. Die größte Problematik des Substanzwechsels auf L-Methadon ist in der adäquaten Dosisfindung zu sehen. P1.4 Botulinm-Toxin A in der Behandlung der chronischen paroxysmalen Hemikranie – Ein Fallbreicht H. Göbel, A. Heinze, K. Heinze-Kuhn Neurologisch-verhaltensmedizinische Schmerzklinik Kiel Fragestellung: In kontrollierten Studien konnte die Wirksamkeit von Botulinum-Toxin A in der prophylaktischen Behandlung der Migräne und des chronischen Kopfschmerz vom Spannungstyp gezeigt werden. Darüber hinaus wurden auch Fallberichte über die erfolgreiche Behandlung von Clusterkopfschmerzen veröffentlicht. Hier ist jedoch aufgrund des vornehmlich episodischen Krankheitsverlaufes mit spontanem Abklingen der Attacken am Ende einer Clusterperiode die Beurteilung der Effektivität schwierig. Im Folgenden soll erstmals der Einsatz von Botulinum-Toxin A bei einem Patienten mit einer chronischen paroxysmalen Hemikranie (CPH) vorgestellt werden, einer mit dem Clusterkopfschmerz verwandten Erkrankung, die jedoch einen primär chronischen Verlauf ohne Spontanremissionen aufweist.
Kasuistik: Ein 52jähriger Mann wurde aufgrund seit 3 Jahren bestehender Kopfschmerzattacken aufgenommen. Die heftigen Schmerzen waren grundsätzlich einseitig links temporal lokalisiert, hatten eine durchschnittliche Dauer von 10 Minuten und traten ca. 15 mal am Tag auf. Ipsilateral zum Schmerz kam es nur während der Schmerzattacken zu einer konjunktivalen Injektion, Lakrimation und einem Lidödem. Die körperlich-neurologische Untersuchung erbrachte ebenso wie eine MRT-Untersuchung des Kopfes keinen erklärenden pathologischen Befund. Es wurde die Diagnose einer CPH gestellt und eine Behandlung mit Indometacin 3 x 50 mg begonnen. Die Diagnose bestätigend, kam es in den ersten Wochen zu einer rapiden Abnahme der Schmerzattacken auf durchschnittlich eine Attacke alle 6 bis 7 Tage. Im weiteren Verlauf stieg trotz einer Dosisanpassung des Indometacins auf bis zu 3 x 100 mg die Attackenzahl wieder an. Die versuchsweise Gabe von Methylprednisolon (1g i.v.) und Verapamil (bis 720 mg) hatte keinen Einfluß auf die Kopfschmerzhäufigkeit. Zu diesem Zeitpunkt wurde dem Patienten eine Behandlung mit Botulinum-Toxin A angeboten. Der Patient erhielt 30 MU Botox® verteilt über 3 Injektionsorte im Bereich des schmerzhaften linken M. temporalis. Mit einer Latenz von 6 Tagen verschwanden die CPH-Attacken für die folgenden 14 Wochen. Bei Wiederauftreten der Attacken konnte die Behandlung erneut erfolgreich wiederholt werden. Schlussfolgerung: In den letzten Jahren konnte die Wirksamkeit von Botulinum-Toxin A in der prophylaktischen Behandlung der beiden häufigsten primären Kopfschmerzerkrankungen, der Migräne und dem Kopfschmerz vom Spannungstyp gezeigt werden. Nachdem zuletzt Berichte über eine erfolgreiche Behandlung auch von Clusterkopfschmerzen veröffentlicht wurden, konnte hier zum ersten Mal eine erfolgreiche Behandlung der seltensten primären Kopfschmerzerkrankung, der chronischen paroxysmalen Hemikranie, vorgestellt werden. Von großem Interesse sind weitere kontrollierte Studien zum Einsatz, aber auch wissenschaftliche Untersuchungen zum möglichen Wirkmechanismus BotulinumToxin A bei primären Kopfschmerzerkrankungen.
injektion vorstellte. Es handelte sich um den ersten Rückfall nach stationärer Entgiftung und 6-monatiger Rauschmittelabstinenz. Durch Rhabdomyolyse war die Creatinphosphokinase bei Aufnahme mit 72750 U/l deutlich erhöht und es bestand ein oligurisches Nierenversagen. Chirurgische Therapie: Kompartmentspaltung des volaren und brachioradialen Kompartimentes des rechten Unterarmes, Spaltung der rechten Fascia lata sowie des peronealen und anterioren Kompartimentes des rechten Unterschenkels. Schmerztherapie: Mit Metamizol (ca. 5 g/d) konnte an den ersten beiden Tagen des Klinikaufenthaltes ausreichende Schmerzfreiheit (VAS 2-3) erreicht werden. Danach kam es zu einem Anstieg der Schmerzsymptomatik, die trotz Piritramid- (90 mg/d) und Morphin-Gaben (160 mg/d) nicht beherrscht werden konnte (VAS 5-6 in Ruhe). Die Anlage eines Plexus-Katheters wurde vom Patienten abgelehnt. Durch Umstellung der Medikation auf auf L-Polamidon 4 × 10 mg, Ibuprofen 4 × 500 mg und Metamizol 4 × 30 gtt (= 4 × 750 mg) sowie on demand L-Polamidon 5-10 mg erreichten wir einen Rückgang der Schmerzen auf VAS 1-2 in Ruhe und 2-4 in Bewegung. Durchblutung, Sensibilität und Motorik des rechten Beines konnten weitgehend wiederhergestellt werden, der rechte Arm wies nach Nekrosenabtragung und Sekundärnaht bzw. MESH-graft-Deckung reizlose Wundverhältnisse auf. Die neurologischen Situation ist unverändert und prognostisch derzeit schwer beurteilbar. Unter Harnalkalisierung, Mannitol und täglicher Haemodialyse zeigte das akute Nierenversagen eine vollständige Remission. Die Schmerzmedikation konnte bei klinischer Besserung auf 4 × 500 mg Ibuprofen und 4 × 2,5 mg Polamidon reduziert werden, Herr H. plant eine weitere stationäre Entgiftung im Anschluß an den chirurgischen Aufenthalt. Dieser Fall soll deutlich machen, dass ein Entzug in der unmittelbaren postoperativen Phase nicht versucht werden sollte. P1.7 Allergische Reaktion auf Spinal Cord Stimulator H. L. Keller Leiter Schmerztherapie, Rehaklinik, CH-4310 Rheinfelden, Schweiz
P1.5 Disappearance of central (thalamic) pain after additional contralateral parietal lobe lesion: implications for deep brain stimulation C. Helmchen1, M.Lindig2, D.Petersen3 Department of Neurology (1), Anesthesiology (2), and Neuroradiology (3), Med.University of Lübeck, Germany Central pain is a chronic severely disabling pain syndrome following CNS, e.g. thalamic lesions. Since its pathomechanism is unknown, therapeutic options are often poor. Recently, deep brain (motor cortex, thalamus) stimulation (DBS) has been shown to be effective in pain alleviation for some chronic pain disorders. Thus, area targets of potential functional inactivation have to be clearly delineated. In contrast to the usually performed DBS ipsilateral to the lesion, potential benefit of contralateral DBS might derive from the following clinical observation: We report on a 60-year old patient who has suffered from a thalamic pain syndrome with severe thermoallodynia primarily affecting the left arm which developed two months after a right thalamic hemorraghe. The lesion involved the posterolateral thalamus and extended medially to the wall of the third ventricle. All medical therapies did not achieve remarkable pain relieve. In fact, ipsilesional deep brain stimulation was considered before he suffered from an additional contralateral (left) medial cerebral artery infarction involving the parietal lobe. This new lesion caused severe right-sided hemisensory deficit (and a delayed P40 peak of right tibial somatosensory evoked potential) but immediately abolished the central pain syndrome on the left side. In conclusion, in accordance with other lines of evidence this example indicates that (i) nociception and thermesthesia are apparently processed in a non-serial, probably parallel way involving both hemispheres (Knecht et al. 1996) and (ii) central pain probably constitutes a bilateral disorder of functional plasticity which has to be taken into account in DBS. P1.6 Kompartmentsyndrom nach Heroin-Genuss - Ein Fallbericht V. Keck1, E. Neugebauer2, Akuter Schmerz Dienst1 1 Chirurgische Klinik; 2Biochemische und Experimentelle Abteilung II. Lehrstuhl für Chirurgie der Universität zu Köln Aktuell oder ehemals drogenabhängige Patienten stellen oftmals eine Herausforderung für den Chirurgen in der Akutschmerztherapie dar. Wir berichten über einen 39jährigen Lagerarbeiter, der sich mit einem Kompartmentsyndrom des rechten Unterarmes und Beines nach Heroin-
Wegen einseitigen Kopf- und Nackenschmerzen nach zwei Stürzen wurde einer Patientin ein Spinal Cord Stimulator der Firma ANS implantiert. Eine Elektrode lag s.c. occipital, die andere epidural in der HWS. Mit der Stimulation war die Patientin schmerzfrei. Nach Wochen fühlte sich die Pat. zunehmend unwohl. Es trat eine Rötung und Schwellung im Bereich der s.c. Empfängertasche auf. Der allgemeine Zustand verschlechterte sich rasch, sodass die Patientin hospitalisiert werden musste. Im Verlauf wurden das ganze System entfernt und die Situation beruhigte sich. Der Wundabstrich war bland, ein Infekt wurde ausgeschlossen und im Labor fanden sich Zeichen einer allergischen Reaktion. Die weiteren Abklärungen zeigten eine bisher nicht bekannte Allergie auf Silikon. P1.8 Migräne mit prolongierter autonomer Aura – Eine Kasuistik A. Kraft, M. Kornhuber, S. Zierz Neurologische Klinik und Poliklinik der Martin-Luther-Universität Halle/Wittenberg Vorgeschichte: Eine 63jährige, rechtshändige Ärztin leidet seit über 30 Jahren ohne Remissionsphasen unter stereotypen Kopfschmerzattacken mit vegetativer Begleitsymptomatik, die durch prolongierte autonome Phänomene eingeleitet werden. Die Hemikranien treten mit wechselnder Frequenz etwa einmal wöchentlich mit einer Dauer von 48-72 Stunden auf. Im Intervall ist die Patientin kopfschmerzfrei. 12 Stunden nach einer abnormen, etwa 30-minütigen Müdigkeit beginnen die wechselseitigen Attacken mit akut einsetzenden, über die gesamte Kopfschmerzphase anhaltenden, einseitigen autonomen Symptomen in Form von Ptosis, Lidödem, Rhinorrhoe, konjunktivaler Injektion, Gesichtsschwellung und nasaler Kongestion. Etwa 3–4 Stunden später setzen ipsilaterale, heftigste, pulsierende Kopfschmerzen mit Punctum maximum peri- und retroorbital ein, begleitet von vegetativen Symptomen in Form von Schwindel, Übelkeit, Erbrechen, Photo- und Phonophobie sowie Flimmersehen. Die Patientin gibt Alkohol, Hunger, Wetterumschwünge und Schmerz als Triggerfaktoren an. Die bisher erfolgte Akuttherapie mit NSAR und Ergotaminpräparaten sowie die Prophylaxen mit Propranolol, Metoprolol, Cyclandelat,Amitritylin, Magnesium,ASS und Isoptin waren frustran. Unter dem Verdacht auf rezidivierende Sinusitiden erfolgten in früheren Jahren wiederholte wirkungslose Nasennebenhöhlenspülungen. Verschiedene physikalische Verfahren, Entspannungstechniken und Psychotherapien waren ebenso erfolglos. Eigenanamnestisch sind keine relevanten Vorerkrankungen bekannt. Der Vater der Patientin litt seit seiner Jugend an Migräne. Der Schmerz [Suppl 1]•2001
| S 45
Abstracts Untersuchungsbefunde: Der neurologische Befund war bis auf einen feinschlägigen Ruhe- und Haltetremor unauffällig. Die laborchemischen Untersuchungen, das EEG, die röntgenologischen Untersuchungen der Halswirbelsäule, die Osteodensitometrie, das cCT, die MR-tomographischen Untersuchungen von Hals und Kopf sowie die extra- und transkranielle Dopplersonographie erbrachten keine wegweisenden Befunde. Therapie: Ein Therapieversuch mit 75 mg Indometacin täglich (höhere Dosierung war aufgrund von gastrointestinalen Nebenwirkungen nicht möglich) blieb wirkungslos. Unter 1000 mg Valproinsäure täglich ist ein deutlicher Rückgang der Attackenfrequenz und -dauer sowie eine leichte Minderung der Intensität der Kopfschmerzen und vegetativen Begleiterscheinungen zu verzeichnen. Die autonomen Symptome sind seit der Einnahme von Valproinsäure vollständig regredient. Schlussfolgerung: Es handelt sich aufgrund der typischen Schmerzcharakteristik, der Attackendauer und -frequenz sowie der seitenwechselnden Lokalisation um eine Migräne. Das Besondere liegt in der autonomen Aurasymptomatik, die hier prolongiert auftritt. Diese ist bislang in ähnlicher Form für die Migräne nicht beschrieben. Es liegt lediglich eine Kasuistik von Todd D. Rozen (2000) mit vergleichbarer autonomer Begleitsymptomatik bei einem Patienten mit streng einseitigen, Indometacin-sensiblen Kopfschmerzen vor. Der vorliegende Fall erweitert das Spektrum möglicher Auraphänome bei Migräne und zeigt, dass autonome Störungen nicht ausschließlich mit Cluster-Kopfschmerzen assoziiert sind. Todd D. Rozen, MD: LASH - A Syndrome of Long-Lasting Autonomic Symptoms with Hemicrania (A new indomethacin-responsive headache). Headache 40, 483-486. P1.9 Fatale retroperitoneale Blutung nach Grenzstrangblockade unter Clopidogrel (Plavix®) C. Maier1, T. Weiß2, U. Stachetzki3, V. Nicolas4, M. Gleim5, M. Zenz2 Abteilung für Schmerztherapie1, Klinik für Anästhesiologie, Intensivund Schmerztherapie2, Institut für Pathologie3, Institut für Radiologie4 Ruhr-Universität BG-Kliniken Bergmannsheil Bochum; Klinik für Anästhesiologie und Operative Intensivmedizin5 CAU Kiel Clopidogrel (Plavix®) ist einer der moderner Thrombozytenhemmstoffe (Substanzgruppe Thienopyridine (TP), der zunehmend als Gold-Standard in der Kardiologie und Neurologie Verbreitung findet (1). TP induzieren wie ASS eine irreversible Blockade der Thrombozyten für ihre gesamte Lebensdauer (bis 7 Tage), hier durch Blockade von Adenosindiphosphat. Daher wird – trotz fehlender Fallberichte über Komplikationen – vom Hersteller eine Latenz bei elektiven Eingriffen empfohlen(2). Für das Vorgehen bei rückenmarksnahen Anästhesien existieren bisher keine Richtlinien (3). Fallbericht: Bei einer 79j. Pat. mit generalisierter inoperabler pAVK wurde unter Durchleuchtung eine Grenzstrangblockade ohne Aspiration von Blut durchgeführt. Die radiologische Dokumentation zeigte eine einwandfreie Nadellage. Die Vormedikation mit Plavix (75 mg/d) war 3 Tage vorher abgesetzt worden, am Blockadetag war die subaquale Blutungszeit mit 160 sec im Normbereich. Neun Stunden nach der Punktion beschrieb die Patientin einen Brennschmerz am Oberschenkel (Verdacht auf Psoasirritation). Die klinische Untersuchung zeigte keine sonstigen Auffälligkeiten, die Hämodynamik war stabil. Dreizehn Stunden nach der Punktion wurde die Patientin präfinal auf Station aufgefunden und frustran reanimiert. Bei der Obduktion fand sich eine massive Einblutung in die Psoasloge ohne Nachweis einer direkten Blutungsquelle mit aufsteigender, relativ frischer Thrombosierung der A. femoralis. Bewertung: Ursache der Blutung ist vermutlich eine Sickerblutung, die unter Restwirkung des TP und der Thrombose-induzierten Erhöhung der Kollateraldurchblutung zur zweizeitigen Gefäßruptur führte. Ein kausaler Zusammenhang mit der Clopidogrel Medikation ist nicht bewiesen, aber auch nicht auszuschließen, wie ein weiterer persönlich bekannter Fall einer schweren abdominellen Blutung ohne tödlichen Ausgang unter Tyklid zeigt. Wie empfehlen daher 5-7 tägige Latenz nach Absetzen der TP-Medikation bei Punktionen, bei denen eine Kompression nicht möglich ist (Epidural-, Spinalanästhesie, Grenzstrangblockade). Die subaquale Blutungszeit bietet wegen fehlender Möglichkeit zur standardisierten Durchführung keine ausreichende Sicherheit. Nach Grenzstrangblockade sollte bei gefährdeten Patienten Ultraschalluntersuchung (Psoasloge, Retroperitonealraum) erfolgen, um Blutung frühzeitig zu erkennen. M. Spannagel, L. Frey: Anästhesist (2001) 50: 142-149 Fachinfo Sanofi- Wintrop (Plavix®) C. Käser: Anästhesist (2000) 49: 234-235
S 46 |
Der Schmerz [Suppl 1]•2001
P1.10 Isoliert aufgetretene, regional schmerzhafte Osteoporose-Therapie mit Biphosphonaten A. Stein Krankenhaus München Bogenhausen, Akademisches Lehrkrankenhaus der Technischen Universität München, IV Med. Abteilung für Allgemein-, Innere Medizin, Rheumatologie, klin. Immunologie und Osteologie Eine 54jährige Patientin stellt sich mit dem V. a. rheumatoid induzierte Coxitis in unserer Abteilung vor. Im Vordergrund der Symptomatik steht die deutlich schmerzhafte Belastungs- und Bewegungseinschränkung der linken Hüfte. Vorausgegangen war eine systemische Steroidtherapie, die keinerlei Besserung erbrachte. Nach Ausschluss aller in Frage kommenden systemischen Grunderkrankungen konnte die Diagnose der lokalisierten Osteopenie mit hoher Knochenumbaurate gestellt werden durch Hüftkopfbohrung und Bestimmung der Knochenresorptionsmarker. Eine Kombinationstherapie mit peripher und zentral wirkenden Analgetika, physikalischer Therapie und medikamentös antiresorptiver Therapie mit Calcium, Vitamin D, Hormonersatztherapie und Calcitonin beeinflussen den Krankheitsverlauf zunächst nicht wesentlich. Erst die Anwendung von intravenös verabreichten Biphosphonaten führen zu einer deutlichen Verbesserung der Schmerzsymptomatik und der Bewegungs- und Belastungsfähigkeit. Die Ausscheidung der Knochenresorptionsmarker ist nach 2 Monaten im Normalbereich, die im MRT sichtbaren Zeichen der Osteopenie sind deutlich rückläufig. Aus unserer Sicht scheint die frühzeitige Anwendung von Biphosphonaten bei der gesicherten lokalen transienten Osteoporose ein geeigneter therapeutischer Weg zur Behandlung der Grundkrankheit und der Schmerztherapie. Die Untersuchung eines möglichst großen Patientenkollektivs mit dieser Art der osteopenischen Erkrankung wird dringend empfohlen um für die Zukunft allgemein gültige Empfehlungen für die Therapie und Diagnostik geben zu können. P1.11 Ponsinfarkt als Trigger einer erstmaligen Migräneattacke G. Wekerle1, T. Krauseneck1, K. Seelos2, A. Straube1 Neurologische Klinik und Poliklinik, 2Neuroradiologische Abteilung, Klinikum Großhadern, München 1
Wir berichten über eine 76jährige Patientin, bisher ohne Migräneanamnese, die nachts mit heftigem (7/10) pulsierenden Kopfschmerz aufwachte. Zusätzlich bestanden Lichtscheu, Lärmempfindlichkeit und Übelkeit mit mehrfachem Erbrechen. Die Beschwerden bildeten sich über 36 Stunden komplett zurück. Klinisch-neurologisch fanden sich eine diskrete zentrale Okulomotorikstörung und links betonte Reflexe. Kernspintomographisch konnte eine frische ischämische Läsion im zentralen und lateralen linken Pons in der Nähe des Trigeminuskerngebietes nachgewiesen werden. Die Patientin wurde sekundärprophylaktisch mit Acetylsalicylsäure behandelt.Weitere Kopfschmerzattacken traten im Beobachtungszeitraum von 8 Monaten nicht auf. Kopfschmerzen in zeitlichem Zusammenhang mit cerebralen vaskulären Ereignissen sind nicht ungewöhnlich. Gerade Ischämien im hinteren Strombahngebiet sind bei bis zu 30% der Patienten mit Kopfschmerzen assoziiert. Ungewöhnlich hingegen sind der migränetypische Charakter mit ausgeprägten vegetativen Begleitsymptomen und das Fehlen anderweitiger akuter neurologischer Beschwerden. Wir nehmen an, dass die akute trigeminuskernnahe Läsion diese erstmalige Migräneattacke getriggert hat.Aus der Literatur ist zu entnehmen, dass Läsionen in dieser Region unterschiedliche primäre Kopfschmerzsyndrome imitieren können. Diese symptomatischen Fälle können uns wertvolle Hinweise zum pathophysiologischen Verständnis primärer Kopfschmerzsyndrome liefern, zumal der genaue Entstehungsmechanismus des Migränekopfschmerzes noch nicht bekannt ist. Man geht davon aus, dass die Schmerzen ein neurovaskuläres Reaktionsmuster auf interne oder externe Stimuli im Hirnstamm darstellen. Dabei soll es zu einer Aktivierung trigeminovaskulärer Strukturen kommen mit der Folge einer Ausschüttung von Neuropeptiden, die eine Vasodilatation meningealer Gefässe bewirken und eine neurogene Entzündungskaskade in Gang setzen. Diese Interaktion zwischen Blutgefässen und Kerngebieten des Hirnstamms gilt als wesentliches pathophysiologisches Substrat für die Schmerzentstehung und –übertragung. Der vorgestellte Fall unterstützt die Bedeutung des trigeminovaskulären Konzeptes in der Pathophysiologie der Migräne.
P1.12 Therapie beim chronischen Clusterkopfschmerz – ein „interaktiver“ Poster C. Wöber, P. Wessely Univ.Klinik für Neurologie Wien Der chronische Clusterkopfschmerz stellt nicht selten eine besondere therapeutische Herausforderung dar. Bei manchen Patienten erweisen sich die empfohlenen Therapiemaßnahmen als ineffektiv, sodaß neue noch nicht ausreichend gesicherte Behandlungsstrategien zum Einsatz kommen. Oft limitiert aber auch das Auftreten bzw. das Risiko unerwünschter Wirkungen die Therapie. Anhand einer Falldarstellung werden diese Probleme exemplarisch dargestellt. Der nun 36jährige Patient wurde zirka zwei Jahre lang wegen eines „Gesichtsschmerzes“ erfolglos therapiert ehe im März 1998 die Diagnose Clusterkopfschmerz (mit infraorbitalem Schmerzmaximum) gestellt wurde. Zur Attackenkupierung setzt der Patient seit damals mit gleichbleibendem Erfolg und ohne unerwünschte Wirkungen Sumatriptan s.c. ein. Die kumulative Dosis beträgt zum 30.6.2001 1128 Einzelgaben. Der Monatsbedarf erhöhte sich sukzessive und liegt seit Dezember 2000 bei 50 Einzeldosen. Prednisolon ist das einzige wirksame Prophylaktikum und wird vom Patienten, der voll berufstätig ist, für eine Woche pro Monat (meist bei beruflichen Reisen) eingenommen. Die erforderliche wirksame Dosis hat sich von 10 mg jeden zweiten Tag auf 25 bis 50 mg täglich erhöht hat. Während der Cortisoneinnahme und wenige Tage danach ist der Patient (weitgehend) beschwerdefrei. Die folgenden Therapien waren (z.T. auch in Kombination) nur passager oder gar nicht effektiv und waren z.T. zusätzlich mit erheblichen Nebenwirkungen verbunden: Verapamil, Lithium, Valproinsäure, Topiramat, Gabapentin, Indometacin, ganglionäre lokale Opoidanalgesie (GLOA) sowie eine Gamma-Knife-Behandlung der Trigeminuswurzeleintrittszone. Die Kongreßteilnehmer sind eingeladen, in einem kurzen Fragebogen die bisherige und die laufende Therapie des Patienten zu kommentieren, Vorschläge für die Fortführung der Therapie zu machen und etablierte sowie (noch) nicht etablierte Therapien des chronischen Clusterkopfschmerzes auf Basis ihrer eigenen Erfahrung zu bewerten. Die Ergebnisse der Befragung werden am letzten Kongreßtag präsentiert. P1.13 Therapieresistente Schmerzen durch Tumorinfiltration des Plexus lumbalis – Ein Fallbericht A. Zimmer, F. Grochulla*, B. Päplow, K. Pahlke, W. Meißner Schmerzambulanz der Klinik für Anaesthesiologie und Intensivtherapie, *Klinik für Neurochirurgie der Universität Jena Hintergrund: Tumorschmerzen sind in mehr als 90% aller Fälle durch eine medikamentöse Schmerztherapie suffizient und nicht invasiv behandelbar. Die vorliegende Kasuistik beschreibt einen komplizierten Verlauf eines neuropathischen Schmerzes bei Metastasierung und diskutiert den Stellenwert neuroablativer Verfahren. Kasuistik: Ein 34-jähriger Patient mit einem metastasierenden malignem Melanom wurde uns mit starken, attackenförmig, stromstoßartig einschießenden Schmerzen in das linke Bein vorgestellt. Ursache dieser Symptomatik war eine ca. 15 cm große retroperitoneale Raumforderung, die den Plexus lumbalis infiltrierte. Die medikamentöse Therapie ist mit Morphin oral und Carbamazepin bis 1200 mg/d eingeleitet worden. Innerhalb von 17 Tagen war eine Steigerung des Opiatbedarfes auf 600 mg per os pro Tag notwendig geworden, ohne dass eine wesentliche Schmerzlinderung zu erreichen war. Auch mit zusätzlichen parenteralen Morphingaben waren die neuralgiformen Attacken nur wenig zu beeinflussen. Unter der Vorstellung einer Toleranzentwicklung auf Morphin versuchten wir eine kontinuierliche intravenöse Applikation von Ketamin in ansteigender Dosierung bis zum Auftreten halluzinativer Nebenwirkungen (25 mg/h). Auch diese Therapiemaßnahme konnte die stärksten Schmerzen des Patienten nicht mildern. Der Patient lag bei Auftreten der Attacken meist vor Schmerzen schreiend im Bett. Nach Anlage einer Periduralanaesthesie mit Lokalanaesthetika und nachweisbarer sensibler und motorischer Blockade waren die attackenförmigen Schmerzen gemildert, aber nicht gänzlich zu durchbrechen. Bereits 3 Tage später war weder durch Lokalanaesthetika noch durch epidurale Morphingabe eine Schmerzbeeinflussung zu erreichen. Die Attacken traten wieder mit Schmerzstärken von VAS 8-10 auf, so das der Patient vorübergehend mit Opioiden und Propofol analgosediert werden musste. Nachfolgende Versuche mit intrathekaler und intraventrikulärer Gabe hoher Morphindosen waren ebenso erfolglos. Lediglich die bolusartige Gabe von LA über einen Spinalkatheter führte zu einer Schmerzlinderung, jedoch unter Inkaufnahme einer Parese beider Beine. Nach einem interdisziplinärem Konsilium wurde dem Patienten als nun-
mehr einzige Option die Chordotomie vorgeschlagen, und diese nach Hemilaminektomie in Höhe BWK 2/3 rechts durch die neuro-chirurgischen Kollegen der Klinik durchgeführt. Nach unkompliziertem postoperativen Verlauf konnte der Patient völlig schmerzfrei nach Hause entlassen werden. Die Morphingabe wurde ausgeschlichen. Neurologisch bestanden präoperativ eine Hüftbeugeparese, sowie eine Hypästhesie des linken Beines, postoperativ eine Hypalgesie ab Th5 komplett links. Epikritisch gesehen war hier in diesem Fall die Chordotomie das einzig suffiziente schmerztherapeutische Verfahren. Im individuellen Fall halten wir es für bedeutsam invasive bzw. operative Verfahren rechtzeitig in Erwägung zu ziehen.
P2 Gesundheitspolitik, Versorgung P2.1 Qualität und Effektivität der Schmerztherapie vor Aufnahme im Hospiz I. Borchmeyer1, C. Maier2 1 Hospiz St.Hildegard, 2Abteilung für Schmerztherapie BG Kliniken Bergmannsheil, Universitätsklinik, Bochum Fragestellung: Schmerzbezogene epidemiologische Studien zur Punktund Periodenprävalenz chronischer Schmerzen belegen eine defizitären medizinische Versorgungslage für Patienten mit chronischen Schmerzen in Deutschland (1). Obgleich für Tumorpatienten das WHO-Stufenschema seit langem bekannt ist (2, 3), und der Anteil der mit Opioiden versorgten Patienten sowie die durchschnittliche Gesamtverschreibungsmenge in Deutschland anstieg, ist die Qualität der Schmerzbehandlung offenbar weiterhin unzureichend (4), wobei das Ausmaß des Problems unbekannt ist. Daher wurde bei Bochumer Hospizpatienten die Vortherapie durch Hausärzte und Onkologen sowie der Verlauf nach Aufnahme untersucht. Methodik: Nach positivem Votum der Ethikkommission und Einwilligung wurden konsekutiv 66 im Hospiz aufgenommene Patienten eingeschlossen. Die Schmerzanamnese und Vorbehandlung wurde standardisiert erfaßt, ebenso nachfolgende Therapieänderungen und ihr Effekt mittels numerischer und verbaler Kategorialskalen zu verschiedenen Parametern. Statistik: Paar-Vergleich Wilcoxon. Ergebnisse: Der durchschnittliche und maximale Schmerzscore sank von 4,9 bei Aufnahme auf 2 NRS im Hospiz, der maximale von 6,5 auf 2,8 NRS (beides p<0,05). 46/66 Patienten (70%) erhielten vor Aufnahme stark wirksame Opioide, davon 36% jedoch unterdosiert (vs. 18% unter Hospiztherapie). Nur 17 % erhielten Nichtopioide, davon 92% stark unterdosiert oder mit zu langen Intervalle. 72% der Patienten hatten keine Behandlung mit Ko-Analgetika. 36% keine Ko-Therapeutika (wie Laxanzien oder Antiemetika) trotz gegebener Indikation. Schlussfolgerung: Die Schmerzintensität konnte im Hospiz durch einfache Maßnahmen nach WHO-Regeln signifikant erniedrigt werden. Hauptfehler der Vorbehandelnden war weniger die zurückhaltende Verschreibung von Opioiden Stufe III als vielmehr ihre Unterdosierung und vor allem der insuffiziente Umgang mit Nicht-Opioiden, Ko-Analgetika und -Therapeutika. 1. Zimmermann M, Epidemiologie des Schmerzes, Internist 35:2 ff (1994) 2. Ventafridda V, Ripamonti C, Conno F de, Tamburini M, Cassileth BR, Symptom prevalence and control during cancer patients’ last days of life, J Palliat Care 6:7 (1990) 3. Zech DF, Grond S, Lynch J, Hertel D, Lehmann KA, Validation of World Health Organization Guideline for cancer pain relief: a 10-year prospective study, Pain 63:65 (1995) 4. Munzinger H, Horstkotte E, Hofmann W, Opioidanalgetika in der Behandlung ambulanter Tumorpatienten 1993 und 1996 Ergebnisse einer bevölkerungsbezogenen Untersuchung, Schmerz 15:26 ff (2001) P2.2 Somatoforme Schmerzpatienten leiden häufig an zusätzlichen psychischen Störungen: Komorbidität bei Patienten in einer Spezialambulanz B. Kappis, J. Hardt, R. Nickel, F. Petrak, U. T. Egle Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie (Direktor: Univ-Prof. Dr. S. O. Hoffmann) Fragestellung: Der klinische Eindruck legt bei Patienten mit somatoformen Schmerzerkrankungen eine hohe behandlungsrelevante Komorbidität mit anderen psychischen Störungen nahe. Gesicherte Angaben zur Prävalenz hierzu fehlen bisher. Im Hinblick auf die Behandlungsplanung werden Häufigkeit und Art der Komorbidität untersucht. Der Schmerz [Suppl 1]•2001
| S 47
Abstracts Methode: N = 108 konsekutiv rekrutierte Patienten mit somatoformen Schmerzen (Altersdurchschnitt 45,1 Jahre, 66,7% Frauen), wurden mit dem SKID (Strukturiertes Klinisches Interview für DSM-IV) systematisch hinsichtlich psychischer Störungen (Achse-I-Störungen) und Persönlichkeitsstörungen (Achse-II-Störungen) untersucht. Hierbei wurden sowohl aktuelle als auch Lebenszeitstörungen erfasst. Ergebnisse: 78,7% der Patienten erhalten die DSM-IV-Diagnose „Schmerzstörung“, 13,9% der Patienten erfüllen vollständig die Kriterien für die Diagnose „Somatisierungsstörung“. Die restlichen 7,4% leiden an einer „unspezifischen somatoformen Störung“. Zum Untersuchungszeitpunkt leiden 64,8% der Patienten neben der somatoformen Störung an mindestens einer weiteren psychischen Störung. Hierbei sind die affektiven (38%) als auch die Angststörungen (30,6%) am häufigsten. Bei den Persönlichkeitsstörungen findet sich für 21,5% der Patienten mindestens eine Achse-II-Diagnose. Die häufigsten Persönlichkeitsstörungen (PS) sind die zwanghafte PS (22,6% aller PS) und die selbstunsichere PS (19,4%). Paranoide PS (12,9%), Borderline-PS (9,7%), antisoziale PS (3,2%) finden sich nur in geringem Ausmaß. Bei 5,7% der Patienten ergeben sich zwei oder drei Diagnosen auf Achse II. Diskussion: Die Studie liefert mit der Berücksichtigung psychischer Störungen und Persönlichkeitsstörungen erstmalig fundierte wissenschaftliche Ergebnisse zur psychischen Komorbidität bei somatoformen Schmerzerkrankungen. Die im Vergleich mit den wenigen vorliegenden Studien geringere Rate der Persönlichkeitsstörungen und das seltene Vorliegen „schwerer“ Persönlichkeitsstörungen kann mit der sorgfältigen strukturierten Diagnostik und mit der untersuchten Stichprobe in einer Spezialeinrichtung der Tertiärversorgung zusammenhängen. Die Notwendigkeit umfassender psychosomatischer Diagnostik wird mit dieser Untersuchung bestätigt. Mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft (EG 125/1) P2.3 Chronifizierungsfaktoren und Alltagsbeeinträchtigung bei Patienten mit somatoformen Schmerzen B. Kappis, J. Hardt, R. Nickel, F. Petrak, U. T. Egle Klinik und Poliklinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie (Direktor: Univ.-Prof. Dr. S. O. Hoffmann), Johannes Gutenberg-Universität Mainz Hintergrund: Häufige Arztwechsel von Patienten mit somatoformen Schmerzerkrankungen stellen für Patienten und Behandler ein bekanntes Problem dar. Methode: N = 104 Patienten mit somatoformen Schmerzen (Altersdurchschnitt 45,0 Jahre, 70,2% Frauen) wurden mit der Mainzer Strukturierten Biographischen Anamnese (MSBA) untersucht. Hiermit wird in Form eines strukturierten Interviews die Lebensgeschichte und die Beschwerdeentwicklung erhoben. Ergebnisse: Mehr als die Hälfte dieser Schmerzpatienten leidet seit über 5 Jahren an der Schmerzsymptomatik. Das Alter bei Erkrankungsbeginn beträgt sowohl für Frauen wie für Männer durchschnittlich 35 Jahre. In wenigen Fällen geht dem Schmerzbeginn eine Infektion voraus, ebenfalls selten (in 1/5 der Fälle) findet sich eine Operation unmittelbar vor Schmerzbeginn. Die Patienten haben bisher wegen der Beschwerden im Durchschnitt mehr als zehn verschiedene Behandler aufgesucht, wobei neben dem Hausarzt orthopädische (ca. 75%) und neurologische (ca. 65%) Behandler am häufigsten genannt werden. Die durchschnittliche bisherige stationäre Behandlungsdauer beträgt mehr als sieben Wochen. Weniger als 30% der Patienten berichtet von bisherigen psychotherapeutischen bzw. psychologischen Behandlungen oder Beratungen. Mehr als 3/4 der Patienten nimmt zum Untersuchungszeitpunkt regelmäßig Schmerzmittel ein. Die Wirksamkeit dieser Schmerzmittel wird auf einer visuellen Analog-Skala (keine Wirkung vs. optimale Wirkung) im mittleren Bereich eingeschätzt. Die Beeinträchtigung durch die chronischen Schmerzen zeigt sich ebenfalls in unterschiedlichen Lebensbereichen (Pain Disability Index, PDI). Diskussion: Patienten mit somatoformen Schmerzen haben eine lange Schmerzkarriere mit vielen verschiedenen Behandlern und Krankenhausaufenthalten. Hierbei erleben Patienten und Behandler nicht selten Frustrationen durch wirkungslose Behandlungsversuche. Dem sollte mit einer frühen diagnostischen Erkennung der somatoformen Erkrankung und mit gezielten Behandlungskonzepten Rechnung getragen werden. Mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft (EG 125/1)
S 48 |
Der Schmerz [Suppl 1]•2001
P2.4 Interdisziplinäre Therapie ist bei chronischen Schmerzen effektiv K. Klimcyk, O. Kuhnt, I. Haase, W. Grünefeld, M. Ruoß Interdisziplinäre Schmerzklinik an der Fachklinik Enzensberg Fragestellung: Im Juli 1999 wurde eine interdisziplinäre Schmerzklinik an einer Fachklinik für Rehabilitation in Hopfen am See bei Füssen eingerichtet. Sie zeichnet sich durch eine multimodale interdisziplinäre Behandlung durch Ärzte, Psychologen und Therapeuten verschiedenster Fachrichtungen bzw. Qualifikationen aus. Behandlungsziel ist die aktive Bewältigung verbleibender Schmerzen. Schwerpunktmäßig werden chronisch schmerzhafte Erkrankungen des Bewegungsapparates, vorwiegend Rückenschmerzen, behandelt. Im Rahmen einer einjährigen Pilotphase war zu untersuchen, ob dieser multidisziplinäre Zugang – wie es die Literaturlage vermuten lässt – bei den Schmerzpatienten eine deutliche und nachhaltige Reduktion ihres Leidens bewirkt. Angewandte Methodik: Es wurden alle zwischen Juli 1999 und Juni 2000 in der Schmerzklinik behandelten Patienten (Chronifizierungsgrad II oder III nach Gerbershagen) mit dem Schmerzfragebogen der Deutschen Gesellschaft zum Studium des Schmerzes (DGSS) vor Aufnahme, bei Entlassung und sechs Monate nach Entlassung schriftlich befragt (Prä-Post-Design ohne Vergleichsgruppe).Wesentliche Zielgrößen sind Schmerzintensität (numerische Ratingskalen), Schmerzempfindung (SES), Beeinträchtigung durch Schmerzen (PDI), Depression (ADS) und verschiedene Dimensionen der gesundheitsbezogenen Lebensqualität (SF-36). Ergebnisse und Schlussfolgerungen: Von 76 der im Rekrutierungszeitraum behandelten und in die Studie eingeschlossenen 222 Schmerzpatienten liegen weitgehend vollständige Datensätze über alle drei Messzeitpunkte vor, bei weiteren 38 fehlt nur der Entlassungsbogen. Die behandelten Patienten sind durchschnittlich 52 Jahre alt und überwiegend weiblichen Geschlechts (63%). Für diese Patientengruppe lassen sich deutliche Verbesserungen hinsichtlich aller o.g. Parameter im Verlauf des stationären Aufenthaltes bis zur Entlassung feststellen (z.B. signifikante Reduktion der Schmerzintensität um 35%, p < 0,01). Sechs Monate nach dem Aufenthalt ist hinsichtlich der meisten Zielgrößen ein leichter Rückgang gegenüber dem Entlassungsstatus zu verzeichnen, jedoch ist der Follow-upStatus der Patientengruppe in jeder Outcome-Dimension deutlich besser als vor der stationären Schmerzbehandlung (z.B. signifikante Schmerzreduktion um 24% bezogen auf den Zeitpunkt der Nacherhebung, p < 0,01). Unser Ergebnis unterstützt die These, dass die stationäre Behandlung in einer interdisziplinär ausgerichteten Schmerzklinik effektiv ist. Die Reduktion des individuellen Leidens begünstigt die Wiederaufnahme der Arbeit, verringert die Inanspruchnahme von Leistungen des Gesundheitssystems und ist somit auch ökonomisch von Bedeutung. P2.5 Evaluation eines manualmedizinischen Behandlungskonzeptes in der Versorgung chronischer Schmerzpatienten Pioch E., Seidel W. Klinik für Manuelle Medizin an den Hellmuth-Ulrici-Kliniken, Waldhaus Straße, 16766 Sommerfeld bei Berlin Fragestellung und Methodik: Es wird eine kontrollierte Verlaufsstudie zur stationären Behandlung chronischer Schmerzpatienten vorgestellt. Dabei steht die Frage im Vordergrund in welchen Parametern eines biopsycho-sozialen Schmerzmodells therapeutische Erfolge erzielt werden können und welche Größenordnung diese Erfolge aufweisen. Es werden Patientengruppen unterschiedlicher Chronifizierungsstadien in ihrem therapeutischen Ergebnissen miteinander verglichen. Die Studie soll Hinweise darauf geben, welche Zielstellungen für welche Gruppe chronischer Schmerzpatienten realistischer Weise gesteckt werden können. Die vorzustellende Studie stammt aus der Klinik für Manuelle Medizin. 211 Patienten wurde zum Zeitpunkt der stationären Aufnahme in die Klinik ein ausführlicher Schmerzfragebogen gegeben. Weitere Katamnesen wurden bei Entlassung und sechs Wochen poststationär erhoben. Mit folgenden Instrumenten der Schmerzdokumentation zur Schmerzintensität (VAS), der Schmerzausbreitung (Piktogramm), der Depressivität (CESD), der Beeinträchtigung des täglichen Lebens (PDI) und der Lebensqualität (SF-36) wurde zunächst versucht die prädiktive Wertigkeit der Mainzer Schmerzstadieneinteilung einzuschätzen. Zur Beantwortung der Frage, welche Patienten am meisten von einer vollstationären, ganzheitlich orientierten Behandlung profitieren, wurden Vergleichsgruppen nach den Mainzer Schmerzstadien (nach Gerbershagen) gebildet und über den Behandlungsverlauf ausgewertet. Als Kontrollgruppe wurden eine Erhebung über einen entsprechenden Zeitraum an Patienten aus der Warteliste durchgeführt.
Ergebnisse und Schlußfolgerungen: Faßt man die Ergebnisse der Verlaufsbeobachtung für die verschiedenen Schmerzstadiengruppen zusammen, so lassen sich unterschiedliche Therapieerfolge abschätzen. Es kann für die einzelnen Chronifizierungsgrade differenziert dargestellt werden, dass eine manualtherapeutischen Komplexbehandlung in dem untersuchten Parameter (VAS, CES-D, PDI, SF-36) unterschiedliche Therapieerfolge vorweisen kann. Wie zu zeigen ist, kann für rund 70% der Patienten ein überdurchschnittlicher Erfolg auf mindestens einer der hier gemessenen Ebenen verzeichnet werden. Bezeichnender Weise unterscheiden sich die Parameter in denen therapeutische Erfolge zu verzeichnen sind deutlich zwischen den Schmerzstadien. Es ist hervorzuheben, dass auch Patienten des Chronifizierungsstadiums 3 therapeutische Erfolge vorzuweisen haben. Diese liegen allerdings überwiegend im Bereich der Krankheitsbewältigung und der subjektiven Beeinträchtigung im täglichen Leben. Aus den Ergebnissen lässt sich als Schlußfolgerung die Frage formulieren, ob nicht das therapeutische Ziel für schwer chronifizerte Patienten neu formuliert werden muss. Auch ein multimodales Behandlungskonzept kann für diese Patientengruppe das üblicherweise primäre Ziel einer Schmerzreduktion kaum bewältigen, kann aber gute Hilfestellungen in der Bewältigung des täglichen Leben geben. P2.6 Schmerzprävalenz stationärer Patienten einer deutschen Universitätsklinik B. Strohbücker1, R. Sabatowski2, H. Mayer1, G.C.M. Evers1 Institut für Pflegewissenschaft, Universität Witten/Herdecke1 Klinik und Poliklinik für Anaesthesiologie und Operative Intensivmedizin der Universität zu Köln2 Einleitung: Daten zur Schmerzprävalenz aus dem Ausland zeigen, dass Schmerzen im Krankenhaus häufig und oft in starker Intensität auftreten. In Deutschland wurde die Schmerzsituation im Krankenhaus bis jetzt nur von Patienten mit Tumorerkrankungen oder von postoperativen Patienten untersucht. Erstmals wird in dieser Studie das Auftreten und die Intensität von Schmerzen sowie die Analgetikagaben von nicht selektierten Patientenpopulationen einer deutschen Universitätsklinik ermittelt. Methodik: Es wurde ein deskriptives, korrelationelles Querschnittdesign ausgewählt. Innerhalb von acht Wochen (November 2000 – Januar 2001) wurden 825 Patienten von 48 Stationen kontaktiert (intensivmedizinische, psychiatrische und pädiatrische Stationen ausgenommen). Ein strukturiertes Interview sowie eine Dokumentenanalyse wurden durchgeführt. Zur Messung der Schmerzintensität wurde eine Visuelle Analog Skala (VAS) eingesetzt. Ergebnisse: Von den 825 ausgewählten Patienten erfüllten 162 die Einschlusskriterien nicht (Beeinträchtigung des Sehens, Hörens, Sprechens oder des Allgemeinzustands), 102 Patienten lehnten eine Teilnahme ab, 561 Patienten gaben ihr schriftliches Einverständnis und nahmen an der Befragung teil. Schmerzen in Ruhe hatten 33%, bei Bewegung 50% und Schmerzen in den letzten 24 Stunden vor dem Interview gaben 63% der Patienten an. Mittelstarke bis starke Schmerzen (VAS ≥ 45) in den letzten 24 Stunden hatten 58%. Schmerzen mit einer Dauer von über sechs Monaten wurden bei 33% ermittelt.Von den Patienten mit Schmerzen hatten 50% Analgetika in den letzten 24 Stunden erhalten. Patienten mit starken Schmerzen (VAS ≥ 65) erhielten häufiger Analgetika (71%), bei 24% von ihnen wurden starke Opioide eingesetzt. Ein negativer Pain Management Index wurde bei 44% der Patienten der gesamten Stichprobe errechnet. Patienten aus ausschließlich konservativen Disziplinen hatten häufiger einen positiven PMI als Patienten aus operativen Disziplinen (62% vs. 53%). Geschlechtsbedingte Unterschiede konnten nicht nachgewiesen werden. Altersabhängig war lediglich die Häufigkeit des Auftretens von Schmerzen mit einer Dauer von über sechs Monaten, sie nahm in den höheren Altersgruppen signifikant zu. Schlussfolgerung: Die Ergebnisse zeigen, dass bei stationären Patienten einer Universitätsklinik Schmerzen ein häufig anzutreffendes Phänomen sind und die Schmerztherapie oft als unzureichend beurteilt werden muss. Schmerzen werden häufig nicht erfasst oder gemessen bzw. das Ausmaß der Schmerzen wird unterschätzt. Die medikamentösen Therapiemöglichkeiten wurden bei den Patienten der vorliegenden Untersuchung längst nicht ausgeschöpft. Es erscheint wichtig, Leitlinien zu erstellen und diese zu implementieren, mit denen versucht wird, die Schmerztherapie auf einen einheitlichen Standard zu bringen. Schon die Einführung eines systematischen Schmerzassessments würde dazu beitragen, Schmerzzustände rechtzeitig zu erkennen, so dass eine adäquate Behandlung daraus resultieren könnte.
P2.7 Chronic pelvic pain-„Chronische Unterbauchschmerzen“ G. Scharbert, A. Hofbauer, A. Spacek, H-G. Kress, S. Sator-Katzenschlager Klinische Abteilung für Anästhesie und Intensivmedizin (B), Universitätsklinik Wien, Schmerzambulanz im AKH Wien Fragestellung: Chronischer Unterbauchschmerz ist zunehmend ein tägliches Problem in einer Schmerzambulanz.Wir haben die Patientinnen unserer Studie mit chronischen Unterbauchbeschwerden in Gruppen nach ihrer Schmerzqualität eingeteilt. Zusätzliches Ziel der Studie war es, die klinische Wirksamkeit einer medikamentösen Therapie mit Gabapentin und Amitryptillin bei „neuropathischen“ Unterbauchbeschwerden zu evaluieren. Methode: 19 Patientinnen (39.79±14.32Jahre) mit chronischen Unterbauchschmerzen (ASA I,II), die unserer Schmerzambulanz vorgestellt wurden, wurden retrospektiv ausgewertet. Nach einer ausführlichen Schmerz- und Sozialanamnese, klinischen und neurologischen Untersuchung wurden die Patientinnen gynäkologisch, chirurgisch, neurologisch, psychatrisch bzw. urologisch begutachtet. Zusätzlich wurde ein LWS-MRI angefertigt. 7 Patientinnen hatten mehr als 2 Voroperationen im Unterbauch und 12 gynäkologische Voroperationen, 6 Patientinnen urogenitale Infektionen, 3 Patientinnen wiesen Mißbrauch in der Kindheit auf. Von diesen Patientinnen gaben 7 brennende, 10 stechende, 7 ziehende, 6 krampfartige, 2 schneidende und 3 blitzartig einschiessende Schmerzen an. 6 Patientinnen hatten zusätzlich noch einen Befund im LWS-Berreich. 15 Patientinnen mit brennenden und stechenden Beschwerden wurden mit Amitryptillin (39.33±18.43 mg) und Gabapentin (1400±723.88 mg) therapiert. Die anderen Sensationen, wie ziehende und krampfartige Schmerzen wurden nach WHO-Stufenschema eingestellt. Patientinnen mit psychosomatischen Beschwerden wurden sowohl medikamentös als auch psychotherapeutisch behandelt. Zusätzlich erhielten die Patientinnen eine Physiotherapie (Wirbelsäulengymnastik, Beckenbodenturnen) und ein TENS-Gerät für die Heimtherapie. Statistik: Die Auswertungen wurden nach t-test mit Mittelwert und Standardabweichung berrechnet. Ergebnisse: Die Patientinnen kamen mit VAS 7.32±1.13 zur Erstvorstellung. Nach Therapieeinstellung konnte eine 60.66±27.78 % VAS-Reduktion auf VAS 2.89±2.10 erreicht werden, die unter bestehender medikamentöser Therapie auch nach einem Follow-up über 1 Jahr beobachtet werden konnte. Schlussfolgerung: Bei den Patientinnen mit sogenannten „neuropathischen“ (brennend, stechend) Unterbauchbeschwerden konnte unter Gabapentin und Amitryptillin eine anhaltende Schmerzreduktion erzielt werden. 1 Steege, Metzger, Levy. Chronic pelvic pain – An Integrated Approach. W.B. Saunders Company 1998 P2.8 Privat getragene Behandlungskosten von chronisch Schmerzkranken – Eine vergessene Kostenkomponente? B. Sengpiel, M. Zenz, C. Maier BG-Kliniken Bergmannsheil, Universitätskliniken, Zentrum für Anaesthesiologie, Intensivmedizin und Schmerztherapie, Bürkle-de-la-Camp-Platz 1, 44789 Bochum Fragestellung: Vom Gesundheitssystem getragene direkte Kosten, z.B. von Rückenschmerzen, betrugen 1998 ca. 4,7 Mrd. €. Keine der vorliegenden Auswertung berücksichtigte die privat zu tragenden Behandlungskosten der Patienten. Methodik: Fragebogen (FB) mit den Items Schmerzdauer, Angabe, ob persönlich getragene Kosten entstanden sind, Einkommen, Jahr und Art der Behandlung, Beruf des Therapeuten, Empfehlung durch, Honorar, Zusatzkosten. Ergebnisse: In 104 auswertbaren FB hatten 40% privat zu tragende Kosten. 59% keine Kosten, 1% keine Angaben. Kostenhöhe pro Patient pro Jahr (1999, Median) 391 € (Min. 66 €, Max. 2556 €). Häufigkeitsunterschiede: Krankheitsdauer < 2 Jahre 35%, > 2 Jahre 44%; Einkommen < 1000 € 59%, > 1000 € und < 2500 € 40%, > 2500 € 58%; Diagnose Kopfschmerz 53%, Rückenschmerz 33%, neuropathischer Schmerz 26%; Versicherungsstatus Ersatzkassen 53%, Privat 44%, Primärkassen 39%, Berufsgenossenschaft 7%. Art der Behandlung: Akupunktur 51%, physikalische und physiotherapeutische Maßnahmen 22%, Spezialinjektionen 8%, andere bzw. keine Angaben 19%. Therapeuten: Ärzte 72%. Empfehlung durch: Ärzte 63%, Bekannte 23%, aus den Medien 8% und andere 6%. Schlussfolgerung: Die vorliegenden Daten zeigen eine nicht zu unterschätzende Größenordnung privater Zusatzkosten. Die Behandlungen wurden zum größten Teil bei Ärzten durchgeführt. Die medizinische, poDer Schmerz [Suppl 1]•2001
| S 49
Abstracts litische und ökonomische Relevanz sollten näher untersucht werden. Private Aufwendungen spielen in der Therapie chronischer Schmerzen eine erhebliche Rolle und sollten mit erfasst werden. Ref.: Bolten, W. et al. 1998, Analyse der Krankheitskosten bei Rückenschmerz, Med Klin 1998 Jun 15;93(6):388-93 P2.9 Aufbau ärztlicher Netzwerke. Eine internetbasierte Conjoint-Analyse unter Anästhesiologen B. Sonntag, N. Schmeißer Institut und Poliklinik für Psychosomatik und Psychotherapie der Universität zu Köln Einleitung: Im Rahmen einer aus dem Schmerztherapeutischen Ambulanten Netzwerk Köln (STAN: http://www.medizin.uni-koeln.de/stan) erwachsenen Studie, wurden die Nutzenerwartungen von Ärzten gegenüber dem Aufbau ärztlicher Netzwerke erforscht. In einer Vorstudienphase wurde eine Auswahl von Kooperationsärzten des Modellprojekts STAN nach ihren zukünftigen Nutzenerwartungen gegenüber der Teilnahme an Netzwerken gefragt. Aus den halbstandardisierten Interviews wurde ein Fragebogen konstruiert, durch den das von den Ärzten bevorzugte Angebotsprofil erfragt wurde. Zur Ermittlung der Präferenzstruktur wurde eine Conjoint-Analyse eingesetzt. Der Fragebogen wurde internetbasiert dargeboten. Methode: Aufgrund der Inanspruchnahme der STAN-Angebote, ließen sich unterschiedliche „Verbraucher-Gruppen“ definieren. Aus jeder Gruppe wurden 2 Ärzte zufällig ausgewählt und um ein Interview gebeten. Die Befragung der 12 Kooperationsärzte erfolgte durch ein halbstandardisiertes, problemzentriertes Interview. Die Auswertung erfolgte nach der „Grounded Theory“ [2]. Durch die transkribierten, manifesten Nutzenerwartungen, wurde eine Etikettenliste erstellt, die zur Kodierung aller Interviews diente. Insgesamt wurden 4 bedeutsame Faktoren mit insgesamt 11 Faktorstufen aus den Bereichen Information, Fortbildung und Finanzierung bestimmt. Die Gesamtheit aller möglichen Faktorstufenkombinationen wurde auf 8 Kombinationen reduziert. Die Kombinationen sollten von den Probanden innerhalb einer Conjoint-Analyse [1] bezüglich ihrer Attraktivität beurteilt werden. Eine Conjoint-Analyse ist eine dekompositionelle statistische Methode, die die Präferenzstruktur der Befragten hinsichtlich der gegebenen Faktorstufen schätzt und die bevorzugte Faktorstufenkombination ermittelt. 543 Mitglieder der Deutschen Gesellschaft zum Studium des Schmerzes wurden mittels personalisierter E-Mail zu Teilnahme an der Studie aufgefordert. Der Fragebogen wurde internetbasiert dargeboten. Ein teilweise bearbeiteter Fragebogen konnte zu einem späteren Zeitpunkt weiter bearbeitet werden. Zum Schutz gegen mehrfaches Ausfüllen des Fragebogens wurde der passwortgeschützte Zugang nach der ersten vollständigen Beantwortung des Fragebogens gesperrt. Ergebnisse: Von allen angefragten Personen füllten 62 Anästhesiologen den Fragebogen komplett aus. Darunter 13 Frauen und 49 Männer. Der Altersmedian lag bei 43 Jahren. 6 Anästhesiologen waren niedergelassen, 56 waren nicht niedergelassen. 61 der Befragten gaben an, im letzten Jahr an einer Fortbildung teilgenommen zu haben. 45 an einer Balintgruppe, Fallkonferenz bzw. Supervision. 33 an einem Qualitätszirkel und 11 Befragte haben in diesem Zeitraum an einem Netzwerk teilgenommen. (Mehrfachnennungen). 53 der Befragten wünschten sich mehr Kontakt zu Kollegen. Nur 9 Respondenten genügte ihr bestehender Austausch. Nach der Conjoint-Analyse war die Bedeutsamkeit der einzelnen Faktoren ausgeglichen. Zwischen den einzelnen Faktorstufen gab es aber deutliche Attraktivitätsunterschiede. Der Faktor Information wurde als am bedeutsamsten (27,09%) vor den Bereichen Beratung (26,46%), Fortbildung (24,45%) und Finanzierung (22%) eingestuft. Am attraktivsten erschien den Befragten folgendes Angebotsprofil: Die Möglichkeit den Patienten von einem Spezialisten in der eigenen Praxis begutachten zu lassen bzw. die Abstattung eines Hausbesuchs beim Patienten. Der Erhalt kurzer Arzt-Infobriefe sowie die Teilnahme an Fallkonferenzen. Eine Finanzierung eines solchen Angebots aus eigenen Mitteln wurde einer Finanzierung von „außen“ vorgezogen. Die Ergebnisse der standardisierten Nutzenerwartungen: Beratung: Telefonische Hotline = 35.53, Hausbesuch/ Konsil in der Praxis = 45.95, Vorstellung in der Klinik = 26.57. Information: Arzt Infobriefe = 55.78, Infos für Patienten = 38.46, Behandlungsmanuale = 24.51. Fortbildung: Fallkonferenzen = 47.93, Balintgruppe = 23.86, Zusatzqualifikation = 35.66. Finanzierung: Mit eigener Kostenbeteiligung = 60.72, Ohne eigene Kostenbeteiligung = 5.02. Zusammenfassung: Das von den Ärzten bevorzugte Angebotsprofil lässt vermuten, dass die befragten Ärzte solche Angebote als besonders nützlich erachten, die sie bei der beruflichen Arbeit konkret unterstützen können. Alltagspraktische Verwertbarkeit scheint demnach ein Kriterium für
S 50 |
Der Schmerz [Suppl 1]•2001
den Nutzen ärztlicher Beratungs- und Informationsangebote zu sein. Die Begrenzung der hier eingesetzten Conjoint-Analyse liegt darin, dass keine Aussage darüber getroffen werden kann, ob sich die Attraktivität des hier identifizierten Beratungs- und Informationsangebots auch in der Realität bewahrheiten würde. Zur Beantwortung dieser Frage müsste dieses Angebot implementiert und evaluiert werden. Literatur: [1] Backhaus, K.; Erichson, B.; Plinke, W.; Weiber, R. (2000). Multivariate Analysemethoden, 9. Auflage. Berlin: Springer. [2] Lamnek, S. (1995). Qualitative Sozialforschung. Band 1 und 2 . 3., korrigierte Auflage. Weinheim: Psychologie Verlags Union.
P3 Grundlagen: Afferenzen und Immunsystem P3.1 Beeinflussen Gabapentin und Retigabin die ektope Aktivierbarkeit von akut durchschnittenen Hautafferenzen? S. Becker, E. Subileau, E. Rutkauskaite, W. Jänig Physiologisches Institut der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, Olshausenstraße 40, 24098 Kiel Fragestellung: Antikonvulsiva, wie Gabapentin, werden in der Klinik zur Behandlung neuropathischer Schmerzsyndrome eingesetzt.Allerdings ist noch nicht endgültig geklärt wie und wo diese Medikamente wirken. Akut durchtrennten Hautafferenzen (unmyelinisierte und myelinisierte) sind in vivo wie in vitro schon wenige Stunden nach einer Nervenläsion an der Verletzungsstelle durch Hitze und mechanische Stimulation ektop zu aktivieren. Darüber hinaus zeigen einige Fasern, überwiegend unmyelinisierte, Spontanaktivität.Wir haben untersucht, ob Gabapentin und Retigabin bei lokaler Applikation diese ektope Aktivierbarkeit axotomierter Afferenzen in vitro beeinflussen können. Hierbei sollte fokussiert werden auf: 1. Hitzesensibilität unmyelinisierter Fasern 2. Mechanosensibilität myelinisierter Fasern 3. Spontanaktive Fasern. Methodik: Männlichen Wistar Ratten wurden in Barbituratnarkose beide Nn. Saphenus abgebunden und durchschnitten. Nach 16 - 28h wurden die Tiere getötet, die Nerven entnommen und in ein Organbad gelegt. Am proximalen Ende des Nerven wurde von einzelnen Fasern Aktionspotentialaktivität abgeleitet. Hitzestimuli wurden mit einer Lampe appliziert, die das Areal des Nervstumpfes linear von 32–48 °C innerhalb 20 s erwärmte. Mechanisch wurde mit von vFrey Haaren (16mN) bei einer Frequenz von 50/min für 30s stimuliert. Das Läsionsende wurde selektiv mit Gabapentin (5*10-4 M, 2 ml/min für 5 min) oder Retigabin (10-5 M, 2 ml/min für 5 min) superfundiert und jeweils vor und nach Superfusion mechanisch und thermisch gereizt. Ergebnisse: Bei 13 C-Fasern ergab lokal appliziertes Gabapentin keine Änderung von Antwortgrösse,Aktivierungsschwelle und maximaler Entladungsrate (Wilcoxon Matched-Pairs Signed-Ranks Test, p > 0.05).Sechs mechanosensible A-Fasern zeigten bei Gabapentin keine Änderung der Antwortgröße (p > 0.05). 2/3 spontan entladenden Fasern änderten ihre Entladungsrate um <25% bei 10min Gabapentinsuperfusion. Neun C-Fasern zeigten bei lokal appliziertem Retigabin keine Änderung von Antwortgrösse, Aktivierungsschwelle und maximaler Entladungsrate (p > 0.05). Sechs mechanosensitive A-Fasern wiesen bei lokal appliziertem Retigabin keine Änderung der Antwortgrösse auf (p > 0.05). 3/4 spontan entladenden Fasern änderten ihre Entladungsrate um <25% bei 10min Retigabinsuperfusion. Schlussfolgerung: Lokal appliziertes Retigabin und Gabapentin haben keinen Einfluss auf die ektope Aktivierbarkeit axotomierter Afferenzen 17 bis 31h nach Nervenläsion. P3.2 Periphere Opiatvermittelte Analgesie – Die Rolle der Granulozyten und ihre Rekrutierung durch Chemokine A. Brack, H.L. Rittner, H. Machelska, S. Mousa, N. Sitte, M. Schäfer, C. Stein Klinik für Anaesthesiologie und op. Intensivmedizin, Freie Universität Berlin Fragestellung: Im Rahmen einer lokalen Entzündung kommt es in frühen Phasen zur Einwanderung opioidpeptidhaltiger Granulozyten. Bisherige Studien zeigten, dass die Rekrutierung von Granulozyten durch die Sekretion spezifischer Substanzen (Chemokine) vermittelt wird. Hier soll untersucht werden, a) ob die Expression von Chemokinen parallel zur Rekrutierung der Granulozyten erfolgt und b) ob Granulozyten entscheidend für die periphere stressinduzierte Analgesie sind. Methoden: Die Entzündung wurde durch intraplantare Injektion von Freunds‘ Complete Adjuvans (FCA) induziert. Hinterpfotengewebe von
Kontrolltieren und Tieren 6 Stunden nach FCA-Gabe wurde verglichen. Die Mengen von mRNA dreier Chemokine (KC, MIP-2, CINC2) wurde mit einer LightCycler PCR semiquantifiziert. Parallel hierzu wurden Gewebeextrakte hergestellt und die Konzentration von Chemokinen mittels Elisa bestimmt. Gewebeschnitte wurden immunhistochemisch mit anti-Chemokin-Antikörpern gefärbt. Um die Rolle der Granuloyten zu klären, erhielten die Ratten Injektionen depletierenden Serums. Die Effizienz wurde durch Messung von Granulozyten aus der Hinterpfote überprüft. Analgesie wurde vor und nach Stressexposition durch Messung der Pfotendruckschwelle bestimmt. CD45+ Immunzellen wurden aus der Pfote separiert, und der Enkephalingehalt gemessen. Ergebnisse: Chemokine wurden unter Entzündungsbedingungen deutlich vermehrt in der Hinterpfote exprimiert. Dies ließ sich durch eine semiquantitative PCR, eine immunhistochemische Färbung und durch chemokinsspezifische ELISAs nachweisen. Zeitgleich zur Chemokinexpression erfolgte eine intensive Rekrutierung von Granulozyten in die entzündete Hinterpfote. Die Depletion von Granulozyten durch Injektion eines Antiserums führte zu einer >90% Depletion von Granulozyten in der Hinterpfote, zu einer Halbierung der stressinduzierten Analgesie und zum drastischen Abfall des Enkephalingehaltes in der Hinterpfote. Schlussfolgerung: Im Rahmen einer lokalen Entzündung kommt es zur vermehrten Expression von Chemokinen, die vermutlich die Rekrutierung von opioidpeptidhaltigen Granulozyten bewirken. Diese Granulozyten sind die entscheidenden Träger der frühen peripheren opiatvermittelten Analgesie. Granulozyten dienen somit nicht nur der unspezifischen Immunabwehr, sondern hemmen auch den Entzündungsschmerz unter Streßbedingungen.
2000). These rats exhibit early (> 24 hours) and prolonged (> 6 months) robust mechanical and cold allodynic behaviour to stimulation in the territory of the unlesioned sural nerve. Here we tested whether afferent sural nerve fibers develop abnormal ongoing and evoked discharge properties 6 to 26 days after the lesion of the adjacent nerves in male Wistar rats (N=5). Nerve lesions and neurophysiological experiments were carried out under general anesthesia (Pentobarbital, 60 mg/kg ip or iv). During the neurophysiological experiments the rats were immobilized (Pancuronium, 1 mg/kg iv) and artificially ventilated. The afferent units were identified electrically and tested for their spontaneous activity (SA), mechanosensitivity (MS; mechanical stimulation with von Frey filaments) and thermosensitivity. All animals were tested for their neuropathic pain behaviour to the same stimuli applied to the sural nerve territory, 3 times before the SNI and 3 times a week post injury. Following SNI all rats tested developed strong mechanical and cold allodynic behaviour, but no warm/heat hypersensitivity. In total 101 afferent fibers (82 A-, 16 C-fibers, 3 fibers not identified) were investigated. SA was present in 26 fibers (10 A-, 14 C-fibers, 2 fibers not identified; range of discharge rate 0,02 - 8,2 imp/s). MS was observed in 80 fibers (77 A-, 2 C-fibers, 1 fiber not identified). 4/10 SA A-fibers were activated by mechanical stimulation of hairy follicles. Nine afferent units were activated by cooling (4 C-units, 5 A-units). Two SA C-fibers were inhibited by skin warming/heating. No afferent units were exited by warm/heat stimuli. These results show that some intact afferent nerve fibers develop abnormal evoked and spontaneous activity following the lesion of adjacent nerves. We suggest that these newly acquired discharge properties of intact afferent nerve fibers are involved in the development of neuropathic pain behaviour displayed by rats with SNI.
P3.3 Unterschiedliche Effekte des Cannabinoids CP55-940 auf humane neutrophile Granulozyten (PMN) im Vollblut und auf isolierte Zellen
Supported by AstraZeneca.
B. Frommer, H.G. Kress Abteilung für Anästhesie und Intensivmedizin (B), Universitätskliniken/Allgemeines Krankenhaus Wien
P3.5 Auswirkungen von chronischer Sumatriptanund Zolmitriptangabe auf 5-HT Rezeptoren
Einleitung: Neue Cannabinoidtherapeutika werden in der Schmerztherapie und Palliativmedizin zukünftig vermehrt an Bedeutung gewinnen. Über Cannabinoideffekte auf das Immunsystem gibt es bisher nur wenige und z.T. widersprüchliche Ergebnisse, abhängig von der untersuchten Cannabinoid-Substanz und den getesteten Konzentrationen. Ziel der Untersuchung: Nachweis möglicher konzentrationsabhängiger Effekte von CP55-940, einem synthetischen Analogon des D9-Tetrahydrocannabinols auf den „respiratory burst“ von PMN in vitro. Methode: Heparinisiertes Vollblut oder isolierte PMN der selben gesunden freiwilligen Spender wurden mit CP55-940 in logarithmischen Konzentrationen von 0,01nM bis 100µM dem Versuchsprotokoll des kommerziell erhältlichen Bursttest® (Fa Orpegen, BRD) unterzogen. Dabei wurden unstimulierte sowie mit dem bakteriellen Peptid fMLP stimulierte PMN verglichen und flowzytometrisch analysiert. Die Auswertung erfolgte mit der Software SigmaStat 3.0 für Windows. (Signifikanzniveau p<0,05). Ergebnisse und Schlußfolgerungen: Im Vollblut zeigte sich unter nanomolaren Konzentrationen von CP55-940 nach frühestens 90min ein signifikanter Anstieg des respiratory burst unstimulierter und fMLP-stimulierter PMN. Die maximale Stimulation lag bei 0,1-1nM CP55-940. Durch den selektiven CB2-Rezeptorantagonisten SR 144528 konnte diese Stimulation vollständig antagonisiert werden. Isolierte PMN der gleichen Spender zeigten keine Beeinflussung der Burstreaktion durch CP55-940 in den niedrigen nanomolaren Konzentrationsbereichen jedoch zeigte sich unter geänderten Versuchbedingungen (verkürzte Inkubationszeit) bei 100µM CP55-940 eine signifikante Suppression der Burstreaktion.CP55-940 steigert die Burstreaktion humaner PMN im Vollblut in nanomolaren, und damit auch pharmakologisch relevanten Konzentrationen. Dieser Effekt ist CB2Rezeptorvermittelt, und wahrscheinlich indirekt über Mediatoren oder andere Zellen des Vollbluts vermittelt. Auf isolierte PMN zeigen pharmakologische Cannabinoidkonzentrationen keinen Effekt, jedoch können unphysiologisch hohe Konzentrationen die Burstantwort supprimieren. P3.4 Abnormal activity in intact afferent nerve fibers following lesion of adjacent nerves N. V. Gorodetskaya, C. Constantin, W. Jänig Institute of Physiology, University of Kiel, 24098 Kiel, Germany Ligation and cutting of tibial and common peroneal nerves, sparing sural and saphenous nerves (spared nerve injury model [SNI]), is followed by neuropathic pain behaviour in rats (Decosterd & Woolf, Pain 87, 149-158,
U. Reuter1,2, G.W. Ickenstein1,3, S. Salomone1, M.A. Moskowitz1, C. Waeber1 1 Stroke and Neurovascular Regulation, Massachusetts General Hospital, Harvard Medical School, Charlestown, MA 02129, USA 2 Neurologische Klinik, Charité, Schumannstr. 20-21, 10098 Berlin 3 Klinik für Neurologie, Klinikum der Philipps-Universität, 35033 Marburg Fragestellung: 5-HT1B/D/F-Rezeptor-Agonisten (z.B. Sumatriptan und Zolmitriptan) werden heute mit Erfolg zur Behandlung von Migräne- und Clusterkopfschmerz eingesetzt. Langzeitstudien zeigen, dass eine repetitive Triptangabe mit behandlungsfreien Intervallen zu keinem Nachlassen der Medikamenteneffizienz führt.Kontrastierend hierzu sind die Auswirkungen einer repetitiven Gabe (z.B. während einer Clusterkopfschmerzperiode) von Triptanen auf 5-HT1B/D/F-Rezeptoren nicht bekannt. Daher untersuchten wir den Effekt einer mehrfachen täglichen Applikation (2 Wochen; i.p.) von Sumatriptan und Zolmitriptan auf funktionelle Eigenschaften von Serotoninrezeptoren und deren messenger-RNA Expression in Ratten. Methoden: Der Effekt einer chronischen Triptangabe wurde auf die Inhibition der Plasmaproteinextravasation ([125I]-BSA, 50mCi/kg) in der Dura mater durch Sumatriptan in einem experimentellen Kopfschmerzmodell sowie die kontraktilen Eingenschaften der Basilar- sowie Koronararterien in vitro untersucht. Wir führten weiterhin autoradiographische Studien zum Kopplungsverhalten ([35S]GTPgS) von Serotoninrezeptoren in der Substantia nigra durch und untersuchten die m-RNA Expression von Serotonin Rezeptoren mittels RT-PCR. Ergebnisse: Chronische Triptanapplikation führte zu einer verminderten Expression von m-RNA für 5-HT1B/D/F -Rezeptoren in den Trigeminalganglien und den Koronararterien. Dahingegen war die Inhibition der Plasmaproteinextravasation in der Dura mater durch Sumatriptan nach elektrischer Stimulation des Ganglion trigeminale nicht verändert. Die 5Carboxamidotryptamin induzierte Bindung von ([35S]GTPgS) in der Substantia nigra war ebenso nicht verändert. In den Koronararterien von Triptan-behandelten Ratten zeigte sich eine verminderte maximale Kontraktion nach Stimulation mit 5-HT, wohingegen dieser Effekt in der Art. basilaris nicht festgestellt werden konnte. Schlussfolgerung: Diese Resultate deuten an, dass eine repetitive Applikation von Triptanen zu keiner Reduktion ihres therapeutischen Effektes führt. Zudem weisen unsere Ergebnisse darauf hin, dass möglicherweise die kardiovaskulären Nebenwirkungen nach repetitiver Gabe von Triptanen reduziert werden. Diese Studie wurde von der DFG (UR1316-1/1), der IHS (Research Fellowship 1999 [UR]) sowie der NIH (5P01 NS35611) unterstützt. Der Schmerz [Suppl 1]•2001
| S 51
Abstracts P3.6 Rezeptoren für ATP in der axonalen Membran von unmyelinisierten peripheren Nervenfasern D. Irnich1,2, D.J. Tracey3, J. Polten1, R. Burgstahler1, P. Grafe1 1 Institut für Physiologie und 2Klinik für Anaesthesiologie der Ludwig-Maximilians Universität München, 3School of Medical Science, University of New South Wales, Australien Fragestellung: ATP-Rezeptoren wurden an peripheren Nervenendigungen beschrieben, eine entsprechende Chemosensitivität axonaler Membranen ist bisher nicht bekannt. Methodik: In der vorliegenden Untersuchung wurden die Effekte von ATP und Analoga auf die Erregbarkeit von unmyelinisierten Axonen am isolierten Vagusnerv der Ratte, an der Hinterwurzel der Maus und am humanen Nervus suralis getestet. Gemessen wurden die Veränderungen des CFaser Summenaktionspotentials nach Badapplikation verschiedener Substanzen mittels Computer-gesteuerter Erregbarkeitsanalyse (Threshold Tracking mit QTRAC, Institute of Neurology, London). Ergebnisse: Im N. suralis der Ratte hat a,b-meATP die stärkste exzitatorische Wirkung, welche durch iso-PPADS gehemmt werden konnte. Dieses Profil weist auf die Präsenz von P2X Pezeptoren hin. In der Hinterwurzel der Maus konnten Unterschiede zwischen schnell und langsam leitenden C-Fasern gefunden werden. Langsam leitende Fasern reagierten mit einer Zunahme der Erregbarkeit nach Applikation von P2X-Rezeptoragonisten und Adenosin-Rezeptoragonisten, dagegen reagierten schneller leitende C-Fasern ausschließlich auf Adenosin-Rezeptoragonisten. Am humanen N. suralis zeigten sich exzitatorische Effekte nach Applikation von ATP und Adenosin Rezeptoragonisten. Das pharmakologische Profil weist auf eine Beteiligung von Adenosin A2B-Rezeptoren hin. Schlussfolgerung: Unsere Untersuchungen zeigen, dass die Chemosensitivität sensorischer Neurone nicht nur auf die Terminalen begrenzt ist. Die Aktivierung axonaler purinerger Rezeptoren kann zur Transduktion sensorischer, inklusive nociceptiver Stimuli beitragen. Dieses Projekt wird unterstützt von der DFG (P.G.) und der Deutschen Ärztegesellschaft für Akupunktur (DÄEGfA, D.I.) P3.7 Expressionsmuster von Opioidrezeptor-mRNA sensorischer Hinterwurzelganglien im Verlauf einer schmerzhaften Entzündung W. Janson, A. Brack, M. Schäfer, C. Stein Klinik für Anaesthesiologie und op. Intensivmedizin, Freie Universität Berlin Fragestellung: Im Rahmen einer lokalen Entzündung kommt es zu einer verstärkten Wirksamkeit von Opioiden in peripherem, entzündeten Gewebe. Für die verbesserte Opiodanalgesie wird unter anderem ein vier Tage nach Entzündungsinduktion einsetzender, vermehrter axonaler Transport von Opioidrezeptoren aus den Hinterwurzelganglien in die Peripherie verantwortlich gemacht. Hier soll untersucht werden, ob dieser vermehrte axonale Transport mit einer Erhöhung des Opioidrezeptor mRNA-Gehalts in den Hinterwurzelganglien einhergeht. Methoden: Durch intraplantare Injektion von Freunds‘ Complete Adjuvans (FCA) in die rechte Hinterpfote von Wistar-Ratten wird eine Entzündung induziert. Unbehandelte Kontrolltiere werden im Vergleich zu Tieren mit 12, 24 und 96 Stunden bestehender FCA-Entzündung untersucht. Für die RNA-Extraktion werden jeweils drei Hinterwurzelganglien der entzündeten Seite in Höhe von L3-5 pro Tier gepoolt. Die Quantifizierung des mRNA-Gehaltes für µ-, δ-, und κ-Opioidrezeptoren (DOR, KOR, MOR) erfolgt mit einer LightCycler PCR. Die für µ-, δ-, und κ-Opioidrezeptoren spezifischen Primer wurden mittels der Software „Oligo 5.0“ konstruiert und mit konventioneller und LC-PCR auf ihre Funktion geprüft. Zur Standardisierung wurde ein Referenzgen RPL19 (ribosomal protein L19) verwendet. Die PCR-Produkte wurden sequenziert und ihre Nukleotidsequenz mit Hilfe des BLAST-Programs (NIH) auf ihre Identität überprüft. Ergebnisse: In unbehandelten Kontrolltieren ist der mRNA-Gehalt für MOR und KOR ungefähr 10-fach höher als der für DOR (p<0.001, n=24, ANOVA). Im Verlauf der FCA-induzierten Entzündung ändert sich der Gehalt an DOR-mRNA nicht signifikant. Für KOR ist 12 Stunden nach Entzündungsinduktion eine frühe Hochregulation um den Faktor 2.5 nachweisbar (p<0.02, n=8, ANOVA). Der Gehalt an MOR-mRNA verdoppelt sich erst 96 Stunden nach Induktion der Entzündung (p<0.001, n=8, ANOVA). Schlussfolgerung: Für KOR findet sich eine erhöhte mRNA Transkription 12 Stunden nach Entzündungsinduktion.Für MOR gibt es eine Zunahme der mRNA 96 Stunden nach Entzüntzundungsinduktion. Für DOR lassen sich keine signifikanten Veränderungen der mRNA im Verlauf der FCA-Entzün-
S 52 |
Der Schmerz [Suppl 1]•2001
dung nachweisen. Aus diesen Beobachtungen folgt, dass die drei Opioidrezeptoren auf mRNA-Ebene differenziert reguliert werden. Es lassen sich keine direkten Schlußfolgerungen aus den Veränderungen der mRNA auf Veränderungen des axonalen Transportes von Opioidrezeptoren herstellen. Diese Arbeit wird durch das DFG-Graduiertenkolleg 276/2 „Signalerkennung- und umsetzung“ gefördert. P3.8 Selectins and Integrins but not Platelet-Endothelial Adhesion Molecule-1 Regulate Opioid Control of Inflammatory Pain H. Machelska, S. A. Mousa, A. Brack, H. L. Rittner, J. K. Schopohl, M. Schäfer, C. Stein Klinik für Anaesthesiologie und operative Intensivmedizin, Freie Universität Berlin In peripheral inflamed tissue pain can be controlled by immune cells containing opioids which activate opioid receptors to produce analgesia. The immigration of immune cells to sites of inflammation is a multistep process mediated by adhesion molecules. Here we evaluate the role of selectins, integrins: CD18, very late antigen-4/CD49d (VLA-4) and plateletendothelial cell adhesion molecule-1/CD31 (PECAM-1) in endogenous opioid analgesia. Immunohistochemistry revealed that the proportion of immunocytes expressing L-selectin was increased in inflamed paws and some of these cells contained β-endorphin. P-selectin and PECAM-1 were constitutively expressed on endothelia of noninflamed paws and they were upregulated in inflammation. In early inflammation endogenous (evoked by stress) opioid analgesia involves peripheral and central mechanisms. Anti-L-selectin and anti-CD18 slightly decreased while anti-VLA4 and anti-PECAM-1 did not change endogenous opioid analgesia. However, fucoidin (which blocks L-, P- and E-selectin), fucoidin + anti-VLA-4 or anti-VLA-4 + anti-CD18 abolished peripherally mediated endogenous opioid analgesia. Accordingly, fucoidin and anti-VLA-4 + anti-CD18 substantially reduced the number of CD45+ cells containing opioids in the inflamed paw as well as the number of granulocytes and monocytes/ macrophages. The central component of endogenous opioid analgesia is not mediated by adhesion molecules because blockade of all steps of immunocyte extravasation by fucoidin + anti-VLA-4 + anti-CD18 + antiPECAM-1 did not further decrease endogenous opioid analgesia. Fucoidin and fucoidin + anti-VLA-4 substantially- while anti-VLA-4 + antiCD18 and fucoidin + anti-VLA-4 + anti-CD18 + anti-PECAM-1 only slightly decreased paw volume. These results show that peripheral but not central endogenous opioid analgesia is brought about by opioid-containing immune cells directed to the site of injury by adhesion molecules. Selectins and integrins which orchestrate rolling and adhesion, respectively, but not PECAM-1 mediating transmigration of immunocytes seem to play the major role. Future therapeutic strategies aimed at limiting the adhesion of harmful cells in inflammatory diseases should avoid to interfere with the migration of opioid-containing cells promoting pain control. This work is supported by the DFG (SFB 507). P3.9 Regulation des µ-Opioid-Rezeptors bei der Entwicklung von Morphintoleranz in sensorischen Ganglien der Ratte T. Meuser*, K. Pump*, B. Humme*, M. Wartenberg#, H. Sauer# * Klinik für Anästhesiologie und Operative Intensivmedizin und # Institut für Neurophysiologie, Universität zu Köln Fragestellung: Der klinische Einsatz von Opioiden in der Schmerztherapie ist häufig durch die Entwicklung einer Opiattoleranz limitiert. Die dem zugrundeliegenden molekularen Mechanismen sind weitgehend unbekannt. Studien bei Maus, Ratte und Kaninchen brachten widersprüchliche Ergebnisse zu einer möglichen down-Regulation von µ-Opioidrezeptoren (MOR) im zentralen Nervensystem nach chronischer Morphinapplikation [1,2]. Es gibt diesbezüglich bisher keine in vivo Studie über das periphere Nervensystem der Ratte. Es konnte allerdings gezeigt werden, dass die MOR-mRNA durch 4-tägige Morphinapplikation im peripheren Nervensystem der Ratte signifikant down-reguliert wird [3]. Wird dementsprechend auch das µ-Opioidrezeptorprotein im peripheren Nervensystem der Ratte unter klinischen Zeichen einer Morphintoleranz reguliert? Methodik: Jeweils 6 erwachsene männliche Sprague-Dawley Ratten erhielten über 4 Tage 2x tgl. entweder 0,5 ml NaCl 0,9% s.c. (Kontrolle), Morphin 10 mg/kg KG s.c. (zur Induktion einer Morphintoleranz ) oder DAMGO 1 mg/kg KG s.c. (µ-selektiver Agonist). Darüber hinaus erhielten 3 Tiere jeder Gruppe am 5. Tag morgens und mittags Naloxon zur Induk-
tion eines akuten Opiatentzuges. Analgesie, Toleranzentwicklung und Entzug wurden durch Verhalten mittels hot plate Test verifiziert. Lumbale Spinalganglien (L3 – L5) wurden beidseits bei allen 18 Ratten entnommen und daraus 12 µm dicke Schnitte angefertigt. Die Schnitte wurden mit einem primären Antikörper (AK) (polyklonales IgG gegen MOR-1, 1:100) und anschliessend mit einem fluoreszierenden sekundären AK (F[ab]2Fragment, Cy5-markierter AK, 1:100) inkubiert. Die mittlere Fluoreszenz wurde für jedes Tier aus bis zu 400 Zellen von verschiedenen Schnittebenen mit konfokaler Lasermikroskopie bestimmt und hieraus der Mittelwert einer jeden Therapiegruppe mit Standardabweichung errechnet. Die Gruppen wurden statistisch mit ANOVA + Student-Newman-Keuls-Test verglichen und ein p<0,05 als signifikant definiert. Ergebnisse und Schlussfolgerungen: Unter den Verhaltenszeichen einer Morphintoleranz (signifikante Unterschiede im hot plate Test, 4.Tag vs. 1.Tag vs. Kontrolle) zeigte sich nach 4-tägiger Morphinapplikation eine signifikante (p<0,001) down-Regulation der MOR-Immunofluoreszenz im Vergleich zur Kontrolle, die durch Naloxon keine Gegenregulation erfuhr. Ebenso führte die 4-tägige Applikation des µ-selektiven Agonisten DAMGO zu einer signifikanten down-Regulation (p<0,001) des MOR. Auch hier bewirkte Naloxon keine Gegenregulation. Chronische Morphinapplikation oder MOR-Stimulation führt in vivo zur down-Regulation des MOR im peripheren Nervensystem der Ratte und könnte ein molekularer Mechanismus bei der Entstehung von Morphintoleranz sein. Diese Ergebnisse zeigen Konformität mit der down-Regulation der MORmRNA in Spinalganglien der Ratte. Lit.: [1] Tempel et al., 1998, Brain Res 469:129-33; [2] Polastron et al., 1994, Eur J Pharmacol 266:139-46; [3]Meuser et al., 2000, Der Schmerz 14 (Suppl.1): S49 P3.10 ß-Endorphin containing memory-cells and m-opioid receptors undergo transport to peripheral inflamed tissue S.A. Mousa , Q. Zhang , N. Sitte, M. Schäfer, C. Stein Klinik für Anaesthesiologie und operative Intensivmedizin, Freie Universität Berlin Immunocyte-derived ß-endorphin can activate peripheral opioid receptors on sensory neurons to inhibit pain within inflamed tissue. In the present study, we examined m-opioid receptors (MOR) on sensory nerves and ß-endorphin in activated/memory CD4+-cells (the predominant population homing to inflamed tissue) using immunohistochemistry and double immunofluorescence. We found an upregulation of MOR in dorsal root ganglia, an increased axonal transport of MOR in the sciatic nerve and an accumulation of MOR in peripheral nerve terminals in Freund’s adjuvant-induced hindpaw inflammation. A large number of CD4+ cells containing ß-endorphin, but very few naive cells (CD45RC+) were observed in inflamed tissue, suggesting that this opioid is mainly present in activated/memory cells (CD4+/CD45RC-). Our results indicate an enhanced transport of both MOR and of the endogenous ligand ß-endorphin to injured tissue. This unique simultaneous upregulation of both receptors and ligands may serve to prevent excessive and/or chronic inflammatory pain. A large number of CD4+ cells containing immunoreactive ß-endorphin, but very few naive T cells (CD45RC+) were observed in inflamed tissue, suggesting that this opioid is mainly present in memory cells. Taken together, our results indicate an enhanced site-directed transport of both MOR-receptors and of the endogenous ligand ß-endorphin to inflamed subcutaneous tissue. This unique simultaneous upregulation of both receptors and ligands may underlie the known accentuated peripheral analgesic effects of opioids in inflammation. This work is supported by the DFG (SFB 507). P3.11 Verhältnis zwischen µ-Opioidrezeptoranzahl und -G-Proteinkopplung primär sensorischer Neurone im Verlauf einer schmerzhaften Entzündung M. Shaqura , C. Zöllner, M. Schäfer, C. Stein Klinik Für Anaesthesiologie und operative Intensivmedizin, Freie Universität Berlin Einführung: µ-, δ- und κ-Opioidrezeptoren werden in primär sensorischen Neuronen exprimiert. Die Rezeptoren werden in den Hinterwurzelganglien synthetisiert und axonal in die Peripherie transportiert. Klinische und tierexperimentelle Studien haben gezeigt, dass die lokale Gabe von Opioiden durch eine Aktivierung dieser Rezeptoren eine anal-
getische Wirkung hervorruft. Diese analgetische Wirkung peripherer Opioide ist besonders in entzündetem, schmerzhaften Gewebe nachweisbar. Wir untersuchten in Bindungsstudien mit Hilfe radioaktiv markierter Liganden mögliche Veränderungen der Anzahl, Affinität und G-Protein-Kopplung peripherer µ-Opioidrezeptoren zu unterschiedlichen Enzündungszeitpunkten. Methoden: In männlichen Wistar Ratten wurde durch intraplantare Injektion von Freunds‘ Complete Adjuvans (FCA) in die rechte Hinterpfote eine Entzündung induziert. Zu den Zeitpunkten 0, 6, 24, 48 und 96 Stunden nach FCA-Inokulation wurden die sensorischen Hinterwurzelganglien der betroffenen Seite entnommen. In Bindungsstudien wurde mit Hilfe von [3H]DAMGO die Anzahl (Bmax) und Affinität (KD) sowie mit Hilfe von [35S]GTPãS die maximale Antwort der G-Protein-Kopplung (Emax) der µ-Opioidrezeptoren bestimmt. Zur Kontrolle wurden die erhobenen Daten mit den Eigenschaften der µ-Opioidrezeptoren aus Rattenhirngewebe (Hypothalamus) verglichen. Ergebnisse: Die Affinität von [3H]DAMGO zum µ-Opioidrezeptor peripher sensorischer Neurone war mit der zum µ-Opioidrezeptor des Hypothalamus vergleichbar. Sie änderte sich im Verlauf der FCA-Enzündung nicht ( KD 0h = 0,2 nM , KD 6h = 0,1 nM , KD 24h = 0,4 nM , KD 48h = 0,2 nM, KD 96h = 0,1 nM). Zum Zeitpunkt 24 Stunden FCA-Entzündung zeigte sich eine deutliche Zunahme der µ-Opioidrezeptoranzahl sensorischer Hinterwurzelganglien (Bmax 24h = 82 fmol/mg versus Bmax 0h = 25 fmol/mg; P<0.05; t-Test). Im Gegensatz dazu zeigte sich zu den anderen Zeitpunkten keine signifikante Zunahme der Rezeptorenanzahl (Bmax 6h = 28 fmol/mg; Bmax 48h = 42 fmol/mg; Bmax 96h = 40 fmol/mg; Bmax 0h = 25 fmol/mg; P>0.05; t-Test). In noch laufenden Untersuchungen werden mögliche Veränderungen der G-Protein-Kopplung dieser µOpioidrezeptoren mit Hilfe des [35S]GTPãS-Assays überprüft. Diskussion: Unsere Ergebnisse zeigen eine signifikante Zunahme der Anzahl an µ-Opioidrezeptoren in sensorischen Hinterwurzelganglien nach 24 Stunden einer FCA-induzierten Entzündung. Die Affinität dieser Rezeptoren ist mit der von µ-Opioidrezeptoren des Hypothalamus vergleichbar und verändert sich nicht im Verlauf der Entzündung. Inwieweit sich die G-Protein-Kopplung und damit die biologische Wirksamkeit peripherer m-Opioidrezeptoren verändert ist Gegenstand noch laufender Untersuchungen. Die Ergebnisse geben möglicherweise eine Erklärung für die verbesserte Wirksamkeit peripherer Opioide unter Entzündungsbedingungen. Diese Arbeit wird durch das DFG-Graduiertenkolleg 276/2 „Signalerkennung- und umsetzung“ gefördert. P3.12 Botulinum Toxin in der Schmerzbehandlung: keine direkte Wirkung an der C und A-delta Faser bei gesunden Probanden T. Sycha1, 2, B. Voller1,2, B. Gustorff3, E. Auff1, P. Schnider1 1 Universitätsklinik für Neurologie, Klinische Abt. für Neurologische Rehabilitation 2 Universitätsklinik für Klinische Pharmakologie 3 Universitätsklinik für Allgemeine Anästhesie und Intensivmedizin (B) Universität Wien Wissenschaftlicher Hintergrund: Botulinum toxin A (BTX-A) wird seit vielen Jahren zur Behandlung von Erkrankungen mit abnorm erhöhter Muskelspannung, wie zum Beispiel dystoner und spastischer Syndrome angewendet. Die Wirkung basiert auf der präsynaptischen Hemmung der Acetylcholinfreisetzung an der neuromuskulären Übertragungsstelle. In mehreren Studien konnte darüber hinaus auch ein analgesierender Effekt bei Kopfschmerz, muskuloskeletalen Schmerzsyndromen und Nerveneinklemmungssyndromen nachgewiesen werden. Dieser Effekt wurde auch unabhängig vom zeitlichen Auftreten und dem Ausmaß der muskulären Wirkung (cholinerge Chemodenervation) beobachtet.Viele mögliche schmerzstillende Wirkmechanismen von BTA wurden bisher in der Literatur diskutiert, unter anderem auch eine direkte Wirkung auf Schmerzfasern. Methoden: In einer doppelblinden, placebokontrollierten und randomisierten Studie wurde bei 16 Probanden jeweils 30 U BTX-A intrakutan in den einen und Placebo (physiologische Kochsalzlösung) in den anderen Unterarm injiziert. Mittels Thermoempfindlichkeitsanalysator und selektiver elektrischer Stimulation (Neurometer®) wurden die Hitze- und Stromschmerzschwellen sowie die jeweilige Toleranz nach 3, 14 und 28 Tagen gemessen. Weiters wurde nach 28 Tagen beiderseits simultan Capsaicin intrakutan injiziert, die darauf folgende Schmerzintensität über mehrere Minuten mittels VAS Skalen beurteilt und das Areal der sekundären Hyperalgesie ermittelt. Der Schmerz [Suppl 1]•2001
| S 53
Abstracts Resultate: In keinem der erhobenen Parameter konnte ein signifikanter Unterschied zwischen Botulinumtoxin und Placebo nachgewiesen werden. Allerdings zeigte sich in der VAS –Schmerzskala (nach Capsaicininjektion) ein über alle Meßzeitpunkte beobachtbarer Trend zugunsten einer analgetischen Wirkung durch BTX-A. Diskussion: Bei unserer Untersuchung fand sich kein Einfluß von BTX-A auf die Schmerzfasern (als mögliche Ursache der Analgesie). Der Trend im Capsaicin-Schmerzmodell könnte durch eine antiinflammatorische Komponente bedingt sein. Weitere Studien mit inflammatorischen Schmerzmodellen werden benötigt um diese Hypothese zu testen. P3.13 Einfluß sympathischer Aktivität auf experimentelle Muskelschmerzen G. Wasner1, J. Schattschneider1, A. Allardt1, A. Bréchôt1, T.S. Jensen2, R. Baron1 1 Klinik für Neurologie der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel und 2Department of Neurology and Danish Research Centre Aarhuus, Dänemark Einleitung: Einige neuropathische Schmerzsyndrome sind durch das Symptom des sympathisch unterhaltenen Schmerzes gekennzeichnet. Bei einer Sympathikusblockade kommt es zu einer signifikanten Schmerzreduktion. Allgemein wird eine Interaktion zwischen sympathischen Efferenzen zur Haut und Nozizeptoren postuliert. Klinisch sind bei vielen neuropathischen Schmerzsyndrome zusätzlich tiefe Gewebe beteiligt (z.B. Schmerzlokalisation in der Tiefe oder pathologischer Knochenstoffwechsel beim CRPS). Daher kommen auch andere Organsysteme, wie z.B. die sympathisch versorgte Skelettmuskulatur, als möglicher Ort der sympathisch-afferenten Kopplung in Betracht. In der vorliegenden Arbeit wurde der Einfluß sympathischer Aktivität in Muskelvasokonstriktorneuronen auf experimentelle Muskelschmerzen untersucht. Methode: Bei 12 Probanden wurde Capsaicin in den Musculus tibialis anterior infundiert. Die Erregung des Vanilloidrezeptors (VR1) führt zu einer Sensibilisierung primärer nozizeptiver Afferenzen mit brennenden tief somatischen Spontanschmerzen. Die Probanden bewerteten den intramuskulären Schmerz auf einer numerischen Analogskala von „0“ bis „10“ („0“ für keinen und „10“ für den maximal vorstellbaren Schmerz). Die sympathischen Muskelvasokonstriktor-Neurone wurden durch Inhalation verschiedener Gasgemische moduliert (hohe Aktivität durch O2/ CO2-Gemisch versus niedrige Aktivität durch reines O2). Die Aktivität sympathischer Muskelvasokonstriktor-Neurone wurde durch den Anstieg des arteriellen Blutdruckes gemessen (Finapres). Ergebnisse: Der durch Capsaicin hervorgerufene Muskelschmerz unter hoher Aktivität sympathischer Muskelvasokonstriktor-Neurone unterschied sich nicht signifikant vom Schmerz bei niedriger Aktivität. Schlussfolgerungen: Sympathische Muskelvasokonstriktor-Neurone haben keinen Einfluß auf Capsaicin-induzierten Muskelschmerz. Unterstützt durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG Ba 1921/1-1)
bewerteten Schmerz und Allodynie auf einer numerischen Analogskala von „0“ bis „10“ („0“ für keinen und „10“ für den maximal vorstellbaren Schmerz). Ergebnisse: Nach intramuskuläre Capsaicingabe kommt es zu einem brennenden tiefen somatischen Spontanschmerz und einer tiefen Allodynie. Die Schmerzen sind bei Erwärmung der Muskulatur größer als bei Kühlung. Ebenso verhält sich der brennende Spontanschmerz und die Allodynie bei kutaner Capsaicingabe. Schlussfolgerungen: Es finden sich Hinweise für das Vorliegen eines thermosensiblen Capsaicinrezeptors in der humanen Skelettmuskulatur. Dieser könnte für pathophysiologische Mechanismen bei tief somatischen Schmerzen von Bedeutung sein. Unterstützt durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG Ba 1921/1-1)
P4 Grundlagen: Zentrales Nervensystem P4.1 Umkehr der zentralen Sensibilisierung in vivo durch den µ-Opiatrezeptor-Agonisten Remifentanil C. Brechtel, J. Benrath, E. Martin, J. Sandkühler Klinik für Anaesthesiologie und Institut für Physiologie und Pathophysiologie Die NMDA-Rezeptor abhängige Langzeitpotenzierung (LTP) der synaptischen Übertragungsstärke zwischen afferenten C-Fasern und nachgeschalteten Neuronen im oberflächlichen Hinterhorn des Rückenmarks ist ein zelluläres Modell der zentralen Sensibilisierung (Pain 88 (2000) 113). Wir haben die Effekte des NMDA-Rezeptor-Antagonisten Ketamin und des µ-Opiatrezeptor- Agonisten Remifentanil auf die Induktion und die Aufrechterhaltung der LTP in adulten Ratten unter Isofluran-Narkose untersucht. Im lumbalen Hinterhorn des Rückenmarks wurden in den Laminae I/II C-Faser-evozierte Potentiale als Antwort auf die elektrische Stimulation des N. ischiadicus (10–30 V, 0.5 ms, 5 min Abstände) mit Glaselektroden abgeleitet. Ein supramaximaler, hochfrequenter, konditionierender Stimulus (HFS; 40–60 V, 0,5 ms, 10 s Abstände) induzierte in 28 Ratten eine LTP auf 165 ± 4% der Kontrolle (Mittelwert ± SEM) für mindestens 60 min. Ketamin wurde in 5 Ratten als Bolus (5 mg/kg) 60 min vor HFS i.v. appliziert und verhinderte die Induktion der LTP. Ketamin 60 min nach Induktion der LTP i.v. verabreicht, hatte keinen Einfluss auf deren Aufrechterhaltung. In 5 Ratten wurde Remifentanil i.v. als Bolus (30 µg/kg) gefolgt von einer Infusion (450 µg/kg/h) 60 min vor HFS gegeben und verhinderte die Induktion der LTP. In 7 Ratten wurde das gleiche Remifentanil-Regime 60 min nach Induktion der LTP i.v. verabreicht. Die auf 154 ± 8% der Kontrolle potenzierten C-Faser-evozierten Potentiale wurden durch Remifentanil auf 40 ± 6% der Kontrolle reduziert und kehrten innerhalb von 20 min nach Abschalten der Infusion auf Kontrollwerte (98 ± 15%) zurück. Remifentanil konnte also eine bereits induzierte LTP rückgängig machen. Aus diesen Ergebnissen schließen wir, dass sowohl Ketamin als auch Remifentanil die Induktion der LTP verhindern können. Remifentanil kann jedoch im Gegensatz zu Ketamin eine zentrale Sensibilisierung in vivo rückgängig machen.
P3.14 Thermosensibilität des intramuskulären Capsaicin-Rezeptors G.Wasner1,A. Bréchôt1, J. Schattschneider1,A. Binder1, T. S. Jensen2, R. Baron1 1 Klinik für Neurologie der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel und 2 Department of Neurology and Danish Research Centre Aarhuus, Dänemark Einleitung: Die kutane Gabe von Capsaicin, dem Inhaltsstoff der scharfen Paprika, führt zu brennenden Spontanschmerzen und einer kutanen Allodynie und Hyperalgesie. Ursächlich ist eine Sensibilisierung primärer Nozizeptoren der Haut durch Erregung eines Vanilloidrezeptors (VR1). Dieser Capsaicin-Rezeptor ist von großer Bedeutung für die kutane Nozizeption, insbesondere bei Hitzereizen. Dafür ist die Thermosensibilität des Rezeptors verantwortlich: Wärme und Hitze erniedrigen, Kälte erhöht die Erregungsschwelle. Ob es auch in anderen Geweben neben der Haut, beispielsweise in der Skelettmuskulatur, ebenfalls thermosensible Capsaicin-Rezeptoren gibt, ist nicht bekannt. In der vorliegenden Arbeit wurde der Einfluß unterschiedlicher Temperaturen der Skelettmuskulatur auf Schmerzen untersucht, die durch intramuskuläre Capsaicingabe ausgelöst wurden. Methode: Bei bisher 5 Probanden wurde Capsaicin in den Musculus brachioradialis injiziert. Zuvor wurde der Muskel durch lokale Wasserbäder auf 25°C gekühlt oder auf 37°C erwärmt. Als Kontrollen wurde Capsaicin bei entsprechenden Hauttemperaturen kutan appliziert. Die Probanden
S 54 |
Der Schmerz [Suppl 1]•2001
Mit Unterstützung des Forschungsschwerpunktes „Schmerz“ der Medizinischen Fakultät der Universität Heidelberg. P4.2 Die Untersuchung der trigeminalen Nozizeption durch den Blinkreflex J. Ellrich Institut für Experimentelle und Klinische Pharmakologie und Toxikologie Universität Erlangen-Nürnberg, Fahrstraße 17, D-91054 Erlangen Viele Patienten leiden unter Kopf- und Gesichtsschmerzen, objektive Methoden zur Untersuchung der nozizeptiven Signalverarbeitung im trigeminalen System fehlen jedoch bisher. Trigeminale nozizeptive Afferenzen projizieren im wesentlichen auf Neurone des Nucleus spinalis nervi trigemini (STN). Der trigeminofaziale Blinkreflex (BR) wird vermittelt über sensorische Neurone des STN. Wenn nozizeptive Neurone am Reflexbogen des BR beteiligt sind, dann könnte die nozizeptive Signalverarbeitung im Kopf- und Gesichtsbereich durch diesen Hirnstammreflex untersucht werden. Schwache elektrische Stimulation des Nervus supraorbitalis über der Augenbraue evoziert den Blinkreflex mit einer ipsilateralen R1-Komponente bei 11 ms und zwei bilateralen Komponenten R2 und R3 bei 33 und 84 ms. Ein funktioneller Block kutaner Nozizeptoren durch Lokal-
anästhesie des Stimulationsareals erhöht signifikant die elektrische Schmerzschwelle, die elektrischen Schwellen von R1, R2 und R3 bleiben unverändert. Diese Daten belegen, dass bei der Auslösung des BR durch schwache elektrische Reize keine nozizeptiven Afferenzen involviert sind. Selektive Aktivierung kutaner Nozizeptoren durch einen phasischen Hitzereiz eines Infrarotlasers löst einen BR mit einer Latenz von 70 ms aus. Unter Berücksichtigung der Transduktionszeit von etwa 40 ms ist die Latenz des Laser-evozierten BR der der elektrisch evozierten R2 sehr ähnlich. Durch eine konzentrische Elektrode (kleine Kathode, große Ringanode) kann ebenfalls ein BR mit einer Latenz von etwa 40 ms ausgelöst werden, der bevorzugt durch nozizeptive Afferenzen vermittelt wird. Demnach, kann die R2 des BR durch nicht-nozizeptiven Ab-Input und durch nozizeptiven Ad-Input ausgelöst werden. Es ist denkbar, dass niederschwelliger mechanorezeptiver Ab-Input und nozizeptiver Ad-Input auf verschiedene Neurone des STN, also LTM- und NS-Neurone, projizieren oder beiderlei afferenter Einstrom auf gemeinsame multirezeptive WDR-Neurone des STN konvergieren. Das „Diffuse Noxious Inhibitory Control System“ (DNIC) hemmt selektiv nozizeptive Neurone bei noxischer Stimulation außerhalb des exzitatorischen rezeptiven Feldes. Noxische Hitzestimulation des Unterarmes hemmt selektiv die R2 (nicht die R1) des durch schwache elektrische Reize evozierten BR. Dies weist darauf hin, dass die R2 durch nozizeptive WDR-Neurone und die R1 durch niederschwellige LTM-Neurone vermittelt wird. Weiterhin wird die elektrisch ausgelöste R2 durch simultane noxische Hitzestimulation der Stirn gebahnt. Diese Ergebnisse zeigen, dass im Reflexbogen der R2 des BR niederschwelliger Ab-Input und nozizeptiver Ad-Input auf gemeinsame WDR-Neurone konvergieren (räumliche Bahnung). Die R2 des BR wird also wesentlich durch medulläre WDR-Neurone des STN vermittelt. Demnach kann die nozizeptive Signalverarbeitung im trigeminalen System durch den Einsatz der R2 des BR untersucht werden. (Gefördert durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft.) P4.3 Wege des [Ca2+]i-Anstiegs in Neuronen des oberflächlichen Rückenmarks bei der synaptischen Langzeithemmung durch metabotrope Glutamatrezeptoren B. Heinke, J. Sandkühler Institut für Physiologie und Pathophysiologie der Universität Heidelberg Keine der heutigen Analgetika verfügen über eine lang anhaltende antinozizeptive Wirkung, die auch nach Auswaschen der Substanz erhalten bleibt. Wir konnten jedoch kürzlich zeigen, dass Agonisten an metabotropen Glutamatrezeptoren (mGluR) in vitro eine Langzeithemmung der synaptischen Übertragungsstärke zwischen nozizeptiven Ad-Fasern und Neuronen im oberflächlichen Hinterhorn des Rückenmarks bewirken (Neuropharmacology 39: 2231). Hier untersuchen wir die Beteiligung der freien zytosolischen Ca2+-Konzentration ([Ca2+]i) bei dieser antinozizeptiven synaptischen Langzeitwirkung im Rückenmark. Transversale Rückenmarksschnitte von jungen Ratten (18-21 Tage alt) wurden mit dem Ca2+-sensitiven Farbstoff Fura-2/AM inkubiert und die Fluoreszenzänderungen in Neuronen des oberflächlichen Hinterhorns gemessen. Badapplikation des Gruppe I mGluR Agonisten (S)3,5-DHPG (100 µM) führte zu einem deutlichen [Ca2+]i Anstieg in 126 von 175 Zellen (Inzidenz 72%) auf 222 ± 11% (Mittelwert ± Standardfehler) des Ruhewerts. Der Gruppe II Agonist DCG-IV (5 µM, n = 51) und der Gruppe III Agonist L-AP4 (50 µM, n = 55) hatten keinen signifikanten Effekt auf das Ca2+-Signal. Die kombinierte Vorbehandlung mit Antagonisten der Gruppe I Subtypen mGluR1 und mGluR5, 4-CPG (200 µM) bzw. MPEP (30 µM), verhinderte die DHPG-Wirkung nahezu vollständig (n = 30). Da Gruppe I mGluRs positiv an den Phospholipase C-Weg gekoppelt sind und damit zu einer IP3-vermittelten Ca2+-Freisetzung aus intrazellulären Speichern führen können, wurden die Ca2+Speicher mit Cyclopiazonic Acid (CPA, 30 µM) entleert. Diese Behandlung reduzierte signifikant die Inzidenz der DHPG-Antwort auf 56%, und die Größe des [Ca2+]i Anstieges auf 152 ± 8% des Ruhewerts (n = 32). Die Hemmung spannungsabhängiger L-Typ Ca2+-Kanäle mit Verapamil (50 µM) führte ebenfalls zu einer reduzierten DHPG-Antwort: die Inzidenz war mit 17 von 37 Zellen (46%) und die Größe war mit 144 ± 7% des [Ca2+]i Ruhewerts signifikant abgeschwächt. Die Kombination von CPA und Verapamil blockierte den DHPG-evozierten Anstieg von [CA2+]i vollständig (n = 45). Die Ergebnisse zeigen, dass die selektive Aktivierung metabotroper Glutamatrezeptoren der Gruppe I, nicht jedoch der Gruppen II und III, einen signifikanten Anstieg der intrazellulären Ca2+-Konzentration in Neuronen des oberflächlichen Hinterhorns im Rückenmark der Ratte
induziert. Dabei wird Ca2+ aus intrazellulären Speichern freigesetzt und gelangen zusätzlich durch spannungsabhängige Ca2+-Kanäle vom LTyp in die Zelle. Gefördert durch den Forschungsschwerpunkt „Schmerz“ der Medizinischen Fakultät Heidelberg und die DFG (Sa435) P4.4 Nozizeptive Projektionsneurone in Lamina I des Rückenmarks zeigen einen besonders ausgeprägten aktivitätsabhängigen Anstieg der freien intrazellulären Ca2+- Konzentration B. Heinke, R. Ruscheweyh, J. Sandkühler Institut für Physiologie und Pathophysiologie der Universität Heidelberg In der Lamina I des Hinterhorns liegen Projektionsneurone für die aufsteigende Weiterleitung nozizeptiver Information. Ein großer Teil der projizierenden Lamina I Neurone exprimiert NK1-Rezeptoren. Diese Zellen sind offenbar notwendig für die Entwicklung der Hyperalgesie bei Entzündungen und Nervenläsionen (Science 278: 275). Wir haben Projektionsneurone (PN) in Lamina I (n = 74) durch retrograd transportierten Farbstoff, der in den Hirnstamm junger Ratten (18-21 Tage alt) injiziert wurde, markiert. An diesen Neuronen wurden dann in transversalen Rückenmarksschnitten Patch-Clamp-Ableitungen und intrazelluläre mikrofluorometrische Ca2+-Messungen (Fura-2) durchgeführt. Passive und aktive Membraneigenschaften von PNs waren signifikant verschieden von denen der nicht-identifizierten Neurone (NN, n = 70). PNs hatten signifikant größere Zellkapazitäten (69 ± 3 pF gegenüber 37 ± 3 pF), negativere Ruhemembranpotentiale (-63 ± 1 mV gegenüber -58 ± 1 mV) und negativere Aktionspotentialschwellen (-43 ± 1 mV gegenüber -37 ± 2 mV). 78% der PNs aber nur 3% der NNs zeigten eine Verbreiterung der Aktionspotentiale (AP) durch eine Schulterformation in der abfallenden Phase der APs. Die Verbreiterung der APs wurde durch niedrige Ni2+-Konzentrationen (100 µM) in der Badlösung verhindert und wird also offenbar durch den Einstrom von Ca2+ durch Ca2+-Kanäle vom T-Typ verursacht. Wir haben untersucht, ob die Schulterformation im AP zu einem stärkeren intrazellulären Ca2+-Anstieg führt, wenn die Neurone APs entladen. Wurden durch wiederholte kurze Strominjektionen in der Stromklemme 40 APs in einer Sekunde ausgelöst, so war der resultierende Ca2+-Anstieg bei PNs mit Schulter im AP fast dreimal so groß wie bei Zellen ohne Schulter (748 ± 66 nM gegenüber 273 ± 47 nM). Es bestand eine enge Korrelation (r = 0,91; n = 16) zwischen dem so evoziertem Ca2+Anstieg und der Größe der Schulter (gemessen als Fläche unter dem entsprechenden Kurvenabschnitt). Die Ergebnisse zeigen, dass sich nozizeptive Lamina I Neurone mit aufsteigender Projektion durch besondere passive und aktive Membraneigenschaften auszeichnen und größtenteils einen T-Typ Ca2+-Strom exprimieren, der zu einem verstärkten aktivitätsabhängigen intrazellulären Ca2+-Anstieg führt. Dies kann eine aktivitätsabhängige zentrale Sensibilisierung und Hyperalgesie begünstigen. Gefördert durch den Forschungsschwerpunkt „Schmerz“ der Medizinischen Fakultät Heidelberg und die DFG (Sa435) P4.5 Langzeitpotenzierung und Langzeitdepression der menschlichen Schmerzwahrnehmung T. Klein1,2, W. Magerl1, H.C. Hopf2, J. Sandkühler3, R.D. Treede1 1 Institut für Physiologie und Pathophysiologie und 2 Klinik für Neurologie, Universität Mainz, 3 Institut für Physiologie und Pathophysiologie, Universität Heidelberg Stark schmerzhafte Reize können in nozizeptiven Neuronen des Hinterhorns zu lang dauernden Veränderungen der Erregbarkeit führen (zentrale Sensibilisierung), welche enge Gemeinsamkeiten mit im Hippocampus beschriebenen Langzeitpotenzierung (LTP) und Langzeitdepression (LTD) aufweisen. Die Rolle von LTP und LTD im Rahmen der menschlichen Schmerzwahrnehmung ist bisher jedoch weitgehend unbekannt. Die hier präsentierten Daten zeigen, dass typische elektrische Reizprotokolle LTP- und LTD- ähnliche Veränderungen der Schmerzwahrnehmung beim Menschen hervorrufen können. Konditionierende elektrische Reize (CS) wurden als hochfrequente 1s-trains (5x bei 100Hz; HFS) oder niederfrequente Pulsfolgen (1000 Pulse bei 1Hz; LFS) mit Hilfe eines Rasters punktförmiger Elektroden am Unterarm appliziert. Input-spezifische Veränderungen der Schmerzwahrnehmung wurden durch elektrische Testreize am Ort des CS untersucht. Heterosynaptische Veränderungen auf punktförmige mechanische Testreize (200 µm Ø; Stärke: 8-512 mN) Der Schmerz [Suppl 1]•2001
| S 55
Abstracts wurden in der Umgebung des CS getestet. HFS führte zu einer langdauernden Steigerung, LFS zu einer anhaltenden Verminderung der Schmerzwahrnehmung auf elektrische Testreize (siehe Abb.). Schmerzen auf mechanische Testreize in der Umgebung des CS waren nach HFS ebenfalls deutlich gesteigert (heterosynaptische Fazilitierung).
stems gewertet werden. Die Unterschiede im Verlauf der CNV-Komponenten bezogen auf die Ableitorte sind möglicherweise darauf zurückzuführen, dass sie in verschieden Hirnarealen generiert werden. Die iCNV kann dabei als frontal generiertes Aufmerksamkeitspotential gesehen werden, dessen „Echo“ mit zunehmender räumlicher Entfernung geringer wird. Die lCNV entsteht vermutlich im Zusammenhang mit dem motorischen Bereitschaftspotential präzentral, weshalb die Elektrodendifferenzen hier niedriger sind. Vor dem Hintergrund dieser Ergebnisse, insbesondere der Interaktion von Ort und Komponente ist es fraglich, inwieweit eine Mittelung verschiedener Ableitorte bzw einzelner Komponenten der CNV überhaupt sinnvoll ist. P4.7 Kälte, Gefrierschmerz und Berührung werden im menschlichen Gehirn unterschiedlich verarbeitet: eine MEG-Studie C. Maihöfner, E. Lang, M. Kaltenhäuser, C. Hummel, H. Stefan, B. Neundörfer Neurologische Klinik mit Poliklinik der Universität Erlangen-Nürnberg
Die vorliegenden Daten zeigen, dass durch HFS nozizeptiver primärer Afferenzen lang anhaltende input-spezifische LTP- ähnlichen Veränderung auf schmerzhafte elektrische Testreize, sowie heterosynaptische LTPähnliche Steigerung der Schmerzhaftigkeit mechanischer Testreize beim Menschen hervorgerufen werden konnten, wie man sie auch beim Neuropathischen Schmerz findet. Durch LFS wurde eine input-spezifische LTDähnliche Depression der Schmerzwahrnehmung hervorgerufen. Die Resultate zeigen, dass LTP- und LTD-ähnliche Prozesse eine wichtige Rolle bei der Modulation der Schmerzwahrnehmung spielen. P4.6 Differentielle CNV-Aktivität bei Patienten mit Migräne: Abhängigkeit vom Ableitort J. Lorenzen1, W.-D. Gerber1, H. Göbel2, P. Kropp1 Institut für Medizinische Psychologie der Universität Kiel 2 Neurologisch-verhaltensmedizinische Schmerzklinik Kiel
1
Fragestellung: Die Contingente Negative Variation (CNV) ist ein langsames ereigniskorreliertes Hirnpotential, welches zwischen zwei kontingenten akustischen Reizen entsteht. Der erste Reiz dient dabei als Warnreiz (S1) und kündigt zweiten, imperativen Reiz (S2) an, auf den unmittelbar mit einem Knopfdruck reagiert werden soll. Drei Komponenten können in der CNV unterschieden werden: die gesamt-CNV (tCNV), sowie die frühe (iCNV) und die späte Komponente (lCNV). Der frühen Komponente liegen Aufmerksamkeitsprozesse zugrunde; die späte Komponente dagegen ist Ausdruck des motorischen Bereitschaftspotentials (BP). Bisherige Studien leiteten über dem Vertex (Cz) ab, andere Untersuchungen überprüften Unteschiede zwischen C3, C4 und Cz und fanden dabei geringfügig stärker ausgeprägte Amplituden über C3. Studien, die Differenzen entlang der Sagittalachse des Cortex untersuchen, fehlen bislang völlig. In der vorliegenden Untersuchung sollen daher die Amplitudenunterschiede zwischen Fz, Cz und Pz sowie deren Verlauf in der frühen und späten Komponente bei Migränepatienten analysiert werden. Methodik: Die Stichprobe besteht aus 20 Patienten mit Migräne ohne Aura (Altersmedian: 47 Jahre). Die CNV wurde im schmerzfreien Intervall jeweils über Fz, Cz und Pz mit verbundenen mastoiden als Referenz abgeleitet. Als Stimuli für S1 und S2 dienten zwei akustische Reize, das Interstimulusintervall betrug t = 3 s. In einer zweifaktoriellen Varianzanalyse mit den Faktoren Ableitort und CNV-Komponente wurden die Messergebnisse statistisch ausgewertet. Ergebnisse: Die gemittelten Amplituden sind für tCNV über Fz am ausgeprägtesten, über Pz am niedrigsten (F=63,42; p<.001). Im Einzelvergleich mit dem Scheffé-Test unterscheiden sich Fz, Cz und Pz paarweise signifikant voneinander. In der Interaktion mit den Komponenten zeigt sich jedoch ein unterschiedliches Verhalten der Ableitorte. Signifikante Amplitudendifferenzen ergeben sich nur für iCNV, nicht jedoch für lCNV (F=9,57; p<.001), wobei hier über Cz tendenziell höhere Amplituden entstehen. Schlussfolgerungen: Die gemittelte, langsame negative Potentialänderung des Cortex nimmt von frontal nach parietal kontinuierlich ab. Dies kann als Hinweis auf eine von frontal nach parietal laufende Erregungsausbreitung innerhalb des serotoninergen und des noradrenergen Sy-
S 56 |
Der Schmerz [Suppl 1]•2001
Hintergrund: Die gegenwärtigen Kenntnisse bezüglich der Verarbeitung von Kälte und Kälte-induziertem Schmerz im menschlichen Gehirn sind unvollständig und widersprüchlich. Obwohl die Temperaturempfindung als eine Submodalität der Berührung gilt, mehren sich die Hinweise auf eine Beteiligung des insulären Kortex. Diese Hypothese könnte auch das klinische Symptom einer kontralateralen Kältehypästhesie nach einer Läsion im Bereich der dorsolateralen Insel erklären. Dennoch lieferten fMRI-Studien widersprüchliche Daten über eine mögliche Aktivierung von parietalen somatosensorischen Kortizes nach Kältestimulation. Magnetenzephalographische Untersuchungen über die Verarbeitung von Kälte im Gehirn existieren bislang noch nicht. Ziele und Methodik: In der vorliegenden Studie wurde die kortikale Verarbeitung von Kälte, Kälte-induziertem Schmerz und Berührung bei gesunden Probanden (n=6) mit Magnetenzephalographie (MEG; BTI, Magnes, San Diego) untersucht. Zum Einsatz kam dabei ein neu entwickelter, magnetisch inerter Kältestimulator. In getrennten Sitzungen wurden Kalt- (DT= 5K) - beziehungsweise schmerzhafte (DT= 30-40K) Kaltreize am rechten Handrücken der Probanden appliziert. Berührungsreize wurden durch pneumatische taktile Stimulation erzeugt. Ergebnisse: Nach Kaltstimulation fand sich bei allen Probanden eine Aktivierung des posterioren kontralateralen insulären Kortex. Bei vier Probanden wurde zusätzlich die ipsilaterale Insel aktiviert. Nach schmerzhafter Kältestimulation fand sich eine zusätzliche Aktivierung von sekundären somatosensorischen Kortizes (SII) sowie eine variable Aktivierung des Gyrus cinguli. Weder Kalt- noch schmerzhafte Kaltreize zeigten eine Aktivierung des primären somatosensorischen Kortex (SI). Die durch taktile Reize evozierten magnetischen Antworten konnten kontralateral in SI lokalisiert werden. Schlußfolgerung: Die Ergebnisse dieser Studie demonstrieren die Rolle der Inselregion bei der Verarbeitung von Kaltreizen. Die Befunde unterstützen weiter die Funktion von SII und dem Gyrus cinguli bei der Prozessierung von schmerzhaften Reizen. Zusammenfassend deutet diese Studie auf eine unterschiedliche Verarbeitung von Kälte und Berührung im menschlichen Gehirn hin. P4.8 Bei chronischer Entzündung ist die Frequenz glyzinerger postsynaptischer Miniaturströme (mIPSCs) in Lamina I Neuronen des Rückenmarks der Ratte stark reduziert F. Müller, B. Heinke, J. Sandkühler Institut für Physiologie und Pathophysiologie, Universität Heidelberg Chronische Entzündungen können zur zentralen Sensibilisierung im nozizeptiven System des Rückenmarks führen. In dieser Studie testeten wir, ob ein Verlust inhibitorischer Kontrolle und/oder Veränderungen intrinsischer Membraneigenschaften von spinalen Lamina I Neuronen zu zentraler Sensibilisierung beitragen. Wir injizierten 100-150 ml komplettes Freundsches Adjuvans (CFA) in eine Hinterpfote von jungen Ratten (P16P26). Drei Tage nach der Injektion untersuchten wir Glyzinrezeptor-vermittelte inhibitorische postsynaptische Miniaturströme (mIPSCs) mittels Patch-Clamp-Ableitungen in der Ganzzellkonfiguration in Transversalschnitten des Rückenmarks. Spontan auftretende glyzinerge mIPSCs wurden in Anwesenheit von TTX (0.5 mM), CNQX (10 mM), D-AP-5 (50mM) und Bicucullin (10 µM) in der Badlösung abgeleitet. Im Vergleich zu Kontrollen war die Frequenz glyzinerger mIPSCs in Lamina I Neuronen ipsilateral zu der entzündeten Pfote signifikant auf ein Fünftel reduziert (Kontrolle: 0.16 ± 0.07 mIPSCs pro Sekunde, n = 24; CFA: 0.03 ± 0.01 mIPSCs/s, n = 27). Die Amplitude der mIPSCs blieb da-
gegen unverändert (Kontrolle: 35 ± 3 pA, n = 20; CFA: 36 ± 4 pA, n = 20). Die Entzündung zeigte keinen Einfluß auf die intrinsischen Membraneigenschaften der Lamina I Neurone einschließlich des Ruhemembranpotentials (Kontrolle: -58 ± 1 mV, n = 23), des Membranwiderstandes (Kontrolle: 590 ± 50 MΩ, n = 23) und der Aktionspotentialschwelle (Kontrolle: -36 ± 1 mV, n = 21). Auf die Verteilung der Entladungsmuster von Lamina I Neuronen hatte die chronische Entzündung ebenfalls keinen Einfluß. Diese Ergebnisse zeigen, dass entscheidende Membraneigenschaften von spinalen Lamina I Neuronen während einer CFA-induzierten chronischen Entzündung stabil bleiben. Der starke Rückgang inhibitorischer glyzinerger Modulation von Lamina I Neuronen in Folge eines wahrscheinlich präsynaptischen Mechanismus könnte eine zentrale Sensibilisierung begünstigen. Gefördert durch den Forschungsschwerpunkt „Schmerz“ der Medizinischen Fakultät Heidelberg und die DFG (Sa 435) P4.9 Durch Endothelin-1 ausgelöste Cortical Spreading Depression wird weder durch Blockade von Gap Junctions noch durch Inhibition purinerger Rezeptoren blockiert. G. Petzold, O. Windmüller, G. Arnold, K. M. Einhäupl, U. Dirnagl, J. P. Dreier Neurologische Klinik, Charité, Humboldt-Universität, Schumannstr. 20/21, 10098 Berlin, e-mail:
[email protected] Fragestellung: Die Cortical Spreading Depression (CSD) wird als das pathophysiologische Korrelat der Migräneaura angesehen. Die Tatsache, dass sowohl zerebrovaskuläre Erkrankungen wie CADASIL als auch Prozeduren wie die arterielle Angiographie mit dem Auftreten migräneartiger Symptome assoziiert sind, lassen einen Mediator vermuten, der durch endotheliale Irritation freigesetzt wird und im neuronal-astrozytären Netzwerk CSD’s hervorruft. Einen solchen Mediator stellt das Peptid Endothelin-1 (ET-1) dar, das einerseits bei Migränepatienten in der Attacke1 und nach Angiographie2 im Serum erhöht ist, andererseits tierexperimentell in vivo ein hochpotenter Auslöser von CSD’s ist2. Dieser Befund ist überraschend, da ET-1 in vitro ein potenter Inhibitor interzellulärer Verbindungen (Gap Junctions) ist3. Es ist experimentell nahegelegt worden, dass eine Blockade von Gap Junctions zur Inhibition von CSD führt4 und dass der CSD möglicherweise eine Gap-Junction-vermittelte Propagation sogenannter CalciumWellen zugrunde liegt5. Um diesem Paradaxon nachzugehen, untersuchten wir die ET-1-vermittelte Auslösung und Propagation von CSD’s nach GapJunction-Blockade. Eine weitere Theorie zur Weiterleitung von CalciumWellen geht von einer extrazellulären, über purinerge Rezeptoren vermittelten Propagation aus.Wir untersuchten daher zusätzlich, ob eine Inhibition dieses Weges ET-1-vermittelte CSD’s beeinflußt. Angewandte Methodik: In männlichen Wistar-Ratten wurden jeweils zwei kranielle Fenster implantiert. Nach Durchtrennung der Dura mater erfolgte in beiden Fenstern die Messung des zerebralen Blutflusses (CBF) mittels Laser-Doppler-Flowmetrie und des extrazellulären DC-Potentials. Die Detektion von CSD’s erfolgte anhand der DC-Potentialauslenkung und der typischen CBF-Antwort. Beide Fenster wurden zunächst mit artefiziellem Liquor cerebrospinalis superfundiert. Im Bereich eines der beiden Fenster wurde dann statt physiologischem Liquor ET-1 alleine superfundiert (Gruppe 1, n=7). Um die mögliche Beteiligung von Gap Junctions zu untersuchen, wurde in einer weiteren Gruppe ET-1 mit dem spezifischen Gap-Junction-Inhibitor Carbenoxolon koappliziert (Gruppe 2, n=7). Um zu eruieren, ob ET-1-induzierte CSD’s bei blockierten Gap Junctions eventuell über purinerge Rezeptoren vermittelt werden, wurde in zwei weiteren Gruppen ET-1 mit dem Purin-Rezeptor-Antagonisten Suramin (Gruppe 3, n=7) und ET-1 mit Carbenoxolon und Suramin (Gruppe 4, n=7) superfundiert. Resultate: In Gruppe 1 (ET-1 alleine) konnte in allen Tieren eine CSD ausgelöst und im zweiten Fenster detektiert werden. DC-Potentialauslenkung, CBF-Veränderungen (variable initiale Hypoperfusion, gefolgt von Hyperämie und Oligämie) und Ausbreitungsgeschwindigkeit waren CSD-typisch. Weder Carbenoxolon (Gruppe 2) noch Suramin (Gruppe 3) noch die Kombination beider Substanzen (Gruppe 4) war in der Lage, die ET-1-vermittelte Auslösung oder Propagation von CSD’s zu verhindern, die Schwelle zur Auslösung zu erhöhen oder die Ausbreitungsgeschwindigkeit zu verändern. Schlussfolgerungen: In allen Gruppen konnten ET-1-induzierte CSD’s in beiden Fenstern detektiert werden. Eine Beteiligung von Gap Junctions an der Propagation von ET-1-induzierten CSD’s erscheint daher unwahrscheinlich. Darüber hinaus scheint auch der „purinerge Weg“ der Propagation von Calcium-Wellen nicht an ET-1-getriggerten CSD’s beteiligt zu sein.
1. Gallai V, Sarchielli P, Firenze C et al. Acta Neurol Scand 89: 47-55 (1994) 2. Dreier JP, Kleeberg J, Petzold G et al. submitted 3. Giaume C, Cordier J & Glowinski J. Eur J Neurosci 4: 877-881 (1992) 4. Nedergaard M, Cooper AJ & Goldman SA. J Neurobiol 28: 433-444 (1995) 5. Kunkler PE & Kraig RP. J Neurosci 18: 3416-3425 (1998) P4.10 Epileptiforme Aktivität im Hinterhorn des Rückenmarks und neuropathische Schmerzen haben ein ähnliches pharmakologisches Profil R. Ruscheweyh, J. Sandkühler Institut für Physiologie und Pathophysiologie, Universität Heidelberg, INF 326, 69120 Heidelberg Neuropathische Schmerzen, insbesondere paroxysmale Formen wie die Trigeminusneuralgie, zeigen Gemeinsamkeiten mit epileptischen Anfällen. Unter anderem sprechen sie auf Antikonvulsiva wie Carbamazepin und Phenytoin an. Wir zeigen hier, dass das neuronale Netz im Hinterhorn des Rückenmarks zu epileptiformer Aktivität (EA) fähig ist und dass diese ein ähnliches pharmakologisches Profil zeigt wie neuropathische Schmerzen. Hierzu haben wir Patch-Clamp-Ableitungen von Neuronen in Lamina I und II in transversalen Rückenmarkschnitten von jungen Ratten durchgeführt. Badapplikation von 4-Aminopyridin (100 µM, n = 10) führte zu spontanen epileptiformen Entladungen. Diese bestanden aus multiplen synchronen postsynaptischen Einwärtsströmen, die rhythmisch mit einer Frequenz von 1.20 ± 0.07 Hz (n = 10, Mittelwert ± Standardfehler) auftraten. Da die EA auch nach Abtrennen der Vorderhörner ausgelöst werden konnte (n = 5) und ihre Frequenz unabhängig vom Membranpotential war (n = 5), handelt es sich um eine im Hinterhorn generierte Netzwerkaktivität. Für die Ausbildung der EA waren exzitatorische synaptische Übertragung durch Glutamat, inhibitorische synaptische Übertragung durch GABA, Generation von Aktionspotentialen und elektrotonische Koppelung über gap junctions notwendig, denn Vorbehandlung mit CNQX und D-AP5 (10 µM und 50 µM, n = 5), Bicucullin (10 µM, n = 5), TTX (0.5 µM, n = 7) oder den gap-junction-Blockern Carbenoxolon (100 µM, n = 6) oder Octanol (0.3 mM und 1 mM, n = 6) unterdrückte die EA vollständig. Phenytoin (100 µM, n = 5) verhinderte das Auftreten der EA, und Carbamazepin (100 µM, n = 5) verzögerte und hemmte die EA signifikant. Dagegen hatte der µ-Opioidrezeptoragonist DAMGO (10 µM, n = 5) keine Wirkung auf die EA. Bisher ist die Wirksamkeit antikonvulsiver Medikamente bei neuropathischen Schmerzen meist mit einer Dämpfung ektoper Aktivität im geschädigten peripheren Nerven erklärt worden. Einen möglichen Mechanismus der zentralen Sensibilisierung bei neuropathischen Schmerzen stellt die Entwicklung einer epileptiformen Hyperaktivität im Hinterhorn des Rückenmarks dar. Unsere Befunde zeigen, dass Antikonvulsiva, nicht aber µ-Opioidrezeptoragonisten eine antiepileptiforme Wirkung an nozizeptiven Neuronen im oberflächlichen Hinterhorn des Rückenmarks haben und damit über einen weiteren möglichen Angriffspunkt bei neuropathischen Schmerzen verfügen. Gefördert durch den Forschungsschwerpunkt „Schmerz“ der Medizinischen Fakultät Heidelberg und der DFG (Sa 435). P4.11 Study to evaluate the effect of ReN 1869 on the development of capsaicin-induced hyperalgesia in human skin – a study using laser-induced somatosensory evoked potentials (LSEPs) K. Schaffler1, K. Seibel1, M. Edwards2 1 Human Pharmacodynamic Research, Munich, 2ReNeuron Ltd., Guilford, UK ReN1869 is characterised as a new tricyclic compound, that is chemically related to amitriptyline, without any significant interaction with other receptors tested so far except for H1-receptor antagonism. The analgesic effect of ReN1869 has been demonstrated in rodent formalin or capsaicin pain tests. This trial was to assess the effect of single dose and multiple doses of ReN1869 on the capsaicin induced neurogenic inflammation and secondarily to assess objectively and quantitatively the effect on pain sensations – concomitant or following neurogenic inflammation in healthy male subjects. Twenty-four healthy male subjects were enrolled in this randomised, double-blind, three-period, cross-over trial consisting of single oral doses of 25 and 50mg ReN1869 and matching placebo as well as a b.i.d. mode of Der Schmerz [Suppl 1]•2001
| S 57
Abstracts administration for one week each, respectively. Participants received applications of 1%-capsaicin solutions in an occlusive mode for 30min on the skin of the back in all 3 trial periods. Several pharmacodynamic tests were performed after capsaicin application and on normal skin: Laser somatosensory evoked potentials (Laser-SEP), planimetry of areas of capsaicin flare and visual analogue scale (VAS) feeling of „pain“ after the laser sessions. RN 1879 exerted a highly significant decreasing effect on the „central“ P2 component of the laser-induced somatosensory evoked potentials (LSEPs) and consequently on the main target variable N1/P2 peak to peak amplitudes, when the laser pulses were applied to capsaicin treated skin. This effect was dose-dependent and was more pronounced after 1 week of treatment (subchronic mode) with RN 1869 than after the first dose (acute mode). There was no relevant (significant) effect on the „peripheral“ N1 component of the LSEPs taken from capsaicin-treated skin. The effects on normal skin demonstrated only trends, especially for the chronic administration mode. These results show that RN 1869 reduces the capsaicin-induced hyperalgesia (a model of neuropathic pain and hyperalgesia) by a preferable central mechanism. As RN 1879 was nearly ineffective when the laser pulses were applied to normal skin it can be concluded that RN 1869 interferes with the central (spinal) mechanisms of the capsaicin induced hyperalgesia. Tiredness was mainly reported with placebo („hospitalisation syndrom“), but less in active medication (27x in placebo, 13x in 100mg and 6x in 050mg). With the 100mg some more cases with nausea were reported (17 x, 4 x in placebo, none with 050mg). Conclusion: RN 1869 reduces the capsaicin-induced hyperalgesia (a model of neuropathic pain and hyperalgesia) by interfering with it’s central (spinal) mechanisms. There were no important safety problems. P4.12 Atypische On-, Off- und Neutrale Zellen in der rostralen ventromedialen Medulla oblongata der Ratte C. Schnell, Jens Ellrich Institut für Experimentelle und Klinische Pharmakologie und Toxikologie Universität Erlangen-Nürnberg, Fahrstraße 17, D-91054 Erlangen Neurone der rostralen ventromedialen Medulla oblongata (RVM) der Ratte werden nach ihrem Antwortverhalten auf noxische Hitzestimulation des Schwanzes klassifiziert: On-Zellen werden aktiviert, Off-Zellen gehemmt und Neutrale Zellen zeigen keine Änderung der Spontanaktivität. Es wird angenommen, dass dieses Verhalten unabhängig vom Reizort ist, sich die rezeptiven Felder also auf den gesamten Körper erstrecken. Die Morphinanalgesie soll im wesentlichen durch eine Aktivierung von Offund eine Hemmung von On-Zellen bewirkt werden. Neutrale Zellen sollen bei der endogenen Schmerzmodulation keine Rolle spielen. Kürzlich konnte gezeigt werden, dass das Antwortverhalten auf noxische Stimulation bei 48% der Off-Zellen, 23% der On-Zellen und allen Neutralen Zellen abhängig ist vom Reizort. Die rezeptiven Felder dieser sogenannten atypischen RVM-Neurone und deren Verhalten bei Morphingabe wurden untersucht. Bei 50 Wistar-Ratten wurden unter Barbituratnarkose Neurone der RVM extrazellulär abgeleitet. Die rezeptiven Felder wurden charakterisiert durch noxische Hitzestimulation des Schwanzes und der Nase, noxische mechanische Stimulation des Schwanzes, der Extremitäten und des Gesichtes, und durch leichte taktile Stimulation der Cornea und der parietalen Dura mater. Bei 25 Zellen wurde der Effekt einer intravenösen Gabe von Morphin-Hydrochlorid (5 mg/kg) untersucht. Insgesamt wurden 57 atypische RVM-Zellen abgeleitet. Die stärksten Abweichungen vom Antwortverhalten auf noxische Hitzestimulation des Schwanzes ergaben sich bei orofazialer Stimulation. Von 24 atypischen Off-Zellen wurden durch noxische mechanische Stimulation der Nase 11 gehemmt, 9 erregt und 4 Zellen reagierten nicht. Von 12 atypischen OnZellen wurden durch noxische mechanische Stimulation der Nase 2 erregt, 6 gehemmt, und 4 Zellen reagierten nicht.Von 21 atypischen Neutralen Zellen wurden durch noxische mechanische Stimulation des Ohres 13 gehemmt, 6 erregt und 2 zeigten ein neutrales Verhalten. 31 atypische Neurone wurden auf Seitenunterschiede im Antwortverhalten auf noxische Stimulationen der Extremitäten, der Ohren und der Cornea untersucht. Bei 6 von 11 Off-Zellen, 4 von 8 On-Zellen und 9 von 12 Neutralen Zellen riefen links- und rechtsseitige Stimulationen unterschiedliche Antwortmuster hervor. Von 25 atypischen RVM-Neuronen zeigten 10 Zellen ein typisches Verhalten nach systemischer Morphingabe. Unter Morphin wurden 6 von 9 Off-Zellen gehemmt, 2 von 7 On-Zellen aktiviert, 2 von 9 Neutralen Zellen gehemmt und 3 von 9 Neutralen Zellen aktiviert. Atypische Zellen der RVM haben komplexe rezeptive Felder. Insbesondere der Effekt orofazialen Inputs auf diese Neurone unterscheidet sich maßgeb-
S 58 |
Der Schmerz [Suppl 1]•2001
lich von der Wirkung der klassischen Hitzestimulation des Schwanzes. Die Ergebnisse zeigen, dass eine einfache Klassifizierung der RVM-Zellen anhand ihres Verhaltens auf noxische Hitzestimulation des Schwanzes nicht ausreicht, um deren Verhalten auf andere noxische Stimuli vorherzusagen. Diese klassische Einteilung der Neurone erscheint auch ungeeignet, um den Effekt von Morphin auf diese Zellen vorherzusagen. Darüber hinaus muss in Frage gestellt werden, ob Neutrale Zellen eine eigene Zellklasse darstellen oder ob sie nicht vielmehr Subtypen von On- und OffZellen sind. (Gefördert durch den Sonderforschungsbereich 353 (Projekt B17).) P4.13 Der Einfluss plastischer Veränderungen im serotonergen System nach Nervenläsion auf neuropathischen Schmerz: Eine Untersuchung an 5-HTT knock-out-Mäusen C. Vogel, R. Mössner2, T. Heinemann2, P. Riederer2, M. Gerlach2, D. L. Murphy3, K.-P. Lesch2, C. Sommer1 Neurologische Klinik1 und Nervenklinik2 der Bayerischen Julius-Maximilians-Universität Würzburg, 97080 Würzburg, 3 Laboratory of Clinical Science3, NIMH-NIH, 9000 Rockville Pike, Bethesda, MD 20892, USA Der Serotonintransporter (5-HTT) ist notwendig für die Aufnahme von Serotonin (5-HT) in die Zelle und spielt somit eine wichtige Rolle bei der Regulation der 5-HT-Konzentration im Gewebe, zudem ist er Angriffspunkt für Antidepressiva. Ziel der Untersuchung war, Veränderungen der Serotonin (5-HT)-Konzentration im Nervengewebe bei Mäusen mit partieller Ischiadicus-läsion mit dem schmerzassoziierten Verhalten der Tiere zu korrelieren. Hierzu wurden Mäuse mit C57/BL6-Hintergrund verwendet, die den 5-HTT entweder normal (5-HTT+/+) oder nicht (5-HTT-/-) exprimierten. Die Mäuse erhielten eine chronische Konstriktionsläsion eines N. ischiadicus (CCI) und wurden in regelmäßigen Abständen auf die Entwicklung von Hitzehyperalgesie und mechanischer Allodynie sowie Kälteallodynie untersucht. 28 Tage nach CCI wurde Gewebe aus der Plantarhaut, den Nn. ischiadici und dem L4/5-Rückenmark von diesen Mäusen und von entsprechenden nicht-operierten Tieren gewonnen und zur Bestimmung der 5-HT Konzentration mittels „high performance liquid chromatography“ (HPLC) weiterverarbeitet. Alle 5-HTT+/+ Mäuse entwickelten nach CCI eine ipsilaterale Hitzehyperalgesie, mechanische Allodynie und Kälteallodynie. Bei den HTT-/Mäusen fand sich eine selektive Reduktion der Hitzehyperalgesie. Die mechanische Allodynie war hingegen bei HTT-/- Mäusen bilateral vorhanden. Die 5-HT-Konzentration war in der nicht-operierten Gruppe bei 5-HTT-/- Mäusen in allen Geweben niedriger als bei 5-HTT+/+ Mäusen (z.B. lumbales Rückenmark 2,7 ± 1.0 µg/g vs. 0.9 ± 0.2 µg/g, p<0,05). Nach CCI stieg die 5-HT-Konzentration im verletzten Nerven bei beiden Genotypen an, wobei die Absolutwerte bei HTT-/- Mäusen weiterhin niedriger blieben als bei 5-HTT+/+ Mäusen (im N. ischiadicus von 5-HTT+/+ Mäusen auf der Kontrollseite 0.6 ± 0.2 µg/g, auf der CCI-Seite 1.1 ± 0.1 µg/g und bei HTT-/- Mäusen auf der Kontrollseite 0.13 ± 0.02 µg/g, auf der CCI-Seite 0.4 ± 0.04 µg/g). Die 5-HT-Konzentration im Rückenmark fiel nach CCI bei beiden Genotypen ab (auf 1.01 ± 0.16 µg/g bei 5-HTT+/+ Mäusen und auf 0.41 ± 0.07 µg/g bei HTT-/- Mäusen).. In der Plantarhaut kam es bei beiden Genotypen zu keiner CCI-spezifischen Veränderung der 5-HT Konzentration. Während Hitzehyperalgesie auf periphere Mechanismen zurückgeführt wird, wird mechanische Allodynie als zentral vermitteltes Phänomen betrachtet. Wir schließen daher aus unseren Ergebnissen, dass 5-HT nach Nervenläsion über Sensibilisierung peripherer nozizeptiver Nervenfasern zur Entstehung von Hitzehyperalgesie beiträgt. Die geringere 5-HT Konzentration im verletzten Nerven in 5-HTT-/-Tieren resultiert demzufolge in deutlich reduzierter Hitzehyperalgesie. Auf spinaler Ebene hat 5HT überwiegend antinozizeptive Wirkungen. Die geringere spinale 5-HTKonzentration in 5-HTT-/-Tieren nach Nervenläsion könnte daher durch Disinhibition zentraler nozizeptiver Neurone die Ursache für die auch kontralateral auftretende mechanische Allodynie sein.
P4.14 Aktivierung des µ-Opioidrezeptors durch den klassischen Antagonisten Naloxon nach Mutation einer Histidin Aminosäure in TM6 C. Zöllner* #, D. Gibis*, W.F. Wang*, C.K. Surratt* # Klinik für Anaesthesiologie und operative Intensivmedizin, Freie Universität Berlin * Albert Einstein College of Medicine, Department of Neuroscience, New York Einleitung: Morphin und seine Derivate sowie die endogenen Opioidpeptide vermitteln ihre analgetische Wirkung durch die Bindung an den µOpioidrezeptor, einem Mitglied der G-Protein gekoppelten Rezeptorfamilie (GPCR) (1). Die Opioidbindung führt zu einer Konformationsänderung des Rezeptors mit nachfolgender Aktivierung von second messenger Systemen und Ionenkanälen (2). Diese molekularen Effekte sind durch den klassischen Antagonisten Naloxon reversibel. Nach Mutation des Histidins 297 in der transmembranen Domäne 6 (TM6) des Rezeptors verhält sich der Antagonist Naloxon wie ein partieller Agonist am µ-Opioidrezeptor. Die intrinsische Aktivität für die partiellen Opioid Alkaloid-Agonisten, einschließlich Buprenorphin, konnte durch die Mutation gesteigert werden. Die Untersuchungen zeigten, dass die Seitenkette des Histidins 297 in einer für die Unterscheidung zwischen Opioidagonisten und Opioidantagonisten bedeutsamen Region des µ-Opioidrezeptors liegt. Methoden: Durch PCR Mutagenese der cDNA des Ratten µ-Opioidrezeptors wurde das Histidin 297 durch die Aminosäuren Alanin, Arginin, Asparagin, Asparaginsäure, Glutamin, Glutaminsäure, Leucin, Lysin oder Phenylalanin ausgetauscht. COS-7 Zellen wurden mit Hilfe der CalciumPhosphat Methode mit 20µg Wildtyp und His297 Mutanten DNA transfiziert. Die Expression des Rezeptors wurde mit immuncytochemischen Methoden und Ligandenbindungsstudien ([3H] Naloxon/DAMGO/Diprenorphine) untersucht. Die intrinsische Aktivität wurde mit Hilfe des [35S] GTPãS Bindungsassays gemessen. Ergebnisse: Ausschließlich die Glutamin und Asparagin Mutanten des µOpiodrezeptors wurden in ausreichender Menge an der Zelloberfläche exprimiert. Die Affinität des mutierten Rezeptors reduzierte sich für den Alkaloid Antagonisten Naloxon um das 2-5 fache (Dissoziationskonstante Kd Wildtyp 1.2 nM, Kd H297Glutamin 2 nM, Kd H297 Asparagin 6.7 nM). Die intrinsische Aktivität für Naloxon erhöhte sich für H297 Glutamin auf 128% (Wildtyp 100%) und für H297 Asparagin auf 119% (Wildtyp 100%). Diskussion: Die Aktivierung des µ-Opioidrezeptors nach Mutation eines Histidins 297 in TM6 durch Naloxon zeigt die Bedeutung dieser Region für die Diskriminierung zwischen Opioidagonisten und Opioidantagonisten. Die Mutation des Histidins 297 könnte eine Unterbrechung intramolekularer Kontakte zwischen den transmembranösenen Helices hervorrufen. Da TM6 direkt mit potentiellen G-Proteinbindungsstellen am dritten intrazellulären Loop des µ-Opioidrezeptors in Verbindung steht, kann die Mutation His297 eine Konformationsänderung mit einer nachfolgenden G-Protein gekoppelten Signaltransduktion durch Bindung eines µOpioidantagonisten hervorrufen. Die genaue Kenntnis dieser Bindungsstellen am µ-Opioidrezeptor könnte zur Entwicklung neuer Opioidliganden beitragen. 1. Wang J.B.; PNAS 89:12048-12052 (1992) 2. Strader C.D. Annu. Rev. Biochem. 63:101-132 (1994) Diese Arbeit wurde durch die DFG (ZO103/1-1) gefördert.
P5 Kopfschmerz I P5.1 Auswirkung von Migräne-Provokationsmethoden auf neurovaskuläre Parameter N. Averkina1, M. Siniatchkin2, P. Kropp1, W. D. Gerber1 Institut für Medizinische Psychologie, Christian Albrechts Universität, Kiel 2 Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie der Universität Göttingen 1
Fragestellung: Im Migräneanfall treten neben neurophysiologischen auch neurovaskuläre Veränderungen auf. Um mögliche Migränetrigger untersuchen zu können, müssen daher neben neurophysiologischen auch neurovaskuläre Parameter berücksichtigt werden. Bei bis zu 70% aller Migränepatientinnen ist die Häufigkeit der Migräneattacken mit dem Zyklus korreliert. Bei 32% aller Migränepatienten löst Schlafmangel eine Migräne aus. Ziel der vorliegenden Studie ist es, zum Verständnis der neurovaskulären Mechanismen mit Hilfe dieser beiden Migräneauslöser beizutragen.
Patienten und Methoden: 5 Patientinnen mit Migräne ohne Aura (IHS 1.1, kein Medikamentenabusus) und 8 altersparallelisierte gesunde Frauen nahmen an der Studie teil. Bei allen Versuchspersonen wurde die Contingente Negative Variation (CNV) im Reaktionszeit-Paradigma über Cz abgeleitet. Insgesamt wurden 32 Durchgänge mit einem Interstimulus-Interval von t = 3 sec ausgewertet. Gleichzeitig wurde die mittlere Blutströmungsgeschwindigkeit (MFV) der linken a. cerebri media mit einem Dopplersonographiegerät (EME TC2-64B) kontinuierlich gemessen. Die Untersuchungen wurden während der Ovulation sowie während der prämenstruellen Phase des Zyklus durchgeführt. Am nachfolgenden Tag wurden die Teilnehmerinnen instruiert, von 22.30 Uhr bis 1.30 Uhr zu schlafen, um dann bis 9 Uhr wach zu bleiben. Die Messungen wurden nach diesem partiellen Schlafentzug wiederholt. Ergebnisse: In beiden Gruppen gab es keine signifikanten Unterschiede zwischen den CNV-Parametern während der verschiedenen Phasen des Zyklus sowohl vor als auch nach dem Schlafentzug. Nach dem Schlafentzug wiesen die gesunden Frauen eine signifikant niedrigere MFV auf als am Tag davor (50.19 cm/s [SD 11.45] vs. 62.88 cm/s [SD 16.7]; p = 0.036). Bei Migränepatientinnen gab es keine Veränderungen der MFV nach dem Schlafentzug (58.03 cm/s [SD 8.98] vs. 60.18 cm/s [SD 9.18], p = 0.686). Schlussfolgerungen: Die Verminderung der MFV nach dem Schlafentzug bei gesunden Versuchsteilnehmerinnen weist auf eine ausgeprägte Variabilität der zerebrovaskulären Parameter hin. Bei Migränepatientinnen ist diese adaptive Eigenschaft nicht in diesem Ausmaße vorhanden. Möglicherweise ist diese geringere Variabilität in der MVF in Abhängigkeit spezieller Belastungssituationen in Zusammenhang mit der Entwicklung der Migräneattacke zu sehen. P5.2 Gibt es eine neurovaskuläre Periodizität bei der Migräne? N. Averkina1, M. Siniatchkin2, P. Kropp1, W. D. Gerber1 Institut für Medizinische Psychologie, Christian Albrechts Universität, Kiel 2 Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie der Universität Göttingen 1
Fragestellung: Eine zyklische Veränderung der kortikalen Reizverarbeitung wurde bei Migräne mit Hilfe des CNV-Paradigmas, der Messung von langsamen, ereignisbezogenen Hirnpotentialen, bereits untersucht (Kropp & Gerber, 1995, 1998). Messungen zu vaskulären Parametern mittels transkranieller Dopplersonographie (TCD) weisen auf eine Verminderung der mittleren Blutströmungsgeschwindigkeit (MFV) der basalen zerebralen Gefäße während eines Migräneanfalls (MA) hin (Thomsen, 1995). Die vorliegende Studie prüft die Hypothese, dass neben einer neurophysiologischen Periodizität auch eine ähnliche vaskuläre Dynamik vorhanden ist. Methodik: 11.7;36 Migränepatienten (IHS 1.1, 1.2; Alter 38.7 Jahre > 2 Attacken pro Monat, kein Analgetikaabusus) und 20 nach Geschlecht und Alter parallelisierte gesunde Kontrollpersonen nahmen an der Studie teil. Die Messungen bei den Patienten wurden 1 Tag vor und nach einem MA sowie im kopfschmerzfreien Interval durchgeführt. Die CNV-Amplitude (Cz, ISI = 3 s, 32 Durchgänge) wurde gleichzeitig mit der mittleren Blutströmungsgeschwindigkeit (MFV) der linken a. cerebri media gemessen. Ergebnisse: Im kopfschmerzfreien Interval zeigten die Migränepatienten eine signifikant höhere (negativere) Gesamt-CNV und frühe Komponente im Vergleich zu Gesunden. Nach einem MA war die Amplitude der frühen Komponente tendenziell niedriger als im kopfschmerzfreien Interval. Keine signifikanten Gruppenunterschiede ergaben sich bezüglich der MFV. Während der Messungen nahm die MFV bei Gesunden stetig ab, bei Migränepatienten war diese Dynamik weniger ausgeprägt (Migräne: -0.29 [SD 0.67], Gesunde:. -0.57 [SD 0.45]; Z = -2.01; p = 0.040). Die MFV erreichte ihr Maximum 1 Tag vor einem MA und sank 1 Tag nach einem MA (56.7 cm/s [SD 4.9] vs. 48.2 cm/s [SD 7.9]; Z = -2.13; p = 0.034). Die MFV im kopfschmerzfreien Interval betrug 53.3 cm/s [SD 8.6]. Schlussfolgerungen: Es konnte gezeigt werden, dass die Migränebereitschaft des Gehirns mit einer prolongierten Erhöhung der MFV einhergeht, die sich nach dem Abklingen des Anfalls normalisiert und im kopfschmerzfreien Intervall über Tage allmählich zunimmt. Diese Ereignisse treten gleichzeitig mit periodischen Veränderungen der CNV-Amplitude auf. Damit lässt sich auch in der MFV ein anfallsbezogener periodischer Verlauf nachweisen.
Der Schmerz [Suppl 1]•2001
| S 59
Abstracts P5.3 Migräneauren als Folge endothelialer Irritation? Eine mögliche pathogenetische Bedeutung von Endothelin-1 J. P. Dreier, J. Kleeberg, G. Petzold, J. Priller, M. Kohl, U. Lindauer, O. Windmüller, G. Arnold, K.M. Einhäupl, U. Dirnagl Neurologische Klinik, Charité, Humboldt-Universität, Schumannstr. 20/21, 10098 Berlin Fragestellung: Cortical Spreading Depression (CSD) gilt als das pathophysiologische Korrelat der Migräneaura.Alternativ zu dieser „neuronalen Theorie“ der Migräneaura existiert die sogenannte „vaskuläre Theorie“, die von einer intracerebralen Vaskonstriktion als Ursache der Aurasymptome ausgeht. dass ein Vasokonstriktor eine CSD auslösen kann, die mit typischen physiologischen Blutflußveränderungen einhergeht, konnte bisher nie gezeigt werden. In dieser Arbeit demonstrieren und charakterisieren wir die Eigenschaft des Vaskonstriktors und neuronal/astroglialen Modulators Endothelin-1 (ET-1), CSD bei der Ratte zu triggern. Angewandte Methodik: Entweder ein geschlossenes oder ein offenes kranielles Fenster wurde bei 95 Ratten entweder unter Thiopental- oder Halothananästhesie implantiert.Artifizielle cerebrospinale Flüssigkeit (ACSF) wurde in diesem Bereich topisch über die Hirnrinde superfundiert. Gemessen wurden cerebraler Blutfluß (CBF) (Laser-Dopplerflußmessung), subarachnoidales und intracorticales DC-Potential, die extrazelluläre Kaliumkonzentration ([K+]o) (ionensensitive Mikroelektroden) sowie Änderungen der corticalen Oxy- und Deoxyhämoglobinkonzentration (Spektroskopie bei Wellenlängen des sichtbaren Lichts). Die histologische Analyse beinhaltete Färbungen mit Hämatoxylin-Eosin und Vanadiumsäure Fuchsin-Toluidinblau sowie Immunhistochemie mit GFAP und HSP 70. Die Gegenwart von DNA-Fragmentierung wurde mit Hilfe des TUNEL Assay detektiert. Der direkte Effekt von ET-1 auf das neuronal-astrogliale Netzwerk wurde in Hirnschnitten der Ratte untersucht (n = 10). Ergebnisse: Zur simultanen Messung des CBF, des intracorticalen DC-Potentials und von [K+]o während Superfusion von ET-1 wurde in 7 Tieren ein offenes kranielles Fenster über dem parietalen Cortex unter Thiopental-Anästhesie implantiert. Zwei K+-sensitive Elektroden wurden in einer Entfernung von 2 mm voneinander, in einer Tiefe von 300 µm in der Hirnrinde plaziert. Superfusion von ACSF mit ET-1 (100 nM) senkte den CBF auf 88 ± 10% vom Ausgangswert ab. In 5 von 7 Tieren beobachteten wir nach dem Einwaschen von ET-1 ein bis drei transiente Blutflußanstiege auf 139 ± 32% mit einer Dauer von 91 ± 35 Sekunden. Der erste transiente CBF-Anstieg war von einem Abfall auf 63 ± 14% gefolgt. Ein scharfer negativer DC-Shift von –21 ± 3 mV und ein steiler [K+]o-Anstieg von 3 auf 58 ± 10 mM mit einer Dauer von 84 ± 47 Sekunden ereigneten sich simultan mit den akuten CBF Änderungen. Zwischen den zwei Mikroelektrodenpositionen war der Beginn des DC-Shifts um 22 ± 16 Sekunden verzögert. Zusammenfassend beweisen die Muster von DC-Potential, [K+]o sowie des cerebralen Blutflusses und die Ausbreitung der Ereignisse, dass ET-1 in vivo Leão’s Cortical Spreading Depression auslöst. Bei einer ET-1Konzentration von 1 µM generierten alle Tiere CSDs. Zusammenfassung der übrigen Ergebnisse: Die Schwellenkonzentration von ET-1 zur Auslösung von CSD war im Vergleich zu K+ ungefähr eine Million Mal niedriger. Die intracorticale Hämoglobinoxygenierung ebenso wie der cerebrale Blutfluß waren vor Auslösung der CSD nicht in den ischämischen Bereich hinein vermindert. Co-Applikation eines NO.-Donors zusammen mit ET-1 verschob die ET-1-Schwellenkonzentration zur Auslösung von CSD in einen höheren Bereich. ET-1-induzierte CSDs wurden durch einen NMDA-Rezeptor-Antagonisten blockiert. Die histologische Analyse ergab, dass ET-1-induzierte CSDs mit einer Mikroregion selektiven neuronalen Schadens assoziiert waren. ET-1 induzierte keine CSDs in Hirnschnitten der Ratte im Gegensatz zu K+. Schlussfolgerungen: Wir konnten nachweisen, dass ET-1 der zur Zeit potenteste Induktor von CSD ist. Migräneauren als wahrscheinliches klinisches Korrelat von CSD werden bei Migränepatienten häufig durch zerebrale Angiographie induziert.Wir stellen die Hypothese auf, dass ET-1 ein sehr interessanter Kandidat für die rätselhafte Verbindung zwischen endothelialer Irritation und Migräneaura ist. P5.4 Naratriptan plus Naproxen: Verbesserung der Effektivität und Reduktion der Häufigkeit von Wiederkehrkopfschmerzen bei Migräne H. Göbel, A. Heinze, K. Heinze-Kuhn, V. Zumbroich Neurologisch-verhaltensmedizinische Schmerzklinik Kiel Fragestellung: Triptane haben sich als hoch wirksame und gut verträgliche Substanzen zur Behandlung von Migräneattacken bewährt. Während der Wirkeintritt meist schnell ist, sind Wiederkehrkopfschmerzen ein häufiges
S 60 |
Der Schmerz [Suppl 1]•2001
Problem. In der vorliegenden Untersuchung wurde überprüft, inwieweit eine Kombination aus Naratriptan 2,5 mg mit dem nichtsteroidalen Antiphlogistikum Naproxen 500 mg diese Wiederkehrkopfschmerzrate verringern kann. Die Halbwertszeit des Naproxen liegt zwischen 12 und 24 Stunden und ist damit wesentlich länger als die des Naratriptan (6 Stunden). Methodik: 50 Patienten mit einer Migräne mit oder ohne Aura entsprechend den diagnostischen Kriterien der IHS wurden gebeten, die nächsten beiden Migräneattacken in einem offenen cross-over Design entweder mit Naratriptan 2,5 mg oder Naratriptan 2,5 mg plus Naproxen 500 mg zu behandeln. Die Reihenfolge der Behandlung wurde randomisiert. Dauer und Intensität der Migränekopfschmerzen und das Auftreten von Begleiterscheinungen wurden ebenso wie eventuelle Kopfschmerzwiederkehr, unerwünschte Ereignisse und Einnahme einer Ersatzmedikation in einem Kopfschmerztagebuch dokumentiert. Wirksamkeit wurde definiert als eine Abnahme von mittelstarken oder starken Kopfschmerzen auf leichte oder keine Kopfschmerzen. Ergebnisse: Alle 50 Patienten (37 Frauen und 13 Männer; 46 litten 12,1 unter Migräne ohne Aura, 4 unter Migräne mit Aura; Durchschnittsalter 43 Jahre) behandelten 2 Migräneattacken entsprechend dem Protokoll. In 20 von 50 Migräneattacken (40%) führte Naratriptan innerhalb von 2 Stunden zu einer signifikanten Kopfschmerzreduktion. Die Zahl stieg auf 29 of 50 Attacken nach 4 Stunden (58%). Die entsprechende Rate für die Kombination aus Naratriptan plus Naproxen lag höher mit einer Kopfschmerzlinderung in 27 der 50 Attacken nach 2 Stunden (54%) und in 35 der 50 Attacken nach 4 Stunden (70%). 9 Patienten (31%) mit einer primären Kopfschmerzreduktion nach Naratriptan wiesen eine Kopfschmerzwiederkehr innerhalb von 24 Stunden auf verglichen mit 4 Patienten (11,4%) nach Einnahme der Kombination aus Naratriptan plus Naproxen. Darüber hinaus war die Dauer bis zum Auftreten der Wiederkehrkopfschmerzen bei alleiniger Einnahme von Naratriptan kürzer als bei Einnahme der Kombination (14,2 Stunden versus 18,4 Stunden). Die dokumentierten Nebenwirkungen waren in beiden Behandlungsarmen identisch, von milder Intensität und erforderten keine zusätzliche Behandlung. Schlussfolgerung: Eine Kombination mit dem nichtsteroidalen Antiphlogistikum Naproxen 500 mg verstärkt die Effektivität von Naratriptan 2,5 mg (definiert über eine bedeutsame Kopfschmerzreduktion) nach 2 und 4 Stunden. Zusätzlich wird die Wiederkehrkopfschmerzrate gesenkt und die Zeit bis zum Wiederauftreten von Kopfschmerzen verlängert. Bei unveränderter Verträglichkeit erscheint eine Kombination von Triptanen wie dem Naratriptan mit langwirksamen nichtsteroidalen Antiphlogistika sinnvoll, insbesondere jedoch bei Patienten mit einer Vorgeschichte von langen Migräneattacken mit häufigen Wiederkehrkopfschmerzen. P5.5 Sumatriptan plus Rofecoxib: Reduktion der Häufigkeit von Wiederkehrkopfschmerzen bei Migräne H. Göbel, A. Heinze, K. Heinze-Kuhn, V. Zumbroich Neurologisch-verhaltensmedizinische Schmerzklinik Kiel Fragestellung: Sumatriptan ist eine hoch wirksame und gut verträgliche Substanz zur Behandlung von Migräneattacken. In klinischen Studien berichten jedoch ca. 30% der Patienten über eine Kopfschmerzwiederkehr innerhalb von 24 Stunden nach Einnahme. In der vorliegenden Untersuchung wurde überprüft, inwieweit eine Kombination aus Sumatriptan 100 mg mit dem COX-2-Hemmer Rofecoxib 25 mg diese Wiederkehrkopfschmerzrate verringern kann. Die Halbwertszeit des Rofecoxib liegt zwischen 10 und 18 Stunden und ist damit wesentlich länger als die des Sumatriptan (2 Stunden). Methodik: 50 Patienten mit einer Migräne mit oder ohne Aura entsprechend den diagnostischen Kriterien der IHS und anamnestisch lang anhaltenden Migräneattacken wurden gebeten, die nächsten beiden Migräneattacken in einem offenen cross-over Design entweder mit Sumatriptan 100 mg oder Sumatriptan 100 mg plus Rofecoxib 25 mg zu behandeln. Die Reihenfolge der Behandlung wurde randomisiert. Dauer und Intensität der Migränekopfschmerzen und das Auftreten von Begleiterscheinungen wurden ebenso wie eventuelle Kopfschmerzwiederkehr, unerwünschte Ereignisse und Einnahme einer Ersatzmedikation in einem Kopfschmerztagebuch dokumentiert. Wirksamkeit wurde definiert als eine Abnahme von mittelstarken oder starken Kopfschmerzen auf leichte oder keine Kopfschmerzen innerhalb von 2 Stunden nach Einnahme. Ergebnisse: Alle 50 Patienten (39 Frauen und 11 Männer; 47 litten 13,2 unter Migräne ohne Aura, 3 unter Migräne mit Aura; Durchschnittsalter 45 Jahre; 46 Patienten hatten eine typische Attackendauer von 24 bis 72 Stunden) behandelten 2 Migräneattacken entsprechend dem Protokoll. In 36 von 50 Migräneattacken (72%) führte Sumatriptan innerhalb von 2 Stunden zu einer signifikanten Kopfschmerzreduktion. Die entsprechende Rate für
die Kombination aus Sumatriptan plus Rofecoxib lag bei 35 von 50 Attacken (70%). 16 der 36 Patienten (44,4%) mit einer primären Kopfschmerzreduktion nach Sumatriptan wiesen eine Kopfschmerzwiederkehr innerhalb von 24 Stunden auf verglichen mit 9 von 35 Patienten (25,7%) nach Einnahme der Kombination aus Sumatriptan plus Rofecoxib. Darüber hinaus war die Dauer bis zum Auftreten der Wiederkehrkopfschmerzen bei alleiniger Einnahme von Sumatriptan deutlich kürzer als bei Einnahme der Kombination (10,3 Stunden versus 14,1 Stunden). Die dokumentierten Nebenwirkungen waren typisch für Sumatriptan (Halsund Brustenge, Mißempfindungen, Müdigkeit), von milder Intensität und erforderten keine zusätzliche Behandlung. Die Nebenwirkungen wurden in beiden Behandlungsarmen übereinstimmend beschrieben. Schlussfolgerung: Eine Kombination mit dem COX-2-Hemmer Rofecoxib 25 mg führt zu keiner weiteren Verstärkung der Effektivität von Sumatriptan 100 mg (definiert über eine bedeutsame Kopfschmerzreduktion innerhalb von 2 Stunden). Die Wiederkehrkopfschmerzrate wird jedoch gesenkt und die Zeit bis zum Wiederauftreten von Kopfschmerzen verlängert. Bei unveränderter Verträglichkeit erscheint eine Kombination von Sumatriptan 100 mg mit Rofecoxib 25 mg bei Patienten mit einer Vorgeschichte von langen Migräneattacken mit häufigen Wiederkehrkopfschmerzen sinnvoll. P5.6 Spezialextrakt aus Petasitesrhizom ist wirksam in der Migräneprophylaxe: Eine randomisierte, multizentrische, doppelblinde, placebokontrollierte Parallelgruppenstudie H. Göbel1, K. M. Einhäupl2, N. Offenhauser2, R. B. Lipton3 für die internationale Studiengruppe 1 Schmerzklinik Kiel in Kooperation mit der Universität Kiel, Heikendorferweg 9-27, 24149 Kiel;
[email protected]; 2Klinik für Neurologie, Charite, Humboldt Universität, Berlin; 3Departments of Neurology, and Epidemiology and Social Medicine, the Albert Einstein College of Medicine, New York, NY, USA Die Wirksamkeit von Extr. Rad. Petasitis spissum (Petadolex®) in der Migräneprophylaxe wurde in einer internationalen multizentrischen randomisierten, doppelblinden, placebokontrollierten dreiarmigen Parallelgruppenstudie bei insgesamt 202 Patienten untersucht. Die Baselinedaten wurden während einer 4-wöchigen run-in-Phase erhoben. Daran schloß sich eine 16-wöchige Behandlungperiode an, während der die Patienten randomisiert entweder zweimal täglich Placebo (N=63), 50 mg (N=71) oder 75 mg (N=68) Extr. Rad. Petasit. spiss. erhielten. In die Studie wurden Patienten mit einer Migräne mit oder ohne Aura gemäß IHS-Klassifikation im Alter zwischen 18 und 65 Jahren und einer Frequenz von 2-6 Migräneattacken pro Monat aufgenommen. Hauptzielparameter war die Reduktion der Anzahl der Migräneattacken pro Monat. Im Vergleich zur Baseline zeigte sich in der Placebogruppe 4 Wochen nach Behandlungsbeginn eine Reduktion der Attackenanzahl um 19%, nach 2 Monaten um 26%, nach 3 Monaten um 26% und nach 4 Monaten um 32%. Bei Behandlung mit 50 mg Extr. Rad. Petasit. spiss. zeigte sich eine entsprechende Reduktion um 24%, 37%, 42% und 40%. Die Reduktion der Attackenfrequenz in bei Behandlung mit 75 mg Extr. Rad. Petasit. spiss. betrug 38%, 44%, 58% und 51% (Placebo vs. 50 mg: ns; Placebo vs. 75 mg: p=0.013). Bei Analyse der sekundären Wirksamkeitsparameter zeigte sich eine signifikante höhere Responderrate, definiert als eine Reduktion der Attackenfrequenz um mehr als 50% zwei Monate nach Behandlungsbeginn bei Behandlung mit 75 mg (60%) im Vergleich zu 50 mg (54%) und Placebo (43%). Die Behandlung mit 75 mg führte im Vergleich zur Behandlung mit 50 mg und Placebo zu einer signifikanten Reduktion der Kopfschmerzintensität und einer signifikanten Reduktion der Anzahl der Migränetage pro Monat. Die Patienten beurteilten sowohl die Behandlung mit 75 mg als auch mit 50 mg signifikant besser als die Behandlung mit Placebo. Die Dauer der einzelnen Migräneattacken unterschied sich nicht zwischen den drei Gruppen. Die Behandlung wurde sehr gut vertragen. Die Ergebnisse dieser kontrollierten multizentrischen Studie zeigen, dass Extr. Rad. Petasitis spissum in der Prophylaxe der Migräne signifikant wirksam ist.
P5.7 Migräne und Spannungskopfschmerz in einer öffentlichen Einrichtung – Ergebnisse einer gesundheitsökonomischen Pilot-Studie M. Hanisch1, B. Schipp2, S. Hegewald2, M. Behrens3 Schmerzambulanz der Klinik für Anästhesiologie und Intensivtherapie 2 Fakultät Wirtschaftswissenschaften, TU Dresden 3 GlaxoSmithKline, München
1
Fragestellung: Im Rahmen einer zweistufigen Disease-Management-Studie an der Technischen Universität (TU) Dresden wurden das Erscheinungsbild und die Versorgungsqualität von chronischen Kopfschmerzerkrankungen (Migräne und Kopfschmerz vom Spannungstyp/KST) am Arbeitsplatz am Beispiel der TU und des Universitätsklinikums Dresden untersucht. Dabei ging es um die Frage, inwieweit eine Intervention in Form eines Informationsmanagements für die Patienten Änderungen im persönlichen Umgang mit der Erkrankung sowie der Therapie, der allgemeinen Zufriedenheit, gesundheitsbezogene Lebensqualität (QoL) sowie Arbeitsproduktivität bewirken kann. Methodik: Insgesamt wurden N=5000 festangestellte Mitarbeiter der TU zu chronischen Kopfschmerzen befragt. Davon haben n=378 über Migräne oder KST (Zuordnung mittels Kieler Kopfschmerzfragebogen) berichtet (Run-in).Allen Respondern wurde Informationsmaterial über ihre Erkrankung zur Verfügung gestellt und die Teilnahme an einer unentgeltlichen Patienten-Kopfschmerzschulung (Grundlage: DMKG-Therapieempfehlung) angeboten. Nach einem Jahr (Post-Intervention) wurden Daten über Schulungsqualität, Schmerzintensität, Medikamentenkonsum, Behandlungssituation und Zufriedenheit sowie QoL [mittels ShortForm 36 (SF-36)] und Arbeitsproduktivität erhoben. Ergebnisse: Von den 378 Run-in-Respondern mit diagnostizierten Kopfschmerzen litten 62,4% an Migräne, 19,6% an KST und 18,0% an einem Kombinationskopfschmerz. Es handelte sich vorwiegend um Mitarbeiter mit hohem Leidensdruck (69,9% starke bis sehr starke Schmerzen), von denen viele (>50%) über eine unzureichende Anfallsmedikation mit hohem Anteil an Selbstmedikation verfügten (nur 16,4% in ärztlicher Behandlung). Die QoL der Mitarbeiter war schlechter als die der Gesamtbevölkerung, die Arbeitsfähigkeit erheblich beeinträchtigt. Vom Schulungsangebot haben n=140 Mitarbeiter Gebrauch gemacht. Post-Intervention haben sich n=143 Mitarbeiter (37,8%) an der Studie beteiligt. Über eine erfolgreichere Kopfschmerzbehandlung berichteten 27,6% der Patienten (42,3% weiterhin ohne ärztliche Betreuung). Ergotamin-Anwender konnten nur in 72,2% der Fälle ihre Medikation erfolgreich einsetzen, im Vergleich zu 100%-Erfolgsquote bei Triptanen. Der Hinzugewinn an QoL bei Patienten mit schweren Kopfschmerzen war besonders groß (SF-36Skala: Schmerz +19,7; körperliche Funktion +10,4; soziale Funktion +10,5). Der Zugewinn an Arbeitsfähigkeit (3,14 Stunden/Monat/Proband) ist erheblich. Schlussfolgerung: Die Studie zeigt, dass ein Informationsmanagement, das direkt am Patienten ansetzt, maßgeblich zu einer Verbesserung der Versorgung des Patienten, einer Reduzierung der Schmerzen, einer Verbesserung der QoL und der Zufriedenheit sowie zu einer Erhöhung der Arbeitsproduktivität beitragen kann. P5.8 Ist die Neurovaskuläre Kopplung bei Migräne Patienten verändert? Eine VEP und NIRS Studie I. Israel, H. Obrig, M. Kohl, K. Uludag, B. Müller, S. Kinze, A. Villringer, G. Arnold Neurologische Klinik der Charité, Humboldt-Universität, Berlin Einleitung: Bisherige Untersuchungen zeigten, dass Migräniker interiktal geringer habituieren als Gesunde. Unsere Untersuchung wollte klären, inwieweit die elektrophysiologische Habituation ihr vaskuläres Pendant hat oder, ob die neurovaskuläre Kopplung bei Patienten gestört ist. Methoden: Wir untersuchten 12 Migräne-Patienten und 12 gesunde Kontrollpersonen. Visuell-evozierte Potentiale (Schachbrett, 3Hz) wurden über 13 Stimulationsblöcke (1 min) alterierend mit 1 min Pause, abgeleitet. Ableitorte: Oz, O1 und O2, Referenz Fz. Peak-Amplituden N1-P1 und P1N2 wurden für den Stimulationsblock und über alle 13 Zyklen analysiert. Konzentrationsänderungen von Oxy- und DeoxyHb wurden simultan mittels Infrarot-Spektroskopie gemessen und pro Stimulationsblock analysiert. Ergebnisse: Die N1-P1-Amplitude nahm sowohl bei Patienten als auch der Kontrollgruppe über alle Blöcke ab. Dem gegenüber nahm die P1-N2-Amplitude bei den gesunden Kontrollpersonen ab , während sie in bei den Patienten konstant blieb. Keine der beiden Gruppen zeigte eine Veränderung der vaskulären Antwort. Der Schmerz [Suppl 1]•2001
| S 61
Abstracts Schlussfolgerung: Aufgrund des modifizierten Stimulationsprotokolls konnten vermutlich die früher berichteten Habituationsdefizite nicht in gleichem Maße reproduziert werden. Allerdings fanden wir einen deutlichen elektrophysiologischen Unterschied zwischen Patienten und Kontrollpersonen. Eine Veränderung des vaskulären Signals wurde nicht beobachtet, was Unterschiede in der neuro-vaskulären Kopplung andeuten könnte. P5.9 NOGO-Durchgänge akzentuieren den Unterschied zwischen Migränepatienten und Gesunden bei der CNV-Messung P. Kropp, N. Averkina, T. Stegemann, M. Siniatchkin, W.-D. Gerber Universitätsklinikum Kiel, Institut für Medizinische Psychologie, Niemannsweg 147, 24105 Kiel Einleitung: Die contingente negative Variation (CNV) ist ein langsames kortikales negatives Gleichspannungspotential, das zwischen zwei in kurzem Abstand dargebotenen Reizen auf der Kortexoberfläche gemessen werden kann. Das Potential charakterisiert das Ausmaß der Erregung der Dendritenäste von kortikalen Pyramidenzellen. Der erste Reiz (S1) dient als Signalreiz, der einen zweiten Reiz (S2) ankündigt. Bei S2 wird gewöhnlich eine motorische Reaktion gefordert. Das Gleichspannungspotential wird durch Mittelung des mehrfach präsentierten Meßintervalls bestimmt. Bei der CNV-Messung lassen sich neben der Gesamt-Amplitude eine frühe und eine späte Komponente berechnen. Im Vergleich zu Gesunden weisen Migränepatienten eine höhere negative Gesamtamplitude und frühe Komponente auf, was auf eine reduzierte oder fehlende Habituation zurückgeführt werden kann und auf eine stärkere kortikale Aufmerksamkeitszuwendung hinweist. Bei der Standardableitung werden zur Vigilanzverbesserung neben den 32 GO-Durchgängen, bei denen auf S2 eine Reaktion erwartet wird, auch 8 NOGO-Durchgänge präsentiert, bei denen keine Reaktion nötig ist. Diese Durchgänge werden nicht ausgewertet. Ziel der vorliegenden Studie ist ein Vergleich zwischen Messungen mit und ohne NOGO-Durchgängen bei Gesunden und bei Migränepatienten. Methodik: Basis ist ein varianzanalytisches Design mit den Faktoren „Bedingung“ (mit/ohne NOGO) und „Diagnose“ (Gesunde/Migränepatienten). Insgesamt nahmen an der Studie 38 gesunde Personen und 29 Migränepatienten in vier Gruppen teil. Die CNV-Ableitung (InterstimulusIntervall. t=3 s) erfolgte durch Präsentation von 32 GO-Durchgängen (Bedingung 1) oder 32 GO und 8 quasi randomisiert dargebotenen NOGODurchgängen (Bedingung 2). Ergebnisse: In der zweifaktoriellen Varianzanalyse lässt sich eine signifikante Interaktion zwi-schen Bedingung und Gruppe in der frühen Komponente nachweisen (F 1, 63 = 7,4, p = 0,008). In Bedingung 2 (mit NOGO) ergibt sich ein hochsignifikanter Effekt zwischen den beiden Gruppen (Gesunde: U = -3,7 uV, Migräne: U = -8,5 uV, p = 0,0001). Diskussion: Mit zufällig eingestreuten NOGO-Durchgängen, die nicht ausgewertet werden, lassen sich bei der CNV-Messung die Unterschiede zwischen Gesunden und Migränepatienten akzentuieren. Möglicherweise führt die NOGO-Situation nur bei Migränepatienten zu einer insgesamt stärkeren kortikalen Erregung und damit zu einem Verlust der Habituation. P5.10 Assoziation eines funktionellen Polymorphismus des Serotonintransporters, jedoch nicht der MAO-A, mit Migräne mit Aura M. Marziniak1, R. Mössner2, A. Schmitt2, Y. V. Syagailo2, K. P. Lesch2, C. Sommer1 Neurologische1 und Psychiatrische2 Universitätsklinik, Würzburg Migräne ist eine der häufigsten neurologischen Erkrankungen mit einer Inzidenz von bis zu 15% der Gesamtbevölkerung. Epidemiologische Untersuchungen und Zwillingsstudien weisen auf eine hereditäre Komponente hin und lassen für Migräne mit Aura (MA) und Migräne ohne Aura (MO) eine unterschiedliche Ätiologie vermuten. Ein Genlocus ist nur für die familiäre hemiplegische Migräne mit autosomal-dominantem Erbgang bekannt, MA und MO gelten als polygen und multifaktoriell vererbbar. Das serotonerge System spielt in der Pathophysiologie der Migräne eine große Rolle, so dass Mutationen, die zu Veränderungen im serotonergen System führen, möglicherweise ein erhöhtes Migränerisiko mit sich bringen. Der Serotonintransporter (5-HTT) transportiert Serotonin aus dem synaptischen Spalt in die Zelle und ist essentiell für die 5-HTHomöostase. Ein Polymorphismus der Promoterregion führt zu einer langen und zu einer kurzen Variante des 5-HTT, wobei die kurze Form mit einer 2,5-fach geringeren 5-HTT Aufnahme-Kapazität assoziiert ist. Die Monoaminoxidase A (MAO-A), ein mitochondriales Enzym, verstoff-
S 62 |
Der Schmerz [Suppl 1]•2001
wechselt hauptsächlich Serotonin, Noradrenalin und Dopamin, aber auch Medikamente wie Rizatriptan. Ein dreifacher Repeat-Polymorphismus in der Promotorregion zeigt eine geringere Aktivität gegenüber den vierund fünffachen Repeats. Wir untersuchten daher den 5-HTT-Polymorphismus sowie die funktionellen Promotor-Polymorphismen der MAOA. DNA wurde aus Lymphozyten aus dem Venenblut von 119 Patienten mit Migräne (61 MA und 58 MO) isoliert. PCR Fragmente wurden amplifiziert und anschließend mit einer Gelelektrophorese aufgetrennt. Die Häufigkeit des kürzeren weniger aktiven Allels des 5-HTT war bei MA Patienten im Vergleich zur Kontrollpopulation signifikant erhöht (p<0,01), bei der Gruppe der MO Patienten gab es keinen Unterschied zu den Kontrollen (p=0,6). Bezüglich der funktionellen Promotor-Polymorphismen der MAO-A konnte kein Unterschied in der Verteilung zwischen den Patienten mit MA, MO oder der Kontrollpopulation gefunden werden.Wir schließen aus diesen Ergebnissen, dass das kurze, funktionell inaktivere Allel des 5HTT-Promotors einen Suszeptibilitätsfaktor für MA darstellt. Polymorphismen in der Promotorregion der MAO-A haben nach unseren bisherigen Untersuchungen keinen Einfluss auf das Migräne-Risiko. P5.11 Die Assoziation von Migräne und juvenilem Insult S. Schwaag, S. Evers, A. Frese, I. W. Husstedt Klinik und Poliklinik für Neurologie des UKM, BRD Auf den Ergebnissen verschiedener früherer Fall-Kontroll-Studien beruhend wird eine Assoziation zwischen Migräne und juvenilem Insult diskutiert. Zu dieser Fragestellung führten wir eine monozentrische Fall-KontrollStudie durch. In die Fallgruppe wurden 160 Patienten eingeschlossen, die vor dem 46. Lebensjahr einen ischämischen Insult erlitten hatten. Ausschlußkriterien waren das Vorliegen eines migränösen Infarktes sowie der Nachweis einer arteriellen Dissektion als Insultursache. Zu dieser Fallgruppe wurden streng alters- und geschlechtskorrelierte Kontrollen gesucht, bei denen keine zerebrovaskulären Ereignisse eruierbar waren. Bei jedem Teilnehmer wurde mittels eines Fragebogens die Kopfschmerzanamnese erhoben und anhand der Kriterien der International Headache Society von 1988 von zwei Untersuchern ausgewertet. Ebenfalls wurden klassische Risikofaktoren für einen Insult (Diabetes mellitus, orale Kontrazeption, Hyperlipidämie, arterielle Hypertonie, Nikotin, Familienanamnese für vaskuläre Erkrankungen) erfragt. Die Datenanalyse erfolgte mit nichtparametrischen statistischen Tests, ebenfalls wurde die Odds Ratio (OR) und das 95%-Konfidenzintervall (KI) berechnet. Die Migräne erwies sich für die gesamte Studienpopulation als ein signifikanter Risikofaktor mit einer OR von 2,1 [KI 1,2-3,8]. Bei der Analyse einzelner Untergruppen zeigte sich eine signifikante Assoziation für die Gruppe der Frauen mit einer OR von 2,7 [KI 1,3-5,8] und die Gruppe der unter 35Jährigen mit einer OR von 3,3 [KI 1,3-8,0]. Für die Untergruppe der Männer ergab sich eine OR von 1,5 [KI 0,5-4,1], für die der über 35-Jährigen eine OR von 1,4 [KI 0,6-3,2] und damit keine signifikante Assoziation. In der logistischen Regressionsanalyse zeigte sich die Migräne als von anderen vaskulären Risikofaktoren, von der Ätiologie des Insultes und dem betroffenen Territorium unabhängig. Zusammengefaßt ist die Migräne in unserer Studienpopulation ein signifikanter Risikofaktor für einen juvenilen Insult, insbesondere für die Gruppe der unter 35-Jährigen Frauen. Unsere Ergebnisse ähneln denen anderer Fall-Kontroll-Studien, zeigen aber zusätzlich die Migräne als von den klassischen Risikofaktoren unabhängig. P5.12 Risikofaktoren der Schmerzchronifizierung bei transformierter Migräne T. Wieser1, U. Walliser2, D. Rübler2, A. Kraft1, M. Schmelzer1, S. Zierz1, E. Fikentscher2 1 Klinik für Neurologie, Martin-Luther-Universität, 2 Klinik für Psychotherapie und Psychosomatik, Martin-Luther-Universität Halle/Wittenberg Auf der Grundlage des bio-psycho-sozialen Schmerzmodells werden Risikofaktoren der Schmerzchronifizierung bei Patienten mit ideopathischen Kopfschmerzen untersucht. Im Vordergrund steht dabei die „transformierte“ (chronische) Migräne (vgl. Silberstein, 1996). Es wird die Bedeutung des „Avoidance-Endurance-Modells“ (Hasenbring, 1996), das bisher nur im Bereich der Rückenschmerzforschung empirisch bestätigt wurde, für den Verlauf von Kopfschmerzen überprüft. Die Schmerzbewältigung von Patienten mit transformierter und episodischer Migräne sowie mit
episodischem und chronischem Spannungskopfschmerz werden anhand folgender Untersuchungsinstrumente verglichen: Kieler-Schmerz-Inventar (Hasenbring, 1992),Allgemeine-Depressions-Skala (Hautzinger, 1992), Beschwerden-Liste (Zerssen, 1975), Schmerzempfindungsskala (Geissner, 1996), neurologischer Anamnesebogen (Wieser, 2000 unveröffentlicht) und Schmerztagebuch zur Erfassung des Schmerzverlaufs. Anhand eines Kontrollgruppendesigns mit drei Messzeitpunkten (1-, 5-Jahreskatamnese) werden die Patientengruppen zunächst in ihrem natürlichen Verlauf (ohne systematische psychologische Intervention) hinsichtlich psychologischer und medizinischer Parameter beschrieben. In einem weiteren Schritt soll geprüft werden, ob diese Parameter (insbesondere Schmerzbewältigung und Depressivität) geeignet erscheinen, eine relevante Vorhersage für den kurzfristigen (1 Jahr) und langfristigen Schmerzverlauf (5 Jahre) vorzunehmen. Die bis dahin vorliegenden ersten Ergebnisse von 100 Patienten werden vorgestellt und diskutiert. Das übergeordnete Ziel der Untersuchung besteht darin Risikopatienten anhand von Prognosekriterien frühzeitig zu erkennen und neben der medizinischen Behandlung eine, auf die Risikofaktoren abgestimmte, psychologische Schmerztherapie anzubieten. Damit wird langfristig eine Reduktion der Häufigkeit chronischer Verläufe bei Kopfschmerzpatienten angestrebt. P5.13 Genetic analysis of the X Chromosome in migraine families T. Wieser1, J. Pascual2, M. Barmada3, M. Soso4, A. Oterino2, K. Gardner4 Klinik für Neurologie, Martin-Luther-Universität Halle/Wittenberg 2 University Marques de Valdecilla, Dept. of Neurology, Spain; 3 University of Pittsburgh Department of Human Genetics,USA 4 University of Pittsburgh Department of Neurology, USA
1
Objective: Investigate 80 families with migraine and possible X dominant inheritance for evidence of allele sharing and linkage to Chromosome X. Background: Familial clustering of migraine is long known, although the disease does not consistently follow Mendelian inheritance patterns and is thought to be genetically complex. We recognized a paternal bias for transmission of migraine to daughters based on limited segregation analysis in the collection of families described below. Others have proposed that female: male predominance for migraine cannot be entirely attributed to hormonal factors. One potential explanation is an X linked dominant component to the disease. A familial migraine locus has been previously suggested at Xq24-28. Methods: We screened the entire X chromosome in 80 families diagnosed with familial migraine or hemiplegic migraine according to IHS criteria. Families with possible male to male transmission were excluded (five). Eighteen markers (ABI PRISM Linkage Mapping Set, Panel 28) spanning the entire X chromosome and spaced 10cM apart were genotyped using a 3700 ABI PRISM DNA Analyser.Alleles were assigned using the GeneScan Analysis software. Analysis for allele sharing and linkage was performed using GENEHUNTER-X,VITESSE 1.1 programs and the maximized maximum LOD score (MMLS) method. Results: Sixty-six multi-generational families and 14 sibships were ascertained from Spain (27), Germany (18) and America (35) among 478 total samples. One hundred and fifty-five had migraine without aura, 101 migraine with aura, 32 hemiplegic migraine, and 44 were of uncertain type (IHS 1.7). Preliminary results on the genotyping of 65 families and 412 samples without stratification shows combined LOD 1.53 theta 0 at DXS8051 on Xp22.22 using MMLS. Conclusion: Preliminary results suggest further analysis of Chromosome X is warranted. The analysis of the total sample with stratification by ethnic groups and migraine type will be described. This study was supported by the AHS/ Pfizer (KG),AHA (KG), and MartinLuther University of Halle, Germany (TW).
P6 Kopfschmerz II P6.1 Langzeitverläufe des Medikamentenentzugs bei Patienten mit medikamenteninduziertem Kopfschmerz F. Dörfel, F. Stahnisch, G. Siebert, K. Prass, G. Arnold Neurologische Klinik der Charité, Humboldt-Universität zu Berlin Medikamentös induzierte Kopfschmerzen sind ein bekanntes Problem bei der Langzeittherapie von Migräne und chronischem Spannungskopfschmerz bei übermäßiger Einnahme von NSAR, Ergotaminen, Triptanen und Kombinationspräparaten.
Die erfolgreiche Therapie ist nur mit einer stationären oder ambulanten Entzugsbehandlung möglich. Die Rückfallrate ist jedoch selbst nach anfangs positivem Resultat mit 20-40% relativ hoch. Das Ziel unserer Studie war es, das Langzeitergebnis des Medikamenten3entzugs festzustellen sowie Faktoren zu finden, die prädisponierend für einen erneuten Medikamentenmissbrauch sein könnten. Dafür leiteten wir eine retrospektive Studie mit 63 Patienten, welche an Migräne oder chronischem Spannungskopfschmerz litten, ein. Diese befanden sich im Zeitraum von 1994-1997 in Behandlung an der Charité Berlin und führten wegen medikamentös induzierten Kopfschmerzen einen Medikamentenentzug durch (34 Charité-stationär, 7 Charité-ambulant, 7 anderer Ort) Von den 63 Patienten mit der Diagnose des medikamentös induziertem Kopfschmerz während der Studienperiode (follow-up nach 3-6 Jahren) nahmen 48 Patienten (=76,6%, 32 weiblich, 16 männlich, Alter 50,4 Jahre) an der Befragung in Form eines Fragebogens teil. Dieser wurde in schriftlicher bzw. in Form eines telefonischen Interviews beantwortet. Der Fragebogen beinhaltete neben demographischen Fragen auch die Kurzform des Mc Gill Pain Questionnaire sowie den Fragebogen über psychosoziale Beeinträchtigung durch chronische Kopfschmerzen1. Die Rückfallrate nach erfolgreicher Entzugsbehandlung lag nach 3-6 Jahren bei 34,0%. Die meistgenutzten Medikamente zum Zeitpunkt der Befragung waren NSAR (59,1%), gefolgt von Triptanen (18,2%), zentralen Analgetika (15.9%), Coffeinkombinationen (13,6%) und Egotaminen (6,8%). Im Vergleich zu vor dem Entzug wurden zum Befragungszeitraum signifikant weniger Präparate eingenommen (p<0,016). 64,6% der Patienten gaben an, dass es ihnen bis zu einem halben Jahr nach dem Entzug besser gegangen ist, zum Zeitpunkt der Befragung waren es immer noch 59,6%. Als negative Prädiktoren für einen erneuten medikamentös induzierten Kopfschmerz scheint der Einsatz von zentralen Analgetika (p=0,024), sowie das Vorhandensein eines chronischen Spannungskopfschmerzes als Erstkopfschmerz (p=0,015) zu sein. Für die Dauer der Primärkopfschmerzen ergibt sich ein Trend. Keinen Einfluss haben Alter, Geschlecht, Art und Häufigkeit der Medikamentenentzüge, Familienanamnese sowie zusätzliche Erkrankungen. Einen positiven Einfluss auf das langfristige Befinden der Patienten hat eine menstruationsassoziierte Migräne als Vorbefund (p=0,032), einen nicht zu unterschätzenden Faktor stellt weiterhin die Zufriedenheit der Patienten mit der ärztlichen Betreuung dar (p=0,05). Unsere Ergebnisse weichen vor allem in Bezug auf die Höhe der Rückfallrate von den Ergebnissen der kürzlich publizierten Arbeit von Fritsche et al.2 ab, eine Faktorenanalyse könnte die Abweichungen klären. 1. Bauer B, Evers S, Gralow I, Husstedt I-W, Psychosoziale Beeinträchtigung durch chronische Kopfschmerzen, Nervenarzt (1999); 70: 522-529 2. Fritsche G, Eberl A, Katsarava Z, Limmroth V, Diener HC, Druginduced-headache: long-term-follow-up of withdrawal therapy and persistence of drug misuse, Eur. Neurology (2001); 45(4): 229-235 P6.2 Postpunktionelle Kopfschmerzen und weitere postpunktionelle Beschwerden bei Kindern und Jugendlichen F. Ebinger, C. Kosel, L. Memmert, D. Rating Universitätskinderklinik Heidelberg, Abt. V: Kinderneurologie Eine Lumbalpunktion ist u. a. in der Diagnostik von Entzündungen des ZNS und seiner Häute sowie von neurometabolischen Erkrankungen und in der Diagnostik und Therapie von onkologischen Erkrankungen notwendig. Gefürchtete Nebenwirkung der Maßnahme sind postpunktionelle Kopfschmerzen sowie weitere postpunktionelle Beschwerden wie Rückenschmerzen oder Übelkeit, die zum Teil zu einer Verlängerung des Klinikaufenthaltes führen. Über die Häufigkeit von solchen Beschwerden bei Kindern und Jugendlichen liegen kaum Daten vor. Wir beobachteten bei den in unserem Hause durchgeführten Lumbalpunktionen prospektiv die Inzidenz postpunktioneller Kopfschmerzen oder Rückenschmerzen sowie sonstiger postpunktioneller Beschwerden und notierten dabei u. a. auch die Indikation zur Punktion, die Kanülengröße, die Menge des gewonnenen Liquors. Im Zeitraum von November 2000 bis Mai 2001 haben wir insgesamt 76 Lumbalpunktionen bei Patienten im Alter zwischen 1 und 17 Jahren erfaßt. Dabei hatten insgesamt 35 Patienten postpunktionelle Beschwerden (46%), Kopfschmerzen fanden sich jedoch nur bei 8 (11%). Auffällig war ein Unterschied zwischen den Geschlechtern: von 39 Mädchen hatten 22 (56%) Beschwerden, darunter 6 (15%) Kopfschmerzen, während es bei den 37 Jungen 13 (35%) bzw. 2 (5%) waren. Von den 34 Kindern unter 6 Jahren hatten 10 (29%) überhaupt Beschwerden und 2 (6%) Kopfschmerzen, bei den 28 Kindern zwischen 6 und 11 Jahren sind die entsprechenden Zahlen 15 (54%) bzw. 3 (11%), bei Der Schmerz [Suppl 1]•2001
| S 63
Abstracts den 14 Jugendlichen ab 12 Jahren 10 (71%) bzw. 2 (14%). Bei der Kanülenstärke lässt sich kein eindeutiger Trend erkennen: 22G-Kanüle: 18 (50%) bzw. 3 (8%), 20G-Kanüle: 15 (40%) bzw. 5 (14%). Bei den 46 Patienten mit einer Punktionsmenge von unter 10ml hatten 18 (39%) Beschwerden und 5 (11%) Kopfschmerzen, bei 10-20 ml 17 von 30 (57%) bzw. 3 (10%). Damit liegt die Inzidenz postpunktioneller Kopfschmerzen bei den von uns untersuchten Kindern und Jugendlichen etwas niedriger als bei Erwachsenen, wobei die Angaben für das Erwachsenenalter sehr unterschiedlich sind.. Zum Teil fand sich die von uns ab dem Schulalter beobachtete Geschlechterdifferenz auch bereits im Erwachsenenalter. Die geringere Zahl von Beschwerden bei Kindern im Vorschulater entspricht unseren klinischen Beobachtungen. Erstaunlich ist, dass wir bei den unterschiedlichen Kanülenstärken keinen sicheren Unterschied feststellen konnten. Auch die Menge des gewonnenen Liquors hatte keinen eindeutigen Einfluß auf die Kopfschmerzhäufigkeit. Im weiteren wollen wir die Frage klären, ob die bei uns – wie in den meisten Kinderkliniken – übliche Praxis einer obligatorischen festen Bettruhe von 24 Stunden nach der Punktion in der Lage ist, die Inzidenz postpunktionelle Beschwerden zu reduzieren, oder ob deren Häufigkeit auch bei freier Mobilisation nicht zunimmt. P6.3 Lösliche CD14 und lösliche IL-2 Rezeptoren im Serum von Patienten mit analgetika-induziertem Kopfschmerz M. Empl1, P. Sostak1, M. Schwarz2, N. Müller2, S. Förderreuther1, A. Straube1 Neurologische Klinik und Poliklinik 1, Psychiatrische Klinik 2, Ludwig-Maximilians-Universität München Die Pathophysiologie des analgetika-induzierten Kopfschmerzes (AIKS) ist noch völlig unverstanden. Da bei den meisten Patienten mit analgetikainduziertem Kopfschmerz ein Mißbrauch von Analgetika, die die Prostaglandinsynthese hemmen, betrieben wird, könnte eine dauerhafte fehlende negative Rückkoppelung durch Prostaglandine zu einer übermäßigen Aktivierung von Immunzellen führen. Da vor allem Monozyten durch Prostaglandin E2 gehemmt werden, wäre eine Aktivierung von Monozyten beim analgetika-induzierten Kopfschmerz möglich. Aus diesem Grund haben wir im Serum von 11 Patienten mit AIKS (Dauerkopfschmerz bei vorbestehender Migräne oder Spannungskopfschmerzen und mehr als 10-malige Einnahme von Analgetika im Monat; 7 w, 4 m; Alter 51 ±18 Jahre ) und 11 gesunden kopfschmerzfreien Kontrollen (6 w, 5 m; Alter 47 ±16 Jahre) das lösliche Oberflächenprotein sCD14 von Monozyten und die löslichen Interleukin-2 Rezeptoren (sIL-2R) als Aktivierungsmarker mittels ELISA bestimmt. Die löslichen sCD14 unterschieden sich nicht zwischen Patienten und Kontrollen (1900 ±480 ìg/ml vs. 1981 ±477 ìg/ml). Bei den sIL-2R zeigte sich ein Trend zur Erhöhung der sIL-2R bei Patienten mit AIKS (1067 ±552 pg/ml vs. 747 ±140 pg/ml; p= 0,13, Mann-Whitney-U Test). Diese vorläufigen Ergebnisse zeigen, dass sich bei AIKS-Patienten keine Zeichen einer spezifischen Monozytenaktivierung im Serum finden lassen. Funktionstest wie die Stimulierung in vitro wurden jedoch nicht ausgeführt. Die nicht signifikant erhöhten sIL-2R weisen möglicherweise auf eine Aktivierung von Monozyten oder aber spezifischer von T-Zellen bei Patienten mit AIKS hin. Jedoch sind bei den kleinen Patientenzahlen diese Ergebnisse als vorläufig zu betrachten. Funktionstests der Monozyten als spezifischere Test wären bei künftigen Versuchen den Serumwerten vorzuziehen. Nicht erklärt würde durch diese Hypothese, wie auch Substanzen, die nicht auf die Prostaglandinsynthese wirken wie z.B. Triptane, zu einem AIKS führen können. P6.4 Topiramat zur Prophylaxe des Cluster-Kopfschmerz: Wirkung und Nebenwirkungen S. Förderreuther, M. Mayer, A. Straube Neurologische Klinik, Klinikum Großhadern und Neurologischer Konsiliardienst Innenstadt, Klinikum der Ludwig-MaximiliansUniversität München Einleitung: Die prophylaktische Behandlung von Clusterkopfschmerzen (CK) ist neben der suffizienten Attacken-Kupierung besonders wichtig. Deren Wirksamkeit kann jedoch gerade bei chronischem oder langjährigem episodischen Verlauf nachlassen oder ganz sistieren, weshalb Alternativen zu den wenigen etablierten Prophylaktika benötigt werden. Wir berichten von den Erfahrungen bei der Prophylaxe von CK mit Topiramat bei 5 Therapie-resistenten Patienten. Fallberichte: Patient 1: 30 jähriger Mann mit primär chronischem CK mit 1-2 Attacken pro Tag seit 1989, therapieresistent unter Verapamil, Lithium,
S 64 |
Der Schmerz [Suppl 1]•2001
Valproat, Budipin, Pizotifen und Methysergid in Mono- und Kombinationstherapie. Langzeit Prophylaxe mit Steroiden und Ergotamin wegen NW (Cushing-Syndrom, Ergotismus) nicht möglich. Kein prophylaktischer Effekt durch percutane Neurostimulation des Ganglion Gasseri und wiederholte Blockaden des Ganglion sphenopalatinum. Sistieren der CKAttacken nach Erweiterung der Verapamil-Therapie (750 mg/die) um Topiramat (150 mg/die). Hierunter kein Auftreten von Nebenwirkungen (NW) und Reduktion von Verapamil möglich. Patient 2: 42 jähriger Mann mit episodischem CK seit 1984 mit meist 6 Wochen anhaltenden Episoden und einer Attackenfrequenz von 1-4 pro Tag. Therapieresistent unter Verapamil und Valproat in Monotherapie. Steroide prophylaktisch wirksam, jedoch nie Induktion einer Remission. Unter kombinierter Therapie mit Steroiden in absteigender Dosierung für insgesamt 16 Tage und Eindosieren von Topiramat bis zu einer Gesamttagesdosis von 100mg kein Auftreten weiterer Attacken in den nächsten 6 Wochen. Als NW unter Topiramat lediglich leicht vermehrte Tagesmüdigkeit. Patient 3: 43 jährige Frau mit sekundär chronischen CK seit 1996. Therapieresistent unter Behandlung mit Verapamil, Budipin, Valproat, Lithium und Methysergid. Unter Behandlung mit Verapamil, Steroiden und Topiramat (125 mg/d) keine Änderung der CK-Attackenfrequenz oder Intensität. Dagegen Ausbildung schwerer NW mit Sprach-, Gedächtnis- und Konzentrationsstörungen und einer subjektiven Verlangsamung und Hemmung des Denkens. Sofortige Rückbildung dieser NW bei Absetzen von Topiramat. Patient 4: 58 jähriger Mann mit primär chronischem CK seit 1993, therapieresistent unter Verapamil, Lithium, Valproat, Budipin. Unter Monotherapie mit Topiramat (75 mg/d) Reduktion der Attackenfrequenz von ca. 1/d auf ca. 1/Monat. Unter Therapie nur vorübergehende NW in Form von Geschmacksstörungen und vermehrter Tagesmüdigkeit. Patient 5: 53 jähriger Mann mit CK seit Mai 2000, therapieresistent unter Steroiden, Lithium, Valproat und Verapamil. Unter Monotherapie mit Topiramat 200 mg/d Entwicklung schwerer NW in Form von psychomotorischer Unruhe Ängstlichkeit, visuellen Halluzinationen und Doppelbildern. Vollständige Rückbildung dieser NW innerhalb von 3 Tagen nach Absetzen von Topiramat. Diskussion: Bei 3 von 5 CK-Patienten war Topiramat in niedrigerer Dosierung als bei der Behandlung von Epilepsien prophylaktisch wirksam. Die prophylaktische Wirkung setzte frühestens bereits 2 Tage nach Therapiebeginn ein. Im Gegensatz zu den bislang publizierten Erfahrungen mit Topiramat beim CK können auch in der niedrigen Dosierung schwere NW auftreten, die die therapeutische Breite erheblich limitieren. Wie für die anderen CK Prophylaktika kann über den Wirkmechanismus von Topiramat in der Prophylaxe des CK nur spekuliert werden. Möglich erscheint vor allem der Einfluss von Topiramat auf das GABA-erge System. P6.5 Incidence and classification of postoperative headaches following acoustic neuroma surgery C. Gall, S.Förderreuther°, R.Medele, A.Straube° Neurologische Klinik, Klinikum Großhadern, Ludwig-Maximilians-Universität Munchen Introduction: Headache syndromes after acoustic neuroma (AN) surgery via the suboccipital approach are poorly classified and exact pathophysiological concepts do not exist, although the literature reveals an incidence between 10–83%. We therefore evaluated the incidence and symptomatology of newly acquired postoperative headaches with special regard to the technique of AN surgery. Material and Methods: A consecutive series of 113 patients, treated surgically by the skull base team between 1993-1998 were evaluated prospectively for postoperative headaches. Pain intensity was measured according to the Visual Analogue Scale (VAS: 0mm = no pain; 100mm = worst pain imagible). Patients ranking 60mm or worse were further tested in a semistandardized interview for qualitative assessment of localisation, duration and characteristics of their pain syndromes and classified according to the International Headache Society (IHS) system. No abnormalities could be detected on follow-up MRI scans. These data were related to clinical, neuroimaging and neuromonitoring findings pre-, intra-, and postoperatively. Follow up investigations were performed 3 months postoperatively and at least once a year beyond this time.( Median follow up 52 months) Results: 31 out of 113 patients (30,4%) complained about headaches, lasting longer than 6 months postoperatively and measuring at least 60mm on VAS. Neuralgic syndromes were diagnosed in 14/31 cases (6/31 neuralgias of the occipital nerve, 3/31 neuralgias of the intermediate nerve, 5/31neuralgias of the trigeminal nerve). 10 patients had intermittent throbbing pain of dull, ill-defined origin, predominantly on the operated
side, resembling migraine type headaches. Ipsilateral cervicogenic headache was diagnosed in another 7 cases. No correlation was found between postoperative pain-syndromes and the extent of tumor resection, tumor size, and postoperative facial or auditory nerve function. The existence of preoperative headaches correlated with the incidence of postoperative cephalgias (p=0,031). The incidence of complications (p=0,055) and surgical reinterventions (p=0,07) were possible risk factors, but without reaching statistical significance. Postoperative headaches were a major determinant of postoperative return to previous levels of activity (p=0,001) on subjective assessment in the pain questionnaire. Conclusion: Headaches must be considered an important cause of morbidity following AN surgery. In 50% of the affected patients, postoperative headaches could be classified as neuralgic. Despite a poor general response to various analgesics, a careful examination of postoperative pain syndromes should be mandatory, since successful treatment of occipital neuralgias was accomplished by occipital nerve block (1 case) or microsurgical neurolysis (1 case). P6.6 Prednisolon mildert und verkürzt die Entzugsphase bei medikamenteninduzierten Kopfschmerzen H. Göbel, A. Heinze, K. Heinze-Kuhn Neurologisch-verhaltensmedizinische Schmerzklinik Kiel Fragestellung: Medikamenteninduzierte Kopfschmerzen sind noch immer eine häufige Komplikation einer fehlerhaften Migränebehandlung. Keine andere Kopfschmerzerkrankung macht so häufig eine stationäre Behandlung erforderlich. In der vorliegenden Studie wurde untersucht, inwieweit die Gabe von Prednisolon die zur Behandlung von medikamenteninduzierten Kopfschmerzen erforderliche Entzugsphase mildern und verkürzen kann. Methodik: 20 Patienten der Schmerzklinik Kiel, die die diagnostischen Kriterien der IHS für medikamenteninduzierte Kopfschmerzen erfüllten, wurden in die Untersuchung aufgenommen. Alle Patienten litten primär unter einer Migräne mit oder ohne Aura, nicht jedoch unter chronischen Kopfschmerzen vom Spannungstyp. Zu Untersuchungsbeginn bestand bei allen Patienten ein täglicher Kopfschmerz. Alle Patienten erhielten während der Entzugsphase das trizyklische Antidepressivum Amitriptylin 25 mg. i.v. und 25 bis 50 mg oral. 10 von 20 Patienten wurden zusätzlich einer offenen Behandlung mit Prednisolon randomisiert zu geteilt. Prednisolon wurde in einem absteigenden Dosierungsschema beginnend mit 100 mg für 3 Tage, dann 50 mg für 3 Tage und schließlich 25 mg für 3 Tage eingenommen. Die Zeit bis zum Auftreten des ersten kopfschmerzfreien Tages wurde ebenso dokumentiert wie der Gebrauch von Bedarfsmedikation (Metoclopramid als Antiemetikum bzw. Melperon bei starken Entzugskopfschmerzen). Ergebnisse: Beide Behandlungsgruppen waren vergleichbar. Das durchschnittliche Alter in der Prednisolon-Gruppe lag bei 45,6 Jahren. Die Patienten litten im Durchschnitt bereits seit 23,4 Jahren unter Migräne und seit 3,7 Jahren unter medikamenteninduzierten Dauerkopfschmerzen. 6 Patienten dieser Gruppe wiesen einen Fehlgebrauch von Triptanen, ein Patient von Ergotaminen und 3 Patienten eines Kombinationsanalgetikums auf. In der Kontrollgruppe lag das durchschnittliche Alter bei 49,2 Jahren. Migräne bestand hier seit 24,7 Jahren und ein medikamenteninduzierter Dauerkopfschmerz seit 3,2 Jahren. In dieser Gruppe hatten je 5 Patienten Triptane oder Kombinationsanalgetika fehlgebraucht. Der erste kopfschmerzfreie Tag trat in der Prednisolon-Gruppe nach 8,6 ± 2,1 Tagen auf, verglichen mit 12,7 ± 3,2 Tagen in der Kontrollgruppe. Die Einnahme von Bedarfsmedikation war in der Prednisolon-Gruppe an 2,8 ± 1,8 Tagen erforderlich, in der Kontrollgruppe an 6,7 ± 3.2 Tagen. Die Verträglichkeit des Prednisolon war sehr gut. Kein Patient brach die Einnahme aufgrund von Nebenwirkungen ab. Schlussfolgerung: Bei allen 20 Patienten führte der Medikamentenentzug zum Auftreten von kopfschmerzfreien Tagen, nachdem im Vorfeld ein täglicher Dauerkopfschmerz bestanden hatte. In der Prednisolon-Gruppe traten kopfschmerzfreie Tage jedoch deutlich früher auf. Zusätzlich wiesen Patienten dieser Gruppe eine geringere Intensität von Entzugssymptomen (Kopfschmerzen, Übelkeit) auf und benötigten seltener eine Bedarfsmedikation. Bei gleichzeitig guter Verträglichkeit kann durch Gabe von Prednisolon anscheinend die zur Behandlung von medikamenteninduzierten Kopfschmerzen erforderliche Entzugsphase gemildert und verkürzt werden.
P6.7 Propofol (Disoprivan) als Therapie bei Kopfschmerzen H. L. Keller Leiter Schmerztherapie, Rehaklinik, CH-4310 Rheinfelden, Schweiz In der Schmerztherapie muss man immer wieder Patienten mit stärksten akuten Kopfschmerzen behandeln. Sehr oft haben diese Patienten eine bekannte Migräne oder ein Schleudertrauma. In einer akuten Schmerzattacke sind orale Medikamente oft wirkungslos. Eine mögliche Therapie ist die Sedation mit Propofol (Disoprivan), einem Anästhetikum. Nach einem Bolus von ca. 1–2mg/kg KG i.v., je nach Patient, sind nach einem kurzen Schlaf (max. 20 Min.) die Schmerzen in der Regel verschwunden. Vorteile: Ambulant machbar, individuell steuerbar, sicher da kurze Halbwertzeit. Nachteile: Monitoring wie bei Anästhesie, assistierte Maskenbeatmung muss möglich sein. P6.8 Primäre Kopfschmerzen im Kindes- und Jugendalter – Zum Zusammenhang zwischen der Veränderung familiärer Beziehungsmuster und dem Erfolg von psychologischer Behandlung M. Ochs, J. Schweitzer, H. Seemann, U. Bader, R. Verres Universitätsklinikum Heidelberg, Abt. für Medizinische Psychologie Fragestellung: Bei der Entstehung, Aufrechterhaltung und Bewältigung von Spannungskopfschmerzen und Migräne im Kindes- und Jugendalter ist die Familie in vielfältiger Weise involviert. Die vorliegende Untersuchung stellt empirische und theoretische Zusammenhänge dar zwischen familiären Beziehungsmustern und den Therapieeffekten einer psychologischen Gruppen- und Familienbehandlung. Methodik: Es wird über eine Stichprobe von n=38 Probanden im Alter von 7–16 Jahren berichtet. Die Probanden wurden nach IHS-Kriterien diagnostiziert. Erfasst wurde die globale Symptombelastung mittels einer numerischen Ratingskala (NRS) zum Therapiebeginn und neun Monate nach Beendigung der Therapie (Gruppenhypnotherapie kombiniert mit systemischer Familienberatung). Parallel wurden zu beiden Zeitpunkten mittels einer qualitativen Forschungsstrategie familiäre Beziehungsmuster, die mit dem Beginn und/oder Verschlimmerung der Kopfschmerzen assoziiert angenommen werden (kopfschmerzassoziierte FBM), erhoben. Ergebnisse: Es finden sich Zusammenhänge zwischen der Veränderung der globalen Symptombelastung und der Veränderung kopfschmerzassoziierter FBM. Kinder mit katamnestisch unveränderten kopfschmerzassoziierten FBM weisen im Durchschnitt eine Outcome-Veränderung (globale Symptombelastung) von nur 17% auf. Hingegen erzielen Kinder mit positiv veränderten kopfschmerzassoziierten FBM eine durchschnittliche Outcome-Veränderung von über 64%. Die Ergebnisse werden vor dem Hintergrund der Theorie dynamischer Systeme beleuchtet. Schlussfolgerungen: Praxisorientiert liefern die Ergebnisse empirische Hinweise darauf, wann die Einbeziehung der Familie in die Behandlung pädiatrischer Kopfschmerzen indiziert erscheint: Da wo festgefahrene (d.h. über die Zeit hinweg sich als stabil darstellende) kopfschmerzbezogene familiäre Beziehungsmuster als Kontextparameter eine Veränderung der Symptomatik erschweren. Hier sollten medikamentöse und nichtmedikamentöse Therapien durch Familienberatung ergänzt werden. P6.9 Botulinum Toxin A in der Behandlung von Kopfschmerzerkrankungen, eine systematische Literaturübersicht A. Rahmann, A. Frese, I. W. Husstedt, S. Evers Klinik und Poliklinik für Neurologie, Universitätsklinikum Münster Seit einigen Jahren wird Botulinum Toxin A zur Behandlung von Kopfschmerzen unterschiedlicher Ätiologie eingesetzt. Unser Ziel war es, den Einsatz von Botulinum Toxin A zur Therapie unterschiedlicher Kopfschmerzerkrankungen hinsichtlich vorliegender Evidenzen für eine Wirksamkeit zu untersuchen. Hierfür wurden die Datenbank MEDLINE und erhältliche Abstracts in Kongressbänden systematisch nach Studien zu dem Thema untersucht. Die Studien wurden bezüglich der Probandenanzahl, dem Studiendesign, der Zielparameter und der Signifikanz analysiert und eine Einordnung in Evidenzklassen vorgenommen. Die Evidenzen wurden nach folgenden Kategorien zusammengefaßt: 1. I: 1 randomisierte, kontrollierte Studie (unsere Voraussetzungen: exakte Diagnose, Untergruppen N > 20, standardisierte Injektionsdosen und -orte, signifikante Ergebnisse, Zielparameter Reduktion der KopfschmerzhäuDer Schmerz [Suppl 1]•2001
| S 65
Abstracts figkeit), 2. II: 1 kontrollierte, nicht randomisierte Studie (exakte Diagnose, Untergruppen N > 10), 3. III: gut angelegte deskriptive Studie (Fallzahl N > 10), 4. IV: Fallberichte, Expertenmeinungen. Für Kopfschmerzen vom Spannungstyp liegen keine Studien der Evidenzklasse I vor. In den Studien, die den Kriterien der Klasse II und III genügen, liegen etwa gleich viele positive wie negative Studien vor. Zur Behandlung von Migräne finden sich eine positive Studie der Evidenz I und 4 positive Studien der Evidenzklasse III. Es liegen bisher keine negativen Studien vor. Zur Therapie von zervikogenen Kopfschmerzen finden sich 2 widersprüchliche Studien der Evidenz III und positive Fallberichte. Für Patienten mit Clusterkopfschmerzen liegen sowohl positive als auch negative Fallberichte vor. Schlussfolgerung: Für die Behandlung von Kopfschmerzerkrankungen mit Botulinum Toxin A liegt nur für Patienten mit Migräne eine Evidenz der Klasse I vor. Für Kopfschmerzen vom Spannungstyp kann eine Therapie mit Botulinum Toxin A nach den Kriterien der evidenz-basierten Medizin bisher nicht empfohlen werden, da positive und negative Studien in etwa gleicher Anzahl vorliegen. Bei zervikogenen Kopfschmerzen und Clusterkopfschmerzen ist die Therapie mit Botulinum Toxin A aufgrund der sehr wenigen Studien bzw. Fallberichte als experimentell zu betrachten. P6.10 Teilstationäre Intervallbehandlung von Patienten mit chronischen Kopfschmerzen: Stabilität der Therapieeffekte J. Scherler, F.-J. Tentrup Abteilung für Palliativmedizin und Schmerztherapie im Mutterhaus der Borromäerinnen Trier Fragestellung: In der Schmerztagesklinik des Mutterhauses der Borromäerinnen in Trier wird seit einigen Jahren ein neues multimodales Therapiemodell für Patienten mit Migräne und/oder Kopfschmerzen vom Spannungstyp angeboten. Die Effektivität dieses Behandlungsmodells wird in einer langfristig angelegten Therapiestudie überprüft. Bis zu ihrem Abschluss werden jährlich Zwischenergebnisse auf dem Deutschen Schmerzkongress vorgestellt. Zunächst wurden Grundprinzipien und Aufbau der teilstationären Intervallbehandlung beschrieben sowie ihre Effektivität im Prä-Post-Vergleich nachgewiesen (Scherler & Tentrup 1999). Im zweiten Schritt wurden die Effekte der multimodalen teilstationären Intervallbehandlung mit denen einer monomodalen ambulanten Medikamententherapie verglichen. Im Ergebnis ist die multimodale Intervallbehandlung der ausschließlich medikamentösen Therapie deutlich überlegen. Sie verbessert den medikamentös schon erreichten Behandlungserfolg und ist wirksam in medikamentös nicht beeinflussbaren Bereichen (Scherler & Tentrup 2000). In dem vorliegenden Beitrag wird die Frage untersucht, ob die Therapieergebnisse der multimodalen teilstationären Intervallbehandlung über den Zeitraum eines Jahres nach Abschluss der Therapie stabil bleiben. Methodik: Im Rahmen eines Wartegruppendesigns durchlaufen alle Patienten zunächst 10 Wochen lang die monomodale ambulante Medikamententherapie (Behandlung A) und im direkten Anschluss 10 Wochen lang die multimodale teilstationäre Intervallbehandlung (Behandlung B). In der Behandlung A werden die Patienten ärztlich diagnostiziert, ausführlich über ihre Schmerzkrankheit informiert, auf das Medikamentenschema der IHS eingestellt und der Therapieverlauf über ein Schmerz- und Medikamententagebuch kontrolliert. Die teilstationäre Intervallbehandlung (Behandlung B) umfasst zehn Behandlungstage, die über zehn Wochen einmal wöchentlich stattfinden. Jeder Behandlungstag dauert von 8.00 bis 16.00 Uhr und wird als Gruppentherapie mit maximal neun Personen durchgeführt. Die Behandlungselemente umfassen Verhaltenstherapie, Physiotherapie, medikamentöse Therapie und regelmäßige Arztkontakte (näheres siehe Scherler & Tentrup 1999). Gemessen wird zu sechs Zeitpunkten: T1 = Beginn Behandlung A, T2 = Ende Behandlung A und Beginn Behandlung B, T3 = Ende Behandlung B, T4 = Halb-Jahres-Katamnese, T5 = Ein-Jahres-Katamnese, T6 = Zwei-Jahres-Katamnese. Erhoben werden Schmerzmaße (Häufigkeit, Dauer, Stärke, Empfinden) und die Annäherung an wichtige Gesundheitsziele (Scherler 1998). Die Auswertung im vorliegenden Beitrag umfasst den Zeitraum T1 bis T5 (N = 30) und wurde mit einer einfaktoriellen Varianzanalyse mit 5 Messwiederholungen durchgeführt. Ergebnisse: Die hochsignifikanten und klinisch bedeutsamen Effekte, die am Ende der multimodalen teilstationären Intervallbehandlung nachgewiesen wurden (T3), bleiben zu den Katamnesezeitpunkten T4 und T5 stabil. Dies gilt für die Anzahl der monatlichen Kopfschmerztage, die Schmerzstärke, die affektive und sensorische Schmerzempfindung sowie die Annäherung an wichtige Gesundheitsziele. Die Auswertung im nächsten Jahr wird zeigen, ob dieses gute Ergebnis in der Ein-Jahres-Katamnese auch über den Zeitraum von zwei Jahren bestehen bleibt.
S 66 |
Der Schmerz [Suppl 1]•2001
Scherler, J. & Tentrup, F-.J. 2000. Ist die teilstationäre Intervallbehandlung von Patienten mit chronischen Kopfschmerzen der monomodalmedikamentösen überlegen? Der Schmerz, Bd. 14, Suppl. 1, S. 87-88. Scherler, J. & Tentrup, F-.J. 1999. Erste Erfahrungen teilstationärer Intervallbehandlung von Patienten mit chronischen Kopfschmerzen. Der Schmerz, Bd. 13, Suppl. 1, S. 63-64. Scherler, J. 1998. Psychotherapie chronischer Kopfschmerzen. Aachen: Shaker Verlag. P6.11 Topiramat in der Behandlung des Clusterkopfschmerzes – eine klinische Anwendungsbeobachtung M. Vigl, K. Zebenholzer, P. Wessely Universitätsklinik für Neurologie Wien Der Clusterkopfschmerz ist ein seltener primärer Kopfschmerz, charakterisiert durch attackenartig auftretende, streng einseitig lokalisierte, bohrend-stechende Schmerzen peri/retroorbital und/oder temporal von heftiger bis unerträglicher Intensität, begleitet von mindestens einem autonomen Symptom ipsilateral wie Lakrimation, konjunktivaler Injektion, Rhinorrhö, nasaler Kongestion, Miose, Ptose, Lidödem, Schwitzen im Stirnoder Gesichtsbereich. Es besteht eine tages- und jahreszeitliche Bindung der Attacken, welche während der sogenannten Clusterperioden gehäuft auftreten. Als Attackenprophylaxe können Kortikosteroide, Kalziumkanalblocker, Lithium, Triptane oder Antiepileptika (Valproat, Lamotrigin, Gabapentin) eingesetzt werden. In kleineren Studien bzw. Anwendungsbeobachtungen (Wheeler und Carrazana, 1999) konnte nun auch eine gute Wirksamkeit von Topiramat als Attackenprophylaktikum aufgezeigt werden. Als möglicher antinozizeptiver Wirkmechanismus wird eine inhibitorische Transmission über Erhöhung der Gamma-Amino-Buttersäure (GABA), ähnlich wie bei Valproat, diskutiert. Wir berichten über 12 Patienten mit der Diagnose eines Clusterkopfschmerzes nach den IHS-Kriterien, die als Attackenprophylaxe Topiramat in einer Dosis von 50-200 mg/d erhielten. Bei 7 Patienten konnte eine rasche Remission der Clusterperiode erreicht werden, bei vier Patienten wurde die Medikation wegen unerwünschter Nebenwirkungen oder unbefriedigendem Therapieerfolg abgesetzt, bei einem Patienten kam es unter noch laufender Therapie zu einer Reduktion der Attackenfrequenz ohne komplette Remission. Von den 12 Patienten waren 11 Männer und 1 Frau. 10 Patienten litten an einem episodischen, 1 Patient an einem primär chronischen und 1 Patient an einem sekundär chronischen Clusterkopfschmerz. Das durchschnittliche Alter der Patienten betrug 38,6 Jahre, das durchschnittliche Erkrankungsalter 27,1 Jahre. Durchschnittlich vier autonome Begleitsymptome waren vorhanden, am häufigsten eine Rhinorrhö, die durchschnittliche Attackenfrequenz betrug 2,4/Tag, die mittlere Attackendauer 43 Minuten. Bei den 7 Patienten mit erfolgreicher Therapie stellte sich nach durchschnittlich 4,28 Wochen eine Remission ein, die Episodendauer vor Beginn der Topiramattherapie betrug 5,9 Wochen. Die durchschnittliche Dauer früherer Episoden betrug 9,14 Wochen. Bei 2 Patienten wurde die Therapie jeweils nach einer Woche wegen Nebenwirkungen abgebrochen, in einem Fall wegen ausgeprägter Parästhesien, im anderen Fall von Seiten des Patienten selbst wegen Müdigkeit und depressiver Verstimmung. Beide Patienten berichteten jedoch von einer Frequenzreduktion der Attacken bereits in dieser einen Woche. Bei 2 Patienten wurde die Therapie mit Topiramat wegen fehlender Wirksamkeit nach 14 und 6 Wochen abgesetzt. Wenn auch unsere Anwendungsbeobachtung nicht ganz so positive Ergebnisse wie in den Literaturangaben erbrachte, so kann doch zusammenfassend gesagt werden, dass Topiramat eine schnell und gut wirksame Therapieoption mit guter Verträglichkeit beim Clusterkopfschmerz sein kann. Große und vor allem randomisierte Studien wären jedoch notwendig, um den wirklichen Therapieerfolg bzw. denVergleich zu den bisher üblichen prophylaktischen Therapien feststellen zu können.
P7 Neuropathischer Schmerz P7.1 Phantomschmerzprophylaxe in Deutschland Ergebnisse einer bundesweiten Befragung R. Dertwinkel1, I. Senne1, M. Strumpf1, C. Maier2, M. Zenz1 1 Universitätsklinik für Anästhesiologie, Intensiv- und Schmerztherapie 2 Abteilung für Schmerztherapie Berufsgenossenschaftliche Kliniken Bergmannsheil – Bochum Fragestellung: Phantomschmerzen nach Extremitätenamputationen treten bei 60–90% der Patienten auf. Sie sind häufig nur schwer zu behandeln und erweisen sich oft als therapierefraktär (3). Die vorliegende Umfrage diente dazu, einen Überblick über die derzeit in Deutschland geübte Praxis der Phantomschmerzprophylaxe zu gewinnen. Methodik: Die Umfrage erfolgte mit der Unterstützung des Hauptverbandes der gewerblichen Berufsgenossenschaften. Alle chirurgischen Kliniken, die zum Verletzungsartenverfahren zugelassen sind (n=791), erhielten einen Fragebogen. Ergebnisse: Der Fragebogen wurde von 356 Kliniken beantwortet (45%). 90% der Kliniken führen weniger als 50 Amputationen pro Jahr durch, nur in 5 Zentren erfolgen mehr als 100 Amputationen. In einem Drittel aller Kliniken erfolgt regelmäßig eine Phantomschmerzprophylaxe. Bei speziellen Indikationen (Chronische Schmerzen bei Osteomyelitis) wird sogar in 63% aller Kliniken eine Phantomschmerzprophylaxe durchgeführt. Es besteht eine hohe Korrelation zwischen der Anzahl an Amputationen und der Durchführung einer Phantomschmerzprophylaxe. Eine Korrelation zwischen der Größe der Kliniken und einer regelmäßigen Phantomschmerzprophylaxe besteht hingegen nicht. Meist werden Regionalanästhesien, Nervenblockaden oder andere invasive Verfahren eingesetzt. Rein medikamentöse Maßnahmen sind hingegen selten. Kliniken mit regelmäßiger Phantomschmerzprophylaxe setzen diese deutlich früher ein (präop. Prophylaxe 52% vs. 30%). Invasive Maßnahmen sind hier mit 86% häufiger als in Kliniken mit seltener Prophylaxe (57%). Nur 32 Kliniken (9%) führen eine Phantomschmerzprophylaxe prä- intraund postoperativ durch. Diskussion: Der regelmäßige Einsatz präemptiver Maßnahmen in einem Drittel der deutschen Kliniken deutet darauf hin, dass die Problematik chronischer Phantomschmerzen zunehmend akzeptiert wird. Die vorliegenden Zahlen sind ermutigend, aber noch kein Grund zur Zufriedenheit. Insbesondere müssen Alternativen zu regionalanästhesiologischen Verfahren geprüft werden. Einen erfolgversprechenden Ansatz hierzu bieten NMDA-Antagonisten wie Ketamin, deren mögliche Effizienz sich in ersten Untersuchungen gezeigt hat (1,2). Literatur: 1: Aida et al. (2000) Anesthesiology 92: 1624; 2: Dertwinkel et al. (2001) Acute Pain (in print); 3: Sherman, R.A. et al. (1984) Pain 18: 83 P7.2 Schmerzreduktion bei peripheren Neuropathien unterschiedlicher Ätiologie durch Lidocain-Pflaster 5% M. Faust, T. Meier, M. Hüppe, P. Schmucker Klinik für Anästhesiologie, Universitätsklinikum Lübeck Fragestellung: Die medikamentöse Therapie peripherer neuropathischer Schmerzen, die durch verschiedene Ursachen entstehen können (Trauma, Entzündung, Tumor etc.), ist oft mit zahlreichen Nebenwirkungen verbunden. Häufig sind ältere Menschen mit Vorerkrankungen und umfangreicher medikamentöser Therapie betroffen. Eine Möglichkeit der Schmerztherapie ist hier die topische Behandlung mit Lokalanästhetika vom Amid-Typ wie Lidocain. In bisherigen Studien konnte die Wirksamkeit von Lidocain in verschiedenen Darreichungsformen bei der Post-Zoster-Neuropathie (PZN) gezeigt werden (1,2). Hingegen existieren keine Ergebnisse kontrollierter klinischer Studien über die Wirksamkeit von Lidocain-Pflaster 5% bei peripheren Neuropathien nicht zosterischen Ursprungs (3). In einer doppelblinden, placebokontrollierten und randomisierten klinischen Studie sollte daher die Wirksamkeit von Lidocain-Pflaster 5% bei Neuropathien unterschiedlicher Ätiologie untersucht werden. Material, Methoden: Nach Zustimmung der Ethikkommission sowie schriftlicher Einverständniserklärung wurden 28 Patienten mit ätiologisch heterogenen peripheren Neuropathien und einer durchschnittlichen Schmerzstärke > 40 mm auf der Visuellen Analog Skala (VAS) sowie regelmäßiger medikamentöser Schmerztherapie aufgenommen. Im Sinne eines Cross-over-Designs erhielten die Patienten randomisiert und doppelblind für je eine Behandlungswoche Lidocain-Pflaster 5% ( 700 mg Lidocain je Pflaster; Größe:10x14 cm≈; IBSA, Pambio-
Noranco, Schweiz ) bzw. ein Placebo-Pflaster zur Selbstapplikation für 12 Stunden täglich. Die Schmerzintensität wurde vor sowie am Ende jeder Behandlungswoche auf der VAS von den Patienten angegeben. In die statistische Auswertung gingen insgesamt 19 Patienten ein ( Alter: 41-82 J., M=61,3 ), davon sieben Patienten mit PZN. Die Gruppe der ätiologisch heterogenen Neuropathien bestand aus traumatischen Neuropathien (n=8), Myalgia paresthetica (n=2), andere (n=2). Die statistische Auswertung erfolgte mittels nichtparametrischer Testverfahren. Ergebnisse: Sowohl Patienten mit PZN als auch mit heterogenen Neuropathien zeigten eine Schmerzreduktion in der VAS unter Lidocaintherapie. Die Schmerzabnahme bei den nicht zosterischen Neuropathien ist sehr signifikant (M=-2,76;SD=10,59;p>0.05 bzw. M=-14,81; SD=12,29;p<0.01). In der Gruppe der traumatischen Neuropathien führte die Lidocain-Pflaster Applikation zu einer signifikanten Schmerzreduktion ( M=-15,5, SD=14,06, p<0.05; n=8 ). Der Vergleich von Lidocain mit Placebo ergab in keiner der untersuchten Gruppen einen signifikanten Unterschied in der Schmerzreduktion. Während der gesamten Studiendauer traten keine schwerwiegenden Nebenwirkungen auf. Schlussfolgerung: Die Therapie mit Lidocain-Pflaster 5% führt sowohl bei traumatischen Neuropathien wie auch bei anderen nicht zosterischen Neuropathien zu einer stärkeren, jedoch nicht signifikanten Reduktion der Schmerzintensität gegenüber Placebo. Lidocain-Pflaster 5% ist als nebenwirkungsarme Ergänzung bei einzelnen Patientengruppen mit Neuropathien unterschiedlicher Ätiologie einsetzbar. Das Pflaster kombiniert die selektive Blockade der peripheren C-Fasern durch topisches Lidocain mit einem mechanischen Schutz der überempfindlichen und allodynen Haut. Literatur: 1. Rowbotham M.C., Topical lidocaine gel relieves postherpetic neuralgia. Annuals Neurology 1995;37:246-253. 2. Rowbotham M.C., Lidocaine patch: double-blind controlled study of a new treatment method for PHN. Pain 1996;65:39-44. 3. Devers A., Topical lidocain patch relieves a variety of neuropathic pain conditions:an open-label study. Clinical Journal of Pain 2000;16(3):205-8 P7.3 Klinische Relevanz der Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) beim CRPS J. Frettlöh, D. Kindler, C. Maier 1 Abteilung für Schmerztherapie, 2 Klinik für Anästhesiologie, Intensivmedizin, Schmerztherapie, Berufsgenossenschaftliche Kliniken Bergmannsheil, Universitätsklinik; Bochum Problematik: Auch bei Beachtung üblicher Therapieempfehlungen, interdisziplinären Vorgehen und Einsatz üblicher Testinstrumente z.B. im Deutsche Schmerzfragebogen (DSF) erklären weder diese noch die somatische Ausgangsbefunde die bemerkenswerte Therapieresistenz einiger Patienten mit CRPS. Klinische Beobachtungen: Im Zeitraum von Oktober 2000 bis Juni 2001 wurden in der Schmerzambulanz der BG-Klinik Bergmannsheil Bochum insgesamt 77 Patienten mit szintigraphisch gesichertem CRPS neu behandelt. Bei 30 Patienten erfolgte eine ausführliche, d.h. mehrerer Sitzungen erforderliche psychologische Exploration. 22 dieser Patienten wurden als psychisch deutlich auffällig im mit positiver DSM-IV (?)-Diagnose eingestuft, bei 9 (30%) bestand sicher eine PTBS, die nicht mit dem CRPS-induzierenden Trauma assoziiert war (Tab.1) und deshalb bei orientierende Gespräche nicht offenkundig wurde. Auch in den ärztlichen Anamnesegesprächen erwähnen die Patienten meist nur die direkt schmerzassoziierten psychischen Beeinträchtigungen. Ohne langwierige Exploration werden nur vieldeutige Begleitsymptome wie Phobien, soziale Ängste, Schlafstörungen, deutlich gestörte ArztPatient-Interaktion, Suchtproblematik präsentiert. Die Trauma (PTBS_?)Genese war heterogen und entzog sich den gängigen Screeningmethoden.
Der Schmerz [Suppl 1]•2001
| S 67
Abstracts Geschlecht Alter soz. Daten
„präsentiertes“ Teilsymptom
PTBS – Genese (Ursache?)
Weibl
36J, verheiratet
Sprachstörung
sexueller u. körperlicher Mißbrauch
Männl
69J, verheiratet, 3 Kinder
Spritzenphobie
politische Haft und Folter
Weibl
46J, verheiratet, 1 Kind
Soziale Störung?
Tod (Mord?) der 9jährigen Tochter
Männl
32J, ledig, kein Kind
??
Zeuge bei Tötung des Kriegskameraden (Irland)
Männl
42J, verheiratet, 3 Kinder
Gewaltausbrüche Granatenz.B. bei schlechter Explosion mit Lokalanästhesie Verschüttung
Weibl
49J, verheiratet, 2 Kinder
?
sexueller Mißbrauch
Weibl
63J verwitwet, 3 Kinder
??
Zeuge von Bomben angriffen, Suizid d. Ehemanns
Männl
49J, verheirate, 4 Kinder
?
Zeuge bei tödl. Unfall des 6jährigen Bruders
Männl
45J, verheiratet, 2 Kinder
?
Arbeitsunfall (Sturz vom Dach)
Schlussfolgerung: Erst in ausführlicher psychologischer Exploration zeigten sich bei einem nicht unerheblichen Teilkollektiv der Bochumer CRPS-Patienten aussergewöhnlich traumatische Lebensereignisse, die von Pati. primär negiert oder nur unspezifisch präsentiert werden. Anhand von 3 Kasuistiken soll dargelegt werden, dass die Nichtberücksichtigung dieser Komorbidität den Krankheitsverlauf vom CRPS negativ beeinflußt und das Versagen vor allem invasiver Ansätze mit erklären kann. P7.4 Wirkung von Lidocain-Pflaster 5% bei peripheren neuropathischen Schmerzen auf Schmerzempfinden, Depressivität und psychische/somatische Beschwerden T. Meier, M. Faust, M. Hüppe, P. Schmucker Klinik für Anästhesiologie, Universitätsklinikum Lübeck Fragestellung: In der Therapie der schmerzhaften peripheren Neuropathie wird trotz einer Vielzahl von bekannten therapeutischen Möglichkeiten eine Schmerz- oder Symptomfreiheit nur selten erreicht. Aufgrund von Vorerkrankungen oder Nebenwirkungen verschiedener Verfahren ist der Spielraum der therapeutischen Möglichkeiten häufig begrenzt. Als eine sichere und schmerzreduzierende Therapie wurde Lidocain-Pflaster 5% bei der Postzosterneuralgie (PZN) eingesetzt (1,2). Allerdings fehlen Untersuchungen, ob eine topische Therapie mit Lidocain bei verschiedenen peripheren Neuropathien, neben einer Beeinflussung der Schmerzintensität auch zu einer Veränderung des psychischen Befindens führt. Die Studie hatte daher das Ziel, bei Patienten mit peripheren Neuropathien die Schmerzintensität in der Visuellen Analog Skala (VAS) und das psychische Befinden gemessen in mehrdimensionlen Verfahren unter der Therapie mit Lidocain-Pflaster zu untersuchen. Methodik: Nach Zustimmung der Ethikkommission und schriftlicher Einwilligung wurden 28 Patienten mit ätiologisch verschiedenen peripheren Neuropathien, einer durchschnittlichen Schmerzstärke ∆40mm auf der VAS (100mm) und mit einer regelmäßigen Einnahme oraler Schmerzmittel oder Antidepressiva/Antikonvulsiva aufgenommen. Im Sinne eines Cross-Over-Designs über 21 (28) Tage erhielten die Patienten randomisiert und doppelblind für je eine Behandlungswoche LidocainPflaster 5% (700mg Lidocainbase/ Pflaster; Größe: 14x10 cm2; IBSA, Pambio-Noranco, Schweiz) bzw. ein Placebo-Pflaster für 12 Stunden täglich. Zwischen den Behandlungswochen war eine 1-2 wöchige wash-out Phase. Abhängige Variablen waren die VAS, die Schmerzempfindung (SES nach Geisser), die psychischen und somatischen Beschwerden (BL nach von Zerssen) und die Depressivität (ADS nach Hautziger u. Bailer) welche vor, sowie am Ende jeder Behandlungswoche erfasst wurden. In die statistische Auswertung gingen 19 Patienten ein (Alter: 41-82 J., M=61,3; Chroni-
S 68 |
Der Schmerz [Suppl 1]•2001
fizierungsstadium (MPSS): M=1,95). Die statistische Auswertung erfolgte mittels nichtparametrischer Testverfahren. Ergebnisse: Lidocain-Pflaster 5% und Placebo-Pflaster unterschieden sich nicht in der Höhe ihrer Schmerzreduktion nach einer Behandlungswoche in der VAS (M=-10,37, SD=12,86 n=19/M=-8,14 SD=9,59; p>0,05). In den Globalwerten des sensorischen Anteil der SES (M=-3,19, SD=3,62, n=19) und in der ADS (M=-1,94, SD 4,07, n=18) zeigten sich eine signifikante Reduktion (£ 0,05) in den Patienten, die mit Lidocain-Pflaster behandelt wurden. In der Veränderung des Globalmaßes der affektiven SES und der BL ergab sich kein signifikanter Unterschied (p>0,05). Schlussfolgerung: Lidocain-Pflaster zeigte in den ausgewerteten Variablen der Stichprobe keine signifikanten Wirkungen gegenüber PlaceboPflaster bei neuropathischen Schmerzen. Die Veränderung des psychischen Befindens in mehrdimensionalen Verfahren war nicht eindeutig, zeigte bei ADS und SESsen bei einer Therapie mit Lidocain-Pflaster jedoch eine Reduktion gegenüber der Ausgangslage. Der Einsatz von mehrdimensionalen Verfahren in der Testung neuer Pharmaka kann bei chronifizierten Schmerzen differenziertere Aussagen über das Schmerzerleben zulassen. Literatur: 1.Rowbotham M.C., Lidocaine patch: double-blind controlled study of a new treatment method for PHN. Pain 1996;65:39-44. 2.Galer B.S., Topical lidocaine patch relieves postherpetic neuralgie more effectively than a vehicle topical patch: double-blind controlled study of a new treatment method for PHN. Pain 1999;80:533-538. P7.5 Anomale Entladungen spinaler Hinterhornneurone als mögliche Ursache chronischer Schmerzen bei Querschnittpatienten S. Mense, U. Hoheisel, C. Scheifer, P. Trudrung Institut für Anatomie und Zellbiologie III, Universität Heidelberg, Im Neuenheimer Feld 307, 69120 Heidelberg Fragestellung: Viele Patienten mit einer kompletten Querschnittslähmung entwickeln ein chronisches Schmerzsyndrom, wobei die Schmerzen in den Segmenten der Rückenmarksläsion und/oder im anästhetischen und gelähmten Körperbereich caudal der Verletzung empfunden werden. Da diese Schmerzen auf herkömmliche Analgetika und auch auf Morphin kaum ansprechen, ist die Therapie und Rehabilitation dieser Patienten ein Problem.Als Ort der Entstehung der Schmerzen nahe den Segmenten der Läsion werden nozizeptive Hinterhornneurone direkt cranial der Durchtrennung vermutet. Ziel der vorliegenden Studie war es, durch Registrierung der neuronalen Aktivität im Tiermodell solche Neuronenpopulationen zu identifizieren, die als Folge der Läsion pathologische Veränderungen in der Impulsaktivität zeigen. Angewandte Methodik: In narkotisierten Ratten wurde die Impulsaktivität einzelner Hinterhornneurone unmittelbar rostral einer experimentellen Rückenmarkläsion registriert. Bei den Tieren war unter tiefer Narkose 3 bis 6 Wochen vor Beginn der Ableitungen operativ ein vollständiger Querschnitt des thorakalen (Th9-11) bzw. lumbalen Rückenmarks (L4-6) gesetzt worden. Die Läsion erfolgte durch Kontusion mit der weightdrop-Methode und anschließender vollständiger Durchtrennung des Rückenmarks. Als Kontrollpopulationen dienten scheinoperierte Tiere ohne Querschnittläsion sowie unbehandelte Tiere. Ergebnisse und Schlussfolgerungen: Bei Tieren mit experimentellem Querschnitt stieg in dem Rückenmarksegment, das unmittelbar cranial an die Läsion angrenzte, die mittlere Ruhe-Entladungsfrequenz aller Hinterhornneurone signifikant an (Querschnitt: 89,67 Impulse/min ± 36,9 SEM, n = 68; Scheinoperation: 1,87 Impulse/min ± 0,9 SEM, n = 53; unbehandelt: 2,9 Impulse/min ± 2,2 SEM, n = 59; P<0,05, ANOVA). Nahezu alle Neurone mit gesteigerter Aktivität hatten kein rezeptives Feld im zugehörigen Dermatom/Myotom. Das Impulsmuster der Ruheaktivität zeigte gegenüber den Kontrolltieren ebenfalls deutliche Veränderungen: es wies kurzdauernde hochfrequente Entladungen in unregelmäßigen Intervallen auf wie sie bei den Kontrolltieren nie auftraten. Einige Neurone zeigten auch rhythmische Entladungsmuster. Alle beobachteten Veränderungen waren unabhängig vom Ort der Läsion (lumbal oder thorakal). Die Ergebnisse stützen die Annahme, dass die spontanen Schmerzen von Patienten mit Querschnittläsion auf eine erhöhte Ruheaktivität und ein pathologisches Impulsmuster von Hinterhornneuronen cranial der Läsion zurückgehen. Da die Neurone mit der anomalen Aktivität meist keine rezeptiven Felder besaßen, käme als Mechanismus für die pathologisch erhöhte Aktivität eine Enthemmung durch Deafferentierung in Frage.
P7.6 MR-Bildgebung nach ganglionärer lokaler Opioid-Analgesie am Ganglion cervicale superius F. X. Neiger, E. M. Neiger, A. Spacek Klinik f Anästhesie & Allg. Intensivmedizin (B), Universität Wien Einleitung: Die ganglionäre lokale Opiodanalgesie (GLOA) hat sich durch mehrere Studien und Fallberichten unterlegt als wirksames Verfahren in der Therapie sympathischunterhaltener Schmerzen erwiesen. Ihr eigentlicher Wirkmechanismus ist jedoch noch nicht geklärt. Ziel dieser Untersuchung war es die Ausbreitung und das Verteilungsverhalten einer GLOA am Ganglion cervicale superius (GCS) zu beschreiben. Methodik: Mit Zustimmung der Ethikkommission und schriftlichem Einverständnis wurden insgesamt 9 Patienten mit Gesichtsschmerzen (Trigeminusneuralgie: 4, atypischer Gesichtsschmerz: 5) untersucht.An einem 1,5T-System wurden jeweils vor und nach Applikation von 0,06 mg Buprenorphin in 1,5 ml NaCl drei Sequenzen (parasagittal T1 gew, axial und coronar T2 gew.) durchgeführt. Die Punktion erfolgte in der von Sprotte entwickelten intraoralen Technik mittels 24G Spinalkanüle. Ergebnisse: Bei einem der 9 Patienten konnte das Injektat nicht nachgewiesen werden. Alle anderen zeigten eine lenticuläre Ausdehnung mit dem größten Durchmesser in craniocaudaler Richtung (28 – 40 mm) und mit einer transversalen Ausdehnung von 15-27 mm. Das Punctum maximum der Flüssigkeitsansammlung befand sich in Höhe von C2. Anatomisch konnten zwei Ausbreitungswege unterschieden werden. Bei 5 Patienten verteilte sich das Injektat im Musculus longus colli/capitis, bei den übrigen 3 Patienten im spatium retropharyngeale. Die vor und nach Punktion gemessenen VAS-Werte ergaben keine Unterschiede. Schlussfolgerung: Als Grund für das fehlende Injektat bei einem Patienten wird eine akzidentielle intravasale Injektion angenommen welche aber ohne Nebenwirkungen verlief. Das Ganglion cervicale superius konnte nicht direkt identifiziert werden, sodaß seine Lage nur aufgrund der umgebenden Strukturen bestimmt werden kann. Dennoch ist in 6 von 8 Fällen ein direkter Kontakt des Injektates mit dem Ganglion als sehr wahrscheinlich und somit die Wirkung (wenigstens teilweise) durch die lokale Beeinflussung des Ganglions anzunehmen. Maier C.: Ganglionäre lokale Opioid-Analgesie (GLOA). Thieme Verlag Stuttgart 1996; Spacek A. et al: Ganglionic local opioid analgesia for refractory trigeminal neuralgia. Lancet 1997, 349: 1521 P7.7 Lidocainhaltiges Pflaster (Lidoderm®): Eine Therapieoption zur Behandlung von neuropathischen Schmerzen I. R. Pahl, I. Keil, N. Grießinger, W. Koppert, R. Sittl Krankenhausstr.12, Klinik für Anästhesie der FAU-Universität Nürnberg-Erlangen Problemstellung: Neuropathische Schmerzen sind schwer zu behandeln. Die systemische medikamentöse Standardtherapie mit trizyklischen Antidepressiva,Antikonvulsiva und Opioiden bringt häufig keine ausreichende Schmerzlinderung oder muss aufgrund von starken Nebenwirkungen abgebrochen werden. In dieser retrospektiven Untersuchung wurde die Effektivität und Verträglichkeit des Lidoderm® Pflasters bei neuropathischen Schmerzen im klinischen Alltag überprüft. Lidoderm® ist ein topisch appliziertes Medikament, das in den U.S.A. für die Therapie der PZN zugelassen ist. Es handelt sich um ein 10 x 14 cm großes Pflaster, welches 5% Lidocain mit einer Gesamtmenge von 700 mg Lidocain pro Pflaster enthält. 3 ± 2% der verabreichten Dosis des Lidocains werden resorbiert. Patienten und Methoden: Die Untersuchungsdauer der 25 Patienten mit schwer therapierbaren peripheren neuropathischen Schmerzen (15 x Post-OP Neuralgie, 6 x PZN, 2 x CRPS, jeweils 1 x Neuralgie bei paVK und Fibromatose) betrug 7 Tage, die Applikationszeit des Lidoderm® Pflaster 12 Stunden/Tag. Die Patienten waren vorher erfolglos mit Antidepressiva, Antikonvulsiva und/oder schwachen oder starken Opioiden vorbehandelt. Alle Patienten litten unter einer mechanischen Allodynie. Vor der Therapie und nach den 7 Behandlungstagen wurde der Schmerzwert anhand einer numerischen Ratingskala (NRS) von 0 = kein Schmerz bis 10 = max. vorstellbarer Schmerz erfaßt. Systemische und lokale Nebenwirkungen wurden in Fragebögen erfaßt. Ergebnisse: Bei 20 Patienten (80%) bewirkte Lidoderm® eine Schmerzlinderung. Durch die Behandlung kam es zu einer durchschnittlichen Schmerzreduktion von 7,0 ± 1,3 auf 4,6 ± 1,7 NRS (MW ± SD, P<0,05, tTest).Alle 6 Patienten mit PZN sprachen besonders gut auf diese Therapie an (NRS Reduktion von 6,5 ± 2,0 auf 3.5 ± 1,4 Punkte, MW ± SD, P<0,05, tTest). Unverträglichkeiten traten bei zwei Patienten (8%) in Form einer
lokalen Hautreaktion (Rötung, Blasenbildung) auf und führten zum frühzeitigen Therapieabbruch. Andere sytemischen Nebenwirkungen oder Pharmakainteraktionen wurden nicht festgestellt. Als besonders angenehm empfanden 16 Patienten (64%) das Verschwinden der mechanischen Allodynie. Die maximale Anwendungsdauer in dem von uns untersuchten Patientenkollektiv betrug 12 Monate mit einer durchschnittlichen täglichen Klebedauer von 12 Stunden. Während dieser Zeit konnten keine Toleranzentwicklungen festgestellt werden. Schlussfolgerung: Das Lidoderm-Pflaster® bewirkte in dieser Studie eine signifikante Schmerzlinderung bei schwer behandelbaren neuropathischen Schmerzen mit einem sehr günstigen Nebenwirkungsprofil. P7.8 Hemisensorische Störungen beim Komplexen Regionalen Schmerzsyndrom (M. Sudeck) als klinischer Hinweis auf eine Plastizität in der Verarbeitung noxischer Impulse im Thalamus O. Rommel, J.P. Malin, M. Zenz, W. Jänig* Ruhr-Universität Bochum, BG-Klinik Bergmannsheil *Institut für Physiologie, Universität Kiel Einleitung: Bei Patienten mit komplexem regionalem Schmerzsyndrom Typ I (CRPS I, M. Sudeck) finden sich häufig halbseitige Sensibilitätsstörungen der gesamten Körperhälfte ipsilateral zur erkrankten Extremität. Ziel der Untersuchung war es, klinische, neurophysiologische und psychologische Auffälligkeiten bei Patienten mit CRPS und lokal begrenzten oder halbseitig generalisierten Sensibilitätsstörungen aufzuzeigen. Methode: Untersucht wurden 40 Patienten mit CRPS Typ I. Bei allen Patienten erfolgte neben Anamneseerhebung und klinischer Untersuchung eine Hauttemperaturmessung sowie eine neurophysiologische Diagnostik mit somatosensorisch evozierten Potentialen, Nervenleitgeschwindigkeiten und der sympatischen Hautantwort. An fünf Stellen auf jeder Körperseite erfolgte die Messung der Berührungsschwellen mit von FreyHaaren sowie bei 28 Patienten eine quantitative Thermotestung mit einer Peltier-Thermode. Die psychologische Diagnostik umfaßte das strukturierte klinische Interview nach DSM IV (SKID), die Schmerzevaluationsskala (SES) und das Kieler Schmerzinventar (KSI). Ergebnisse: Halbseitige Sensibilitätsstörungen oder Sensibilitätsstörungen im oberen Körperquadranten fanden sich bei 15 Patienten (38%). Bei der quantitativen Thermotestung sowie bei der Testung der Berührungsschwellen fanden sich bei Patienten mit generalisierten Sensibilitätsstörungen signifikante Seitenunterschiede zwischen der betroffenen und der nicht betroffenen Seite. Im Vergleich zur gesunden Seite war die Schwelle für Wärmeempfindung erhöht, die Schwelle für Kälteempfindung erniedrigt. Eine Allodynie/mechanische Hyperalgesie fand sich signifikant häufiger bei Pat. mit generalisierten Sensibilitätsstörungen und die Schmerzintensität (VAS-Skala) war signifikant größer als bei Pat. mit lokal begrenzten Sensibilitätsstörungen. Bei der neurophysiologischen Zusatzdiagnostik fanden sich keine signifikanten Unterschiede zwischen Pat. mit Hemisyndrom und auf die Extremität beschränkten Sensibilitätsstörungen. In der psychologischen Diagnostik wurden folgende aktuelle Diagnosen gestellt: Major depression N = 5, Minor depression N = 12, Zwangsstörung/ Phobie N = 11, Angststörung N = 2. Für die Schmerzevaluationsskala zeigten sich überdurchschnittlich hohe Werte für sensorische Items. Zwischen den Patienten mit lokalisierter und generalisierter Sensibilitätsstörung fanden sich psychopathologisch keine signifikanten Unterschiede. Schlussfolgerung: Halbseitige Sensibilitätsstörungen finden sich häufig bei Patienten mit komplexem regionalem Schmerzsyndrom Typ I und sind als möglicher Hinweis auf eine funktionelle Störung der zentralen Schmerzverarbeitung, am ehesten im Thalamus, zu werten. Die Störungen könnten ein klinisches Korrelat zu der tierexperimentell mehrfach nachgewiesenen Plastizität der Thalamusneurone bei neuropathischen Schmerzsyndromen darstellen. Rommel, O., Gehling, M., Dertwinkel, R., Witscher, K., Zenz, M., Malin, J.P., Jänig, W., Hemisensory impairment in patients with complex regional pain syndrome, Pain, 80 (1999) 95-101. Rommel, O., Malin, J.P., Zenz, M., Jänig, W., Quantitative sensory testing, neurophysiological and psychological examination in patients with complex regional pain syndrome and hemisensory deficits, Pain, (2001), im Druck
Der Schmerz [Suppl 1]•2001
| S 69
Abstracts P7.9 Stellenwert der MRT bei algetischer peripherer Nervenengpasssymptomatik
Weiterhin sollte der Einfluss unspezifischer Faktoren wie z.B. Schmerz auf die Bewegungsabläufe genauer untersucht werden.
H. G. Friedburg1, D. E. F. Rosenow2 Praxen für 1Neuroradiologie und 2Neurochirurgie, Karlsruhe
Unterstüzt durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG Ba 1921/1-1)
Einleitung: Sog. periphere Nervenengpasssyndrome (PNPS) lassen sich meist durch elektrophysiologische Methoden (EPH) bestätigen und werden chirurgisch dekomprimiert. Klagt der Patient jedoch lediglich über Schmerzen im Versorgungsgebiet eines Nerven, versagt die elektrophysiologische Diagnostik. Aus dem eigenen Patientengut soll gezeigt werden, dass sich in diesen Fällen die MRT als bildgebene Methode mit hohem prädiktiven Wert zur Konfirmationsdiagnostik anbietet. Methodik: Zwischen 01.07.1998 und 30.06.2001 wurden Patienten an folgenden Nervenengpassstellen im Bereich der Extremitäten von operiert: 251 x CTS (CTS), 133 x Sulcus ulnaris/Cubitaltunnel (SNUS), 14 x hinterer Tarsaltunnel (HTTS), 4 x voderer Tarsaltunnel (VTTS), 1 x Pronator teres (PTS), 3 x Supinator-Tunnel (STS). In allen Fällen, in denen der klinische Verdacht hinsichtlich eines der genannten Engpaßsymtomatik eindeutig, die elektrophysiologische Diagnostik jedoch negativ war, wurde eine MRT der Engpaßstelle durchgeführt. MRT-Diagnostik: T1g- und T2g-Sequenzen (sog. fettsupprimierte Sequenzen zur Beurteilung (pathologischer) ödematöser Signalgebung der Nerven); Schichtlegung entsprechend der anatomischen Vorgaben. Mittels MRT wurden untersucht: 5/251 (CTS) (1,5%; Abb.1)), 86/133 SNUS (64%; Abb. 2), 14/14 HTTS (100%; Abb. 3), 4/4 (VTTS; Abb 4), 3/3 STS (100%; Abb 5). Ergebnisse: In allen Fällen, in denen bei entsprechender Verdachtsdiagnose eine MRT durchgeführt wurde , konnte der Verdacht bestätigt werden. Auch das CTS kann nicht zu 100 Prozent mittels üblicher (EPH) bestätigt werden. Die MRT zeigte den N. medianus mit ödematösem Signalverhalten in den T2g-Sequenzen. 86% der SNUS-Patienten hatten lediglich Schmerzen mit Ausstrahlung entlang des Ulnarisverlaufs und boten für diesen Nerven ein ödematöses Signalverhalten im Sulcus ulnaris. Die Schmerzdauer der obigen Patienten betrug teilweise bis zu Jahren, in einem STS-Patienten sogar 12 Jahre, davon 6 Jahre mit Dauerschmerzen. Schlussfolgerung: Die MRT bietet sich als bilddiagnostisches Verfahren immer dann an, wenn konventionelle EPH nicht konfirmatorisch ist oder nicht sein kann. Die Zuweisung zur MRT mit entsprechender klinischer Fragestellung setzt allerdings ein interdisziplinäres Zusammenarbeiten zwischen den Fachdisziplinen voraus.
P7.11 Langzeiteffekte der ganglionären lokalen Opioidanalgesie am Ganglion cervicale superius bei Patienten mit Gesichtsschmerzen
P7.10 Kinematische Analyse von Greifbewegungen bei Patienten mit Komplexem Regionalen Schmerzsyndrom (CRPS) J.Schattschneider, R. Wenzelburger, G.Wasner, A.Binder, G. Deuschl, R. Baron Klinik für Neurologie der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel Einleitung: Das CRPS entwickelt sich als inadäquate Konsequenz eines Traumas und ist klinisch charakterisiert durch die Trias von sensorischen, autonomen und motorischen Symptomen. Letztere können sich in Form eines Tremors oder einer Dystonie manifestieren. Bei der Mehrzahl von Patienten manifestieren sich Defizite des motorische Systems jedoch in der Koordination komplexer Bewegungsabläufe. Die vorliegenden Studie diente der Erfassung und Quantifizierung solcher kinematischer Defizite bei Patienten mit CRPS. Methode: Wir untersuchten 13 Patienten mit CRPS Typ I der oberen Extremität. Die Patienten wurden instruiert mit dem Präzisionsgriff ein Objekt zu ergreifen, dieses kurz festzuhalten und dann in die Ausgangsposition zurückzukehren. Dieser Vorgang wurde zehnmal wiederholt und mit einem optoelektrischen Bewegungsanalysesystem aufgezeichnet. Die Daten der Patienten wurden verglichen mit den Daten von 11 gesunden Kontrollprobanden. Zu Abschätzung des Einflusses von Schmerzen auf die Kinematik wurden zusätzlich vier gesunde Probanden nach der Induktion eines experimentellen Muskelschmerzes (intamuskuläre Injektion von 0.15 ml 5,8% NaCl in den M. abductor minimi) untersucht. Ergebnisse: Im Vergleich zu den Normalprobanden zeigten die Patienten eine signifikante Verlängerung der Gesamtbewegungszeit auf der betroffenen Seite. Diese resultierte in erster Linie aus einer signifikanten Zunahme der Bewegungsdauer während der Zielphase. Bei Patienten mit experimentellem Muskelschmerz ließ sich keine Verlängerung der Zielphase beobachten. Schlussfolgerung: Die Verlängerung der Zielphase könnte darauf hindeuten, dass bei Patienten mit CRPS die Integration von visuellen und sensorischen Afferenzen in die fortlaufende Bewegung gestört sein könnte. Diese Dysfunktion könnte sowohl peripherer oder zentraler Genese sein.
S 70 |
Der Schmerz [Suppl 1]•2001
U. Straub, R. Sabatowski, F. Kolibay, F. Elsner, L. Radbruch Klinik und Poliklinik für Anaesthesiologie und Operative Intensivmedizin der Universität zu Köln Einleitung: Im Rahmen einer retrospektiven Untersuchung wurden bei den Patienten einer anaesthesiologischen Schmerzambulanz die Langzeiteffekte einer ganglionären lokalen Opioidanalgesie (GLOA) am Ganglion cervicale superius (GCS) mittels eines Fragebogens untersucht. Methodik: Alle Patienten mit Gesichtsschmerzen innerhalb eines Behandlungszeitraum von 5 Jahren (1994-1998), deren GCS-GLOA-Therapie seit mindestens einem Jahr abgeschlossen war, wurden in der anaesthesiologischen Schmerzambulanz der Universitätsklinik Köln zu demographischen Daten, Schmerzintensität (Brief Pain Inventory BPI), Lebensqualität (SF-36) Behandlungen und Inanspruchnahme von Versorgungsleistungen in den letzten 12 Monaten befragt. Ergebnisse: Von 74 mit GCS-GLOA behandelten Patienten lagen 52 Fragebögen zur Auswertung vor (Rücklauf 70%). 41 Patienten litten weiterhin unter Schmerzen, 11 Patienten gaben Schmerzfreiheit an. Im BPI lagen die mittleren Summenwerte für Schmerzintensität bei 10,9±9,7, für schmerzbedingte Beeinträchtigung bei 17,0±18,2 und für Schmerzlinderung bei 37,7±31,8. Im SF-36 fiel eine hohe körperliche Funktionsfähigkeit (66,8±5,0) gegenüber einer reduzierten körperlichen Rollenfunktion (37,1±7,1) auf. Die körperliche Summenskala (41,8±1,9) und die psychische Summenskala (37,4±2,9) waren reduziert. In den Angaben der Patienten zur zeitlichen Veränderung waren Schmerzstärke, -dauer, -ausdehnung und Auftretenshäufigkeit häufiger rückläufig als zunehmend. 25% der Patienten nahmen gelegentlich Schmerzmittel ein, während 29% täglich Analgetika benötigten (keine Einnahme 21%, keine Angaben 25%). Tägliche Einnahme von Schlafmitteln gaben 8% der Patienten an, Medikamente gegen Angst und Depression wurden von 15% täglich eingenommen. Akupunktur (23% der Patienten), Krankengymnastik (15% ), Neuraltherapie (13%), TENS (11%), Massagen (11%) und Psychotherapie (11%) wurden in den letzten 12 Monaten häufiger in Anspruch genommen. Arbeitsunfähigkeit aufgrund der Schmerzen wurde von 8 Patienten angegeben. Schlussfolgerung: Eine „Heilung“ der Gesichtsschmerzen wurde durch die GLOA bei den Patienten der Schmerzambulanz oft nicht erreicht. Die langfristigen Erfolge der Blockadeserie rechtfertigen jedoch den Einsatz dieser Behandlungsmethode bei Patienten mit Gesichtsschmerzen. P7.12 Eine Reduktion der kortikalen Exzitabilitätssteigerung nach Extremitätenamputation mit dem NMDA-Antagonisten Memantine führt nicht zu einer parallelgehenden Reduktion von Phantomschmerzen M. Tegenthoff1, P. Schwenkreis1, B. Pleger1, R. Dertwinkel3, J. P. Malin1, M.Zenz3, C.Maier2 Ruhr-Universität Bochum, BG-Kliniken Bergmannsheil, Neurologische Klinik1, Abteilung für Schmerztherapie2, Klinik für Anästhesiologie, Intensiv- und Schmerztherapie3 Fragestellung: Bei armamputierten Patienten konnte mittels der Transkraniellen Magnetstimulation (TMS) eine verminderte Inhibition sowie eine vermehrte Fazilitierung im Bereich des motorischen Kortex nachgewiesen werden (1). Als wesentlicher Mechanismus wird eine vermehrte Aktivität intrakortikaler glutamaterger, via NMDA-Rezeptoren projizierender Neuronenkreise diskutiert (2). Methode: Um diese Hypothese zu überprüfen, wurde bei 15 Patienten mit chronischen Phantomschmerzen nach traumatischer Finger- bzw. Armamputation, die in einer doppelblinden randomisierten Studie den NMDA-Antagonisten Memantine (30mg/d) oder Placebo erhielten (3), vor Therapiebeginn sowie nach dreiwöchiger Medikamenteneinnahme eine TMS in Doppelreiztechnik durchgeführt. Als Kontrolle dienten 8 gesunde Normalprobanden. Ergebnisse: Hierbei fand sich in der Placebogruppe (n=8) sowohl am Tag 0 (57.3 ± 35.5%; p<0.05) als auch am Tag 21 (58.8 ± 42.2%; p<0,05) eine im Vergleich zu einer Normgruppe (22.4 ± 8.4%) gleichstark reduzierte Inhibition. In der Verumgruppe (n=7) nahm die am Tag 0 signifikant reduzierte Inhibition (66.8 ± 27.0%; p<0,01) am Tag 21 signifikant zu (45.1 ±
22.5%; p<0,05). In dieser Gruppe reduzierte sich die Fazilitierung, die am Tag 0 (169.2 ± 54.0%) signifikant stärker war als im Normkollektiv (109.7 ± 32.9%; p<0,05) signifikant nach dreiwöchiger Therapie (119.0 ± 31.1; p<0,05). Weder die Ausgangswerte noch die prä-post Differenzen der TMS-Patienten korrelierten mit der Intensität der Phantomschmerzen oder deren Änderung unter Therapie. Diskussion: Die kortikale Exzitabilitätssteigerung nach Extremitätenamputation ist durch die Gabe des oral verfügbaren NMDA-Antagonisten Memantine signifikant zu reduzieren. Dies ist jedoch - zumindest bei Patienten mit chronischen Phantomschmerzen - überraschenderweise nicht mit einer Schmerzreduktion korreliert. Bei diesen Patienten scheinen alternative oder zusätzliche pathophysiologische Mechanismen von größerer Bedeutung für die Schmerzunterhaltung zu sein. 1. Schwenkreis et al. Neurosci Lett 293: 143-6 (2000) 2. Ziemann et al. J Neurosci 18: 7000-7 (1998) 3. Maier et al. this meeting (2001) P7.13 Therapie von Neuralgien mittels peripherer Nervenstimulation – Erste Ergebnisse B. Völker1, H. Homann2, B. Sengpiel1, C. Maier1 Abteilung für Schmerztherapie1, Klinik für Plastische Chirurgie und Schwerbrandverletzte2, BG Klinik, Bergmannsheil, Universitätsklinik Bochum Hintergrund: Die epineurale periphere Nervenstimulation (PNS) ist bislang ein nur durch Fallberichte (1,2) belegtes, kostenintensives und nicht risikofreies Verfahren. Methode: Es wurden Patienten (Pat.) mit medikamentös ausbehandelten Neuralgien bei peripheren, elektrophysiologisch gesicherten Nervenschädigungen an der oberen (n=7) und unteren (n=3) Extremität behandelt. Outcomekriterien: Schmerzreduktion (Numerische Rating Skala; NRS), Allodynie, Schlafdauer, Änderung der Medikation, Erwerbsfähigkeit, Zufriedenheit. Ergebnisse: Bei den 10 Pat. (48,8 J. (27-70), davon 7 Männer mit durchschnittlicher Anamnesedauer von 30 Monaten (15-51), betrug die Nachbeobachtung bislang 8 Monate (3-25). Die Stimulation war initial bei allen, bei 7 Pat. bis heute erfolgreich. 2 Explantationen erfolgten wegen nachlassender Wirksamkeit, einmal wegen einer akuten Infektion. 6 von 7 Pat. stimulieren kontinuierlich über 24 Stunden, 1 Patientin intermittierend. Die durchschnittliche Schmerzlinderung betrug 60% bei einem hohen Ausgangswert von im Median 8 (5-9)auf NRS. Die dynamisch-taktile Allodynie war bei keinem Pat. mehr nachweisbar. Die durchschnittliche Schlafdauer stieg von 4 auf 8 Stunden. Die medikamentöse Therapie konnte bei 6 Patienten reduziert werden. 3 der 7 Patienten im erwerbsfähigen Alter sind seitdem erwerbsfähig, 3 warten auf Umschulungsmaßnahmen. Alle Patienten bewerten die Methode positiv. Häufigste unerwünschte Effekte (n=6) sind motorische Stimulationen bei Alltagsbewegungen. Eine Erhöhung der Spannung um wenige mV (Mittel 39%) über die Parästhesieschwelle löste hier bereits Kontraktionen aus. Schlussfolgerung: Diese Pilotuntersuchung bei therapieresistenten Neuralgien bestätigt die ermutigenden Ergebnisse anderer Autoren [1,2]. Prospektive Studien sind jedoch erforderlich, zumal der Wirkmechanismus unklar ist. Zur Vermeidung von motorischer Reaktionen ist eine Optimierung der epineuralen Plazierung erforderlich. 1. Buschmann D, Opel F: Schmerz 1999, 13:113-120. 2. Stanton-Hicks M, Salamon J: J Clin Neurophys 1997 Jan; 14(1):46-62
P8 Nichtkonventionelle Verfahren P8.1 Handelt es sich bei dem psychoneuro-immunologischen Ansatz um ein alternatives Erklärungsmodell für die primäre Fibromyalgie ? – Ergebnisse einer Pilotstudie A. Geiss, R. Engel, N. Finkler, F. Anton Forschungszentrum für Psychobiologie und Psychosomatik, Universität Trier, D-54290 Trier Centre de Recherche Public de la Sante, Luxembourg Fragestellung: Epidemiologischen Unter-suchungen zufolge entwickeln bis zu 25% der Patienten, die nach einer Bandscheiben-operation ein Postdiskotomiesyndrom (PDS) ausbilden, eine primäre Fibromyalgie. Die Ergebnisse von Vorstudien (Neurosci Lett, 237, 65-68, 1997) verwiesen auf die Brauch-barkeit des psychoneuroimmunologischen Ansatzes als alternativen Erklärungsansatz für die Mechanismen, die der Chronifizierung
von radikulären Schmerzen nach einer Bandscheibenoperation zugrunde liegen. Darauf aufbauend bestand das Ziel der vorliegenden Pilotstudie darin, Patientinnen mit primärer Fibromyalgie und koexis-tierendem PDS hinsichtlich psychoneuro-immunologischer Veränderungen zu charakterisieren. Angewandte Methodik: 11 Patientinnen mit primärer Fibromyalgie und koexistierendem PDS wurden mit 14 Patientinnen mit PDS und 11 schmerzfreien, gesunden Kontroll-personen hinsichtlich der adrenocorticalen Reaktivität unmittelbar nach dem Aufwachen, der adrenocorticalen Basalaktivität und der Feedbacksensitivität des hypophysären-adrenergen Systems verglichen. Dazu wurden sie während des ersten Untersuchungstages gebeten, fünf Speichelproben zur Bestimmung der Cortisolkonzentration unmittelbar nach dem Aufwachen, d.h. um 7.00 Uhr, und weitere sieben Speichelproben im Abstand von zwei Stunden zu entnehmen. Im Anschluß daran, d.h. gegen 22.00 Uhr, nahmen sie oral 0.5 mg Dexamethason ein und sammelten am folgenden Tag erneut fünf Speichelproben unmittelbar nach dem Auf-wachen und sieben weitere Speichelproben im Abstand von zwei Stunden. Ergebnisse und Schlussfolgerungen: Die Patientinnen mit primärer Fibromyalgie und koexistierendem PDS wiesen im Unterschied zu den Patientinnen mit PDS keinen unterdrückten Cortisolanstieg unmittelbar nach dem Aufwachen auf, sondern einen im Vergleich zu den Kontrollpersonen unauffälligen Cortisolanstieg. Damit kann die adrenocorticale Reaktivität unmittelbar nach dem Aufwachen bei den Patientinnen mit primärer Fibromyalgie und koexistierendem PDS als normalisiert eingeschätzt werden. Im Unterschied zu den Patientinnen mit PDS wiesen die Fibromyalgiepatientinnen allerdings eine signifikant erhöhte adrenocorticale Basalaktivität auf. Im Hinblick auf die Cortisolkonzentrationen nach der Einnahme von 0.5 mg Dexamethason unterschieden sich die Patientinnen mit primärer Fibromyalgie allerdings nicht von den Patientinnen mit PDS. Dementsprechend wiesen beide Pati-entinnengruppen eine verstärkte Suppression der Cortisolfreisetzung nach der Einnahme des niedrig dosierten synthetischen Glukokortikoids auf. Insofern kann die Feedbacksensitivität des hypophysärenadrenergen Systems bei beiden Patientinnengruppen als erhöht angesehen werden. Damit kann es als empirisch bestätigt angesehen werden, dass der psychoneuroimmunologische Erklärungs-ansatz auch im Hinblick auf die Erforschung der Mechanismen, die der Entwicklung einer primären Fibromalgiesymptomatik nach einem Postdiskotomiesyndrom zugrunde liegen, als nützlich einzuschätzen ist. Ein Grund dafür besteht unter anderem darin, dass sich aus diesem Erklärungsansatz alternative Behandlungsprogramme ableiten lassen. P8.2 Minimale Serokonversion nach antibiotischer Behandlung von Patienten mit chronischen Schmerzsyndromen und IgA Seroantikörpern gegen Campylobacter jejuni oder humanpathogene Yersinien A. Goebel1, H. Steinbach1, H. Karch2, R. Schedel1, A. Arnold3, N. Roewer1, G. Sprotte1 1 Klinik für Anaesthesiologie; 2 Institut für Hygiene und Mikrobiologie der Universität Würzburg; 3 Biotest GmbH Dreieich Fragestellung: Wir berichteten über eine erhöhte Seropositivitätsrate für Campylobacter jejuni (C.jejuni) und humanpathogene Yersinien bei amerikanischen und deutschen Patienten mit verschiedenen chronischen Schmerzsyndromen 1-3. Eine IgA Seropositivität gilt als Zeichen für einen noch anhaltenden oder kürzlich abgelaufenen Infekt mit dem Pathogen. Während (nicht Schmerz-) Patienten nach gastrointestinalen Infektionen mit beiden Keimen eine innerhalb weniger Monate abklingende IgA Antikörperreaktion haben, zeigte sich dass Patienten mit chronischem Schmerz eine zeitlich deutlich verlängerte IgA Produktion aufweisen 2-3. Eine verlängerte, nach einem Infekt nicht innerhalb weniger Monate zurückgehende IgA Seropositivität ist bei Patienten mit reaktiven Arthritiden und anderen postinfektiösen Autoimmunerkrankungen bekannt 4. Wir berichten hier über die Entwicklung der IgA Antikörperproduktion über 12 Monate bei 40 konsekutiven Patienten mit verschiedenen chronischen Schmerzsyndromen nach Behandlung mit Antibiotika und oralen, kolostralen Immunglobulinen (oIG). Angewandte Methodik: Die hier vorgestellten Daten wurden im Rahmen einer kontrollierten, prospektiven Studie zur Evaluation der Wirksamkeit von Antibiotika und oIG auf das Schmerzniveau bei Patienten mit verschiedenen chronischen Schmerzsyndromen gewonnen. Alle Patienten wiesen IgA Seropositivität (festgestellt unter Verwendung etablierter Westernblot- Verfahren 5,6) entweder gegen humanpathogene Yersinien oder gegen C.jejuni auf und wurden zu Beginn der Studie antibiotisch (Ciprofloxacin, 1-0-1 X 24 Tage) und je nach Studiengruppe zusätzlich mit oIG Der Schmerz [Suppl 1]•2001
| S 71
Abstracts behandelt. 1, 3, 6 und 12 Monate nach Beginn der antibiotischen Therapie wurden die IgA Antikörpertests wiederholt. Ergebnisse: Unsere Patienten (28 weiblich, 12 männlich) hatten ein mittleres Alter von 49.1 Jahren und einen Median der Erkrankungsdauer von 41 Monaten. Initialer Befund Campylobacter 9 Yersinien 37
3 Monate
6 Monate
12 Monate
2/5 (60%) 7/8 (87.5%) 7/8 (87.5%) 26/30 (86.7%) 23/29 (79.3%) 22/28 (78.6%)
Tabelle 1: IgA Seropositivitätsraten nach antibiotischer Behandlung. Fehlende Werte bezeichnen zumeist Studienabbrecher. Sechs Patienten waren positiv für beide Pathogene Es konnten keine Unterschiede bezüglich der IgA Seropositivitätsrate zwischen der nur mit Antibiotika und der zusätzlich mit oralen Immunglobulinen behandelten Gruppe festgestellt werden (Daten nicht gezeigt). Die Auswirkung der antibiotischen Therapie auf das Schmerzniveau war nur teilweise befriedigend. Zusätzlich gegebene oIG zeigten bei bestimmten Schmerzsyndromen eine Wirkung, die Studiengruppe war aber zu klein für weitergehende Aussagen zur Wirksamkeit von oIG (Daten nicht gezeigt). Diskussion: Die beobachtete, geringe Serokonversionsrate gleicht derjenigen, die bei Patienten mit chronischen Schmerzen und ohne antibiotische Behandlung gefunden wurde1. Hieraus können zwei Schlussfolgerungen gezogen werden: a) die Daten weisen auf eine chronische Stimulation des darmassoziierten Immunsystems bei seropositiven Patienten mit chronischem Schmerz hin; b) bei einer bezüglich Serokonversion bestehenden Unwirksamkeit antibiotischer Behandlung befinden sich entweder keine entsprechenden Pathogene mehr in der Darmschleimhaut, oder diese Pathogene sind durch Veränderungen in der Darmschleimhaut geschützt. Ähnlich wie bei Patienten mit reaktiven Arthritiden nach Yersinieninfektionen sollte jetzt bei seropositivien Schmerzsyndromen mit definierbarem Anfangspunkt eine Antibiotikatherapie unmittelbar nach Beginn der Erkrankung evaluiert werden. 1. Andreas Goebel, Guido Klueber, Helge Karch, et al. Association between Seropositivity to Campylobacter jejuni, human pathogenic Yersiniae and the Complex Regional Pain Syndrome (CRPS). Poster und Vortrag: British Pain Congress 2001, York, England 2. Klüber G, Karch H, Goebel A, et al. Seropositivity for Campylobacter jejuni and human pathogenic Yersiniae in patients with chronic pain. Abstact presentation, European Congress of Pain 2000 Nice, France 3. Goebel A, Sprotte G, Borsook D. Campylobacter seropositivity associated with CRPS. Abstract presentation, American Congress of Pain 2000, Atlanta GA 4. Gaston JSH, Cox Ch, Granfors K. Clinical and experimental evidence for persistent Yersinia infection in reactive arthritis. Arthritis&Rheumatism 1999; 42(10):2239-2242 5. Endres U, Karch H, Toyka KV, et al. The spectrum of immune responses to Campylobacter jejuni and glycoconjugates in Guillain-Barré syndrome and in other neuroimmunological disorders. Ann Neurol 1993; 34:136-144 6. Heesemann J, Eggers C, Schröter J. Serological Diagnosis of Yersiniosis by Immunoblot Technique Using Virulence-Associated Antigen of Enteropathogenic Yersiniae. Contr Microbiol Immunol 1987; 9: 285-289 P8.3 Mikrovaskuläre Dekompression bei Trigeminusneuralgie M. C. Spendel, I. Osiander, G. Lanner Neurochirurgische Abteilung des Landeskrankenhauses Klagenfurt Fragestellung: Im Jahre 1999 führten wir an 45 Patienten mit Trigeminusneuralgie eine mikrovaskuläre Dekompression durch. In einer retrospektiven Analyse prüften wir die Früh- und Spätergebnisse bis zu 2 Jahre nach der Operation, inklusive Komplikationsrate und diagnostisches Auswahlverfahren. Angewandte Methodik: Wir operierten 45 Patienten nach der von Jannetta 1969 angegebenen Operationstechnik. Zur Indikationsstellung wurde zusätzlich eine MR-Angiografie mit 3D-Gradienten-Echosequenz herangezogen. Ergebnisse: In einer Outcome-Analyse waren unmittelbar postoperativ 98% der Patienten und nach einem Beobachtungszeitraum von 2 Jahren
S 72 |
Der Schmerz [Suppl 1]•2001
82% der Patienten schmerzfrei. An relevanten Komplikationen hatten wir bei einem Patienten eine passagere Facialisparese und in einem Fall einen spasmusbedingten Hörverlust. Schlussfolgerungen: Unsere Ergebnisse bestätigen die Operationsresultate von anderen Autoren und vor allem von Jannetta und beweisen, dass die mikrovaskuläre Dekompression in geübter Hand und bei gezielter Indikationsstellung die operative Therapie der Wahl bei der Trigeminusneuralgie ist. Zusätzlich stellt die präoperative 3D-Gradienten-Echosequenz einen Fortschritt in der Diagnostik dar, da der radiologische Nachweis einer Kompression der Trigeminuseintrittszone durch ein Gefäß die klinische Diagnose in vielen Fällen verifizieren kann und zu einer Verbesserung des postoperativen Ergebnisses führt. P8.4 BTX-Injektionen in den M. psoas unter Ultraschallkontrolle S. Lubik, W. Jost, J. Bönhof, A. Kohl FB Neurologie, Deutsche Klinik für Diagnostik, Wiesbaden Botulinumtoxin (BTX) hat sich in der Therapie einer fokalen Spastik bewährt. Untersuchungen über den Einsatz von BTX bei spastischer Tonuserhöhung der Rumpfbeuger sind jedoch rar. Wir berichten über 5 Pat., die im Rahmen ihrer Grunderkrankungen an einer schmerzhaften Tonuserhöhung des M. psoas litten und mit BTX behandelt wurden. Die Injektion in den M. psoas kann von dorsal oder ventral erfolgen. Üblicherweise erfolgt die dorsale Injektion CT-gesteuert. Wir wählten den ventralen, transabdominellen ultraschallgestützten Injektionsweg. Krankheitsbilder: • Friedreich Ataxie • Komplexe Dystonie • Unklare Schmerzsymptomatik mit V.a. Dystonie • Frühkindlich erworbene spastische Tetraparese • Parkinson-Syndrom Wir injiziert ultraschallgestützt 50-100 E. Botox an je 2 Stellen pro Muskel. Das beste Ergebnis wurde bei der Friedreich-Ataxie erzielt. Nach der ersten Injektion war die Pat., die zuvor schmerzbedingt nicht in der Lage war sich aufzurichten beschwerdefrei und konnte sich wieder aufrecht setzen. Bei Pat. 2 mit der komplexen Dystonie konnte eine Reduktion der Beschwerden erreicht werden, ebenso bei Pat. 3, der durch die Injektion eine deutliche Verringerung der Schmerzsymptomatik berichtete. Bei Pat. 4 und 5. konnte kein Effekt erreicht werden. Wobei bei Pat. 5 aufgrund der Progredienz der Erkrankung kein weiterer Therapieversuch mit einer angepassten Dosis vorgenommen wurde. P8.5 Akupunktur vermindert Schmerz-assoziierte SEP-Amplituden bei narkotisierten Probanden W. Meißner, R. Trippe, T. Weiss, T. Grube, C. Krapp Klinik für Anästhesiologie, Institut für Psychologie und Klinik für Allgemeine Chirurgie, Friedrich-Schiller-Universität Jena, 07740 Jena Fragestellung: Somatosensorisch evozierte Potentiale (SEP) nach schmerzhaften Reizen werden als Möglichkeit angesehen, die sensorische Dimension des Schmerzes objektiv zu messen. Insbesondere die Amplitude der P260-Komponente wird daher dazu benutzt, den antinozizeptiven Effekt vrschiedener analgetischer Intervenionen zu quantifizieren. Der Effekt von Akupunktur auf SEPs ist bisher nur selten und nicht verblindet gemessen worden. Methoden: Nach Zustimmung der Ethikkommission wurden 16 Probanden (im Rahmen einer anderen Studie) mit einer „targed controlled infusion“ (TCI) mit Propofol anästhesiert und randomisiert einer Akupunktur- und einer Kontrollgruppe zugeteilt. Nach 45 Minuten wurden sie 80 elektrischen Schmerzreizen am rechten Zeigefinger mit einer Dauer von 10 ms und einem Intervall von 2,75 s ausgesetzt, deren Stärke sie im wachen Zustand mit „5“ („sehr schmerzhaft“) auf einer sechsstufigen verbalen Schmerzskala beurteilt hatten. Danach wurde die Akupunkturgruppe über 15 Minuten mit elektrischer Nadelakupunktur an traditionellen Punkten (MP 6, M 36, L 3) am Bein behandelt, während die Kontrollgruppe keine Behandlung bekam. Die Gruppenzugehörigkeit wurde gegenüber dem Elektrophysiologie- und Auswertungsteam verblindet. Anschließend wurden erneut die Schmerzreize appliziert. Während der Schmerzstimulation wurden SEPs abgeleitet. Die Rohsignale wurden gefiltert (2-12 Hz), Artefakt-korrigiert und gemittelt. Die Amplituden der P260-Komponente wurden mittels ANOVA bezüglich intrakollektiver (Prä-Post-Behandlung, Elektrodenposition) als auch interkollektiver Faktoren (Akupunktur-Kontrolle) analysiert.
Ergebnisse: Die Amplitude der P260-Komponente verringerte sich signifikant zwischen der Prä- und Post-Behandlungs-Messung in der Akupunkturgruppe. In der Kontrollgruppe wurden keine signifikanten Unterschiede der P260-Amplitude beobachtet. Schlußfolgerungen: Erstmals sind in einem doppelblinden Versuchsdesign elektrophysiologische Auswirkungen einer Akupunktur untersucht worden. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass Akupunktur spezifische analgetische Wirkungen hat, die unabhängig von einer Placebowirkung die Schmerzverarbeitung modulieren. Bromm B et al. Electroencephalogr Clin Neurophysiol 53, 1982: 94-103 Chapman CR et al. Pain 14, 1982: 327-37 Xu X et al. J Clin Neurophysiol 10, 1993: 370-7
terkieferbeweglichkeit bei maximaler Mundöffnung, Protrusion und Laterotrusion gemessen. Ergebnisse und Schlussfolgerungen: Der Vergleich der Beurteilung der Schmerzen vor und nach BTX-A Applikation durch die Patienten anhand einer VAS ergab eine Schmerzreduktion um etwa 40%. Der maximale Effekt wurde 4 Wochen nach Applikation erreicht. Keiner der Patienten berichtete über unerwünschte Nebenwirkungen. Innerhalb des Beobachtungszeitraumes blieb die Schmerzreduktion nach 4 Wochen konstant. Bei 8 der 14 Patienten nahm die Unterkieferbeweglichkeit zu. Die eigenen Erfahrungen bestätigen Literaturmitteilungen über die Wirksamkeit von BTX-A bei Patienten mit CMD. Eine doppelblinde, plazebokontrollierte Studie für Patienten mit CMD steht jedoch bislang aus.
P8.6 Schmerztherapie mit Mikrostrom P8.8 Electromagnetic millimeter waves in pain therapy – a review R. Schellenberg Institut für Ganzheitliche Medizin und Wissenschaft, Talstraße 29; 35625 Hüttenberg
T.I. Usichenko, C. Gliniorz, T. Kuenstle, K.F. Rothe Anesthesiology and Intensive Care Department, Hospital Dresden-Friedrichstadt
Fragestellung: An den Zellmembranen des gesunden Gewebes können elektrische Ströme in Größenordnungen zwischen 10 und 20mV gemessen werden. Dies wird durch den energieverbrauchenden Ionentransport an der semipermeablen Zellmembran gewährleistet. Kommt es zu Störungen der Membraneigenschaften der Zelle hat dies auch Folgen für den Protein- und Energiestoffwechsel der Zelle. Es ist bekannt, dass chronische Reizungen verschiedenster Gewebe, aber auch Entzündungen und Verletzungen zu Störungen dieser zellphysiologischen Prozesse führen und damit auch Schmerzen auslösen können. Diese sollten durch Mikrostromapplikation behandelt werden. Angewendete Methodik: Durch die Applikation von Mikroströmen in Höhe von 10 – 600 mA kann eine Zunahme der intrazellulären energiereichen Phosphate (Adenosintriphosphat, ATP) um bis zu 500% erreicht werden. Dies wiederum verbessert die energieverbrauchenden Transportprozesse in den Zellen um bis zu 40% und führte zu einer Aktivierung des Zellstoffwechsels und der Proteinsynthese um bis zu 73%. Ergebnisse und Schlussfolgerungen: Das Mikrostrom-Therapiesystem „cos-med clinic-master MSG 1200“ wurde zur Behandlung von 55 Patienten mit Schmerzen in Knie und Schultergelenken eingesetzt. Eine Stromstärke von 400 mA mit einer Stimulationsfrequenz von 200 Hz und einer Anstiegssteilheit der 2,5 sec. dauernden Impulsfolgen von 0,5 sec. wurde über 30 min. in wechselnder Polarität über 4,5x8 cm große Klebeelektroden appliziert. Die Patienten mit chronischen, infolge von Arthrosen und Gelenküberlastungen resultierenden Schmerzen, erlebten bereits nach einer einmaligen Behandlung eine deutliche Schmerzlinderung, die nach weiteren 4-5 Sitzungen rasch zur Schmerzfreiheit führte. In 88% der behandelten Patienten konnte nach durchschnittlich 5 Sitzungen Schmerzfreiheit erzielt werden. Zusammenfassend kann nach Behandlung erster Patienten mit SchulterArm-Syndromen und Arthrosen der Kniegelenke festgestellt werden, dass die Biostimulation mit Mikrostrom auf physiologisch erklärbarer Weise nebenwirkungsfrei zur Schmerzfreiheit führte.
Objective: To discuss the peculiarities of recently developed millimeter wave therapy (MWT) in pain relief: physical characteristics, clinical studies, mechanisms of action, side effects and ways of research and further development. Methods: MEDLINE-based search with subsequent analysis of studies, concerning analgesic effects of MWT. Results: MWT was introduced in clinical practice as an application of the discovery of biological effects of low intensity electromagnetic millimeter waves (frequency 30-70 GHz and power density <30 mW/cm2).1 Pain relief is the most common reported clinical effect of MWT, applied already in more than 3 million people.2 Analgesic properties of MWT have been described in treatment of patients with gastric and duodenal ulcer, angina pectoris, neuralgia, osteoarthritis and peripheral vascular disease. Experimental studies on analgesic effect of MW in rodents and healthy volunteers strongly suggest the involvement of neural pathways and endogenous opioids.3,4 Since MWT has been reported in controlled clinical trials to be effective in healing of peptic ulcer and gastroduodenitis, this therapy might be useful in pain relief at patients with NSAID-induced gastrointestinal side-effects.2 Reported side-effects of MWT in 0,6-5% of patients, mainly with cardiovascular diseases, included transient blood pressure changes and urticaria, which disappeared after the course of MWT. None of the reviewed studies have provided evidence that low intensity MW represent a health hazard for human beings.5 Conclusion: After appropriate clinical investigations MWT may become a powerful non-invasive and inexpensive adjunct in pain therapy. 1. Webb & Dodds Nature 1968;218:374. 2. Rojavin & Ziskin Q J Medicine 1998;91:57. 3. Radzievsky et al Life Sci 2001;68:1143. 4. Radzievsky et al Anesth Analg 1999;88:836. 5. Ryan et al Health Phys 2000;78:170.
P8.7 Beeinflussung kraniomandibulärer Dysfunktion (CMD) durch Botulinum-Toxin A (BTX-A)
P8.9 Akupunktur mit Lasernadeln – eine neue therapeutische Dimension in der medizinischen Praxis
H. Seedorf1,R. Leuwer2, A. Bosopulus3, C. Fenske1, M. R. Sadat Khonsari1, H. D. Jüde1 1 Universitätsklinikum Hamburg Eppendorf Klinik und Poliklinik für Zahn- Mund- und Kieferheilkunde. 2 Universitätsklinikum Hamburg Eppendorf Klinik und Poliklinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde. 3 Universitätsklinikum Hamburg Eppendorf Klinik und Poliklinik für Neurologie.
M. Weber, Lauenförde
Fragestellung: Ursachen und Folgen dysfunktioneller Störungen des stomatognathen Systems sind vielfältig. Myopathien sind jedoch in den meisten Fällen vorzufinden. Die Arbeit behandelt die Frage nach dem therapeutischen Nutzen einer BTX-A Applikation bei CMD mit Myopathie. Angewandte Methodik: Es handelt sich um eine offene Studie an 14 Patienten, bei denen anhand eines standardisierten Untersuchungsbogens eine kraniomandibuläre Dysfunktion (CMD) mit Myopathie mindestens eines Kaumuskels diagnostiziert wurde. Unter EMG-Kontrolle wurden 50U –150U BTX-A in den/die betreffenden Muskel(n) injiziert. Die Patienten wurden in 2-Wochen-Intervallen über einen Zeitraum von acht Wochen beobachtet. Die Schmerzreduktion wurde anhand einer visual analog Skala (VAS) bewertet. Zur Bewertung der Funktion wurde die Un-
Ein neues Akupunktursystem mit Lasernadeln wurde erstmalig zur Therapie chronischer Schmerzsyndrome eingesetzt. Es wurden ca. 400 Behandlungen bei 63 Patienten durchgeführt mit HWS-, BWS- und LWS-Syndrom, z.T. mit Zustand nach Diskusprolaps, Gon-, Cox- und Rhizarthrose, Epicondylitis humeri radialis, Schulterperiathritis, Tendinitiden, Fibromyalgiesyndrom, Morbus Bechterew und PCP, Migräne und andere Kopfschmerzsyndrome sowie Trigeminusneuralgien. Die Therapeutische Grundidee des Einsatzes von Lasernadeln bestand darin, die biologischen Eigeneffekte des Lasers wie Analgesie, Muskelrelaxation, Förderung der Mikrozirkulation und Immunstimulierung mit der Arbeitsweise der klassischen Akupunktur, d.h. der Nadelung individuell ausgerichteter Punktekombination zu verbinden. Die Lasernadeln, entwickelt von der deutschen Firma Laserneedle systems und erstmals vorgestellt auf der Medica 2000 in Düsseldorf, emittieren rote und infrarote Laserstrahlung mit hohen Leistungsdichten, so dass deutlich wahrnehmbare vegetative Reize (De-Qui-Effekte) an den Akupunkturpunkten ausgelöst werden. Die Behandlungen führten bei sämtlichen Krankheitsbildern zu einer ausgezeichneten Schmerzlinderung bzw. -befreiung und erheblicher VerDer Schmerz [Suppl 1]•2001
| S 73
Abstracts besserung der Bewegungsfreiheit. Sie erwiesen sich als nebenwirkungsfrei, angenehm und ausserordentlich patientenfreundlich. Medikamentöse Schmerztherapien konnten großenteils reduziert oder abgesetzt und Arbeitsunfähigkeiten reduziert werden. Eine Steigerung der Lebensqualität konnte besonders auch durch begleitende psychovegetative und antidepressive Punktekombinationen erreicht werden. Im Vergleich zur klassischen Akupunktur mit Metallnadeln erwies sich die Behandlung mit Lasernadeln als wesentlich effektiver und nachhaltiger.
P9 Perioperativer Schmerz P9.1 Erste Erfahrungen mit einem pflegebasierten postoperativen Analgesiekonzept bei kinderchirurgischen Patienten W. Finke, H. Baumgart, W. Büttner Klinik für Anästhesiologie und operative Intensivmedizin, Marienhospital Herne, Universitätsklinik der Ruhruniversität Bochum Problemstellung: Die knapper werdenden Resourcen im Gesundheitswesen wirken sich auch auf die postoperative Versorgung pädiatrischer Patienten aus: Lange Latenzzeiten zwischen dem Einsetzen therapiebedürftiger Schmerzen und dem Beginn analgetischer Maßnahmen führen zu wachsender Unzufriedenheit bei Kindern, Eltern, Schwestern und Ärzten. Der Königsweg, ein Akutschmerzdienst, ist gegenwärtig nicht zu finanzieren. Vor diesem Hintergrund wurde ein auf dem Prinzip der Nurse Controlled Analgesia (NCA) basierendes postoperatives Analgesiekonzept entworfen und klinisch eingeführt. Methode: Die folgenden Hauptmerkmale kennzeichnen das Analgesiekonzept: • Nach Altersstufen und Invasivität des Eingriffs differenzierendes medikamentöses Stufenschema • ärztlich (am OP-Tag durch den Anästhesisten) angeordnete fixe und Bedarfsmedikation • 24-h-Dokumentationsbogen zur Erfassung von Schmerzintensität, Vitalparametern, Sedierungsgrad und unerwünschten Arzneimittelwirkungen - bei strikter Vermeidung redundanter Dokumentation • engmaschige Kontrolle der Schmerzintensität zusammen mit den Vitalparametern • Opiate dürfen von den Schwestern i.v. titriert werden Bei Problemen ständig ansprechbar sind die Projektinitiatoren, drei Anästhesisten mit langjähriger Erfahrung in der Betreung von Kindern aller Altersgruppen. In der Vorbereitungsphase fand eine umfassende Schulung aller beteiligten Schwestern statt: Vorteile, Besonderheiten, Fehler und Gefahren sowie Praxis der i.v. Applikation, Pharmakologie peripher und zentral wirkender Analgetika, Verhalten bei anaphylaktischen Reaktionen, Reanimation in verschiedenen Altersgruppen mit praktischen Übungen. Eine jährliche Auffrischung ist geplant. Die medikolegale Unbedenklichkeit des Projekts wurde sichergestellt. Drei Monate nach Einführung des Projekts wurde allen beteiligten Schwestern ein Fragebogen zur Erhebung eines Meinungsbildes sowie zur Aufdeckung von Verbesserungspotential ausgehändigt. Ergebnisse: 22 (65%) Fragebögen wurden ausgefüllt. Bei im Mittel „leichter Zunahme“ des Arbeitsaufwandes wurde einhellig ein Rückgang des schmerzbedingten Leidensdrucks verzeichnet. Positiv verbucht wurden außerdem Unabhängigkeit, Kompetenzzuwachs und stärkere Zufriedenheit mit der eigenen Arbeit. Bei der Beurteilung der Schmerzerfassungsinstrumente zeigte sich die Kindliche Unbehagens- und Schmerz-Skala (KUSS) [1] den Selbstberichtskalen (Gesichterskala [2] und VAS) sowohl in der Handhabung als auch hinsichtlich ihrer Eignung als Indikator eines Analgetikabedarfs überlegen. Schlussfolgerung: Das vorgestellte, auf der NCA basierende Analgesiekonzept kann einen Akutschmerzdienst nicht ersetzen. ist aber in der Lage, die meisten postoperativen Schmerzprobleme der täglichen Routine zu bewältigen – nicht zuletzt durch eine Verkürzung der Entscheidungswege, die Ärzte und Schwestern entlastet und dadurch den projektbedingten Mehraufwand in Grenzen hält. 1. Büttner W: Die Erfassung des postoperativen Schmerzes beim Kleinkind. Arcis, München 1998. 2. Bieri D et al.: The Faces Pain Scale for the self-assessment of the severity of pain experienced by children. Pain 1990;41:139-150.
S 74 |
Der Schmerz [Suppl 1]•2001
P9.2 Untersuchung zur Dokumentation der Überwachungsparameter bei Patienten mit patientenkontrollierter epiduraler Analgesie (PCEA) auf Allgemeinstationen C. Geiss, D. Märkert, S. Rauh, W. Koppert, N. Griessinger, R. Sittl Klinik für Anästhesiologie, Schmerzambulanz, Krankenhausstr. 12, 91054 Erlangen Fragestellung: Für die Organisation und Durchführung der patientenkontrollierten epiduralen Analgesie ist der Akutschmerzdienst (ASD) der Klinik für Anästhesiologie verantwortlich. Ziel dieser Studie war die Überprüfung der Effizienz und der Vollständigkeit der Dokumentation der angeordneten Überwachungsparameter durch das Pflegepersonal der Allgemeinstationen. Methodik: Nach Anschluß der PCEA-Pumpe auf der Intensivstation oder im Aufwachraum erfolgt in der Regel am nächsten Tag die Verlegung auf die Allgemeinstation. Bis zum Abschluß der PCEA-Therapie werden die Überwachungsparameter durch das Pflegepersonal 4-stündlich dokumentiert. Überprüft wurde die Vollständigkeit der geforderten 12 Messungen innerhalb der ersten 48 Stunden, im Zeitraum von Januar 2001 – Juli 2001. Ergebnisse: Für die Untersuchung wurden die Meßwerte von 61 Patienten ausgewertet. Das Pflegepersonal dokumentierte 663 (90%) der geforderten 732 Messungen. Die Erfassung des Schmerzwertes in Ruhe erfolgte bei 605 Messungen (83%) und unter Belastung bei 527 Messungen (71%). Die Schmerzwerte unter Einsatz der PCEA-Therapie betrugen in Ruhe bei 6% der Messungen =4 (NRS 0 = kein Schmerz, 10 = stärkster Schmerz) und unter Belastung bei 12% der Messungen =6. Die O2-Sättigung wurde bei 613 Messungen (83%) erfaßt. Bei 21 Messungen (3%) war die O2-Sättigung = 90%. Die Sensibilität und Motorik wurde mit 273 (37%) bzw. 285 (39%) Messungen erhoben. 95% der Patienten beurteilten die PCEA-Therapie mit gut oder sehr gut (Durchschnittsnote 1,7 ± 0,14). Diskussion: In unserer Studie konnte die hohe Akzeptanz der PCEA-Therapie durch die Patienten bestätigt werden. Die Ergebnisse zeigen, dass eine zuverlässige Überwachung der PCEA-Pumpen auf Allgemeinstationen gewährleistet ist. Die Dokumentation von Sensibilität und Motorik ist nicht zufriedenstellend. Für diese wichtigen Überwachungsparameter bei der PCEA-Therapie besteht Handlungsbedarf hinsichtlich Schulung und Aufklärung des Pflegepersonals. P9.3 Verhalten und Wirksamkeit von Lokalanästhetika beim distalen Ischiadicus-Katheter (DIK) in vivo – eine retrospektive Bildanalyse anhand von Fallbeispielen F. Kefalianakis Klinikum Ludwigsburg, Abt. f. Anästhesiologie und Intensivmedizin Die Anwendung des distalen Ischiadicus-Katheter (DIK) gilt als etablierte regionalanästhesiologische Blockadeform zur Behandlung periopeativer und chronischer Schmerzen bei unterschiedlichsten Affektionen am Fuß und Unterschenkel.An 8 Patienten, welche zur Verifizierung einer korrekten Lage des DIK’s CT-Schichtaufnahmen eheilten, wurde mittels Kontrastmittel(KM)-Applikation das Ausbreiten und Verhalten des Injektats untersucht. Das KM diente als Analogon zum üblicherweise angewandtem Lokalanästhetikum. In allen der untersuchten Fällen war jeweils eine eindeutige klinische Wirksamkeit gegeben mit adäquater Analgesie auf chirurgische Stimuli bzw. chronischer Beschwerden. Folgende Ergebnisse ergaben diseriell durchgeführten Aufnahmen: 1. Bei allen untersuchten DIK’s lag die Katheterspitze nicht an nervalen Strukturen. 2. Der Katheterverluf war nicht streng parallel am N. ischiadicus plaziert, wie in der Literatur postuliert. 3. In allen Fällen traten Schleifenbildungen am bzw. um den Nerven. 4. Die KM-Ausbreitung war nicht streng am Nerven positioniert bzw. in einer entsprechenden Nervenhülle. 5. Das KM war hauptsächlich durch Muskelfascien gefangen, und ein Großteil lag von dem zu blockierenden Nerven entfernt. Schlussfolgerung: Die klinische Qualität korreliert nicht mit dem Vorliegen der Katheterspitze am Nerven. Lediglich die Tatsache, das Anteile des Lokalanästhetikums an den gewünschten Wirkort gelangen, bewirken die Blockade.Die Strecke des DIK`s, welche jenseits des Nerven sich befindet, könnte zu Gunsten einer „nervennäheren“ Positionierung der Katheterspitze des DIK gemützt werden. Eine entsprechende Optimierung der Blockadequalität und -dauer könnte für einen Teil der Patienten erwirkt werden,da ein entsprechend höheres Volumen an Lokalanästhetikum am Wirkort die Folge sein könnte.Bei einer von uns errechneten und emp-
fohlenen Einauchtiefe des DIK’s ab Hautniveau kann somit einerseits die Wirksamkeit der Blockade gesteigert werden, anderseits kann das Risiko von Schleifen- und Knotenbildungen minimiert werden. 1. Meier G. (1998) Der distale Ischiadikuskatheter (DIK) in: Kontinuierliche periphere Leitungsblockaden zur postoperativen Analgesie. Hrsg.: Mehrkens HH, Büttner J. München -Acis-Verlag S.43-46 2. Vloka JD, Hadzic A, April E, Daniel TM (2001) The division of the sciatic nerve in the popliteal fossa: anatomical implications for the popliteal nerve blockade. Anesth Analg 92:215-217 P9.4 Postoperative motorische Blockade durch Bupivacain vs. Ropivacain bei Hüftgelenkersatz A. Kopf, K. Dietz, H.-J. Sachs, M. Knorr, M. Welte Schmerz- und parenterale Ernährungsambulanz, Klinik für Anaesthesiologie und operative Intensivmedizin, Freie Universität Berlin Hintergrund: Im Vergleich mit Bupivacain wird für das neuere Lokalanästhetikum Ropivacain eine geringere Beeinträchtigung der Muskelfunktion bei vergleichbarer analgetischer Wirkung als Vorteil postuliert (1). Zu letzterer Frage wurden eine Vielzahl von Untersuchungen publiziert worden, ohne jedoch mehrheitlich einen sicheren Vorteil für Ropivacain dokumentieren zu können (2). Mithilfe eines quantitativen Meßverfahrens für Muskelkraft haben wir nach Hüftgelenkersatz die Beeinträchtigung der motorischen Funktion bestimmen wollen. Wir wollten die Hypothese überprüfen, dass sich ein klinisch relevanter Unterschied (> 20% Reduktion) zugunsten von Ropivacain darstellen lässt. Methoden: Nach zustimmendem Votum der zuständigen Ethikkommission und schriftlicher Aufklärung und Einwilligungserklärung haben wir 40 ASA I und ASA II Patienten, die älter als 18 Jahre und jünger als 75 Jahre waren und sich einer unilateralen Hüftgelenksersatzoperation unterziehen mußten, doppel-blind in zwei Gruppen randomisiert. Gruppe B (n=20) erhielt Bupivacain 0.2% und Gruppe R (n=20) Ropivacain 0.2% zur postoperativen Analgesie. Am Tag vor der Operation wurde die Muskelspitzenkraft des nicht zu operierenden Beines als Ausgangswert mit einem Handdynanometer (MicroFet2) gemessen und der SCL 90-R erhoben. Am Operationstag erhielten alle Patienten einen lumbalen epiduralen Katheter. Intraoperativ erhielten alle Patienten bolusweise Bupivacain 0,5% (Gruppe B) bzw. Ropivacain 0.5% (Gruppe R) nach Bedarf. Postoperativ erhielten alle Patienten im Aufwachraum 0.2%ige Lokalanästhetikalösungen B bzw. R und die PCA-Pumpe Graseby 9300: Basalrate 6 ml/Std., Bolusgröße 4 ml, Refraktärzeit 10 min (Meßzeitpunkte: Aufwachraum, sowie 2, 6, 18 und 30 Std. nach Aufwachraum / Meßwerte: Schmerz in Ruhe und beim Hinsetzen (VAS/NAS), isometrische Muskelspitzenkraft ((Newton), Muskelfunktion (n. Bromage), Patientenzufriedenheit (kategorisch), Dose-Demand-Ratio). Ergebnisse: Die beiden Gruppen unterschieden sich nicht hinsichtlich der demographischen Daten, der anästhesiologischen und operativen Vorgehensweisen und der durchschnittlichen Schmerzintensität. 10 (B) bzw. 15% (R) der Patienten hatten zumindest zu einem Meßzeitpunkt einen Schmerzscore von > 3 NAS in Ruhe und 10 bzw. 20% bei Provokation (Basalratenerhöhungen: 30 bzw. 35%, gute/sehr gute Patientenzufriedenheit 75 vs. 72%. Auch die durchschnittliche Muskelkraft war vergleichbar. Nur am Operationstag war die Muskelspitzenkraftreduktion mit > 50% der Ausgangswertes in der Gruppe B signifikant häufiger (5 vs. 2 Patienten, Bromage „0“ 11 vs. 19 Pt). Die SCL90-R korrelierte nicht mit der Höhe der Dose-Demand-Ratio. Diskussion: Bupivacain 0.2% und Ropivacain 0.2% ermöglichen postoperativ als Dauerinfusion mit patientenkontrollierten Boli eine vergleichbare und adäquate Analgesie. In der Beobachtungszeit konnte nur bei der initialen postoperativen Messung ein signifikanter Unterschied hinsichtlich der Muskelkraftbeeinflussung gezeigt werden. Ropivacain reduzierte die Muskelkraft signifikant weniger als Bupivacain zum Meßzeitpunkt „Aufwachraum“ und „2 Std. nach Aufwachraum“. Diese Beobachtung unterschiedlicher motorischer Blockade wird durch die vermutlich nicht äquipotente intraoperative Lokalanästhetikaapplikation in Frage gestellt (3). Die quantitative Muskelkraftmessung mit dem Handdynanometer korrelierte signifikant mit dem Score nach Bromage und konnte also keine differenziertere Beurteilung der Muskelkraftbeurteilung beisteuern. Die postulierte verminderte Muskelkraftreduktion von Ropivacain konnte nach Hüftgelenksoperationen mit einer epiduralen Dauerinfusion und patientenkontrollierten Bolusgaben gegenüber Bupivacain nicht bestätigt werden. 1. Jorgensen-H, Br J Anaesth 2000; 84: 144 2. D`Angelo-R, Acta Anesth Scand 2000; 44: 639 3. Capogna-G, Br J Anaesth 1999; 82: 371
P9.5 Vergleich von Piritramid und Morphin bei der patientenkontrollierten intravenösen Analgesie (PCIA) U. Aden, H. Gandert, T. Luck, M. Welte, A. Kopf Schmerz- und parenterale Ernährungsambulanz, Klinik für Anaesthesiologie und operative Intensivmedizin, Freie Universität Berlin Hintergrund: Die PCIA ist in der postoperativen Schmerztherapie häufig verwendetes und gut evaluiertes Analgesieverfahrenrten (1). Prinzipiell sind alle Opioide geeignet. Am häufigsten wird Morphin (M), in Deutschland der m-Agonist Piritramid (P) verwendet. Die postulierten Vorteile von P (reduzierte Inzidenz von Übelkeit und Sedierung) entbehren einer wissenschaftlichen Grundlage, Kosten und Praxiserwägungen würden eher für Morphin sprechen. Wir wollten daher M und P in äquianalgetischen Dosierungen für die postoperative PCIA hinsichtlich Sedierung und Übelkeit miteinander vergleichen. Unsere Hypothese war, dass sich keine signifikanten und klinisch relevanten (> 20%) Vorteile von P gegenüber M nachweisen lassen. Methoden: Nach zustimmendem Votum der zuständigen Ethikkommission und schriftlicher Aufklärung und Einwilligungserklärung untersuchten wir 42 ASA I und ASA II Patienten, die älter als 18 Jahre und jünger als 75 Jahre waren und sich einem mittelgroßen Oberbaucheingriff unterziehen mußten. Postoperativ wurden alle Patienten im Aufwachraum entsprechend einer Randomisierungsliste mit einer PCA-Pumpe verbunden (Graseby 9300: keine Basalrate, Bolus 4 ml, Refraktärzeit 10 min) mit den vorbereiteten Analgetikalösungen (1,5 mg Morphin/4 ml oder 2 mg Piritramid/4 ml). Die Hauptzielparamter „Schmerz“ (NAS/VAS),„Übelkeit“ (n. Salomäki und VAS) und „Sedierung“ (n. Ready und VAS) wurden von einem unabhängigen Beobachter unmittelbar nach Verlassen des Aufwachraumes, 4 Stunden nach Verlassen des Aufwachraumes, sowie am Morgen und Abend des 1. und 2. postoperativen Tages gemessen. Ergebnisse: Die beiden Gruppen unterschieden sich nicht hinsichtlich der demographischen Daten, sowie der anästhesiologischen und operativen Vorgehensweisen. Analgesiequalität und kumulativer Analgetikaverbrauch in ml war zu allen Meßzeitpunkten identisch. Eine unzureichende Analgesie wurde nur an den ersten beiden Meßzeitpunkten – unterschiedslos für P und M – beobachtet. Die Übelkeit war nach beiden verwendeten Scores am 1. postoperativen Tag mit einer Inzidenz von 40 vs. 20% signifikant bei der Gruppe P höher. 3 Patienten der Gruppe M und 5 Patienten der Gruppe P hatten eine behandlungsbedürftige Übelkeit. Hinsichtlich des subjektiven und objektiven Sedierungsgrades und der Patientenzufriedenheit bestanden keine signifikanten Unterschiede, die „starke Sedierung“ (> NAS 6) war bei P signifikant seltener (20 vs. 40%). Diskussion: Schmerzintensität und kumulativer Analgetikalösungsverbrauch zu allen Meßzeitpunkten weisen darauf hin, dass die gewählten Analgetikakonzentrationen äquipotent waren. Demnach konnten die primären Zielparameter Übelkeit und Sedierung ausgewertet werden. Die Inzidenzen von Übelkeit und Sedierung entsprechen vergleichbaren Untersuchungsergebnisse (2). Neben der für P signifikant stärkeren Übelkeit fiel auf, dass zwar der durchschnittliche Sedierungsgrad vergleichbar war, die Inzidenz „ausgeprägter“ Sedierung (> 6 NAS) bei P am Operationstag signifikant höher war. Die lange terminale Eliminationshalbwertzeit von P gegenüber den meisten anderen Opioiden könnte hier ein Grund für die bessere subjektive Verträglichkeit von M sein (3). Zusammengefaßt führen M und P zu einer vergleichbaren Analgesie. Dabei ist die Inzidenz von Übelkeit und Erbrechen für M deutlich und die Inzidenz von Sedierung etwas geringer im Vergleich mit P. Die bislang übliche Verwendung von P für die PCIA scheint damit nicht mehr gerechtfertigt. 1. Ballentyne-JC, J Clin Anesth 1993; 5: 182 2. Woodhouse-A, Pain 1999; 80: 545 3. Kietzmann-D, Acta Anaesth Scand 1996; 40: 898 P9.6 Die preemptive Wirkung von (S)-Ketamin auf postoperative Schmerzen nach Bandscheiben-Operationen A. Lukas1, G. Petersen2, H. Hecker3, M. Ensink1, W. Lüdemann2, M. Karst1, H.A. Adams1 1 Zentrum Anästhesiologie, 2Abteilung Neurochirurgie, 3Institut für Biometrie der Medizinischen Hochschule Hannover Die preemptive Applikation von Analgetika verhindert die Sensibilisierung nozizeptiver Neurone. Für diese Sensibilisierung ist der Neurotransmitter Glutamat von großer Bedeutung. Über den NMDA-Rezeptor vermittelt Glutamat eine Steigerung des Calciumeinstroms bei repetitiv eintreffenden noxischen Stimuli, die sich als Hyperalgesie und Allodynie niederschlägt. NMDA-Rezeptorantagonisten wie Ketamin können die Der Schmerz [Suppl 1]•2001
| S 75
Abstracts Sensibilisierung der Nozizeptoren verhindern und als einzige Substanzgruppe wieder rückgängig machen. Die klinische Bedeutung der Steigerung der Sensibilität der Nozizeptoren abgesehen von einer kurzfristigen Hyperalgesie ist bislang unklar. Ob die perioperative Schmerztherapie neben einer korrekten Operationsindikation und psychosozialen Faktoren für die Chronifizierung von Rückenschmerzen bedeutsam ist, soll mit der vorliegenden Studie geprüft werden. Die Untersuchung erfolgt an 75 Patienten, die sich einer Bandscheiben-Operation unterziehen müssen. Die Patienten erhalten doppelblind und in randomisierter Reihenfolge (S)-Ketamin bzw. physiologische Kochsalzlösung wie folgt: Gruppe 1 erhält einen Bolus von 0,25 mg/kg KG (S)-Ketamin nach Einleitung der Narkose vor Op-Beginn i.v., daran schließt sich unmittelbar eine Infusion von 2 mg/kg KG/min (S)-Ketamin für 12 h an. Gruppe 2 die Patienten erhalten nach dem Ende der Hautnaht einen Bolus von 0,25 mg/kg KG (S)-Ketamin, gefolgt von einer Infusion mit 2mg/kg/min (S)-Ketamin für 12 h. Gruppe 3 Die Patienten erhalten zu den jeweiligen Zeitpunkten Placebo (NaCl 0,9%) i.v. Die postoperative Schmerztherapie erfolgt bei allen Patienten mit Diclofenac 1mg/kg und Piritramid (PCA). Untersucht werden Ausmaß der Schmerzen in Ruhe und Bewegung mittels VAS und MPQ, die Größe der Hyperalgesiezone im Wundbereich mit v Frey Haaren, der Zeitpunkt der ersten Anforderung von Piritramid und der Gesamtpiritramidbedarf in 36 h. Die Persönlichkeitsfaktoren für die Schmerzwahrnehmung und –bewältigung werden mit dem Becks Depressionsinventar und dem Freiburger Fragebogen zur Krankheitsverarbeitung beurteilt. Ein Follow up erfolgt nach sechs Wochen und sechs Monaten. Die vorläufige Auswertung der Daten von 27 Patienten ergab für Gruppe 1 einen Piritramidbedarf von 23 mg (SD 15) in 36 Stunden, für Gruppe 2 einen Bedarf von 36 mg (SD 21) und bei Gruppe 3 von 27 mg (SD 15). Die erste Piritramidanforderung erfolgte in Gruppe 1 nach 72 Minuten (SD 57) in Gruppe 2 nach 54 (SD 48) und bei Gruppe 3 nach 59 (SD 69). Es bestanden damit für den Piritramidbedarf keine signifikanten Unterschiede. Die Entwicklung der Schmerzen in den drei Gruppen ist in der Tabelle dargestellt. Auch für die Stärke der Schmerzen konnten bei den 27 Patienten keine signifikanten Unterschiede gefunden werden. Gruppe Ruhe Bew Ruhe Bew Ruhe Bew prä- prä- 1h 1h 4h 4h OP OP
Ruhe Bew Ruhe Bew Tag 1 Tag1 Tag 2 Tag 2
1
5,1 6,4 5,1 5,0 1,6 2,0 0,8 1,3 0,7 1,2 (2,0) (1,6) (3,4) (3,4) (1,2) (1,5) (0,7) (1,0) (0,8) (1,1)
2
4,5 6,0 4,8 4,8 2,6 3,5 1,8 2,4 0,9 1,2 (2,1) (2,1) (2,6) (2,3) (1,7) (2,3) (2,0) (2,9) (1,2) (1,6)
3
4,5 5,8 6,1 6,6 1,6 2,7 2,7 2,6 0,8 2,1 (3,4) (2,7) (2,7) (2,4) (1,9) (2,1) (4,9) (2,4) (0,9) (2,1)
VAS [cm], Standardabweichung in Klammern, Gruppe 1 Ketamin preemptiv, Gruppe 2 Ketamin nach Ende der Operation, Gruppe 3 Kontrollgruppe. P9.7 Postoperative Schmerztherapie und ihre Relevanz im Kindesalter – Ergebnisse einer Umfrage U. Müller1*, S. Jaacks1*, M. Rieberer2*, G. Lindena3*, P. Reinhold4* Klinik für Anästhesie, ZKH St. Jürgenstraße Bremen; 2 Institut für Anästhesiologie und Intensivmedizin, Landeskrankenhaus Fürstenfeld, Österreich; 3 Clinical Analysis, Research and Application, Berlin; 4 Klinik für Anästhesie, Klinikum Kreis Herford; * AK Schmerz bei Kindern der DGSS 1
Im Rahmen des Arbeitskreises der DGSS „Schmerz bei Kindern“ wurde von April bis Juli 2000 der derzeitige Stand der postoperativen Schmerztherapie bei Kindern in Deutschland und Österreich in Form einer schriftlichen Umfrage erfaßt. 999 Anästhesieabteilungen, 537 Pädiatrische Kliniken, 87 Kinderchirurgische Kliniken, bzw. chirurgische Abteilungen, die überwiegend Kinder behandeln, waren die Ansprechpartner. Die Rücklaufquote betrug 44%. Einige interessante Aspekte bezüglich der Schmerzmessung sollen hier dargestellt werden: 1. Wieviele Kliniken messen Schmerz? – 54,2% antworten mit ja, davon 26,1% systematisch, 27,0% gelegentlich und 1,1% Doppelnennungen. 2. Werden hierzu Hilfsmittel eingesetzt? – Ja, in 45,3% der Kliniken, davon setzen 35,3% VAS, 17,1% NRS, 13,1% VRS ein, Fremdbeurteilungsscores wie KUSS oder CHEOPS kommen in 6,2% der Kliniken zur Anwendung. 3. Welche Art der Schmerzerfassung wird eingesetzt? – Zur Form der Schmerzmessung
S 76 |
Der Schmerz [Suppl 1]•2001
äußerten sich 32% der Befragten, davon bevorzugen 11,5% die Fremdeinschätzung, 32,3% die Selbsteinschätzung, in 56,2% der Fälle werden beide Methoden eingesetzt. Systematisch dokumentiert wird die Messung der Schmerzen in 21,2% der Kliniken. In 10,3% der Fälle ist dafür das Kurvenblatt etabliert, 18,4% haben Schmerzerfassungsbogen, 2,8% andere Dokumentationsformen. 4. Geht eine systematische Art der Schmerzerfassung mit dem Einsatz schriftlicher Richtlinien zur postoperativen Schmerztherapie einher? – Die Abteilungen, in denen keine systematische Schmerzerfassung zur täglichen Praxis gehört, verfügen nur zu 24,3% über schriftliche Richtlinien zur Schmerztherapie bei Kindern. Diejenigen, deren Schmerzmessung systematischen Kriterien unterliegt, haben demgegenüber zu 51,5% schriftliche Richtlinien erarbeitet. 5. lässt sich ein Zusammenhang zwischen der Anzahl der jährlich durchgeführten Kindernarkosen und der Praxis der Schmerzerfassung und –therapie herstellen? - Von den Kliniken, in denen pro Jahr weniger als 500 Kinder unter 5 J anästhesiert werden, führen 22,1% eine systematische Schmerzmessung durch. Sind es pro Jahr mehr als 1000 Narkosen bei Kindern unter 5 Jahren, steigt der prozentuale Anteil auf 51,0%. 6. Korreliert die Art der Schmerzerfassung mit der Anwendung bestimmter Formen der postoperativen Schmerztherapie? - Kliniken, die eine systematische Schmerzmessung durchführen, verabreichen häufiger Opiate als diejenigen, die keine systematische Form der Schmerzmessung etabliert haben. Dabei findet Piritramid am häufigsten Verwendung; bevorzugt wird die intravenöse Applikationsform. P9.8 Ist-Analyse für ein Qualitätsmanagement in der Akut-Schmerztherapie N. Nestler1, T. Fleindl3, M. Strumpf2, S. Schulz2, A. Wiebalck2, M.Zenz2, C. Maier3 1 Projektabteilung im Pflegedienst, Klinik für Anästhesiologie, 2 Intensivmedizin und Schmerztherapie, 3 Abteilung für Schmerztherapie, Berufsgenossenschaftliche Kliniken Bergmannsheil, Universitätsklinik, Bochum Hintergrund: Ein Qualitätsmanagement als integraler Bestandteil der medizinischen und pflegerischen Versorgung bedarf Verfahren auf wissenschaftlicher Basis. Die Akutschmerztherapie im eigenen Haus basiert seit > 10 Jahren auf einer Basistherapie durch die operative Klinik incl. Bolusinjektionen in Schmerzkatheter und einem anästhesiologischen Katheterdienst.Vor konzeptionellen Änderungen wurde die Prozeß- und Ergebnisqualität evaluiert. Methode: Ist- Analyse der Prozess- und Ergebnisqualität der postoperativen Schmerztherapie von Oktober bis Dezember 2000. Befragung von Patienten mittels Fragebogen (FB) am ersten (n= 176) und vierten postoperativen Tag (n= 80) aus den Abteilungen der Knochen- und Abdominalchirurgie, der Plastischen Chirurgie und der Herz-Thoraxchirurgie mit den Items Ruhe- und Belastungsschmerz, Erschöpfung, Zeiten starker Schmerzen, Zufriedenheit mit der Schmerztherapie. Gleichzeitige Befragung von Pflegenden (n=100) der chirurgischen Stationen (Items: Beurteilung der Schmerztherapie, Einschätzung persönlichen Wissens, Möglichkeit der Reaktion auf Schmerzäußerung des Patienten, Wunsch nach Standards, Notwendigkeit der Schmerzmessung, Erreichbarkeit der Ärzte). Beide Fragebögen basierten auf Erfahrungen des Kieler Akutschmerzdienstes und wurden für die Bedürfnisse der Bochumer Klinik modifiziert. Ergebnisse: 64% (4. Tg: 67%)der Patienten waren mit der Schmerztherapie sehr zufrieden, > 90% bekamen bei Schmerz rasch wirksame Medikamente und fühlten sich von Ärzten und Pflegenden ernst genommen. Dies steht in Übereinstimmung mit den Ergebnissen der Befragung der Pflegenden, ihnen ist das Wissen um den Schmerz der Patienten zu 95% wichtig. Auch die Prozessqualität (Reaktion auf Schmerzäußerung) wurde von den Patienten zu >90% als gut bewertet. Allerdings hielten lediglich 65% der Pflegenden eine Schmerzmessung für notwendig. 75% (4.Tg.: 65%)der Patienten benannte Wundschmerzen als belastendes postoperatives Problem, gefolgt von Kopf- , Hals- oder Rückenschmerzen zu 21% (18%) und Müdigkeit zu 22% (20%). Ruheschmerz wurde in mittlerer Stärke von 36% (25%) und als stark von 8% (3%) angegeben. 36% (46%) hatten mittlere, > 30% stärkste belastungsinduzierte Schmerzen, besonders problematisch beim Aufstehen und pflegerischen Maßnahmen. Die nächtliche Versorgung wurde von > 50% als die Zeit der schlimmsten und oft zu spät behandelten Schmerzen eingestuft. Viele Patienten mit Schmerzkathetern und Pflegende beklagten „schmerzreiche Lücken“ durch zu seltene Bolusinjektionen. Die Pflegenden beurteilten die Schmerztherapie auf ihren Stationen zu 63% als befriedigend und zu 23% als schlecht. Dabei haben nur 50% Klarheit darüber, welcher Arzt (Chirurg oder Anästhesist) bei Komplikationen zu informieren ist.
Ausblick: Der FB erwies sich für die Evaluation als gut geeignet. Trotz guter Gesamtresultate im Vergleich mit anderen Einrichtungen (1) zeigt die Erhebung Lücken in Versorgung und Kooperation, die erneut den Sinn einer aktiven Qualitätssicherung unterstreichen. Es ist notwendig, die Erfahrungen der Pflegenden stärker mit einzubeziehen. Gemeinsam mit ihnen und den Chirurgen sollen (1) die Standardtherapie und die Schulung verbessert werden, (2) ein interprofessionell besetzter Akutschmerzdienst und (3) erweiterte Strategien evaluiert werden (PCA und PCEA), um die Hauptmängel (Belastungsschmerz, nächtl. Situation) zu beseitigen. Die Schmerztherapie muss Aufgabe aller an der Versorgung der Patienten beteiligten Berufsgruppen werden. Der Effekt wird in 6 Monaten reevaluiert. 1 Maier et al. (1994), Anaesthesist 43: 385-397 2 Mackintosh, Bowles (1997), J. of Adv. Nursing in: Schmerz, Perspektiven der Pflegeforschung, Schröck, Drerup (1998): 348 - 365 P9.9 Postoperatives Schmerzerleben nach Remifentanil basierter Anästhesie in der Herzchirurgie L. Saager1, K. Gerlach2, T. Uhlig2, M. Hüppe2, A. Schmitz2, A. Rothhammer1, P. Schmucker2 1 Institut für Anästhesiologie und Intensivmedizin, Leopoldina Krankenhaus der Stadt Schweinfurt gGmbH 2 Klinik für Anästhesiologie, Medizinische Universität zu Lübeck Fragestellung: Die Kombination von Remifentanil (R) und Propofol im Rahmen von ACVB Operationen ermöglicht eine hämodynamisch stabile Narkoseführung (1), sowie postoperativ eine frühere Extubation als Sufentanil (S) -basierte Anästhesien (2). Die kurze Halbwertszeit von R führt nach Absetzen des Präparates unmittelbar zu postoperativen Schmerzen und erfordert ein besonderes Management. Diese Studie vergleicht R vs. S - Anästhesieregime hinsichtlich postoperativer Schmerzintensität und Schmerzmittelverbrauch. Methodik: Nach Genehmigung durch die örtliche Ethikkommission und schriftlicher Einwilligungserklärung wurden 30 Patienten, die sich einer aorto-coronar-venösen Bypass Operation unterzogen, randomisiert den Gruppen R oder S zugewiesen. Patienten der Gruppe S erhielten Sufentanil und Propofol zur Einleitung und Aufrechterhaltung der Anästhesie. Nach Entfernen der Aortenkanüle wurde die S-Infusion gestoppt. Bei Patienten der Gruppe R wurde als Opioid Remifentanil (0,15-0,3 µg kg-1 min-1) eingesetzt. Patienten dieser Gruppe erhielten bei Dekanülierung der Aorta 0,15 mg kg-1 Piritramid und bei Ankunft auf der Intensivstation (ICU) 20mg kg-1 Metamizol. Sympatho-adrenerge Erregung wurde mit einer Clonidin Infusion (6-20 µg h-1) reduziert. Die Remifentanil Zufuhr wurde bei Ankunft auf der ICU gestoppt. In beiden Gruppen wurde die Propofolsedierung bis zum Erreichen eines adäquaten Gasaustausches unter assistierter Spontanatmung fortgeführt. Die postoperative Analgesie wurde nach Bedarf mit Piritramid- und Metamizolgaben durchgeführt. Der postoperative Analgetikabedarf in den ersten 24 h wurde dokumentiert. Die Patienten beurteilten ihr postoperatives Schmerzerleben mit Hilfe des Schmerz-Kategorienunterteilungsverfahren, der Mehrdimensionalen Körper-Symptom-Liste (MKSL) und dem Befindlichkeitsskalierungsverfahren BSKE nach Janke, Debus, Erdmann und Hüppe bis zum 5. Tag postoperativ. Die Auswertung erfolgte variablenweise und nonparametrisch. Ergebnisse: Die Gruppen waren hinsichtlich demographischer Daten, Operations- und Anästhesiedauer vergleichbar. Bezüglich der Selbstbeurteilung des Schmerzes skalierten sich die Patienten eher niedrig ein (Skala 0-15: S 4,8±2,8; R 4,5±2,1; p=.90; Skala 0-6: S 1,8±1,1; R 1,8±0,8; p=.90). Die Patienten erhielten während der ersten 24h post OP in der Gruppe S: 16, 9±10,1 mg Piritramid, 75±48,5 mg Pethidin und kein Metamizol. In der Gruppe R: 17,0±12,4 mg Piritramid (p=.96), 57,7±40,9 mg Pethidin (p=.28) und 0,6±0,9 g Metamizol (p=.01). Patienten der Gruppe S fühlten sich am ersten postoperativen Tag ausgeglichener und aktivierter (p=.012 und p=.032 ; Subtests der BSKE). Schlußfolgerung: Mit der überleitenden Analgesie am Ende der Operation mit Hilfe von Piritramid und Metamizol lässt sich in der Remifentanil Gruppe ein dem Sufentanil Regime vergleichbares postoperatives Schmerzerleben erreichen. 1. J Cardiothorac Vasc Anesth 2000,14(1), 29-35 2. Anesthesiology 1999; 91: A143
P9.10 Remifentanil vs. Sufentanil für supratentorielle Neurochirurgie: Postoperatives Befinden, Schmerzerleben und Analgetikaverbrauch A. Schmitz, K. Gerlach, T. Uhlig, M. Hüppe, P. Schmucker Klinik für Anästhesiologie der Universitätsklinik Lübeck Einleitung und Fragestellung: Remifentanil (R) als ultrakurzwirksamer µAgonist zur Allgemeinanästhesie ermöglicht eine frühere Extubation als Sufentanil (S)(1). Ein frühes Erwachen ist zur unverzüglichen neurologischen Beurteilung nach Kraniotomien wünschenswert und scheint auch bezogen auf metabolische und hämodynamische Parameter Vorteile gegenüber einer prolongierten Aufwachphase zu bieten (2). Es stellt sich die Frage,ob diesen Vorteilen einer R-Anästhesie gegenüber einer S-Anästhesie im klinischen Alltag möglicherweise Nachteile in bezug auf postoperatives Befinden, Schmerzerleben und Analgetikaverbrauch gegenüberstehen. Methodik: Nach Genehmigung durch die örtliche Ethikkommission und schriftlicher Einwilligungserklärung nahmen 35 Patienten, die sich supratentoriellen Kraniotomien unterzogen, an der Untersuchung teil. Randomisiert wurde entweder eine TIVA mit R (0,25µg/kg*min) oder S-Bolusgabe und Propofol (P) durchgeführt. Als Indikatoren für das postoperative Schmerzerleben dienten der postoperative Analgetika-Bedarf (Piritramid und Ibuprofen) und die Selbstbeurteilung durch das Schmerzkategorienunterteilungsverfahren (Skala von 0-15). Eine weitere Schmerzskala (von 0-6) ist in der MKSL enthalten. Das postoperative Befinden wurde mit der BSKE, einer Kurzform der EWL von Janke, Debus, Erdmann und Hüppe gemessen. Daten wurden bis zum 5. postoperativen Tag erhoben und nichtparametrisch ausgewertet. Ergebnisse: Hinsichtlich demographischer Daten, psychischem Ausgangszustand, Operations- und Anästhesiedauer waren die Patienten vergleichbar. Patienten nach R-Anästhesie öffneten früher die Augen (p<0,05), wurden früher extubiert (p<0,05) und konnten früher auf die Intensivstation verlegt werden (p<0,05). Tendenziell signifikant (p<0,1) war ein früheres Bewegen auf Aufforderung und Nennen des Namens bei R-Patienten. Während sich die beiden Gruppen in ihren Schmerzskalierungen nicht signifikant unterschieden, erhielten die Patienten nach R-Anästhesie kumulativ mehr Analgetika (p<0,05 1, 3 und 24h postoperativ). Shivering war nach R signifikant häufiger zu beobachten. Im subjektiven Befinden sowie bezüglich Übelkeit und Erbrechen unterschieden sich die beiden Gruppen nicht. Schlussfolgerung: Patienten beider Gruppen wurden bereits im Operationssaal extubiert und konnten frühzeitig neurologisch untersucht werden (Augen öffnen, Bewegen der Extremitäten). Das postoperative Befinden nach R-P-Anästhesien ist vergleichbar dem nach S-P-Anästhesien. Im Gegensatz zu Operationen, welche mit stärkeren postoperativen Schmerzen einhergehen, scheint nach supratentoriellen Kraniotomien eine überleitende Analgesie mit Opioiden nicht notwendig zu sein. 1) Anesthesiology 1999; 91: A143 2) Anesth Analg 1999; 89: 674-8 P9.11 Analgetische Wirksamkeit der kontinuierlichen Infusion mit Tramadol und Metamizol bei postoperativen Schmerzen A. Spacek1, E. Göraj2 , F. X. Neiger1, G. Scharbert1, J. Jarosz2, H. G. Kress1 Klinik für Anästhesie und Allg. Intensivmedizin (B)1 und Klinik für Anästhesie des Onkologiezentrums in Warschau, Polen 2, A-1090 Wien, Währinger Gürtel 18-20, AUSTRIA Fragestellung: Eine prospektive, randomisierte, doppel-blinde Studie zum Vergleich der analgetischen Wirksamkeit einer Infusion mit der Kombination von Tramadol und Metamizol versus eine Infusion mit Tramadol und eine Placebo-Infusion. Methode: Insgesamt 90 chirurgische Patienten wurden einer der drei Studiengruppen zugeteilt. In der Gruppe 1 erhielten die Patienten innerhalb der ersten 24 Stunden postoperativ 500 ml Ringerlösung mit 600 mg Tramadol und 2,5 mg Dehydrobenzperidol (DHB) als Antiemetikum. In der Gruppe 2 bestand die Infusion aus 2,5 mg DHB, 600 mg Tramadol und 4 g Metamizol, in der Gruppe 3 nur aus 2,5 mg DHB. Alle Patienten hatten eine PCA-Pumpe (Einstellung: 1 mg Morphin als Bolus und 6 Minuten Sperrzeit) für den Fall einer unzureichenden Schmerzreduktion zur Verfügung. Schmerzstärke in Ruhe und bei Bewegung wurde mittels der visuellen Analogskala (VAS 0-10, 0 - keine Schmerzen, 10 - die stärksten vorstellbaren Schmerzen) von allen Patienten zu definierten Zeitpunkten bewertet. Vitalparameter und Nebenwirkungen wie Sedierung, Übelkeit, Erbrechen wurden ebenfalls dokumentiert. Ergebnisse: Aufgrund der Verfügbarkeit einer PCA-Pumpe wurde bei allen Patienten eine signifikante Schmerzreduktion sowohl in Ruhe wie bei Bewegung erreicht. Die verabreichte Dosis von Morphin war in der Gruppe 2 (Tramadol und Metamizol) signifikant niedriger als in den Der Schmerz [Suppl 1]•2001
| S 77
Abstracts Gruppen 1 und 3. Auch die Patienten in der Gruppe 1 (Tramadol) verbrauchten signifikant weniger Morphin, als die Patienten in der Gruppe 3 (Placebo). Die Häufigkeit der Nebenwirkungen war sehr niedrig und in allen drei Gruppen gleich. Schlussfolgerung: Unsere Studie zeigt klar, dass die kontinuierliche Infusion der Kombination der beiden Analgetika mit unterschiedlichen Wirkmechanismen und ähnlichen pharmakokinetischen Eigenheiten (NichtOpioid Metamizol und schwaches Opioid Tramadol) nicht nur analgetisch wirksamer als das Placebo ist, sondern auch der alleinigen Tramadolinfusion überlegen ist. Nebenwirkungen wie Übelkeit und Erbrechen werden mit der Zugabe von DHB in Grenzen gehalten. Deswegen wird diese Kombinationsanalgesieinfusion zur Anwendung auf den peripheren Stationen empfohlen. P9.12 Postoperative Schmerztherapie bei Kindern: Ergebnisse einer deutschen Umfrage U. Stamer, N. Mpasios, C. Maier Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie und spezielle Intensivmedizin der Universität Bonn und Universität Bochum Fragestellung: Die postoperative Schmerztherapie bei Kindern ist in den letzten Jahren vernachlässigt worden und wird als „Stiefkind“ der Anästhesie bezeichnet (1-3). Auch wenn in 36% der deutschen Kliniken ein Akutschmerzdienst (ASD) etabliert ist (4), scheint die Analgesie bei Kindern insgesamt noch unzureichend gelöst zu sein. Methoden: Im Rahmen einer repräsentativen Umfrage in Deutschland wurden 1999 Fragebögen an 772 Chefärzte anästhesiologischer Kliniken versandt. Die Teilnahme an der Umfrage war freiwillig und konnte anonym erfolgen.Ein Abschnitt des Fragebogens sollte Informationen zur Organisation und Praxis der postoperativen Schmerztherapie bei Kindern erheben. Ergebnisse: In 373 von 446 antwortenden Krankenhäusern wurden Kinder operiert und wegen postoperativer Schmerzen behandelt. 7,8% der Kliniken antworteten, dass die Analgesie von Kinder ausschließlich von Chirurgen durchgeführt werde. In 52,5% wurde nur in Ausnahmefällen ein Anästhesist bzw. der ASD hinzugezogen. Eine überwiegende Behandlung durch die Anästhesie oder den ASD erfolgte in 26,3% der Kliniken. Eine Arbeitsteilung, bei der nur spezielle Techniken (PCA und Katheter zur Regionalanalgesie) von der Anästhesie betreut wurden, alle anderen Verfahren jedoch im Zuständigkeitsbereich der Chirurgen/Pädiater lagen, wurde in 13,5% aller Kliniken praktiziert. In 91,4% der Kliniken wurden regelmäßig periphere Analgetika verwendet, 46,5% setzten intravenöse Gaben von Opioiden ein. Ein Peniswurzelblock wurde in 36,0% Kliniken regelmäßig durchgeführt. Bemerkenswert, dass die i.m. Injektion von Opioiden als viert häufigste Analgesiemethode bei Kindern genannt wurde. Die Kaudalanästhesie war in 13,4%, der Ilioinguinalblock in 12,9% und die s.c. Injektion von Opioiden in 7,5% der Kliniken verbreitet. Eine häufige oder regelmäßige Anwendung der Epiduralanalgesie fand nur in wenigen Kliniken statt, gleich ob Lokalanästhetika oder Opioide eingesetzt wurden. In 69,2% der Kliniken wurden keine Schmerzscores erhoben, in 23,0% manchmal. Eine regelmäßig Erhebung von Schmerzscores wurde nur in 3,9% der Kliniken praktiziert. Eine Dokumentation der Schmerzscores erfolgte in 24,8% der Kliniken. Schlussfolgerung: Die postoperative Schmerztherapie bei Kindern ist verbesserungswürdig. Gemeinsame Konzepte (5) mit den chirurgischen Kollegen und eine bessere Organisation der Zuständigkeit sind empfehlenswert. 1. Sittl R et al. AI 1993, 34:313-320 2. Striebel HW. AI 1990, 31: 298-305. 3. Bremerich D et al. Anaesthesist 2001, 50:102-112. 4. Stamer U et al. Anaesthesist 2001, 42:521 5. Jöhr M. Anaesthesist 1998, 47: 889-899.
P10 Pharmakologische Schmerztherapie P10.1 Orales Morphin bei Nicht-Tumor-Schmerz – Persistenz von Nebenwirkungen bei Langzeittherapieverlauf B. Buttgereit, S. Schulzeck Klinik für Anästhesiologie und Operative Intensivmedizin, Universitätsklinikum Kiel Fragestellung: Für typische Nebenwirkungen von Opioiden wird – mit Ausnahme der Obstipation – von einer Abschwächung der Nebenwirkungsausprägung im langfristigen Therapieverlauf ausgegangen (1). Diese
S 78 |
Der Schmerz [Suppl 1]•2001
Hypothese wurde in einer prospektiven Langzeitbeobachtung an Patienten mit chronischem Nichttumorschmerz (CNTS) untersucht. Methoden: In der anästhesiologischen Schmerzsprechstunde des Universitätsklinikums Kiel wurden die Patienten, die zwischen 1988 und 1998 wegen CNTS orales, retardiertes Morphin erhielten, und deren Therapie mindestens über ein Jahr prospektiv dokumentiert werden konnte, bezüglich ihrer Nebenwirkungen ausgewertet. Obstipation, Nausea/Emesis, Sedation sowie „sonstige Nebenwirkungen“ wurden bei jeder Therapiekontrolle auf einer vierteiligen Ratingskala (nicht=1....stark=4) prospektiv dokumentiert. Zur Auswertung wurden die Angaben, die zu Beginn der Therapie nach der Dosisfindung gemacht worden waren denen gegenübergestellt, die drei, sechs, neun und zwölf Monate später erhoben wurden. Zur Überprüfung der statistischen Signifikanz von Unterschieden in der Nebenwirkungsausprägung diente der Wilcoxon Rangsummen-Test. Ergebnisse und Schlussfolgerung: 64 Patienten (22 Frauen und 42 Männer) im Alter von 58 Jahren (32-84) mit vornehmlich neuropathischen (41%) oder Rückenschmerzen (36%) gingen in die Auswertung ein. Tabelle 1 zeigt das Nebenwirkungsrating im ersten Therapiejahr. Symptom
Initial
3 Monate 6 Monate 9 Monate 12 Monate
Obstipation Nausea/Emesis Sedation „sonstige“ Nebenwirkungen
1,7 1,2 1,5 1,4
2,1 1,4 1,9* 1,4
2 1,3 2,1* 1,3
2,1* 1,2 1,8 1,4
2,1 1,4 1,8 1,5
Tabelle 1: Nebenwirkungsrating im ersten Jahr der Morphintherapie. *: Signifikante Unterschiede gegenüber der initialen Bewertung (Wilcoxon Rangsummentest) Entgegen den Erwartungen zeigte sich im vorliegenden Kollektiv eine Abnahme des Nebenwirkungsratings im Verlauf der Morphintherapie weder für die Obstipation noch für die anderen erfragten Nebenwirkungen. 1 Zenz, M., Strumpf, M., Willweber-Strumpf, A. (1990): Orale Opiattherapie bei Patienten mit „nicht-malignen“ Schmerzen. Schmerz 4, 14-21 P10.2 Behandlung von Claudicatioschmerzen durch Blockade des Sympathikus. Randomisierte, kontrollierte doppelblinde Untersuchung Bupivacain vs. Äthanol. M. Gleim1, S. Rehse2, C. Maier3 1 Klinik für Anästhesiologie und Operative Intensivtherapie, Universitätsklinikum Kiel 2 Kreiskrankenhaus Preetz, 3 Ruhr-Universität BG-Kliniken Bergmannsheil Bochum Fragestellung: Eine lumbale Sympathikolyse führt bei Patienten mit ischämiebedingter Claudicatio intermittens zur Ausweitung der schmerzfreien Gehstrecke (sfGs). Es sollte geprüft werden, ob dieser Effekt davon abhängt, ob die Sympathikolyse mit dem gewebetoxisch wirksamen Äthanol (Et)oder dem (kürzer wirksamen) Lokalanästhetikum Bupivacain (Bupi) durchgeführt wird. Methodik: Patienten mit progredienter Claudicatio –Symptomatik (sfGs < 100m) erhielten nach Ausschluß anderer Therapieoptionen (Gehtraining, Pharmakotherapie, Revaskularisierung, Rekanalisierung) eine diagnostische Blockade des lumbalen Sympathikus. Responder auf diese Blockade (Anstieg der schmerzfreien Gehstrecke um 100% oder 100m) erhielten nach Randomisierung eine therapeutische Blockade (ThBl) mit 1,5ml Et 95% bzw. Bupi 0,5%. Messungen der schmerzfreien Gehstrecke (sfGS) erfolgten 1Tag, 1 Woche und 4 Wochen nach Injektion. Statistik: Chi-Quadrat, Wilcoxon-U-Test für verbundene Stichproben; Signifikanz: p<0,05 Ergebnisse: Jeweils 15 Patienten, die nach demographischen Daten und Begleitdiagnosen vergleichbar waren, erhielten Bupi bzw. Et. Die sfGS stieg in beiden Gruppen nach der DiaBl an (p<0,001) und blieb bis zur ThBl unverändert. Nach ThBl kam es zu einem weiteren Anstieg der sfGS (n.s.). Nach 1Wo und 4Wo blieb die sfGS auf dem erhöhten Niveau, das nach der DiaBl erreicht war. Es bestand kein Unterschied zwischen Etund Bupi-Gruppe (Tab. 1).
Gruppe Zeitpunkt
vor DiaBl
n. DiaBl.
vor ThBl.
1Tg 1W. 4 W. n. ThBl n. ThBl n.ThBl
Et (n=15)
77
167
143
276
162
168
Bupi (n=15)
79
163
138
205
162
145
Gesamt (n=30) 78
165
138
250
162
148
Tab. 1: Schmerzfreie Gehstrecken [ m ] (Medianwerte) Schlußfolgerungen: Sowohl durch die Injektion von Bupi als von Et an den lumbalen Grenzstrang wurde eine signifikante und 4 Wochen anhaltende Steigerung der sfGS erreicht. Warum der klinische Effekt die pharmakologische Wirkdauer von Bupi weit überschreitet ist unklar. Inwieweit die klinische Verbesserung mit einer fortbestehenden Sympathikusausschaltung einhergeht, wurde in dieser Untersuchung nicht geprüft. Die Blockade mit Bupivacain scheint zumindest für einen 4–wöchigen Therapieerfolg der Injektion von Äthanol gleichwertig zu sein. Literatur: Trigaus JP, Cecoine B, Van Beers B: Focal necrosis of the ureter following CT-guided chemical sympathectomy: Cardiovasc Intervent Radiol 15(3) (1992) 180-182 P10.3 Botulinum-Toxin A ist effektiv bei oromandibulärer Dysfunktion H. Göbel, A. Heinze, K. Heinze-Kuhn Neurologisch-verhaltensmedizinische Schmerzklinik Kiel Fragestellung: Die oromandibuläre Dysfunktion ist eine häufige Ursache der Entwicklung chronischer Kopfschmerzen, der Chronifizierung von Kopfschmerzen vom Spannungstyp und der Attackenhäufung einer Migräne. Die betroffenen Patienten weisen in der Regel Parafunktionen auf und geben Schmerzen in der Kaumuskulatur bei Palpation oder bereits in Ruhe an. Die herkömmliche Behandlung ist das Tragen einer Aufbißschiene. Diese Behandlung ist jedoch mit zahlreichen Nachteilen verbunden. Zum einen ist sie aufwendig und für die Betroffenen unangenehm, zum anderen häufig nicht ausreichend wirksam. Die vorliegende Untersuchung ging der Frage nach, inwieweit eine Behandlung mit BotulinumToxin A bei Patienten mit einer oromandibulären Dysfunktion wirksam ist, nachdem eine Aufbißschienenbehandlung ineffektiv geblieben war. Methodik: 14 Patienten mit einer oromandibulären Dysfunktion entsprechend den diagnostischen Kriterien der IHS und vorangegangener ineffektiver Behandlung mit einer Aufbißschiene wurden in die Untersuchung aufgenommen. Es erfolgte eine Behandlung mit 100 MU Botulinum-Toxin A (Botox®) verteilt auf 3 Injektionsorte im M. masseter und 2 Injektionsorte im M. temporalis beidseits. Die Injektion erfolgte dabei in druckschmerzhafte Triggerpunkte. Die Effektivität der Behandlung wurde kontinuierlich mittels standardisiertem Schmerztagebuch verfolgt. Ergebnisse: Bei 11 der 14 Patienten kam es innerhalb von 12±4 Tagen zu einer Schmerzreduktion. Nach 28±11 Tagen erreichte die dokumentierte Schmerzintensität ein gleichbleibendes Plateau, welches einer 82%igen Schmerzreduktion verglichen mit dem Ausgangswert entsprach. Bei 6 Patienten kam es zu einem völligen Verschwinden der Schmerzen. Die Schmerzreduktion hielt im Durchschnitt 104 ± 24 Tage an. 5 Patienten berichteten zusätzlich von einer Abnahme der Häufigkeit einer vorbestehenden Migräne. Alle Patienten wünschten eine Zweitinjektion. 4 Patienten berichteten über Nebenwirkungen innerhalb der ersten 10 Tage nach Injektion in Form eines muskelkaterähnlichen Schmerzes im Bereich der injizierten Muskeln. Andere Nebenwirkungen traten nicht auf. Schlussfolgerung: Botulinum-Toxin A ist effektiv auch bei Patienten mit einer oromandibulären Dysfunktion, bei denen eine Aufbißschienenbehandlung wirkungslos geblieben war. Die Funktionsfähigkeit des Kauapparates wird dabei nicht beeinträchtigt. Die Verträglichkeit ist sehr gut. Botulinum-Toxin A kann damit als eine wichtige Therapieoption neben der herkömmlichen zeit- und kostenintensiven Aufbißschienenbehandlung einer oromandibulären Dysfunktion angesehen werden.
P10.4 Gabapentin – auch bei niedriger Dosierung ausreichend wirksam? D. Kindler1, B. Sengpiel2, M. Zenz1, C. Maier2 Klinik für Anästhesiologie, Intensiv- und Schmerztherapie1, Abteilung für Schmerztherapie2, Ruhr-Universität BG-Kliniken Bergmannsheil Bochum Ziel der Unsuchung: Retrospektive Ermittlung der klinischen Brauchbarkeit des erst seit wenigen Jahren verfügbaren Gabapentins (Neurontin ®) in einer universitären Schmerzklinik, ein Kollektiv nach zumeist mehrjähriger frustraner Vorbehandlung. Methodik: Auswertung der EDV- gestützten Dokumentation mit manueller Nachbereitung der Akten. Zielpunkte: Tagesdosen, Abbruchrate und -gründe, unerwünschte Ereignisse und Wirksamkeit. Ergebnisse: Von 100 Pat. unter Gabapentin im Zeitraum 8/2000-6/2001 waren 83 auswertbar mit einer Katamnese von 1-31 Monaten (32 > 1 Jahr; 34 > 3 Monate). 73 von 83 Pat. (88%) litten an schmerzhaften Neuropathien, überwiegend (n=38) nach peripherer oder zentraler Nervenläsion, 17 an Phantomschmerzen und 9 an CRPS Typ I. 88% wurden primär behandelt, 12% nach erfolgloser Carbamazepingabe. Die kumulative Abbruchquote betrug 22,9% (n=19), initial nach 30 Tagen 8,4% (n=7) und 9,6% (n=8) nach 60 Tagen. In den folgenden 240 Tagen brachen nur noch 4,8% die Therapie ab, später bislang niemand. Abbruchgründe: 5% von 19 nur wegen unerwünschter Effekte(UE), bei 32% fehlender Analgesie und 47% aus beiden Gründen. Insgesamt klagten 29% über UE, nahezu ausschließlich Schwindel, Müdigkeit und Konzentrationsstörungen. Im Zeitraum von zumeist 3-4 Wochen waren Tagesdosen bis 900 mg bei 36%, bei weiteren 22% bis 1200 mg erforderlich. 26% benötigten bis zu 1800 mg und nur 8 Pat. über 1800 mg. Bei 54%, u.a. 11 von 17 Pat. mit starken Phantomschmerzen, konnte mit dieser Dosis eine Schmerzreduktion erreicht werden, in den übrigen Fällen bleibt die kausale Zuordnung unklar (mangelnde Dokumentation, Polymedikation). Diskussion: Trotz negativer Vorselektion erwies sich Gabapentin als überraschend häufig wirksames und verträgliches Medikament. Die Tagesdosis lag zudem bei der Mehrzahl deutlich niedriger als größten Teils im Schrifttum angegeben [2], wodurch sich Bedenken hinsichtlich der höheren Kosten relativieren [1]. ZNS-assozierte UE waren am häufigsten in der hier relativ langsamen Titrationsphase, aber führten überwiegend nur zum Abbruch bei gleichzeitig insuffizienter Analgesie. 1. Block F. Gabapentin zur Schmerztherapie. Nervenarzt 2001:72:69-77 2. Rowbotham M, Harder N, Stacey B, Bernstein P, Magnus- Miller L. Gabapentin for the treatment of postherpetic neuralgia: a randomized controlled trial. JAMA 1998 Dec 2; 280(21):1837-42 P10.5 Kein Nachweis einer analgetischen Wirkung von i.v. Paracetamol (Propacetamol) mit Schmerzevozierten Potentialen nach intrakutanem elektrischen Reiz U. Linstedt1, C. Maier2, E. Tapp1, F. Kozanac1, A. Wiebalck1 1 Klinik für Anaesthesiologie, Intensiv- und Schmerztherapie, 2 Abteilung für Schmerztherapie BG-Kliniken Bergmannsheil, Ruhr-Universität Bochum Die analgetische Potenz von Paracetamol ist bis heute Gegenstand der Diskussion (1).In der vorliegenden Studie wurde Placebo-kontrolliert der Effekt zweier Dosen des injizierbaren Propacetamols, eine rasch metabolisierte Vorstufe von Paracetamol, untersucht. Als Schmerzmodell verwendeten wir die intrakutane Reizung mit Aufzeichnung Schmerz-evozierter zerebraler Potentiale (SchmerzEP), entwickelt und evaluiert am Physiologischen Institut des UKE Hamburg. Abnahmen der Amplituden der SchmerzEP gehen mit einem reduzierten subjektiven Schmerzempfinden einher (2). Methode: Zehn Probanden wurde im Abstand von 2 Wochen randomisiert, doppelblind und im cross-over-Design entweder 4g, 2g Propacetamol oder Placebo i.v. verabreicht. Zur Messung der analgetischen Wirkung erfolgte die Ableitung zerebraler SchmerzEP, wobei der Reiz über eine intrakutane Elektrode gegeben wurde (2). Messungen der SchmerzEP erfolgten vor, sowie 15 und 60 Minuten nach Medikamentengabe. Gleichzeitig wurde das subjektive Schmerzempfinden mit einer Numerischen Rating Skala (NRS 0 – 10) erfragt. Statistik: Multiple-Measure-ANOVA, Wilcoxon Test. Ergebnisse: Die Amplituden der SchmerzEP fielen signifikant über 60 min sowohl beiden Verumdosen als auch nach Placebo ab. Nach MANOVA war hierfür nur die Messwiederholung relevant (Zeitverlauf), nicht die Art der Medikation. Die NRS-Angaben nahmen nach Propacetamol geringfügig mehr ab (MW 6,2 à 5,2 bei 2g; 6,9 à 5,7 bei 4g) als nach Placebo (6,2 à 5,7). Der Schmerz [Suppl 1]•2001
| S 79
Abstracts Schlussfolgerung: Mit SchmerzEP sind keine analgetischen Effekte der hier eingesetzten Dosen von Propacetamol nachweisbar. Wir sahen im übrigen unter unseren Rahmenbedingungen Habituationseffekte dieses Verfahrens, die bislang aus dem Schrifttum nicht ersichtlich waren. 1. Brune K, Hinz B : in : Zenz M, Jurna I : Lehrbuch der Schmerztherapie. 2. Aufl. 2001, S 246 2. Bromm B, Meier W: The intracutaneous stimulus. Exp Clin Pharmacol 6 (1984) 405-410 P10.6 Wirksamkeit des oralen NMDA-Antagonisten Memantine bei chronischen Phantomschmerz – Ergebnisse einer randomisiert placebo-kontrollierten Studie (RCT) C. Maier1, N. Mansourian1, I. Senne1, R. Dertwinkel2, I. Hosbach2, P. Schwenkreis3, M. Tegenthoff3, M. Zenz2 Abteilung für Schmerztherapie1, Klinik für Anästhesiologie, Intensiv- und Schmerztherapie2, Klinik für Neurologie3, Ruhr-Universität BG-Kliniken Bergmannsheil Bochum Fragestellung: NMDA-Antagonisten wie Ketamin und Memantine sind bei neuropathischen Schmerzen als analgetisch wirksam oftmals jedoch als unverträglich beschrieben (1,3). Die Wirksamkeit bei chronischen Erkrankungen ist umstritten und nur durch wenige RCT’s gesichert Methode: Design: Randomisiert placebo - kontrollierte zweiarmige Studie zur Wirksamkeit von Memantine (Akatinol®) mit je 18 Patienten mit chronischen Phantomschmerz (PS) (Anamnesedauer.:200 (12-680) Monate) nach Amputation der oberen und unteren Extremität. Baseline-Erfassung (u.a. Schmerzintensität (NRS), Dauer, Attacken, Pain disability, SF-36), einwöchige Titration (bis 30 mg/d Memantine), 14 Tg. Steady-state und 7 Tage –Auswaschperiode. Instrumente: tägl. Tagebücher (NRS, unerwünschte Effekte(UE)), Serumkonzentrationen. Kalkulation von Tagesund Wochen-Durchschnittswerten und Number-need to treat (NNT). Hauptkriterium: Schmerzlinderung nach 3 Wochen. Statistik: MANOVA f. Hauptkriterium (Meßwiederholung, Kovariaten: Baseline NRS, Anamnesedauer), Mann-Whitney-Test und Chi2-Test für Gruppenvergleich, Ergebnisse: 5 Pat. (3 unter Placebo) brachen vorzeitig wegen Unwirksamkeit ab. Trotz Randomisierung und gleichen Werten im Vorfragebogen (5,2 vs. 5,1 NRS) waren die NRS initial in der Verumgruppe höher (4,7±2,4 vs. 3,4±1,8; p < 0,05), der Abfall war in beiden Gruppe gleich, Unterschiede zu Placebo im Wochenmittelwert bestanden nicht. Schmerzreduktion. 33% unter Verum, 12% unter Placebo (nicht signifikant). MANOVA: Signifikanter Einfuß von Gruppe (Verum vs. Placebo) p < 0,02 sowie der Kovariate Ausgangsschmerz (p<0,0001). UE, besonders Schwindel, waren signifikant häufiger unter Verum (p <0,05). Diskussion: Wie in anderen Studien (2,3) mit 20 mg Memantine/d fand sich trotz erhöhter Dosis lediglich ein geringer, möglicherweise auch auf den trotz Randomisierung unterschiedlichen Baseline-Werten beruhender Effekt (NNT 18 !). Eine weitere Dosiserhöhung erscheint angesichts der UE vermutlich nicht praktikabel, so dass der Einsatz von oralem Memantine bei chronischen PS Einzelfällen vorbehalten bleiben wird. Für die Planung derartiger Studien erscheint eine Placebo-run-in-Strategie sinnvoll. 1. Nikolajsen et al. Acta Anaesthesiol Scand 41:427 (1997) 2. Eisenberg et al. Eur J Pain 2:321 ff (1998) 3. Nikolajsen et al. Anesth Analg 91:960ff (2000) P10.7 5 Jahre LOA (lokale Opioidanalgesie) in der konservativen Orthopädie M. Pinsger, I. Danielczyk Orthopädische Praxis Hochstr. 1/1 A 2540 Bad Vöslau Methode: Zusammenfassung mehrerer Studien aus den Jahren 1997–2001 1997 Erste klinische Erfahrungen mit LOA in der kons. Orthopädie M. Pinsger, I. Roniger, R. Kramer 1999 Qualitätskontrolle bei LOA, Nausea – Emesis Prophylaxe / Suchtpotential M. Pinsger, N. Thierry 2000 Interdisziplinäre Schmerztherapie mit LOA und SOA ( systemischer Opioidanalgesie ) bei chronischen Wirbelsäulenpatienten mit hohem Schmerzniveau M. Pinsger, W. Oberkogler 2001 Konservativ orthopädische Therapie bei lumbaler Vertebrostenose unter Ausnutzung der LOA M. Pinsger, I. Danielczyk Fragestellung: Stellenwert der LOA ( lokale Opioidanalgesie ) in der konservativen Orthopädie? Die Entwicklung hin zur LOA ergab sich aus einer engen interdisziplinären Zusammenarbeit mit der Anästhesie, wo der Umgang mit starken Schmerzmitteln tägliches Brot ist. Aufgerüttelt durch Li-
S 80 |
Der Schmerz [Suppl 1]•2001
teratur über periphere Opioidrezeptoren (Antonjevic I., Ferreira SH., Fields HL., Gilly H., Grossmann W., Herz A., Jurna I., Karlson J., Kramer R., Likar R., Mays KS., Nakamura M., Schafer M., Stein C. in alphabetischer Reihenfolge ) wagten wir 1996 die ersten intraartikulären Infiltrationen mit Opioidunterstützung bei Osteoarthrosen. Kramer schrieb damals: „Die Schmerzreduktion nach intraartikulärer Gabe von Nalbuphin beträgt durchschnittlich 8.8 VAS Punkte gegenüber dem konventionellen Lokalanästhetikum-Cortison Gemisch mit 5.9 VAS. Die Dauer der Schmerzreduktion übertrifft die systemische Nalbuphin – Wirkung um ein Vielfaches.“ LOA Applikationen als Winnie Block am Plexus cervicobrachialis und epidurale Blockaden erreichten ähnliche Wirkung ( Schmerzreduktion bei Winnie Block 8.8 VAS Punkte bei LOA ). Jahrelang als frustran und unbehandelbar geltende Schmerzpatienten konnten dieser Therapie und damit einer Verbesserung zugeführt werden. Nach der ersten Euphorie kamen auch die ersten Bedenken. Wie hoch ist ein vermeintliches Suchtpotenial wirklich ? Wie können die Nebenwirkungen ( bei Nalbuphin in unseren Gruppen : 64% Benommenheit, 60% Schwindel, 60% Müdigkeit, 35% Übelkeit, 20% Erbrechen ) einer Linderung zugeführt werden? Bezüglich Suchtpotential versuchten wir Fangfragen zu stellen und konnten dabei erkennen, dass 90% der befragten LOA nur bei beträchtlichen Schmerzen zulassen würden. In therapieresistenten Fällen mit hochgradiger Pathomorphologie und ohne Aussicht auf operative oder sonstige Intervention entschlossen wir uns zur systemischen Opioidanalgesie. Dieses Patientengut konnte uns nun sowohl über LOA als auch über SOA (systemische Opioidtherapie ) Auskunft geben. Auch systemisch behandelte Schmerzpatienten konnten von LOA profitieren ( intensivere Schmerzreduktion – Vermeidung von Dosissteigerung !). In unserer Letzten Studie über lumbale Vetebrostenosen konnten wir beim Versuch einer Optimierung der Schmerztherapie folgende Behandlungstrategien erkennen: Von den 20 Patienten benötigten 7 eine operative Intervention wegen reduzierter Gehstrecke bei Claudicatio spinalis. 3 Patienten erzielten mit konventioneller epiduraler Blockade ( Lokalanästhetikum plus Cortison ) gute Ergebnisse, in 12 Fällen war jedoch LOA notwendig und 4 mal SOA, wobei SOA Patienten in 3 Fällen LOA dazu kombinierten. So war es in dieser Stenose–Gruppe möglich zuletzt gute Befindlichkeit mit einem durchschnittlichen Schmerzniveau um 1,65 VAS zu erzielen. Diskussion: Für den Orthopäden steht die lokale Therapie sicher im Vordergrund.Als stärkste mir derzeit mögliche Therapieoption (WHO Stufe 3) kann LOA in der kons. Orthopädie sehr hilfreich sein und sollte im Sinne des Stufenplanes der Schmerztherapie am orthopädischen Schmerzpatienten mit hohem Schmerzniveau zur Anwendung gebracht werden. P10.8 Systemische Gabe eines Procain-Basen-Gemisches bei chronischen Schmerzsyndromen: Fallberichte B. Päplow, K. Pahlke, W. Meißner Klinik für Anästhesiologie und Intensivtherapie, Friedrich-Schiller-Universität Jena, 07740 Jena Einleitung: Der systemische Einsatz von Lidocain wird insbesondere zur Behandlung neuropathischer Schmerzen eingesetzt, jedoch durch seine Kardio- und ZNS-Toxizität limitiert 1). Der Einsatz des wenig toxischen Procain könnte daher eine Alternative darstellen. Darüber hinaus werden Procain zentrale 2) sowie anti-exzitatorische 3) Mechanismen zugeschrieben. Fallberichte beschreiben Erfolge von Procaininfusionen bei einer Reihe von chronischen Schmerzen, insbesondere aus dem rheumatischen Formenkreis 4). Wir behandelten deswegen einige Patienten, die unter therapieresistenten Schmerzen verschiedener Ursache litten, mit dieser Methode. Methodik: Insgesamt 23 Patienten mit verschiedenen Diagnosen (Nozizeptorschmerz Bewegungsapparat, neuropathischer Schmerz, Pankreatitis) wurden mit Procain-Basen-Infusionen in Dosierungen zwischen 300 bis 600 mg Procain, ergänzt mit 50 bis 80 ml Natriumbicarbonat 8,4% behandelt. Ergebnisse: Die Patienten erhielten durchschnittlich 9 Infusionen. Eine Abnahme der Schmerzintensität wurde nur bei Patienten mit klassichen neuralgiformen Schmerzen (-55%) sowie Pankreatits (-45%) beobachtet. Bei Patienten mit degenerativen oder entzündlichen Schmerzen des Bewegungsapparates oder nicht-neuralgiformen neuropathischen Schmerzen wurde keine Schmerzlinderung beobachtet. Es wurden keine kardialen oder ZNS-toxischen Nebenwirkungen beobachtet. Diskussion: Bei neuralgiformen Schmerzen und Pankreatitis könnte Procain möglicherweise eine (weniger toxische?) Alternative zu Lidocain darstellen. Berichte von einer wirksamen Procainanwendung bei Schmerzen des Bewegungsapparates konnten nicht bestätigt werden. 1. Mao J, Chen LL (2000). Pain 87: 7-17
2. Sotgin ML, Lacerenza M, Marchettini P (1992). Somatosens Motor Res 9: 227-233 3. Adachi N, Chen J, Nakanishi K, Arai T (1999). Brit J Anaesth 83: 472-474 4. Reuter U, Oettmeier R (1997). Naturamed 12: 20-25 P10.9 Analgosedierung auf der Intensivstation mit S(+)-Ketamin: Eine Anwendungsbeobachtung an beatmeten Neugeborenen und Säuglingen B. Keuth, L. Stapenhorst, H.A. Adams*, B. Roth Universitäts-Kinderklinik Köln, Josef-Stelzmann-Str. 9, D-50924 Köln, Anästhesiologie I, Medizinische Hochschule, Carl-Neuberg-Str. 1, D-30625 Hannover Fragestellung: S(+)-Ketamin ist der über Enantiomerentrennung gewonnene aktive Ketanest-Anteil (Adams, Anaesthesist 97). Wir berichten über Erfahrungen in der Verwendung von S(+)-Ketamin (Ketanest S, Fa. Parke-Davis) bei der Dauer-Analgosedierung (DTI) von beatmeten Ngb. und Sgl. Methodik: Es wurden bei 10 beatmeten Pat. mit einem Alter von 1d-9 Mo. und einem Körpergewicht (KG) von 2,3-8,8 kg i.R. eines therapeutischen Drugmonitorings 27 Blutentnahmen im steady state zur Bestimmung des S(+)-Ketamin-Spiegels mittels HPLC-UV vorgenommen. Alle Patienten erhielten gleichzeitig Midazolam als DTI. Zeitgleich wurden Dosis und klinischer Effekt der Analgosedierung mittels eines Sedierungs- und Schmerzscores (SC nach Hartwig, Eur J Pediatr 91) dokumentiert. Angestrebt wurde ein Ziel-SC bei optimaler Analgosedierung. Ergebnisse: Verabreicht wurde S(+)-Ketamin in einem Dosisbereich von 0,125-3 mg/kg x h. NW traten keine auf. Es zeigte sich eine gute Korrelation zwischen verabreichter Dosis und Serumspiegel (r=0,905, p<0,001). Die totale Clearance bei Leber- und Nierengesunden betrug 0,3-2,57 l/kg x h. Zwischen der als DTI verabreichten Dosis und der analgosedierenden Wirkung bzw. dem mittleren SC/d bestand eine relativ enge Korrelation (r=0,63, p= 0,002). Auch über längere Beatmungsphasen bewegten sich die mittleren SC/Tag im Zielbereich. Unsere Daten belegen somit einen guten analgetischen und Sedierungseffekt durch S(+)-Ketamin in Kombination mit Midazolam bei guter Steuerbarkeit.Auffällig waren große interindividuelle Schwankungen in der Dosis-/ Wirkungsbeziehung, wobei sich zum Erreichen des angestrebten SC für Kinder < 2Mo. niedrigere Dosierungen (x=1,07mg/kg x h) als bei älteren (x=1,6) ergaben. Ursächlich hierfür könnte ein alters- und gewichtsabhängiger Anstieg der totalen Clearance sein. Darüber hinaus konnten wir einen intraindividuellen Clearance-Anstieg in Abhängigkeit von der Verabreichungsdauer beobachten. Schlussfolgerung: S(+)-Ketamin ist in Kombination mit Midazolam bei Ngb. und jungen Sgl. als DTI ein effektives und gut steuerbares Analgosedativum. Zu berücksichtigen ist ein alters- und gewichtsabhängiger Anstieg der totalen Clearance. Zu überprüfen bleibt, ob bei höheren Dosierungen sowie zunehmender Verabreichungsdauer die Kombination mit einem Opioid notwendig ist. P10.10 Morphintabletten bei chronischem Nicht-Tumorschmerz Analgesie und Dosis bei Langzeittherapie S. Schulzeck, B. Buttgereit, M. Gleim Klinik für Anästhesiologie und Operative Intensivmedizin, Universitätsklinikum Kiel Fragestellung: Zum mehrjährigen Verlauf einer Opioid-Medikation bei Patienten mit Nicht-Tumorschmerzen gibt es trotz zunehmender Verbreitung dieser Therapie noch relativ wenige Daten. In der anästhesiologischen Schmerztherapie der Universität Kiel wurden von 1988 bis 1997 alle Patienten erfaßt, die wegen Nicht-Tumorschmerzen orales Morphin erhielten. Es sollte u.a. geprüft werden, ob die Analgesie und die Morphin-Dosis im Langzeitverlauf stabil bleiben. Methodik: Prospektive Datenerhebung von Morphindosis, Analgesie (verbale vierteilige Rating-Skala, kein Effekt = 1.... starker Effekt= 4)) sowie Schmerzstärke (nummerische Rating Skale, 0... 10); Auswertung der Patienten, die mindestens 1 Jahr lang Morphin einnahmen. Ergebnisse: Insgesamt gingen 64 Patienten (22 Frauen, 42 Männer) mit einer Therapiedauer von 377 bis 2932 Tagen (MW 1069) in die Auswertung ein. Gleichsam wie die Morphindosis variierte auch der analgetische Effekt im Langzeitverlauf in Einzelfällen erheblich (s. Tab.). Jedoch bleiben im Gesamtkollektiv mittlere Analgesie und NRS-Werte während der Behandlung konstant. Die verordnete Morphindosis stieg im Mittel leicht an. Bei annähernd der Hälfte der Patienten wurde sie um über 30% der initial wirksamen Dosis erhöht. Stellt man den Verlauf von Schmerzstär-
ke und Analgesie dieser Patienten mit einer mindestens 30% Dosissteigerung dem Verlauf der anderen ohne wesentliche Dosissteigerung gegenüber, unterschieden sich die beiden Gruppen allerdings nicht voneinander. Morphindosis 64 Morphin-Dosis 20% initial (mg/die) (10...200) 100 bis 120 mg/die
Angaben starker Analgesie
34%
Morphindosis nach 1. Jahr (mg/die)
90 Unterschied der -0,2 ...mittlerer (10...180) NRS: 12. Monat (-5...3) Analgesie minus 1. Monat
51%
höchste Dosis im Verlauf (mg/die)
104 Analgesie initial 2,9 (10...400) (1...4)
...geringer Analgesie
12%
...keiner Analgesie
3%
Morphin-Dosis 63% bis 90 mg/die (n=310)
Analgesie nach einem Jahr
3,1 (1...4)
Tab. Daten aus dem Behandlungsverlauf; Mittelwerte, Spanne, prozentuale Häufigkeiten (Anzahl aller Angaben zur Analgesie: 394, 1= keine, ... , 4= starke Analgesie) Schlussfolgerungen: Im mehrjährigen Verlauf einer Morphintherapie zeigte sich für das Gesamtkollektiv der „Langzeitpatienten“ mit NichtTumorschmerz einen stabiler Verlauf bezüglich Analgesie und verwendeter Dosis. Außer dem leichten Anstieg der Morphintagesdosis ergaben sich keine deutlichen Hinweise für eine Toleranzentwicklung bezüglich der Analgesie. Die zum Teil erheblichen individuellen Schwankungen von Dosis und Analgesie weisen auf die Notwendigkeit einer fortlaufenden Patientenbetreuung bei einer langfristigen Morphintherapie.
P10.11 Morphindosistitration bei Patienten mit Tumorschmerzen: Intravenöse versus orale PCA (Patient-controlled Analgesia) M. Thies, A. Beyer, S. Azad, D. Irnich, K. Peter Klinik für Anästhesiologie, Schmerzambulanz, LMU - München Ziel der Studie: Patienten, die durch Einnahme von Analgetika der WHO Stufe II oder III keine suffiziente Schmerzreduktion erfuhren, sollten möglichst schnell auf retardiertes orales Morphin (MST Mundipharma®) eingestellt werden. Die Titration hierfür erfolgte entweder mittels intravenöser PCA mit Morphinsulfat (MSI®) oder mittels peroraler Titration mit Sevredol®-Tabletten. Methodik: In einer offenen, randomisierten Studie wurden 15 Patienten der MSI®- und 18 Patienten der Sevredol®-Gruppe zugeordnet und über drei Wochen beobachtet. Das Dosistitrationsende war erreicht, sobald die MST®-Dosis über mindestens vier Tage stabil blieb und maximal 4 MSI®Boli bzw. 1 Sevredol®-Bolus angefordert wurden. Für das Patientenurteil zur Dosiseinstellung wurde aus den Attributen „angenehm“ (= 1) oder „lästig“ (= 0) und „ausreichend schneller“ (= 1) oder „zu später Wirkungseintritt“ (= 0) ein Summenscore (Σ) gebildet. Die Opioiddosen beider Gruppen wurden an Tag 0, bei Titrationsende, an Tag 14 und Tag 21 berechnet. Die Schmerzintensität wurde in einem Schmerztagebuch viermal täglich anhand einer 101-teiligen numerischen Analogskala (NAS) erfaßt. Als Ausgangswert galt der erste Wert zu Studienbeginn; für die Tage 1 - 7, Tag 14 und Tag 21 wurde der Tagesmittelwert ermittelt. Ergebnisse: Die mittlere Dauer der Dosistitration war in der Sevredol®Gruppe mit 4,1 Tagen signifikant kürzer als in der MSI®-Gruppe mit 6,2 Tagen (p < 0,05). Der Summenscore (Σ) des Patientenurteils zur Dosiseinstellung war in beiden Gruppen vergleichbar (MSI®-Gruppe vs SevredolGruppe: Σ = 2: 71% vs. 80%; Σ = 1: 29% vs. 7%; Σ = 0: 0 vs. 13%). Der Opioidverbrauch, berechnet als orales Morphinäquivalent (OME), und die mittlere tägliche Schmerzintensität (NAS) unterschieden sich in den Gruppen nicht signifikant. (Opioidverbrauch MSI®-Gruppe vs. SevredolGruppe: Vor Studienbeginn 93 vs. 143 mg Morphin [OME]; Titrationsende: 218 mg + 46 mg Rescuemedikation [OME] vs. 164 mg + 33 mg Rescuemedikation [OME];; Tag 14: 237 mg + 17 mg vs. 165 mg + 20 mg ; Tag 21: 227 mg + 19 mg vs. 168 mg + 10 mg . Schmerzintensität NAS: Studienbeginn 45±18 vs. 63±25; Tag 7: 21±12 vs. 24±18; Tag 14: 23±13 vs. 35±23; Tag 21: 21±16 vs. 23±24). Schlussfolgerung: Bei vergleichbarem Opioidverbrauch bis Tag 21 erfolgte die Titration mit Sevredol® 2,1 Tage schneller als mit MSI® (4,1 vs. 6,2 Tage). Das Patientenurteil zur Dosiseinstellung war in beiden Gruppen vergleichbar positiv, nach Ende der Titration blieben Schmerzintensität und Morphindosis stabil. Der Schmerz [Suppl 1]•2001
| S 81
Abstracts P10.12 Subjektive und objektive Beurteilung der Sedierung einer Therapie mit Opioiden M. Zimmermann, F. Schober* Klinik für Anästhesiologie, Intensivmedizin und Schmerztherapie J.W.Goethe Universität Frankfurt / Main,*Pro Science Private Research Clinic Linden Zu den typischen zentralen Nebenwirkungen einer Therapie mit Opioiden zählen Schläfrigkeit, Desorientiertheit, Halluzinationen und nachlassende Vigilanz. Bei Patienten mit zunehmender Intensität chronischer Schmerzen werden Dosissteigerungen und Opioidwechsel erforderlich. Treten nach dem Wechsel von schwachen Opioiden auf Morphin vermehrt sedierende Nebenwirkungen auf? Methode: Es wurde bei Patienten mit chronischen Schmerzen der Grad der Sedierung subjektiv durch Eigeneinschätzung und objektiv mittels quantitativem EEG (qEEG) bestimmt. Die erste Datenerhebung erfolgte während der Therapie mit schwachen Opioiden, die zweite nach Einstellung auf Morphin. Das q EEG wurde jeweils bei geschlossenen- und bei geöffneten-Augen abgeleitet und mit dem Signtest zweiseitig getestet. Ergebnisse: Nach Zustimmung der Ethik-Kommission und schriftlichem Einverständnis nahmen 11 Patienten mit chronischen Schmerzen an der Untersuchung teil. Durch Zunahme der Schmerzintensität war bei allen Patienten eine Steigerung der Opioiddosis erforderlich. Durch den Wechsel auf Morphin konnte eine signifikante Schmerzreduktion um 62% erreicht werden. Im qEEG wurde eine signifikante Zunahme der Power für Theta und für Alpha-1 gefunden nicht hingegen für Delta ,Beta und Alpha-2.In der subjektiven Einschätzung gaben 2 Patienten bereits zu Beginn der Studie leichte Müdigkeit an, die auch unter Morphin konstant blieb. Frequenz- Phase I Phase II band Augen auf Augen auf Delta Theta Alpha-1 Alpha-2 Beta-1 Beta-2
10.0 3.8 10.4 5.4 6.1 4.3
16.9 9.6 22.5 6.4 6.4 3.9
Phase I Phase II Augen zu Augen zu n.s. p< 0.05 p<0.05 n.s. n.s. n.s.
10.9 4.3 17.2 9.3 5.8 3.6
15.0 10.5 27.9 6.4 6.3 3.6
n.s. p< 0.05 n.s. n.s. n.s. n.s.
Abb.1: Median der absoluten Leistung in µV2 (n=11) bei jeweils offenen und geschlossenen Augen während der Therapie mit schwachen Opioiden (Phase I) und mit Morphin (Phase II). Schlussfolgerung: Nach suffizienter Einstellung auf Morphin trat bei den 11 Patienten eine signifikante Zunahme im Powerspektrum von Tetha und Alpha-1 auf. In der Literatur wird von signifikanten Anstiegen im DeltaBand berichtet und von starker Sedierung. Bei Dauereinnahme von schwachen Opioiden und einer schmerzbedingten Dosissteigerung auf Morphin war eine ausgeprägte Sedierung mit Anstieg im Deltaband vermeidbar.
P11 Psychologische Verfahren, Palliative Maßnahmen P11.1 Multimodale Schmerztherapie - Therapieevaluation und begleitende Veränderung kognitiver und affektiver Parameter B. Arnold1, T. Rausch1, T. Tonhauser1, K. Pöhlmann2, R. Rauch1 1 Abteilung f. Schmerztherapie, Kreiskliniken Dachau-Indersdorf GmbH 2 Institut für Psychologie, Universität Erlangen-Nürnberg Fragestellung: An der Kreisklinik Dachau wird für Patienten mit chronischen Schmerzen nach Ausschluß kausaler Therapiemöglichkeiten ein strukturiertes, ganztägiges multimodales Therapieprogramm für Patienten mit chronischen Schmerzen angeboten, das körperliche und psychologische Verfahren zur Schmerztherapie vereint. Wichtigste Inhalte des Programmes sind körperliche Aktivierung, Mobilisierung, Ausdauertraining, Wahrnehmungstraining, lösungsfokussierte Gruppentherapie, Entspannungstechniken, Kreativtherapie und Schmerzbewältigung. Das Programm wird teilstationär über fünf Wochen durchgeführt, 6 Monate nach Behandlungsende wird geplant ein Reassessment durchgeführt. Anhand der Instrumentarien des DGSS - Fragebogens (Schmerzintensität, ADS, PDI, SF 36) wurden die langfristigen Behandlungsergebnisse überprüft. Zusätzlich wurden psychovegetative Beschwerden, Veränderungen der Körperbewertung, der Angst und auf kognitiver Ebene die Beeinflussung von Copingstrategien erfasst.
S 82 |
Der Schmerz [Suppl 1]•2001
Methodik: Vor (t1) und nach (t2) Behandlung sowie zum Reassessment (t3) wurden Erst- oder Verlaufsfragebogen der DGSS, die Beschwerden-Liste (B-L), Coping Strategies Questionnaire (CSQ), Hospital Anxiety- & Depression Score (HADS) und der Fragebogen zum Körperbild (FKB-20) abgefragt. Von 40 Patienten (27 weibl., 13 männl., Altersdurchschn. 49,8 Jahre) liegen vollständige Datensätze vor. Somatische Diagnosen waren: Rückenschmerz (15), Kopfschmerz (10), Fibromyalgie/Ganzkörperschmerz (7), muskuloskelettale Schmerzen (7) und Phantomschmerz (1). Dem Chronifizierungsstadium I MPSS wurden 4 Patienten zugeordnet, Stadium II 15 und Stadium III 21. Ergebnisse: Alle Instrumentarien des DGSS - Fragebogens wiesen signifikante Verbesserungen auf (p<0.01 bei t2 und t3: geringste, maximale, durchschnittliche und aktuelle Schmerzintensität, PDI, Summenscores des SF 36; nur t2: ADS; p<0,05: ADS bei t3). Zusätzlich ergaben sich Depressivität und auch Angst im HADS signifikant geringere Depressivität (t2 und t3: p<0.01) und Angst (t2: p<0.01; t3: p<0.05), die B-L zeigte niedrigere Werte in t2 und t3 (p<0.05). Eine signifikante Veränderung der Ablehnenden Körperbewertung konnte im FKB-20 nicht nachgewiesen werden, jedoch verbesserte sich die Vitale Körperdynamik (t3: p<0.05). Vier der acht Achsen des CSQ zeigten ebenfalls signifikante Verbesserungen (t2 und t3: p<0.01,), nämlich Aufmerksamkeitslenkung, Umdeuten, Katastrophisieren und Aktivitätssteigerung. Die back-to-work-Rate der vor Therapie Arbeitsunfähigen (17 Pat.) lag bei 76%. Schlussfolgerung: Mit dem multimodale Behandlungsansatz lassen sich auch bei hochchronifizierten Schmerzkranken signifikante Verbesserungen der Schmerzen und der begleitenden psychosozialen und psychovegetativen Beeinträchtigungen erreichen. Auch die therapieinduzierten Veränderungen auf affektiver Ebene und in der Bewertung des eigenen Körpers bleiben über den Beobachtungszeitraum erhalten. Die anhaltenden Veränderungen auf kognitiver Ebene decken sich thematisch mit zentralen Therapieinhalten. Die Ergebnisse zeigen, dass das multimodale Programm dem bio-psycho-sozialen Krankheitmodell gerecht wird. 1: Flor H et al. (1992) Pain, 49, 221-230; 2: Hildebrandt J et al. (1995) Schmerz, 10, 190-203; 3: Merzoug K et al (1999) Schmerz (Suppl.) S 92; 4: Nilges P et al.(1999) Rheumatologie in Europa, 28, 22-24. P11.2 Psychosoziale Filterdiagnostik bei Patienten mit chronischen Gesichtsschmerzen I. N. Becker1, J.C. Türp1,3, T. Gerds1,2 1 Zahn-, Mund- und Kieferklinik; 2Institut für Medizinische Biometrie und Medizinische Informatik, Universitätsklinikum Freiburg i. Br.; 3Zentrum für Zahnmedizin, Universität Basel Einleitung: Der Interdisziplinäre Arbeitskreis Mund- und Gesichtsschmerzen der DGSS erarbeitete vor kurzem ein zweiachsiges Stufenschema zur Diagnostik von Patienten mit chronischen muskuloskelettalen Gesichtsschmerzen [1]. Innerhalb der psychosozialen Achse II erfolgt zunächst eine Abschätzung der schmerzbezogenen psychosozialen Dysfunktion mit Hilfe einer validierten deutschsprachigen Fassung [2] der Graded Chronic Pain Scale [3] (GCS). In einem zweiten diagnostischen Schritt erfolgt die Erfassung der schmerzbezogenen depressiven Verstimmung (Instrument: Allgemeine Depressionsskala, ADS) sowie der allgemeinen psychovegetativen Belastung (Instrument: Beschwerden-Liste, B-L). Diese diagnostischen Fragebögen sollen dem Zahnarzt helfen, diejenigen Schmerzpatienten zu erkennen, die aufgrund ihrer psychosozialen Belastung eine weiterführende Diagnostik durch einen klinischen Psychologen benötigen. Fragestellung: (1) In welchem Maße ist der alleinige Einsatz der GCS geeignet, Gesichtsschmerzpatienten mit erhöhter psychosozialer Belastung zu erkennen? Welche Rolle spielen die zusätzlichen Fragebögen für die Erfassung solcher Patienten? (2) Um wieviel höher ist die Chance für Patienten mit GCS-Grad III/IV („dysfunktionaler Schmerz“) im Vergleich zu Patienten mit GCS-Grad I/II („funktionaler Schmerz“), bei den anderen diagnostischen Instrumenten erhöhte Werte zu erzielen bzw. bei speziellen Teilfragen der Bögen signifikante Antworten zu wählen? Methodik: An der Studie nahmen 95 Patienten mit chronischen muskuloskelettalen Gesichtsschmerzen teil. Für alle Bögen, und zusätzlich für alle Einzelfragen, wird das Chancenverhältnis (CV) von Grad III/IV im Verhältnis zu Grad I/II für erhöhte Werte jenseits eines vorgegebenen Schwellenwerts auf der ADS, der B-L und der Schmerzempfindungsskala (SES) berechnet. Die Durchführung der Studie wurde durch die Ethikkommission des Universitätsklinikums Freiburg befürwortet (31.08.2000). Ergebnisse: Die Werte von 23 der 66 Patienten mit „funktionalem Schmerz“ (GCS-Grad I/II) liegen bei ADS und/oder B-L oberhalb der jeweils vorgegebenen Schwellenwerte, während 8 der 29 Patienten mit „dysfunktionalem Schmerz“ bei ADS und/oder B-L keine erhöhten Werte auf-
weisen. Das Chancenverhältnis von „dysfunktionalen“ Patienten im Vergleich zu „funktionalen“ Patienten für erhöhte Werte bei der ADS beträgt 13,79 (KI [95%]=4,66-40,80) und bei der B-L 2,83 (KI [95%]=1,15-6,97). Für den affektiven Teil des SES ist bei den „dysfunktionalen“ Patienten die Chance für erhöhte Werte 5,12 mal größer (KI [95%]=1,8-14,55). Der entsprechende Score des sensorischen Teils ist demgegenüber weniger ausgeprägt mit dem Ergebnis des GCS verbunden (CV=1,51 (KI [95%]= 0,45-5,09). Die höchsten Chancenverhältnisse derjenigen Einzelfragen von ADS, B-L und SES-affektiv, deren Ergebnis am stärksten mit der Einteilung der GCS übereinstimmt, sind in der Tabelle aufgeführt. Frage- Nr. bogen
Aussage
CV
KI [95%]
ADS
12
„ich war nicht fröhlich gestimmt“
15,24 3,35-69,38
ADS
10
„ich hatte Angst“
6,85 2,34-20,01
B-L
3
„ich leide unter Schwächegefühl“
5,07 1,98-12,94
B-L
24
„ich leide unter Gewichtsabnahme“
4,93 1,32-18,49
SES
14
„ich empfinde meine Schmerzen als lähmend“
11,81 4,23-32,98
SES
9
„ich empfinde meine Schmerzen als schwer“
9,75 3,57-26,65
pression Scale (HADS; Herrmann, Buss & Snaith, 1995) ist kurz (14 Items) und enthält keine Aussagen, die durch körperliche Erkrankungen beeinflusst werden. Insofern stellt sie ein vielversprechendes Screening-Instrument dar, wurde aber bei Patienten mit chronischen Schmerzen bisher nicht systematisch untersucht. Methode: 108 Patienten mit somatoformer Schmerzstörung (F45.4) oder Somatisierungsstörung mit Leitsymptom Schmerz (F45.0), wurden unabhängig voneinander mit der HADS und dem Strukturiertem Klinischen Interview für DSM-IV (SKID-I; Wittchen, Zaudig & Fydrich, 1996) hinsichtlich Komorbidität Angst und depressive Störung untersucht. Ergebnisse: Die Skala Depression weist eine gute, die Skala Angst eine mittlere Eignung zum Screening des jeweiligen Störungsbereichs auf. Insbesondere schwere Depressionen und generalisierte Angststörungen werden gut erfasst. Schlussfolgerung: Sowohl zum Screening für Depression als auch für Angst ist die HADS bei Schmerzpatienten einsetzbar. Auf die Notwendigkeit einer sorgfältigen Differentialdiagnose wird hingewiesen. P11.5 Chronifizierungsausmaß von Rückenschmerzpatienten und Formen kognitiv-behavioraler Schmerzverarbeitung: Gibt es Zusammenhänge? B. W. Klasen, D. Hallner, C. Schaub, M. Hasenbring Abteilung für Medizinische Psychologie und Medizinische Soziologie, Bochum
CV: Chancenverhältnis; KI [95%]: 95%-Konfidenzintervall Schlussfolgerung: Die möglichst frühzeitige Erfassung von ADS und B-L zusätzlich zu GCS erscheint notwendig. Die erhaltenen Ergebnisse könnten die Grundlage für die Entwicklung eines speziell auf Gesichtsschmerzpatienten zugeschnittenen diagnostischen Fragebogens bilden. 1. Türp JC et al. Schmerz 2000;14:416-428 2. Türp JC, Nilges P. Quintessenz 2000;51:721-727 3. Von Korff M et al. Pain 1992;50:133-149 P11.3 Primäre Bindungsmuster von Patienten mit somatoformen Schmerzen J. Hardt, U.T. Egle Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie Hintergrund: Seit der Entwicklung der Bindungstheorie von Bowlby (1978) erlangte die Bindung zur primären Bezugsperson neben manifesten psychosozialen Belastungen in der Kindheit verstärktes Interesse in der Theoriebildung zu somatoformen Erkrankungen. Methode: Mittels des Kindheitsfragebogens (KFB; Engfer, 1992) werden die Angaben von 89 Patienten mit somatoformen Schmerzen mit denjenigen von 64 Angstpatienten, 56 Depressiven und 269 Kontrollen verglichen. Ergebnisse: In Bezug auf die wahrgenommene Liebe der Eltern, Strafe, Bagatellisierung des Strafverhaltens, Vorbildfunktion und Geschwisterrivalität berichten Patienten mit somatoformen Schmerzen im Mittel ähnliche Werte wie Kontrollpersonen. Sie unterscheiden sich damit zum Teil deutlich von den Angaben von Angstpatienten und Depressiven. Hinsichtlich der Dimensionen „Elterlicher Ehrgeiz“, „Rollenumkehr“ und „Kontrolle“ zeigen Patienten mit somatoformen Schmerzen erhöhte Werte im Vergleich zu Kontrollen. Diskussion: Obwohl die beobachteten Beziehungen korrelativ und daher nicht kausal zu interpretieren sind, bildet sich in der Analyse ein charakteristisches Muster in der Beschreibung der Beziehungen zu den primären Bezugspersonen bei Patienten mit somatoformen Schmerzen ab. Da dieses auch die Beziehungsgestaltung im späteren Leben prägt, ist es bei der Gestaltung der Arzt-Patient-Beziehung zu berücksichtigen. gefördert von der Deutschen Forschungs-Gemeinschaft (DFG EG 125/1) P11.4 Angst und Depression bei Patienten mit somatoformen Schmerzen: Ergebnisse eines Screenings mit der Hospital Anxiety and Depression Scale (HADS) J. Hardt, Kappis, B., Nickel, R. Petrak, F., Egle, U. T. Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie Hintergrund: Angst und Depression sind die häufigsten Komorbiditäten bei Patienten mit chronischen Schmerzen. Die Hospital Anxiety and De-
Fragestellung: Chronische Schmerzerkrankungen sind nicht nur durch die Aufrechterhaltung der Schmerzen selbst geprägt, sondern durch eine Reihe weiterer Faktoren im Sinne einer multidimensionalen Genese, die auch psychologische und soziale Faktoren miteinbezieht [1]. Einer Beurteilung des Schweregrades bzw. einer Graduierung von Schmerzerkrankungen kommt in diesem Zusammenhang eine wichtige Bedeutung für Therapie und Prognose zu. Mittlerweile liegen Selbst- und Fremdbeurteilungsinstrumente zur Bestimmung des Chronifizierungsgrades vor [2,3]. Neuere Studien konnten wiederholt die Validität von Graduierungssystemen belegen [4] und zeigen, dass es deutliche Zusammenhänge zwischen der Schwere einer Schmerzerkrankung und psychologischen Variablen wie dem Beeeinträchtigungserleben oder der Depressivität gibt. Hinsichtlich eines möglichen Zusammenhangs zwischen spezifischen Formen adaptiver und maladaptiver Schmerzverarbeitung wie sie innerhalb des „Avoidance-EnduranceModells“ [5] postuliert werden und Graduierungsmodellen der Schmerzchronifizierung ist die Befundlage zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch unklar. Es stellt sich die Frage, inwieweit maladaptive Formen der Schmerzverarbeitung bereits in frühen Chronifizierungsstadien zu finden sind oder ob sie sich erst mit zunehmender Chronifizierung einstellen. Methode: An einer Stichprobe von n=80 Rückenschmerzpatienten einer gegenwärtig laufenden Multicenter-Studie werden Schmerstadien nach Gerbershagen [3] und Graduierungsstufen nach Von Korff [2] bestimmt sowie Formen kognitiver und verhaltensmäßiger Schmerzverarbeitung über standardisierte Testverfahren untersucht. Zur Erfassung der Avoidance-Endurance-Pattern werden verschiedene Subskalen des KSI [6] sowie der FABQ [7] verwendet. Ergebnisse: Im vorliegenden Beitrag werden erste Ergebnisse dieser Studie vorgestellt und hinsichtlich ihrer möglichen Bedeutung für die Therapie und die Vorhersage des Krankheitsverlaufes chronischer Rückenschmerzen diskutiert. 1. Hasenbring M (1999). Prozesse der Chronifizierung von Schmerzen. In: Basler HD, Franz C, Kröner-Herwig B, Rehfisch HP & Seemann H. Psychologische Schmerztherapie. Berlin: Springer. 2. Von Korff (2000). Epidemiologic and Survey Methods: Chronic Pain Assessment. In: Turk DC & Melzack R: Handbook of Pain Assessment: Second Edition. New York: Guilford Press. 3. Wurmthaler C, Gerbershagen HU, Dietz G, Korb J, Nilges P & Schillig S (1996). Chronifizierung und psycho-logische Merkmale - Die Beziehung zwischen Chronifizierungsstadien bei Schmerz und psychophysischem Befinden, Behinderung und familiären Merkmalen. Zeitschrift für Gesundheitspsychologie 4 (2): 113-136. 4. Pfingsten M, Schöps P, Wille T, Lerp L & Hildebrandt J (2000). Chronifizierungsausmaß von Schmerzerkrankungen. Der Schmerz 14: 10-17. 5. Hasenbring M (1996). Kognitive Verhaltenstherapie bei chronischen und prächronischen Schmerzen. Psychotherapeut 41(5): 313-325. 6. Hasenbring M (1994). Das Kieler Schmerzinventar – Manual. Bern: Huber. 7. Pfingsten M, Leibhing, Franz C, Bansemer D, Busch O & Hildebrand J (1997). Erfassung der „fear-avoidance-beliefs“ bei Patienten mit Rückenschmerzen. Deutsche Version des „fear-avoidance-beliefs questionnare“ (FABQ-D). Der Schmerz 11 : 387-395. Der Schmerz [Suppl 1]•2001
| S 83
Abstracts P11.6 Schmerzerleben und Lebensqualität von chronischen Schmerzpatienten – eine psychologische Untersuchung
P11.7 Lebensziele von chronischen Schmerzpatienten: Veränderungen nach multimodaler Gruppentherapie mit lösungsfokussiertem Ansatz
G. Langer1, A.W. Schiesser2,3, J. Prieler2, H.G. Kress1, S. Sator-Katzenschlager1 1 Klinische Abteilung für Anästhesiologie und Allgemeine Intensivmedizin (B), Schmerzambulanz, Universitätsklinik Wien. 2 Institut für Allgemeine und Experimentelle Psychologie, Universität Wien 3 Universität für Humanwissenschaften im Fürstentum Liechtenstein, Abt. Experimentelle Psychologie.
K. Pöhlmann, B. Arnold, T. Rausch, K. Petrowski, T. Tonhauser, R. Rauch Institut für Psychologie, Universität Erlangen; Abteilung für Schmerztherapie, Kreisklinik Dachau
Einleitung: Patienten mit einem chronischen Schmerzsyndrom weisen eine Schmerzanamnese von länger als sechs Monaten auf. Neben somatischen Veränderungen kommt es auch zu einer Umstrukturierung im psychischen und sozialen Bereich und somit zu einer Veränderung der Lebensqualität. Ziel unserer Studie war es, zu evaluieren, ob es bei chronischen Schmerzpatienten unter einer adäquaten Schmerztherapie neben einem veränderten Schmerzerleben auch zu einer Verbesserung ihrer Lebensqualität kommt. Methode: Im Rahmen einer prospektiven Studie wurden jedem der N=595 Patienten (392f/203m) bei der Erstvorstellung (Oktober 1999 bis April 2000), die die Schmerzambulanz der Universitätsklinik Wien aufsuchten, ein standardisierter Fragebogen, der aus zwei Teilen bestand: Teil 1 MSS: Mehrdimensionale Schmerzskala: Autoren:S Lehrl., R Cziske und L. Blaha. Dauer 4-6 min. und Teil 2: FSV: Fragebogen zum Schmerzverhalten,Autor: U. Klages. Dauer 3-5 min., ausgehändigt. Als Follow-up bekam der Patient nach 1, 3, 6 und 12 Monaten diese Fragebögen zur Beantwortung. Zusätzlich wurde eine Sozialanamnese und eine Schmerzbeurteilung nach der visuellen analogen Skala (VAS) zur Beurteilung herangezogen. Ausgeschlossen wurden die Patienten, die aus unbekannten Gründen ein Ausfüllen verweigerten (n=118). Bei der Auswertung wurden die Patienten (n=477, 316f/161m) in Diagnosegruppen eingeteilt und hinsichtlich der VAS-Beurteilung, standardisierte Fragebögen und der Sozialanamnese untersucht. Statistik: Sämtliche Prüfungen auf statistische Signifikanzen wurden mittels eines T-Testes für unabhängige Stichproben sowie U-Test (Mann-Whitney), auf einen Signifikanzniveau von á = 5% durchgeführt. Resultate: Die Schmerzintensität (VAS 7.35) erreichte bei beiden Geschlechtern nach 3 Monaten des Follow-ups einen signifikanten Verbesserung gegenüber dem Ausgangswert (VAS1.17), um nach fi Jahr sein Maximum (VAS 0.17) zu erreichen; nach 1 Jahr konnte selbiges Niveau, wie nach 6 Monaten erzielt werden. Zusätzlich konnte bei dem 1. Testverfahren nach 1 Monat ein hoch signifikantes Ergebnis erzielt werden, das danach einen Plateaueffekt zeitigte. Bei den einzelnen Faktoren der Testverfahren konnten in allen Gruppen signifikante Ergebnisse erzielt werden (im Faktor ‚stechender Schmerz’ kam es zu einer deutlichen Reduktion innerhalb eines Zeitraumes von einem Jahr, ebenso in den Faktoren ‚überfallsartiger Schmerz (Schmerzattacken)’, ‚dauerhafter Schmerz’, ‚hartnäckiger Schmerz’, ,elektrischer Schmerz’, ,chemischer Schmerz’ und ‚thermischer Schmerz’). Ein Zusammenhang zwischen dem Fragebogen zum Schmerzverhalten-Teil 2 und den Follow-up-Zeitpunkten, konnte sowohl in den Faktoren ‚Vermeidungsverhalten’ als auch im Bereich der ‚Kognitive Kontrollierbarkeit’ eine hohe Signifikanz erhoben werden. Dies bedeutet, dass der Schmerztherapiezeitraum von 1 Jahr von den Patienten dazu genutzt wird ein niedrigeres Vermeidungsverhalten und eine höhere kognitive Kontrollierbarkeit im Bereich ihres Schmerzerlebens zu erlangen. Es konnte auch in den beiden anderen Faktoren ‚Soziale Unterstützung’ und ‚Aktivitäten’ eine Veränderung festgestellt werden. Kommt es im Bereich der ‚Sozialen Unterstützung’ zu einer Abnahme des subjektiven Bedürfnisses (dies kann auch als eine Form der Emanzipation gewertet werden), steigt die ‚Aktivität’ des Patienten. Frauen fühlen sich von ihrem sozialen Umfeld weniger unterstützt, als Männer. Insgesamt zeigen die Daten eine signifikante Abnahme der Schmerzintensität bei gleichzeitigem Anstieg der Aktivitäten. Schlussfolgerungen: Zusammenfassend erkennt man, dass eine gut geführte Schmerztherapie die Lebensqualität von chronischen Schmerzpatienten deutlich hebt. Zusätzlich können diese Daten eine Qualitätssicherung für eine Abteilung darstellen. 1) Wurmthaler C., Gerbershagen H.U., Dietz G., Korb J., Niges P., Schilling S.. Chronifizierung und psychologische Merkmale. Die Beziehung zwischen Chronifizierungsstadien bei Schmerz und psychologischen Befinden, Behinderung und familären Merkmalen. Z. Gesundh.psychol.IV (1996): 113-36
S 84 |
Der Schmerz [Suppl 1]•2001
Fragestellung: Das Erreichen von individuell formulierten Therapiezielen ist ein störungsunspezifischer Indikator für den Therapieerfolg. Unsere Studie untersucht daher, (a) welche Therapieziele Schmerzpatienten für ihre Behandlung formulieren, (b) wie erfolgreich sie bei der Realisierung ihrer Therapieanliegen sind und (c) ob erfolgreich realisierte Therapieziele auch das Erreichen generell formulierter Lebensziele fördern können. Therapieziele werden als Zieleinheiten verstanden, die auf der mittleren Ebene des hierarchisch organisierten Zielsystems angesiedelt sind und ein instrumentelles Glied zwischen dem Handeln der Person in ihrem Alltag und ihren langfristigen Lebenszielen bilden. Methodik: Therapieziele wurden idiographisch erhoben und anschließend nach den Lebensbereichen kategorisiert, die sie thematisierten (Gesundheit, Persönlichkeitsentwicklung, Beruf, Familie, usw.). Lebensziele wurden anhand des Fragebogens GOALS (Pöhlmann & Brunstein, 1997) erfaßt, in dem 24 Lebensziele aus den Bereichen Intimität, Affiliation, Altruismus, Leistung, Macht und Abwechslung nach ihrer langfristigen Wichtigkeit und Realisierbarkeit sowie nach den aktuellen Fortschritten bei der Erreichung bewertet werden. Die Datenerhebung erfolgte zu drei Zeitpunkten: zu Beginn der Therapie (t1), nach fünfwöchigem multimodalen Programm (t2) und sechs Monate nach Ende der Therapie (t3). Die Stichprobe besteht aus 40 Schmerzpatienten (27 Frauen, 13 Männer; Alter M=49.8; SD=8.3) der Abteilung für Schmerztherapie der Kreisklinik Dachau, deren multimodales Therapieprogramm medizinische und psychologische (u.a. lösungsfokussierte) Verfahren der Schmerztherapie kombiniert. Ergebnisse: Schmerzpatienten formulieren ihre Therapieziele zu Beginn der Behandlung häufig als Gesundheitsanliegen (z.B. Schmerzreduktion). Im Verlauf der Therapie werden aber Ziele häufiger, die das Streben nach persönlichem Wachstum ausdrücken (assertiver werden, innere Ruhe finden). Goal Attainment-Maße zeigen, dass ein großer Teil der Patienten seine Therapieziele erfolgreich realisieren kann. Gleichzeitig verändern sich während der Therapie auch die Lebensziele deutlich. Während die Patienten zu Beginn der Therapie vor allem Lebensziele verfolgen, die harmonische Beziehungen zu anderen Menschen beinhalten (Intimität, Affiliation und Altruismus), entwickeln sie im Verlauf der Behandlung neue Lebensziele in den Bereichen Leistung, Macht und Abwechslung, die wirksamkeitsorientiert sind. Sie halten diese Ziele außerdem für leichter erreichbar und machen bei ihrer Realisierung größere Fortschritte. Schlussfolgerungen: Die Neuorientierung in den Lebenszielen ist ein wesentlicher Bestandteil des Therapieerfolges bzw. seiner Stabilisierung nach Abschluss der Behandlung, denn sie trägt zur Entwicklung wirksamkeitsorientierter Bewältigungskompetenzen bei. Für die Interventionsplanung bedeuten die Ergebnisse, die Patienten durch eine differenzierte Ziel- und Wertklärung zur Generierung neuer, langfristiger Lebensziele anzuregen, um ihre Compliance und ihre Veränderungsmotivation zu erhöhen. P11.8 Klassifizierung von „good“ und „bad“ respondern für die analysegestützte medizinische Trainingstherapie F. Schifferdecker-Hoch Forschungs- und Präventionszentrum Köln Ansatz: Bisher fehlen Forschungsarbeiten, die therapiespezifische Erfolgswahrscheinlichkeiten für somatische Behandlungsmodule definieren. Material und Methode: 245 Rückenschmerzpatienten haben an einem dreimonatigen standardisierten Trainigsprogramm teilgenommen. Die Teilnehmer wurden zu Beginn und nach drei Monaten einer biomechanischen Funktionsanalyse der Wirbelsäule, und um der Mehrdimensionalität des Schmerzes gerecht zu werden, mit der DGSS-Schmerzdiagnostik (Schmerzempfindungsskala, Fragebogen zur Erfassung schmerzbedingter Verarbeitung, Pain DIsabilty Index, Befindlichkeistskala, Kontrollüberzeugung Wirbelsäule) befragt. Statistische Methoden: Die gesamten Daten wurden in einem ersten Schritt einer Faktorenanalyse, danach einer Clusteranalyse und zur Überprüfung der Unterschiede zwischen den Gruppen mit der ANOVA untersucht. Zur Überprüfung der Veränderungs-sensivität der gefundenen Patientengruppen wurde ein t-Test für abhängige Stichproben durchgeführt.
Ergebnis: Die klassische Schmerzanamnese (Schmerzintensität, Schmerzregelmäßigkeit und Dauer) stellt kein Differenzierungskriterium für Schmerzpatienten dar. Die Clusteranalyse liefert zwei Patientengruppen (Gruppe 2: n=11 und Gruppe 7: n=6), die sehr schlecht bzw. überhaupt nicht auf eine Trainingstherapie ansprechen. Diese Gruppe zeichen sich durch hohe „Angst-scores“; „Hoffnungslosigkeit und Depression“ sowie maldadaptive kognitive Schmerzverarbeitungsprozesse aus. Die Gruppenunterschiede sind zudem geschlechtsspezifisch. Diskussion: Ob ein Patient von einer somatischen Trainingsmaßnahme profitiert oder nicht, lässt sich durch o. g.Verfahren im Vorfeld prognostizieren. Diese Patienten sind im Sinne der Chronifizierung „therapieresistent“ gegenüber einer somatischen Behandlungsmaßnahme. Die psychischen Besonderheiten bedürfen einer vorherigen psychologischen Behandlung. P11.9 Ambulante Versorgung von Palliativ-Patienten – Evaluation des Bedarfs an palliativmedizinischem Konsiliardienst und Fortbildung in der Praxis S. Stehr-Zirngibl1, J. E. Baier2, C. Maier3, W. E. Schmidt2, H. Laubenthal1 Klinik für Anästhesiologie, St. Josef-Hospital Bochum 2 Medizinische Klinik I, St. Josef-Hospital, Universitätsklinik Bochum 3 Klinik für Anaesthesiologie, Universitätskliniken Bergmannsheil, Bochum 1
Einleitung: In Deutschland werden mehr als 300.000 Tumorneuerkrankungen pro Jahr registriert. Etwa 60% dieser Patienten können nur noch palliativ behandelt werden. Verbesserte moderne Behandlungsmethoden haben die Überlebenszeit erheblich verländert. Zudem ist eine deutliche Zunahme der Krebsinzidenz von 30 bis 40% für die kommenden Jahrzehnte für westliche Industrieländer prognostiziert, so dass sich zukünftig ein erheblicher Bedarf an palliativmedizinischer Versorgung ergibt. Obwohl über 90% aller Patienten wünschen, ihr Lebensende im häuslichen Bereich zu verbringen, sterben ca. 70% aller Patienten in anonymen Institutionen wie Krankenhäusern und Pflegeheimen, da nach wie vor große strukturelle Defizite in der ambulanten Versorgung bestehen (1). Allgemeinmediziner haben in der Regel keine spezielle Ausbildung, häufig auch zu wenig Patienten, um sich aktiv für Palliativmedizin zu engagieren, auf der anderen Seite ist es sinnvoll, dass Patienten gerade in der Finalphase weiterhin von ihrem Hausarzt betreut werden. Um dies zu ermöglichen, wurde in Berlin ein Projekt „Palliativmedizinischer Konsiliardienst für Berliner Hausärzte“ mit Unterstützung der EU initiiert und erfolgreich durchgeführt (2). Methodik: Anhand eines Fragebogens an niedergelassene Allgemeinmediziner und Internisten in der Region mittleres/östliches Ruhrgebiet wurde von Mitte Mai bis Mitte Juni die persönliche Einstellung zu der Einrichtung eines palliativmedizinischen Konsiliardienstes und entsprechenden Weiterbildungsangeboten ermittelt. Ergebnis: Von 600 angeschriebenen Kollegen antworteten 98 (16,3%!) spontan mit großem Interesse sowohl an Fortbildungen zu den Themen Schmerztherapie, Symptomkontrolle und Sterbebegleitung so wie an der Nutzung eines Palliativmedizinischen Konsiliardienstes. In der Regel betreuten die einzelnen Praxen erwartungsgemäß nur wenige Palliativpatienten, dennoch wurde ausnahmslos bei allen Rückantworten die Verordnung Btm-pflichtiger Medikamente angegeben. Etwa 10% der Kollegen waren zudem an einer aktive Einbindung in Fortbildung mit eigenen Themenvorschlägen interessiert. Dies bestätigt die Ergebnisse einer ähnlichen Umfrage in der Region Wuppertal Anfang diesen Jahres. Schlussfolgerung: Die epidemiologische Entwickluing stellt hohe Anforderungen an die ambulante Versorgung von Palliativpatienten. Der offensichtlich große Bedarf an intensiver Fortbildung so wie konsiliarische Unterstützung spiegelt die Einschätzung der Situation durch Kollegen in der Praxis wider. Die Etablierung entsprechender regionaler Einrichtungen und Konsiliardienste ist daher sinnvoll und dringend erforderlich. Literatur: (1) Sabatowski, R.; Radbruch, L.; Nauck, F.; Loick, G.; Meuser, T.; Lehmann, K. A. (2000), Über die Entwicklung palliativmedizinischer Einrichtungen in Deutschland. Z Palliativmed 1: 40-46 3. (2) Schindler, T.; Woskanjan, S. (1999), Berliner Ärzte 4:26
P11.10 Der Orthopäde als Manager seiner Praxis bei der Behandlung von chronischen Rückenschmerzpatienten (FPZ-Konzept, somatischer, edukativer, funktionaler und psychosozialer Behandlungsansatz) H. Uhlig Orthopädisches Präventionszentrum, Eschweger Str.1, 34253 Lohfelden (Kassel) Seit ca.1975 ist es in allen Hochleistungsgesellschaften zu einem drammatischen Anstieg der Zahl von Rückenleiden gekommen. Deshalb erschien es opportun,die klassische orthopädische Praxis unter Ausschöpfung des bisherigen Wissenssstandes der neuen Herausforderung anzupassen und modulartig zu erweitern. Die Suche nach einem geeigneten Verfahren gemäß den Forderungen der evidence based medicine mündete in der Wahl des FPZ-Konzeptes. In dieser Staffelung bzw.Kombination wurden im Zeitraum 9/1994 bis 5/2000 1486 Patienten behandelt,analysiert und trainiert.97% dieses im Chronifizierungsstadium I-II (nach Schmitt) und in einer durchschnittlich 10-11jährigen Vorgeschichte befindlichen sowie klassischen orthopädischen Diagnosen zugeordneten Klientels war signifikant auffällig. Auf der Basis von Eigenverantwortung,Freiwilligkeit und Motivierbarkeit gelangten 463 (33%) dieser Patienten dem Dekonditionierungsstadium entsprechend ins Training. Die differenzierende Erfolgsanalyse bzgl.aller wichtigen motorischen Parameter der wirbelsäulenstabilisierenden Muskulatur,der Kontrollüberzeugungen, der Lebensqualität,der Wirtschaftlichkeit und der Patientenakzeptanz erbrachte eindeutig positive Resultate.Hinsichtlich der aus ärztlicher Sicht wichtigsten Größe,der Schmerzreduktion,wurde folgendes Ergebnis erreicht: Mehr als 80% der Patienten erlangte entweder Beschwerdefreiheit (41% am Rücken,52% an der HWS) oder signifikante Beschwerdereduktionen (43% am Rücken,30% an der HWS).Zu 11% zeigten sich unveränderte und zu 5-7% verschlechterte Beschwerdebilder (Nagativpol der Trainierbarkeit mit zunehmender Pathomorphologie und /oder starker Chronifizierung). Dem niedergelassenen Orthopäden stehen neue,differenzierte und validierte Möglichkeiten einer zeitgemäßen,medizinisch und ökonomisch maximierten Schmerztherapie zur Verfügung. P11.11 Verhaltenstherapie oder interdisziplinäre Polypragmasie? Die Langzeitergebnisse einer praxisnahen Untersuchung zur Wirksamkeit einer verhaltenstherapeutischen Gruppenbehandlung für Fibromyalgiepatienten T. Valentin Rheinisches Rheumazentrum Meerbusch Fragestellung: Die bisher frustranen Behandlungsergebnisse bei Fibromyalgiepatienten führten zu der Entwicklung des stationären Fibromyalgie-Intensivtrainings (FIT), das kognitiv-verhaltenstherapeutische Verfahren und trainingstherapeutische Methoden in einem multimodalen Behandlungsansatz vereint. Die wesentlichen Inhalte des Gruppentrainings (20 Sitzungen, jeweils min. 100 Minuten Dauer) bilden kognitive und behaviorale Streß- und Schmerzbewältigung, Aktivitätsmodifikation, Abbau von Schon- und Vermeidungsverhalten, Training genußvollen Erlebens und Edukation. Ergänzende Verhaltensübungen führen die Patienten innerhalb und außerhalb der Klinik durch. Zusätzlich findet 2x täglich ein Entspannungstraining statt. Das tägliche körperliche Training von insgesamt 60 Minuten Dauer erfolgt schrittweise aufbauend und umfaßt Elemente der Bewegungstherapie und der Körperwahrnehmung. Alle Behandlungsmaßnahmen werden von den Patienten innerhalb des 3- wöchigen stationären Aufenthaltes geschlossen durchlaufen. Das gesamte Behandlungsteam (Psychologe, Physiotherapeut, Arzt, Pflege) orientiert sich an verhaltenstherapeutischen Prinzipien und verfolgt innerhalb eines „Hilfe zur Selbsthilfe“ Ansatzes die Steigerung der Kontrollfähigkeit und des Kompetenzgefühls der Patienten. Biomechanische, psychophysiologische und operante Modelle zur Schmerzchronifizierung bestimmen das therapeutische Handeln. Passivierende Maßnahmen, wie Massagen, Wärmeanwendungen kommen nicht zum Einsatz, ebenfalls nicht exzessive körperliche Nachuntersuchungen und krankengymnastische Einzelbehandlungen. In der Regel wird auf Schmerzmedikation verzichtet. Das bisherige 3- wöchige Behandlungskonzept der Klinik stellte traditionell medizinische, physiotherapeutische und psychologische Behandlungsmaßnahmen polypragmatisch und unverbunden nebeneinander, wobei sich das Behandlungsteam an den jeweils fachspezifischen Störungs- und Behandlungstheorien orientierte. Eine fortlaufende und offene Verhaltenstherapiegruppe beinhaltete Edukation, Entspannungstraining, orientierende Gruppengespräche zur Schmerz- und Streßbewältigung sowie den Austausch untereinander.Verhaltensübungen besaßen Empfehlungscharakter. Der Schmerz [Suppl 1]•2001
| S 85
Abstracts In einer Langzeitstudie wurde an einer unselektierten Patientengruppe mit Fibromyalgiesyndrom (ACR-Kriterien) das neue Konzept (FIT-Gruppe) im Vergleich mit dem traditionellen Konzept (TRAD-Gruppe) im akut-stationären Bereich überprüft. Methode: Den Patienten wurde bei der Aufnahme, der Entlassung, nach 6 und 12 Monaten die Symptom-Checkliste SCL-90-R, das Profil der Lebensqualität chronisch Kranker PLC, der Allgemeine Depressionsfragebogen ADS, eine numerische Ratingskala NRS (0-10) zur Erfassung der Schmerzstärke und ein Fragebogen zur Bewertung des Therapieerfolges vorgelegt. In die Auswertung gingen die Daten von 75 Patienten von ursprünglich 117 Patienten ein. Ergebnisse: Nach 12 Monaten zeigen die Patienten der FIT-Gruppe (n=42) gegenüber der TRAD-Gruppe (n=33) signifikante Verbesserungen der psychosomatischen und psychischen Gesamtbelastung, sowie der Subskalen Somatisierung, Zwanghaftigkeit, Ängstlichkeit, Depressivität (jeweils SCL-90-R) und der Lebensqualität (PLC). 33,3% der FIT-Patienten gegenüber 12,5% der TRAD-Patienten geben an, ihre Fibromyalgie habe sich gebessert. 38,5% bei der Aufnahme psychisch unauffällige TRAD-Patienten werden nach 12 Monaten als klinisch relevant depressiv beurteilt gegenüber 0% der FIT-Patienten (ADS; kritischer Wert >23). Beide Behandlungsgruppen zeigen eine signifikante Reduktion des Schmerzerlebens. Schlussfolgerung: Die Ergebnisse zeigen die Überlegenheit des neuen Ansatzes und erlauben die oft praktizierte Polypragmasie in der Behandlung von Fibromyalgiepatienten kritisch zu diskutieren. Weitere kontrollierte Studien sind notwendig. P11.12 Multiaxial Assessment of Pain (MAP): Eine psychosoziale Klassifikation von Patienten mit chronischen Schmerzen B. Walter, S. Meerts, J. Vogel, D. Vaitl Abt. Klinische und Physiologische Psychologie, Universität Gießen, Otto Behaghel Str. 10, 35394 Gießen Institut für Medizinische Psychologie und Psychotherapie, Universität Würzburg, Marcusstr. 9-11, 97070 Würzburg Das MAP (Turk & Rudy, 1988) ist ein empirisch entwickeltes Verfahren zur Klassifikation von Schmerzpatienten anhand sensorischer, psychischer und sozialer schmerzrelevanter Merkmale. Auf der Basis des West Haven-Yale Multidimensional Pain Inventory (WHYMPI) ergaben sich folgende Gruppen: 1. Dysfunktionale Patienten berichten große Ausmaße von Schmerz, Beeinträchtigung und affektiver Verstimmung und wenig Alltagsaktivitäten. 2. Interpersonell belastete Patienten beklagen große Beeinträchtigung durch Reaktionen von Bezugspersonen in schmerzhaften Situationen. 3. Gute Bewältiger beschreiben relativ wenig Schmerzen und Beeinträchtigung, erleben oft soziale Unterstützung und sind relativ oft körperlich aktiv. Die Klassifikation erwies sich an englischsprachigen Stichproben als reproduzierbar und konstruktvalide (z.B. Asmundson, Norton & Allerdings, 1997). Fragestellung: Wir untersuchten, ob die Klassifikation des MAP mit der deutschen Version des WHYMPI (MPI-D; Flor, 1991) an stationär konservativ behandelten Rückenschmerzpatienten reproduzierbar und konstruktvalide ist. Daneben prüften wir die Brauchbarkeit des MAP zur Prognose des Therapieerfolgs. Methode: 223 Rückenschmerzpatienten (32,8% Frauen; mittleres Alter 48,0 Jahre), wurden zu Beginn ihres Klinikaufenthalts mit dem MPI-D und weiteren schmerzbezogenen Maßen untersucht. Weitere Erhebungen fanden bei der Entlassung aus der Klinik sowie bei zwei Folgeuntersuchungen etwa vier und acht Monate nach der Entlassung statt. Zur Replikation des MAP wurden k-means-Clusteranalysen durchgeführt. Die Prognose des Therapieerfolgs erfolgte mit Hilfe hierarchischer linearer Modelle. Ergebnisse: Ein Vergleich der ermittelten Gruppenprofile mit denen von Turk und Rudy (1988) ergibt mit sehr hohen Profilkorrelationen zwischen .93 und .98 eine fast perfekte Übereinstimmung. Weite schmerzbezogene Maße bestätigen nur bedingt die Validität der Klassifikation. Alters- und Geschlechtsverteilungen in den Gruppen sind weitgehend gleich. Korrelationen zwischen körperlichen Funktionsmaßen einerseits und Schmerzverhalten sowie Wohlbefinden andererseits sind in den Gruppen z.T. extrem verschieden. Zur Prognose des Erfolgs konservativer Behandlungen ist das MAP jedoch kaum geeignet. Fazit: Das MAP ist auf der Basis des MPI-D auch auf deutschsprachige Patienten anwendbar. Schmerzpatienten differieren beträchtlich hinsichtlich der Auswirkungen körperlicher Funktionsbeeinträchtigungen.
S 86 |
Der Schmerz [Suppl 1]•2001
P12 Rückenschmerz P12.1 Muskuläre Dekonditionierung von Rückenschmerzpatienten A. Denner, Harter, Wulfram, Schifferdecker-Hoch, Frank FPZ Stiftung Köln, Forschungs- und Präventionszentrum Köln Ansatz: Für Rückenschmerzen gelten biopsychosoziale Erklärungsmodelle als angemessen. Unter den biologischen Komponenten des Rückenschmerzes kommt der wirbelsäulenstabilisierenden Muskulatur eine zentrale Bedeutung zu. Defizite der Rumpf-, Nacken- und Halsmuskulatur gelten als somatische Risikofaktoren für Rückenschmerzen (pathogenetisches Prinzip der Dekonditionierung). Ziel der vorliegenden Untersuchung war die Quantifizierung und Stadieneinteilung der Dekonditionierung bei einer großen Zahl von Rückenund Nackenschmerzpatienten mit Chronifizierungsstadium I oder II nach GERBERSHAGEN/SCHMITT. Material und Methoden: Bei 13.523 Patienten mit Beschwerden im Bereich der LWS sowie bei 7.979 Patienten mit Beschwerden im Bereich der HWS wurde eine apparativ gestützte isometrische Maximalkraftanalyse der Extensoren, Flexoren, Lateralflexoren und Rotatoren von Rumpf bzw. HWS durchgeführt. Die gesammelte Daten wurden mittels analytischer Statistik mit alters- und geschlechtsspezifischen Referenzdaten verglichen und einem von 5 Dekonditionierungsstadien zugeordnet (Methoden und Modell nach DENNER publiziert im Springer-Verlag Heidelberg 1998). Ergebnisse: 15,2% der LWS-Patienten und 27,5% der HWS Patienten wiesen keine Dekonditionierung auf (Stadium 0). Bei 37,8% der LWS-Patienten und 39,1% der HWS-Patienten zeigte sich eine geringfügige, jedoch signifikante Dekonditionierung (Stadien I oder II). Bei 47,0% der LWS-Patienten und 33,4% der HWS-Patienten lag eine hochsignifikante ausgeprägte Dekonditionierung vor (Stadien III oder IV). Schlussfolgerungen: Bei Rücken- und Nackenschmerzpatienten mit Chronifizierungsstadium I oder II nach GERBERSHAGEN/SCHMITT finden sich bei 84,8% der Patienten (mit LWS-Beschwerden) bzw. 72,5% der Patienten (mit HWS-Beschwerden) signifikante Kraftdefizite der wirbelsäulenstabilisierenden Muskulatur. 47% der LWS-Patienten und 33,4% der HWS-Patienten benötigen als primäre Therapiemaßnahme eine Analysegestützte Medizinische Trainingstherapie für die Wirbelsäule. Kommt bei diesen Patienten ein multimodales Behandlungskonzept zum Einsatz, muss die medizinische Trainingstherapie das zentrale Behandlungsmodul darstellen. P12.2 Lebensqualität bei Patienten mit chronischen Rückenschmerzen:Langzeitbeobachtung nach einem multimodalen Behandlungsprogramm(München Rücken Intensiv Programm - MRIP) G. Georges-Trabert1, A. Beyer1, R. Pfeiffer2, M. Wimbauer2, M. Weigl2, P. Schöps2 1 Klinik für Anästhesiologie, Schmerzambulanz, LMU München 2 Klinik für Physikalische Medizin und Rehabilitation, Schmerzambulanz, LMU München Fragestellung: Der Begriff Lebensqualität gewinnt zunehmend an Bedeutung. Seine Erfassung sollte deshalb multidimensional erfolgen, damit die Vielschichtigkeit dieses Begriffes möglich gut abgebildet wird. Gegenstand dieser Studie war die Beurteilung der Lebensqualität von Patienten mit chronischen Rückenschmerzen vor und nach einem multimodalen Behandlungsprogramm (MRIP). Methodik: 33 Patienten(21 Frauen,12 Männer)mit chronischen Rückenschmerzen, Durchschnittsalter 48,36 Jahre(SD=9,18), mittlere Schmerzdauer 9 Jahre, (MPSS: Stadium I 6,1%, Stadium II 73%, Stadim III 21%), absolvierten ein ganztägiges Therapieprogramm. Die Lebensqualität wurde durch Befragung vor Beginn der Behandlung(T0), unmittelbar nach Behandlung (T1), 6 Monate (T2) und 1 Jahr danach(T3) festgestellt (Daten von T1 und T2 hier nicht dargestellt). Zur Untersuchung der Parameter der Lebensqualität wurden die folgenden Testinstrumente benutzt: 1.Short Form SF-36 (Gesundheitsbezogene Lebensqualität), 2.Allgemeine Depressions Skala ADS(depressive Vestimmung),3. Pain Disability Index PDI (schmerzbedingte Behinderung),.4.Schmerzmessung:VAS und Schmerzempfindung (SES). Ergebnisse: Die gesundheitsbezogene Lebensqualität(SF-36) war nach einem Jahr in den körperlichen Dimensionen und Vitalität immer noch signifikant verbessert. Nicht verändert waren soziale Funktionsfähigkeit, emotionale Rollenfunktion, allgemeine Gesundheiswahrnehmung und das psychische Wohlbefinden. Pain Disability Index, Allgemeine Depressions Skala und Schmerzintensität zeigten sich ebenso noch nach einem
Jahr signifkant verbessert. Dies gilt auch für die affektive Komponente der Schmerzempfindung, im Gegensatz zur sensorischen Schmerzkomponente, die unverändert blieb (siehe Tabelle). Schlussfolgerungen: Ein multimodales Behandlungsprogramm für chronische Rückenschmerzen vermochte die Beschwerden im körperlichen Bereich langfristig signifikant zu bessern. Gleiches gilt für die subjektive Einschätzung der schmerzbedingten Behinderung (PDI), die depressive Vestimmung(ADS) und die affektive Dimension von Schmerzen. In der Nachuntersuchung ein Jahr nach Beendigung des Behandlungsprogrammes konnte damit eine langanhaltende Verbesserung der Lebensqualität gesichert werden. Parameter der Lebensqualität SF-36 Mittelwert (Standardabw.)
T0 (n=33) T3 (n=33) Wilcoxon
körperliche 56,49 Funktionsfähigkeit (20,43)
65,00 (25,46)
p ≤ 0,01
Rollenfunktion körperliche
22,65 (32,60)
43,93 (40,99)
p ≤ 0,01
Schmerzen
31,42 (13,21)
49,09 (22,55)
p ≤ 0,001
Vitalität
40,60 (13,73)
48,58 (15,67)
p ≤ 0,01
Körperliche Summenskala
32,60 (6,87)
39,08 (9,57)
p ≤ 0,001
Allgemeine Depressions Skala (Gesamtscore)
13,59 (8,21)
10,13 (8,86)
p ≤ 0,01
Pain Disability Index (Gesamtscore)
25,73 (12,59)
19,64 (14,81)
p ≤ 0,01
Schmerzintensität (VAS)
5,50 (1,85)
4,00 (2,17)
p ≤ 0,01
Schmerzempfindungs (SES) A Score
32,03 (8,28)
26,74 (9,02)
p ≤ 0,01
Hasenbring, M. (1992). Chronifizierung bandscheibenbedingter Schmerzen. Stuttgart: Schattauer. Linton, St. J. (2000). A review of psychological risk factors in back and neck pain. Spine, 25(9), 1148 – 1156. Macfarlane GJ, Thomas E, Croft PR, Papageorgiou AC, Jayson MIV, Silman AJ (1999). Predictors of early improvement in low back pain amongst consulters to general practice: the influence of pre-morbid and episode-related factors. Pain, 80, 113-119. Schade V., Semmer N., Main Chr. J., Hora J. & Boos N. (1999). Teh impcat of clinical, morphological, psychosocial and work-related factors on the outcome of lumbar discectomy. Pain, 80, 239 – 249. P12.4 Bewertung der konservativen Therapiekonzepte lumbaler radikulärer Rückenschmerzen nach den Kriterien der Evidenz-basierten Medizin S.A.L. Hartmann, B. Widder Klinik für Neurologie und Neurologische Rehabilitation, Bezirkskrankenhaus Günzburg
P12.3 Verbesserung der langzeitlichen Vorhersage des therapeutischen Outcomes bei Rückenschmerzpatienten aufgrund psychosozialer Risikofaktoren durch ein künstlich neuronales Netzwerk
Bei bandscheibenbedingten radikulären Rückenschmerzen ist die konservative Therapie in der Mehrzahl der Fälle zunächst Methode der Wahl. Diese umfasst: Bettruhe, Stufenbettlagerung, nichtsteroidale Antiphlogistika, Muskelrelaxantien, Opioid-Analgetika, Antidepressiva, Corticosteroide i.m., epidurale Corticosteroide, Traktion, Physiotherapie, Entspannungsverfahren und psychologische Interventionen. Die diesbezüglich publizierten randomisierten Therapiestudien werden vorgestellt. Insgesamt ist verwunderlich, dass für das relativ häufige Krankheitsbild der radikulären Rückenschmerzen nur wenige Studien mit kleinen Fallzahlen existieren. Bei fehlender klinischer Besserung unter konservativer Therapie werden operative Verfahren (v.a. Mikrodiskektomie/Sequestrektomie) angewandt. Erstaunlicherweise ist nur eine prospektiv-randomisierte Studie publiziert, welche vor über 20 Jahren ein konservatives (Bettruhe) und operatives Vorgehen (offene Diskektomie) verglichen hat. Nach 1 Jahr wurde ein signifikant besseres Ergebnis der Operation festgestellt; mit zunehmender Nachbeobachtungsdauer konnten jedoch keine relevanten Unterschiede im Outcome mehr nachgewiesen werden. Eine geplante eigene prospektiv-randomisierte Studie mit Vergleich einer stationären konservativ-multimodalen Therapie und einer Mikrodiskektomie wird vorgestellt.
D. Hallner, M. Hasenbring Ruhr-Universität Bochum, Abteilung für Medizinische Psychologie und Medizinische Soziologie
P12.5 Praxis der ambulanten Diagnostik und Therapie radikulärer Rückenschmerzen
Psychosoziale Risikofaktoren gelten als wichtige Prädiktoren der Vorhersage der Chronifizierung von Rückenschmerzen (Linton, 2000). Obwohl verschiedene Autoren (z. B. Macfarlane et al. (1999), Hasenbring (1992), Schade et al. (1999)) die Bedeutsamkeit psychosozialer Faktoren für die Chronifizierung von Patienten durch lineare Funktionen signifikant zeigen konnten, waren die durch die Modelle erklärte Varianzen und die m. H. dieser Funktionen durchgeführten Klassifikationen der jeweils gewählten Outcome – Variablen (z. B. Schmerzintensität) zumeist nur mäßig zuverlässig. Mögliche Gründe für die suboptimale Klassifikation von möglichen Outcomes therapeutischer Interventionen und Krankheitsverläufe bei Rückenschmerzpatienten vermuten wir in der nicht hinreichenden Komplexität der zur Vorhersage verwendeten Verfahren. So zeigte z. B. eine Reanalyse des Datensatzes von Hasenbring (1992) zu den bedeutsamen linearen Abhängigkeiten weitere nichtlineare Zusammenhänge zwischen den Variablen. Da verschiede Autoren in anderen Klassifikationsfragestellungen m. H. von künstlich neuronalen Netzen eine Verbesserung der Klassifikation im Vergleich zu konventionellen Verfahren haben finden können, haben wir ein multi-layer Perzeptron (MLP) an die Daten von Hasenbring angepasst. Als Prädiktoren (Input – Layer) wurden u. a. Faktoren des Kieler Schmerzinventars (KSI), die Depression (BDI) u. Kontrollüberzeugungen (GKÜ) verwendet. Als zu klassifizierende Variable wurde die Schmerzintensität der an der Bandscheibe operierten Patienten 6 Monate post OP verwendet. Aufgrund der schlichten Struktur des Hidden – Layers, konnten in den Gewichtungsmatrizen zwei Strukturen in Übereinstimmung mit anderen Befunden interpretiert und kreuzvalidiert werden. Eine Struktur kann als langzeitlich schmerzhemmend interpretiert werden, die andere Struktur als schmerzverstärkend oder aufrechterhaltend. Ferner übertrafen die Ergebnisse der Klassifikation des MLP die Genauigkeit der diskriminanzanalytischen Ergebnisse.
S.A.L. Hartmann, B. Widder Klinik für Neurologie und Neurologische Rehabilitation, Bezirkskrankenhaus Günzburg Bei radikulären Rückenschmerzen auf der Basis eines/r Bandscheibenprolaps/-protrusion oder bei einer lumbalen Spinalkanalstenose ist die Therapie der Wahl in der Mehrzahl der Fälle zunächst konservativ.Ambulant werden in der Regel Medikamente (nichtsteroidale Antiphlogistika p.o./i.m. und Corticosteroide i.m.), eine krankengymnastische und physikalische Therapie (Massage, Fango) sowie auch manualtherapeutische/chiropraktische Maßnahmen eingesetzt. Diagnostisch werden neben der selbstverständlichen Anamneseerhebung und klinischen Untersuchung elektrophysiologische Zusatzuntersuchungen, Röntgennativaufnahmen und die Computer-/Kernspintomographie verwendet. Fragestellung: In dieser Studie wurde die aktuelle Praxis der ambulanten Diagnostik und Therapie bei dem o. g. Krankheitsbild untersucht. Methodik: Zwischen Oktober 2000 und Juni 2001 wurden 95 konsekutive Patienten der Klinik für Neurologie und Neurologische Rehabilitation des Bezirkskrankenhauses Günzburg mittels eines Fragebogens zu den vorausgegangenen diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen befragt. Daneben wurden die an der Versorgung beteiligten Fachärzten und auch Parameter zu Schmerzstärke, -dauer und -verlauf erfaßt. Die Patienten waren bei fehlendem ambulanten Therapieerfolg zur weiteren stationären konservativen Therapie regulär stationär eingewiesen worden. Ergebnisse: Eine erste Analyse der 88 (93%) vollständig ausgefüllten Fragebögen zeigt eine Beteiligung von Neurologen bei 69% der Patienten. Die häufigste therapeutische Intervention war eine i.m.-Medikamentengabe (63 Pat. / 72%). Eine krankengymnastische und physikalische Therapie wurde bei 64% (57 Pat.) durchgeführt, wenn auch meist nur sehr wenige Behandlungseinheiten. Die weiteren Ergebnisse – auch die Therapie in Der Schmerz [Suppl 1]•2001
| S 87
Abstracts Abhängigkeit von der jeweiligen Schmerzanamnese – werden vorgestellt und die Praxis der ambulanten Diagnostik und Therapie lumbaler radikulärer Rückenschmerzen zusammenfassend anhand der Literatur bewertet. P12.6 Auswirkung von Patienten- und Settingmerkmalen auf die Effektivität multimodaler Behandlungsprogramme bei chron. Rückenschmerzen M. Pfingsten, J. Hildebrandt Schwerpunkt Algesiologie, Georg-August-Universität Göttingen Fragestellung: Die gute Effektivität multimodaler Behandlungsprogramme nach dem Konzept der „Functional Restoration“ (FR) für die Behandlung von chronischen Rückenschmerzen gilt heute als international belegt. Unklar ist aber der für einen Erfolg notwendige Behandlungsumfang bzw. die erforderlichen Behandlungsinhalte - die u.a. in Abhängigkeit von der Erkrankungsschwere zu sehen sind. Methodik: In der Göttinger Schmerzambulanz wurden inzwischen mehr als 800 Patienten mit einem FR-Programm behandelt. Für die meisten Patienten liegen ausführliche Datensätze vor (prae / post / 1-Jahres-Katamese). Ergebnisse: Die Notwendigkeit zur Differenzierung zwischen arbeitsunfähigen und arbeitsfähigen Patienten ergibt sich durch den Vergleich beider Patienten-Gruppen in Bezug auf die Eingangsvoraussetzungen: Beim Vergleich der entsprechenden Werte zwischen einer arbeitsfähigen (n = 230) und einer arbeitsunfähigen (n = 210) Patientengruppe zeigen sich hoch signifikante Unterschiede in der Inanspruchnahme medizinischer Behandlung, der körperlichen und psychischen Beeinträchtigung inkl.AngstVermeidungseinstellungen sowie der subjektiven Schmerzintensität. In den Jahren 1989 bis 2000 kamen insgesamt 3 verschiedene Versionen der FR-Behandlung zur Anwendung: Bei der GRIP-II-Version (1994/95) umfaßte die Behandlung insgesamt 5 Wochen mit täglich 7-stündiger Behandlungszeit (n = 87). Aus ökonomischen Gründen wurde die Behandlungszeit in der 3. Projektphase (1997/98) auf 4 Wochen mit täglich 4stündiger Behandlung reduziert; Ausdauertraining sowie Work-Hardening wurden nicht mehr angeboten (n = 119). Aus dem Eindruck einer geringeren Effektivität wurden ab 1998 beide o.g. Behandlungsbausteine wieder aufgenommen und die Behandlungszeit stieg wiederum auf 6 Std. täglich (n = 167). Beim Vergleich der Effektivität der unterschiedlichen Behandlungsformen ergab sich ein eindeutiges Ergebnis dahingehend, dass die Verringerung der zeitlichen Intensität resp. die Reduzierung der Behandlungsteile eine schlechtere Effektivität nach sich zog. Die Rückkehr zur alten Behandlungsform (GRIP IV) erbrachte wiederum eine Verbesserung der Effektivität hinsichtlich Rückkehr an den Arbeitsplatz (63%), eine hohe Patientenzufriedenheit, eine gute Reduzierung der Inanspruchnahme medizinischer Behandlung sowie auch eine Verringerung des Beeinträchtigungserlebens, der psychischen Befindlichkeit, der Schmerzintensität und der Fear-Avoidance-Beliefs. Diskussion: Multimodale Behandlungsprogramme sind sehr effektiv, sofern ein Mindestumfang an Behandlungsdichte und vor allem die konzeptuell erforderlichen Behandlungsbausteine (einschließlich des Ausdauer- und Arbeitstrainings) berücksichtigt sind. Die vollständigen Inhalte des FR-Konzeptes sind insbesondere für arbeitsunfähige Patienten notwendig. Abgesehen von diesen Rahmenbedingungen sind Qualität und Effektivität der Behandlung von der Ausrichtung des gesamten Vorgehens an verhaltenstherapeutische Prinzipien abhängig. P12.7 Spinal-Cord-Stimulation (SCS) als minimalinvasives Therapieverfahren des chronischen lumbalen Schmerzsyndroms – Ergebnisse bei 27 Patienten mit Postdiskotomie- und Postfusionssyndrom S. Rütten, G. Godolias Klinik für Orthopädie am Lehrstuhl für Radiologie und Mikrotherapie der Universität Witten/Herdecke, St. Anna-Hospital Fragestellung: Chronische lumbale Schmerzsyndrome nach Bandscheibenoperationen sind durch Revisionseingriffe schwierig zu therapieren. Auch Fusionen der Wirbelkörper zur Reduktion konsekutiver Instabilitäten führen häufig nicht zu befriedigenden Ergebnissen. Hier bleibt als einzige Massnahme die symptomatische Schmerzsuppression. Ist diese durch Medikation nicht erreichbar, steht das minimalinvasive Verfahren der Spinal-Cord-Stimulation (SCS) zur Verfügung. Neuartige 8-polige Elektroden erweitern das Spektrum. Die Implantation mittels DoppelOctroden-Technik ist möglich. Hiermit können ausgedehnte beidseitige
S 88 |
Der Schmerz [Suppl 1]•2001
Schmerzareale in Rücken und Beinen abgedeckt werden. Ziel der Studie ist die Darstellung schmerztherapeutischer Möglichkeiten mittels des SCS-Sytems in der Octroden-Technik beim chronischen lumbalen Schmerzsyndrom? Angewandte Methodik: 27 voroperierten Patienten (9 w, 18 m; Durchschnittsalter 43) mit therapieresistentem (Dauer 27 - 62 Monate; 27mal MPSS Grad III) chronischem Rücken-Bein-Schmerzsyndrom wurde 1999/2000 ein SCS-Octroden-Sytem implantiert. Eine Doppel-OctrodenTechnik war in keinem Fall notwendig. Alle Patienten waren mehrfach an der Bandscheibe operiert (2 - 7mal), 10 Patienten hatten zusätzlich eine Fusionsoperation. Bei allen Patienten war durch neurologische oder funktionell-bildgebende Diagnostik eine absolute Indikation zu offener Revisionsintervention ausgeschlossen. Neben Co-Medikation reichte die benötigte Morphindosis von 60 bis 240 mg MST retard oder Äquivalent täglich. Die Lebensqualität war schmerzbedingt auf ein Minimum reduziert. Alle Patienten zeigten in der Bewertung somatisierender Tendenzen und der Lebensqualität deutliche Auffälligkeiten. Bei den Nachuntersuchungen kamen im Vergleich zum präoperativen Status neben allgemeinen Kriterien folgende gebräuchliche und validierte Messinstrumente in Form von Fragebögen und Tagebüchern zur Anwendung: MPSS, VAS, VRS, SF-36, PDI, SES, deutsche Version North-American-Spine-Society-Instrumentarium (NASS), Oswestry-Low-Back-Pain-Disability Questionaire. Ergebnisse und Schlussfolgerungen: Alle Patienten wünschten nach der 7–14tägigen transcutanen externen Testphase die endgültige Implantation des Empfängersystems. Die grossen Schmerzareale und Intensität der Schmerzen bedingten einen erheblichen während der Testphase computerunterstützt berechneten Energieverbrauch, der nach teilweise 2 Jahren bei einem batteriebeinhaltendem Vollimplantat zu einer Wechseloperation geführt hätte. Somit entschieden sich alle Patienten zur Implantation eines Teilimplantates, bei dem die stimulierende Stromzufuhr von extern eingebracht wird. Die Nachuntersuchungszeiträume bis zu 1 Jahr postoperativ ergaben bei allen Patienten eine Reduktion auf das MPSS-Stadium II.VAS und VRS zeigten eine Verminderung um mindestens 4 Kategorien, maximal 7. Gleichartige Ergebnisse ergaben sich bei den spezifischen Rückenscores sowie den Bewertungen somatisierender Tendenzen und der Lebensqualität. Die Morphindosis konnte um mindestens 50% reduziert werden, 9 Patienten benötigten keine Medikation mehr. Alle Patienten gaben an, mit dem Ergebnis äusserst zufrieden zu sein, es jederzeit wiederholen zu lassen und es weiter zu empfehlen. Bis auf eine Elektrodendislokation, die während der Empfängerimplantation korrigiert werden konnte, traten keinerlei Komplikationen auf. Die minimalinvasive Therapie des chronischen lumbalen Schmerzsyndroms mit dem SCS-Sytem ist unter Berücksichtigung entsprechender Indikationen eine äusserst geeignetes und suffizientes Verfahren mit grosser Patientenakzeptanz. Auch somatisierende Tendenzen sollten keine absolute Kontraindikation darstellen. Durch Reduktion von Medikation, Arztbesuchen und Krankenhausaufenthalten ergibt sich zusätzlich eine positive Kostenbilanz. P12.8 Gibt es hinsichtlich Schmerz- und Bewegungsangst differentielle Unterschiede bei Rückenschmerzpatienten mit unterschiedlichen Schmerzverarbeitungsformen hinsichtlich körperlicher Aktivitäten? B. Klasen, D. Hallner, M. Hasenbring Abt. für Medizinische Psychologie und Medizinische Soziologie, Ruhr-Universität Bochum „Fear of pain and what we do about it may be more disabling than pain itself“ [1] Ein, in letzter Zeit stark in den Focus der Forschung gerückter Faktor ist die spezifische Schmerzangst [2]. Diese steht in engem Zusammenhang mit der Angst vor Bewegung, die zu einer Verletzung und somit zu einem erneuten Schmerz führen könnten [2]. Nach dem „Fear“-Avoidance Modell in der Ausarbeitung von Vlaeyen et al. [3] weisen Patienten als Vorläufer des Vermeidungsverhaltens eine erhöhte Schmerzangst auf. Gemäß dem Avoidance-Endurance-Modell von Hasenbring [4] ist darüber hinaus auch eine suppressive Schmerzverarbeitungsform maladaptiv. Fragestellung: Unterscheiden sich Rückenschmerzpatienten mit unterschiedlichen Schmerzverarbeitungsformen hinsichtlich Schmerz- und Bewegungsangst? Es wird angenommen, dass Patienten mit einer vermeidenden Schmerzverarbeitungsform (Vermeidung hoch & suppressives Verhalten niedrig) signifikant höhere Schmerz- und Bewegungsangst aufweisen als Patienten mit eindeutig suppressiver Verarbeitungsform (Vermeidung niedrig & suppressives Verhalten hoch). In Bezug auf die beiden Gruppen mit gemischten Verarbeitungsformen (Vermeidung niedrig & suppressives Verhalten niedrig und Vermeidung hoch & sup-
pressives Verhalten hoch) werden keine weiteren Hypothesen formuliert. Methode: N=89 Rückenschmerzpatienten (m=42, w=47; mittleres Alter 59,15 Jahre; Schmerzdauer: bis 6 Monate n=29, über 6 Monate n=60) wurden in Hinblick auf ihre Schmerzangst (Pain Anxiety Symptome Scale, deutsche Version, PASS-DE) und ihre Bewegungsangst (Tampa Scale of Kinesiophobia, deutsche Version, TSK-DE) untersucht. Die Schmerzverarbeitungsform wurde anhand der Subskalen „Vermeiden körperlicher Aktivitäten bei starken Schmerzen“ und „Durchhaltestrategien bei starken Schmerzen“ des Kieler Schmerz-Invertars (KSI) [5] bestimmt. Die Untergruppen (vermeidend hoch/niedrig und suppressiv hoch/niedrig) wurden mittels Mediansplit gebildet. Ergebnisse: Patienten mit unterschiedlichen Schmerzverarbeitungsformen unterschieden sich hinsichtlich Schmerz- und Bewegungsangst. Schmerzangst: Patienten mit einer eindeutig vermeidenden Verarbeitungsform wiesen eine signifikant höhere Schmerzangst (PASS-DE) auf, als Patienten aller anderer Gruppen. Bewegungsangst: In Bezug auf Bewegungsangst wiesen sie bedeutsam höhere Werte auf, als Patienten mit einer suppressiven Verarbeitungsform. Schlussfolgerung: Die Ergebnisse zeigen die Bedeutung einer kombinierten Betrachtung vermeidender und suppressiver Aspekte der Schmerzverarbeitung für das Ausmaß an Schmerz- und Bewegungsangst. Nur Patienten mit eindeutig vermeidender Verarbeitung zeigen signifikant höhere Schmerz- und Bewegungsangst als Patienten mit eindeutig suppressiver Verarbeitung oder Mischformen. Die Ergebnisse machen ebenso deutlich, dass es zur Beurteilung der Maladaptivität von Schmerz- und Bewegungsangst wichtig ist, diesbezüglich einen Bewertungsmaßstab zu finden. Kurz gefragt: „Ab wann wird gesunde Schmerz- und Bewegungsvorsicht zur maladaptiven Bewegungsangst?“ 1. Waddell et al. (1993). Pain, 52, 157-168. 2. Asmundson et al. (1999). Clin Psych Rev, 19(1), 97-119. 3. Vlaeyen et al. (2000). Pain, 85, 317-332. 4. Hasenbring, M. (2000). Progress in Brain Research, 129, 525-534. 5. Hasenbring (1994). Verlag Hans Huber, Bern. P12.9 Chronifizierender Rückenschmerz: Was bringt Psychotherapie? M. Schiltenwolf, W. Eich, B. Heindl, J. v.Reumont Orthopädische Universitätsklinik Heidelberg, Abt. I Medizinische Universitätsklinik Heidelberg, Abt. II (Allgemeine Innere und psychosomatische Medizin) Studien Design: Radnomisiert klinische Studie mit einfachgeblindeter Outcome-Evaluation Fragestellung: Was bewirkt ein in ein körperliches Therapiekonzept integriertes psychotherapeutisches Modul für die Parameter Schmerzintensität, Schmerzverarbeitung, Befindlichkeit sowie Funktionskapazität, Beweglichkeit und Rumpfkraft? Zusammenfassung des Hintergrundwissens. Trotz effektiver körperlicher Therapie kann Chronifizierung von tiefen Rückenschmerzen nicht immer verhindert werden. Psychosoziale Chronifizierungsfaktoren sind bekannt. Randomisierte Studien über die Wirksamkeit eines psychotherapeutischen Behandlungsmoduls in einen körperliches Behandlungsprogramm sind spärlich und von eingeschränkter Evidenz. Methoden: 79 Patienten mit tiefen Rückenschmerzen in einem frühen Chrornifizierungsstadium (seit mindestens drei Wochen, maximal 12 Wochen arbeitsunfähig) wurden zu einer standardisierten multimodalen Therapie von 3 Wochen vorgesehen. 64 Patienten erschienen zur Behandlung und wurden einer rein körperlichen (Gruppe P; N=33) oder einer kombiniert körperlich-psychodynamischen (Gruppe PP; N=31) Therapie randomisiert zugeteilt. Der Zeitrahmen und die Therapiedosis waren für beiden Gruppen identisch. Zu Beginn, bei Therapieende sowie nach 6 Monaten wurden durch eine verblindete Person psychometrische und körperliche Parameter untersucht. Hauptzielkriterium war die empfundene Schmerzstärke, Nebenzielkriterien waren Schmerzverarbeitung, Befindlichkeit, Funktionskapazität sowie Beweglichkeit und Kraft . Ergebnisse: 61 Patienten beendeten die Therapie, je 28 Patienten beider Gruppen konnten nachuntersucht werden. Zum Therapieende haben sich beide Gruppen bezüglich Schmerzintensität, Schmerzverarbeitung, Befindlichkeit sowie Funktionskapazität signifikant verbessert. Nach 6 Monaten war die Schmerzintensität der Gruppe P wieder unverändert zum Ausgangswert, die Schmerzintensität der Gruppe PP nahm nochmals signifikant ab. In beiden Gruppen verhielten sich Schmerz, Funktionskapazität und Befindlichkeit gleichsinnig. Für die körperlichen Parameter ergeben sich keine signifikanten Änderungen.
Schlussfolgerungen: Zur Verbesserung der Prognose erscheint eine zusätzliche psychodynamische Behandlung des tiefen Rückenschmerzes auch in frühen Stadien der Chronifizierung gerechtfertigt. Die Behandlungseffektivität kann hierdurch auch über das Behandlungsende hinaus effizient bleiben. Die Wirkweise dieses Moduls bleibt unklar. P12.10 Prognose des Schmerzverlaufs beim bandscheibenbedingten Rückenschmerz U. Walliser*, E. Fikentscher*, M. Genest*, M. Thoma*, M. Hasenbring** Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg*, Ruhr-Universität Bochum** Fragestellung: Lässt sich die Vorhersage des weiteren Schmerzverlaufs bei Patienten mit bandscheibenbedingtem Rückenschmerz, durch eine Kombination der Verhaltensfaktoren (Schmerzbewältigung) mit den biographischen Faktoren (Kindheitsbelastungen) verbessern? Methode: In einer prospektiven Längsschnittstudie mit drei Messzeitpunkten (Aufnahme, Entlassung, 6 Monate post) wurden 50 Patienten mit radiologisch abgesicherter Erstdiagnose bandscheibenbedingter Rückenschmerz, die sich zur konservativen oder operativen Behandlung in der Klinik für Orthopädie der Martin-Luther-Universität vorstellten, eingeschlossen. Die Schmerzbewältigung der Patienten wurde entsprechend dem KielerSchmerz-Inventar (Hasenbring, 1994) in depressiv-suppressives, depressiv-vermeidendes, heiter-suppressives bzw. ohne Risikoverhalten. Biographische Kindheitsbelastungen im Sinne von emotional belastenden oder psychisch „schmerzhaften“ Kindheitstraumata der ersten 12 Lebensjahre (etwa Trennung, Gewalt, Sucht, Tod der Bezugspersonen etc.) wurden im Rahmen eines standardisierten biographischen Interviews erhoben. Hierbei wurde auch die retrospektive Belastungseinschätzung der Patienten mitberücksichtigt. Zum Katamnesezeitpunkt wurden verschiedene psychosoziale und medizinische Erfolgsparameter v.a. aber Schmerzintensität, Depressivität (BeckDepressions-Inventar, Hautzinger, 1992), Arbeitsfähigkeit etc. erfragt. Ergebnis: Den Ergebnissen zufolge erscheint das Risikoverhalten der Patienten zum Aufnahmezeitpunkt ein relevanter Prädiktor für den weiteren Schmerzverlauf und damit für chronischen Schmerz. Die biographischen Kindheitsbelastungen erlauben dagegen keine Prognose der weiteren Schmerzentwicklung bei Patienten mit akutem bandscheibenbedingtem Rückenschmerz. Für eine Vorhersage der psychischen Befindlichkeit/ Depressivität der Patienten (6 Monate post) sind die biographischen Belastungsfaktoren in unserer Patientenstichprobe relevant.
P13 Schmerzmessung P13.1 Gesichtsausdrucksskalen zur Schmerzerfassung im Kindesalter: Welche Gesichter sind kindgerecht? W. Finke Klinik für Anästhesiologie und operative Intensivmedizin, Marienhospital Herne, Universitätsklinik der Ruhruniversität Bochum Fragestellung: Die Schwierigkeiten einer verlässlichen Schmerzerfassung stellen einen wesentlichen Grund dafür dar, dass Kindern die erforderliche Schmerzbehandlung vorenthalten werden. Ab etwa 4 Jahren sollen Gesichtsausdrucksskalen die Quantifizierung des kindlichen Schmerzerlebnisses erleichtern. Etwa 30 Skalen wurden bisher publiziert; bei einigen bestehen erhebliche Zweifel an ihrer kindgerechten Gestaltung. Fehlende Akzeptanz der Erfassungsskalen von Seiten der Anwender stellt der Einführung einer systematischen Schmerzerfassung in der betroffenen Altersgruppe unnötig Hindernisse in den Weg. Eine Umfrage sollte klären, für wie kindgerecht Anwender verschiedene Skalen wahrnehmen und welche Kriterien für die Beurteilung ausschlaggebend sind. Methode: 34 Kinderkrankenschwestern, die im Rahmen der Nurse Controlled Analgesia routinemäßig Gesichtsausdrucksskalen anwenden, wurden aufgefordert,„Schulnoten“ für die Kindgerechtheit zehn prototypischer Gesichterskalen zu vergeben. Abbildungen und Quellen sind [1] und [2] zu entnehmen. Ergebnisse: 22 (65%) Beurteilungsbögen wurden ausgefüllt. Die Tabelle enthält einige charakteristische Merkmale der Skalen und die Beurteilung der Kindgerechtheit als MW.±SA (Min.-Max.).
Der Schmerz [Suppl 1]•2001
| S 89
Abstracts Bezeich- Autor nung
Bildtyp
Details Stufen Pole Ausdruck Beur teilung
SCHAT
Goddard
Cartoon mittel
5
2
unspez.
2,6±0,7 (1-4)
Faces Rating Scale
Whaley
Cartoon mittel
6
2
unspez.
2,7±0,9 (1-4)
—
Zernikow Piktogramm
wenige 6
2
unspez.
2,9±1,3 (1-5)
Smiley Analog Scale
Pothmann Piktogramm
wenige 5
2
unspez.
3,1±1,0 (1-5)
Facial McGrath Affective PA Scale
Zeichnung
viele
9
2
unspez.
3,1±1,2 (1-6)
—
Zeltzer
Zeichnung
viele
5
1
unspez.
4,2±1,3 (1-6)
—
Maunuksela
Piktogramm
wenige 5
1
unspez.
4,2±0,9 (3-6)
Oucher
Beyer
Fotografie
viele
6
1
Schmerz 4,2±1,2 (2-6)
Faces Pain Scale.
Bieri
Zeichnung
viele
7
1
Schmerz 4,5±1,2 (3-6)
Zeichnung
viele
5
1
Schmerz 4,6±1,0 (3-6)
ChilKuttner dren’s Pain Scale
Schlussfolgerung: Skalen mit schmerzspezifischem Gesichtsausdruck, darunter die beiden umfassend validierten Skalen von Beyer und Bieri, werden als nicht kindgerecht empfunden und überwiegend abgelehnt. Befriedigende Akzeptanz fand die Skala von McGrath. Sie ist zwar nicht schmerzspezifisch, ihre Skaleneigenschaften in Bezug auf die Intensität der allgemeinen affektiven Beeinträchtigung sind aber gut untersucht. Damit stellt sie wohl den besten Kompromiss zwischen Validität und Akzeptanz dar. 1. Champion GD, Goodenough B, von Baeyer CL, Warwick T: Measurement of pain by self-report. In: Finley GA, McGrath PJ (Hrsg): Measurement of Pain in Infants and Children. Progress in Pain Research and Management Vol. 10. IASP Press, Seattle 1998, pp.123-160. 2. Zernikow B: Schmerztherapie bei Kindern. Springer, Heidelberg 2000 P13.2 Schmerzschwellen im Sonnenbrand-Modell: Vergleichbarkeit der Cross-over-Testung S. Anzenhofer, T. Sycha*, H.G. Kress Klinische Abteilungen für Anästhesie und Allg.Intensivmedizin (B) und *Neurologie, neurologische Rehabilitation, Universität Wien Fragestellung: Die Bestimmung von Schmerzschwellen ist eine etablierte Methode, deren Genauigkeit jedoch von der Vorerfahrung des Probanden mit der Methodik abhängt. Thermische Schmerzschwellen in normaler Haut unterscheiden sich signifikant zwischen einer ersten Testsitzung und den folgenden Sitzungen (1). Die Hyperalgesie im experimentellen Sonnenbrand erreicht nach 24 und 48 Stunden ein vergleichbares Niveau (2). Für pharmakologische Untersuchungen ist die Konstanz der Schmerzschwellen innerhalb weniger Stunden und die verläßliche Wiederholbarkeit dieses Testparameters von großer Bedeutung. Deshalb sollte in der vorliegenden Studie die Konstanz der Hitzeschmerztoleranzschwelle zwischen 20 und 30 Stunden nach Auslösen des Sonnenbrands und die Wiederholbarkeit dieses Parameters in einem Cross-over-Design untersucht werden. Methodik: Nach Zustimmung der Ethikkommission wurden 8 gesunde Frauen in eine prospektive, randomisierte Cross-over-Studie eingeschlossen. Es wurde die mittlere Erythemdosis (MED) einer UVB-Bestrahlung ermittelt und im maximalen Erythem ein intensives Training der Bestimmung von Schmerztoleranzschwellen auf Hitze (Thermoanalysator TSA 2001, Medoc) durchgeführt. 20 Stunden nach UVB-Bestrahlung ( 3-fache MED) am Oberschenkel erfolgte jeweils eine Doppelbestimmung der Schmerztoleranzschwellen im Sonnenbrand und auf der
S 90 |
Der Schmerz [Suppl 1]•2001
normalen Gegenseite. Die Testung wurde im Abstand von 2 Stunden bis zur 30. Stunde nach Bestrahlung wiederholt. Die Untersuchung wurde in einer 2. Sitzung im Abstand von 1 Woche auf der randomisiert zugeteilten Gegenseite wiederholt. Die Auswertung erfolgte mit ANOVA. Ergebnisse: Im Areal des Sonnenbrands wurde die Hitzeschmerztoleranzschwelle durchschnittlich um 6,7°C im Vergleich zu normaler Haut gesenkt. Die Mittelwerte der 1.Sitzung waren über 10 Stunden konstant (42,2°, 42,1°, 42,2°, 42,8°, 42,1°, 42,6°) ebenso wie die der 2. Sitzung (43°, 42,5°, 42,1°, 42°, 41,2°, 42,2°). Zwischen der 1. und 2. Sitzung gab es keinen signifikanten Unterschied (p = 0,382). Schlussfolgerung: Unsere Ergebnisse bestätigen, dass im SonnenbrandModell die Hitzeschmerztoleranzschwelle im Vergleich zu normaler Haut signifikant erniedrigt ist und zeigen außerdem eine Konstanz dieser Hyperalgesie zwischen 20 und 30 Stunden nach Bestrahlung. Wenn eine Trainingssitzung vorausgeht, unterscheiden sich die Schmerztoleranzschwellen nicht zwischen zwei Cross-over-Sitzungen im Abstand von einer Woche. Unter dieser Bedingung ist die Bestimmung von Schmerzschwellen im Sonnenbrand-Modell im Rahmen eines Cross-over-Designs vergleichbar und deshalb für weitere Studien geeignet. 1. Yarnitsky D, Sprecher E, Zaslansky R, Hemli JA. Multiple session experimental pain measurement. Pain 1996;67:327-333. 2. Hoffmann RT, Schmelz M. Time course of UVA- and UVB-induced inflammation and hyperalgesia in human skin. Europ J Pain 1999;3: 131-139. P13.3 Eignet sich die Bestimmung der Cortisolkonzentration im Speichel von Neugeborenen als Parameter für die Reaktion auf Schmerz und Streß? J. Kloft, Ch. Hünseler, B. Keuth, B. Roth Universitäts-Kinderklinik Köln, Josef-Stelzmann-Str.9, D-50924 Köln Einleitung: Das neonatale Reaktionsmuster auf Schmerz und Streß wurde in den letzten Jahren mehr und mehr erforscht [Anand, N Engl J Med 87, Pediatr Clin North Am 89], die genaue Bewertung und Charakterisierung jedoch ist weiterhin schwierig. Zwar gibt es Beurteilungsskalen [Ho, Ann Emerg Med 96, Modrcin-McCarthy, J Perinat Neonat Nurse 97] der kindlichen Streßantwort, die z. B. Verhaltensauffälligkeiten und motorische Reaktionen bewerten, doch fehlen genaue Richtlinien, den Schmerz- und Streßzustand des Ngb. adäquat zu quantifizieren und definieren. Wir möchten versuchen, die Bestimmung der Cortisolkonzentration in der Speichelflüssigkeit als Parameter für die Reaktion auf Schmerz und Streß in der neonatologischen Schmerzdiagnostik zu überprüfen. Angewandte Methodik: Die Corti-solwerte wurden mit Hilfe eines ELISA (Fa. IBL, Hamburg) bestimmt (unt. Nachweisgrenze 1,14 ng/ml, Intraassayvarianz: 3-5%). Zur Gewinnung der Speichelproben verwandten wir, nach vorheriger Stimulation der Speichelsekretion mit Ascorbinsäure (5%), pro Patient 2 spezielle Wattebäusche (Fa. Sarstedt, Nürnbrecht), die nacheinander für ca. 5 Min. in eine Wangentasche gelegt wurden. In einer Salivette wurde der Speichel abzentrifugiert und bis zur Analyse bei –20°C tiefgefroren. Nach Begutachtung der Studie durch die Ethikkommission und schriftlicher Einverständniserklärung der Eltern wurden bei 25 Neugeborenen (Geburtstgewicht 1940-4800g, postnatales Alter 2-19d) an drei aufeinanderfolgenden Tagen vor der Pflegerunde um 4, 8, 12 und 20 Uhr Speichelproben entnommen, zusätzlich in der Mittagspflegerunde (12.30 Uhr) nach endotrachealem Absaugen der bei schwerem Lungenversagen beatmeten Kinder. Parallel erfolgten Aufzeichnungen über das Schmerz- und Streßverhalten anhand von Fremdbewertungsskalen [Hartwig, Eur J Pediatr 91, Büttner, AINS 6/98], Sedierung & Analgesierung und ärztliche & pflegerische Interventionen. Finanziell unterstützt wurde die Studie von der Imhoff-Stiftung, Köln. Ergebnisse: Bei 21 der 25 Patienten konnte in sämtlichen Proben eine für die Doppelbestimmung ausreichende Speichelmenge (100 µl) gewonnen werden, bei 4 Pa-tienten waren einige Probenmengen zu gering. Eine erkennbare Rhythmik der Cortisolsekretion der 1-3 Wochen alten Ngb. ergab sich nicht. Die gemessene Cortisolkonzentration lag bei den mittels Midazolam (50µg/kg/h) und/oder Fentanyl (1µg/kg/h) analgosedierten Patienten - dies ist die Gruppe der beatmeten Probanden - zwischen 5,2 und 140,5 ng/ ml, Mittelwert 28,1 ng/ml, Median 21,8 ng/ml, die Cortisolwerte der Patienten ohne Analgosedierung – diese Kinder wurden bereits extubiert, oder sie waren pulmonal nicht ernsthaft erkrankt, so dass auf eine Atemhilfe verzichtet werden konnte - reichten von 6 bis 247,5 ng/ml, im Mittel 35,3 ng/ml, Median 25,6 ng/ml. Es zeigte sich eine zunehmende Variabilität der Cortisolkonzentration gegen Abend, insbesondere bei den nicht analgosedierten Patienten. Die Cortisolsekretion und der zum Zeitpunkt der Speichelentnahme erhobene Streß-Score veränderten sich
nicht gleichsinnig und ließen keine Relation erkennen. Bei den Probanden nach endotrachealem Absaugen (12.30 Uhr) konnten wir keine einheitlichen Veränderungen bezüglich Cortisolkonzentration und SchmerzScore nachweisen. Auch diagnostische und therapeutische Maßnahmen sowie pflegerische Interventionen scheinen kaum Einfluss auf die Cortisolsekretion zu nehmen. Schlussfolgerung: Anhand der gewählten Methode ist es uns nicht gelungen, den Streß- und Schmerzzustand des Ngb. zu charakterisieren bzw. Zusammenhänge mit Streßreaktionen zu objektivieren. Es bedarf weiterer Untersuchungen, um festzustellen, ob die Entwicklung der endogenen Cortisolrhythmik durch äußere Störfaktoren, insbesondere durch intensivmedizinische Betreuung, beeinflusst wird. P13.4 Kann man Schmerzen sehen? Eine Untersuchung zu den Gütekriterien der Schmerzzeichnung als diagnostisches Instrument M. Pfingsten, M. Baller, J. Strube, J. Hildebrandt Schwerpunkt Algesiologie, Georg-August-Universität Göttingen Fragestellung: Die topographische Darstellung der Schmerzlokalisation durch die Betroffenen selbst (Schmerzzeichnung) ist heute ein fester Bestandteil der Schmerzdiagnostik. Obwohl sich das Verfahren durch eine hohe Augenscheinvalidität auszeichnet, sind Aussagen über Testgütekriterien der Schmerzzeichnung wie Reliabilität (Wiederholungszuverlässigkeit, Intra- und Inter-Rater-Reliabilität) und Validität (kriteriumsbezogene Validität), Veränderungssensitivität und prognostische Eigenschaften kaum vorhanden. Methodik: Von 120 Patienten mit Rückenschmerzen wurden Schmerzzeichnungen und andere Parameter (Krankheitsgeschichte, Schmerzerleben, psychische Befindlichkeit) zu mindestens 2 Messzeitpunkten (vor und nach Behandlung) erhoben. Die Zeichnungen wurden sowohl quantitativ (versch. GRID-Schemata) als auch qualitativ (Schema nach Ransford) ausgewertet. Alle Zeichnungen wurden durch 2 unterschiedliche Rater (erfahrene Schmerztherapeuten) unabhängig voneinander beurteilt (Inter-Rater-Reliabilität; bei 20 Zeichnung erfolgte zur Prüfung der intra-Rater-Reliabilität eine (verblindete) wiederholte Vorlage der gleichen Zeichnung. Bei 40 Patienten wurde darüber hinaus die Zeichnung nach kurzer Zeit (ohne Intervention) wiederholt (Re-Test-Reliabilität). Ergebnisse: Die Schmerzzeichnungen erwiesen sich im Hinblick auf die geprüften Auswertungsschemata als reliable Instrumente. Sowohl die quantitative als auch die qualitative Auswertung zeigten zufriedenstellende bis hohe Wiederholungszuverlässigkeiten und z.T. akzeptable IntraRater- und Inter-Rater-Reliabilitäten. Unterschiedliche Ergebnisse ergaben sich bzgl. der Validität. Die versch. Auswertungsschemata zeigten nur geringe bis mittlere statistische Zusammenhänge mit Testverfahren zur Messung der Depressivität und des Beeinträchtigungserlebens. Auch die Übereinstimmungen zwischen den Auswertungs-Schemata und generalisierten Einschätzungen psychischer Beeinträchtigung (Operationalisierung durch Testverfahren und Explorationsergebnisse) fiel eher unzufriedenstellend aus. Diskussion: Schmerzzeichnungen sind wichtige Elemente der Schmerzdiagnostik, die insbesondere zweckmäßig sind, um den verbalen Bericht über Schmerzlokalisation und -ausbreitung zu ergänzen. Sie eignen sich nur wenig zur Messung der Veränderung (vor und nach Behandlung) und sich bzgl. ihrer Fähigkeit, psychologische Faktoren abzubilden, nur eingeschränkt nutzbar. Hier können sie allenfalls Hinweise geben (vorrangig bei extrem auffälligen Zeichnungen), die durch eine differenzierte psychologische Diagnostik präzisiert werden sollten.
P14 Tumorschmerz P14.1 Psychische Beeinträchtigung im SCL-90-R bei 100 Tumorpatienten einer anaesthesiologischen Schmerzambulanz F. Elsner1, B. Sonntag2, G. Loick1, A. Koop3, L. Radbruch1 1 Klinik und Poliklinik für Anaesthesiologie und Operative Intensivmedizin 2 Institut und Poliklinik für Psychosomatik und Psychotherapie 3 Institut für Medizinische Statistik, Informatik und Epidemiologie der Universität zu Köln Einleitung: Im Rahmen des vom Bundesministerium für Gesundheit geförderten Schmerztherapeutischen ambulanten Netzwerks der Region Köln (STAN) wurden 100 aufeinanderfolgende Tumorschmerzpatienten einer anaesthesiologischen Schmerzambulanz mit einem Fragebogen zu
Schmerzen und Lebensqualität befragt. In diesem Fragebogen wurde auch die Symptom-Check-List 90 nach Derogatis (SCL-90-R) zur Erhebung der psychischen Belastung eingesetzt. Methodik: Ein Patientenfragebogen, der im Rahmen des STAN entwickelt worden war, erfaßte demographische Daten, die Schmerzintensität (Brief Pain Inventory, BPI), die Lebensqualität (SF-36) sowie Fragen zu Behandlungen und Inanspruchnahme von Versorgungsleistungen. Die psychische Beeinträchtigung wurde in diesem Fragebogen anhand des SCL-90R bei 100 aufeinanderfolgenden Tumorschmerzpatienten der anaesthesiologischen Schmerzambulanz der Universitätsklinik Köln an drei Zeitpunkten innerhalb von 12 Wochen gemessen. Dieses Kollektiv diente auch zum Vergleich mit den Tumorschmerzpatienten, die in STAN von den kooperierenden niedergelassenen Ärzten behandelt worden waren. Der SCL-90-R ist ein Selbstbeschreibungsinstrument zur umfassenden Erhebung der psychischen Belastung. 90 Fragen mit typischen Symptombeschreibungen erfassen acht Symptombereiche, aus denen sich die drei Globalmaße „Grundsätzliche psychische Belastung“, „Intensität der Antworten“ und „Anzahl der Symptome“ ableiten lassen (Normbereich 50 ± 10; je größer, desto ausgeprägter das Symptom). Ergebnisse: Die grundsätzliche psychische Belastung und die Intensität der Anworten lagen bei den Patienten der Schmerzambulanz beim ersten Befragungszeitpunkt etwas über dem Normbereich (62,9 ± 1,3 bzw. 64,9 ± 1,2). Im Verlauf der Behandlung fiel die Intensität jedoch in den Normbereich. Die Anzahl der Symptome lag bei den Schmerzambulanzpatienten innerhalb der Norm. In der Gruppe der Patienten, die über die STAN-Kooperationsärzte befragt worden waren, blieben die drei Globalmaße bei allen Befragungszeitpunkten im Normbereich. In den Subskalen boten beide Gruppen zu allen Zeitpunkten erhöhte Werte im Grad der Somatisierung (Schmerzambulanz: 68,3 ± 1,4; STAN: 64,3 ± 2,1, jeweils bei Ersterhebung). Die Patienten der Schmerzambulanz wiesen höhere Werte bei der Depressivität (64,4 ± 1,4) als die STAN-Patienten (61,6 ± 2,1) auf. Schlussfolgerung: Die Depressivität der Tumorschmerzpatienten in der anaesthesiologischen Schmerzambulanz ist trotz einer im Behandlungsverlauf dokumentierten guten Schmerzlinderung höher als bei den Tumorschmerzpatienten der STAN-Kooperationsärzte im niedergelassenen Bereich. Dies ist möglicherweise durch das fortgeschrittene Krankheitsstadium der Schmerzambulanzpatienten zu erklären. Insgesamt fällt eine geringe psychische Komorbidität der Tumorschmerzpatienten in beiden Gruppen auf. P14.2 Häufigkeit des Einsatzes von Laxantien bei ambulanten Tumorschmerzpatienten mit chronischer Opioidmedikation – Indikator der Prozeßqualität? G.-G. Hanekop, M.T. Bautz, M. Kriegler, A. Vossen-Wellmann, D. Kettler, F.B.M. Ensink Arbeitsgruppe SUPPORT, Georg-August-Universität Göttingen, Waldweg 35, 37073 Göttingen Fragestellung: Gemäß Stufenplan der WHO [4] stellt die Gabe von Opioiden einen Eckpfeiler in der Behandlung von chronischen Tumorschmerzen dar. Neben der erwünschten analgetischen Wirkung weisen diese Substanzen auch typische unerwünschte Nebenwirkungen auf: besonders zu erwähnen ist hier die Obstipation. Im allgemeinen lässt die Obstipation auch bei längerfristiger Opioidanwendung keine Gewöhnungsphänomene erkennen. Deswegen wird von Experten bei chronischer Opioidmedikation eine kontinuierliche prophylaktische Laxantiengabe empfohlen [2, 4]. Um zu prüfen, ob sich primär behandelnde Ärzte an derartigen Empfehlungen orientieren (als möglicher Indikator der Prozeßqualität), wurden die therapiebezogenen Daten von 395 Tumorschmerzpatienten retrospektiv ausgewertet. Methodik: Im Rahmen des Modellprojektes SUPPORT [1] wurden patientenbezogen fortlaufend demographische und behandlungsrelevante Daten erfaßt. Eingang in die vorliegende Auswertung fanden sämtliche seit 01.07.1997 für das Projekt rekrutierten Tumorschmerzpatienten, deren Daten (u.a. von mehr als 20.000 Einzelkontakten) bis zum 30.04.2001 vollständig in der Datenbank dokumentiert waren (n = 395). Ergebnisse: Von diesen 395 Patienten erhielten 310 (= 78,5%) zu Beginn der Betreuung durch SUPPORT Opioide in unterschiedlichen Applikationsformen und Dosierungen, die bereits von vorbehandelnden Ärzten verordnet worden waren.Hierbei handelte es sich in 70 Fällen (22,6% der mit Opioiden behandelten bzw. 17,7% aller ausgewerteten Patienten) um Opioide der WHO-Stufe 2, in den übrigen 240 Fällen (77,4% der Opioid-Behandelten bzw. 60,8% des Gesamtkollektivs) um solche der WHO-Stufe 3. Eine begleitende Medikation mit Laxantien erfolgte bei 145 Personen (46,8% der mit Opioiden behandelten bzw. 36,7% aller ausgewerteten Patienten). Der Schmerz [Suppl 1]•2001
| S 91
Abstracts Schlussfolgerung: Positiv erscheint, dass nahezu 80% der zumeist terminal kranken Tumorpatienten zum Rekrutierungszeitpunkt bereits mit einem Opioid behandelt wurden. Andererseits hat nur ein Anteil von weniger als 50% der Patienten auch eine Begleitmedikation mit einem Laxans erhalten; dies deutet entweder auf Unkenntnis der entsprechenden Therapieempfehlungen resp. auf deren unzulängliche Umsetzung hin. Die fehlende Akzeptanz muss nicht zwangsläufig auf eine mangelnde „Leitlinienkonformität“ hindeuten sondern könnte theoretisch auch eine mangelnde klinische Relevanz dieser Empfehlungen widerspiegeln. Bisher bekannte Studien lassen bezüglich der Notwendigkeit einer solchen Prophylaxe keine eindeutigen Schlüsse zu. In einer großen prospektiven Erhebung an 2.118 Tumorpatienten wurden zu Studienbeginn lediglich 8%, zum Zeitpunkt des Studienabschlusses auch nur 42% der dokumentierten Patienten mit Laxantien behandelt [5]. In einer anderen prospektiven Untersuchung an Hospizpatienten, wurde demgegenüber festgestellt, dass von den Patienten, die starke Opioide erhielten, 87% Laxantien benötigten, verglichen mit 70% derjenigen, die mit schwachen Opioiden behandelt wurden, und gegenüber 64% derjenigen, die gar kein Opioid erhielten [3]. Die Unterschiede zwischen beiden Arbeiten lassen differente Schweregrade bzw. Tumorstadien der jeweiligen Patientenkollektive vermuten. Um in Zukunft die Prozeßqualität der Tumorschmerztherapie eindeutig bewerten zu können, bedarf es auch hinsichtlich der Obstipationsprophylaxe bei chronischer Opioidmedikation einer evidenzbasierten Leitlinie; dazu müssen jedoch adäquate Studien vorliegen. Literatur: [1] Ensink FBM et al. (1999) SUPPORT: Gesundheitsökonomisch relevantes Zwischenergebnis eines Modell-projekts der Ärztekammer Niedersachsen zur Qualitätssicherung der palliativmedizinischen Versorgung terminal kranker Patienten. Gesundheitsökon Qualitätsmanage 4:163-168 [2] Hartenstein R et al. (1997) Allgemeine Symptombehandlung in der Palliativmedizin. Gastrointestinale Symptome. In: Aulbert E, Zech D (Hrsg.) Lehrbuch der Palliativmedizin. Schattauer, Stuttgart, S. 531- 555 [3] Sykes NP (1998) The relationship between opioid use and laxative use in terminally ill cancer patients. Palliat Med 12:375-382 [4] WHO (1996) Cancer pain relief (2nd ed.). World Health Organization, Geneva [5] Zech DFJ et al. (1995) Validation of World Health Organization guidelines for cancer pain relief. Pain 63:65-76 P14.3 Effektivität von oralem retardierten Hydromorphon in der Tumorschmerztherapie C. Funke, B. Wiedemann, T. Köhler, W. Richter Klinik für Anästhesiologie, Intensiv- und Schmerztherapie am Städt. Klinikum „St. Georg“, Leipzig Fragestellung: Mit der Zulassung von retardiertem Hydromorphon steht in Deutschland seit geraumer Zeit ein weiteres hochpotentes Opioid für die Therapie von starken Schmerzen zur Verfügung, dessen Vorteile u.a. in einer stärkeren Wirksamkeit und besseren Verträglichkeit liegen sollen. Wir gingen deshalb der Frage nach, wie effektiv und verträglich dieses Präparat (Palladon(superscript: ®)) bei Schmerzpatienten mit fortgeschrittenem Tumorleiden ist. Methode: Auf unserer Palliativstation wurden 38 Tumorschmerzpatienten (27 Männer, 11 Frauen, 64 ± 12 Jahre), die bei Aufnahme bereits mit einem oder mehreren starken Opioiden therapiert wurden, untersucht. Ausgeschlossen waren alle Patienten, bei denen eine orale Aufnahme nicht möglich war. Die stationäre Verweildauer lag bei 14,6 ± 6,8 Tage. Der Untersuchungszeitraum betrug 10 Tage. Die Neueinstellung mit retardiertem Hydromorphon erfolgte am zweiten stationären Tag und wurde nach der bisherigen oralen Morphinäquivalent-Tagesdosis x 0,133 vorgenommen. Die errechnete Tagesdosis wurde halbiert und im 12-Stundenintervall verabreicht. Hauptauswertungskriterium war die Schmerzintensität, gemessen 2x täglich in Ruhe und Bewegung mit einer fünfstufigen Ratingsklala (1= kein Schmerz, 2= geringer Schmerz, 3= mittelstarker Schmerz, 4= starker Schmerz, 5= unerträglicher Schmerz) am Tag 0, 3, 7 und 10 ab Beginn der Therapie mit Hydromorphon. Erfasst wurden weiterhin Nebenwirkungen, die zur Dosisreduktion oder Wechsel des Opioids führten, zusätzlich notwendige spezielle schmerztherapeutische Verfahren sowie Dosisveränderungen. Ergebnisse: Nach Umstellung auf Hydromorphon berichteten 36 Patienten (95%) über eine Verringerung der Schmerzintensität. Bei 2 Patienten (5%) war die Schmerzausschaltung schlechter als mit der Vormedikation, so dass nach erfolgloser Dosisanpassung ein erneuter Opioidwechsel erfolgte. Bei 4 Patienten (10%) wurde die errechnete Dosis auf Grund von Nebenwirkungen (3x Müdigkeit, je 1x Übelkeit/Erbrechen und Verwirrtheit) reduziert. Bei einem Patienten mit infiltrierend wachsendem Rek-
S 92 |
Der Schmerz [Suppl 1]•2001
tumkarzinom wurde zusätzlich eine intrathekale Neurolyse durchgeführt. Bei 4 Patienten (10%) konnte die Tagesdosis bei weiter guter Wirksamkeit reduziert werden. Die Schmerzintensität verringerte sich durchschnittlich innerhalb von 10 Tagen in Ruhe von 2,5 auf 2,0 (p< 0,05) und bei Bewegung von 3,3 auf 2,6 (p< 0,05). Am dritten Behandlungstag war die Schmerzreduktion mit 1,9 in Ruhe und 2,4 bei Bewegung am größten. Schlussfolgerungen: Die Ergebnisse dieser Untersuchung unterstreichen, dass das oral anwendbare retardierte Hydromorphon bei einem großen Teil (95%) der Patienten mit fortgeschrittenem Tumorleiden gut und besser wirksam ist als andere starke Opioide. Typische Nebenwirkungen wie Müdigkeit, Übelkeit und Verwirrtheit sind selten (10%) und können ggf. durch Dosisreduktion meist beherrscht werden. P14.4 Wirbelsäulenstabilisierung und Lebensqualität bei terminaler Tumorerkrankung I. Michiels, A. Pingsmann, E. Schäfer Klinik und Poliklinik für Orthopädie, Universitätsklinikum Essen, Hufelandstraße 55, 45122 Essen Instabilitätsschmerzen sind bei Patienten mit Wirbelsäulenmetastasen im terminalen Krankheitsstadium medikamentös schlecht zu kontrollieren. Drohende oder zunehmende neurologische Defizite beinträchtigen die reduzierte Lebensqualität zusätzlich. Die lokale Krankheitsmanifestation an der Wirbelsäule beinflusst die Lebenserwartung meistens nicht, die infauste Prognose macht aber Behandler und Angehörige operativen Stabilisierungsverfahren gegenüber skeptisch. Wir instrumentierten 27 Patienten wegen therapierefraktärer Schmerzen oder neurologischer Komplikationen durch metastatisch bedingte Instabilitäten der Wirbelsäule nach dem Luque-Verfahren oder seinen Varianten. Dazu wurden Stäbe oder Rahmen auf die Wirbelbögen aufgelegt und mit sublaminären Drähten fixiert. Bei einer angenommenen Lebenserwartung von weniger als 6 Monaten wurde im interdisziplinären Konsens (Tumorkonferenz) auf eine zusätzliche abdominale oder thorakale Stabilisierung verzichtet. Operationsindikation war die Verbesserung der Lebensqualität. Lebensqualität und neurologisches Defizit wurden bei der stationären Aufnahme sowie 10-14 Tage und 3-6 Monate postoperativ mit dem Karnofsky-Index und dem Frankel-Score evaluiert. Bei 6 zum Zeitpunkt der Nachuntersuchung verstorbenen Patienten wurden die Funktionsbeschreibungen der Verwandten herangezogen. Die operative Stabilisierung verbesserte bei 24 der 27 Patienten sowohl die Lebensqualität als auch den neurologischenden Status gemessen am Karnofsky-Index und Frankel-Score. Die Zunahme im Karnofsky-Index war insbesondere auf die weitgehende Schmerzfreiheit und die dadurch wiederhergestellte Mobilität oder die Pflegeerleichterung zurückzuführen. Bei 3 Patienten verschlimmerte sich das neurologische Defizit vorübergehend, bei 2 Patienten dauernd. Bei 21 Patienten verminderte sich das neurologische Defizit oder blieb unverändert. Ein Patient verstarb postoperativ während des stationären Aufenthaltes. Bis auf einen Patienten mit einer thorakalen Querschnittslähmung konnten alle Patienten in den ersten 24 Stunden postoperativ mobilisiert werden. Das Luque-Verfahren ist ein wirksames, zuverlässiges, sicheres und kostengünstiges Verfahren zur Behandlung von Wirbelsäuleninstabilitäten durch Metastasen. Es ermöglicht eine rasche Mobilisation, reduziert den Analgetikabedarf, steigert die Lebensqualität und hat eine hohe Akzeptanz bei Patienten und Angehörigen. P14.5 Hydromorphon oral - eine Alternative in der Tumorschmerztherapie am Beispiel einer Palliativstation C. Ostgathe, F. Nauck, E. Klaschik Zentrum für Palliativmedizin Malteser Krankenhaus, Universität Bonn Fragestellung: Tumorpatienten benötigen in einem hohen Prozentsatz starke Opioide zur Behandlung ihrer Schmerzen. Orales Morphin stellt bis zum heutigen Tag den Goldstandard dar [1]. In den letzten Jahren stehen jedoch verschiedene andere retardierte Opioide, wie z.B. Hydromorphon, Oxycodon, Fentanyl und Levomethadon für die Behandlung starker Tumorschmerzen zur Verfügung. Einsatz und Indikation sowie die Effektivität von oralem Hydromorphon bei Patienten mit Tumorschmerzen soll dargestellt werden. Material und Methode: Grundlage dieser Untersuchung war die retrospektive Analyse der EDV gestützten Datenbank, in der von jedem Patienten auf der Palliativstation neben der Erfassung der Strukturqualität täglich sowohl die medikamentöse Behandlung zur Schmerztherapie und Symptomkontrolle als auch Schmerzintensität und Symptomausprägung
erfasst wird. Für den Zeitraum 10/99 bis 05/01 wurden die Daten sowie die Krankenakten ausgewertet. Ergebnisse: Im Beobachtungszeitraum wurden 263 Patienten behandelt. Schmerzen beklagten bei Aufnahme 76%, wobei diese bei 46% länger als 6 Monate bestanden. Tumorbedingte Schmerzen lagen bei 78% vor. Neuropathische Schmerzen - als Haupt oder Nebenschmerz- wurden bei 24% diagnostiziert. 56% der aufgenommen Patienten waren bereits mit starken Opioiden vorbehandelt. Die durchschnittliche Schmerzintensität auf der NRS bei Aufnahme der im stationären Verlauf mit oralem Hydromorphon (n=20) behandelten Patienten war sowohl in Ruhe als auch unter Belastung (R=4,9/B=6,6) nur geringfügig höher als bei dem Gesamtkollektiv (R=4,6/B=6,4). Gründe zum Wechsel auf orales Hydromorphon waren bei 93% der Patienten eine unzureichende Analgesie, bei 85% der Patienten führte dieser Wechsel zu einer deutlichen Schmerzreduktion. Weitere Gründe zum Opioidwechsel waren zu je 21% Verwirrtheit und Müdigkeit und zu je 7% Juckreiz und Übelkeit, hier zeigte sich eine Besserung bei 60% der Patienten. In der Hydromorphongruppe lag die durchschnittliche Opioiddosierung vor Aufnahme bei 396 mg (min. 160 mg, max. 760 mg) Morphinäquivalent pro Tag. Bei Entlassung erhielten die Patienten durchschnittlich 90 mg (min. 24mg; max. 152mg) orales Hydromorphon pro Tag. Die Schmerzreduktion bei den mit oralem Hydromorphon behandelten Patienten sowie beim Gesamtkollektiv im Verlauf (Aufnahme/Entlassung) lag bei > 75%. Schlußfolgerung: Auf der Palliativstation wurden insbesondere Patienten mit problematischen Schmerzsyndromen auf orales Hydromorphon eingestellt. Die vorliegenden Daten zeigen, dass orales Hydromorphon bei Tumorpatienten mit Schmerzen eine gute Wirksamkeit besitzt. Auch wenn Morphin nach den Empfehlungen der WHO der Goldstandard ist, stellt orales Hydromorphon eine wesentliche Bereicherung in der Behandlung tumorbedingter Schmerzen dar. Literatur: 1. Expert working Goup of the Research Nertwork of the European Association for Palliative Care, Morphine and Alternative Opioids in Cancer Pain: The EAPC Recommendations, British Journal of Cancer 2001 84 (5), 587-597 P14.6 Verkehrssicherheit unter Langzeittherapie mit Fentanyl-TTS (Durogesic®) R. Sabatowski1, S. Schwalen2, K. Rettig3, K.-W. Herberg4, L. Radbruch1 1 Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie und Operative Intensivmedizin, Universität Köln 2 Janssen-Cilag GmbH, Neuss 3 Gesellschaft für Evaluation und Qualitätssicherung in der Medizin mbH, Meerbusch 4 TÜV-Rheinland, Köln Fragestellung: Die Studie (FEN-GER-7) untersucht, ob Patienten mit chronischen Nicht-Tumorschmerzen unter einer kontrollierten Langzeitapplikation von Durogesic in Hinblick auf verschiedene psychomotorische Leistungen, die für die Sicherheit im Alltag - insbesondere die Fahrtüchtigkeit - als bedeutsam angesehen werden, gesunden, nach Alter und Geschlecht gleichen Referenzpersonen (matched pairs) aus einer historischen Norm-Stichprobe nicht unterlegen sind. Methodik: Prospektiv geplanter Vergleich zwischen 30 Patienten mit chronischen Nicht-Tumorschmerzen unter 65 Jahren, die mindestens seit 4 Wochen mit Durogesic behandelt wurden (mindestens seit 12 Tagen in stabiler Dosierung), und 90 im Alter und Geschlecht vergleichbaren gesunden Probanden aus einer Datenbank von conTest, Zentrum für Psychometrie der TÜV Kraftfahrt GmbH, Köln. Die Patienten wurden nach ihrer Schmerzdauer und -intensität befragt [Numerische Analogskala (NRS) 0 – 10 Punkte]. Mit Hilfe des „Wiener Testsystems“ wurden Reaktionsvermögen (Determinationstest: DT), Aufmerksamkeit (Cognitrone: COG), Genauigkeit der Wahrnehmung (Tachistokopischer Auffassungsversuch: TAVT33), motorische Koordination (2HAND-Test) und Vigilanz (VIGIL) überprüft. Solche Tests sind für die in der Fahrerlaubnisverordnung vorgesehene Überprüfung von Belastbarkeit, Orientierungs-, Konzentrations-, Aufmerksamkeitsleistung und Reaktionsfähigkeit von bestimmten Berufskraftfahrergruppen vorgeschrieben. Statistisch wurde die Nicht-Unterlegenheit von Patienten gegenüber den Normalpersonen überprüft. Hierfür wurde in Analogie zum Verkehrsrecht ein Effektstärke angenommen, wie sie bei den angewendeten Leistungstests unter 0,5 Promille Blutalkoholkonzentration auftritt. Es wurden die einzelnen Variablen der verschiedenen Tests und der Gesamtscore betrachtet, der als Summe der über alle Studienteilnehmer (Patienten und Referenzpersonen) z-transformierten vorrangigen Testwerte definiert wurde. Außerdem wurden die Testergebnisse beider Studiengruppen auf Erfüllung der
maßgeblichen Begutachtungskriterien für Fahrtauglichkeit überprüft (Unterschreiten des Prozentranges 16). Ergebnisse: Die Patienten [12 Frauen/18 Männer; Alter 50,0 ± 9,4 Jahre; Schmerzdauer 2 – 216 (Median 36) Monate; Momentanschmerz NRS 3, 7 ± 2,6 ] wurden mit 25 - 400 (Median 50) µg/h Durogesic behandelt. Per Protokoll (d.h. ohne Patienten, bei denen Antidepressiva, Barbiturate oder Benzodiazepine im Urin nachgewiesen wurden) wurden 21 Patienten analysiert. Eine signifikante Nicht-Unterlegenheit der mit Durogesic behandelten Patienten konnte für alle 9 Variablen des DT, COG, TAVT, 2-HAND und VIGIL und deren Gesamtscore (Durogesic 0,22 ± 2,30 ; gesunde Probanden –0,05 ± 2,57; GP + D 1,38± 2,57; p=0,036) nachgewiesen werden. Der Anteil der Patienten und Normalpersonen unter der 16%-Perzentile war nicht signifikant unterschiedlich (Durogesic: 0 Tests 66,7%, 1 Test 23,8%, ∆ 2 Tests 9,6%; gesunde Probanden: 0 Tests 74,4%, 1 Test 13,3%, ∆ 2 Tests 12,2%). Schlussfolgerungen: Patienten mit Nicht-Tumorschmerzen, die unter einer stabilen Schmerztherapie mit Durogesic stehen, weisen keine für die Alltagssicherheit relevanten Einschränkungen ihrer psychomotorischen Leistungssituationen (Belastbarkeit, Orientierungs-, Konzentrations-, Aufmerksamkeitsleistung und Reaktionsfähigkeit) auf. Die Analyse der für die Fahrtüchtigkeit bedeutsamen Parameter zeigt, dass solche Patienten einem gesunden Referenzkollektiv nicht unterlegen sind. P14.7 Fentanyl-TTS (Durogesic®): Einsatz bei opioid-naiven Patienten mit Tumorschmerzen S. Schwalen, O. Tawfik National Cancer Institute, Cairo, Egypt Fragestellung: Eine post-hoc Analyse der Studie (FEN-INT-20)zum Einsatz von Durogesic bei Patienten mit Tumorschmerzen soll dokumentieren, dass Patienten mit Durogesic sicher eingestellt und behandelt werden können, unabhängig davon, ob sie mit schwachen Opioiden vorbehandelt wurden oder nicht. Methodik: In die offene, multizentrische, internationale Studie wurden 292 Patienten mit Tumorschmerzen eingeschlossen und mit Durogesic therapiert; davon waren 135 mit starken, 84 mit schwachen und 73 nicht mit Opioiden vortherapiert. Die Beobachtungszeit betrug 28 Tage. Die Patienten dokumentierten Schmerzstärke, Übelkeit und Erbrechen in einem Tagebuch. Sie verglichen nach 4 Wochen die Therapie mit Durogesic mit der Vortherapie. Die hier vorgestellte post-hoc Analyse vergleicht die Sicherheitsdaten der opioid-naiven Patienten (WHO I) mit den Patienten, die zuvor mit schwachen Opioiden (WHO II) behandelt wurden. Ergebnisse: Die Patienten der beiden Gruppen unterschieden sich nicht in den demographischen Daten (Mittleres Alter: WHO I 57, 1 Jahre, WHO II 56,1 Jahre; mittleres Gewicht: WHO I 69,2 kg, WHO II 69,0 kg). Bei Einschluss hatten 55% der opioid-naiven Patienten mäßige, 30% schwere Schmerzen. Mit schwachen Opioiden vorbehandelte Patienten hatten zu 60% mäßige und 24% schwere Schmerzen. Die mittlere Schmerzstärke gemessen mit der visuellen Analogskala war zu Studienbeginn für beide Gruppen gleich (WHO I: 59,8 mm; WHO II: 59,4 mm). In beiden Gruppen hatten die Mehrzahl der Patienten diese Schmerzen seit bis zu 6 Monaten. Die Mehrzahl der WHO I-Patienten wurde mit Metamizol (52%) und Diclofenac (30%) vortherapiert. Die WHO II-Patienten erhielten in 82% der Fälle Tramadol. Die mittlere FentanylDosis unterschied sich am Studienende für die beiden Gruppen nicht (WHO I: 39,8 µg/h; WHO II: 43,6 µg/h), ebenso wenig die mittlere Schmerzstärke (VAS: WHO I: 31,6 mm, WHO II 32,0 mm). Die opioidnaiven Patienten und die mit schwachen Opioiden vorbehandelten Patienten vollendeten jeweils zu 85% die Studie. Es brachen 8% in der WHO I- und 6% in der WHO II-Gruppe die Therapie aufgrund von unerwünschten Ereignissen ab. Über leichte Übelkeit klagten am Ende der ersten Woche 27% der WHO I- und 19% der WHO II-Patienten, über mäßige bis schwere Übelkeit 9% der WHO I-und 11% der WHO II-Patienten. Erbrechen trat in beiden Gruppen nur in Einzelfällen auf. Eine Präferenz der Therapie mit Durogesic gegenüber der Vortherapie gaben 95% der WHO I- und 88% der WHO II-Patienten an; in beiden Gruppen zumeist aufgrund einer besseren Schmerzreduktion (> 60%) und einer einfacheren Handhabung (> 25%). Schlussfolgerungen: Der Vergleich von entsprechend ihrer Vorbehandlung mit Medikamenten der WHO Stufe I oder II gruppierten Patienten, die aufgrund ihrer mäßigen bis starken Schmerzen auf Durogesic eingestellt wurden, zeigte keinen wesentlichen Unterschied in den Sicherheitsdaten. Die Initiierung der Therapie von Patienten mit Tumorschmerzen mit Durogesic ist gut verträglich unabhängig davon, ob die Patienten zuvor mit schwachen Opioiden behandelt wurden oder nicht. Der Schmerz [Suppl 1]•2001
| S 93
Abstracts
Assoziierte Symposien AS1 Leben am Limit – Die Zukunft der Schmerztherapie?! AS2 Neue Möglichkeiten in der Schmerztherapie AS3 Migräne-Therapie im ganzheitlichen Ansatz AS4 Herpes zoster – Therapie ausgereizt? AS5 Schmerz bei Arthrose – Eine Therapie im Wandel AS6 10 Jahre Sumatriptan – neue Erkenntnisse und Perspektiven AS7 Problemlösungen in der Palliativmedizin – Interaktive Veranstaltung mit videogestützten Patientenbeispielen AS8 Migränemanagement – Heute und Morgen AS9 Dimensionen des Nervenschmerzes
Lunchsymposien L1 Welche Vorteile bietet Almotriptan für die Migränetherapie? L2 Levomethadon (Methadon) in der klinischen Anwendung L2.1 Levomethadon bei Tumorschmerzen – Opioidwechsel Wie? Wann? Warum? F. Nauck, C. Ostgathe, E. Klaschik Zentrum für Palliativmedizin, Malteser Krankenhaus, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn Einleitung: Levomethadon, der analgetisch wirksame Bestandteil von Methadon, ist ein starkes lipophiles Opioid mit hoher oraler Bioverfügbarkeit. Es ist ein µ-Opioidagonist und möglicherweise ein d-Opioid Rezeptoragonist. Der analgetische Effekt wird durch die Blockierung sowohl des NMDA-Rezeptor-Kanals als auch der präsynaptischen Wiederaufnahme von Serotonin verstärkt. Levomethadon ist in der Tumorschmerztherapie wegen der schwierigen Titration aufgrund variabler Plasmahalbwertzeit von 8–80 Stunden kein Opioid der ersten Wahl. Hauptindikation zum Opioidwechsel und Einsatz von Levomethadon auf unserer Palliativstation sind nicht ausreichende Analgesie bzw. zunehmende Schmerzen trotz Dosissteigerung des bisherigen Opioids oder anhaltende Nebenwirkungen trotz Prophylaxe. Aufgrund der schwierigen Titration haben wir ein Schema entwickelt, um den Opioidwechsel von Morphin auf Levomethadon zu erleichtern. Patienten und Methode: Da sowohl Krankenpflegepersonal als auch Patienten mit einer Analgetikagabe nach festem Zeitschema vertraut sind, haben wir für den Wechsel auf Levomethadon ein Titrationsschema analog der Einstellung auf nicht retardiertes Morphin entwickelt. Dieses Titrationsschema wurde sowohl bei Patienten mit hohen Opioiddosierungen, als auch bei Patienten mit niedrigeren Dosierungen in der Vormedikation angewendet.
S 94 |
Der Schmerz [Suppl 1]•2001
Tag 1: Morphingabe wird unmittelbar gestoppt. Unabhängig von der Morphindosierung vor dem Opioidwechsel Beginn mit Levomethadon 2,55 mg oral – 4h Gabe, Bedarfsmedikation analog der Einzeldosis max. alle 1 h. Tag 2–3: Bei unzureichender Schmerzreduktion: Dosissteigerung von Levomethadon bis zu 30% – 4h Gabe, Bedarfsmedikation max. alle 1h – bis eine suffiziente Schmerzlinderung erreicht ist oder Nebenwirkungen auftreten. Tag 4: Nach exakt 72 Stunden Verlängerung des Applikationsintervalls auf alle 8h – Gabe der Bedarfsmedikation analog der Einzeldosis maximal alle 3h. ≥ Tag 4: Bei nicht ausreichender Schmerzlinderung: Dosissteigerung von Levomethadon bis zu 30% – 8h Gabe, Bedarfsmedikation analog der Einzeldosis max. alle 3h – bis eine ausreichende Schmerzlinderung erreicht ist oder Nebenwirkungen auftreten. Die Varianz der Dosierung von Levomethadon betrug 5–100 mg alle 8h. Ergebnis: Wir konnten alle Patienten auf Levomethadon umstellen und erreichten eine stabile und suffiziente Schmerzlinderung ohne starke Nebenwirkungen. 20% der Patienten klagten vorübergehend über mäßig starke Nebenwirkungen wie Schwindel, Müdigkeit oder Konzentrationsschwierigkeiten. Somit stellt das dargestellte Titrationsschema ein leicht anwendbares und sicheres Verfahren dar, um auch von hohen Morphindosierungen auf Levomethadon zu wechseln.
L3 Opioide bei nicht tumorbedingten Schmerzen – Auf dem Weg zur maßgeschneiderten Opioidtherapie L4 Rofecoxib in der Schmerztherapie L4.2 Rofecoxib – Klinische Daten zum akuten Schmerz H. Zeidler Abt. Rheumatologie, Medizinische Hochschule Hannover Die analgetische und antiphlogistische Wirkung von Rofecoxib ist durch zahlreiche Studien belegt. Am häufigsten wurde die analgetische Wirkung für die akute Schmerztherapie nach Zahnextraktion untersucht. In 6 Placebo-kontrollierten doppel-blinden Studien mit einem Dosisspektrum von 7,5 mg bis 500 mg erwies sich eine Dosis von 50 mg Rofecoxib als Standarddosis mit einer ausreichend schnellen und starken Schmerzlinderung (1). Höhere Dosen erbrachten keinen zusätzlichen Therapieeffekt. Der maximale analgetische Effekt ist vergleichbar mit Naproxen 550 mg und Ibuprofen 400 mg und unter Rofecoxib auggrund der längeren Halbwertzeit unter dieser Substanz länger anhaltend. In weiteren Studien wurde die akute analgetische Wirkung auch in der Behandlung der Dysmenorrhoe sowie nach orthopädischen Eingriffen wie dem Einsatz von Totalendoprothesen (Knie, Hüfte) nachgewiesen (2). Wichtig sind desweiteren die Ergebnisse einer Studie bei großen, spinalen Operationen bei denen durch präoperative Gabe von Rofecoxib der postoperative Opoidbedarf (Morphin) auf die Hälfte gesenkt wurde. Schließlich ist Rofecoxib auch für die akute Schmerztherapie der Arthrose insbesondere bei Aktivierungszuständen geeignet. Mehrere kontrollierte Studien belegen einen raschen anhaltenden schmerzlindernden Effekt, der bereits nach 1-2 Tagen eintritt und nach 1-2 Wochen sein Maximum erreicht. Die Schmerzlinderung ist vergleichbar mit den traditionellen NSAID wie Ibuprofen, Naproxen und Diclofenac. Gegenüber einer rein analgetischen Therapie mit Paracetamol kann bei der aktivierten Arthrose auf die Symptome Ruheschmerzen, Nachtschmerzen und Morgensteifigkeit durch Rofecoxib eine deutlich bessere Wirksamkeit erzielt werden. 1. Morrison B.W., Fricke J., Braun J. et al: The optimal analgesic dose of Rofecoxib: overview of 6 randomized controlled trials JADA 2000; 131: 1729 2. Matheson A.J., Figgit B.D.: Rofecoxib. A review of its use in the management of osteoarthritis, acute pain and rheumatoid arthritis. Drugs 2001; 61; 833
L5 Prävention der Schmerzchronifizierung L6 Moderne Migränetherapie – was gibt’s Neues? L7 Chronischer Schmerz im Alter – Auf dem Weg zur maßgeschneiderten Opioidtherapie L7.5 Wie können alte Menschen zur Mitarbeit in der Therapie motiviert werden? – Zur Anpassung der Therapieschemata an die Bedürfnisse alter Menschen W. Sohn, Kempen Individualität wahrnehmen: Durch die Erfahrungen langer Lebenswege ist die angelegte Individualität möglicherweise ausgeprägter als sie sich in der Jugend darstellt. Eine längere Lebensgeschichte bedarf deshalb auch einer ausführlicheren Anamnese insbesondere bezüglich der Schmerzerfahrungen. Dies sicherlich auch vor dem Hintergrund neuer Erkenntnisse zum Schmerzgedächtnis und der bei chronischen Schmerzen resultierenden biochemischen Veränderungen. Problematisch für jüngere Ärzte, die weit entfernt sind von der Realität ihrer Patienten ist dabei, dass sie vorwiegend die Kranken aus dieser „alten“ Altersgruppe kennen und kaum mit gesunden Alten zu tun haben. Deshalb wird mit Alter eher Multimorbidität assoziiert als Kompetenzen und Ressourcen erwarten. Häufig wird von alten Menschen, die nach Partnerverlust entstehende Einsamkeit mit Hilfe selbstorganisierter sozialer Kontakte vermieden, von denen Arztbesuche eine wichtige Funktion haben. Kooperation durch Kommunikation sichern: Über Krankheit zu sprechen heißt im höheren Alter nicht unbedingt, dass man alles selber hat, über das man redet; Krankheit spielt aber als Thema eine zentrale Rolle, weil sich ganz verschiedene Einstellungen und Phantasien in solchen Gesprächen mit anderen Alten spiegeln lassen. So ist ein Kompetenzvergleich möglich, in dem über die Dinge, die im Bereich Autonomie (Garten allein fertiggemacht) und Mobilität (Wochenendfahrt mitgemacht), Selbstwertgefühl (schickes Kleid gekauft) oder Finanzkraft (neues Auto bestellt) die eigenen Rollen überprüft werden. Um alte Menschen für eine neue Schmerztherapie zu motivieren, bedarf es klarer Ziele und adäquater Rahmenbedingungen: - angemessene Gesprächssituation herstellen (Ruhe, Verständnis (auch akustisch)), - regelmäßig nach Schmerzen fragen, - die Schmerzen in ihrer subjektiven Beschreibung ernst nehmen, - eine ausreichende Ursachen-Differenzierung zu sichern (Medikamente, Begleitdiagn.) - die Schmerzstärke und -qualität sowie deren Verlauf zu erfassen (und zu dokumentieren), - nicht-medikamentöse Möglichkeiten ausschöpfen und ggf. zu kombinieren, - die Behandlung frühzeitig mit kleinen Medikamenten-Dosen zu beginnen und langsam zu steigern (start low, go slow), - Compliance/Kooperation sichern durch wiederholte, patientengerechte Erklärungen, - psychische Einflüsse zu berücksichtigen, - den Patienten aktiv in die Therapie einzubeziehen (Schmerztagebuch, Übungen) und - kurzfristige Überprüfungen der Effektivität (Verständnis, Hemmnisse) vorzunehmen.
L8 Valproat bei neuropathischen Schmerzen L8.1 Valproat bei neuropathischen Schmerzen I. W. Husstedt, A. Frese, A. Rahmann, S. Evers Universitätsklinikum Münster, Klinik und Poliklinik für Neurologie, Kopfschmerzambulanz, Albert-Schweitzer-Str. 33, D-48129 Münster, Tel.: 0251/83-48188, e-mail:
[email protected] Einleitung: Neuropathische Schmerzen treten bei Polyneuropathien, als Deafferenzierungsschmerz, bei Neuralgien, bei der Sympathischen Reflexdystrophie und als Stumpf- und Phantomschmerz auf. Neuropathische Schmerzen stellen eine komplexe Entität mit vielen Symptomen und Befunden von wechselnder Ausprägung bez. Dauer und Intensität dar. Mit konventionellen Analgetika sind sie meistens schlecht zu behandeln.
Erst in letzter Zeit sind wesentliche Fortschritte im Verständnis des Pathomechanisumus neuropathischer Schmerzen erzielt worden, so dass sich die schmerztherapeutische Situation verbessert hat. Antikonvulsiva, die auf spezifische Neurotransmitter und Rezeptoren Einfluss nehmen, stellen einen wesentlichen Fortschritt in der Behandlung neuropathischer Schmerzen dar. Datenlage: Obwohl Valproinsäure seit mehr als 20 Jahren ein Standardantiepileptikum mit weltweitem Einsatz darstellt, liegen im Vergleich mit den anderen Standardantiepileptika (Gabapentin, Carbamazepin) zur Therapie neuropathischer Schmerzen nur wenige Studien vor. Tierexperimentell ist Valproinsäure antinozizeptiv und soll zusätzlich den antinozizeptiven Effekt von Morphin erhöhen. Valproinsäure führt zur Verlängerung der Repolarisation spannungsabhängiger Natriumkanäle und erhöht zentrale GABA-Spiegel durch enzymatische Hemmung des GABAAbbaus. Im Hippocampus von Ratten induziert Valproinsäure eine Zunahme inhibitorischer postsynaptischer Potentiale. Ältere Studien zum Einsatz von Valproinsäure bei der idiopathischen Trigeminusneuralgie ergaben Symptombesserungen von 50 bis 80%. Bei vorbehandelten Patienten ohne ausreichende Schmerzreduktion unter Carbamazepin, Phenytoin oder Clonazepam trat bei 37% (n=79) eine ausreichende Schmerzreduktion ein. Bei Patienten mit Deafferenzierungsschmerzen nach traumatischer Myelopathie konnte trotz hoher Dosierung kein therapeutischer Effekt erzielt werden. Bei Deafferenzierungsschmerzen nach Thalamusläsion wird dagegen bei Dosierungen bis zu 2400 mg/die ein guter therapeutischer Effekt erreicht.Valproat zur Behandlung akuter postoperativer Schmerzen in einer Dosierung von 15 mg/kg Körpergewicht im Vergleich zu Placebo und Ketoprofen ergab keinen signifikanten Unterschied zwischen Placebo und Valproat, während durch Ketoprofen eine signifikante Schmerzreduktion erreicht wurde. Über den Einsatz bei schmerzhaften Polyneuropathien existieren keine größeren Studien. In einer Untersuchung an 25 Patienten mit neuropathischen Schmerzen bei Tumoren wurden als wesentliche Nebenwirkungen Schwindel, Übelkeit und nachlassender Appetit beobachtet. Die Responderrate betrug in dieser Untersuchung 56%. Weitere Indikationen für Valproinsäure stellen in letzter Zeit bipolare und schizoaffektive Psychosen dar. Therapeutisches Vorgehen: Bei der Behandlung neuropathischer Schmerzen mit Valproinsäure wird meistens initial mit einer Dosierung von 3 x 200 mg begonnen, wobei oft mittlere Dosierungen von 1200 mg ausreichend sein können, jedoch auch bis in den Hochdosisbereich dosiert werden kann. Typische Nebenwirkungen sind Müdigkeit, gastrointestinale Beschwerden, Haarausfall, Gewichtzunahme, Thrombozytopenie und Hemmung der Thrombozytenaggregation. Bei vorgeschädigter Leber besteht die Gefahr eines akuten Leberversagens. Ausblick: Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist der Stellenwert von Valproinsäure in der Therapie neuropathischer Schmerzen offen, und es bedarf großer prospektiver Studien, um den genauen Stellenwert zu evaluieren. Momentan stellt Valproinsäure eine mögliche Reservesubstanz in der Behandlung neuropathischer Schmerzen bei Versagen klassischer Substanzen wie Gabapentin und Carbamazepin oder aber Kontraindikationen gegen diese Substanzen dar.
Praktikerseminare PS1 Untersuchungskurs Psychologische Basisdiagnostik C. Derra Klinik Taubertal Bad Mergentheim Psychometrische Testverfahren bei Schmerzpatienten haben in der praktischen Anwendung zwei Vorteile: Sie sind ökonomisch, weil sie kompakt unterschiedliche Dimensionen im Erleben und Verhalten der Patienten abbilden, und sie bieten Vergleichswerte, sofern Normwerte existieren. Das Praktikerseminar gibt eine Einführung in die Möglichkeiten der Basisdokumentation (z.B. Schmerzfragebogen der DGSS, Schmerztagebuch) sowie einen Überblick bezüglich psychometrischer Verfahren und standardisierter Interviews, wobei neben Schmerzbeschreibung, Schmerzverhalten und Bewältigungsstrategien besonders auch Verfahren zur Abklärung möglicher Komorbiditäten für die Praxis wichtig sind. Auch auf Aspekte einer angemessenen Schmerzdurchführung sowie auf den Stellenwert im Rahmen der Schmerzdiagnostik wird eingegangen.
Der Schmerz [Suppl 1]•2001
| S 95
Abstracts PS2 Untersuchungskurs Neurologische Basisdiagnostik PS3 Untersuchungskurs Funktionelle Basisdiagnostik des Bewegungsapparates
liche Ausdehnung des neuropathischen Schmerzes (einschließlich Allodynien) dokumentiert werden. Es werden lokale (z.B. Operationsnarbe), territoriale (z.B. Trigeminusneuralgie) und regionale (z.B. komplexes regionales Schmerzsyndrom, CRPS) Schmerzsyndrome unterschieden. Unterstützt durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG Ba 1921/1-1)
PS4 Diagnostik von Kopfschmerzen mit Fallbeispielen
PS6.2 Apparative und experimentelle Zusatzdiagnostik neuropathischer Schmerzen
PS5 Zervikogener Kopfschmerz / HWS
J. Schattschneider, G. Wasner, R. Baron Klinik für Neurologie der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel
D. Kaleth, J. Niggemann, W. Brittner, B. Freibrodt, M. Börmcke Praxen in Berlin
Neuropathische Schmerzen können nach peripherer Schädigung von Schmerz und Temperatur leitenden dünnen Nervenfasern (C-Fasern) oder deren zentralen Projektionen auftreten. Oftmals ergeben sich aus der klinischen Manifestation der Beschwerden schon wichtige Hinweise auf einen möglichen Ort der Schädigung. Neurophysiologische Untersuchungsverfahren ermöglichen eine Funktionsdiagnostik des peripheren und zentralen Nervensystems. Durch die Ableitung sensibel evozierter Potenziale (SEP) lassen sich Schädigungen der Afferenzen insbesondere im Bereich des Rückenmarkes lokalisieren. Beim Vorliegen einer radikulären Symptomatik gelingt durch das EMG die Identifikation der betroffenen Wurzeln. Die Untersuchung peripherer Nervenanteile geschieht durch die sensible oder motorische Neurographie. Bei der Beurteilung elektrophysiologischer Befunde ist zu berücksichtigen, dass durch die oben genannten Methoden lediglich die myelinisierten Nervenfasern in ihrer Funktion erfasst werden. Wie oben bereits erwähnt manifestieren sich neuropathische Schmerzen jedoch nach einer Schädigung unmyelinisierter C-Fasern oder zentraler nozizeptiver Bahnen. In der Routinediagnostik können Schädigungen in diesem System durch die quantitative Thermotestung detektiert und quantifiziert werden. Eine Differenzierung zwischen einer peripheren oder zentralen Schädigung gelingt mit diesem Verfahren jedoch nicht. Daher ist es sinnvoll die Thermotestung mit der Auslösung eines nozizeptiven Axonreflexes zu kombinieren. Ein mögliches Verfahren stellt hierbei die iontophoretische Applikation von Histamin dar. Diese Substanz erregt spezifische C-Fasern welche über Axonkollateralen eine Vasodilatation bewirken. Das Ausmaß und die Fläche der Vasodilatation lassen sich quantifizieren und erlauben somit eine Aussage über die Funktion der C-Fasern. Im Rahmen experimenteller Untersuchung kommen Verfahren zur Erfassung einer sympathisch unterhaltenen Schmerzkomponente zum Einsatz. Eine physiologische Modulation der sympathischen Aktivität kann hierbei durch Ganzkörperkühlung bzw. Wärmung erreicht werden. Eine pharamakologische Beeinflussung erfogt durch die iontophoretische Applikation adrenerger Substanzen. Neben der Funktionsdiagnostik kommt der Bildgebung eine gewisse Rolle in der Untersuchung von Patienten mit neuropathischen Schmerzen zu. Die Röntgennativdiagnostik dient hierbei in erster Linie der Beurteilung knöcherner Strukturen. Zur Beurteilung neuraler Strukturen und des umgebenden Gewebes stellen die CT und die MRT die Mittel der Wahl dar. Aufgrund der räumlichen Auflösung ist eine Bildgebung nur zur Beurteilung proximaler Nervenabschitte (Radix, Plexus) oder zum Nachweis zentraler Läsionen sinnvoll.
Das vielseitige Bild zervikogener Kopfschmerzen soll differentialdiagnostisch erörtert werden. Die relevanten organischen Schäden, die häufigen funktionellen Störungen der HWS, ihre Abgrenzung von neurologischen Erkrankungen und auch psychosomatische Aspekte werden dargestellt. Anschließend werden typische Röntgenbefunde, manuelle Untersuchungsschritte und krankengymnastische Behandlungstechniken demonstriert sowie Übungen zu den wichtigsten Handgriffen für die Praxis durchgeführt.
PS6 Diagnostik neuropathischer Schmerzen mit Fallbeispielen PS6.1 Klinische Diagnostik neuropathischer Schmerzen G. Wasner, R. Baron Klinik für Neurologie der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel Neuropathische Schmerzen entstehen nach mechanischer, toxischer oder metabolischer Schädigung der schmerzleitenden Nervenfasern. Die Läsion kann sowohl in der Peripherie als auch im zentralen Nervensystem liegen. Die klinische Diagnostik neuropathischer Schmerzen ist von Bedeutung, da sie einerseits Rückschlüsse auf die den Schmerzen zugrunde liegenden pathophysiologischen Mechanismen erlaubt und andererseits eine Verlaufsbeurteilung der therapeutischen Maßnahmen zulässt. Neben der Erhebung der Ätiologie der Schmerzen ist daher eine gezielte Schmerzanamnese und eine körperliche Untersuchung des Patienten in Hinblick auf die Symptomatik neuropathischer Schmerzen erforderlich. Die führende klinische Symptomatik neuropathischer Schmerzen ist eine Trias aus brennenden Spontanschmerzen, einschießende Schmerzattacken und evozierte Schmerzen. Bei den evozierten Schmerzen werden die Allodynie (Schmerzempfindung auf einen normalerweise nicht-schmerzhaften Reiz) und die Hyperalgesie (verstärktes Schmerzempfinden auf einen schmerzhaften Reiz) unterschieden. In Abhängigkeit vom auslösenden Stimulus gibt es mechanische und thermische Allodynien bzw. Hyperalgesien. Die wichtigste mechanische Allodynie ist die dynamische Allodynie. Sie bezeichnet einen Schmerz bei leichten auf der Haut streichenden Reizen (z.B. Reiben der Kleidung). Sie wird durch leichtes Reiben mit einem Wattebausch auf der Haut untersucht und breitet sich typischerweise weit über die primäre Zone der Verletzung in unverletzte Hautareale aus (sekundäre Zone). Sie entsteht durch Leitung über niederschwellige normalerweise nichtschmerzhafte Aß-Berührungsafferenzen. Pathophysiologisch sind zwei unterschiedliche Mechanismen denkbar. Einerseits können durch funktionelle Änderungen der synaptischen Strukturen im Hinterhorn des Rückemarkes Impulse aus Aß-Fasern auf zentral sensibilisierte („übererregte“) sekundäre nozizeptive Neurone umgeschaltet werden. Andererseits können die Aß-Fasern anatomisch neue Verschaltungen auf sekundäre nozizeptive Neurone im Rückenmark ausbilden, weil die entsprechenden synaptischen Strukturen durch Degeneration der primär nozizeptiven Fasern frei geworden sind. Neben diesen positiven sensorischen Phänomenen berichten die Patienten häufig auch über negative sensorische Phänomene, im Sinne einer Hypästhesie oder Anästhesie für die verschiedenen sensiblen Qualitäten. Ursache ist die zugrunde liegende Läsion nervaler Strukturen. Die einzelnen Schmerzarten sollten quantifiziert werden, beispielsweise auf einer numerischen Analogskala von „0“ bis „10“ („0“ für keinen und „10“ für den maximal vorstellbaren Schmerz), damit eine Verlaufsbeurteilung therapeutischer Maßnahmen möglich ist. Ebenso sollte die räum-
S 96 |
Der Schmerz [Suppl 1]•2001
PS6.3 Das Symptom des „Sympathisch unterhaltenen Schmerzes“ D. Siebrecht Klinik für Anaesthesiologie und Operative Intensivmedizin und Interdisziplinäres Schmerzzentrum, Universitätsklinikum Kiel Bei unterschiedlichen neuropathischen Erkrankungen wie u.a. dem CRPS, akuter und postzosterischer Neuralgie, posttraumatischer Neuralgie gibt es kein Merkmal, das die Beteiligung des Sympathikus an der Schmerzunterhaltung beweist. Nur durch die Ausschaltung des sympathischen Systems mittels einer Sympathikusblockade kann nachgewiesen werden, ob es sich bei der entsprechenden Erkrankung um einen sympathisch unterhaltenen Schmerz (SMP) handelt. In diesem Sinne ist der SMP keine eigene Krankheitsentität sondern ein Symptom unterschiedlicher Ausprägung. Zur Verifizierung des Effekts von Sympathikusblockaden sollten nur selektive Sympathikusblockaden ohne Ausschaltung sensibler Nerven (Plexus- oder Epiduralanalgesie) genutzt werden. Darüber hinaus kann durch die Anwendung bestimmter Standards und Techniken die diagnostische Spezifität und Sensitivität von Sympathikusblockaden gesteigert werden.
Hierzu zählen insbesondere bei der Durchführung im diagnostischen Sinne die Gabe kleiner Volumina höherpotenter Lokalanaesthetika, die Kontrolle der Ausbreitung durch bildgebende Verfahren, die Applikation an verschiedenen Lokalisationen (z.B. CT-gesteuerte TH3-Blockaden ans Ggl. stellatum). Standarts der Effektkontrolle dieser Blockaden sollte die Dokumentation des schmerzreduzierenden Einflusses sein, die Messung des Anstiegs der Hauttemperatur unmittelbar und/ oder über einen längeren Zeitraum danach, die Ermittlung der Hautdurchblutung mittels Laserdoppler sowie die Testung sympathischer Reflexe. Aus wissenschaftlichen Erwägungen sollte eine Korrelation der ermittelten Daten der Effektkontrolle mit neurovegetativen Untersuchungsergebnissen erfolgen, um hier zusätzliche Kriterien für die Diagnose eines sympathisch unterhaltenen Schmerzes zu erhalten. Dies ist insbesondere dann von entscheidender Bedeutung, wenn invasive Verfahren (z.B. Sympathektomie) indiziert werden sollen.
PS 7 Muskelrelaxation nach Jacobson PS8 Creativ-dynamische Bildsynthese beim Schmerzpatienten PS8.1 Kreativität in der Psychotherapie H.-D. Basler, G. Bolm Institut für Medizinische Psychologie der Philipps-Universität Marburg Somatoforme Schmerzstörungen sind nach psychodynamischer Auffassung als Affektäquivalent zu interpretieren. Ein Affekt wird nicht wahrgenommen und als körperliche Störung (fehl-) interpretiert. Ursache hierfür ist eine Symbolisierungsstörung. Unter Symbolisierung versteht man die Fähigkeit einer Person, eine emotionale Erfahrung psychisch zu verarbeiten, d.h. frei abrufbare innere Bilder zu generieren, durch die psychisches Material wie Erinnerungen, Wahrnehmungen und vor allem heftige Affekte „repräsentiert“ werden und damit eine psychische Bedeutung erhalten. Ziel therapeutischer Intervention ist es, eine (bisher nicht erfolgte) Symbolisierung der Affekte zu ermöglichen. Das kann nicht nur in Form sprachlicher, sondern auch in Form akustischer, motorisch-kynästhetischer und visueller Symbolisierung geschehen, z.B. mit Hilfe von Musik, Tanz und bildnerischer Gestaltung. Diese kreativen Therapieformen setzen auf einer entwicklungspsychologisch frühen Stufe des Symbolisierungsprozesses an und ermöglichen oftmals einen leichteren Zugang zu den Affekten als das über Sprache der Fall wäre. Die Patienten werden angehalten, eine Einheit von Affekt und symbolischer Repräsentation in der Gestaltung wahrzunehmen, wobei im Regelfall ein Dialog mit dem Therapeuten über das gestaltete Werk stattfindet, so dass die Repräsentation nicht nur auf der Ebene der kreativen Gestaltung, sondern auch der sprachlichen Reflexion hierüber ermöglicht und die Fehlinterpretation des Affektes schließlich aufgelöst wird. PS8.2 Mentale Selbstbehandlung des chronischen Schmerzes mit neuem Selbstkonzept K. Obenaus Niedergelassen in eigener Praxis und Dozentin der Münchner Arbeitsgemeinschaft für Psychoanalyse Bei der Behandlung des chronischen Schmerzes, wenn er sich mit Depression vermischt, bewährt sich die Creativ-dynamische Bildsynthese (CDB) wie erste Ergebnisse einer multizentrischen Studie zeigen. Der zeitliche Aufwand ist mit 4–15 Einzelsitzungen relativ gering. Die CDB ist ein psychotherapeutisches Verfahren, das aus einer Kombination von katathymem Bilderleben und Neurolinguistischem Programmieren von Katja Obenaus weiterentwickelt wurde. Methodisch geht es bei der Anwendung der CDB beim chronischen Schmerz darum, zunächst ein Schmerzkonzept imaginativ ins Bild zu setzen, um es dann mit einem Aggressionsbild in einem imaginativen Akt zu verschmelzen und auf diese Weise ein neues positives Selbstkonzept entstehen zu lassen. Das so entstandene neue Selbstkonzept, das vom Schmerzpatienten wie auch die vorigen Konzepte in einer Zeichnung festgehalten wird, enthält bisher unintegriert und unökonomisch ausgelebte oder verdrängte und nun integrierte Potentiale der Person und wird dann in der Funktion eines Lotsen wie ein täglich anzuwendendes Medikament eingesetzt. Durch tägliche Anwendung in Selbstbehandlung wird der Schmerz gelindert. Katja Obenaus wird die Methode an Beispielen erläutern.
PS8.3 Behandlungsergebnisse beim Schmerzpatienten mit der Creativ-dynamischen Bildsynthese (CDB) H. Konder Schmerzklinik, Katholisches Krankenhaus Hagen gGmbH Im Rahmen einer Pilotstudie wurde bei Patienten mit chronischen Kopfschmerzen vom Spannungstyp, bei denen bis dahin alle medikamentösen, manualtherapeutischen und Entspannungsverfahren nicht zu einer Schmerzreduktion geführt haben, die creativ-dynamische Bildsynthese als Verfahren zur Änderung der Selbstkonzepte zur Behandlung eingesetzt. Zur Studie zugelassen wurden erwachsene Patienten ( < 70J. ) mit einer Komedikation von Amitriptylin < 50 mg/Tag, deren Imaginationsfähigkeit vorher überprüft wurde. Ausgeschlossen waren Pat. mit psychiatrischen Erkrankungen, Borderline, Demenz und fehlender Compliance. Der Therapieverlauf wird mit dem QUAST-Programm über Erst- und Verlaufsfragebögen alle 3 Monate überprüft. Zielgrößen sind neben der Schmerzreduktion (NRS), die Abnahme der Depressivität (ADS), die Änderung von Lebensqualität und Gesundheitsempfinden (SF36). Die Ergebnisse von z.Z. 2-jährigen Beobachtungszeiträumen werden dargestellt.
PS9 Diagnostik von Kiefergelenk und Kaumuskulatur bei Kopf- und Gesichtsschmerz PS10 Differentialdiagnose des symptomatischen Kopfschmerzes PS11 Biofeedback für Schmerzpatienten PS11.1 Biofeedback bei chonischen Schmerzen K. Kautzsch1, C. Denke≈ 1 Universitätsklinikum Benjamin Franklin, Medizinische Fakultät der Freien Universität Berlin, Klinik für Anästhesiologie und op. Intensivmedizin, Schmerzsprechstunde ≈Humboldt- Universität zu Berlin, Charité Campus Virchow Klinikum, Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin, Schmerzsprechstunde Biofeedback gilt als eine sehr effektive Entspannungsmethode zur Behandlung chronischer Schmerzen. Bei diesem Verfahren wird ein körperlicher Vorgang (z.B. die Muskelspannung oder Durchblutung), der normalerweise nicht bewusst abläuft, der bewussten Wahrnehmung visuell oder akustisch zugänglich gemacht. Dadurch wird dieser körperliche Vorgang von dem Patienten im Therapieverlauf beeinflussbar. Das Hauptziel bei diesem Entspannungsverfahren ist die Entwicklung von Selbstkontrolle über körperliche Vorgänge. Biofeedback wirkt spezifisch auf jene Körperfunktionen ein, die für die Genesung wichtig sind. Negative Nebenwirkungen bleiben in der Regel aus. Weitere Behandlungsziele sind u.a. die Veränderung der Selbstwirksamkeitserwartung sowie eine Verbesserung der Selbstwahrnehmung. Gerade technisch orientierte Patienten finden einen guten Zugang zu dieser Methode. Die Effektivität dieser Intervention ist für folgende Schmerzerkrankungen nachgewiesen: Spannungskopfschmerz, Migräne, chronische und akute Rückenschmerzen, rheumatoide Arthritis, Kausalgien, Phantomschmerz, Fibromyalgie, Dyspareunie und anal-rektaler Schmerz. Diese Behandlungsmethode ist sowohl bei Kindern wie auch Erwachsenen anwendbar. Biofeedback ist prinzipiell in 3 verschiedenen Formen einsetzbar: Es kann als Hauptintervention im Sinne eines mehrwöchigen Trainingsprogrammes, als Intensivbaustein innerhalb einer multimodalen Schmerztherapie oder ad hoc als Hilfsintervention bei Schwierigkeiten im Verlauf anderer Therapien eingesetzt werden. In diesem Praktikerseminar wird neben einer kurzen Darstellung der theoretischen Grundlagen auf den diagnostischen und vielfältigen therapeutischen Einsatz dieser Methode eingegangen. Biofeedback wird am Beispiel unterschiedlicher Schmerzerkrankungen (Phantom-, Rückenund Kopfschmerz) dargestellt.
Der Schmerz [Suppl 1]•2001
| S 97
Abstracts PS12 Therapie bei schmerzhaften Myoarthropathien des Kausystems Therapie bei schmerzhaften Myoarthropathien des Kausystems J.C. Türp1,2 Zahn-, Mund- und Kieferklinik, Universitätsklinikum Freiburg i. Br.; 2Zentrum für Zahnmedizin, Universität Basel
1
Zahnmedizinern bereitet die Behandlung akuter Schmerzen (z. B. Zahnschmerzen) in der Regel keine Probleme. Da sich akute Schmerzen fast immer auf eine spezifische Ursache zurückführen lassen (z. B. Zahnkaries, freiliegende Zahnhälse, Entzündungen im Bereich der Zahnwurzelspitze oder des Zahnhalteapparats), besteht in diesen Fällen meist die Möglichkeit einer kausalen Therapie und der Erzielung einer Schmerzfreiheit. Eine völlig andere Situation liegt dagegen bei chronischen Schmerzen vor. Fast immer finden sich Diskrepanzen zwischen dem (geringen) Ausmaß der festzustellenden Pathologie und den zum Teil erheblichen Beschwerden der Patienten. Die häufigsten chronischen Kiefer-Gesichtsschmerzen sind im Bereich der Kaumuskulatur und Kiefergelenke zu finden; sie werden in der deutschsprachigen Literatur unter dem Sammelbegriff „Myoarthropathien des Kausystems“ (oder „kraniomandibuläre Dysfunktionen“) zusammengefasst. Nach den Ergebnissen der 1999 veröffentlichten Dritten Deutschen Mundgesundheitsstudie sind rund 3% der deutschen Bevölkerung aufgrund solcher Beschwerden behandlungsbedürftig. Die davon Betroffenen weisen viele Gemeinsamkeiten mit Patienten auf, welche in anderen Körperbereichen an chronischen muskuloskelettalen Schmerzen leiden (z. B. Rückenschmerzen). Die traditionell stark handwerkliche Orientierung der Zahnmedizin, gepaart mit Versäumnissen in der zahnmedizinischen Aus- und Fortbildung, haben dazu geführt, dass hinsichtlich der Therapie chronischer orofazialer Schmerzen mechanistisch geprägte Konzepte vorherrschen. Schmerztherapeutische Maßnahmen sind daher meist morphologisch orientiert. In der Schmerzmedizin bewährte Verfahren werden dagegen nicht angemessen, zu selten oder überhaupt nicht eingesetzt. So bleiben die psychosozialen Folgeerscheinungen von anhaltenden Schmerzen (z. B. schmerzbedingte Beeinträchtigung der Ausübung täglicher Aktivitäten; schmerzbedingte Unlustgefühle) bei der Therapie chronischer Schmerzen im Mund-Kiefer-Gesichtsbereich fast immer unberücksichtigt, während die Bedeutung von Zahn- und Röntgenbefunden in der Regel überschätzt werden. In dem Praktikerseminar werden zunächst Maßnahmen und Vorgehensweisen vorgestellt und diskutiert, die in der Zahnmedizin zur Behandlung von Myoarthropathien verbreitet sind.Anschließend werden die Unterschiede zu und Gemeinsamkeiten mit Behandlungsmethoden und -prinzipien aufgezeigt, die in der Orthopädie und Schmerzmedizin bei muskuloskelettalen Schmerzen zur Anwendung kommen. Schließlich werden Therapieverfahren vorgestellt, für deren Einsatz bei Patienten mit schmerzhaften MAP Belege hoher Evidenzstufen aus klinischen Studien vorhanden sind.
Curriculum der Landes-Ärzte-Kammer Block 7a/b – Chronisch viszerale Schmerzen – Allgemeine Aspekte CUR7.2 Chronische Bauchschmerzen aus psychosomatischer Sicht W. Häuser Medizinische Klinik I – Funktionsbereich Psychosomatik, Klinikum Saarbrücken gGmbH, Am Winterberg 1, 66119 Saarbrücken Chronische Bauchschmerzen können nach klinischen Gesichtspunkten in 3 Gruppen eingeteilt werden: Strukturelle Erkrankungen (z.B. chronische Pankreatitis), funktionelle Störungen (z.B. funktionelle gastrointestinale Störungen) (FGID) und psychische Störungen mit Leitsymptom Bauchschmerz. Bei Schmerzen aufgrund von strukturellen Läsionen des Gastrointestinaltraktes (viszeraler Schmerztyp) sowie von Störungen im Bereich der Bauchwand bzw. des Beckenbodens (somatischer Schmerztyp) muss die modulierende Funktion eventuell vorhandener psychischer Comorbidität bzw. maladaptiver Schmerzbewältigung berücksichtigt werden. Bei psychischen Störungen mit dem Leitsymptom Bauchschmerz sind
S 98 |
Der Schmerz [Suppl 1]•2001
affektive Störungen und die anhaltende somatoforme Schmerzstörung am häufigsten. Jeder 2. Patient mit psychischen Störungen klagt (auch) über Schmerzen; Bauchschmerzen sind die 3. häufigste Schmerzlokalisation von Patienten mit psychischen Störungen. Am häufigsten wird bei internistischen Patienten mit chronischen Bauchschmerzen eine FGID diagnostiziert, vor allem ein Reizdarmsyndrom (RDS) und/oder eine funktionelle Dyspepsie. FGID sind psychosomatische Erkrankungen im engeren Sinne: Psychosozialer Stress exazerbiert gastrointestinale Symptome, psychologische Faktoren beeinflussen das Krankheitsverhalten und die Symptome selbst können zu negativen psychosozialen Konsequenzen (eingeschränkte gesundheitsbezogene Lebensqualität) führen. Der Schweregrad des RDS (u.a. Ausmaß der empfundenen Schmerzen und Einschränkungen) wird durch psychosoziale Faktoren (Depressivität, Coping, Krankheitsverhalten) und nicht durch somatische Faktoren (z.B. Ausmaß viszeraler Hyperalgesie) bestimmt. Belastende Lebensereignisse und Alltagsstress spielen eine bedeutsame Rolle bei der Symptomexazerbation und Krankheitsverhalten. Gegenüber von Patienten mit strukturellen gastrointestinalen Erkrankungen ist die Häufigkeit von sexuellen und anderen physischen Missbrauchserfahrungen bei Patienten mit FGID in den USA erhöht (30 bis 50%). Sexuelle Missbrauchserfahrungen führen zu einer veränderten kognitiven Bewertung gastrointestinaler Empfindungen (gefährlich; nicht kontrollierbar) und zu einer erhöhten Inanspruchnahme medizinischer Leistungen inklusive nichtindizierter invasiver diagnostischer und therapeutischer Begriffe. Psychische Störungen: Insbesondere Angst- und affektive Störungen sowie somatoforme Störungen und posttraumatische Belastungsstörungen sind bei Patienten mit RDS häufiger (25–61%) als bei Kontrollgruppen. Persönlichkeitsvariablen: Obwohl es kein typisches Persönlichkeitsprofil von Patienten mit FGID gibt, zeichnen sich FGID-Patienten im Vergleich zu Nicht-FGID-Patienten (Menschen mit gastrointestinalen Symptomen ohne Inanspruchnahme medizinischer Leistungen) und Gesunden durch ein höheres Maß von Ängstlichkeit und Neurotizismus aus. Insbesondere das Ausmaß von Ängstlichkeit sagt voraus, ob ein Mensch mit funktionellen gastrointestinalen Beschwerden einen Arzt aufsucht und ob sich nach einer bakteriellen Gastroenteritis ein RDS entwickelt. Krankheitsüberzeugungen und -verhalten: Patienten mit FGID haben eine erhöhte Aufmerksamkeit für gastrointestinale Sensationen und interpretieren diese eher als gefährlich als Gesunde (somatosensorische Amplifikation). Sie suchen wegen Beschwerden häufiger den Arzt auf und werden häufiger krankgeschrieben. Dieses Krankheitsverhalten wird in der Kindheit erlernt (Modelllernen). Innerhalb eines biopsychosozialen Modells werden FGID durch eine Wechselwirkung von motorischen, sensorischen, endokrinologischen/ entzündlichen und zentralnervösen Faktoren (Gehirn-Darm-Achse) erklärt. Patienten mit FGID weisen im Vergleich zu Gesunden eine erhöhte gastrointestinale Motilität nach physiologischem und psychologischem Stress und eine erniedrigte viszerale Schmerzschwelle (Magen, Duodenum, Rektum) auf. Ein Einfluss psychischer Faktoren auf entzündliche Darmprozesse (nach Infektionen) ist durch die Beeinflussung proinflammatorischer mukosaler Zytokinine durch die Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrindenachse möglich. Bei PatientInnen mit chronischen Unterbauchschmerzen sind erniedrigte unstimulierte und stimulierte Cortisolspiegel nachweisbar. CUR7.3 Chronische Schmerzsyndrome im gynäkologischem Bereich S. Wambach Therapiezentrum Koblenz Beim chronischen Unterbauchschmerz handelt es sich um zyklusunabhängige Beschwerden von dumpf drückendem Charakter mit wechselnder Intensität. Diese befinden sich im Unterbauch, im Bereich der LWS oder Sakralbereich und können in die Extremitäten ausstrahlen. Es muss eine Schmerzdauer von mindestens 6 Monaten vorliegen. In der Mehrzahl der Fälle sind psychovegetative Symptome (Kopf-/Rückenschmerz, sexuelle Funktionsstörungen, Dysmenorrhoe, Mastopathie, Fluor, Reizdarmsyndrom, Urethralsyndrom, Müdigkeit, Erschöpfung) begleitend. Die Prävalenz der Krankheit liegt bei 12%. Etwa 10% der täglichen gynäkologischen Konsultation erfolgen aus dieser Indikation heraus. Es erfolgt ein hoher Anteil der operativen Intervention zur Abklärung oder Behandlung dieser Krankheit (20 bis 40% der Pelviskopien,30% der Patientinnen werden im Krankheitsverlauf einer Totalextirpation des Uterus zugeführt). Doch ist ein großer Anteil dieser Patientinnen postoperativ nicht beschwerdefrei. Auch zeigt die histologische Aufarbeitung der uteri in 60% einen unauffälligen Befund. Diese epidemiologischen Daten zeigen einerseits einen hohen Handlungsbedarf, da die Krankheit häufig vorkommt und anderer-
seits auch einen bisher unzureichender Behandlungserfolg für die einzelne Patientin. An äthiologischen Faktoren werden aus gynäkologischer Sicht vor allen Dingen die Endometriose,Adhäsionsbildung, pelvine Entzündungen oder Lage- und Uterusanomalien sowie ovarielle Zysten verantwortlich gemacht.Allerdings liegen in der Zwischenzeit mehrfach Untersuchungsergebnisse vor, die dies entkräftigen (Balasch et al., Rapkin et al.,Weibel et al., Steege and Stout). Das zuvor genannte, vorwiegend operative Management, basiert aber auf diesen Annahmen. Es sollte ein biopsychosoziales Modell der Entstehung chronischer Unterbauchschmerzen angenommen werden. Ein solches Modell geht davon aus, dass der chronische Unterbauchschmerz das Resultat komplexer Wechselbeziehungen und gegenseitiger Beeinflussung zwischen sensorischen Stimulatoren, psychologischen Faktoren und sozialen Faktoren darstellt. Sowohl in der Diagnostik als auch in der Therapie ist ein interdisziplinärer und multimodaler Ansatz empfehlenswert. 1998 wies Reiter in diesen Klientel einen hohen Anteil an funktionellen Störungen (Reizdarm, chronische Obstipation, funktionelle Dyspepsie), verschiedene muskuloskeletale Veränderungen (abdominelle myofasciale Syndrome, Triggerpunkte, Spiegel'sche Hernien, Levator-Syndrom), urologische Erkrankungen (chronische Uritritis, Detruserinstabilität, rez. Zystitis, interstitielle Zystitis) und einige andere seltene medizinische Diagnosen nach. Die Diagnostik sollte daher zwingend diese Bereiche abklären. Zusätzlich wies Reiter in der gleichen Arbeit ein hohes Maß an vorhandenen psychischen Störungen in der Patientengruppe nach. Dabei waren affektive Störungen (Angst, Depression) und somatoforme Störungen führend. Auch bezüglich der psychosozialen Faktoren zeigten sich durchgängig Auffälligkeiten (körperliche und/oder sexuelle Traumatisierung, überdurchschnittliche Belastung durch Alltagsstress, erhöhte Vulnarabilität für stressabhängige körperliche Beschwerden, erhöhter Anteil negativer kritischer Lebensereignisse). Erfolgversprechende Therapiekonzepte zeigen einen multidisziplinären Ansatz des Schmerzmanagements in Form einer kontinuierlichen, langfristig angelegten Therapie, in der chronifizierende psychologische und soziale Faktoren sowie die identifizierten körperlichen Faktoren beeinflusst werden. Behandlungsziel ist dabei die Wiederherstellung normaler Funktionen, die Erhöhung der Lebensqualität und die Verringerung operativer Eingriffe. So werden langfristig der Gesamtgesundheitszustand der Patientinnen angehoben und die Somatisierungstendenzen abgebaut. In medikamentöser Hinsicht haben sich vorwiegend folgende Stoffgruppen als hilfreich erwiesen: Stufe II Analgetika, trizyklische Antidepressiva, Prokinetika, Ballaststoffpräparate, Spasmolytika. Bei eher zyklischen Beschwerden ist eine hormonelle Behandlung zu erwägen. Bei vorwiegend muskuloskeletalen Schmerzanteilen kommen Behandlungen mittels Tens, Akupunktur, lokalen Infiltrationen, physikalische oder chiropraktische therapeutische Maßnahmen in Frage. Antibiotika sollten nur bei Nachweis von Entzündungen verabreicht werden. Je nach identifizierten psychischen und psychosozialen Faktoren können verschiedene psychotherapeutische Interventionen zur Anwendung kommen. Dabei geht es um allgemeine psychoedukative Methoden, mit denen eine Reduktion der Gesamtbeeinträchtigung erreicht werden kann. Bei entsprechender psychiatrischer Diagnose sollte gezielte Psychotherapie eingeleitet werden. Entsprechende Empfehlungen werden in der Zwischenzeit auch von der Deutschen Gesellschaft für psychosomatische Gynäkologie und Geburtshilfe zur Behandlung des chronischen Unterbauchschmerzes gegeben. Literatur Reiter R.: Evidence based management of chronic pelvic pain. Clinical Obstetrics and Gynecology 41 (1998) 422-435 Kames et al. : Effectiveness of an interdisciplinary pain management program for the treatment of chronic pelvic pain 41 (1990) 41-46 Ehlert U. et al.: Verhaltsmedizin bei Frauen mit chronischen Unterbauchschmerzen Verhaltenstherapie 8/98 (1bis 6). CUR7.6 Gutachterliche Aspekte bei Schmerzerkrankungen B. Kügelgen, Koblenz Die Begutachtung von Schmerz ist nur zum Teil problematisch. Die meisten Erkrankungen und Verletzungen, die mit Schmerz einhergehen, können wie bisher beurteilt werden, ein angemessenes Maß von Schmerz ist in allen Fällen solcher Begutachtung mitberücksichtigt. Daneben gibt es aber neuere Aspekte von Schmerz, die weitgehend in der bisherigen Begutachtung nicht berücksichtigt worden sind. Hierzu bedarf es zunächst einer Systematik von Schmerz, die sich aber an die gängigen Diagnosesysteme halten muss. Dann ist zu unterscheiden zwischen organischem Schmerz mit besonderer Schmerzqualität (z.B. CRPS I oder II) oder besonderen Bewältigungsproblemen. Eine große Rolle spielt der psychoge-
ne Schmerz, der als Somatisierungsstörung oder somatoforme Störung in Erscheinung tritt und bisher gutachterlich kaum angemessen gewürdigt wird. Ebenso wie der psychotische Schmerz kann nur eine psychiatrischpsychosomatisch-psychotherapeutische Begutachtung diesen Schmerz angemessen würdigen, Fachgebietsgrenzen sind zu berücksichtigen. Die mehr technischen Fragen, ob Schmerz nur ein Symptom sei, ob Schmerz überhaupt Anlass zur sozialmedizinischen Bewertung ist oder nicht mehr die Schmerzfolgen, ob Schmerz überhaupt erfasst werden kann, ob Schmerz gemessen werden kann, welche Bedeutung den Angaben des Betroffenen zukommt, zeigen sehr schnell, dass sich grundsätzliche Probleme der Begutachtung auftun, die grundlegend überdacht werden müssen, der Schmerz kann hier willkommener Anlass sein zur kritischen Würdigung gutachterlicher Tätigkeit generell. CUR7.10 Psychiatrische Ko-Morbidität bei chronisch viszeralen Schmerzen C. Derra Klinik Taubertal Bad Mergentheim Chronisch viszerale Schmerzen stellen differentialdiagnostisch eine interdisziplinäre Herausforderung dar. Neben den möglichen somatischen Krankheitsursachen finden sich im psychosomatischen und psychiatrischen Fachgebiet eine Reihe möglicher Diagnosen, deren Kenntnis für den Schmerztherapeuten notwendig ist. Auf dem Hintergrund des biopsycho-sozialen Krankheitsverständnisses werden die verschiedenen Differentialdiagnosen psychogener Schmerzen sowie mögliche Komorbiditäten dargestellt. Heute finden sich mehr und mehr auch abdominelle Schmerzen im Rahmen posttraumatischer Belastungsstörungen z.B. nach sexuellem Missbrauch. Daher wird insbesondere auch auf die Problematik der iatrogenen Schädigung durch explorative Laparotomien eingegangen.
Block 8a/b – Tumorschmerz, Palliativmedizin, Postoperativer Schmerz CUR8.1 Knochen- und Weichteilschmerzen H. C. Müller-Busch Abteilung f. Anästhesiologie, Schmerztherapie und Palliativmedizin am Gemeinschaftskrankenhaus Berlin, Kladower Damm 221, 14089 Berlin Obwohl sich nur ein geringer Anteil von Knochen- und Weichteilmetastasen in Schmerzen äußert, gehören diese zu den häufigsten Tumor bedingten Schmerzen (60–90%). Die Manifestation von Schmerzen bei Krebserkrankungen ist bis auf seltene Ausnahmen ein Spätsymptom, das anzeigt, dass sich die Erkrankung in einem schon fortgeschrittenen Stadium befindet. Schmerzerleben bei Menschen mit Krebs ist deswegen häufig mit der Erkenntnis verbunden, dass ihre Erkrankung trotz aller Therapieversuche progredient und evtl. irreversibel geworden ist. Auch bei Knochen- und Weichteilschmerzen finden sich häufig nozizeptive und neuropathische Mechanismen, die in therapeutischen Konzepten berücksichtigt werden müssen. Die genauere Pathophysiologie der nozizeptiven Schmerzentstehung bei metastatischer Knochen- und Weichteilinfiltration ist bisher nur in wenigen Publikationen genauer untersucht worden. Grundlage nozizeptiver Schmerzmechnismen bildet die Erregung freier Nervenendigungen myeliniserter (Aδ) und nicht-myeliniserter (C) Nervenfasern, die das Periost sowie die Blutgefäße als dichtes Nervengeflecht umgeben sowie die Freisetzung nozizeptiver Mediatoren (Prostaglandine, Leukotriene, Substanz P, Bradykinin, Histamin, Zytokine IL-1, IL-6 und TNf-a). Schmerzen entstehen jedoch nicht nur durch Gewebsverletzung, sondern sie werden als Interaktion erregender und hemmender Systeme im zentralen Nervensystem durch zahlreiche hormonelle, immunologische, affektive, behaviorale, kulturelle und genetisch determinierte Variablen erlernt, gesteuert und moduliert. Die Komplexität des Phänomens Schmerz erfordert gerade bei Menschen mit Tumorerkrankungen eine Herangehensweise, welche die Wechselwirkungen somatischer, psychischer, sozialer und spiritueller Aspekte im Einzelfall differenziert mit einbezieht. In der Diagnostik sollten sowohl phänomenologische wie auch ätiologische Aspekte berücksichtigt werden. Ziel der Therapie ist die langfristige Linderung von Schmerzen durch eine regelmäßige Schmerzmedikation nach festem Zeitschema sowie die Vermeidung bzw. Unterbrechung von sog. Durchbruchsschmerzen, die aus einem stabilen Ruheschmerzniveau zeitlich begrenzt durch Belastung (z.B. Bewegung, Husten, Defäkation) oder ohne erkennbaren Auslöser auftreten können. Die Der Schmerz [Suppl 1]•2001
| S 99
Abstracts Grundlagen der medikamentösen und nicht medikamentösen Schmerztherapie bei Tumor- und Weichteilschmerzen werden zur Diskussion gestellt und die Prinzipien der Tumorschmerztherapie durch Leitsätze erläutert. CUR8.2 Neuropathische Schmerzen bei Tumorpatienten M. Kloke Innere Klinik und Poliklinik (Tumorforschung) Univ.Klinikum, Hufelandstr 55, 45122 Essen Prävalenz und Diagnose: Neuropathische Schmerzen kommen isoliert bei ca. 10 Prozent aller Tumorpatienten vor, sind jedoch bei weiteren 30% Bestandteil oft komplexer Schmerzsyndrome. Ihre Diagnose stützt sich zumeist auf die spezifische Schmerzanamnese einschließlich klinisch neurologischer Untersuchungsverfahren. Es existiert nur ein validierter (allerdings nicht für Tumorschmerzen) spezifischer Fragebogen zu neuropathischen Schmerzen (Neuropathic Pain Scale von Galer). Da der Schmerz dem Nachweis der Läsion durch bildgebende Verfahren mehrere Monate vorausgehen kann, sind deren Ergebnisse nur eingeschränkt verwertbar. Neurophysiologische Untersuchungen werden nur selten beim Tumorpatienten durchgeführt, da sich aus ihrem Ergebnis allein fast nie eine therapeutische Konsequenz ergibt. Pathophysiologie und klinisches Bild neuropathischer Schmerzen korrelieren nur wenig mit ihrer jeweiligen Ätiologie (tumorbedingt, therapieinduziert, paraneoplastisch), so dass im Einzelfall die Unterscheidung schwierg sein kann und oft erst im weiteren Verlauf möglich wird. Therapie: Nach Bruera stellen neuropathische Tumorschmerzen ein negatives Prognostikum bezüglich der Effizienz einer analgetischen Therapie dar. Nach WHO sind Nicht-Opioid-Analgetika als Erstlinientherapeutika einzusetzen, wobei die Sensibilität des neuropathischen Schmerzen gegenüber dieser Substanzklasse nicht bewiesen ist. Auch wenn eine grundsätzliche Opioidunempfindlichkeit dieses Schmerztyps widerlegt ist, wird die Diskussion zur Überlegenheit definierter Opioide noch geführt. Die Empfehlung Ko-Analgetika wie trizyklische Antidepressiva oder Antikonvulsiva bei neuropathischen Tumorschmerzen einzusetzen, beruht auf Level III bis IV Studien. Da diese Substanzen gerade bei älteren, multimorbiden und vielfach medizierten Patienten ein zusätzliches Risiko bedeuten, ist die genaue Kenntnis ihrer spezifischen Kontraindikationen und Wechselwirkungen wichtig. Welche Bedeutung hier den SSRI oder den neuren Antikonvulsiva mit Blick auf Äquieffizienz und Toxizitätsreduktion zukommt, bedarf der kritischen Betrachtung. Fazit: Basis einer effektiven Therapie ist die exakte Diagnose des vorliegenden Schmerztyps. Die Komplexität der Behandlung neuropathischer Schmerzsyndrome macht ein risiko- und stadienadaptiertes individuelles Vorgehen unter Einbeziehung der tumorspezifischen Optionen notwendig. Die Strategien zur Prophylaxe therapiebedingter Neuropathien bedürfen der Optimierung. 1. Bruera E, Schoeller T, et al (1995) A prospective multicenter assessment of the Edmonton staging system for cancer pain. Pain Symp Manag 10:348–355 2. Martin LA, Hagen NA (1997) Neuropathic pain in cancer patients: Mechanisms, syndromes, and clincial controversies. J Pain Symp Manag 14.2:99–117 3. Galer BS, Jensen MP (1997) Development and preliminary validation of a pain measure specific to neuropathic pain: the neuropathic pain scale. Neurol 48: 332–338. CUR8.6 Besonderheiten der Schmerztherapie in der Terminalphase F. Nauck Zentrum für Palliativmedizin, Malteser Krankenhaus, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn Einleitung: In der Terminalphase ist Schmerz eines der häufigsten Probleme von Tumorpatienten. Auf unserer Palliativstation gaben 85% der Patienten Schmerzen als Aufnahmegrund an. Ursachen für neu auftretende Schmerzen oder zunehmende Schmerzen können eine Tumorprogression, metabolische Veränderungen, neu aufgetretene Liegeschmerzen, eine erschwerte Medikamenteneinnahme aber auch die Angst vor dem Sterben und nahenden Tod sowie dem Verlust von körperlicher und geistiger Kontrolle und Autonomie sein. Auch in der Terminalphase der Erkrankung ist eine sorgfältige Untersuchung und Diagnosestellung des vorliegenden Pathomechanismus die Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Tumorschmerztherapie.
S 100 |
Der Schmerz [Suppl 1]•2001
Besonderheiten in der Schmerztherapie: In den letzten Tagen des Lebens ist Schmerz nur eines von zahlreichen belastenden Symptomen. Die Schmerztherapie kann auch in der Terminalphase bei den meisten Patienten nach den Grundsätzen der WHO erfolgen. 90% der von uns auf der Palliativstation behandelten Patienten benötigten zu diesem Zeitpunkt starke Opioide zur Schmerztherapie. 74% der Patienten erhielten weiterhin Nichtopioide, bei 26% der Patienten wurde das Nichtopioid in den letzten Tagen vor dem Tod abgesetzt, ohne das es zu einer Zunahme der Schmerzen kam. Aufgrund der Schmerzdynamik muss die notwendige Opioiddosierung individuell angepasst werden. Bei 48% der Patienten, die starke Opioide über einen längeren Zeitraum erhielten, konnte die Dosierung in den letzten Tagen des Lebens unverändert fortgeführt werden. Bei 28% musste die Opioiddosierung erhöht und bei 24% reduziert werden, um eine der Schmerzintensität angepasste Schmerztherapie durchzuführen. Durch die Änderung des Allgemeinzustandes der Patienten, die zunehmende Somnolenz und die Schwierigkeit Medikamente oral aufzunehmen, muss häufig der Applikationsweg der Analgetika in der Sterbephase geändert werden. Die Umstellung auf eine subkutane Applikation der starken Opioide stellt hier eine gute und auch im ambulanten Bereich einfach durchzuführende Maßnahme dar. Schlussfolgerungen: Die Finalphase ist häufig durch eine Änderung der Schmerzintensität gekennzeichnet, die eine sorgfältige Beobachtung der Patienten und Anpassung der bisherigen Schmerztherapie erforderlich macht. Neben Schmerzen kann es in den letzten Tagen des Lebens zu anderen belastenden Symptomen kommen. Eine kompetente Symptomkontrolle in der Terminalphase heißt, dass auch die zahlreichen anderen Symptome wie Angst, Unruhe, Halluzinationen, Durst, Mundtrockenheit, die extrem beängstigende Dyspnoe oder das „Death rattle“ ausreichend beachtet und behandelt werden müssen. Schmerz ist nur eines von zahlreichen belastenden Symptomen. Wir können den Patienten nur gerecht werden, wenn wir dem ganzheitlichen Behandlungsansatz im Sinne der Palliativmedizin mehr Beachtung schenken. Die Dynamik der Terminalphase aber auch die notwendigen ethischen Entscheidungen zwingen uns Ärzte, sich mit der Sterbephase intensiv auseinanderzusetzen und bis zum Tod für die Patienten dazusein. Neben dem fachlichen Wissen ist hier das ärztliche Handeln und menschliche Zuwendung gefordert. CUR8.7.2 Problemlösung in der Palliativmedizin F. Nauck1, D. Beck2, M. Kern1, L. Radbruch3, I. Strohscheer4 1 Zentrum für Palliativmedizin, Malteser-Krankenhaus, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn 2 Palliativstation, Universität Göttingen 3 Schmerzambulanz, Klinik für Anästhesiologie, Universität zu Köln 4 Palliativstation, Onkologische Klinik Universität Berlin Einleitung: Die Palliativmedizin widmet sich der Behandlung und Begleitung von Patienten mit nicht heilbaren, weit fortgeschrittenen und fortschreitenden Tumorerkrankungen. Der ganzheitliche Behandlungsansatz bedeutet, dass neben der Therapie der körperlichen Symptome die Integration der psychischen, sozialen und geistig-seelischen Bedürfnisse der Patienten aber auch ihrer Angehörigen notwendig ist. Im Vordergrund der körperlichen Symptome stehen die oft unerträglichen Schmerzen. Über 80% der Tumorpatienten benötigen für eine erfolgreiche Schmerztherapie neben den Nichtopioiden und Begleitsubstanzen eine Behandlung mit starken Opioiden. Die Wirksamkeit der Therapie mit mittelstarken und starken Opioiden in der Behandlung tumorbedingter Schmerzen ist weltweit unbestritten. Obwohl die Opioide auf vielfältige Weise invasiv und nicht invasiv appliziert werden können, gilt bis zum heutigen Tage die orale Gabe als Standard, an dem sich andere Verfahren messen lassen müssen [1]. Für die Schmerztherapie gilt der Grundsatz: Die richtige Substanz und Applikation, in der richtigen Dosierung, den richtigen Zeitintervallen sowie eine Dosistitration und -anpassung bei Zunahme der Schmerzen. Problemsituationen in der Schmerztherapie und Symptomkontrolle: Auch wenn durch die konsequente Anwendung der Richtlinien der WHO bei etwa 90% der Patienten mit Tumorschmerzen eine anhaltende Schmerzlinderung erreicht werden kann, treten im Verlauf einer Tumorerkrankung immer wieder problematische Therapiesituationen auf. Ursachen für eine nicht ausreichende medikamentöse Schmerztherapie können z.B. die nicht ausreichende Dosierung der Opioide, die Verwendung des falschen Opioids, der falsche Applikationsmodus oder eine nicht sinnvolle Monotherapie mit Opioiden darstellen. Psychosoziale Probleme, Missverständnisse zwischen Patient und Therapeuten oder Barrieren bei Patienten und Angehörigen können ebenso einen Erfolg der Therapie verhindern.
Anhand von videogestützten Patientenbeispielen sollen in einer interaktiven Veranstaltung in einem regen Austausch mit den Teilnehmern Problemlösungen in schwierigen Therapiesituationen diskutiert werden. Schlussfolgerungen: In der Palliativmedizin ist die medikamentöse Schmerztherapie und gleichzeitige psychosoziale Umsorgung der Patienten wesentlich. Der Goldstandard bei einer Therapie mit Opioiden ist bis heute das Morphin [1], wobei das therapeutische Spektrum durch neue galenische Zubereitungen von retardiertem Tramadol, Tilidin N, Oxycodon und Hydromorphon sowie das transdermale Fentanyl erweitert wurde. Die individuelle Planung der palliativmedizinischen Therapie und die kontinuierliche Anpassung im Verlauf der Erkrankung lassen auch für problematischen Therapiesituationen Lösungen zu. Standardisierte Therapieempfehlungen oder sogar Leitlinien liegen nur für wenige Bereiche der Palliativmedizin vor, und die multidisziplinäre Diskussion zu offenen Fragestellungen am konkreten Beispiel des Patienten gehört zu den wesentlichen Kennzeichen der Palliativmedizin. Literatur: 1. Expert working Group of the Research Network of the European Association for Palliative Care, Morphine and Alternative Opioids in Cancer Pain: The EAPC Recommendations, British Journal of Cancer 2001 84 (5), 587–597 CUR8.9 Methoden der postoperativen Schmerztherapie G. Schneider Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie und Operative Intensivmedizin der Universität zu Köln Die Vermeidung und Linderung von Schmerzen sind rechtlicher Anspruch eines Patienten an seinen Arzt. Verschiedene Studien in den vergangenen Jahren haben wiederholt deutlich gemacht, dass ein Großteil der Patienten postoperativ an Schmerzen leiden, obwohl eine Vielzahl von Medikamenten und Verfahren für eine wirksame Schmerztherapie existiert. Neben Erklärungen wie Überlastungen von medizinischem Personal, ungenügendem Fachwissen und Furcht vor Komplikationen muss als ein weiterer Grund das mangelnde Problembewusstsein im ärztlichen und pflegerischen Bereich beklagt werden. Die Festlegung von Standards einer rationalen Pharmakotherapie in Form von Stufenplänen sowie die regelmäßige Erfragung der Schmerzintensität und möglicher Nebenwirkungen sind Grundvorausetzung für eine effektive Schmerztherapie. Neben der Wahl eines spezifischen Pharmakons und dessen Applikationsart ist vor allem die Organisationsform der postoperativen Schmerztherapie von entscheidender Bedeutung. Zur Organisation der postoperativen Analgesie besteht eine Vereinbarung des Berufsverbandes Deutscher Anästhesisten und des Berufsverbandes Deutscher Chirurgen, welche durch die Vereinbarung über die gemeinsame Durchführung der postoperativen Schmerztherapie des Arbeitskreises „Akutschmerz“ der Deutschen Gesellschaft zum Studium des Schmerzen (DGSS) ergänzt wird.
Intensivkurs Schmerztherapie für Hausärzte IK2 Nicht-Opioid-Analgetika: Bewährtes und Neues S. Schmidt Benjamin Franklin Schmerzzentrum, Universitätsklinikum Benjamin Franklin der Freien Universität Berlin, Hindenburgdamm 30, 12200 Berlin Die Einführung der neuen selektiven COX-2-Hemmer (Celecoxib, Rofecoxib) Ende 1999 stellt eine Erweiterung des Spektrums der Nicht-OpioidAnalgetika dar. Ihr gastrotoxisches Potential liegt bei gleicher analgetischer Wirksamkeit deutlich unter dem der herkömmlichen NSAID’s. Nicht zuletzt aufgrund der im Vergleich zu den herkömmlichen NSAID’s wie Diclofenac oder Ibuprofen deutlich höheren Therapiekosten ist ein rationaler, differenzierter Einsatz nötig. Jetzt vorliegende Studien belegen, dass vor allem Patienten mit erhöhtem Ulkusrisiko (z.B. Ulkusanamnese, ältere multimorbide Patienten) vom Einsatz der selektiven COX-2-Hemmer profitieren, ihr Ulkusrisiko wird halbiert. Hiervon ausgenommen sind Patienten, die chronisch niedrigdosierte Acetylsalicylsäure zur kardiovaskulären Prophylaxe einnehmen. Diese Patienten können mit herkömmlichen NSAID’s analgetisch ver-
sorgt werden. Ihr Ulkusrisiko kann durch selektive COX-2-Hemmer nicht nennenswert reduziert werden. Metamizol bleibt eine gute Option bei kolikartigen Schmerzen. Seine fehlenden gastrointestinalen Nebenwirkungen erlauben den Einsatz bei Patienten mit floriden Ulzera. Es ist das bislang einzige in Deutschland zur Verfügung stehende i.v.-applizierbare Nicht-Opioid-Analgetikum. In naher Zukunft könnte hier aber durch den demnächst zur Verfügung stehenden i.v.-applizierbaren selektiven COX-2-Hemmer Valdecoxib eine Alternative entstehen. Dexketoprofen, ein herkömmliches NSAID, wird ebenfalls in Kürze in einer i.v.-applizierbaren Form verfügbar sein, sein Stellenwert ist unklar. Paracetamol wird weiter bei schwachen Schmerzen verwendet und ist das Nicht-Opioid-Analgetikum der Wahl in Schwangerschaft und Stillzeit. IK3 Vor- und Nachteile der Therapie mit Opioid-Analgetika A. McDaniel Praxis für Spezielle Schmerztherapie, Berlin Einsatz von Opioiden in der Therapie chronischer Schmerzen entsprechend dem WHO Stufenschema. Therapeutischer Ansatz sind Opiatrezeptoren die im ZNS, Rückenmarkhinterhorn, limbischen System, in der Medulla oblongata und in der Peripherie vorkommen. Wirkungen und Nebenwirkungen: zentral dämpfend, zentral aktivierend, periphere Wirkungen. Für die zentralen Wirkungen tritt im Laufe der Therapie eine Gewöhnung ein, für die peripheren dagegen nicht. Schwache Opioide der WHO-Stufe II: Tramadolor, Tilidin / Naloxon, DHC Starke Opioide WHO-Stufe III: Morphin, Oxycodon, Fentanyl TTS Adjuvantien zur Behandlung von Nebenwirkungen: Obstipation: Lactulose, Movicol Übelkeit: MCP, Haloperidol Zusammenfassung: Opioide sollten rechtzeitig bei chronischen Schmerzen und in ausreichender Dosierung angewendet werden. Anwendung finden retardierte Präparate mit zeitorientierter Einnahme und einschleichender Dosierung, dadurch wird eine psychische Abhängigkeit vermieden und die Nebenwirkungen können minimiert werden. IK5 Prävention und Therapie des neuropathischen Schmerzes R. Baron Klinik für Neurologie, Christian-Albrechts-Universität Kiel Klinisch sind neuropathische Schmerzen (chronische Schmerzen nach Nervenläsionen) durch brennende Spontanschmerzen, einschießende Schmerzattacken und evozierte Schmerzen (Hyperalgesie, Berührungsallodynie) charakterisiert. Sowohl periphere als auch zentralnervöse Entstehungs- und Chronifizierungsmechanismen werden diskutiert, die z.T. interagieren: Periphere nozizeptive Fasern können eine abnorme Sensibilisierung und ektope Entladungsmuster ausbilden. Zentrale nozizeptive „second order“-Neurone im Hinterhorn des Rückenmarks können ebenfalls sensibilisiert werden, d.h. diese Neurone sind übererregbar gegenüber nozizeptiven Reizen und beginnen darüber hinaus, auf afferente Nervenimpulse zu antworten, die normalerweise keine schmerzhaften Sensationen auslösen (Allodynie). Diese zentrale Sensibilisierung entsteht hauptsächlich durch die Wirkung erregender Aminosäuren, freigesetzt aus den zentralen Endigungen der C-Fasern, auf glutaminerge N-MethylD-Aspartat (NMDA)-Rezeptoren der Hinterhornneurone. Der nachfolgende Ca-Einstrom in die Hinterhornneurone triggert multiple intracellulare Signalkaskaden. Im Gegensatz zu den Sensibilisierungsvorgängen kann es auch unter bestimmten Bedingungen zu einem Untergang von Neuronen kommen. Infolge einer überwiegenden Degeneration nozizeptiver Neurone und ihrer zentralen Terminalen kann eine konsekutive Reorganisation synaptischer Strukturen im Hinterhorn ausgelöst werden, so dass intakte Berührungsafferenzen anatomisch neue Verbindungen mit zentralen nozizeptiven Neuronen ausbilden.Aktivität in Berührungsaffenzen wird dadurch zu Schmerz (Allodynie). Zu den bislang verfügbaren Pharmaka zur Behandlung neuropathischer Schmerzen gehören hauptsächlich trizyklische Antidepressiva und Antikonvulsiva. Opioide konnten bei neuropathischen Schmerzsyndromen positive Ergebnisse erzielen, so dass neuropathische Schmerzen definitiv nicht als opioid-resistent einzuordnen sind. Das Antikonvulsivum Gabapentin ist bei neuropathischen Schmerzsyndromen wirksam. Die oben erwähnte MechanisDer Schmerz [Suppl 1]•2001
| S 101
Abstracts menvielfalt neuropathischer Schmerzen könnte die unterschiedliche Ansprechbarkeit von Pharmaka bei verschiedenen Individuen erklären. IK6 Invasive Verfahren zur Prävention und Therapie chronischer Schmerzen M. Tschirner, Berlin Unter Bezug auf die Therapieempfehlung der WHO zur Bekämpfung des Krebsschmerzes wird die Indikation der therapeutischen Lokal- und -Leitungsanaesthesie für alle chronischen Schmerzgeschehen hergeleitet. Sowohl zur Prävention als auch zur Therapie chronischer Schmerzen bietet die Blockade gemischter Nerven oder Nervengeflechte günstige Bedingungen in Form von: - Analgesie, - muskulärer Entspannung, - Sympathikolyse. Unter bestimmten Bedingungen können auch selektiv sensible oder sympathische Nerven oder Ganglien betäubt werden. Markante Beispiele sind: - Ggl.-sphenopalatinum-Blockade, - Ggl.-stellatum-Blockade, - N.-occipitalis-major-Blockade, - Pl.-brachialis-Blockade, - Epiduralblockade. Wichtig für die gefahrlose Durchführung von invasiven Therapieverfahren sind: - häufige Übung der Technik, - qualifizierte Assistenz, - Bereitstellung von Überwachungstechnik, - Bereitstellung von Notfallmanagement. Die invasive Schmerztherapie ist nur ein Teil des multifaktoriellen Zugangs zum Problem des chronischen Schmerzes. IK8 Begleitung des Schmerzkranken als Aufgabe des Hausarztes
Zur Erfassung der subjektiven Schmerzintensität haben sich visuelle Analogskalen (VAS) und numerische Ratingskalen (NRS) als Standard durchgesetzt. In beide Skalen sind absolute Werte von 0 bis 10 ausreichend und empfehlenswert, um Vergleichbarkeit herzustellen. Die Schmerzempfindungsskala (SES; Geissner 1996) beinhaltet affektive und sensorische Angaben zu Schmerzempfindung. Zusätzlich ist die Erhebung der individuellen Schmerzakzeptanz wichtig, um einen Vergleichswert für die Therapiezufriedenheit zu erhalten. Chronische Schmerzpatienten sehen wir im bio-psycho-sozialen Zusammenhang. Psycho-soziale Beeinträchtigung ist von Bedeutung für die Prognose der Schmerzbehandlung, gleichzeitig ist die Reduktion von Depressivität und Angst ein Ziel in der Schmerztherapie. Zur Orientierung werden schmerzassoziierte Befindlichkeitsstörungen mit erfragt, da diese für die Aufrechterhaltung und Verstärkung chronischer Schmerzen bedeutsam sind. Um depressive Symptome zu erfassen, wird im Fragebogen der DGSS die allgemeine Depressionsskala (ADS; Hautzinger und Bailer 1995) verwendet. Hieraus können u.a. Anhaltspunkte für die Notwendigkeit einer weiterführenden psychologischen Diagnostik bzw. für eine psychologisch orientierte Schmerztherapie entnommen werden. Zur Einschätzung der Behinderung durch Schmerzen in verschiedenen Lebensbereichen dient der Pain Disability Index (PDI; Dillmann 1994). Ein Teil im DGSS Fragebogen gilt dem Allgemeinen Gesundheitszustand SF 36 (Bullinger 1995). Hier werden Fragen zur körperlichen Funktionsfähigkeit, körperlichen Rollenfunktion, körperliche Schmerzen, allgemeine Gesundheit, Vitalität, soziale Funktionsfähigkeit, emotionale Rollenfunktion und psychisches Wohlbefinden erfragt. Nur durch die gemeinsame frühzeitige Aufklärung und ständige Motivation des Patienten ist eine vollständige Dokumentation aller Parameter zu erwarten. PFS2 Blockadetechniken und Schulung von alltäglichen Bewegungsabläufen bei M. Sudeck U. Kuhlmann Schmerztherapiezentrum Mainz
I. Blendinger, Berlin Die Rolle des Hausarztes gestaltet sich unterschiedlich je nach Chronifizierungsstadium des Schmerzkranken. Im Stadium I und II kann der Hausarzt dazu beitragen, eine weitere Chronifizierung zu verhindern, durch eigene Therapieangebote und durch rechtzeitige Vermittlung an qualifizierte Schmerztherapeuten. In allen Stadien, besonders im Stadium III bedeutet „begleiten“ vor allem mittragen, zuhören, offen sein für die ausgesprochenen und unausgesprochenen Sinnfragen des Patienten und Hilfe bei der Suche nach einer Antwort. Anhand von Fallbeispielen wird dies illustriert.
Pflegesymposium Schmerztherapie in der täglichen Praxis PFS1 Schmerzdokumentation anhand des DGSS-Schmerzfragebogens unter Berücksichtigung spezieller psychometrischer Tests P. Paul Schmerztherapeutisches Zentrum Lünen Der Sinn und Zweck der Schmerzdokumentation ist es, den Schmerz in seinen relevanten Aspekten kommunizierbar zu machen. Schmerzdokumentation erleichtert organisatorische Abläufe bei der Schmerzdiagnostik und -behandlung. Sie dient als Basis für Arztbriefe, Gutachten und interne Praxisstatistik. Der Schmerzfragebogen der DGSS ist ein Basis- bzw. Statusdokument für Patienten mit chronischen Schmerzen im Sinne einer vorläufigen Schmerzanamnese und dient zur Vorbereitung des ärztlichen und psychologischen Erstgespräches, kann dieses jedoch nicht ersetzen. Der Fragebogen erfasst 74 Fragen zur Schmerzvorgeschichte, aktuellen Schmerzsituationen, Biographie und sozialen Situation des Patienten. Um den Schmerzverlauf beurteilen zu können, werden Schmerztagebücher und Verlaufsprotokolle eingesetzt, welche Skalen für die Einschätzung der Schmerzintensität, Stimmungs- und Aktivitätsparameter sowie Rubriken zum Vermerk therapeutischer Maßnahmen enthalten.
S 102 |
Der Schmerz [Suppl 1]•2001
Zur Effektivitätssteigerung der Schmerztherapie bei der Sympathischen Reflexdystrophie (SRD) Morbus Sudeck empfiehlt sich die Durchführung von Sympathikusblockaden. Sie wirken schmerzlindernd. Bei dieser Schmerzerkrankung wird in der Regel ein multidisziplinärer Therapieansatz organisiert und koordiniert. Somit können die körperlichen, seelisch-geistigen und sozialen Bedürfnisse des Patienten frühzeitig erkannt werden. Der Patient wird zur aktiven Auseinandersetzung mit seinem Schmerz geführt und zur Mitwirkung der Wiederherstellung seines Wohlbefindens, der täglichen Lebensqualität, motiviert. Das Ziel ist die Wiederherstellung der Belastbarkeit und der Funktionsfähigkeit der erkrankten Extremität. PFS3 Tumorschmerztherapie am Beispiel einer chronischen Schmerzpatientin M. Thomm Klinik und Poliklinik für Anästhesie und Operative Intensivmedizin der Uniklinik zu Köln Bei einer 45jährigen Patientin wurde 1994 ein Mamma-Carcinom rechts diagnostiziert. Nach Ablatio mammae wurde ein Expander System implantiert, welches in der Folge mehrfach revidiert werden musste. Bei wiederholt durchgeführten Kontrolluntersuchungen konnten keine pathologischen Befunde erhoben werden. Ca. 6 Jahre später traten erstmals zunehmende Dauerschmerzen in der rechten Schulter auf; diese wurden durch Missempfindungen im Bereich der rechten Hand begleitet. Angst der Patientin vor einer möglichen Wiederkehr des Tumors führten dazu, dass diese Beschwerden ignoriert wurden und primär keine Untersuchung bzw. Therapie eingeleitet werden konnte. Beim Erstkontakt mit der Schmerzambulanz berichtete sie von zusätzlichen Schmerzen im Bereich des Schädels bzw. der Rippen, die nur zeitweise auftraten. Die bildgebende Diagnostik zeigte eine diffuse ossäre Metastasierung. Eine analgetische Vorbehandlung mit Tramadol, Novaminsulfon bzw. Morphin war wegen „Unverträglichkeit“ abgesetzt worden. Unter der Verdachtsdiagnose einer malignen Plexusinfiltration wurde ein erster Behandlungsansatz mit Buprenorphin und Dexamethason durchgeführt, der jedoch wegen zunehmenden Nebenwirkungen auch abge-
brochen werden musste. Einen weiteren Therapieversuch lehnte die Patientin daraufhin ab. Ca. 2 Wochen später stellte sie sich wegen stärkster Schmerzen notfallmäßig erneut in der Schmerzambulanz vor. Durch eine i.v.-Titration mit insgesamt 9 mg Morphin konnte das Schmerzniveau deutlich reduziert werden. Entsprechend dem Wunsch der Patientin wurde eine Dauertherapie mit transdermalem Fentanyl (25mg/h), entsprechender Zusatz-, Kound Begleitmedikation begonnen. Andere Maßnahmen wie eine Hormon- und/oder Strahlentherapie lehnte sie weiterhin vehement ab. Sie habe „mit dem Leben abgeschlossen“, sie wolle „nur noch schmerzfrei sterben“. Beim nächsten Kontrolltermin nach 2 Wochen hatte die Patientin ihre Einstellung jedoch geändert und äußerte jetzt aufgrund der effektiven Schmerztherapie den dringenden Wunsch nach weiteren Therapiemaßnahmen, wie z.B. Chemo- oder Strahlentherapie. Aufgrund der Befundprogredienz waren diese Maßnahmen nicht mehr erfolgversprechend und wurden letztendlich auch nicht durchgeführt. Die Patientin wurde jedoch auf der Palliativstation aufgenommen, wo neben der Schmerztherapie auch die weitere Symptomkontrolle im Vordergrund der Behandlung standen. Die Behandlung umfasste neben der medikamentösen Therapie auch die Aufarbeitung erheblicher psychosozialer Konflikte, die die Patientin belasteten. Nach 3 Monaten verstarb sie dort unter guter Symptomkontrolle.
PFS4 Postoperative Schmerztherapie bei Patienten mit Periduralkatheter D. Grünewald Universitätsklinikum Charité, Klinik für Anästhesiologie und operative Intensivmedizin, Campus Charité Mitte, Schmerzambulanz, 10098 Berlin Durch eine effektive postoperative Schmerztherapie sind günstige Effekte für fast alle Organsysteme zu erwarten. Bei vielen Operationen ist die peridurale Analgesie mit Lokalanaesthetika und Opioiden Mittel der Wahl zur peri- und postoperativen Schmerztherapie. Potentielle Vorteile der PDA gegenüber einer systemischen Schmerztherapie sind: · die häufig bessere Analgesiequalität · die regionale, segmentale Wirkung mit geringerer Beeinträchtigung der Vigilanz · die Sympathikolyse mit Verbesserung der Perfusion und der Darmtätigkeit · der prophylaktische oder gar präventive Effekt bezüglich chronischer Schmerzsyndrome Die Indikationsstellung muss vor Anlage des PDK gesichert sein, damit diese Vorteile zum Tragen kommen können. Anhand von Patientenbeispielen aus den Fachgebieten Orthopädie, Traumatologie,Allgemein- und Gefäßchirurgie werden Vor- und Nachteile der PDA beschrieben. Zur Minimierung von Risiken und Komplikationen beim Einsatz der PDA ist eine kontinuierliche Überwachung unabdingbar, diese erfordert eine enge Zusammenarbeit zwischen APS und Stationspersonal.
Der Schmerz [Suppl 1]•2001
| S 103