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V-3 QUALITÄTSMANAGEMENT - RISKMANAGEMENT EVIDENCE BASED MEDICINE Ein Muß für die Rechtsmedizin? Priv.-Doz. Dr. med. Dr. jur. Hans-Jürgen Kaatsch Institut für Rechtsmedizin der CAU zu Kiel
Der in vielen Fächern etablierte Standard von Qualitätssicherung und Qualitätskontrolle kann auch auf in der Rechtsmedizin ausgeübte Verfahren und Methoden übertragen werden. Es geht um Mindestanforderungen z. B. im Sektionssaal oder Labor und um die Überwachung und Einhaltung solcher Standards. Leitlinien spielen eine wichtige Rolle. Nicht vorhandenes oder schlechtes Qualitätsmanagement in der Rechtsmedizin birgt die Gefahr, dass Untersuchungsergebnisse in foro angezweifelt werden. Riskmanagement bedeutet, mit risikobehafteten Situationen bei Untersuchungsvorgängen umgehen zu können. Bereits im Vorfeld abzusehende oder systemimmanente Fehlerquellen sind zu analysieren und mit dem Ziel der Schadenvermeidung zu eliminieren. Voraussetzung hierfür sind Selbstkritik und Offenheit, die man bei allen Beteiligten motivieren müsste, um Fehler bzw. organisatorische Schwächen aufzudecken. Der Begriff evidence based medicine erscheint für das Fach Rechtsmedizin zunächst nicht einschlägig zu sein. Man versteht hierunter die rationale wissenschaftliche Begründung ärztlichen Handelns durch Gebrauch der besten wissenschaftlichen externen Evidenz aus systematischer Forschung. Die individuelle Behandlung soll sich auf belegbare Forschungsergebnisse stützen, wobei die gefundene Evidenz kritisch auf die Anwendbarkeit zu prüfen ist ("was nützt dies tatsächlich dem Patienten? In der Rechtsmedizin würde dies die Einführung von Klassifikationsund Qualitätsrangskalen für Evidenzen bedeuten, also die professionelle Evaluation der Bedeutung eines Untersuchungsergebnisses. Bei der Gutachte wären z.B. die Verwendung eines bestimmten Verfahrens zu be--nerstlug gründen, die Möglichkeiten und Grenzen der Methode aufzuzeigen, die eigene Bewertung mit den Ergebnissen systematischer Forschung zu vergleichen. Zwangsläufig würde hieraus auch ein innerfachlicher Diskurs über Ziel und Qualität von rechtsmedizinischen Untersuchungen resultieren.
ZUR RISIKEN UND NEBENWIRKUNGEN FRAGEN SIE IHREN RECHTSMEDIZINER? Jakob Klaas' , Hildegard Graß 2 , Michael Staak 2
' Staatsanwaltsschaft Köln Institut für Rechtsmedizin der Universität zu Köln
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Im Zusammenhang mit strafrechtlichen Ermittlungen bei Fragen ärztlichen Fehlverhaltens sind in der Regel umfangreiche Recherchen notwendigen. Unterschiedliche Sachverhalte sind als mögliche Anknüpfungspunkte zu hinterfragen und für die weitere Verfahrensentwicklung rechtsverwertbar zu dokumentieren. Üblicherweise handelt es sich um die Sicherstellung von Patientenakten und Feststellung von bestimmten Zeitabläufen. Doch von dieser routinemäßigen Bearbeitung gibt es Ausnahmen, insbesondere dann, wenn medizinisch komplexe Sachverhalte zu überprüfen sind und /oder keine hinreichenden Patientendokumentationen vorliegen. Mit Blick auf die rechtsmedizinischen Begutachtungen am hiesigen Institut zur Frage von unerwünschten Nebenwirkungen der als „Diät-Kapseln nach Dr. Coesens" bekannt gewordenen „Arznei" soll diskutiert werden, in wie weit medizinischer Sachverstand bereits während der Ermittlungsarbeit integriert werden kann bzw. muß und welche möglichen praktischen Konsequenzen aus dem konkreten Rechtsfall gezogen werden können.
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DECUBITUSPRAVALENZ IN HAMBURGER PFLEGEEINRICHTUNGEN: VON DER KREMATORIUMSLEICHENSCHAU ZUM „HAMBURGER MODELL" DER QUALITATSSICHERUNG
BEFUNDADÄQUATE IDENTIFIZIERUNGSPRINZIPIEN UND DEREN UMSETZUNG BEI DER EXHUMIERUNG VON MASSENGRÄBERN IM KOSOVO S.Benthaus, R. Vock, B. Brinkmann
K. Puschel, A. Heinemann Institut für Rechtsmedizin, Butenfeld 34, 22529 Hamburg
Institut für Rechtsmedizin Münster, Institut für Rechtsmedizin Leipzig
Auf der letzten Jahrestagung haben wir über Ergebnisse eines decubitusbezogenen Routinescreenings bei der Krematoriumsleichenschau berichtet. Die öffentliche Diskussion der Thematik hat in Hamburg seither zahlreiche Initiativen zur Qualitätssicherung im Pflegebereich angestoßen und damit auch gezeigt, wie Aufgaben der Leichenschau sinnvoll mit der Weiterentwicklung bzw. Optimierung des Versorgungssystems verknüpft werden können. Die retrospektive Analyse von 140 Fällen höhergradiger Decubitalgeschwüre unter Einbezug von Anamnesedaten, aber auch - im Falle institutionalisierter Pflege von Informationen zur Struktur- und Prozeßqualität, hat nochmals sehr deutlich gezeigt, daß im Bezugszeitraum noch bestehende Pflegedefizite im Bereich der Dokumentation und Prävention in erheblicher Weise mitverantwortlich gemacht werden müssen. Daneben gilt es aber auch, die ärztliche Rolle bei Pflegesupervision und Verordnungsverhalten sowie - v.a. im ambulanten Sektor - den vorgegebenen Rahmen der Pflegestufeneinschätzung kritisch zu würdigen. Die Ergebnisse der Studie gaben Veranlassung, die Analyse prospektiv und interdisziplinär weiterzuverfolgen. Vorgestellt wird abschließend die Entwicklung der Decubitusprävalenz bei Verstorbenen in Hamburg von 1998 bis
Im Auftrag des internationalen Strafgerichtshofes für das ehemalige Jugoslawien in Den Haag wurden in Zusammenarbeit mit dem Bundeskriminalamt neben schweizerischen und englischen Ermittlungsteams auch mehrere deutsche Untersuchergruppen in das Kosovo entsandt, um Beweismaterial für die Ermittlungen des Gerichtshofes zu sammeln und die Identifizierung der Opfer vorzunehmen. Das German Forensic Team (GFT) setzte sich aus Polizeibeamten der Landes- und des Bundeskriminalamtes sowie Rechts- und Zahnmedizinern zusammen. Neben der primären Aufgabe, die Todesursache der Opfer zu bestimmen und Beweismaterial sicherzustellen, wurde die Identifizierung angestrebt. Besondere Schwierigkeiten ergaben sich durch das fehlende antemortale Datenmaterial, so daß eine Vielzahl von Vergleichsdaten nur durch Personenbeschreibungen der Angehörigen gewonnen werden konnte. Die fast vollständige Skelettierung der Opfer eines Grabfeldes aus dem Jahre 1998 erforderte darüber hinaus die Erhebung umfangreicher anthropologischer Primärdaten. Insgesamt wurden 1999 110 Ermittlungsverfahren durchgeführt, 200 Opfer untersucht und davon 78 positiv identifiziert. Die besonderen Arbeitsweisen und Begleitumstände, die der Einsatz in diesem Gebiet beinhaltete, werden vorgestellt.
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V-s Drogen im Strallenverkehr - Untersuchungen an Blutalkoholproben zur Erheliung des Dunkelfeldes berauschter Verkehrsteilnehmer O. Temme, T. Daldrup Institut fur Rechtsmedizin, Moorenstr. 5, 40225 Dusseldorf Die Anzahl an Personen, die unter dem EinfluJ.\ berauschender Mittel am Stratienverkehr teilnehmen, ist unbekannt. Selbst im am besten untersuchten Bereich, dem der alkoholisierten Fahrer, kann die Gesamtzahl nur geschatzt werden. Noch weniger Erkenntnisse liegen fur die unter dem EinfluB anderer berauschender Mittel stehenden Personen vor. Von den zwischen Mai 1998 und Mai 1999 eingegangenen Blutproben von Verkehrsteilnehmern, die zur Bestimmung der Blutalkoholkonzentration (BAK) eingesandt wurden, wurden aile Proben zwischen 0,00 und 0,29 %0 BAK und 20 % der Proben zwischen 0,3 und 0,79 %0 BAK einem Drogenscreening unterzogen. Zur Untersuchung gelangten so 314 Proben, bei denen ausschlielllich die BAK bestimmt werden solite und kein Verdacht auf andere berauschende Mittel vorlag. Fur weitere 35 Proben wurde aufgrund konkreter Hinweise gleichzeitig ein Drogenscreening in Auftrag gegeben. Untersucht (inklusive Bestatigungsanalysen) wurde auf Amphetamine, Benzodiazepine, Cocain, Methadon, Opiate und Cannabinoide. Unter den Proben, die ohne diese Untersuchung niemals einem Drogenscreening unterzogen worden waren, fanden sich uber 20 % positive Befunde fur die Einnahme berauschender Mittel. Der Anteil an Befunden, der die von der Grenzwertkommission vorgeschlagenen Kriterien fur einen sicheren Nachweis einer in der Anlage zu § 24a StVG aufgefiihrten Substanz erfullte, lag bei 7 %. Bei den zur Drogenuntersuchung beauftragten Proben konnte in uber 60 % der Faile die Einnahme eines berauschenden Mittels nachgewiesen werden, bci 37 % war eine Ordnungswidrigkeit gemaB § 24a StVG anzunehmen. Zusammen ergibt sich somit, dass 25 % der Verkehrstcilnchmcr, die mit einer BAK unter 0,8 %0 zur Untersuchung gelangten, andere berauschende Mittel als Alkohol konsumiert haben.
V-7 NEUE HORIZONTE IN DER FORENSISCHEN DOKUMENTATION UND AUSWERTUNG VON VERLETZUNGEN: FORENSISCHE, 3D/CAD- PHOTOGRAMMETRIE, 3DOBERFLACHEN-SCANNING UND RADIOLOGISCHES SCANNING Michael J Thali (1,4); M. Braun (2); W. Brueschweiler (2); HP. Kneubuehl (1,3); P Vock (4); J Wirth (5); R. Dimhofer (I) I. 2. 3. 4. 5.
Universitat Bern,lnstitut fur Rechtsmedizin, 3012 Bern,Schweiz Wissenschaftlich-technischer Dienst, Stadtpolizei ZUrich, Schweiz. Bundcsamt fur Waffensysterne, Fachabteilung 26, 3602 Thun, Schwciz. lnstitut fur Diagnostische Radiologic, Uruversitat Bern, 3010 Bern,Schweiz. CfM Zentrum, Fachhochschule beidcr Basel, 4132 Muttenz, Schweiz
Ziel: Dokumentation und Auswertung von Verletzungsmustern mittels Forensischer 3D/CAD-Photogrammetrie, 3D-Oberflachen Scanning und Radiologischem Scanning. Methode: An einem "Haut-Schadel-Gchim-Modell" wurde mit einem Radschlussel eine geformte Verletzung appliziert. Danach erfolgte die Dokumentation und Auswertung der gesetzten Verletzung mittels Forensischer, 3D/CAD-Photogrammetrie, 3D-Oberflachen-Scanning und Radiologischern Scanning (Computertomographie). Resultate: Die Kombination von Forensische 3D/CADPhotogrammetrie, 3D-Oberflachenscanning und Radiologische Scanning dokumentiert dreidimensional und massstabsgetreu in Grosse und Form die Oberflache und das Volumen von Verletzungsmustern. Aus diesen 3D-Datensatzen wird in einem 3D/CAD-Programm das Verletzungsmuster mit dem verursachenden Werkzeug hinsichtlich Passgenauigkeit uberpruft. Folgerung: Die Verletzungsdokumentation mit obigen Methoden geschieht beruhrungsfrei. Das Verletzungsmuster (Oberflache und inneres Volumen) kann als digitaler Datensatz tiber den Zeitraum der naturgegeben eingeschrankten Existenz des Wundbefundes archiviert werden. Dies errnoglicht unter anderem ein spater aufgefundenes Werkzeug als Tatinstrument zu identifizieren oder auszuschliessen. Dieser ganze Dokumention- und Auswertungsprozess offnet auch das Tor zur Einfuhruna der Skalnellosen Autonsie (.,scalpel,freedil!.ital autopsy").
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SINNVOLLER EINSATZ DES COMPUTER BASED TRAINING (CBT) IN DER RECHTSMEDIZINISCHEN LEHRE ?
ZUORDNUNG VON STANZMARKE UND WAFFENGESICHT MITTELS PHOTOGRAMMETRIE
M Dilger, T Fink, Ch. Rittner
M. Bohnert!, H. Berger', U. Buck', S. Pollak! 1 Institut fur Rechtsmedizin, Universitatsklinikum Freiburg, Albertstr. 9, D-79104 Freiburg 2 Akademie der Polizei Baden-Wiirttcmberg, Freiburg J Landeskriminalamt Baden- Wiirttemberg, Stuttgart
Institut fur Rechtsmedizin, Johannes Gutenberg-Universitat, 55131 Mainz In zahlreichen medizinischen Fachgebieten wird die Ausbildung bereits mittels cornputergestutzter Lernkonzepte mit Erfolg durchgefuhrt. Dieses computer based training (CBT) errnoglicht im Gegensatz zum ublichen Lehrbuch ein individuelles, nichtlineares Lemen durch interaktive Lernsoftware. Argumente, die zudem fur eine Anwendung des CBT autgefuhrt werden, sind die raumliche und zeitliche Entkopplung des Lernens von vorgegebenen Stundenplanen. Der Einsatz jeglicher Lemsoftware ist von der Verfugbarkeit geeigneter PCs fur die Studierenden abhangig. In einer 4-semestrigen Umfrage bei den Teilnehrnern des Kurses Rechtsmedizin wurden diese technischen Voraussetzungen evaluiert. Uber 90% der Studierenden verfugten tiber einen Computerzugang, ca. 70% setzten bereits Lernsoftware in anderen Fachern und Programme zur Prufungsvorbercitung ein. Die Frage nach der Akzeptanz rechtsmedizinischer Lernsoftware wurde durchweg positiv beantwortet, insbesondere wenn durch die Programme das Angebot an geeignetem Bildmaterial in rechtsmedizinischen Lehre verbessert wird. Der Computereinsatz wurde auch fur den Bereich Rechtsmedizin von den Studierenden als sinnvolle Erganzung zum Lehrbuch gesehen, einem ausschlielllichen Lemen mittels Software stand die grolle Mehrzahl kritisch bis ablehnend gegenuber Insgesamt ist von einer hohen Bereitschaft zu interaktivem Lemen auch im Fach Rechtsmedizin auszugehen, wobei nach dem Ergebnis unserer Umfrage der Wunsch nach fallorientierter Darstellung der wesentliche Einsatzbereich des CBT sein durfte. Beim Lemen systematischer rechtsmedizinsicher Lehrinhalte wird von der Mehrzahl der Studierenden weiterhin die Buchform bevorzugt
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Bereits Werkgartner wies darauf hin, daf die Stanzrnarke nicht nur einen aufgesetzen Schull beweist, sondem dariiber hinaus auch Riickschliisse auf den Konstruktionstyp der Tatwaffe und deren Haltung zum Zeitpunkt der Schullabgabe zulaBt. Aus morphologischer Sicht konnen dann Schwierigkeiten auftreten, wenn fiir die Entstehung einer absoluten Nahschufiverletzung verschiedenartige Tatwaffen in Betracht kommen. 1m Rahmen einer Studie sollte uberpruft werden, ob und in welchem Umfang eine Zuordnung von Stanzmarke und Waffentyp durch Photogrammetrie m6glich is!. Hierzu wurden mit 5 verschiedenen Faustfeuerwaffen je 3 aufgesetzte Schiisse auf frische Schweinehaut abgegeben. Die so entstandenen Stanzmarken wurden anschliefiend photographiert und die Abbildungen nach dem Einbildverfahren von Rollei® entzerrt. Von jeder Waffe wurde der Miindungsbereich mafsstabsgctreu mit Hilfe des CADProgramms MicroStation Jlil am Rechner konstruiert und transparent tiber die entzerrten Photos der Stanzmarken gelegt, Dieser Schritt wurde vergenommen, ohne daf dem Untersucher bekannt gcwesen ware, welche Verletzung durch welchen Waffentyp verursacht worden war. Es zeigte sich, daf eine groflenmaliige I: l-Zuordnung zwischen Waffengesicht und Stanzmarke nur im Einzelfall vorkam, in aller Regel war die Abdruckmarke urn bis zu 10 % kleiner als das Waffengesicht. Dennoch gelang in allen untersuchten Fallen eine Zuordnung zwischen Waffentyp und Verletzung durch morphologischen Merkmalsvergleich.
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Nachweis und Quantifizierung von Drogen und anderen Fremdstoffen in Blutspuren auf verschiedenen Trägermaterialien
DIE EUROPÄISCHE HAPLOTYP-DATENBANK FÜR DAS HUMANE Y-CHROMOSOM UND IHRE ANWENDUNG IN DER FORENSISCHEN PRAXIS
J.C.Gotta, F.Erdmann, M.Riße, H. Schütz, G.Weiler Institut für Rechtsmedizin der Justus- Liebig-Universität Gießen In einem spektakulären Fall (Vater tötet Dealer seiner Tochter) war anhand von Blutspuren zu klären, ob diese beim Fixen am Vorabend oder im Rahmen eines Abwchrkampfes zwischen Täter und Opfer entstanden. Aus der Lage der Spuren wurden vom Gericht wiederum wichtige Rückschlüsse auf den Tatablauf gezogen, nachdem eine zeitliche Zuordnung durch entsprechende Analysen möglich war. Dieser Fall war Anlaß, die Identifizierung und Quantifizierung von Amphetaminderivaten (Amphetamin, Methamphetamin, MDA, MDMA, MDEA, MDBD), Cannabinoiden (THC, THC-COOH, 11-OH-THC), Kokain (Benzoylecgonin, Methylecgonin) und Opiaten (Morphin, Codein) in kleinen Blutspuren auf verschiedenen Trägern (Textilien, Holz, Glas, Keramik u.a.) systematisch zu untersuchen, wobei auch Lagerungsparameter (Lichteinflüsse, Temperaturen und Expositionszeiten bis zu 60 Tagen) berücksichtigt wurden. Die Extraktionen erfolgten mit Hilfe eines Pipettierroboters (ASPEC XL) unter Verwendung spezieller Säulen (SPE, HCX). Auch für die Elution und Derivatisierung wurden spezielle Verfahren entwickelt. Für die Ermittlung der Nachweis-, Bestimmungs- und Erfassungsgrenzen wurde ein spezielles Programm (BEN) herangezogen. Abhängig von der Konzentration der Analyte konnten bis zu Spurenvolumina von 50 Fl und teilweise noch darunter Identifizierungen erzielt werden.
L. Roewer*, S. Willuweit, M. Kayser, M. Nagy, P. de Knijff, G. Geserick, C. Augustin, A. Betz, A. Carracedo, D. Corach, B.M. Dupuy, S. Füredi, L. Gusmaö, L. Henke, M. Ridding, C. Hohoff, H.J. Kärgel, R. Lessig, E. Liebeherr, W. Parson, V.L. Pascali, B. Rolf, P.M. Schneider, R. Szibor, T. Dobosz, J. Teifel-Greding, M. Krawczak *Institut für Rechtsmedizin, Hannoversche Straße 6, D-10115 Berlin Seit Januar 2000 sind Haplotyp-Frequenzen aus der Internetversion der weltweit größten Sammlung Y-chromosomaler DNA-Profile abrufbar. Es handelt sich hier um die erste forensische Referenzdatenbank zur interaktiven Nutzung für den forensischen Gutachter. Sie ist durch die Zusammenarbeit von Labors aus nahezu allen europäischen Ländern sowie durch Mitarbeit von Kollegen aus den USA und Südamerika entstanden. Gegenwärtig (Mai 2000) sind 3710 komplette 9-Locus Haplotypen aus 27 europäischen Populationen gespeichert. Alle beitragenden Labors unterziehen sich einer Qualitätskontrolle, Zur Berechnung der Haplotypfrequenzen dient neben dem in der Datenbank beobachteten Wert für 2006 verschiedene Haplotypen (Mai 2000) die Extrapolation via „haplotype frequency surveying" für jeden beliebigen Standard-Haplotyp (Roewer et al., Juli 2000, For Sei International, im Druck). Das Zusammenführen europäischstämmiger Populationen in einer Referenzdatenbank ist zulässig wie die molekulare Varianzanalyse für die untersuchten Populationen zeigt. Wie anhand von Fallbeispielen (Vergewaltigungsfälle, Patemität) dargestellt wird, ist die Berechnung von Identitätswahrscheinlichkeiten entscheidend für den Beweiswert der Resultate, die bei der Analyse haploider Genome generiert werden.
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NACIIWEIS VON EXZESSIVEM ALKOHOLKONSUM DURCH BESTIMMUNG VON FETTSÄUREETHYLESTERN IM HAAR
SPERMANACHWEIS DURCH RT-PCR MIT SIMULTANER STR-ANALYSE
F. Pragst, V. Anwärter und F. Sporkcrt
M. Bauer, D. Patzelt Institut fair Rechtsmedizin der Universität Würzburg, Versbacher Str. 3, 97078 Würzburg
Institut für Rechtsmedizin der Humboldt-Universität, Hannoversche Straße 6, D-10115 Berlin Fettsäureethylester werden enzymatisch als Produkte eines Seitenweges des Alkoholstoffwechsels gebildet. Im Blut besitzen sie eine Halbwertzeit von ca. 10 bis 12 Stunden, so daß sie nur als Marker für einen aktuellen oder kurzzeitig zurückliegenden Alkoholkonsum dienen können. Bei Speiche rung im Haar sollten sie hingegen eine retrospektive Kontrolle von chronisch erhöhtem Alkoholkonsum ermöglichen. Zur Prüfung dieser Möglichkeit wurde eine Methode zur quantitativen Bestimmung von Ethylmyristat, Ethylpalmitat, Ethylstearat und Ethyloleat entwickelt. Die äußerlich entfetteten Haare wurden nach Zusatz der vier D S Ethylester als innere Standards mit Dimethylsulfoxid/Hexan extrahiert. Die Hexanphasc wurde abgetrennt und eingedampft. Der Rückstand wurde in Phosphatpuller und überschüssigem NaC1 aufgenommen und mittels Headspace-Fcstphasenmikrocxtraktion (HS-SPME) und GC-MS im SIM-Modus analysiert. Die Nachwcisgrenzen lagen zwischen 0,01 und 0,04 ngimg. Die Anwendung auf Haarproben von 10 Alkoholikern, 10 Normaltrinkern (3 — 6 Einheiten/Woche) und 10 Abstinenzlern zeigte, daß sich die Alkoholiker deutlich von den Abstinenzlern und Normaltrinkern abgrenzen: -
Gruppe (n = 10) Ethylmyristat Ethylpalmitat Ethylstearat Ethyloleat
Alkoholiker Normaltrinker
Abstinenzler
0,08-2,4 n. n — 0,05 n. n.
0,35 — 13,5 0,03 —0.4 n. n. — 0,05
0,4 — 7,0 0,08 — 3,8 n. n. — 0,12 n. n. — 0,32 n. n. n. n.
Bei der Untersuchung von Spuren ist häufig nicht nur die Identität des Spurenlegers, sondern auch die Herkunft bzw. Art der Spur von Bedeutung. Spermaspuren werden z.B., wenn ein mikroskopischer Sperma nicht gelingt, meist nur durch unspezifische Schnelltests auf ihre-nachweis Spermaeigenschaft untersucht. Nachdem wir die Eignung der Analyse gewebespezifischer mRNA durch reverse Transkription und PCR (RTPCR) zur Identifizierung von Menstrualblut zeigen konnten (J Forensic Sei 1999; 44(6):1232-6), soll in der hier präsentierten Studie ein ähnlicher Ansatz mit dem Ziel des Nachweises spermaspezifischer mRNA vorgestellt werden. Dabei wurde die bereits etablierte Methode dahingehend erweitert, daß aus derselben Probe in einem zusätzlichen Schritt die von der RNA abgetrennte DNA zurückgewonnen und zur STR-Analyse ein wurde. Als Nachweis der Spermaeigenschaft wurde die Detektion-gestz der mRNA des basischen Nukleoproteins Protamin-2 mittels RT-PCR angesehen, die sich vor allem in Spermien findet und in relevanten Vergleichsgeweben nicht exprimiert wird. Hierfür und zur STR-Analyse waren wenige µl Sperma entsprechend < 1000 Zellen ausreichend. Die kombinierte DNA- und RNA-Isolierung ermöglicht daher die simultane Bestimmung des Zelltyps bzw. Herkunftsorgans und der genetischen Identität aus einer Probe.
Konzentrationen in ng/mg; n. n. — nicht nachweisbar
Die Ergebnisse stellen somit einen erfolgversprechenden Ansatz für weitere Untersuchungen mit dem Ziel des praktischen Einsatzes in der forensischen und klinischen Praxis dar.
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SIGNIFIKANT GEHÄUFES AUFTRETEN GENETISCHER POLYMORPHISMEN BEI STJIZIDENTEN
LC/MS MIT SPEKTRENBIBLIOTHEKEN FÜR DAS GENERALUNKNOWN SCREENING: TUNING DER „IN-SOURCE" FRAGMENTIONENBILDUNG
J. Kuznik* , B. Bondy°, W. Eisenmenger*, H.-J. Möller°
Institut für Rechtsmedizin der Universität München, Frauenlobstr. 7a, 80337 München Psychiatrische Klinik der Universität München, Nußbaumstr. 7, 80336 München
Institut für Rechtsmedizin, Universitätsklinikum Freiburg, Albertstr. 9, D-79104 Freiburg
Störungen im Sinne eines sog. low-serolonin-syndrome werden u.a. häufig mit impulsiven, aggressiven Verhaltensweisen, depressiven Syndromen und Suizidalität assoziiert (z.B. Linnoila VM, Virkkunen M (1992) Aggression, Suicidality and serotonin. J. Clin. Psychiatry 53 Suppl: 46 — 51). Daneben legten familiär gehäuft auftretende Suizide den Verdacht auf eine auch genetisch bedingte Vulnerabilität für Suizidalität nahe (Roy et al. (1999) Genetics of suicide in depression. J. Clin. Psychiatry 60 Suppl 2: 12— 17). In einer molekulargenetischen Studie wurden der 5-HT2A- Rezeptor (T102C Variante) sowie funktionelle genetische Varianten des 5-HT Transporters (5-HTTLPR; S- und L-Allel) und der Tryptophan-Hydroxylase (TPII, U- und L-Allel) an Blutproben von bislang 135 Suizidenten (98 m, 37 w; Alter 47,2 t 16,8 Jahre) bzw. 147 gesunden Kontrollpersonen (67 m, 80 w; Alter 46,8 Jr 10 Jahre) gentypisiert. Zeigten sich bzgl. des 5-IIT2A Rezeptors keine Unterschiede zwischen Suizidenten und Kontrollen, fand sich aber bei Suizidenten eine signifikante Häufung des S-Alleles des 5HTTLPR (Fisher's Exact Test: p=0.022) sowie eine Veränderung der Genotyp-Verteilung der TPH (x2=6,53, df=2, p=0,038). Ferner wiesen 71% der Suizidenten, aber nur 50% der Kontrollen eine Kombination von Allel S des 5-HTTLPR und Allel L der TPH auf (x2=11,42, df=3; p=0,0097). Die Ergebnisse lassen darauf hoffen, daß zukünftig bei der rechtsmedizinisehen Beurteilung von Verletzungen bzgl. der Differenzierung Selbstbei ein weiteres Indiz und u.U. für die oftmals sehr proble--bringu/I.Had matische forensisch-psychiatrische Prognose-Beurteilung von Straftätern mit Gewaltdelikten ein Kriterium zur Verfügung stehen wird, das die Sicherheit der jeweiligen Aussagen deutlich erhöhen könnte.
Im Gegensatz zum General-Unknown-Screening mit GC/MS (nach Methoden von Pfleger/Maurer/Weber) und mit HPLC (nach der Methode von Pragst et. al.) existieren bisher für ein Medikamenten -/ Drogenscreening keine kommerziellen Massenspektrenbibliotheken für die Kopplung von Hochdmekflüssigkcitschromatographie-Massenspektrometrie (LC/MS), welche mit Quadrupol- oder Iontrap-Massenspektrometern verschiedener Hersteller verwendet werden können. Ein Problem bei der Erstellung solcher Spektrenbibliotheken ist die bisher fehlende Standardisierung der Fragmentionenbildung bei der Elektrospray-Ionsiation (ESI) oder bei der chemischen Ionisation (APCI), welche wegen unterschiedlichem Aufbau von Ionenquellen nicht allein anhand von Fragmentierungs-Potentialen - wie z.B. bei der GC/MS mit 70 eV im EI-Modus - möglich ist. Um dennoch reproduzierbare Fragmentierungsgrade zu erreichen, werden hier Referenzsubstanzen vorgestellt, welche zum „Tuning" der Fragmentierungsenergie an unterschiedlichen Geräten verwendet wurden: Haloperidol, Paracetamol, Trimethobenzamid, Metronidazol (für positive ESI) und Metamizol für negative ESI - sowie weitere forensisch relevante Substanzen. Bei Vergleichsuntersuchungen mit Geräten der Firmen PEBiosystems und Hewlett-PackardlAgilent zeigte sich, daß sich mit Hilfe dieser Substanzen vergleichbare Fragmentierungsgrade erzielen lassen. Basierend auf drei Energie-Niveaus (Low-Medium-High) können damit Spektrenbibliotheken erstellt werden, die - nach entsprechendem „Tuning" des jeweiligen LC/MS-Gerätes - auch mit Geräten unterschiedlicher Hersteller eingesetzt werden können.
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W. Weinmann , M. Görner, R. Goerke, S. Pollak
DNA — ANALYTIK IN DER FORENSISCHEN ENTOMOLOGIE
Tödliche H 2 S Vergiftung. Nachweis von Sulfid und Thiosulfat in biologischen Proben mittels GC/MS.
R. Zehner s , C. Niess l , J. Amendt 2 , R. Krettek 2
H. Mahler , C. Fowinkel, K. Haarhoff und T. Daldrup Institut für Rechtsmedizin der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf Moorenstr. 5, D-40225 Düsseldorf
'Zentrum der Rechtsmedizin der J W Goethe — Universität Frankfurt Forschungsinstitut Senckenberg
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Im Rahmen von Leichenliegezeitbestimmungen werden am Zentrum der Rechtsmedizin in Frankfurt sofern möglich auch Entomologische Untersuchungen durchgeführt. Im Rahmen dieser Untersuchungen ist die exakte Bestimmung der aufgefundenen Insekten von großer Bedeutung. Allerdings ist eine exakte Identifizierung auf morphologischer Basis auch am Imago nur mit Erfahrung möglich, die Artbestimmung im Larven- oder Puppenstadium erfordert sogar noch erheblich größeres fachliches Wissen und ist dort in vielen Fällen sogar prinzipiell unmöglich Mittels Sequenzanalyse polymorpher Gene des mitochondrialen Genoms kann eine Speziesidentifizierung auch mit molekularbiologischen Methoden durchgeführt werden. Dies bietet den Vorteil, daß Untersuchungen auch von z.T. morphologisch kaum unterscheid Fliegenlarven unmittelbar nach der Asservierung durchgeführt-baren werden können. Eine Anzucht der Larven mit dem Ziel, die Artbestimmung am Imago vorzunehmen entfällt somit. Darüber hinaus kann eine Artbestimmung auch an unvollständigen Larven, toten Tieren oder Puppenhüllen durchgeführt werden. Diese Applikation erlaubt forensisch-entomologische Untersuchungen auch in Fällen, in denen klassische entomologische Analysen u.U. sonst nicht möglich wären. Ergebnisse von Artbestimmungen mittels molekularbiologischer Methoden werden vorgestellt.
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Ein 53jähriger Arbeiter wurde im 20 m3 großen Pumpenraum einer Regen Fäkalien-Außenhebeanlage eines Krankenhauses unter einem offe--waser nen Schacht tot aufgefunden. Das Opfer hatte den unterirdisch gelegenen Raum 10 h zuvor betreten. Vor Ort wurden durch die Feuerwehr keine toxischen Gaskonzentrationen gemessen. Die forensische Obduktion ergab keine Hinweise auf Tod durch Stromschlag, Ertrinken, gängige chemische Noxen oder äußere Gewalt. Es dominierten Lungen- und Hirnödem sowie Blutstauung der inneren Organe, Stauungsblutungen der Augenlider und der Bindehäute, beginnende herdförmige Pneumonie (mikroskopisch) bei leichter vorbestehender Arteriosklerose mit mäßig vergrößerter Herzmuskulatur. Als Todesursache wurde eine H2 S-Vergiftung vermutet. H2S entsteht als toxischste Komponente neben anderen Gasen bei der Zersetzung biologischen Materials und kann in Abort-, Jauche- und Abwasseranlagen nachgewiesen werden. Höhere H 2 S-Konzentrationen schädigen schon nach kurzer Exposition die Geruchsempfindung und das Nervensystem und reizen die Hornhaut der Augen und die Schleimhäute der Atemwege (Pneumonie). H2 S kann unabhängig von Fäulnisentwicklung über den Metaboliten Thiosulfat nachwiesen werden.' Im vorliegenden Fall wurden die Proben mit Pentafluorbenzoylbromid in Aceton derivatisiert, mit verdünnter Jodlösung versetzt und mit Ethylacetat extrahiert. Die Extrakte wurden nach Zugabe eines inneren Standards gaschromatographisch/massenspektrometrisch analysiert. Sulfid (S) und Thiosulfat (T) wurden in peripherem Blut (S: +; T: 100 µg/L) und in Urin (S: +; T: 13 mg/L), jedoch nicht in Herzblut (Instabilität), Gehirn und Nierengewebe nachgewiesen. Die Konzentrationen sprechen für eine hochtoxische Inhalation von H 2 S, weshalb hier letztlich von einer letalen H2S-Vergiftung ausgegangen werden konnte. Kage et±L J. Forensic Science 43(1991). 905-is
V-1 7 „UP-REGULATION" DER ZELLDICHTE iiOPIATREZEPTOR EXPRIMIERENDER NEURONE IM FRONTALCORTEX DROGENTOTER P. Schmidt' , C. Schmolke 2 , F. Mußhoff , M. Menzen', C. Prohaska', B. Madea' 'Institut für Rechtsmedizin, Universität Bonn, Stiftsplatz 12, 53111 Bonn 2 Rheinische Kliniken Bonn, Kaiser-Karl-Ring 20, 53111 Bonn Rechtsmedizinisch relevante Morphinwirkungen wie Atemdepression oder Toleranzentwicklung werden durch Reaktion am .sOpiatrezeptor (OR) vermittelt. Unter chronischer Morphinexposition wurden in Zellkultur und Tierexperiment sowohl „up"- als auch „down-regulation"Phänomene beobachtet. Durch immunhistochemisch-morphometrische Untersuchungen an Autopsiegehirnen Drogentoter mit gesichertem chronischem Opiatabusus (n=12, 22 - 35 Jahre, freies Morphin 27,1 - 407 ng/ml, MW 176,9 ng/ml) und eines altersentsprechenden Kontrollkollektivs (n=13, 10-44 Jahre, toxikologisch kein Nachweis von BTM) wird überprüft, ob es in der Area 11 des menschlichen Frontalcortex, die zum orbitofrontalen Assoziationscortex gehört, zu einer vergleichbaren numerischen Adaptation kommt. Die µOR exprimierenden Neurone wurden mit einem monoklonalen Antikörper und einem Peroxidasedetektionssystem an 100 µm dicken Vibratomschnitten nachgewiesen, die Gesamtneuronenzahl an kresylviolettgefärbten Präparaten. Die quantitative Auswertung wurde mit Hilfe eines Zeichenmikroskopes (camera lucida- Zeichnungen) durchgeführt. Die Zelldichte FOR exprimierender Neurone liegt im Kontrollkollektiv bei 2320±124/mm' und ist im Kollektiv Drogentoter auf 2777±206/mm' erhöht. Dieser Unterschied ist auf dem 99%-Niveau signifikant. Als Ursachen der „up-regulation" werden das Konsumverhalten, zusätzliche Äthanolwirkung, endogene Opioide und Antiopiate diskutiert. Die Rezeptor-„up-regulation” wäre mit einem Zustand der Hypersensitivität zum Zeitpunkt des Todeseintritts kompatibel.
V-19 LEVOMETHADONKONZENTRATIONEN IN BLUTPROBEN VON LEBENDEN UND VERSTORBENEN G. Drasch , L. von Meyer, G. Roider, D. Quitterer Institut für Rechtsmedizin der Ludwig- Maximilians-Universität München Frauenlobstr. 7a, 80337 München
In Deutschland ist Methadon zur Opiatsubstitution sowohl in Form des Racemats (DL-Methadon) als auch des reinen Levomethadons zugelassen. Die Wirkung von Methadon ist streng stereoselektiv an die L-Form gebunden. Der Metabolismus von Methadon verläuft individuell unterschiedlich stereoselektiv. Wenn man sich daher insbesondere aus forensischer Sicht der Frage einer Dosis-Wirkungs-Beziehung von Methadon nähern will, ist eine stereoselektive Racemattrennung unabdingbar. Im forensischen Bereich wurden unseres Wissens Untersuchungen hierzu nur in der Rechtsmedizin Hamburg an Blutseren von Lebenden erprobt. Systematische Untersuchungen an Leichenmaterial sind bisher noch nicht publiziert worden. Mit einer stereoselektiven HPLC-Methode (Einzelheiten zur Methode siehe Poster) wurden 93 Serumproben von Lebenden und 106 Blutproben von Leichen auf L- und D-Methadon untersucht. Bei Aufnahme von Racemat fanden sich individuelle Verhältnisse von L/D-Methadon von etwa 25/75 bis 75/25, bei Mittelwerten von jeweils etwa 50/50. Die Levomelhadonkonzentrationen der Verstorbenen lagen im Mittel (0,39 mg/l) wie im Maximum (2,38 mg/l) deutlich höher als bei den Lebenden (MW 0,10 mg/l; max. 0,45 mg/I). Statistisch signifikante Unterschiede in der Höhe der Levomethdonkonzentration von Probanden, die mit Racemat oder reinem Levomethadon substituiert waren, zeigten sich nicht. Bei den Lebenden verändert sich mit steigender Methadonkonzentration im Serum das durchschnittliche L/DVerhältnis nicht. Bei den Leichen fällt allerdings auf, daß sämtliche Fälle mit hohen Levomethadonkonzentrationen (> 1 mg/l) ein Racematverhältnis von deutlich über 50% Levomethadon aufwiesen. Von Interesse sind auch 2 Fälle von Lebenden und 5 Verstorbenen, in denen auf Grund eines L/DVerhältnisses von über 80% eine parallele Versorgung mit Racemat und DLMethadon angenommen werden muß.
V-1 8
V-20
DIFFERENZIERUNG METHADON- ASSOZIIERTER TODESFÄLLE NACH ENANTIOMERENTRENNUNG
HOMIZIDALE MEHRFACHTÖTUNGEN MIT CHLOROFORM
G.Kauert und S.Gleicher
Institut für Forensische Toxikologie, Zentrum der Rechtsmedizin, Universität Frankfurt am Main Seit der Änderung des Betäubungsmittelgesetzes im Februar 1998 und dem Wegfall der Meldepflicht für die Methadonsubstitution hat sich bundesweit die Zahl der Methadon-Todesfälle erhöht (Schmoldt et al., 1999). In der Regel wird als Substitutionsmittel das Gemisch von Levo- und Dextro-Methadon (Razemat) in einer Rezeptur von einer 1% igen Zubereitung als Saft eingesetzt. In manchen Ambulanzen kommt jedoch auch noch das intrinsisch wesentlich stärkere Levo-Methadon (L-Polamidon) zum Einsatz. Es war daher von Interesse, die Blutproben Methadon-assoziierter Drogentodesfälle aus dem Frankfurter Bereich mit Hilfe einer für die postmortale Matrix modifizierten Methode (HPLC-Dioden-ArrayDetektion auf einer Alpha-Glykoproteinsäule, Gleicher et al.,2000) quantitativ auf die Enantiomeren des Methadons zu reanalysieren. Es wurden 28 Fälle der Jahre 1998 und 1999 mit vorangegangenem GC-MS Methadon-Nachweis untersucht. Hierbei konnten 11 Fälle (39,2%) mit eindeutigem Levo-Methadonbefund, 12 Fälle (42,8%) mit eindeutigem D/L-Methadon-Nachweis und 5 Fälle (18%) mit gemischter Levo- und Razemataufnahme, bei denen die Konzentrationen des L-Methadons deutlicher höher waren als diejenigen des D-Methadons, differenziert werden. Die Konzentrationen des LMethadons liegen zwischen 0,05 und 7,1 mg/L. Die Summen der Enantiomerenkonzentrationen korrelieren teilweise sehr gut mit den GCMS Befunden, es gibt jedoch auch Fälle mit Diskrepanzen. Der hohe Anteil eindeutiger Levo-Methadonbefunde erschien überraschend. Die Differenzierung der Enantiomere erleichtert die toxikologische Beurteilung der Todesursache bei Methadon-assoziierten Todesfällen und verbessert die Anamnesestellung im Hinblick auf Konsumverhalten.
M. Riße , H. Schütz, G.Weiler
Institut für Rechtsmedizin der Justus- Liebig-Universität Gießen Mitteilungen über letale Chloroformintoxikationen betreffen meist beabsichtigte suizidale Handlungen oder unbeabsichtigte ökonomische oder gewerbliche Vergiftungsfälle. Tötungsdelikte mit Chloroform sind selten, über Mehrfachtötungen wurde nur ganz vereinzelt berichtet. Bei zwei Fällen von Mehrfachtötung unseres Sektionsgutes handelt es sich einmal um zwei 16 jährige Mädchen, die einem Sexualverbrechen zum Opfer fielen und in einem weiteren Fall um drei Geschwisterkinder im Alter von 3, 6 und 8 Jahren, welche durch den Vater, der nach der Tat Suizid durch Erhängen beging, getötet wurden. Hinweise auf eine inhalative Chloroformintoxikation und Kontakt mit chloroformdurchtränkter weicher Bedeckung boten bei allen fünf Opfern Verätzungsspuren im Gesicht. In Abhängigkeit von den toxikologischen Befunden, deren Interpretation schwierig sein kann, ist u.a. zu diskutieren, ob es sich um eine rein letale Intoxikation handelt oder inwieweit Sauerstoffm angel durch Bedecken der Atemöffnungen als konkurrierende Todesursache in Betracht kommt. Die Verteilungsprofile in den einzelnen Asservaten werden im Hinblick auf die toxische Gesamtsituation (Parallelnoxen wie z.B. Anoxie) diskutiert. Weiterhin wird über den Einfluß der Asservierungstechniken und die Stabilität in Abhängigkeit von verschiedenen Lagerungsparametem berichtet.
Rechtsmedizin • Supplement 1 •2000
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IMMUNCHEMISCHE VORTESTUNG VON BLUTPROBEN AUF DROGEN 1M RECHTSMEDIZINISCHEN UNTERSUCHUNGSGUT - ERFAHRUNGEN MIT DEM MAHSAN MTP, ABBOTT ADX UND CEDIA
ZUR HYDROLYSE VON ALKOHOLGLUCURONIDEN
L. Kroner, F. MuBhoff, B. Madea Institut fur Rechtsmedizin, Stiftsplatz 12, 53111 Bonn Problernatik: Im rechtsmedizinischen Untersuchungsgut fallen Blutproben u.a. fur die Uberprufung der Fahrtuchtigkeit, Untersuchungen zur Schuldfahigkeit und Uberprufung der Fahreignung (Cannabisprodukte) an. Dies erfordert in vielen Hillen einen Nachweis der betreffenden Wirkstoffe auch in pharmakologisch weniger relevanten Konzentrationsbereichen, etwa urn Konsumangaben bei einem langeren Intervall zwischen Vorfall und Blutentnahme zu tiberprtifen, einen beginnenden Entzug nachzuweisen oder die Konsumgewohnheiten von Cannabisprodukten nachzuptiifen. Es stellt sich die Frage nach einem geeigneten immunchemischen Vortest fur die forensisch-toxikologische Analyse von Blutproben. Methodik: Es wurde eine Vergleichsstudie der Cannabinoid-, Opiat-, Cocain-, Amphetarnin- und Benzodiazepin-Assays aus dem laufenden Untersuchungsgut durchgefuhrt. Eine Uberprufung der Ergebnisse erfolgte mittels GC/MS und HPLC/DAD. Ergebnisse: Untersuchungen von Probenrnaterial mit pharmakologisch weniger relevanten Wirkstoflkonzentrationen fiihren bei den ADx- und CEDIA-Immunoassays gehauft zu falsch-negativen Vortestergebnissen, wogegen bei Verwendung des Mahsan-Assays im Cut-off-Bereich vermehrt falsch-positive Ergebnisse auftreten. Diskussion: Es wird die Optirnierung der Cut-off-Parameter der Vorteste unter Betiicksichtigung der forensisch-toxikologischen Fragestellung beziiglich Intoxikationen, Nachweis von Betaubungsmittelkonsum irn Hinblick auf den §24a und Betaubungsmittelfreiheit vorgestellt.
V-22 ECGONINETHYLESTER ALS MARKER FUR DIE KOMBINlERTE AUFNAHME VON ETHANOL UND KOKAIN S.W. Toennes, G. Kauert Zentrurn der Rechtsmedizin, Kennedyallee 104, D-60596 Frankfurt/Main
Einleitung Die kombinierte Aufuahme von Ethanol mit Kokain soli dem Konsumenten eine starkere euphorisierende und Hinger anhaltende Wirkung vermitteln. Dies wird auf Kokaethylen zuruckgefuhrt, das in der Leber metabolisch aus Kokain und Ethanol gebildet wird. In Deutschland werden zumeist Blutentnahmesysteme ohne Stabilisatoren verwendet, in denen Kokain und auch Kokaethylen rasch zerfallen. Das Hauptabbauprodukt des Kokaethylen ist hierbei Ecgoninethylester, das sich in Blutproben spezifisch und empfindlich nachweisen lasst. In der vorgestellten Untersuchung werden die gemessenen Konzentrationen der Kokainabbauprodukte Benzoylecgonin (BZE), Ecgoninmethylester und Ecgoninethylester (EEE) sowie die BAK vergleichend ausgewertet. Methode Blutproben, die anlasslich von Verkehrsdelikten und anderen Straftaten entnommen wurden, wurden immunchemisch auf Kokain und seine Abbauprodukte untersucht. Im positiven Fall wurde eine quantitative Bestimmung mit GC/MS durchgefuhrt und mittels Headspace-GC/FID die BAK bestimmt. Ergebnisse Von 510 BZE-positiven Proben waren 179 EEE-positiv (35%). Betiicksichtigt man nur Proben, bei denen die BZE-Konzentration tiber 70 ng/mL lag, waren 42% EEE-positiv. Dies belegt die hohe Pravalenz der Kombination Kokain+Ethanol unter den Kokainkonsumenten in Deutschland (USA ca. 50%). In 31 Fallen war EEE noch nachweisbar, jedoch kein Ethanol mehr, was einen forensisch verwertbaren Beweis fur einen Ethanolkonsum darstellt. Der Zeitraum der Ethanolwirkung muss sich allerdings mit dem des Kokainkonsums uberschnitten haben. In 10 Fallen war Ethanol noch mit tiber 0,05%0 nachweisbar, nicht jedoch EEE. Dies konnte dahingehend interpretiert werden, dass Kokain zum Zeitpunkt des Ethanolkonsums nicht mehr in relevanter Menge vorgelegen hat.
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Rechtsmedizin· Supplement 1 ·2000
S. JUfOwich, H. Kaferstein, G. Sticht Institut fur Rechtsmedizin der Universitat zu Koln, Melatengiirtel 60, D - 50823 Kaln Fur systematische Untersuchungen zur nichtenzymatischen und enzymatischen Hydrolyse standen die Methyl-, Ethyl-, n-Propyl, n-Butyl-, nPentyl-, Isopropyl-, Isobutyl-, Isopentyl- und S-2-Butyl-B-D-glucuronide zur Verfugung. Die nichtenzymatische Hydrolyse wurde bei 47°C und 70°C mit Schwefelsaure bzw. Natronlauge (0,5 bis 5 N) durchgefiihrt. Wahrend durch Natronlauge die Alkohole ab Ethanol zu weniger als 5 % freigesetzt wurden, trat bei der hochsten Schwefelsaurekonzentration und der hoheren Temperatur cine Hydrolyse uber 90% ab n-Propylglucuronid auf. Ethyl- und insbesondere Methylglucuronid erwiesen sich dagegen als wesentlich stabiler. Bei den verzweigten Alkoholen hing die Saurestabilitat offenbar davon ab, ob die Verzweigung an der Glucuronidbindung sitzt. Bei der enzymatischen Hydrolyse mit B-Glucuronidase aus E. coli K 12 und 4rC zeigte sich, daf die Affinitat des Enzyms zum Alkoholglucuronid und damit die Hydrolyserate stark von der Kettenlange abhiingig war. n-Pentylglucuronid wurde etwa um den Faktor 18 schneller als Methylglucuronid gespalten. Die Glucuronide mit kurzer Kettenlange der Alkylgruppe wurden auch nach einer Hydrolysedauer von 2 Stunden nur unvollstandig gespalten. Erst bei den C 5-Alkylglucuroniden konnte man eine vollstandige Hydrolyse feststellen. Die Glucuronide verzweigter Alkohole wurden enzymatisch bis auf Isopropylglucuronid nicht signifikant schlechter als die unverzweigten Homologe umgesetzt. Im Lichte der vorliegenden Untersuchungsergebnisse werden die praktischen Konsequenzen fur eine direkte oder indirekte Bestimmung der Alkoholglucuronide in biologischern Material nach Konsum entsprechender alkoholischer Getranke diskutiert.
V-24 BAK /AAK - QUOTlENTEN IN VERSCHIEDENEN ALKOHOLISIERUNGSPHASEN - UNTERSUCHUNGEN MIT DEM DRAGER EVIDENTIAL 7110 BEl 20 TRINKVERSUCHEN T. Gilg, F. Priemer, N. Jocharn, W. Eisenmenger Institut fur Rechtsmedizin der Ludwig-Maximilians-Universitat Munchen ZIEL: Ermittlung von Quotienten BAK / AAK (Blutalk.- / Atemalk.Konz.) nach und im Verlaufkontrollierter Alkoholaufnahme. Evaluierung der Aussagekraft und Beweissicherheit von AAK - Messungen speziell in der Resorptionsphase und weiterer Aspekte (Hypo/Hyperventilation u.a.). METHODE: Auswertung von Trinkversuchen mit 20 Versuchspersonen: 5 Frauen, 15 Manner, 1,0 g/kg Ethanolbelastung in 60 - 100 Minuten mit Bier / Wein / Sekt, nach und mit massiger Nahrungsaufnahme. Blutentnahmen und zeitgleiche Atemalkoholmessungen in halbstiindigen Intervallen. Berechnung der Quotienten / Konversionsfaktoren (MW ± Stdabw. Einzelwerte): Gesarnt, Zeitraum zwischen Trinkende TE und 90 bzw. 120 Minuten danach und in der Elimination. Zusatzlich bei 60 polizeilichen Routinefallen auch mit BAK > 1,1 %0 bzw. 0,55 mg/1. ERGEBNISSE: Polizei: 2,16 ± 0,09, 1,98 - 2,38, n = 60 TV und Polizei: 2,17 + 0,24, 1,19 3,55, n - 228 TV gesarnt: 2,18 ± 0,27, 1,19 - 3,55, n = 168 TAbisTE: 1,73±0,33,1,19-2,33,n= 17 TE bis 90 Min.: 2,07 ± 0,12, 1,82 - 2,38, n = 56 TE bis 120 Min.: 2,10 ± 0,13, 1,82 - 2,41, n = 70 Elimination: 2,34 ± 0,21,2,07 - 3,55, n = 81 Konz. - Zeitkurven der AAK und BAK sowie Verlaufe der Konversionsfaktoren werden prasentiert und zus. mit weiteren Aspekten diskutiert. Die MW von Resorption und Elimination sind signifikant unterschiedlich. SCHLUSSFOLGERUNGEN: Wie bekannt sind BAK- und AAK- Kurven nicht anzugleichen. In jeder Phase konnen wechselseitige Begtinstigungen und Benachteiligungen auftreten. Speziell in der Resorptionsphase und nach rascherer Resorption treten im Vergleich zur BAK, aber auch absolut uberhohte AAK - Werte auf, die auch ohne Wirkungsvergleich mit BAKWerten im Grenzbereich von 0,25 bzw. 0,4 mg/l benachteiligen konnen,
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DER ALKOHOLEINFLUSS AUF DAS „DISTORSIONSPRODUKT OTOAKUSTISCHE EMISSIONEN" (DPOAE)
BENZODIAZEPINE UND §24a STVG Synopse epidemiologischer und experimenteller Studien
G. Fechner, Ch. Ortmann, T. Schulte, M. Nieschalk Institut für Rechtsmedizin und HNO-Klinik Münster
G. Berghaus , H.Graß
Neuere Arbeiten konnten beim Menschen die Wirkung von Alkohol auf die Hörschwelle und die Frequenzdiskrimination nachweisen (Pearson et al. 1999). Die Wirkungen wurden auf Prozesse der Signalverarbeitung im zentral-auditorischen System zurückgeführt. Über die Beeinflussung peripherer Strukturen des Hörorgans liegen bisher nur wenige Informationen vor. Die akute Wirkung einer mäßiggradigen alkoholischen Beeinflussung auf die Schallverarbeitung der äußeren Haarzellen wurde an 10 gesunden Personen untersucht. Die BAK lag 30 min nach Ingestion zwischen 0,44 %0 und 1,07 %o. Gemessen wurden DPOAE im Frequenzbereich zwischen 488 Hz und 8008 Hz. Otoakustische Emissionen sind Schallaussendungen des Innenohrs, die mit einem empfindlichen Mikrophon im äußeren Gehörgang gemessen werden können. DPOAE sind durch zwei Primärtöne benachbarter Frequenz evozierte otoakustische Emissionen entstanden aus den Uberlappungszonen der Primärtöne in der Kochlea. Mit den untersuchten DPOAE kann die Funktion des kochleären Verstärkermechanismus und damit indirekt die Motilität der äußeren Haarzellen frequenzspezifisch erfasst werden. Der akute Alkoholgenuss führt zu einer Funktionseinschränkung des durch die äußeren Haarzellen vermittelten kochleären Verstärkers und äußert sich in einer Dysfunktion bei der Dämpfung großer (cave: Innenohrschäden beim Discohesuch unter alkoholischer Beeinflussung!) und Verstärkung kleiner Schallereignisse.
Institut für Rechtsmedizin der Universität zu Köln Die Ergänzungen des § 24a StVG hinsichtlich ausgewählter Drogen sowie die epidemiologischen und experimentellen Studien der jüngsten Zeit zu fahrrelevanten psychophysischen Leistungen unter BenzodiazepinTherapie lassen die Frage einer eventuellen Aufnahme von Benzodiazepinen in den §24a von aktuellem Interesse werden. Als wissenschaftliche Basis für eine politische Entscheidung sind i.w. drei Resultate der Forschung von Relevanz: Zwischen den Benzodiazepinen bestehen deutliche Unterschiede im Hinblick auf die Verminderung psychophysischer Leistungen. Zu Beginn der Therapie sind die Leistungsdefizite erheblich höher als im steady-state. - Epidemiologische Untersuchungen zum Gefä rdungspotential sowie der intraexperimentelle und metaanalytische-experimentelle Vergleich machen deutlich, dass zu Beginn der Therapie bei einigen Benzodiazepinen die maximalen Leistungsdefizite Leistungsabweichungen erreichen, wie sie für >: 0,50 %o Alkohol epidemiologisch und experimentell nachgewiesen sind. (Für das steady state existieren nur wenige Studien, so dass hier ein zahlenmäßiger Vergleich nur grob möglich ist.) Die Tatsache, dass bei optimaler Therapie (einschließlich Dosierung) und adäquater Fahrdisposition des Patienten Minderleistungen deutlich reduziert werden können, lassen auf eine mögliche Regelung deuten, die eine Ahndung dann vorsieht, wenn keine entsprechende ärztliche Verschreibung vorliegt.
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ZU DEN KONSEQUENZEN EINES ERLASSES DES INNENMINISTERIUMS M-V ZUR EINFÜHRUNG DES ATEMALKHOLMESSGERÄTES „DRÄGER EVIDENTIAL"
VERKEHRSMEDIZINISCHE UNTERSUCHUNGEN BEI SCHMERZPATIENTEN UNTER OPIOIDTHERAPIE
V. Weirich, J. Rummel, D. Rentsch und R. Wegener Institut für Rechtsmedizin der Universität Rostock St.-Georg-Str. 108, D-18055 Rostock Der am 21.07.1999 veröffentliche Erlaß des Innenministeriums Mecklenburg-Vorpommern regelt den Einsatz des Atemalkoholmeßgerätes 7110 „Evidential" der Fa. Dräger in der Landespolizei M-V. Hier wird die Vorgabe gemacht, daß anhand des vor Ort mit dem Dräger-Vortestgerät „Alcotest 7410" erhobenen Meßwertes die Entscheidung getroffen werden soll, ob bei Verkehrsdelikten im Anschluß eine Blutentnahme oder eine Atemalkoholprüfung mit dem Dräger „Evidential" durchgeführt werden soll. Bei den bekannten Differenzen zwischen Blutalkoholkonzentration und insbesondere dem Ergebnis des Vortestgerätes „Alcotest 7410" wurden die Anträge zur Bestimmung der Blutalkoholkonzentration der Jahre 1993-1999 (n=40423) hinsichtlich einer potentiell unterschiedlichen juristischen Wertung überprüft. Von 29017 verwertbaren Vorfällen mit vollständigen Angaben der Polizei konnten 1500 definierte Verkehrsdelikte ausgewertet werden (keine Doppelblutentnahmen, „AAK" 0,50-1,09 %o, zeitliche Differenz zwischen AAK und Blutentnahme max. 30 min). In dieser Gruppe wiesen ca. 15 % der Fälle eine BAK über 1,10 %o auf. Es ist offenkundig, daß dieser Erlaß Fehlentscheidungen begünstigt. Die sog. Beweissicherheit der Atemalkoholprüfung mit dem Dräger „Evidential" ist — wenngleich mittelbar — auch durch dieses polizeiliche Vorgehen in Frage gestellt.
W. Grellner', A. Rettig- Stürmer', H. Kühn-Beckerz , T. Georg 3 , M. Möller', J. Wilske' Institut für Rechtsmedizin der Universität des Saarlandes', Gebäude 42, 66421 Homburg/Saar, Klinik für Anästhesiologie 2 und Institut für Medizinische Biometrie 3 der Universität des Saarlandes Unter akuter oder chronischer Opioidtherapie kann sich die Frage nach einer Einschränkung der Fahreignung stellen. In die vorliegende Pilotstudie wurden bislang 11 Patienten einer Schmerzambulanz (8 Männer, 3 Frauen, Durchschnittsalter: 50 f 9 Jahre) einbezogen. Sie erhielten wegen Schmerzen maligner und nichtmaligner Genese Opioide der WHO- Stufen II und III, deren Einnahme durch chemisch -toxikologische Untersuchungen validiert wurde. Die Probanden durchliefen eine PC-gesteuerte verkehrspsychologische Testbatterie (Wiener Testsystem mit 9 Teiltests) zur Prüfung von Reaktion, Wahrnehmung und Aufmerksamkeit, die von einem zweifach durchgeführten pupillographischen Schläfrigkeitstest (PST) zur Evaluierung der Tagesschläfrigkeit umrahmt wurde. Bei einer insgesamt größeren interindividuellen Variabilität der testpsychologisch messbaren Leistungsfähigkeit schnitten die Opioidpatienten gegenüber den Normstichproben bei folgenden Testparametem signifikant (p<0,05) unterdurchschnittlich ab: richtige Reaktionen im Determinationstest, motorische Zeit und Reaktionszeit bei komplexeren Reaktionstests. Die im PST erfassten Parameter PUI (Pupillenunruheindex) und Amplitudenspektrum lagen bereits bei Untersuchungsbeginn hochsignifikant über den Normwerten und zeigten bei der Zweituntersuchung eine weitere signifikante Verschlechterung. Die Ergebnisse müssen noch an einem größeren Kollektiv abgesichert werden, weisen jedoch darauf hin, dass bei Patienten unter chronischer Opioidtherapie eine signifikant erhöhte Tages besteht, die nach Erbringung einer Dauerleistung noch erheb--schläfrigket lich zunimmt. Testpsychologisch werden vor allem in komplexeren Reaktionstests deutlich unterdurchschnittliche Resultate erzielt.
Rechtsmedizin • Supplement 1 .2000
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PSYCHO- PHYSISCHE AUSFALLSERSCHEINUNGEN NACH ISOLIERTEM CANNABIS- KONSUM
ZUM ZEREBRALEN AMINOSÄUREMUSTER BEI LEBERERKRANKUNGEN — EINE POSTMORTAL BIOCHEMISCHE UNTERSUCHUNG
R. Kenunerling, F. Priemer und H. Sachs Institut für Rechtsmedizin der Universität München, Frauenlobstr. 7a, D80337 München 1999 wurde ein Student mit einer THC- Konzentration im Blut von 16,2 ng/ml in Verbindung mit einer vom Polizeibeamten festgestellten „zögerlichen Reaktion der Pupille auf Licht" und einer vom blutentnehmenden Arzt festgestellten Pupillenweite von 7,5 mm nach § 316 StGB verurteilt. Dem Polizeibeamten waren keine Unsicherheiten in der Fahrwei-
se aufgefallen. Dieses Urteil nahmen wir zum Anlass, die 1998 und 1999 im IFR München erfassten Fälle nach isoliertem Cannabis- Konsum im Hinblick auf die von Polizeibeamten bzw. blutentnehmenden Ärzten festgestellten Ausfallserscheinungen auszuwerten. Von ingesamt 4062 Fällen wurde in 288 Fällen ausschliesslich THC als psychoaktive Substanz nachgewiesen. Die Auswertung erfolgte im Hinblick auf Fahrfehler und psychophysische Ausfallserscheinungen. Besonderes Augenmerk galt der Pupillenweite und der Pupillenlichtreaktion. In 4 von 66 Fällen (1998) wurden weite bzw. erweiterte, in zwei Fällen verengte Pupillen durch die Polizei festgestellt. Von den Ärzten wurden dagegen in 4 Fällen verengte Pupillen festgestellt. Die Ausfallserscheinungen insgesamt unter Bezug aus die THCKonzentration werden für 1998 und 1999 dargestellt.
P. Schmidt', F. Musshoff', B. Madea', S. Schoenemeier i , K.-F. Bürrig 3 B. Jacob e , W. Bonte z , T. Daldrapz 'Institut für Rechtsmedizin, Universität Bonn, Stiftsplatz 12, 53111 Bonn 2 Institut für Rechtsmedizin, 3 Institut für Pathologie Universität Düsseldorf, Moorenstr. 5, 40225 Düsseldorf Pathobiochemisch wurden bei Patienten mit fortgeschrittener Lebererkr an kung mit oder ohne hepatische Enzephalopathie charakteristische Veränderungen des Aminosäuremusters im Blut nachgewiesen. Eine Studie an autoptisch gewonnenem Hirngewebe hat das Ziel zu prüfen, ob sich analoge Veränderungen auch postmortal nachvollziehen lassen und damit die morphologische Diagnostik ergänzen. Das Untersuchungsgut bestand aus 18 Patienten mit klinisch dokumentierten und pathologisch bestätigten Lebererkrankungen (Zirrhose, Primärtumor, Metastase). Die Kontrollgruppe umfaßte Patienten mit todesursächlichen HerzKreislauferkrankungen, die keine Nierenerkrankung, kein Tumorleiden und keine Stoffwechselstörung aufwiesen. Ausgewertet wurden Krankenunterlagen, pathologisch anatomische Diagnose und histologische Befunde. Die Konzentrationen der freien Aminosäuren (AS) im Gehirn wurden mit einem Aminosäureanalysator der Firma Beckmann bestimmt. Mit Bezug auf Alter, Geschlecht und postmortales Intervall fanden sich keine signifikanten Konzentrationsunterschiede zwischen Untersuchungsund Kontrollgruppe. Die Konzentrationen von 3 verzweigtkettigen AS (BCAA: Valin, Leuzin, Isoleuzin) waren im Gehirn der Leberkranken vermindert, die Spiegel von zwei aromatischen AS (AAA: Phenylalanin, Tyrosin) erhöht, der molare Quotient BCAA/AAA infolgedessen im Vergleich zur Kontrollgruppe erniedrigt (1,92 zu 2,27). Weitere Unterschiede bestanden in einer Verminderung der Ornithin- und einer Erhöhung der Glutaminkonzentrationen. Zusammenfassend dokumentiert die postmortale Aminosäureanalytik Veränderungen der zerebralen ASKonzentrationen, die der Ausbildung des klinischen Bildes einer hepatischen Enzephalopathie vorausgehen. ,
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DIREKTES SEROTONIN IM LIQUOR VON RECHTS SEKTIONSFÄLLEN -MEDIZNSCH
PATHOPHYSIOLOGISCHE BEDEUTUNG DER POSTMORTALEN HYPERURIKÄMIE BEIM AKUTEN TOD
F. Mußhoff, T. Menting, B. Madea Institut für Rechtsmedizin, Stiftsplatz 12, 5311 1Bonn
H. Maeda, B-L. Zhu, M.Q. Fujita, L. Quan, K. Ishida, M. Taniguchi Institut für Rechtsmedizin der Städtischen Universität Osaka, Asahimachi 1-4-3, Abeno, 545-8585 Osaka, Japan
Problemstellung: In der Literatur finden sich Hinweise auf erniedrigte Serotoninkonzentrationen im Liquor bei affektiven Erkrankungen, insbesondere bei depressiven Störungen. Gleichermaßen wurden erniedrigte Konzentrationen bei aktuell suicidalen Patienten gemessen, wohingegen in postmortem Untersuchungen teilweise über erniedrigte, teilweise über erhöhte Konzentrationen im Liquor berichtet wurde. Auch die ermittelten Konzentrationsbereiche variieren von Studie zu Studie erheblich. Die Thematik wurde aufgegriffen und an einem eigenen Kollektiv rechtsmedizinischer Sektionsfälle die Serotoninkonzentrationen im Liquor bestimmt. Methodik: Es wurde eine HPLC- Methode mit elektrochemischer Detektion etabliert. Die Probenvorbereitung bestand in einer einfachen Fällung. Ergebnisse: Bisher wurden 80 Fälle untersucht. Ein Zusammenhang zwischen Liquorserotoninkonzentration und Alter, Geschlecht oder Blutalkoholkonzentration konnte nicht beobachtet werden. Die Leichenliegezeit ist zu beachten (< 3 Tage). Die Serotoninkonzentration im suboccipital gewonnenen Liquor lag über der im Lumballiquor. Suicidenten wiesen im Suboccipitalliquor erniedrigte Serotoninkonzentrationen im Vergleich zum Referenzkollektiv auf (Median 9,0 ng/ml vs. 14,8 ng/ml). Bei BTM- Konsumenten wurden im Liquor Serotoninkonzentrationen bestimmt, die im Bereich der Suicidenten lagen (Median 10,7 ng/ml). Diskussion: Die erhaltenen Ergebnisse stützen die Hypothese, daß ein Zusammenhang zwischen erniedrigter Serotoninkonzentration im ZNS und Suicidalität besteht.
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Obwohl die Stabilität der Harnsäure im Leichenblut seit langem vorgestellt worden ist, sind die Untersuchungen zur praktischen Anwendung dieses biochemischen Merkmals auf rechtsmedizinische Diagnose des Todes nicht ausreichend vorhanden. Vorliegende Untersuchung wurde durchgefüh rt , um die Bedeutung der Hyperurikämie zur Ermittlung des Todes in Beziehung mit Referenzparameter Harnstoff und Kreatinin zu erklären. Dazu wurde das Leichenblut von Herzkammern links, rechts und Peripherenvenen entgenommen. Hier hat es sich wieder erwiesen, daß Harnstoff und Kreatinin im Leichenblut auch topographisch sehr stabil bliebten und praktisch als
Merkmale zur Nierenschädigung funktionierten. Dabei begleitete deren Steigerung mit systematischer Hyperurikämie. Andererseits am akuten Tod ohne urämischen Zustand wurde Hyperurikämie zum Teil mit der milden Steigerung von Kreatinin zusammen manchmal gefunden; zwar insbesondere beim Tod durch Erstickung, Ertrinken und Verbrennung. Weiter ergab sich, daß Harnsäure im Herzblut rechts, von der Steigerung des herzspezifischen Proteins Troponin-T unabhängig, häufig ziemlich höher als in anderen Blutproben war. Das Phänomen hatte meistens auch eine Beziehung mit den obenerwähnten Todesursachen. Die Resultate zeigten die Bedeutung der Harnsäure als ein biochemisches Merkmal zur rechtsmedizinischen Diagnose des Todes mit Komplikation der systematischen Hypoxie bzw. Muskelschädigung. Die Daten wiesen auch darauf hin, daß die besondere Steigerung der Harnsäure im Herzblut rechts hypoxische Hyperaktivität des Herzens in der Agonie widerspiegeln kann.
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SIDS — wirklich die Todesursache?
BOTULISMUS UND SID
B. Böhme, E. Rauch, R. Penning Institut für Rechtsmedizin der LMU, Frauenlobstraße 7a, 80337 München
K.-S. Saternus 1 , F. Gessler z , H. Böhnel 2 1 Institut für Rechtsmedizin der Georg-August- Universität Göttingen, Windausweg 2, D-37073 Göttingen 2 Institut für Pflanzenbau und Tierproduktion in den Tropen und Subtropen, Bereich Tierhygiene - Göttinger Clostridien-Center der GeorgAugust-Universität, Kellnerweg 6, D-37077 Göttingen
Seit dem l.Januar 1999 bis Ende April 2000 wurden am Institut für Rechtsmedizin der Universität München im Rahmen der bundesweiten BMBF- Studie „Plötzlicher Säuglingstod" (Studienzentrale: Institut für Rechtsmedizin der Westfälischen Wilhelms- Universität Münster) 50 Säuglinge im Alter zwischen acht und 365 Lebenstagen gerichtlich obduziert. Bei 40 Säuglingen bestätigte sich der Verdacht auf einen plötzlichen Säuglingstod. Bei sieben Kindern konnte eine andere Todesursache als der plötzliche Säuglingstod ermittelt werden, so z.B. zwei Tötungen. Drei weitere Fälle ( CO-Intoxikation, Ersticken an Erdnußkern, Herzmißbildung) wurden als Kontrollfälle in die Studie mitaufgenommen. Diese Daten sollen bis Ende August 2000 aktualisiert werden. Es sollen einzelne „Nicht- SIDS-Fälle" vorgestellt werden. Erste Studienergebnisse des hiesigen Instituts werden kurz erläutert.
Bei 82 an SID gestorbenen Kindern wurden die bakteriologischen Unter mit einer Untersuchungskombination (GC, Mäuseversuch,-suchnge Toxinneutralisation) auf Botulismus erweitert. Materialien waren Herzblut, Leber, Dünndarm. Bei 27 Kindern in diesem Kollektiv ergab sich ein charakteristisches Toxinphänomen im Mäuseversuch sowie ein GC-Hinweis. In 16 Fällen ließen sich in dieser Gruppe Botulismustypen (D, E, CD, ABE) in der Toxinneutralisation mit spezifischen Antitoxinen nachweisen. Die Wertigkeit dieses fast 20 %igen Anteils von Botulismus bei SID wird abschließend betrachtet.
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SUPERTOXINE BEIM PLÖTZLICHEN KINDSTOD : DIAGNOSE, INTERPRETATION UND PATHOLOGISCHE BEFUNDE
ZUR FRAGE DER BAUCHLAGE BEIM PLÖTZLICHEN KINDSTOD
R. Ambers(1) C.C.Blackwell (2) K.Pelz (3) V.Meier (1) (1)Institut für Rechtsmedizin der Universität Basel (2) Dep. of Medical Microbiology, University of Edinburgh (3) Institut für Mikrobiologie und Hygiene, Klinikum der Universität Freiburg
I.Bouska i , P.Toupalik' P.Klir 2 'Inst. für Rechtsmedizin, Karls-Universität, 2 1nst. für Fortbildung, Prag
Mit zunehmender Untersuchungsintensität in Fällen des plötzlichen Kindstodes wurde verschiedentlich auch auf die bakteriologischen Befunde hingewiesen. Eine besondere Aufmerksamkeit gilt dabei den grampositiven, supertoxinbildenden Keimen, die durch die direkte Aktivierung des T-Zell Rezeptors eine kaskadenartige Reaktion bis zum Schock auslösen können. Schwierig ist die Wertung des bakteriologischen Befundes. So ist der bakteriologische Nachweis der Toxinbildung kein Beweis für die Aktivität in casu. An einem Kollektiv von 44 SID-Fällen wurden die verschiedenen Nachweise der Supertoxine (bakteriologisch, genetisch, flowcytometrisch und serologisch) überprüft und die pathologisch fassbaren Veränderungen dargestellt. In der Gesamtheit der Beobachtungen liessen sich dabei in der multivariaten Diskriminanzanalyse die SID- Fälle, in denen Supertoxine nachweisbar waren, von denen ohne unterscheiden.
Die Angaben über die Anzahl und Frequenz der Todesfälle im Säuglings alter und die Lage des Kindes zur Zeit des Todes können keine eindeutige Aussage darüber bringen, ob und in welchem Maß die Lage des Kindes beim plötzlichen Tod mitbeteiligt ist solange keine Vergleichsdaten zur Verfügung stehen. In unserer Studie verglichen wir deshalb SIDS-Fälle mit plötzlichen Todesfällen im Säuglingsalter einer Kontrollgruppe bei denen die Todesursache durch die Sektion geklärt werden konnte (sog. non-SIDS). Das Säuglingsalter in der Kontrollgruppe entsprach weitgehend dem Alter bei den SIDS-Fällen. Grundlage der Studie war das eigene Sektionsmaterial aus den Jahren 1964-1999: 855 SIDS -Fälle und 458 non-SIDS-Fälle. Die Lage des Säuglings konnte im Augenblick des Todes nur bei 442 SIDS- Fällen und bei 142 non-SIDS-Fällen ermittelt werden. Die Altersverteilung stimmte in beiden Gruppen mit dem Maximum zwischen dem 2.-4. Lebensmonat überein. Wegen der niedrigen Anzahl von Todesfällen unterteilten wir diesen 36 jährigen Zeitraum in vierjährige Intervalle und verglichen die Daten. Danach ergeben sich folgende Schlußfolgerungen: 1. Die Kinder mit der SIDS-Diagnose starben im gesamten beobachteten Zeitraum öfter in der Bauchlage als die mit der sog. non-SIDS-Diagnose. 2. Seit Ende der 70iger Jahre erhöht sich die Anzahl der Todesfälle in der Bauchlage in beiden Gruppen. 3. Seit den 90iger Jahren ist eine Erniedrigung der Anzahl von plötzlichen Todesfällen in beiden Gruppen zu beobachten. Die Entwicklung ist als Folge der Auswirkung mehrerer Faktoren zu sehen. Forschungsprojekt No: 111300003 Rechtsmedizin • Supplement 1 .2000 1 S9
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DIE AUFFINDUNG IN GESICHTSLAGE BEI SID
QT- SYNDROM - MOLEKULARGENETISCHE UNTER BEI KINDSTODSFÄLLEN. -SUCHNGE
K.-S. Satemus Institut für Rechtsmedizin der Georg-August- Universität Göttingen, Windausweg 2, 37073 Göttingen
T. Bajanowski', H. Wedekind 2 , G. Breithardt 2 , B. Brinkman'
'Institut für Rechtsmedizin, Von-Esmarch -Str. 62, 48149 Münster Medizinische Klinik und Poliklinik, A.-Schweitzer -Str. 33, 48149 Münster
2
Beim Plötzlichen Kindstod werden bis heute die Säuglinge überzufällig häufig in Bauchlage aufgefunden, viele liegen unter der Bettdecke und immer wieder kommen reine Gesichtslagen vor. Eigene frühere Überprüfungen in der Berliner Arbeitsgruppe, ob für die Gesichtslage, bei der die Eltern besonders große Schuldgefühle entwikkeln, eine hypotone Muskelreaktion bei Infekten angenommen werden könne, haben nicht zu einem greifbaren Ergebnis geführt. Dargestellt werden sollen die Häufigkeit von Gesichtslagen bei 150 Plötzlichen Kindstodesfällen in Göttingen. In die Verfolgung der Infekthypothese soll der Botulismus mit einbezogen werden. In einem zweiten Ansatz soll eine Vorstellung entwickelt und anhand einzelner Kasuistiken verdeutlicht werden, die die Gesichtslage als postmortalen Effekt bei primär eingenommener Knie -Ellen- Schlaflage erklärt . Die Gründe dieser ungewöhnlichen Schlaflage werden aus Ergebnissen der Elternbetreuungsgespräche entwickelt.
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V-38 Die Auffindesituation beim plötzlichen Säuglingstod W. J. Kleemann ', F.
Als Ergebnis klinischer Studien wurde in den vergangenen Jahren wiederholt über eine Assoziation zwischen tachykarden Herzrhythmus -störungen bei LQTS (long QT syndrome) und Kindstod spekuliert. Der Beweis dieser Hypothese könnte durch molekulargenetische Untersuchungen von Kindstodsopfern mit Nachweis von Mutationen im Bereich von Genen erbracht werden, die bekanntermassen für die Funktion von Ionenkanälen des Myokards kodieren. Mutationen als genetische Basis von LQTS wurden bisher in den Genen KCNQ1 (LQTS 1), HERG (LQTS 2), SCN5A (LQTS 3) und KCNEI (LQTS 5) gefunden. Von 25 Kindstodsopfem wurde DANN aus Lebergewebe extrahiert und mittels Cy-5 markierter Primer amplifiziert. Nach SSCP Analyse (single strand confirmation polymorphism analysis) wurden Fragmente mit abweichender Struktur sequenziert. Im Ergebnis der Untersuchungen konnten einige „stille" Mutationen, die nicht mit Aminosäureaustausch verbunden waren und einzelne IntronMutationen in der Nähe der Exon/Intron- Grenzen nachgewiesen werden. Zusätzlich fanden sich eine Reihe bereits bekannter Sequenzabweichungen, die aufgrund ihrer Frequenz in der Bevölkerung als Polymorphismen zu werten sind und deren eventuelle funktionelle Bedeutung offen ist. Eine Mutation mit signifikanter Störung der Aminosäuresequenz konnte in keinem der Fälle nachgewiesen werden. Somit können zumindest Spekulationen über eine LQTS-Inzidenz von 50% unter Kindstodsfällen zurückgewiesen werden. Die Frage, ob LQTS überhaupt in nennenswerter Häufigkeit zu plötzlichem und unerwartetem Tod von Säuglingen führt, kann allerdings anhand der relativ kleinen Untersuchungsgruppe nicht abschliessend beantwortet werden.
Ast', U. Beck2, S. Debertin', B. Giebe3 , S. Heide° ,
J. Sperhakes , C. F. Poets 6 , C. Weis z, M. Schlaud'
Medizinische Hochschule Hannover: 'Institut für Rechtsmedizin, 'Abt. Pädiatrische Pneumonologie und Neonatalogie, 'Abt. Epidemiologie, Sozialmedizin und Gesundheitssystemforschung. Institute für Rechts 2 Otto-von-Guericke- Universität Magdeburg, 3Friedrich-mediznr Schiller-Universität Jena, °Martin-Luther- Universität Halle, 'Universität Hamburg.
In Hamburg, Niedersachsen, Sachsen Anhalt und Thüringen wird seit dem 1.4.1999 eine zweijährige prospektive Fall-Kontrollstudie durchgeführt. Die Daten der Auf£indesituation bei plötzlich verstorbenen Säuglingen werden zum Teil durch Befragung, zum Teil durch Vor -OrtUntersuchungen erfasst. Es handelt sich um ein Teilprojekt der vom BMBF geförderten bundesweiten Untersuchung zum plötzlichen Säuglingstod. Neben den Fällen erfolgt auch bei alters-, geschlechts- und regional gematchten Kontrollen eine entsprechende Datenerhebung. Bisher konnten in die Studie 35 Fälle und 105 Kontrollen einbezogen werden. In einer ersten deskriptiven Zwischenauswertung wurden zwischen den Gruppen einige deutliche Unterschiede festgestellt. So betrug bei den Fällen das durchschnittliche Gewicht der Bettdecke ca. 1400 g, während es bei den Kontrollen lediglich.etwa 700 g betrug. Das Kopfkissen bei den Fällen wog ca. 500 g, bei den Kontrollen ca. 250 g. Lediglich 45 % der Fälle schliefen auf einem Kopfkissen, jedoch nur 17,7 % der Kontrollen. Weiterhin lagen die Fälle auf weicheren Unterlagen. Die Raumtemperatur bei den Fällen betrug 23 °C, bei den Kontrollen 21 °C. Die Zwischenergebnisse zeigen systematische Unterschiede in der Schlafumgebung von plötzlichen Säuglingstodesfällen und Kontrollen. Eine endgültige Analyse und Bewertung der Daten kann jedoch erst nach Ablauf der Erhebungsphase (31.03.2001)
erfolgen.
S1 0 1 Rechtsmedizin • Supplement 1 •2000
Mukosa- assoziiertes lymphatisches Gewebe in der kindlichen Nase — ein Vergleich zwischen STD und Kontrollen A.S. Debertin' , H. Tönjes', T. Tschernig 2 , R. Pabst 2 , H.D. Tröger', W.J.
Kleemann' 'Institut für Rechtsmedizin und 2Funktionelle und Angewandte Anatomie der Medizinischen Hochschule Hannover, Carl-Neuberg -Str.1, 30625 Hannover
Mukosa- assoziiertes lymphatisches Gewebe (MALT) findet sich ohne Unterschiede zwischen SID und altersgleichen Kontrollen zu 40% im Bereich der Bronchien (BALT) und zu 80% im Bereich des Kehlkopfes (LALT). Diese Strukturen wurden in der Vergangenheit teilweise als herdförmige entzündliche Veränderungen fehlgedeutet. In dieser Studie sollte untersucht werden, ob und in welcher Häufigkeit und Lokalisation sich auch in der menschlichen Nase organisiertes lymphatisches Gewebe findet und ob zwischen SID und Kontrollen Unterschiede bestehen. Hierzu wurden histologisch gefärbte Nasenpräparate (HE, PAS, MG, EvG) von 109 plötzlichen Säuglingstodesfällen und 41 Kontrollen im Alter von 6 bis 701 Lebenstagen untersucht. Die Kontrollgruppe bestand aus 19 natürlich verstorbenen und 22 nicht natürlich verstorbenen Kindern. In 36,7% (n=40) der SID-Kinder und in 41,5% (n=17) der Kontrollen fand sich Nase - assoziiertes lymphatisches Gewebe (nasal-associated lymphatic tissue; NALT) mit Lymphfollikeln, Lymhoepithelium und hoch endothelialen Venulen. Das NALT war vor allem im Bereich der mittleren Nasenmuschel vorhanden. In dieser Studie konnte erstmalig organisiertes lymphatisches Gewebe in der humanen Nase nachgewiesen werden. Dieses NALT fand sich in gleicher Ausprägung und Häufigkeit sowohl bei den plötzlichen Säuglingstodesfällen als auch bei den Kontrollen und bildet demnach einen physiologischen Bestandteil der Nasenschleimhaut in dieser Altersgruppe. In der Diskussion um neue intranasale Impfstrategien gewinnt diese Untersuchung auch klinische Bedeutung.
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SCHLAFABHÄNGIGE ÄNDERUNGEN DER KÖRPERTEMPERATUR BEI SIDS-GESCHWISTERKINDERN WÄHREND DES ERSTEN LEBENSJAHRES
SUBSTITUTION SÜCHTIGER SÄUGLINGE UND SID 1 , A. v. d. Wense 2 , H. Kijewski ',K.-S. Satemus Institut für Rechtsmedizin der Georg-August- Universität Göttingen, Windausweg 2, D-37073 Göttingen 2 Klinikum Kassel, Kinderklinik, Mönchebergstr. 41-43, 34125 Kassel
G. Kernbach-Wighton 1
A. Krill ', W. Grellner', M. Hame', T. Georg', J. Wilske'
Institut für Rechtsmedizin' und Institut für Medizinische Biometrie'' der Universität des Saarlandes, 66421 Homburg/Saar
Beim plötzlichen Säuglingstod (SIDS) könnte auch Störungen der kindlichen Thermoregulation eine Bedeutung zukommen. Zusammenhänge in der Häufigkeit des Auftretens werden u.a. gesehen mit der herrschenden Außentemperatur, der Raumtemperatur sowie der Bekleidungssituation und dem verwendeten Bettzeug, wobei der Schwitzneigung während des Schlafes für die Früherkennung eines Risikos eine besondere Bedeutung zukommt. Die vorliegende Studie untersuchte an 19 SIDS-Geschwisterkindern (10 Mädchen, 9 Jungen) zwischen dem 2. und 12 Lebensmonat die kindlichen Temperaturzyklen für den Vormittags-, Nachmittags- und Nachtschlaf. Gemessen wurden die Einschlaf- und Aufwachtemperaturen und die daraus resultierenden Temperaturdifferenzen (Einschlaf- minus Aufwachtemperatur). Es zeigte sich als Hauptresultat eine Zunahme dieser Differenzen während des ersten Lebensjahres um ca. 0,5°C. Dabei stiegen die Differenzwerte v.a. zwischen dem 2. und 4. Lebensmonat stark an. Während dieses Anwachsen beim Vormittags- und Nachmittagsschlaf zu gleichen Teilen auf eine Erhöhung der Einschlaf- und ein Absinken der Aufwachtemperatur zurückgeht, resultiert die Differenz beim Nachtschlaf zu 80% aus der erhöhten Einschlaftemperatur. Die Ergebnisse weisen ferner auf Unterschiede zwischen Jungen und Mädchen in der Entwicklung der schlafassoziierten Körpertemperatur hin. So zeigten beispielsweise die Jungen während aller 3 Schlafphasen einen Knick der Temperaturdifferenz nach unten um 0,1°C, während bei den Mädchen im Nachtschlaf zwischen dem 10. und 12. Lebensmonat ein steiler Anstieg der Temperaturdifferenz um 0,5°C auffällig war.
Säuglinge drogenabhängiger Mütter weisen hinsichtlich SID eine besonders große Gefährdung auf. Deshalb soll ein Jahresüberblick über den Umfang und die Indikation zur Substitution süchtiger Säuglinge in einer spezialisierten großen Kinderklinik gegeben werden. Ausführlich wird auf die Indikation zur und die klinische Symptomatik der Substitutionsbehandlung eingegangen, wird anhand der Verläufe das Regime des Absetzens verdeutlicht. Bei vielen Säuglingen erstreckt sich die Behandlung über das gesamte erste Lebenshalbjahr und darüber hinaus. An einer drogenabhängigen Familie mit zweifachem Plötzlichen Kindstod unter hohen Medikamentenspiegeln wird der Frage der Atemdepression nachgegangen. Dabei kann bei dem zweitgestorbenen Säugling auf die Geräteaufzeichnungen eines Herz-Atemmonitors bis kurz vor dem Tod für die Befundinterpretation zurückgegriffen werden.
V-42
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IMMUNHISTOCHEMISCHE BEFUNDE IM BEREICH DES KEHLKOPFES BEIM PLÖTZLICHEN KINDSTOD
Untersuchung von Punktblutungen bei SIDS
P. Toupalik, I. Bou§ka , J. Jezkovä Institut für Rechtsmedizin, Karls-Universität, Prag
Institut für Rechtsmedizin der LMU, Frauenlobstraße 7a, 80337 München
Bei 13 plötzlich gestorbenen Kindern im Lebensalter bis zu 1 Jahr (SIDS) war die histologische und immunhistochemische Untersuchung der Kehlkopfmuskulatur durchgeführt. In 7 Fällen war die herdförmige der Eosinophilie einzelner Muskelfasem festgestellt, und in 5 Fällen waren herdförmige entzündliche Veränderungen in tieferen Schichten der Kehlkopfwand beobachtet. In Myozyten waren Myoglobin, Desmin und Fibrinogen mit Hilfe des Biotin-Streptavidin-Systems immunhistochemisch unterucht. In 8 Fällen war Abfall bis Ausfall von Myoglobin und Desmin festgestellt, in 9 Fällen waren Fibrinogenablagerungen in Myozyten beobachtet. Der kombinierte immunhistochemische Nachweis dieser Proteine in der Kehlkopfmuskulatur bei den plötzlichen Todesfällen im Säuglingsalter (SIDS) zeugte zusammenfassend für eine herdförmide Schädigung einzelner Muskelfasem. In der Kontrollgruppe waren keine solchen Befunde festgestellt. Gefördert durch den Osteuropaverein
E. Rauch , B.Böhme, R. Penning
Untersuchungen von Betz et al. und Kleemann et al. hinsichtlich des Auffindens von Punktblutungen bei an plötzlichem Säuglingstod verstorbener Kinder ergaben eine Häufigkeit von etwa 4%. Eigene Untersuchungen ab dem 1.1.1999 bei bisher 36 Kindern, die im Rahmen der BMBF-Studie „Plötzlicher Säuglingstod" (Studienzentrale Münster) gerichtlich obduziert wurden, zeigten, daß in 7 der 36 Fälle (19,4%) Punktblutungen und in weiteren 5 Fällen fraglich Punktblutungen zu sehen waren. Aufgrund dieser Diskrepanz zu den Ergebnissen von Betz und Kleemann sollen bis Ende August 2000 obduzierte plötzlich verstorbene Säuglinge in die Untersuchung einbezogen werden. Es sollen Lage der Totenflecke, Lage des Kindes bei Auffindesituation oder Reanimation u.a. miteinbezogen und Kontrollfällen gegenübergestellt werden.
Rechtsmedizin • Supplement 1 •2000
1 S1 1
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DER ARZTLICHE BEHANDLUNGSFEHLER Auswertung von rechtsmedizinischen Sektionsgutachten im Vergleich mit Todesfallbegutachtungen der Gutachterkommission Nordrhein
VERSEHENTLICHE IATROGENE INTRATHEKALE INJEKTION VON VINCRISTIN MIT LETALEM VERLAUF ZWEI FALLBERICHTE
H. raß M. Goeke, B. Weber*, M. Staak Institut für Rechtsmedizin der Universität zu Köln *Gutachterkommission Nordrhein der Ärztekammer Nordrhein, Düsseldorf Unter den Stichworten Qualitätssicherung, Patientenschutz, ärztliche Fortbildung und Rechtssicherheit wurden und werden Begutachtungen zum ärztlichen Behandlungsfehlervorwurf beleuchtet. Die Anzahl von Anfragen zur Klärung eines derartigen Vorwurfs haben offenkundig zugenommen. Auch am hiesigen Institut war dieser Trend erkennbar. Mit einer retrospektiven Auswertung eigener Sektionsgutachten der Jahre 1986 bis 1996 unter Einbeziehung der staatsanwaltschaftlichen Ermi ttlungsakten sollte dieser Begutachtungschwerpunkt näher erörtert werden. Ergänzenden wurden Sterbefallbegutachtungen der Gutachterkommission Nordrhein (GK) ausgewertet. Neben anderen Aspekten ergab diese vergleichenden Analyse folgende Charakteristika: Bei 150 Sektionsgutachten konnte in 27% der Vorwurf eines Behandlungsfehlers - z.T. durch zusätzliche Gutachten - bestätigt werden. Führend war hier eine unzureichende Diagnostik. Strafrechtlich wurden „nur" 2 Verurteilungen und 12 Einstellungen gegen Geldbuße ausgesprochen. Aus dem Datenpool der GK wurden 546 Sterbefallbegutachtungen ermittelt, in 36% wurde ein ärztlicher Fehler bejaht. Überwiegend wurde auch hier eine unzureichende Diagnostik oder mangelhafte konservative Therapie festgestellt. Im Vergleich der betroffenen ärztlichen Tätigkeitsfelder fiel eine Häufung des Not- u. Bereitschaftsdienstes und des „praktischen Arztes" im rechtsmedizinischen Untersuchungsgut auf (28% vs. 10% ).Der Anstieg der Gutachtensanfragen allgemein - sowohl am rechtsmezinischen Institut als auch bei der Gutachterkommission - findet keinen Niederschlag in der Zahl der „positiven Gutachten" im Hinblick auf nachgewiesenes ärztliches Fehlverhalten.
R. Dettmeyer2 , F. Driever2, A. Becker 2 , O.D. Wiestler Z , B. Madea'
'Institut für Rechtsmedizin der Rheinischen Friedrich-WilhelmsUniversität Bonn, Stiftsplatz 12, D-53111 Bonn 'Institut für Neuropathologie der Rheinischen Friedrich-WilhelmsUniversität Bonn, Sigmund-Freud- Strasse 25, D-53105 Bonn Versehentliche intrathekale Injektionen von Vincristin sind sehr selten. Präsentiert werden zwei Fälle mit klinischem Verlauf und Obduktionsbefunden: ein 5 Vz Jahre alt gewordenen Mädchen mit ALL sowie ein 57 Jahre alt gewordenen Mann, der ebenfalls nach dem T-ALL-Studienprotokkoll chemotherapiert wurde wegen eines Tlymphoblastischen Lymphoms. 7 Tage bzw. 4 Wochen vor dem Tode kam es zu einer versehentlichen intrathekalen Gabe von Vincristin. Die Patienten entwickelten zunehmend sensorische und motorische Ausfallerscheinungen, Zeichen eines Opisthotonus, aufsteigende Lähmungen und verstarben klinisch an einem zentralen Atemversagen. Die (immun-)histopathologischen Befunde (HE, HELFB, CD-68, Neurofilament) zeigten im ersten Fall in Höhe der Injektionsstelle als Ausdruck der lokalen Toxizität frische Entmarkungsherde ohne nennenswerte resorptive Veränderungen. Nach der längeren Überlebenszeit im zweiten Fall fand sich eine ausgeprägte pseudozystische Transformation von ZNS, Gehirnmasse und spinalen Wurzeln mit bevorzugtem Befall der weissen Substanz, Myelinbefall, Axon-Degeneration und ausgeprägten resorptiven Veränderungen. Zwischenzeitlich wurde das Therapieprotokoll der Deutschen ALL-Studie geändert um das Risiko derartiger Zwischenfälle zu minimieren.
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COMA DIABETICUM NACH BEHANDLUNGSWECHSEL VON ARZT ZU HEILPRAKTIKER
BEITRAG ZUR SPONTANEN PSOAS-BLUTUNG UNTER ANTIKOAGULATORISCHER THERAPIE
G. Kernbach - Wienton, K.-S. Saternus
M.A. Verhoff ', J. Woenckhaus 2 , G. Weiler', M. Riße'
Institut für Rechtsmedizin der Georg-August-Universität Göttingen, Windausweg 2, D-37073 Göttingen
1) Institut für Rechtsmedizin der Justus-Liebig-Universität Gießen 2) Institut für Pathologie der Justus-Liebig-Universität Gießen
Letale hyperglykämische Entgleisungen eines Diabetes mellitus sind bei adäquater moderner intensivierter Insulintherapie selten. Dargestellt wird der Fall einer 15-jährigen insulin-abhängigen Diabetikerin. In deren Krankheitsverlauf entwickelte sich eine Insulinallergie. Letztlich wurde ein Heilpraktiker konsultiert, der eine homöopathische Medikation vornahm.
Umfangreichere Blutungen des Psoas-Muskels können vereinzelt bei antikoagulatorischer Therapie oder Hämophilie als Nebenbefund beobachtet werden. Zudem existieren auch einige Kasuistiken, bei welchen offenbar ein ärztlicher Eingriff ursächlich war. Wir stellen zwei Fälle vor, bei denen eine massive Psoas-Blutung zumindest als mittodesursächlich anzusehen war. Bei einem 72 Jahre alten Mann ging es um die Frage einer Fehlpunktion. Er war herzkrank und seit Jahren mit Phenprocoumon behandelt worden. In Vorbereitung einer Coronarangiographie war eine Woche zuvor die Umstellung auf niedermolekulares Heparin erfolgt. Das Hämatom ist etwa 8 Stunden nach der Punktion der rechten A. femoralis sonographisch festgestellt worden. Wenige Stunden später verstarb der Patient. Die Obduktion ergab als Todesursache einen hämorrhagischen Schock bei massiver Einblutung in die rechte Psoas-Region. Die rechte A. iliaca extema wies eine kurzstreckige Dissektion auf. Die makroskopische und mikroskopische Aufarbeitung ergab keine iatrogene Blutungsquelle. Eine 74jährige Frau mit metastasierendem Mamma-Ca, Z.n. Ablatio mammae und Kachexie erhielt wegen Arrhythmien seit Jahren Phenprocoumon. Aufgrund eines plötzlich zu Hause eintretenden Todes wurde von einem Verwandten der Verdacht auf Sterbehilfe angezeigt. Bei der gerichtlichen Obduktion wurde ein großes Hämatom in der rechten Psoas-Region entdeckt, welches bei den vorliegenden Grundkrankheiten als teiltodesursächlich bewertet wurde. Blutungen in die Psoas-Muskeln sind eine ernst zu nehmende Komplikation bei antikoagulatorischer Therapie und können sogar todesursächliche Bedeutung erlangen.
Bei ständiger Zustandsverschlechterung der Patientin manifestierte sich schließlich ein Coma diabeticum. Dringend benötigte ärztliche Hilfe wurde von den Eltern - Anhänger von Naturheilverfahren - abgelehnt. Nach etwa zweitägigem Coma trat der Tod ein. Ein Ermittlungsverfahren gegen die Eltern wurde eingeleitet, die zuvor noch alle DiabetikerAufzeichnungen vernichtet hatten. Dargelegt und diskutiert werden - basierend auf einer Literaturübersicht autoptische, histologische und postmortal - biochemische Befunde zur Diagnosesicherung des absoluten Insulinmangels und dessen klinischen und morphologischen Äquivalenten.
Si 2 1 Rechtsmedizin • Supplement 1 •2000
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HERZBEUTELTAMPONADE INFOLGE VERLETZUNG DER AORTA ASCENDENS ALS SELTENE KOMPLIKATION EINER ZENTRALVENÖSEN KATHETERISIERUNG
EINE METHODE ZUR QUANTIFIZIERUNG DER ENANTIOMEREN DES METHADONS IN POST MORTEM BLUTPROBEN.
R. Hauri-Bionda , M. Strehler, W. Bär Institut für Rechtsmedizin Universität Zürich-Irchel,
S. Gleicher , S.W. Toennes und G. Kauert
Winterthurerstrasse 190, CH-8057 Zürich
Fall 1 (ON 89 -302): 46jährige Frau. Hospitalisation wg. Pyeloureterotomie nach Nierenallotransplantation. Präoperativ zentralvenöse Katheterisierung via V. subclavia dextra. Unmittelbar nachfolgend Absinken des Pulses und des Blutdruckes trotz wiederholter medikamentöser Kreislauf Exitus letalis trotz offener Herzmassage. Intraoperativ Feststel--stüzung. lung einer Herzbeuteltamponade. Obduktion: Kleinwüchsigkeit (155 cm), Adipositas (82.7 kg, body mass index 34.1) sowie nadelstichgrosse Perforation von Perikard und Aorta. Fall 2 (ON 99-275): 59jähriger Mann. Hospitalisation wegen akuter äthylischer Pankreatitis. Wegen Verschlechterung des Zustandes Entscheid zur zentralvenösen Katheterisierung. Bei schon steril abgedecktem Patienten Punktion der V. subclavia dextra. Beim anschliessenden Dilatationsversuch plötzlich Bradykardie und Asystolie. Exitus letalis. Obduktion: Nadelstichgrosse Perforation von Perikard und Aorta, Herzbeuteltamponade, Fettleber, Pleuraerguss beidseits sowie leichte Adipositas (bmi 26.0).
Beurteilung: Bei gedrängten Verhältnissen im oberen, vorderen Thoraxbereich (Zusammentreffen von Faktoren wie Adipositas, Kleinwüchsigkeit, Pleuraerguss, Zwerchfellhochstand, Fettleber und Kopftieflage) genügt bei einer zentralvenösen Katheterisierung via V. subclavia dextra schon ein geringes Abweichen nach kaudal, um die Aorta ascendens zu verletzen. Bradykardien während dieses Eingriffes müssen an diese - bisher in der uns zugänglichen Literatur nicht beschriebene - Komplikation denken lassen.
Institut für Forensische Toxikologie, Zentrum der Rechtsmedizin der Universität Frankfurt Die Zahl methadon- assoziierter Todesfälle hat in den letzten 2 Jahren bundesweit zugenommen (Schmoldt et al. 1999). Ursache dürfte die Änderung des BTMG sowie der Wegfall der Meldepflicht bei der Methadonsubstitution sein. Die Analytik der Enantiomeren des Methadons wurde bereits für Serum beschrieben. Dagegen sind postmortale Blutproben mit den zur Verfügung stehenden Methoden nicht analysierbar. Die Trennung des Levo- und Dextro-Methadons erfolgte auf einer kommerziell erhältlichen Alpha-Glykoproteinsäule isokratisch mit Isopropanol/Phosphatpuffer als mobile Phase und Dioden-ArrayDetektion.
Weder mit Flüssig/Flüssig- noch mit einer einfachen Festphasenextraktion war eine zufriedenstellende Isolierung der Analyten aus postmortalem Blut möglich. Erst die Hintereinanderschaltung von 2 verschiedenen Festphasensäulen (1. Mischphase aus Kationenaustauscher und reversed Phase und 2. einer weiteren C18 ) erbrachte eine gute Abtrennung der Analyten von der Matrix mit einer akzeptablen Nachweisempfindlichkeit. Die Methode wurde evaluiert und für die Bestimmung der Enantiomeren des Methadons in 28 mit GC-MS voruntersuchten, methadon- positiven
Todesfällen eingesetzt, über deren Ergebnisse gesondert berichtet wird (Kauert und Gleicher, 2000).
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RAPID ANALYSIS OF METHAMPHETAMINE AND ITS ANALOGS BY PULSE HEATING-GC-MS METHOD AFTER DERIVATIZATION WITH ALKYLCHLOROFORMATES
HPLC-METHODE ZUM STEREOSELEKTIVEN NACHWEIS VON L- UND D-METHADON IN BLUTPROBEN VON LEBENDEN
T. OHSHIMA, T. TAKAYASU, T. KONDO ANDY. SATO Institut für Rechtsmedizin der Universität Kanazawa, Takara-machi 13-1, Kanazawa 920-8640, Japan Methamphetamine (MA) is one of the most important substances for forensic practice. This study aims at the rapid analysis for MA and its analogs, 2-phenyl-ethylamine (PEA), phentermine (PTR), ephedrine (EPH) and 3-phenylpropylamine (PPA) by pulse-heating (Py)-GC-MS after the derivatization with n-propylchloroformate or isobutylchloroformate. At first, n-propylformyl (nPF-) or isobutylformyl (IBF-) derivatization of MA and its analogs (each 10 pg/ml) were analyzed by Py-GC-MS under the analytical optimization of pulse time and temperature. Optimum pulse time was 2-6 seconds and optimum pulse temperature was 220-315 °C. Therefore, the pulse time (4 sec) and temperature (255 'C) were used for the following analysis. The separations of these derivatives were well separated each other using DB -17 capillary column with the programmed temperature; 100 'C to 240 'C at 16 'C /min. The retention times of nPFPTR, -MA, -PEA, -PPA and -EPH were 6.45, 6.55, 6.65, 7.6 and 8.0 min, respectively, and those of IBF-derivatives were 6.6, 6.7, 6.9, 7.8 and 8.2 min, respectively. The calibration curves for these nPF/IBF-derivatives were linear between the peak area and the concentrations (0.5 - 10 pg/ml). The detection limits for these nPF/IBF derivatives were about 0.3-0.6 ng /injection. The recoveries for these nPF/IBF derivatives ranged from 71 to 78%. Within-run and day-to-day precisions ranged from 5.7 to 9.9% and from 8.6 to 10.5%, respectively. Analytical time for the total procedure was about 30 min. This rapid analytical method was considered to be useful for forensic toxicology.
UND VERSTORBENEN
G. Drasch, L. von Meyer, G. Roider, D. Quitterer, Institut für Rechtsmedizin der Ludwig- Maximilians-Universität München Frauenlobstr. 7a, 80337 München
Extraktion : 1 ml Serum oder Leichenblut werden mit 5 ml 1-Chlorbutan eine Minute mechanisch geschüttelt, zentrifugiert und die organische Phase möglichst quantitativ abgenommen. Diese wird nach Zugabe von 30 p1 Ethylenglykol schonend eingeengt und in 70µl eines Acetonitril/ Wasser aufgenommen. -gemisch(50/) HPLC-Methode : Säulenkombination: Cyanophase Nucleosil 100-5 CN ET
40 x 4 mm (Machcry & Nagel, Düren) und daran direkt angeschlossen Chiral-AGP -Säule 100 x 4 mm, 5 pm (ict Handels-GmbH, Bad Homburg); Mobile Phase: Acetonitril/ 0,01 M Phosphatpuffer pH 5,0/ Dimethyloctylamin (15/85/0,05 v/v/v); Flußrate: 0,8 ml/min; Einspritzmenge 30 µl; Festwellendetektor 214 nm; Retentionszeiten (ca.): L-Methadon: 15,0 min.; D-Methadon 18,0 min.; Bestimmungsgrenzen: 0,02 mg/l.
Beurteilung der Methode : Die Peaks von L- und D-Methadon werden sicher basislinien- getrennt. Unter Zugabe eines internen Standards ist die Methode prinzipiell zum direkten quantitativen Nachweis von L- und D-Methadon geeignet. In der Praxis hat es sich allerdings bei uns als günstiger erwiesen, das Gesamtmethadon zuerst gesondert mittels HPLC/DAD bzw. GC/MS zu bestimmen und dann mit der vorgestellten Methode nur das prozentuale DLVerhältnis zu ermitteln. Hervorzuheben ist die Robustheit der Methode, insbesondere auch beim Einsatz von Leichenblut. Keiner der typischen Beigebrauchsstoffe (Benzodiazepine, Opiate, Cocain, Cannabis, TCA's, Antiepileptika) eluiert zu ähnlichen Retentionszeiten wie die MethadonStereoisomeren. Sofern L- und D-EDDP über der Bestimmungsgretrze liegen, können sie mit dieser Methode ebenfalls erfaßt werden.
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Determination of D/L-kavain and its metabolites in blood, serum and urine. Rapid quantitative method using fluid/fluid extraction and gas chromatography/mass spectrometry (GC/MS).
ZUR TOXIZITÄT VON ECSTASY : DOPAMINAUFNAHME DURCH DEN SEROTONINTRANSPORTER
Fuad A. Tarbah , Hellmut Mahler, Oliver Temme and Thomas Daldrup Institute of Legal Medicine, Heinrich-Heine-University P.O. Box 10 10 07, D-40001 Duesseldorf, Germany We describe here a high sensitive method for the gas chromatographic / mass spectrometric (GC/MS) quantitation of the wide-spread used phytopharmaceutic D/L-kavain and its 4 stable main metabolites 6-phenyl5-hexen-2,4-dion, p-hydroxy-5,6-dehydrokavain, p-hydroxy-7,8-dihydrokavain and p-hydroxykavain in blood/serum as well as in urine. Kavain is constituent of Piper methysticum (kava plant) which exerts anticonvulsant, analgesic and anxiolytic properties. Most of kavain users report a state of relaxation and mild euphoria without feeling drugged, that make kavain and kava plant extracts commonly used as non addictive alternative to other sedatives and antidepressives. The procedure can also be used for the examination of post-mortem materials, cell culture lysates as well as in the monitoring of clinic or psychiatric cases. The samples were extracted by fluid-fluid extraction using dichloromethane/diethylether (7:3, v/v) at pH 9 and d,-diazepam as internal standard. The extracts were reconstituted in methanol and analysed by GC/MS before and after derivatisation (methylation and silylation). The calibration curves for kavain and its metabolites in extracts by GC/MS proofed to be linear over a range of 0,2-50 mg / 1, the detection limits were below 0,2 mg / 1, corresponding to an absolute detection limit of 2 ng kavain/metabolites per ml blood / serum. The absolute recoveries ranged between 70 and 90%.
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H.Andresen, A. Schmoldt Institut für Rechtsmedizin, Butenfeld 34, 22529 Hamburg Die irreversible Neurotoxizität der Methylendioxyamphetaminderivate ist experimentell gut belegt. Unklar ist aber bisher der genaue Pathomechanismus. Neueren Hypothesen zufolge könnte die Axondegeneration auch durch Dopamin (mit)verursacht sein. Mit der vorliegenden Untersuchung sollte geklärt werden, ob Dopamin (DA) möglicherweise auch von serotonergen Neuronen aufgenommen werden kann. Methode
Die Aufnahme durch den Serotonin(5—HT)—Transporter wurde mit ['H]-5— HT und 3 H]—DA an humanen Thrombozyten unter verschiedenen Bedingungen gemessen. [
Ergebnisse
DA wird in die Thrombozyten aufgenommen. Dieser Transport findet über den 5—HT—Membran-Transporter statt, da er durch Paroxetin (ein selektiver 5—HT—Reuptake-Hemmer) verhindert wird und außerdem Natrium — abhängig ist. Wie 5—HT wird auch DA in den Vesikeln gespeichert. Die Kinetik der 5—HT— und DA—Aufnahme unterscheidet sich sowohl im K,,— Wert (der Wert für DA ist ca. dreifach höher als der für 5—HT) als auch in der V,,, : Die V,. für 5—HT ist ca. zehnfach höher als für DA, desgleichen die maximale Einlagerung in die Thrombozyten. Die DA—Aufnahme wird durch 5—HT gehemmt. 05
Schlussfolgerung
Wenn davon ausgegangen wird, dass die an Thrombozyten gewonnenen Ergebnisse auf die Nervenendigungen im ZNS übertragen werden können, belegen diese Ergebnisse, dass DA von serotonergen Nerven aufgenommen werden kann, falls sie infolge des MDMA—Konsums an 5—HT verarmt sind. Es kann dann durch die mitochondriale MAO—B oxidiert werden.
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HaCaT / Sk-Mel-1 CO- KULTUR MIT 3 H-HALOPERIDOL — MODELL ZUR AUFNAHME ORGANISCHER FREMDSTOFFE IN DIE ZELLPOPULATIONEN DER HAARWURZEL Lucia Pötsch t , Patricia Emmerich t , Gisela Skopp 2
LETALE MISCHINTOXIKATION DURCH EINNAHME VON L-METHADON UND CHLORALHYDRAT: NACHWEIS MIT MIKROFESTPHASENEXTRAKTION (SPME) UND GC/MS
K. Thurau , R. Goerke, S. Vogt, M. Große-Perdekamp, W. Weinmann
Institut für Rechtsmedizin, Johannes Gutenberg- Universität Mainz, Am Pulverturm 3, 55131 Mainz 2 Institut für Rechtsmedizin und Verkehrsmedizin, Ruprecht -Karls-Universität, Voßstr.2, 69115 Heidelberg
Institut für Rechtsmedizin, Universitätsklinikum Freiburg, Albertstr. 9, D-79104 Freiburg
Mit dem vorliegenden experimentellen Design wurde eine Fremdstoffaufnahme in die Zellpopulationen der Haarwurzel in vitro simuliert. Die Beladung der HaCaT-Zellen (Keratinozyten) und der Sk-Mel-l-Zelllinie (Melanozyten) wurde zunächst getrennt über 28 Tage vorgenommen. In dieser Zeit wurden die Zellen mit jeweils insgesamt 500lCi 3 H-Haloperidol inkubiert. Der zeitliche Verlauf der Fremdstoffaufnahme wurde mittels Szintillationsmessungen verfolgt. Bei den Keratinozyten stellte sich ein Konzentrationsplateau ein, während in den Sk-Mel-l-Zellen eine Akkumulation von 3 H-Haloperidol beobachtet wurde. Nach der Langzeitexposition wurde eine Co-Kultur in fremdstofftreiem Zellmedium mit den 3H-Haloperidol-beladenen Zellen über 5 Tage durchgeführt. Die Zellen wurden geerntet, der 3 H-Haloperidolgehalt von HaCaT- und Sk-Mel-I-Zellen sowie des Mediums bestimmt und die Co-Kulturen für elektronenmikroskopische Untersuchungen (TEM, REM) aufgearbeitet.
Eine Methadonsubstituierte mit langjähriger Drogenvorgeschichte wurde tot in ihrer Wohnung aufgefunden. Die toxikologische Untersuchungen mit Immunoassays und HPLC ergab Hinweise auf eine Methadonintoxikation. Ausserdem verlief der Test der Urinprobe auf Chlorkohlenwasserstoffe nach Fujiwara positiv. Die Quantifizierung von Trichlorethanol in den Leichenasservaten erfolgte mit Mikrofestphasenextraktion/GC-MS, die Differenzierung von D/LMethadon wurde mit einer chiralen HPLC -Säule durchgeführt, die Quantifizierung von L-Methadon und dem Methadonmetaboliten (EDDP) erfolgte mit GC/MS.
Die Keratinozyten hatten in der Co-Kultur Fremdstoff-beladene Melaningranula aufgenommen, was durch elektronenmikroskopische Befunde bewiesen wurde. Die Pigmentaufnahme war bereits makroskopisch an dem leicht hautfarbenen Keratinozytenpellet zu erkennen. Die spektrophotometrische Melaninbestimmung von 10 Mio pigmenthaltiger HaCaT-Zellen nach dem Co-Kulturversuch ergab 5 ig Melanin. Der 3 H-Haloperidolgehalt von 1 Mio pigmenthaltiger HaCaT-Zellen hatte sich gegenüber dem Konzentrationsplateau nicht pigmenthaltiger Keratinozyten verdoppelt. DFG-Förderung : Projekt -PO 474/2-2.
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Es wurden folgende Konzentrationen nachgewiesen:
L-Methadon Herzblut Urin
EDDP
86 ng/ml 1300 ng/ml 6610 ng/ml qualitativ +
Trichlorethanol 27 pg/ml 330 µg/ml
Die Methadonkonzentration lag im letal-toxischen Bereich; die toxische Wirkung dürfte jedoch durch die Einnahme von Chloralhydrat (Blutkonzentration im hohen therapeutischen Bereich) verstärkt worden sein. Da Chloralhydrat beim „Routine-Drogen- Screening" mit immunologischen Tests nicht erfasst wird, könnte diesem eine verstärkte Bedeutung als Ersatz-Droge bei Methadonsubstitution zuteil werden. Die Einnahme von Chloralhydrat bei Methadonsubstituierten muß bei Todesfällen deshalb stets in Erwägung gezogen werden.
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IDENTIFIZIERUNG UND BESTIMMUNG VON BROMCHLORDIFLUORMETHAN (HALON 1211) AUS KÖRPERFLÜSSIGKEITEN UND ORGANMATERIAL MIT HEADSPACE-GC/MS
HAARUNTERSUCHUNGEN BEI PATIENTEN DER AKUTPSYCHIATRIE
E. Pufal', M. Sykutera l , G. Rochholz 2 G. Lis', K. Sliwka l I Katedra i Zaklad Medycyny Sadowej, Akademia Medyczna ul. M.Curie-Sklodowskiej 9, PL-85-094 Bydgoszcz, Polen 2 lnstitut für Rechtsmedizin der Universität Kiel, Arnold-Heller-Str. 12, D-24105 Kiel, Deutschland ,
Durch das Einatmen von Lackverdünnungsmitteln, Klebstoffen und anderen gasförmigen organischen Substanzen können Trance- oder euphorische Zustände ausgelöst werden. Auch Halon 1211 (Bromchlordifluormethan), ein aktiver Bestandteil von Halonfeuerlöschern, kann zu diesem Zweck mißbräuchlich verwendet werden. Vorgestellt wird ein Fall, bei dem das gezielte Inhalieren des Inhalts eines Feuerlöschers zum Tode führte. Der an der Fundstelle des Leichnams sichergestellte Feuerlöscher und die bei der Obduktion gewonnenen Asservate wurden chemisch-toxikologisch mit Headspace-GC/MS untersucht. Dabei konnten im Feuerlöscher Halon 1211, Freon und Chloroform nachgewiesen werden. In den Körperflüssigkeiten und Gewebeproben war lediglich Halon 1211 nachweisbar. Es wurden im Blut 1,7 µg/mL, im Gehirn 10,8 pg/g, in der Leber 3,6 tg/g, im Magen 8,1 µg/g und in der Lunge Spuren von Halon gefunden. Die unerwartet geringe Konzentration in der Lunge könnte mit der notärztlichen Behandlung in Zusammenhang stehen.
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F. Mußhoff, B. Madea
Kasuistik: Nach einer Erdgrabzeit von zehn Monaten kam es zur Exhumierung der Leiche einer 19 Jahre alt gewordenen Frau wegen des Vorwurfs der fahrlässigen Tötung bzw. der unterlassenen Hilfeleistung gegen Polizeibeamte. Die Eltern der Verstorbenen äußerten den Verdacht auf eine suicidale Tabletteneinnahme und stellten in Frage, ob durch die alarmierte Polizei nicht durch ein früheres Einschreiten der Tod hätte verhindert werden können. Untersuchungen: An die Obduktion schloß sich eine chemisch -toxiklgsche Untersuchung an. Ergebnisse: Die Leichenöffnung ergab keinen todesursächlichen Befund. Chemisch -toxikologische Resultate:
Gehirn
Dünndarm
Paracetamol [mg/kg]
Chloroquin [mg/kg]
100.3
335
89.1 78.7
20 1100
n.b.
1330 320 21 1560
135.0 164.3 45.9
AUSWIRKUNG NATÜRLICHER WITTERUNGSVERHÄLTNISSE AUF DEN DROGENGEHALT IN HAAREN Gisela Skopp l , Lucia Pötsch2 Rainer Mattern 1 l Institut für Rechtsmedizin und Verkehrsmedizin, Voßstr. 2, 69115 Heidelberg Z Institut für Rechtsmcdizin, Am Pulverturm 3, 55131 Mainz ,
Institut für Rechtsmedizin, Stiftsplatz 12, 53111 Bonn
Milz
Im Zeitraum von Juli 1998 bis Dezember 1999 wurden bei 52 Psychiatriepatienten einer Entgiftungsstation, die mit Verdacht einer akuten toxischen Psychose aufgenommen worden waren oder bei denen ein Halluzinogenkonsum anamnestisch bekannt war, Haarproben auf Drogen untersucht. Insbesondere wurde versucht, halluzinogene Drogen wie LSD oder Psilocin nachzuweisen. LSD konnte allerdings nur in einem Fall festgestellt werden (Konzentration: 1 pg/mg). Cannabis wurde in 35 (67 %), Amphetamine in 26 (50 %), Cocain in 19 (37 %) und Opiate in 13 (25 %) Fällen nachgewiesen. Bei 15 Probanden (29 %) waren keine Drogen im Haar nachweisbar. Auffällig hohe CocainKonzentrationen wurden bei einem Probanden mit selbstberichtetem intravenösem Cocainkonsum (649 ng/mg) und einem Crackraucher (1027 ng/mg) gefunden. Darüber hinaus wurde der Melaningehalt bei kosmetisch unbehandelten Haaren untersucht, um einen möglichen Einfluß auf die festgestellten Drogenkonzentrationen zu überprüfen. Für diese Studie lag ein positives Votum der Landesärztekammer Rheinland-Pfalz vor.
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NACHWEIS EINER CHLOROQUIN-INTOXIKATION NACH ZEHN-MONATIGER ERDGRABZEIT
Magenwand Herz Leber Niere
S.Zörntlein , J.Röhrich, L.Pötsch, J.Becker Institut für Rechtsmedizin der Johannes Gutenberg- Universität Mainz Am Pulverturm 3, 55131 Mainz
Diskussion: Eine Schätzung des Zeitpunktes des Todeseintrittes erfolgte ex post aus dem Ausprägungsgrad der Leichenerscheinungen, wie sie vom Notarzt dokumentiert worden waren, sowie prämortalen Vorgängen mit Hinweischarakter auf die Agoniedauer, wie Pharmakodynamik der aufgenommenen Fremdsubstanzen und polizeilichen Ermittlungsergebnissen. Danach war nicht auszuschließen, daß die junge Frau an den Folgen einer Chloroquin-Intoxikation verstorben war, bevor die Polizei hätte einschreiten können.
Das menschliche Kopfhaar unterliegt einer physikochemischen Alte da es neben hygienischen und kosmetischen Maßnahmen auch-rung, der natürlichen Witterung ausgesetzt ist. Es wurde vermutet, daß mit zunehmender Haaralterung Änderungen im Drogengehalt auftreten. Zur Prüfung witterungsbedingter Einflüsse auf den Drogengehalt wurden Anteile authentischer Haarproben 10-14 Wochen der Globalstrahlung bzw. der natürlichen Witterung ausgesetzt Zur Untersuchung gelangten Opiat-, Cocain- und Cannabinoid-haltige Proben. Die Bestimmung des Drogengehaltes in exponierten und nicht exponierten Anteilen jeder Probe erfolgte mittels GC/MS nach Routinemethoden. Die Untersuchungen zeigten, daß der Gehalt an Cannabinoiden (THC, CBN, CBD) unter dem Einfluß der Globalstrahlung besonders drastisch zurückging, während die Konzentration an Dihydrocodein nach Lichtalterung in allen Proben höher war. Die Gehalte an Morphin und 6-Acetylmorphin waren durch die Expositionsbedingungen in stärkerem Maße betroffen als die Gehalte an Cocain und Benzoylecgonin. Die Ergebnisse lassen schließen, daß eine Photoalterung des Haares nicht nur zu einer Zerstörung, sondern auch zu einer besseren Zugänglichkeit potenzieller Bindungsstellen im Haar führen kann. Neben Effekten, die auf einer Haaralterung beruhen, werden substanzspezifische hydrolytische und oxidative Abbaureaktionen während der Exposition angenommen.
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EFFECT OF METHAMPHETAMINE ON MALE MICE FERTILITY
TÖDLICHER AUSGANG EINER I.V. DROGENINJEKTION IN DIE HALSVENE.
Yoshiko Yamamoto, Tamaki Hayase, Keiichi Yamamoto
A. Schultes , F. Pluisch Institut für Rechtsmedizin der Universität zu Köln
Department of Legal Medicine, Kyoto University Faculty of Medicine, Kyoto, Japan
In den 80er Jahren wurde der intravenöse Drogenabusus als häufige, z.T. sogar als häufigste Ursache von Infektionen der Halsweichteile angegeben. Im folgenden soll ein Fall vorgestellt werden, bei dem ein Insasse einer Justizvollzugsanstalt während einer Auseinandersetzung mit einem Mithäftling durch einen Tritt ein stumpfes Halstrauma erlitten hatte. Einen Tag später wurde er wegen zunehmender Schluckschmerzen und Luftnot stationär aufgenommen. Der Dogenabusus war bekannt. Der Aufnahmebefund ergab eine ausgeprägte Schwellung der Halsweichteile vor allem rechts mit deutlicher Druckschmerzhaftigkeit. Eine Laryngoskopie war bei Kieferklemme und ausgeprägter Schwellung nicht möglich. In der Folge verschlechterte sich der Zustand zunehmend. Trotz entsprechender antibiotischer Therapie verstarb der Patient unter dem klinischen Bild eines Kammerflimmerns. Die gerichtsmedizinische Obduktion erbrachte als Todesursache einen septischen Schock bei ausgedehnter Nekrose der Halsweichteile infolge einer Drogeninjektion in die rechte Halsvene. Aufgrund der vielfachen Injektionen in die peripheren Venen, sind diese bei Drogenabhängigen häufig sklerosiert, so daß andere Injektionsorte gewählt werden. Somit sollte bei unklaren Schwellungen der Halshaut in Verbindung mit einer Mediastinitis an die Möglichkeit einer Infektion der tiefen Halsweichteile infolge von Drogeninjektionen in die Halsvenen in Betracht gezogen werden.
Our previous study in male mice demonstrated that methamphetamines (MAMP) affected mating and induced apoptotic cell death in the testis. In the present study, testes of 10-week-old mice treated with MAMP were examined morphologically. Mice were given i.p. 10 mg/kg of MAMP, and the testes were excised 6, 12, 24, 48, 72 and 168 hrs after injection. Apoptotic cell deaths were detected by the TdT—mediated dUTP—biotin nick end labeling (TUNEL) method. The concentration of testosterone (TS) in the serum was determined after the i.p. injection of MAMP (5, 10 or 15 mg/kg). The effects of MAMP on spontaneous activity were also examined with an apparatus that records spontaneous activity of animals (Supermex). Vacuolizations were observed in the spermatogonia 24 and 168 hrs after injection. During the same period, the number of TUNELpositive cells also increased. The concentration of TS increased 6 hrs after injection of all doses. However, at a dose of 15mg/kg, it decreased significantly 24 hrs later. MAMP increased the spontaneous activity: a marked increase was observed at doses of 10 and 15 mg/kg. MAMP probably affects male mice fertility by disturbing spermatogenesis and copulation behavior.
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AN UNUSUAL CASE OF HOMICIDE BY USE OF REPEATED ADMINISTRATION OF ORGANOPHOSPHATE INSECTICIDES Michel HA. Piette [1], Eis A. De Letter[l], Jan Cordonnier [2] [1]Ghent University - Department of Forensic Medicine, J. Kluyskensstraat 29, B-9000 Ghent, Belgium [2]Chemiphar NV - Toxicological laboratory, L. Bauwensstraat 4, B-8200 Bruges, Belgium We present an unusual murder case by use of repeated administration of organophosphate insecticides. At first, we were told that a 49 year old woman suffering from mental retardation and acromegalia died "suddenly and unexpectedly" at home. On postmortem examination, a dried saliva string was observed. On the right neck, a small scratch was seen. No other suspicious traumatic signs were observed. At autopsy, a large pancreatic and several adjacent serosal abcedations were retrieved. As these chronic lesions could not be responsible for her death, samples for toxicological investigation were taken; an obviously reduced acetylcholinesterase activity and a significant trimethylphosphoricester amount in blood and liver was found; the latter being related to the methylation of dimethylphosphate during GC/MS analysis. This was consistent with phosphamidon or omethoate (both organophosphate insecticides) retrieved in the house. Study of medical files revealed she was hospitalized for "status epilepticus" about fifteen days prior to her death. At arrival in hospital, a pronounced salivation and pinpoint pupils were observed in the deeply comatous patient; clearly increased serum amylase and lipase levels were detected. At that moment the epileptic insults were attributed to "therapeutic non-compliance". However, toxicological screening was not performed. She was discharged 4 days prior to her death. In conclusion, a case of homicide, initially classified as a "natural death" is presented. Thorough inquiry revealed that the victim received phosphamidon and/or omethoate orally. In her medical history at least one episode consistent with an organophosphate intoxication was retrieved. The abdominal abcedations of pancreatic origin were also compatible with repeated administration of pesticides with anticholinergic action. An organophosphate intoxication should be considered when an association of unexplained neurological symptoms with pancreatic disturbances is found. 20 our knowledge no analogous homicidal case has been reported.
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EIN FALL VON SUIZID MIT BREMSFLÜSSIGKEIT M. Darok*, M. Kollroser*, S. Mannweiler**
Institute für Gerichtliche Medizin* und Pathologie ** der Karl-FranzensUniversität Graz Ein 23 Jahre alt gewordener Mann wurde leblos im Badezimmer seiner Wohnung aufgefunden. Neben dem Leichnam sowie im Mundbereich war schwärzlich -öliges Erbrochenes vorzufinden. Bei der gerichtlichen Leichenöffnung fand sich eine gleichartige Flüssigkeit im Magen des Verstorbenen. Die Speiseröhre zeigte abschnittsweise einen auffälligen Verlust der obersten Schleimhautschichten, ähnlich einer Verätzung. In der Wohnung waren keine Medikamente oder Betäubungsmittel bzw. deren Reste vorzufinden. Die Blut- und Hamalkoholkonzentration betrugen jeweils 0,0 Promille. Bei der erneuten Wohnungsbesichtigung fand die Gendarmerie eine halb geleerte Dose Brcrosflüßigkeit, deren Analyse Ethylenglykol als Hauptbestandteil erbrachte. Die durchgeführten chemisch-toxikologischen Untersuchungen zeigten eindeutig eine Vergiftung mit Ethylenglykol als Todesursache an. Der Mann stand zuvor in wegen einer Borderline-Psychose in psychiatrischer Behandlung und hatte Selbstmordabsichten geäußert. Unter Gesamtwürdigung der Umstände war davon auszugehen, daß er in suizidaler Absicht von der Bremsflüßigkeit getrunken hatte, Neben der Darstellung des Falles werden auch die recht charakteristischen morphologischen, toxikologischen und histologischen Befunde einer Vergiftung mit Ethylenglykol ausführlich vorgestellt.
P-65 AMFEBUTAMON - DAS NEUE RAUCHERENTWOHNUNGSMITTEL; EINE "LIFESTYLE-DROGE"? KONZENTRATIONEN NACH EINNAHME IN BLUT, SPEICHEL, SCHWEISS UND URIN B.Babel , H.Magerl und D.Patzelt
Institut für Rechtsmedizin der Universität Würzburg 1989 ist Amfebutamon (synonym Bupropion, Präparatename Zyban®) als Antidepressivum in den USA auf den Markt gekommen. Seit 1997 ist es dort auch als Raucherentwöhnungsmittel eingeführt und in den vergangenen zwei Jahren millionenfach für diese Indikation verordnet worden. In der Bundesrepublik Deutschland ist es als verschreibungspflichtiges Import-Arzneimittel erhältlich. Strukturell ist Amfebutamon verwandt mit Phenylethylaminen, wie z.B. Amphetamin. Nach Herstellerangaben soll es kein Suchtpotential aufweisen. In einer Mitteilung warnt die Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft jedoch u.a. vor Nebenwirkungen wie Krampf Schlaflosigkeit, vereinzelt auch Erregungszustände sowie-neigu, paranoide Reaktionen. Nach oraler Aufnahme einer Einzeldosis von 150 mg sind mittlere maximale Blutkonzentrationen von 90 bis 140 ng/ml innerhalb von drei Stunden zu erwarten. Untersucht wurde, inwieweit die Konzentrationen in alternativen Körperflüssigkeiten mit den Blutbefunden korrelieren.
P-67 DROGENNOTFÄLLE UND DROGENTODESFÄLLE IN WIEN, 1995-1997 D. Risser , S. Hönigsclmabl, M. Stichenwirth, D. Sebald, A. Kaff,
B. Schneider, W. Vycudilik, G. Bauer
Institut für Gerichtliche Medizin der Universität Wien, Sensengasse 2, 1090 Wien, Österreich Zielsetzung und Methodik: Zur Feststellung ob Drogennotfälle und Drogen
zwei verschiedene Subpopulationen von Drogenkonsumenten-todesfäl darstellen bzw. ob ein Zusammenhang zwischen Drogennotfällen und Drogentodesfällen besteht, wurden die Notarztprotokolle von Drogennotfällen und die Obduktionsprotokolle von Drogentodesfällen in Wien in der Zeit vom 1. Jänner 1995 bis 31. Dezember 1997 analysiert. Ergebnisse: Während des 3-jährigen Untersuchungszeitraumes ging die Anzahl der Drogennotfälle deutlich zurück (Regressionsanalyse: F=14.4, p<0.05). Die Zahl der Drogentodesfälle blieb stabil (Regressionsanalyse: F=3.77, p=0.08). Der Anteil an Frauen war bei den Drogennotfällen deutlich höher als bei den Drogentodesfällen (weiblich: 28% vs. 19%; x2=26.2, p<0.05). Drogennotfälle waren deutlich jünger als die Drogentodesfälle (25 vs. 29 Jahre, t=10.7, p<0.05). Weiters fanden sich deutliche Unterschiede hinsichtlich der regionalen Verteilung über die 23 Bezirke von Wien (x2=45.6, p<0.05) sowie hinsichtlich des Auffindungsortes: 68% der Drogennotfälle ereigneten sich auf öffentlichen Plätzen, 67% aller Drogentodesfälle ereigneten sich in Wohnungen (y2 =234.7, p<0.05), insbesondere in Bezirken mit einem niedrigen sozioökonomischen Standard. Ein Zusammenhang zwischen der Anzahl von Kontakten mit dem Wiener Notarztsystem wegen eines Drogennotfalles und dem tödlichen Ausgang von Drogengebrauch war in unserem Untersuchungskollektiv nicht festzustellen (ANOVA: F=2.1, p=0.15). Schlußfolgerung: Drogennotfälle und Drogentodesfälle repräsentieren in Wien zwei verschiedene Subpopulationen von Drogenkonsumenten. Dementsprechende Präventionsstrategien werden diskutiert.
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ENTWICKLUNG METHADONASSOZIIERTER RAUSCHGIFTTODESFÄLLE IN HAMBURG 1990 bis 2000
DROGENTOD IN KOLN prospektive l und retrospektive Fallanalyse
B. Mahfoud , A. Heinemann, S.Stein, S.Iwersen- Bergmann, A.
H.Graß , E.Reitz, H.-G. Kimont*, M. Staak
Schmoldt, K. Püschel Institut für Rechtsmedizin, Butenfeld 34, 22529 Hamburg In Hamburg erfolgt seit 1990 die Vergabe von Methadon an Rauschgiftabhängige . Ein überlebenssichernder Effekt bei Teilnehmern der Therapie wurde jüngst in einer Hamburger Netzwerkanalyse nachgewiesen. In jüngster Zeit ist aber auch ein weiterer Anstieg des Anteils methadonassoziierter Todesfälle an der Rauschgiftmortalität ingesamt festzustellen, den wir erstmals 1996, später dann im Gefolge der Liberalisierung der Take- homeVergabe Anfang 1998 nochmals akzentuiert beobachteten. Dabei steigt sowohl der Anteil der Fälle mit Methadonbeteiligung insgesamt als auch der Anteil der Fälle mit Methadon als führende Todesursache ohne relevante Beteiligung von Heroin. Wir interpretieren den Anstieg unter anderem als Folge des Ausweichverhaltens nicht- substituierter Abhängiger in die Substanz Methadon als Ersatzdroge, nachdem die Verfügbarkeit anderer Ausweichmittel infolge regulierender Maßnahmen drastisch zurückgegangen ist. Unsere Ergebnisse haben jüngst zur Entwicklung von präventiven Ansätzen (Informationskampagne in niederschwelligen Einrichtungen über Gefahren der nicht ärztlich kontrollierten Methadoneinnahme und des Schwarzmarkterwerbs) geführt.
Institut für Rechtsmedizin der Universität zu Köln *Gesundheitsamt der Stadt Köln Das Thema Drogenkonsum und assoziierte Todesfälle hat vielfältige Publikationen beschäftigt: Neben einer zahlenmäßigen Erfassung stehen insbesondere bei den Todesfällen Todesumstände, Todesart und Begleiterkrankungen im Mittelpunkt des Interesses. Unter dem Aspekt einer retrospektiven Fallanalyse in Verbindung mit einer prospektiven 2-jährigen Erhebung von Drogentodesfällen in Köln sollen die bisherigen Erkenntnisse zu Todesumständen, Begleiterkrankungen und Konsummustem überprüft werden. Insbesondere in der prospektiven Bearbeitung werden je Fall umfangreiche Daten (Anamnese, chem.-tox.- Analyse, virologischer Status, Tbc und Lues-Screening, u.g.U. Obduktion und mikroskop. Untersuchungen) erfaßt. Zusätzlich ergab sich erstmals die Möglichkeit eines Datenabgleichs mit dem Datenpool des niederschwelligen medizinischen Angebots und der psychosozialen Hilfesysteme auf der Basis einer Kooperation mit dem Gesundheitsamt in diesem Projekt. Die erste Auswertung der prospektiven Daten (bis dato) erfaßt 53 Drogen davon konnten mittels Blutuntersuchungen 40 näher untersucht-todesfäl, werden, 16 wurden seziert. Die altersgruppen- bezogene Auswertung zeigt eine Kumulation in der Altersgruppe der bis 30-jälnigen mit kurzer Drogen und Todesfällen unter dem Bild einer ganz akuten Intoxikation-karie (n=17). Die zweite Häufigkeit liegt in der Altersgruppe ab 40 Jahre (n=24), diese Personen zeigten - bei lange Drogenkarriere - häufig einen erheblichen Alkoholkonsum in Kombination mit anderen Suchtstoffen. Ein Datenabgleich mit dem Gesundheitsamt ergab, dass nur 12 % der Drogentoten dort bekannt waren. 'Köln Fortune Projekt Nr. 172/1998 & Nr. 75/1999
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ZUR UNTERSUCHUNG AUF DROGEN UND MEDIKAMENTE IN KÖRPERFLÜSSIGKEITEN IN MECKLENBURG 1992-2000 D. Rentsch, V. Weirich und R. Wegener Institut für Rechtsmedizin der Universität Rostock St.-Georg-Str. 108, D-18055 Rostock Seit Anfang der 90er Jahre ist in unserem Einzugsgebiet ein stetiger Anstieg der Auftragszahlen zur Untersuchung auf Betäubungsmittel und Medikamente in Körperflüssigkeiten zu verzeichnen - wenn auch die absoluten Zahlen vergleichsweise gering sind (1992: 42, 1999: 232, 2000: vermutlich > 300). Desweiteren hat sich der Anteil der positiven Befunde kontinuierlich erhöht. Hierin kommt auch eine Erhöhung der Drogen- und Medikamentenprävalenz im Straßenverkehr und bei kriminellen Delikten zum Ausdruck. Weiterhin sprechen diese Entwicklungen für eine Verbesserung der Erkennung der Drogen- bzw. Medikamenten-Beeinflussung durch die Polizei. Einen förderlichen Einfluss haben in diesem Zusammenhang auch stetig verbesserte analytische Rahmenbedingungen. Neben einer kurzen Darstellung der toxikologisch- analytischen Strategie sollen Veränderungen im Spektrum von Drogen und Psychopharmaka diskutiert werden. Von den zentral wirksamen Medikamenten kommt gegenwärtig den Benzodiazepinen die größte Bedeutung zu (1999: 23 %; Prioritäten: Diazepam > Flunitrazepam > Medazepam > Nitrazepam). Bei den illegalen Drogen liegt der Cannabiskonsum (1999: 44 %) in unserem Einzugsgebiet zur Zeit mit Abstand auf dem ersten Platz, an zweiter Stelle stehen die synthetischen Drogen vom Amphetamintyp (1999: 13 %) gefolgt von Cocain (4 %). LSD und Heroin-Missbrauch spielen offenbar bisher kaum eine Rolle.
P-70 Häufigkeit des Nachweises von Alkohol bei Drogenkonsumenten in Ungarn A. Molnär, E. Jeszenszky, A. Benkö, E. Szäz, T. Varga Einleitung
Die steigenden Zahlen der Untersuchungen auf Betäubungsmittel lassen darauf schließen, dass neben Alkohol auch der Betäubungsmittelkonsum in Ungarn zunimmt. Mit der vorliegenden Studie sollte untersucht werden, wie verbreitet der kombinierte Konsum von Alkohol und Drogen in Ungarn ist, zumal hieraus auch wesentliche klinische und strafrechtliche Implikationen ableitbar sind. Material und Methoden In einer multizentrischen Untersuchung wurden die Blut- und Urinproben von 508 Drogenkonsumenten des ersten Halbjahres 1999 auf den Gehalt an Drogen und Ethanol mit immunologischen, HPLC-, GC- und GC/MS- Methoden untersucht. Ergebnisse
90% der Drogenkonsumenten waren Männer, vor allem in den Altersklassen zwischen 15 und 19 sowie 20 bis 25 Jahren. Bei den Männern überwog mit 64% Häufigkeit Cannabis, bei den Frauen waren mit 52% die Amphetamine am häufigsten zu finden. In 64 der 508 verdächtigen Fälle konnten keine Drogen nachgewiesen werden. In 81 Fällen wurden mehrere Drogen nachgewiesen. Die Häufigkeit des Drogenmissbrauchs liegt in Süd- und Mittel-Ungarn (inkl. der Hauptstadt) deutlich höher. Ein Mischkonsum mit Alkohol konnte bei 10% der Drogenkonsumenten nachgewiesen werden. Schlussfolgerung
In weniger als 10% der Fälle ließ sich neben Drogen auch Alkohol nachweisen, so dass die Symptome des Drogenkonsums nur selten durch Alkohol verfälscht werden.
Si 8 1 Rechtsmedizin • Supplement 1 •2000
Laborchemische Überprüfung von Notarztdiagnosen bei akuten Intoxikationen mit Rauschmitteln NP Mayr 1 , S Schmidbauer 1 ,G Drasch2 , G Roider 2 K Hallfeldt 1 Arbeitsgruppe Reanimations- Studie, 2 Institut für Rechtsmedizin, beide: Ludwig-Maximilians-Universität München Der vor Ort tätige Notarzt (NA) wird mit der Problematik konfrontiert, bewusstlose Patienten mit einer unbekannten Intoxikation behandeln zu müssen. Wir untersuchten die Richtigkeit der Notarztdiagnose anhand präklinisch gewonnener Blutproben. Bei 38 Patienten wurde eine Blutprobe entnommen. Diese wurden unmittelbar nach Einsatzende immunchemisch, sowie mittels HPLC und GC analysiert. Mit 53% (n=29) stellten die alkoholintoxikierten Patienten die überwiegende Mehrheit (Median der BAK 2,54 %o). Bei 35 % dieser Patienten lag eine Diskrepanz zwischen der Notarztdiagnose und den Laborbefunden vor. Mit 11 Patienten war die Gruppe der opiat-intoxikierten Patienten am zweithäufigsten vertreten. Bei vier Patienten wurden neben Opiaten noch weitere Rauschmittel gefunden, in zwei Fällen zusätzlich zu Morphin auch Dihydrocodein. Bei 36% dieser Patienten wurde durch den Notarzt eine Mehrfachintoxikation übersehen. Nur 5 Patienten wurden primär als „poly-intoxikiert" eingestuft. Bei 2 dieser Patienten wurden neben einer deutlich erhöhten BAK keine Rauschmittel gefunden. Schlussfolgerung : Der Anteil von rund 35% inkorrekten Diagnosen zeigt, dass sich die NA zu häufig allein auf die „offensichtliche" Situation vor Ort verlassen. Der NA wird häufiger als bisher angenommen mit Polyintoxikationen konfrontiert.
P-72 ALKOHOLGLUCURONID-MUSTER IM HARN NACH KONSUM ALKOHOLISCHER GETRÄNKE G. Sticht , A. Bank, H. Käferstein Institut für Rechtsmedizin der Universität zu Köln, Melatengürtel 60, D - 50823 Köln Es wird der Verlauf der Ausscheidung von Glucuroniden des Ethanols und einiger Begleitalkohole im Harn nach Konsum von Wein, Weinbrand, Bier und Wodka aufgezeigt. Erwartungsgemäß ist nach Wodkakonsum nur Ethylglucuronid nachweisbar. Die Glucuronide der Amylalkohole liegen nach Weinkonsum in der ersten Probe nach beendetem Trinken in vergleichbarer Konzentration wie Ethylglucuronid vor, fallen im Gegensatz zu Ethylglucuronid aber schnell ab und sind nach einigen Stunden nicht mehr nachweisbar. Nach Bierkonsum sind die Konzentrationen der Begleitalkoholglucuronide niedriger, insbesondere Isobutylglucuronid im Vergleich zu den Arnylglucuroniden. Besonders hohe Konzentrationen der Begleitalkoholglucuronide fanden sich nach Weinbrand ersten Probe um ca. eine Zehnerpotenz höher als Ethyl--konsum,ider glucuronid. Es werden die Möglichkeiten diskutiert, die Methode zur Uberprüfung von Nachtrunkbehauptungen einzusetzen.
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MIKRODESTILLATION — EIN ZUVERLÄSSIGES VERFAHREN ZUR ALKOHOLBESTIMMUNG IM MUSKELGEWEBE
EINFACHES ELEKTRONISCHES SYSTEM ZUR PRÄSENTATION UND DOKUMENTATION DES POSTROTATORISCHEN NYSTAGMUS
R. Iffland, A. Schuff, T. Fischer, Y. Weingarten Institut für Rechtsmedizin der Universität zu Köln Melatengürtel 60-62, 50823 Köln Alkoholbestimmungen in biologischem Material können durch Matrixeffekte beeinflußt werden. Die Mikrodestillation eröffnet die Möglichkeit, diesen Einfluß auszuschließen und damit zuverlässig z.B. den Alkoholgehalt in Muskelgewebe (MAK) zu bestimmen. Die Untersuchung von Muskelgewebe ist auch in den Obduktionsfällen zu empfehlen, in denen wegen Blutarmut oder schwerster Traumatisierung kein Blut aus den Oberschenkelvenen (BAK) zur Bestimmung der Alkoholisierung zur Verfügung steht. Damit kann auf die forensisch bedenkliche Alkoholbestimmung wie etwa im Herzblut oder dem blutigen Inhalt der Pleurahöhle verzichtet werden, da Muskelgewebe aus dem Oberschenkel fast immer zu gewinnen ist. Die gute Korrelation zwischen der BAK und der durch Mikrodestillation ermittelten MAK erlaubt deren Verwendung zur Beurteilung des Alkoholisierungsgrades für forensische Zwecke.
T. Fink, M. Dilger Institut für Rechtsmedizin, Johannes Gutenberg-Universität, 55131 Mainz Die Aufzeichnung und Darstellung des postrotatorischen Nystagmus im rechtsmedizinischen Unterricht kann durch ein einfaches elektronisches System erleichtert werden. Die Bildgewinnung erfolgt dabei durch Integration einer Miniaturvideokamera in eine Brille, die vom jeweiligen Probanden bei der Nystagmusprobe getragen wird. Das gewonnene Videobild des beobachteten Auges wird über eine Funkstrecke, unabhängig von bei der Drehung störenden Kabeln, an einen stationären Empfänger übertragen. Hier kann das Bild u.a. auf einem konventionellen Monitor, einem Fernsehgerät oder einem Videoprojektor präsentiert werden. Zusätzlich kann das Videosignal mittels Videokarte in einen PC eingelesen und elektronisch aufgezeichnet werden. In Verbindung mit einer geeigneten Software kann so die Dauer und Frequenz des postrotatorischen Nystagmus in Korrelation zur Blutalkoholkonzentartion ausgewertet werden. Das vorgestellte System ermöglicht eine sehr preisgünstige und didaktisch interessante Lösung zur Darstellung der Nystagmusprobe unter Alkoholeinfluß im rechtsmedizinischen Unterricht. Durch Integration einer PC-gestützten Auswertung des Videobildes ist zudem eine Objektivierung des Befundes möglich.
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Zum Nachweis von Ethylglucuronid in Haaren
Mini-Mental-Test (MMS) und Fahreignung älterer Fahrzeuglenker
A. Alt', I. Janda s , F.M. Wurst', S. Seidl 2 'Abteilung Rechtsmedizin im Universitätsklinikum Ulm 2 lnstitut für Rechtsmedizin Erlangen ,
Der Nachweis von Ethanol im Körper ist nur relativ kurze Zeit möglich. Zum Nachweis einer Alkoholaufnahme stehen eine Reihe biologischer Alkoholkonsummarker (z.B. GGT, CDT, MCV) zur Verfügung. Hinsichtlich Sensitivität und Spezifität sind diese Marker jedoch nicht alle als befriedigend einzustufen. Ethylglucuronid stellt einen direkten Metabolit von Ethanol dar, der auch noch mehrere Tage nach vollständiger Ethanolelimination in Körperflüssigkeiten (Urin und Serum) nachgewiesen werden kann. Zur Beurteilung einer länger zurückliegenden Alkoholaufnahme bieten sich Kopfhaare als Untersuchungsmatrix an. Es wurden insgesamt 31 Haarproben von Alkoholikern, Alkoholkonsumenten mit einem Konsum von weniger als 20 g/Tag und Kindern entnommen. Nach entsprechender Aufarbeitung wurde Ethylglucuronid als Silylderivat mit d5-EtG als internem Standard mittels GC/MS bestimmt. In 18 der 31 untersuchten Haarproben konnte Ethylglucuronid nachgewiesen werden. Die Konzentrationen lagen zwischen 0,ing/mg und 4,0 ng/mg Haar. Bei einer Alkoholaufnahme bis zu 20 g/Tag konnte in der Haarprobe kein Ethylglucuronid nachgewiesen werden. Weiteren Studien wird es vorbehalten bleiben, ob sich eine Korrelation zwischen aufgenommener Alkoholmenge und im Haar festgestellter EtG-Konzentration ergeben wird.
Chr. Seitler,, Munira Haag-Dawoud , W. Bär Institut für Rechtsmedizin Universität Zürich-Irchel, CH-8057 Zürich Ältere Motorfahrzeuglenker stellen eine Risikogruppe dar. Die Prävention stützt sich derzeit in der Schweiz auf periodische Kontrolluntersuchungen der über 70jährigen Motorfahrzeuglenker. Es bestehen Effizienzlücken wegen einseitig somatischer Befunderhebung und „Loyalitätskonflikten" zwischen Hausarzt und Lenker. Einfache Screeningtests in Ergänzung zur hausärztlichen Beurteilung wären wünschbar. Zielsetzung unserer Untersuchung war die Überprüfung des MMS-Tests bezüglich Validität als Screening-Test bei der verkehrsmedizinischen Abklärung älterer Motorfahrzeuglenker. Die fahr ge eignete Gruppe bestand aus 69 Personen (35 freiwillige und 34 Testpersonen , deren Fahreignung verkehrsmedizinisch bejaht wurde). Die fahrungeeignete Gruppe umfasste 72 Personen. 87 Personen wurden zum Vergleich mit dem „Wiener Testsystem PC-S" untersucht. Fahrgeeignete Lenker erzielten im MMS-Test hoch signifikant bessere Ergebnisse als die Fahrungeeigneten bei Gesamtpunktzahl (p<0,001), „Orientierung" (p<0,001) und „Erinnerungsfähigkeit" (p<0,001). Bezüglich „Merkfähigkeit", „Aufmerksamkeit und Rechenfähigkeit" sowie „Sprache" liessen sich keine oder nur grenzwertig signifikante Differenzen nachweisen. Nur die Kategorie „Erinnerungsfähigkeit" ergab bei den Testgütekriterien eine gute Screening- Fähigkeit (Sensitivität 91%, Spezifität 46%, Cut-Off bei <2). Eher Bestätigungseigenschaft zeigten hingegen Gesamt (bei einem Cut-Off von <26) und „Orientierung" (bei einem Cut--punktzahl Off 59) (Spezifität 81% bzw. 89%, Sensitivität 57% bzw. 56%). Vergleichbare Ergebnisse konnten bei den sensomotorischen Leistungstests erhoben werden. Zusammenfassend weist der MMS-Test vielversprechende Merkmale eines validen Screening-Tests bei über 70jährigen Motorfahrzeuglenkern auf, so dass er bei der periodischen verkehrsmedizinischen Kontrolluntersuchung als ergänzendes Abklärungsinstrument eingesetzt werden könnte. Rechtsmedizin • Supplement 1 .2000 1 S1 9
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DROGEN UND MEDIKAMENTE BEI VERKEHRSTEILNEHMERN IN HAMBURG VON 1993-1999
NACHTRUNK - GRENZE DER WIDERLEGBARKEIT - EINE STUDIE ZUR BEGLEITSTOFFKINETIK.
S. Iwersen-Bergmann, S. Stein , A. Schmoldt Institut für Rechtsmedizin, Butenfeld 34, 22529 Hamburg
F.-I. Hendreich, W. Giebe, I. Reimann i >, R. Werner und A. Klein Institut für Rechtsmedizin der FSU Jena 1) Institut für Klinische Pharmakologie der FSU Jena
Innerhalb des Zeitraumes von 1993 — 1999 wurden in Hamburg 1832 Blutproben von Verkehrsteilnehmern untersucht, bei denen seitens der Polizei der Verdacht bestand, daß die Fahrer unter dem Einfluß anderer berauschender Mittel als Alkohol standen. Ergebnisse: 74,8% aller untersuchter Proben enthielten zumindest eine psychoaktive Substanz. Innerhalb dieses Kollektivs wurde THC mit einem Anteil von 49,1% am häufigsten nachgewiesen. Es folgen Morphin mit 34,8%, Benzodiazepine 32,6%, Cocain 30,7%, Methadon 12,9%, Amphetamine/derivate 5,3% und Barbiturate 2,1%. Die Nachweishäufigkeit der verschiedenen Substanzen veränderte sich über den gesamten Untersuchungszeitraum kontinuierlich. Ärztlich verordnete Medikamente (außer Methadon und Benzodiazepine) spielen im Straßenverkehr über den gesamten Zeitraum keine Rolle (Nachweisfrequenz < 1%). Für Benzodiazepine, Barbiturate und Methadon ergibt sich eine signifikant höhere Nachweisfrequenz bei Verkehrsunfällen als bei lediglich verkehrsauffälligen Fahrern. Amphetaminderivate wurden hingegen überproportional häufig in Blutproben solcher Fahrer nachgewiesen, die erst bei der Verkehrskontrolle selbst auffielen (§ 24a Fälle). Bei Morphin konnte diese Klasseneinteilung nicht vorgenommen werden. Bei allen Substanzen außer Cannabis ist ein Mischkonsum die Regel. Methadon wurde mit 95% der Fälle am häufigsten in Kombination mit anderen psychoaktiven Substanzen nachgewiesen.Insbesondere durch einen starken Anstieg der polizeilich angeordneten Untersuchungen in 1999 resultiert für den gesamten Untersuchungszeitraum ein Anstieg der Untersuchungszahlen von 50,6%. Schlußfolgerungen: Die verstärkte Schulung von Polizeibeamten bei der Erkennung von Drogenwirkungen zeigt offensichtlich Erfolge im Hinblick auf eine erhöhte Aufmerksamkeit der Polizei für durch Drogen beeinträchtigte Kraftfahrer.
P-78
Durch den Bund gegen Alkohol und Drogen im Straßenverkehr wird ein Forschungsvorhaben unseres Institutes zur Eliminationskinetik von Begleitstoffen alkoholischer Getränke gefördert. Ziel unserer Untersuchungen ist es, neben dem zeitlichen Konzentrationsverlauf der einzelnen Begleitalkohole, die jeweilige Mindestmenge eines bestimmten Begleitstoffes, die aufgenommenen werden muß, um ein positives Signal bei der Untersuchung zu erzeugen, zu ermitteln.Hintergmnd dieser Untersuchung ist die Einengung der „nichtausschließbaren Naehtrunkmenge" auf ein Mindestmaß. Dazu werden Ergebnisse von Nüchterntrinkversuchen und die Ergebnisse nachträglicher Getränkeaufnahmen im Trinkversuch vorgestellt. Bisher wurden Trinkversuche mit 50 Probanden durchgeführt. Die Konzentrationen von Methanol, Propanol-1, Isobutanol, 2-Methylbutanol-1 und 3-Methylbutanol-1 wurden verfolgt und ausgewertet. Die Ergebnisse zur Begleitstoffkinetik am Beispiel des Isobutanols werden demonstriert.
P-80
HÄUFIGKEIT VON ALKOHOLIKERN UNTER ALKOHOLISIERTEN VERKEHRSTEILNEHMERN. - EINE EPIDEMIOLOGISCHE STUDIE UNTER VERWENDUNG DES ALC-INDEX J. Beike , B. Vennemann, H. Köhler, B. Brinkmann
Institut für Rechtsmedizin, Westfälische Wilhelms-Universität Von-Esmarch-Str. 62, 48149 Münster In den Blutproben von 327 verkehrsauffälligen Kraftfahrern wurden die biochemischen Alkoholismusmarker Methanol, Aceton, iso-Propanol, ,y-GT und CDT bestimmt. Aus diesen Alkoholismusmarkern wurde jeweils der individuelle Ale-Index berechnet. Der hochspezifische und sensitive Ale-Index ermöglicht die Erkennung von Alkoholikern innerhalb des Kollektivs. Das Verteilungsmuster von Alkoholikern und NichtAlkoholikern wurde unter Berücksichtigung der Blutalkohol Zeitpunktes des Vorfalls, der die Blutentnahme-konzetrai,ds erforderlich machte und des Alters der Fahrer analysiert. Bei 48 % der untersuchten Fälle wies der Ale-Index auf einen bestehenden Alkoholismus hin. In der Gruppe von Personen mit Blutalkohol bis 1,6 %o ergab sich in 36 % der Fälle, in der Gruppe-konzetrai mit Blutalkoholkonzentrationen über 1,9 %o in über 70 % der Fälle ein Ale-Index, der auf einen bestehenden Alkoholismus schließen lässt.
S20 1 Rechtsmedizin • Supplement 1 •2000
PROMILL KILL - DER ERSTE „WIRKLICHE" PROMILLE KILLER ? K. Schulz, D. Felscher, Ch. Erfurt Technische Universität Dresden, Institut für Rechtsmedizin, Fetscherstr, 74, 01307 Dresden Seit einiger Zeit ist ein neuer Promillekiller auf dem Markt. Er heißt „Promill Kill" und wird als scheinbares Wundermittel zur Senkung der Blutalkoholkonzentation angepriesen. Derartige Wundermittel werden alle Jahre neu „entdeckt" und erregen die Medien und die Öffentlichkeit. Diese „Wundermittel" bedürfen jedoch jedesmal erneut der Widerlegung der angepriesenen Wirkung. Der Hersteller von Promill Kill propagiert eine Senkung der Alkohol bis zu einem Promille pro Stunde. -konzetraiv Die Trinkversuche wurden mit vier Probanden (1 Frau, 3 Männer) bei einer Belastung von jeweils 60 g Ethanol durchgeführt. Die Aufnahme von Promill Kill (bzw. von Saft im Placeboversuch) erfolgte erst nach dem Alkoholkonsum in Anlehnung an die Herstellerangaben. Den Probanden wurden ins stündlichen Abstand Blutproben entnommen und Atemalkoholkonzentrationen bestimmt sowie und der Verlauf der Atem- und Blutalkoholkonzentrationen und die entsprechenden 1360-Werte zwischen den Trinkversuchen mit und ohne Promill Kill gegenübergestellt. Erwartungsgemäß führte Promill Kill bei keiner der vier Testpersonen zu einer Senkung der Blutalkoholkonzentration. Auch dieser „Promillekiller` ist in die Reihe der zahlreichen wirkungslosen Vorläufer einzuordnen.
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UNGEKLÄRTER TOD IM STRAFVOLLZUG - DIAGNOSESICHERUNG DURCH ATOMABSORPTIONSSPEKTROMETRIE
HELLP-SYNDROM ALS URSACHE EINES PLÖTZLICHEN TODES (FALLBERICHT)
R. Arnold, W. Giebe, K. Winnefeld' , A. Klein Institut für Rechtsmedizin der FSU Jena ') Institut für Klinische Chemie und Laboratoriumsdiagnostik der FSU Jena
F. Lonaauer, V. Kardosovä Institut für Gerichtsmedizin der Medizinischen Fakultät und des Universitätskrankenhauses der Safärik- Universität in Kosice, Slowakische Republik
Es wird von einem 25jährigen Mann berichtet, der Insasse einer Justiz anstalt war und nach dem Verlassen der Naßzelle des Haftraumes-volzugs plötzlich zusammengebrochen sein soll. Der hinzugerufene Notarzt konnte nur noch den Tod feststellen. Die Sektion erfolgte 14 Stunden später. Bis auf eine akute Blutfülle der inneren Organe makromorphologisch keine krankhaften Organbefunde. Auffällig waren jedoch elf rundliche, ca. lmm messende weißliche papulöse Hautveränderungen an der Beugeseite des linken Daumens. Die Verdachtsdiagnose "Strommarken" wurde gestellt. Von Ermittlungsseite ergab sich dafür kein Anhalt. Zur schnellen Diagnosesicherung wurden die auffälligen Hautareale exzidiert und mineralisiert. Der gelöste Rückstand wurde durch flammenlose Atomabsorptionsspektrometrie auf Metalle untersucht. Eisen, Kupfer und Zink waren unauffällig, Aluminium in den untersuchten Hautpartien doppelt so hoch wie in den Vergleichsproben. Nach Konfrontation mit diesem Ergebnis sagte ein Mithäftling aus, daß von dem Geschädigten ein sog. "Ufo", bestehend aus 2 Aluminiumgabeln und dem Kabel eines Kassettenrecorders, zur Warmwasserbereitung gebastelt und bereits auch wiederholt benutzt wurde. Nach dem tödlichen Unfall war von den Mithäftlingen das "Ufo" versteckt und das Geschehen verschwiegen worden. Nur die Kombination einer sorgfältigen äußeren Untersuchung, die Stellung einer Verdachtsdiagnose und der zielgerichtete Einsatz eines hochspezifischen Untersuchungsverfahrens führte zur Aufklärung des Todesfalles.
Bericht über eine 19 jährige Frau im 9. Schwangerschaftsmonat, die in einer von innen verschlossener Wohnung tot vorgefunden wurde. Der Notarzt führte mit Rücksicht auf die Frucht eine Reanimation durch, jedoch ohne Erfolg. Aus den Luftwegen konnte er Mageninhalt absaugen. Es wurde der Verdacht auf eine akute Intoxikation in suizidaler Absicht erklärt. Bei der Obduktion fand sich eine reife männliche Frucht, trübes dunkelgrünes Fruchtwasser und eine unauffällige Plazenta im Schwangerschaftsuterus. Ganz auffallend war eine Hepatomegalie mit fokalen Blutungen und Nekrosen, Blutungen in der Pleura, Pneumorrhagien und Schocknieren. Zu den wichtigsten histologischen Befunden gehörten zahlreiche synzytiale Knoten und Chorangiomatose in der Plazenta, allgemeine Kapillarthrombosen im Rahmen einer DIC, fokale, überwiegend azinozentrale ischämische Lebemekrosen mit leukocytärer Reaktion und Leberblutungen, aber auch chronische Leberveränderungen, Nierenveränderungen typisch für Eklampsie und ein hämolytischurämisches Syndrom sowie letztlich eine fokale purulente Aspiartionspneumonie. Die Befunde sprachen eindeutig für eine Eklampsie bzw. ein HELLP Syndrom. Anhand dieses Falles wird die Pathogenese der Eklampsie und die Nephropathie bei Spätgestose kurz diskutiert. Nach den Ermittlungen konnten weitere Tatsachen festgestellt werden: Bei der Verstorbenen wurden in der Schwangerschaftsberatungsstelle Symptome einer EPH-Gestose festgestellt und sie wurde zur Aufnahme in die Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe eingewiesen. Sie erschien weder in der Beratungsstelle noch in der Klinik.
P-82
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FÜHRT DIE KATALYSATORTECHNIK ZU EINER ABNAHME DER SUICIDE INFOLGE EINLEITUNG VON AUSPUFFABGASEN IN PKW?
PLÖTZLICHER TOD BEI MILZARTERIENANEURYSMA
)
T. Riepert, R. Iffland, A. Schultes, H. Käferstein Institut für Rechtsmedizin der Universität zu Köln, Melatengürtel 60-62, 50823 Köln-Ehrenfeld Katalysatoren, die zunehmend in PKW eingesetzt werden, verringern den Ausstoß von Schadstoffen, insbesondere Kohlenmonoxid, erheblich. Von daher erscheint es denkbar, dass nach Einleitung von Auspuffabgasen in die Fahrzeugkabine eine tödliche Intoxikation nicht mehr auftreten kann oder zumindest der Eintritt der Bewußtlosigkeit und des Todes deutlich verzögert wird. Vor diesem Hintergrund wurden annähernd 100 Suicide in PKW aus den Jahren 1980 bis 1999 aus dem Einzugsbereich des Instituts für Rechtsmedizin Köln analysiert. Hierbei war eine statistisch signifikante Abnahme dieser Suicidmethode und der hiermit in Zusammenhang stehenden CO-Intoxikationen erkennbar. Die möglichen Ursachen und die Konsequenzen für die rechtsmedizinische und toxikologische Tätigkeit werden vor dem Hintergrund der epidemiologischen Daten der letzten Jahre (Suicidraten, tödliche COIntoxikationen, Katalysatoranteil in PKW) diskutiert.
RUPTURIERTEM
S. Anders • J. Sperhake • E. Hildebrand • F. Schulz Institut für Rechtsmedizin der Universität Hamburg Rupturierte Aneurysmen der Arteria lienalis können selten die Quelle retro- oder intraperitonealer Blutungen sein. In solchen Fällen sollte versucht werden, die Atiologie des Aneurysmas zu klären, da sich hieraus mitunter Konsequenzen in forensischer oder versicherungsrechtlicher Hinsicht ergeben können. Ursächlich kommen kongenitale Gefäßanomalien, portale Hypertension, fokalinflammatorische Prozesse, septisch-mykotische Streuung, vorausgegangene oder bestehende Gravidität, Arteriosklerose sowie traumatisch bedingte Gefäßveränderungen in Frage. Anhand zweier eigener Fälle wird auf die Bedeutung von Milzarterienaneurysmen als Ursache des plötzlichen Todes sowie auf die forensisch-medizinische Relevanz posttraumatischer Aneurysmen hingewiesen. In einem Fall bestanden eine portale Hypertension infolge einer Leberzirrhose sowie eine anamnestische Multiparität. In einem zweiten Fall ließ sich die Ätiologie (idiopathisch versus posttraumatisch) nicht sicher klären.
Rechtsmedizin • Supplement 1 •2000
1 S2 1
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TROPONIN T - ZUR FRÜHDIAGNOSTIK DES HERZINFARKTES BEI VERSTORBENEN GEEIGNET?
MORPHOLOGISCHE VERANDERUNGEN DER QUERGESTREIFTEN MUSKULATUR BEI PLÖTZLICH VERSTORBENEN SÄUGLINGEN
Dr. U. Möbus', Prof. W. Jaroß 2 'Institut fair Rechtsmedizin 2 Institut fair Klinische Chemie und Laboratoriumsmedizin der Technischen Universität Dresden, Fetscherstr. 74, D -01307 Dresden Die Herzinfarktdiagnostik beim Lebenden stützt sich neben dem „lnfarktschmerz„ und den typischen EKG-Veränderungen auf den Anstieg von herzmuskelspezifischen Enzymen. Zur Anwendung kommt u.a. Troponin, ein in den dünnen Filamenten des Muskels enthaltendes Protein. Möglicherweise gelingt auch im Sektionsalltag durch den Einsatz dieses Troponins (auch als qualitativer Schnelltest vorhanden) eine Verbesserung in der Frühdiagnostik des Herzinfarktes. Die Ergebnisse von Stabilitätsuntersuchungen (u.a. Lagerung im Kühl bei 4- 6 ° C fürmehrere Tage) von Troponin Tin Serum und Voll-schrank blut werden aufgezeigt und diskutiert.
B. Giebe , A. Klein , B. Prudlow Institut für Rechtsmedizin der FSU Jena Fürstengraben 23 , 07743 Jena In 15 Fällen plötzlich verstorbener Säuglinge der Jahre 1998,1999 und 2000 wurden histologische Untersuchungen an der quergestreiften Mus durchgeführt. Zur Untersuchung kamen Präparate der Zwerchfell--kulatr und der Lendenmuskulatur sowie des Herzens. Als histologische Färbetechniken wurden die HE-, HS- und Fuchsinfärbung angewendet, weiterhin die immunhistochemische Darstellung des C5b-9-KomplementKomplexes. In allen Fällen wurden morphologische Veränderungen nachgewiesen, die anhand zahlreicher Fotografien dargestellt werden. Die morphologischen Veränderungen waren qualitativ und quantitativ nicht einheitlich, wiesen aber insgesamt auf frühe Muskelschädigungen hin. Erscheinungsbilder der Morphologie und ihre Beziehung zu anderen organpathologischen Veränderungen und mikrobiologischen Befunden werden in tabellarischer Form aufgezeigt. Als Ursachen sind hypoxische, hyperpyretische oder direkte infekttoxische Noxen zu diskutieren. Es stellt sich die Frage, ob es sich bei den Schädigungen um das morphologische Substrat der bei vielen akuten und fieberhaften Infektionen bekannten Muskel- und Gliederschmerzen handelt. Weiterhin ist zu diskutieren, ob bei starker Schädigung der Atemhilfsmuskulatur dieser eine direkte mitbestimmende Rolle beim Todeszeitpunkt zukommt. Begleitende Untersuchungen an Vergleichsfällen werden vorgestellt und in die Diskussion einbezogen.
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PLÖTZLICHER TOD EINES KLEINKINDES BEI UNERKANNTEM MORBUS HODGKIN
UNERWARTETER SÄUGLINGSTOD: WACHSTUMSPROFILE ZWISCHEN GEBURT UND TOD
H. Wittig, U. Schmidts , K. Hauptmanne, D. Krause' 1) Institut fair Rechtsmedizin, 2) Institut für Pathologie, Abt. Pädopathologie der Otto-von-Guericke- Universität Magdeburg, Leipziger Str. 44, 39120 Magdeburg
T. Rohner, G. Molz, W. Bär Institut Rechtsmedizin Universität Zürich-Irchel , CH-8057 Zürich
Ein 14 Monate alt gewordenes Mädchen wurde von seiner Mutter leblos im Bett in Bauchlage aufgefunden. Neben dem Kind fand sich Erbrochenes. Anamnestisch sei das Kind gesund gewesen, habe jedoch in letzter Zeit häufiger erbrochen und hätte auch mehrfach Fieber unklarer Genese gehabt. Bei der gerichtlichen Sektion konnten eine äußere Gewalteinwirkung sowie eine anfangs vermutete Aspiration von Mageninhalt ausgeschlossen werden. Dagegen fanden sich unerwarteterweise eine massive Lymphadenopathie nahezu aller zervikalen, mediastinalen, mesenterialen und intestinalen Lymphknoten. Die histologische Aufarbeitung zeigte in den Lymphknoten eine Infiltration mit großen, blastenartigen Zellen mit großem Nukleolus (Hodgkin-Zellen). Lichtmikroskopisch waren die für eine Diagnose des M. Hodgkin notwendigen Sternberg-Reed-Zellen nicht sicher erkennbar, jedoch gelang dies durch den Nachweis von CD15 und CD30 positiven Zellen, die, differenzialdiagnostisch zum nodulären Paragranulom, EMA- negativ waren. Zur genaueren Klassifizierung des Lymphoms wurde Material an das Lymphknotenregister bei der Deutschen Gesellschaft für Pathologie in Kiel übersandt. Als Ursache des plötzlichen Todeseintrittes fand sich letztlich eine interstitielle lympho-monozytäre Pneumonic, wobei auch in der Lunge Lymphom-Infiltrate nachweisbar waren.
S22 1 Rechtsmedizin • Supplement 1 •2000
Nach jüngsten statistischen Angaben aus Grossbritannien fallen dort noch immer wöchentlich 7 Säuglinge dem unerwarteten Säuglingstod (UST) zum Opfer. Um diesen Sterbefällen beizukommen, wurde vorgeschlagen die postnatale Entwicklung stärker zu erforschen. Da wir seit Jahren beim UST Daten über die Entwicklung der Kinder zwischen Geburt und Tod ermitteln, können wir über Wachstumsprofile berichten. Bei 368 unerwartet gestorbenen und obduzierten Säuglingen, deren Tod nicht erklärt (28%), nicht hinreichend (51%) oder hinreichend (21%) erklärt werden konnte, wurden folgende Daten ermittelt: Reifegrad, erreichtes Lebensalter, korrigiert auf das Gestationsalter, Gewicht, Länge und Kopfumfang bei Geburt und Obduktion, Umfang von Brust und linkem Oberarm bei Obduktion, Nikotinexposition und Brusternährung. Das Intervall zwischen Todeszeit und Obduktion war durchschnittlich 18.2 Std (0.5-82 Std). Ausgewertet wurden die bei Geburt und Tod vorliegenden Körpermasse nach dem Z-ScoresSystem. Z-Scores sind nach Lethen "a means of answering the question how many standard deviations away from the mean is this observation" und sind nach Largo den bisher verwendeten Perzentilenwerten überlegen. Die Z-Scores-Werte von Gewicht, Länge und Kopfumfang zeigen bei Geburt Tendenzen zur Abnahme gegenüber den Mittelwerten der Zürcher Wachstumskurven (Largo). Nach den ZScores-Werten beim Tod verglichen mit ihrer Verteilung bei Geburt, zeigen folgende Parameter abnehmende Tendenz; Gewicht : Knaben im 7/8., Mädchen im 5/6 .und 9/12. Monat. Kopfumfang : Knaben im 2/3. und 6. Monat, Mädchen ab 7. Monat. Brustumfang : Knaben im 2/3. und 6. Monat, Mädchen im 2/3. Monat. Oberarmumfang : Im 2. und 3. Monat sowohl bei Knaben als auch bei Mädchen.
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IMMUNHISTOCHEMISCHE UNTERSUCHUNG ZUM AUF- RECHTSMEDIZINISCHE OBDUKTIONEN IM RAHMEN VON TRETEN DES ADHÄSIONSMOLEKÜLS ICAM-1 IN NASE UND ARZTRECHTSVERFAHREN IN GRAZ UND KÖLN IN DEN LUNGE BEIM PLÖTZLICHEN SÄUGLINGSTOD (SIDS) JAHREN 1990-99 W. Früchtnicht Institut für Rechtsmedizin, Universitätsklinikum der RWTH Aachen, Pauwelsstr. 30, 52057 Aachen
F. Glenewinkel, M. Darok, M. Staak, E.P. Leinzinger Institut für Rechtsmedizin der Universität zu Köln Institut für Gerichtsmedizin der Universität Graz
Analysiert wurden je ein zentraler und ein peripherer Abschnitt des linken Lungenunterlappens sowie die Nasenblockpräparate von bisher 20 im Aachener Institut für Rechtsmedizin obduzierten Säuglingen, bei denen die Diagnose "Plötzlicher unerwarteter Kindstod" ("SIDS") gestellt wurde. Von den archivierten Paraffinblöcken wurden Schnittpräparate angefertigt, die immunhistochemisch mit einem Antikörper gegen das u. a. bei Entzündungs- und Infektionsprozessen verstärkt expremierte Adhäsionsmolekül ICAM-1 (= Intercellular Adhesion Molecule = CD54) behandelt wurden. Die Quantifizierung des Reaktionsausfalls erfolgte bildanalytischmorphometrisch. In einem Fall konnte eine erhöhte Expression von ICAM-1 in der Lunge festgestellt werden, in einem anderen Fall in der Nasenschleimhaut. Eine Korrelation zwischen ICAM-I-Nachweis und entzündlichen zellulären Infiltraten in Lunge oder Nase konnte nicht nachgewiesen werden.
Ziel der vorliegenden Untersuchung war es, die rechtsmedizinischen Aspekte bei Ermittlungsverfahren gegen Ärzte wegen sog. Behandlungsfehler bei Todesfällen im Ländervergleich zu überprüfen. Zunächst wurden in den beteiligten Instituten Graz und Köln die gerichtlich angeordneten Obduktionen der Jahre 1990 - 1999 gesichtet und unter dem Aspekt eines im Raum stehenden Behandlungsfehlerverfahrens ausgewertet. Insgesamt kamen 769 Sektionsfälle, die unter einer derartigen Fragestellung durchgeführt wurden, zur weiteren Bearbeitung. Ein Ergebnis der Auswertung war, daß die Mehrzahl der von der Grazer Justiz angeordneten Obduktionen auf einer Anzeige der Ärzteschaft selbst -überwiegend durch Pathologen aber auch oft durch den letztbehandelnden Arzt- erfolgte. In Köln waren es häufiger Angehörige oder Ermittlungsbeamte, die den Anfangsverdacht auf eine Fehlbehandlung äußerten. Desweiteren zeigte sich, daß in Köln die nicht-operativen Fächer häufiger dem Vorwurf eines Behandlungsfehlers ausgesetzt waren, wohingegen dieses in Graz überwiegend nach der Durchführung von chirurgischen Maßnahmen erfolgte. Die Ursachen für das generelle Ansteigen der Obduktionszahlen wegen möglicher Behandlungsfehler dürften u.a. in einer zunehmenden Sensibilität von Patienten und Angehörigen liegen. Daneben zeigen sich aber auch länderspezifische Unterschiede. So verbinden in Deutschland offenbar viele Ärzte mit dem Ankreuzen eines "nicht -nat. Todes" auf der Todesbescheinigung eine Selbstbezichtigung oder gar ein Schuldanerkenntnis.
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BOLUSTOD BEI MULTIMORBIDER PATIENTIN 7— ÜBERRASCHENDE WENDUNG EINES OBDUKTIONSFALLES B. Hoppe, C. Henßge, L. Altbaus, J. Herbst, U. Preiß, C. Stein Institut für Rechtsmedizin — Universitätsklinikum Essen Hufelandstr. 55, 45122 Essen
Die anläßlich der 2. Leichenschau vor Feuerbestattung festgestellten Befunde einer mit Petechien durchsetzten symmetrischen Vertrocknungsfigur der Halshaut, Petechien der Augenlider, Augenlidbindehäute, der Mundvorhof und Wangenschleimschleimhaut führten über eine Meldung an die STA zur gerichtlichen Obduktion. Sie ergab eine schwere septisch-metastatische Aortenklappenendokarditis und den Nachweis eines 5x3x2 cm großen Gewebsstückes im Kehlkopfeingang das makroskopisch nach Konstistenz und faseriger Struktur fleischartig imponierte. Weitere Ermittlungen ergaben, daß die multimorbide 74-Jährige auf der Krankenstation eines Altenpflegeheims die letzten 4 Tage vor ihrem Tod rein parenteral ernährt und eine regelmäßige Mundpflege durch Auswischen mit Butter durchgeführt worden sei; eine orale Nahrungszufuhr wurde kategorisch verneint. Der Widerspruch zum makroskopischen Befund konnte durch die Ergebnisse serologischer (Ouchterlony) und histologischer Untersuchungen aufgelöst werden: Der „Bolus" erwies sich als körpereigenes Gewebe in Form zusammengepreßter Hornlamellen in fettreicher Grundsubstanz. Die Erklärung des ungewöhnlichen Befundes und seine Bedeutung für den Todeseintritt wird in Zusammenhang mit den anderen Befunden diskutiert.
VERBLUTUNG INFOLGE MANGELNDER SORGFALT BEI EINEM NEUROCHIRURGISCHEN EINGRIFF A. Läszik, M. Soös, M. Hubay, P. Sötonyi Im Oktober 1999 wurden bei einer 55 jährigen Frau, die mit unbestimmten Beschwerden in ein regionales Krankenhaus eingeliefert worden war, die Diagnosen Durchblutungsstörungen im Ilimstamm, Migräne sowie Bandscheibenvorfall gestellt. Zwecks weiterer Abklärung dieser Befunde und zur Behandlung wurde die Patientin in ein Krankenhaus, das über eine ncurochirurgische Abteilung verfügte, verlegt. Nach eingehender Untersuchung wurde hier u. a. der Befund einer hernia disci intervert. incare. L IV-V. I. d. erhoben. Die sich anschließende Operation verlief zunächst ohne nennenswerte Komplikationen. Zwei Stunden nach Beendigung der OP erlitt die Patientin einen epileptischen Anfall. Zur weiteren Beobachtung wurde sie auf die Wachstation verlegt, wo sie kurze Zeit später über linksseitige Bauchschmerzen klagte. Der herbeigerufene Arzt ordnete daraufhin ein CT des Thorax und der Bauchhöhle an. Beim Transport der Patientin stellten sich akute Schockzeichen ein. Zur Stabilisierung des Kreislaufs wurde erfolglos versucht, einen zentralen Venenzugang zu schaffen. Das CT ergab einen linksseitigen partiellen Pneumothorax und im Retroperitonealraum eine ausgedehnte Blutung, die sich von der Milzloge und dem linken Nierenlager bis zum kleinen Becken erstreckte. Bei der sofort durchgeführten Laparotomie fand sich eine große Ansammlung Blut in der freien Bauchhöhle und in dem Retroperitonealraum. Noch während des Versuches, die Blutungsquelle zu finden, brach plötzlich der Kreislauf zusammen. Trotz Thoraxdrainage und intensiver Wiederbelebungsmaßnahmen verstarb die Patientin auf dem Operationstisch. Die verblüffenden Obduktionsbefunde dieses einzigartigen Falles werden von den Autoren dargestellt.
Rechtsmedizin • Supplement 1 •2000
1 S23
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V-95 DICLOFENAC INTRAMUSKULÄR — EINE OBSOLETE THERAPIEMASSNAHME? A. Schuff, H. Graß
Institut für Rechtsmedizin der Universität zu Köln Melatengürtel 60-62, 50823 Köln
Diclofenac ist in Deutschland eines der am häufigsten intramuskulär (i.m.) verabreichten Medikamente. Die Indikation reicht von entzündlich rheumatischen Gelenkbeschwerden bis hin zur Therapie postoperativer Schwellungen, wie z.B. nach Hämorrhoiden- Operation. Neben Injektionslösungen stehen Zubereitungen in Tablettenform und Suppositorien zur Verfügung. Im Zusammenhang mit der im. Verabreichung wird immer wieder über Komplikationen bis hin zu letalen Verläufen berichtet. Im folgenden wird ein solch tödlich verlaufener Fall vorgestellt: Eine 26-jährige, fettleibige Frau erhält wegen Nackenschmerzen Diclofenac i.m. in den rechten Oberarm. Zwei Tage nach der Injektion wird im Rahmen einer stationären Aufnahme neben Fieber eine Phlegmone im Bereich der Einstichstelle diagnostiziert. Trotz intensiver medizinischer Maßnahmen, incl. Antibiose und chirurgischer Interventionen entwickelt die Patientin ein septisches Schockgeschehen und verstirbt weitere 11 Tage später unter dem Bild eines Multiorganversagens. Obwohl eine übliche Hautdesinfektion erfolgt war, konnte als Ursprungsherd der Sepsis eine nekrotisierende Fasciitis der Oberarmmuskulatur rechts bei mirkobilogisch gesicherter Infektion mit ß-hämolysierenden Streptokokken der Gruppe A nachgewiesen werden. Pharmakokinetischen Untersuchungen zufolge soll die rektale Verabreichung von Diclofenac in Form von Suppositorien sowohl den gleich
schnellen Wirkungseintritt als auch einen vergleichbaren Wirkspiegel aufweisen. Gehört somit die i.m. Applikation von Diclofenac der Vergangenheit an ?
KARTIERUNG FORENSISCHER MIKROSATELLITEN -MARKER DES X- CHROMOSOMS S. Hering', J. Edelmanne , I. Plate 3 , M. Michael", E. Kuhlisch 5 , R Szibor 3
'Institut für Rechtsmedizin Dresden, Fetscherstr. 74, 01307 Dresden für Rechtsmedizin Leipzig 3 Institut für Rechtsmedizin Magdeburg 4lnstitut für Rechtsmedizin Jena 5 lnstitut für Medizinische Informatik und Biometrig Dresden 2 Institut
Ungekoppelte Marker können für alle Abstammungsfragen kombiniert angewendet werden, für gekoppelte Marker sind Einschränkungen zu beachten. Zur Klärung einer Elter- Kind-Verwandtschaft sind auch gekoppelte Marker geeignet, wenn keine Anzeichen für ein ausgeprägtes Kopplungsungleichgewicht vorliegen. In Defizienzfällen sind gekoppelte Marker aufgrund gemeinsamer Segregation zu meiden, es sei denn, man kann die Merkmale eng gekoppelter Loci zuverlässig zu stabilen Haplotypen vereinigen. Somit erfordert die kombinierte Anwendung mehrerer Marker eines Chromosoms eine genaue Kartierung. Für gekoppelte Marker ist die Existenz von Kopplungsungleichgewichten zu überprüfen. Die physische Kartierung der ChrX-Marker DXS101, DXS6789, DXS6800, DXS6807, DXS6814, DXS7132, DXS7I33, DXS7324, DXS8377, DXS8378, DXS9895, DXS9898 und DXS9902 erfolgte durch die Technik des Radiation-Hybrid-(R1-l) Mapping sowie durch die Nutzung internationaler Gendatenbänke. Ausgehend von den physischen Kartierungsdaten lässt sich die genetische Kartierung ableiten. Diese wurde durch ChrX-STR- Analysen (unter Einbeziehung von ARA, HPRTB) an Müttern und deren Söhnen (n ? 2) überprüft. Zur Erkennung von Kopplungsungleichgewichten wurden die genannten STRs von 210 männlichen Probanden mit dem x2 - Anpassungstest geprüft. Als Ergebnis der Untersuchungen wird ein Idiogramm des humanen ChrX mit der Lokalisation der genannten Marker präsentiert und durch Angaben zum Kopplungsungleichgewicht ergänzt.
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EIN OP -TUCH ALS ZUFALLSBEFUND 25 JAHRE POST OPERATIONEM
X-CHROMOSOMALE MARKER IM ABSTAMMUNGSTEST: PRINZIPIEN DER ANWENDUNG UND KASUISTIKEN
R. Gattemig*, M. Darok*, S. Mannweiler** Institute für Gerichtliche Medizin* und Pathologie ** der Karl-FranzensUniversität Graz
R. Szibor', I. Plate', J. Edelmanne , S. Hering 3 , M. Michael 4
Bei der Leichenöffnung eines 78 Jahre alt gewordenen Mannes war im Bereich des Querdarmes eine ausgedehnte Geschwulstbildung festzustellen. Nach Eröffnen der abgekapselten Höhlenbildung zeigte sich ein kleiner Markierungsring wie von einem OP -Tuch, nur bei genauester Betrachtung waren Gewebestrukturen zu erkennen. Eine Verbindung zu den Darmschlingen bestand nicht, das gesamte Gebiet war vollkommen reizlos. Weder eine Blutung noch Zeichen einer Entzündung waren zu sehen. Ein Zusammenhang zwischen dem OP -Tuch und dem Todeseintritt bestand nicht. Die histologische Untersuchung des Fremdkörpers zeigte doppelt lichtbrechendes Fremdmaterial, das zentral zum Teil nekrotisch und zum Teil hyalinisiert, von Verkalkungsarealen durchsetzt und von einer bindegewebigen Pseudokapsel begrenzt war. Das OP -Tuch war bei einer CT- Untersuchung im März 1999 beiläufig entdeckt worden, der Patient wurde darüber aufgeklärt und entschloß sich zu einem konservativen Vorgehen. Aus der Eigenanamnese und der Krankengeschichte ging eindeutig hervor, daß das OP -Tuch im Rahmen einer Cholecystektomie im Jahre 1975 eingebracht und seitdem stumm und auch vom Patienten selbst unbemerkt in der Bauchhöhle verblieben war. Da derart große Fremdkörper in der Regel zu Beschwerden und ggf. ernsthaften Komplikationen führen, stellt der Fall eines über 25 Jahre unbemerkten, klinisch stummen OP -Tuchs eine Besonderheit dar.
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'Institut für Rechtsmedizin Magdeburg, Leipziger Str. 44, 2
39120 Magdeburg
Institut für Rechtsmedizin Leipzig 3 Institut für Rechtsmedizin Dresden a Institut für Rechtsmedizin Jena Marker des X- Chromosoms (ChrX) können im Vaterschaftstest nur angewandt werden, wenn das strittige Kind weiblich ist. Dieser
Nachteil wird dadurch kompensiert, dass sich nach DESMAREIS für CbrX-Marker gegenüber autosomalen Markern höhere AVACH -Werte errechnen lassen. Auch für die Überprüfung einer angenommenen Mutter-Sohn- Verwandtschaft (z. B. zur molekularen post-mortemIdentifikation) sind ChrX-Marker besonders aussagekräftig. Für die genannten Fragestellungen dürfen gekoppelte ChrX-Marker eingesetzt werden, wenn zwischen ihnen kein Kopplungsungleichgewicht besteht. In Defizienzkonstellationen lässt sich das ChrX-Marker- Profil eines „missing link" im Stammbaum häufig besser rekonstruieren als fair autosomale Merkmale. Die Analyse von ChrX- Marker ist deshalb für die Lösung von Defizienzabstammungsgutachten besonders effizient, gelegentlich sogar unverzichtbar. Eine genaue Kenntnis der Kartierungsdaten aller angewandten Marker ist hier erforderlich. Das Risiko für Fehlbestimmungen auf Grund von zytogenischen Verteilungsstörungen ist fair das ChrX höher als bei Autosomen, jedoch durch erhöhte Aufmerksamkeit vollständig zu beherrschen. Das besondere Potenzial der ChrX- Mikrosatelliten -Marker zur Lösung von Defizienz- Abstammungsuntersuchungen wird durch Fallbeispiele belegt.
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SEQUENZ- UND UND POPULATIONSDATEN VON 15 MIKROSATELLITEN-MARKERN DES X-CHROMOSOMS J. Edelm ann ', S. Hering e , I. Plate 3 , M. Michael a , R. Szibor 3
'Institut für Rechtsmedizin Leipzig, Johannisallee 28, 04103 Leipzig 2 Institut für Rechtsmedizin Dresden 'Institut für Rechtsmedizin Magdeburg 4
Institut für Rechtsmedizin Jena
Obwohl Marker des X- Chromosoms (ChrX) bei speziellen forensischen Fragestellungen, wie z.B. dem Defizienzabstammungsgutachten, einen besonderen Informationswert besitzen, sind bisher nur wenige ChrXSTRs forensisch evaluiert worden. Eine systematische Sichtung internationaler Gendatenbanken offenbarte, neben den bereits etablierten Markern ARA und HPRTB, die Existenz einer Vielzahl von potenziell nutz -barenTt und Trinucleotid-STRs. Sequenz - und Populationsdaten von 15 ChrX-Mikrosatelliten aus dem ostdeutschen Raum (Sachsen, Sachsen- Anhalt und Thüringen) werden vorgestellt: ARA, HPRTB, DXS101, DXS6789, DXS6800, DXS6807,
DXS6814, DXS7132, DXS7133, DXS7324, DXS8377, DXS8378, DXS9895, DXS9898, DXS9902. Alle genannten Marker sind der Analyse bei Anwendung unkomplizierter Protokolle zugänglich und erfüllen uneingeschränkt die Anforderderungen, die an forensische Marker gestellt werden: Sie zeigen einen regulären (X-chromosomal-codominanten) Erbgang, keine Abweichungen von der Hardy-Weinberg- Verteilung sowie eine geringe Mutationsneigung. Bedingt durch die X-chromosomale Vererbung errechnen sich nach DESMAREIS et al. vergleichsweise hohe AVACH -Werte. Die Marker DXS101 und DXS7388 erreichen bzw. übertreffen sogar den AVACHWert des STRs ACTBP2, der bisher als STR-Marker mit dem höchsten Informationswert gilt. Für die Spurenkunde erscheinen ChrX-STRs nur bedingt geeignet.
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NACHWEIS MITOCHONDRIALER HETEROPLASMIEN DURCH FRAGMENTLÄNGEN-ANALYSE DES HOMOPOLYMEREN C-TRAKTES DER HV II M. Michael ', E. Kirches Z , K. Dietzmann z
' Institut für Rechtsmedizin der Friedrich-Schiller- Universität Jena, Fürstengraben 23, 07743 Jena Z Institut für Neuropathologie der Otto-von-Guericke- Universität Magdeburg, Leipziger Str. 44, 39120 Magdeburg
Bei Sequenzierung der mt Kontrollregion bleibt häufig unklar, ob in den beiden homopolymeren Desoxycytosin- Abschnitten eine Längenheteroplasmie vorliegt. Zusätzlich gestaltet sich die Interpretation des heteroplasmischen Zustandes auf Grund der Signalüberlagerung mitunter schwierig. Durch Fragmentlängenanalyse eines diesen Bereich inkludierenden Dye- markierten PCR- Produktes der hypervariablen Region II konnte sehr sensitiv zwischen Sequenzierungsartefakten und tatsächlich vorhandener Heteroplasmie unterschieden werden. In einigen untersuchten Fällen war sogar noch eine bei der Sequenzierung nicht mehr erkennbare Heteroplasmie nachweisbar. Aufgrund der Polymorphie des untersuchten Bereiches war es darüber hinaus möglich, das Vorhandensein von DNA-Mischspuren aufzuzeigen. Die Nachweisgrenze zur Unterscheidung von Fragmenten mit einem Längenunterschied von 1 bp liegt bei etwa 10 Prozent Anteil der Minoritätskomponente. Damit ist die Methode empfindlicher als eine Sequenzierung.
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NACHWEIS VON DYS390 ZUR QUANTITATIVEN ANALYSE NACH STAMMZELLTRANSPLANTATION ODER IN INHIBITOR-EXPERIMENTEN N. von Wurmb , U. Hammer, D. Meissner, R. Wegener
Institut für Rechtsmedizin der Universität Rostock
Der Y- spezifische Genort DYS390 ist mono -lokal und eignet sich aus diesem Grund hervorragend für quantitative Analysen, besonders in der Chimärismusanalyse bei getrennt - geschlechtlichen Spender/Empfängerpaaren. Es gibt lediglich ein Signal, was eine genauere Quantifizierung ermöglicht als es quantitative Analysen mit Multiplex- Systemen vermögen. Dabei ist das Signal einer einzelnen Person zuzuordnen, man erkennt entweder den Rückgang oder die Entstehung eines spezifischen Produktes, abhängig von der Spender/Empfänger Konstellation. Es sind keine weiteren Fragmente vorhanden, deren Amplifikation in Konkurrenz zu dem Signal von Interesse steht, was zu Störungen in der quantitativen Analyse führen würde. Wir haben DYS390 amplifiziert und die Fam- markierten Produkte in einer automatischen Fragmentanalyse mit dem AbiPrism310 durch Bestimmung der Fläche unter der Kurve quantifiziert. Nach Optimierung der PCR und Vermeidung der Plateauphase, in der keine exponentielle Vermehrung der PCR- Produkte mehr stattfindet, gelang eine zuverlässige Quantifizierung in 5-10 % Schritten. Damit stellt diese Methode eine kostengünstige Alternative zur quantitativen Analyse von gemischten Chimärismen nach Stammzelltransplantationen bei getrennt-geschlechtlichen Paaren dar und eignet sich zusätzlich für Inhibitor- Experimente, bei denen die PCR- Effizienz in Abhängigkeit von bestimmten Inhibitoren überprüft werden kann.
ZUR STRUKTUR UND EMBRYOLOGIE DER HAARE — EIN LITERATURÜBERBLICK UNTER DEM GESICHTSPUNKT DER ENTSTEHUNG VON HETEROPLASMIE MITOCHONDRIALER DNA H. Pfeiffer , C. Ortmann , B. Brinkmann
Institut für Rechtsmedizin Münster
In der einschlägigen Literatur wird zunehmend über intra individuelle mtDNA- Sequenzunterschiede insbesondere an Haaren berichtet. Um die Ursache dieses Phänomens zu ergründen wurden molekulargenetische Mechanismen der Haarentwicklung unter besonderer Berücksichtigung in den Haarwurzeln ablaufender Apoptosevorgänge zusammengetragen. Die Reduktion der mitochondrialen Aktivität bei degenerativen Erkrankungen oder beim Alterungsprozeß wird auf eine Schädigung mitochondrialer Makromoleküle durch endogene Enzyme zurückgeführt. MtDNA- Heteroplasmie wurde vermehrt in mitotisch inaktiven Geweben, wie z.B. im Hirn, gefunden. Möglicherweise spielt die zyklisch ablaufende Apoptose in den Haarwurzeln, die u.a. zur Degradierung der Zellkern -DNA führt, eine wesentliche Rolle bei der Entstehung von mtDNA-Heteroplasmie in
Haaren.
Der Literaturüberblick soll die Diskussionsgrundlage über den Entstehungsmechanismus des mtDNA Heteroplasmie- Phänomens in
Haaren bilden.
Rechtsmedizin • Supplement 1 .2000
1 S25
V-103
V-1 01 UNTERSCHIEDLICHE AKKUMULATION DER 4977 BP DELETION DER MITOCHONDRIALEN DNA IN GEHIRN, HERZ- UND SKELETTMUSKULATUR C. Meißner , S.A. Mohamed, H.Warnk, A. Gehlsen-Lorenzen, M.
Oehmichen
Institut für Rechtsmedizin, Universitätsklinikum Lübeck, Kahlhorststraße 31-35, 23562 Lübeck Das Altem von Geweben geht mit einer allgemeinen Abnahme der mitochondrialen Energiebereitstellung einher. Diese Abnahme kann u. a. als Folge von Punktmutationen, Duplikationen oder Deletionen der mitochondrialen DNA (mtDNA) angesehen werden. Insbesondere die 4977 bp Deletion der mtDNA wurde in einer Vielzahl von verschiedenen Geweben untersucht und eine regional unterschiedliche Akkumulation nachgewiesen. Umfangreiche vergleichende Untersuchungen der verschiedenen Gewebe derselben Personen unter Einbeziehung der morphologischen Befunde wurden bisher nicht durchgeführt. Von 10 Personen mit unterschiedlichem Lebensalter wurden von 5 topografischen Regionen des Gehirns, 3 Regionen des Herzens und dem M. iliopsoas die morphologischen Befunde erhoben und von jedem Abschnitt die DNA extrahiert. Der Anteil der 4977 bp Deletion der mtDNA wurde mit der GeneScan Analysis Software des ABI Prism Genetic Analyser durch Berechnung des Flächenintegrals unter der Kurve eines deletionsspezifischen PCR-Fragments bestimmt. Die 4977 bp Deletion der mtDNA nimmt in allen Geweben mit steigendem Lebensalter zu, was als Folge der endogenen oxidativen Phosphorylierung interpretiert werden kann. Bei derselben Person akkumuliert die Deletion am stärksten in den zentralen Kerngebieten des ZNS, gefolgt von Skelettmuskulatur, Herzmuskulatur und Kleinhirn. Diese Unterschiede sind als Folge regionaler physiologischer und pathophysiologischer Gegebenheiten anzusehen.
DAKTYLOSKOPISCHE SPUREN ALS AUSGANGSMATERIAL FÜR STRTYPISIERUNGEN Schulz , W. Reichert, R. Mattemn Institut für Rechtsmedizin und Verkehrsmedizin der Universität Heidelberg, Voßstraße 2, 69115 Heidelberg M. M.
Die Auswertung daktyloskopischer Spuren ist seit Jahrzehnten eine der wichtigsten Methoden in der Kriminaltechnik. Leider sind viele der gefundenen Daktylogramme nicht verwertbar, da die Wirbel-, Schlingen-, oder Bogenmuster verwischt und somit nicht auswertbar sind. Ziel dieser Studie war es, daktyloskopische Spuren auf ihre Verwertbarkeit als DNA-Quelle zu untersuchen. Dazu wurden verschiedene DNA-Isolierungen und Probenahmetechniken vergleichend untersucht. Mit den hieraus gewonnenen Erkenntnissen wurden zwei authentische Fälle bearbeitet. Die Ergebnisse zeigen, daß daktyloskopische Spuren eine potentielle Quelle für genomische DNA darstellen und somit als Ausgangsmaterial für STR-Typisierungen genutzt werden können.
V-104
V-102 SEQUENZANALYSE MITOCHONDRIALER DNA AN EINZELSPERMATOZOEN F. Heidom , R. Henkel, G. Weiler
Institut für Rechtsmedizin und Zentrum für Dermatologie und Andrologie der Justus-Liebig-Universität Gießen, Frankfurter Str. 58, 35392 Gießen Steht für eine Individualtypisierung aus Spermatozoen zu wenig nukleäre DNA zur Verfügung, kann eine Typisierung noch mit mitochondrialer DNA gelingen. Die Untersuchungen dienten dem Ziel, quantitative Aussagen über die erforderliche Anzahl von Spermatozoen für eine erfolgreiche Typisierung auf DNA-Ebene zu erhalten. Im experimentellen Ansatz wurden Proben mit einer definierten Anzahl von Spermatozoen durch ein „single sperm picking„ mittels Mikromanipulation angefertigt. Die sichere Typisierung in nukleären STRPolymorphismen bei Erfassung des diploiden Allelmusters erforderte mindestens 15-20 Spermatozoen. Von der mtDNA, die in ca. 10-15 Mitochondrien im Halsstück eines Spermatozoons lokalisiert ist, konnte die Sequenz der HVI- und HV2-Region bereits an einem intakten Spermatozoon dargestellt werden (Big-Dye Terminator Cycle-Sequencing Kit, ABI Prism 310 Kapillarelektrophorese). Die zugrundeliegenden methodischen Verfahren und forensischen Aspekte werden aufgezeigt.
S26 1 Rechtsmedizin • Supplement 1 •2000
FORMALINFIXIERUNG UND EINFLUß DER VERSCHIEDENER FÄRBUNGEN HISTOLOGISCHER SCHNITTPRÄPARATE AUF DIE SEQUENZIERUNG DER KONTROLLREGION DER MITOCHONDRIALEN DNA A. Baasner , S. Banaschak, C. Schäfer, B. Madea
Institut für Rechtsmedizin Bonn, Stiftsplatz 12, 53111 Bonn Zur systematischen Untersuchung möglicher Einflüsse der Formalinfixierung und verschiedener histologischer Färbungen wurden Proben 6 verschiedener Gewebe (Gehirn, Herz, Lunge, Leber, Milz, Niere) von 5 Personen in 8%igem Formalin fixiert (24 h, 72 h, 1 Woche, 1 Monat). Die Einbettung in Paraffin sowie die Färbungen bzw. histochemischen Verfahren (HE, EvG, Azan, Masson-Goldner, PTHA, Berliner-Blau, PAS, Ladewig, Gomori) erfolgten nach den üblichen Methoden im Routinelabor. Die DNA wurde extrahiert (Phenol-Chloroform bzw. Gen-ial first DNA-kit) und die Kontrollregion der mtDNA sequenziert. Als Vergleichsmaterial dienten Schleimhautabstriche und natives Lebergewebe. Zusätzlich wurden die beiden STR-Systeme VWA und FGA amplifiziert. Bei den Proben einer Person traten, je länger die Formalinfixierung gedauert hatte, in einigen Geweben an drei Positionen in HV 1 Abweichungen von der Sequenz des Vergleichsmaterials auf. Die übrigen Proben waren problemlos zu sequenzieren und wiesen keine Abweichungen auf. Die mtDNA-Sequenzierung der HE, Azan, PAS und Berliner Blau gefärbten Schnitte war problemlos möglich, keine verwertbaren Ergebnisse gelangen bei den Färbungen PTHA und Gomori. Bei den Färbungen Masson-Goldner, Ladewig und EvG zeigten sich bei 4 Personen Abweichungen von der Sequenz des Vergleichsmaterials. Mögliche Ursachen für die beschriebenen Abweichungen und die erfolglose mtDNA-Sequenzierung aus fixiertem Gewebe und Schnittpräparaten werden diskutiert.
V-105 BLUTSPRITZER ODER FLIEGENREGURGITATE/-KOT? M. Benecke', S. Reibe', Larry Barksdale 2 , Jon Sundermeier2 , Brett C. Ratcliffe 3 (1) Universität zu Köln, Bienenhaus Kerpener Str. 15, 50923 Köln,
[email protected], (2) Lincoln Police Department, Nebraska, USA, (3) University of Nebraska, Entomology Department, Lincoln, Nebraska, USA Von Fliegen verursachte Ausscheidungen (Regurgitat und Kot) können Blutspritzem nicht nur in Form und Farbe ähneln, sondern auch menschliches Blut enthalten. Wenn die scheinbaren Blutspritzermuster aus Tropfen, die durch scheinbar hohe Beschleunigung (z.B. starker Hieb, arterielle Blutung, high velocity spatter) geformt wurden, bestehen, kann es zu Unsicherheiten bezüglich des Tatherganges kommen: falsche Spritzwinkelberechnungen, falsche Positionierung des Opfers/der Blutungsquelle im Raum. Angeregt durch scheinbare Blutspritzer, die am Tatort eines Dop im Sommer 1997 beobachtet wurden, unter--pelmordsinNbak(USA) suchten wir im Labor Fliegenausscheidungen (n=304), um Kriterien für die Abgrenzung zu echten Blutspritzem zu ermitteln. Im realen Fall (zwei getötete Personen, beide fäulnisgeschwärzt, in verschiedenen Räumen im dritten Stock einer städtischen Wohnung; multiple Kopf- und Brusteinschußstellen; Madengröße ließ bei Tagestemperaturen um 30°C auf eine Liegezeit von ca. 90 Stunden schließen; erwachsene Fliegen anwesend) gab es keine Spuren eines Kampfes, wie sie aus den Blutspritzern an der Decke hätten abgeleitet werden müssen. Alle scheinbaren Blutspritzer waren im Schnelltest positiv für menschliches Blut. Für Fliegenausscheidungsmuster, die aus z20 Tropfen bestanden, ermittelten wir im Labor mathematisch abgesichert qualitative und quantitative Unterscheidungskriterien, die sich auf Orientierung der Spritzerzüge abhängig vom Lichteinfall, Durchmesser der Tropfen, Satellitenspritzer und das Verhältnis von Kopf zu Ausziehung der Spritzer bezogen. Ergebnis: Im aktuellen Fall hatte kein Kampf stattgefunden, sondern Fliegen hatten sich von auslaufendem Blut genährt, dieses verschleppt und an anderer, bevorzugter Aufenthaltsstelle nahe der Zimmerdecke als Regurgitat und Kot musterförmig wieder ausgeschieden.
V-107 ABHÄNGIGKEIT DER STR-MUTATIONSRATE VON VERSCHIEDENEN PARAMETERN C. Hohoff, M. Schürenkamp, B. Brinkmann Institut für Rechtsmedizin, Münster Mutationen in STR- Systemen haben Relevanz sowohl für die rechtsmedizinische Praxis (Abstammungsbegutachtung, multiple Allele in Spuren) als auch für die humane Evolutionsbiologie. In dieser Studie wurden mehr als 60 000 Meiosen in Hinblick auf potentielle STR-Mutationen untersucht. Als Kriterien für die Bewertung 'Mutation' galten: isolierter Mismatch, Inklusion in die Biostatistik, Nachtypisierung mit weiteren STR-Systemen bis W ? 99,97 % sowie die finale Verifizierung mittels DNA-Sequenzierung. Die gefundenen mehr als 100 Mutationen ließen eine Abhängigkeit vom Geschlecht, vom Lebensalter, vom STR-Typ sowie von der Allellänge erkennen. Patemale Mutationen waren etwa um den Faktor 5 häufiger als matemale und wiesen einen deutlichen Anstieg mit zunehmendem Lebensalter auf, während die matemale Mutationsrate keine ausgeprägte Altersabhängigkeit zeigte. Zwei-Schritt Mutationen waren mehr als 20-fach seltener als Ein-Schritt Mutationen. Die System- spezifische Mutationsrate reichte von 0% (THO1 mit 95% CI 0 - 0.006 %) bis zu 0,78% (ACTBP2 mit 95% CI 0,54 - 1,12%), wobei eine positive Korrelation zu der Länge ununterbrochener Wiederholungseinheiten beobachtet werden konnte. Die Locus-spezifische Mutationsgeschwindigkeit ist nicht für alle Allele gleich, sondern variiert stark, wobei längere Allele offenbar schneller evolvieren. Evolutionsbiologisch spannend ist die Frage, ob es zu einer Expansion oder Kontraktion von Mikrosatelliten-DNA kommt; die hier untersuchten rechtsmedizinischen STR-Loci scheinen tatsächlich zu expandieren.
V-1 06
V-108
MTDNA LÄNGENHETEROPLASMIE BEI EINEIIGEN DRILLINGEN — FALLBERICHT UND BEWEISWERT
Forensisch-klinische Untersuchungen nach Sexualdelikten
H. Pfeiffer', S. Lutz 2 , S. Pollak2 , B. Brinkmann' 'Institut für Rechtsmedizin Münster 2 Institut für Rechtsmedizin Freiburg
Medizinische Hochschule Hannover (MFIFI), Institut fur Rechtsmedizin, Carl-Neuberg- Straße 1, 30625 Hannover
Aus einem Spurenhaar wurden mtDNA Sequenzen für die hypervariablen Regionen 1 und 2 (HVI und HV2) bestimmt. Der Tatverdächtige (TVI) ist ein eineiiger Drilling, auch seine beiden Brüder kommen als Spurenleger in Betracht (TV2 und TV3). DNA-Merkmale von 9 STR- Systemen sowie die mtDNA Sequenzen für HV1 waren in Vergleichshaaren der Brüder identisch. In der HV2 zeigten sich Unterschiede in der Ausprägung der Längenheteroplasmie zwischen den Nukleotidpositionen (nps) 303-309. Daraufhin wurden Blut, Speichel sowie Haarwurzeln und —schälte von verschiedenen Kopfregionen untersucht. Es fanden sich sowohl intra- als auch interindividuelle Differenzen in der Ausprägung der Längenheteroplasmie, wobei Moleküle mit C- und mit CC-Insertionen sowie Moleküle ohne C-Insertionen zwischen nps 303 -3 09 in unterschiedlichem Maß mit koexistierten. Das Längenheteroplasmiemuster des Spuren -einadr trat am häufigsten in den HV2— Sequenzen der Haarschäfte des -hares TVl auf. In den Haarschäften von TV2 und TV3 fand sich keine vergleichbare Sequenz. Zur Quantifizierung der einzelnen Längen wurden Amplifikate aus Blut, Speichel, Haarwurzeln und-varinte -schäften der Brüder in einen Vektor kloniert und anschließend erneut sequenziert. Der Fallbericht schildert einen Versuch einer genetischen Differenzierung von eineiigen Drillingen durch mtDNA-Analyse.
A. S. Debertin, C. Kahle, A. Fieguth, W. J. Kleemann
Die Untersuchung Lebender im Zusammenhang mit rechtserheblichen Delikten stellt in vielen rechtsmedizinischen Instituten einen wesentlichen Aspekt der Tätigkeit dar. So wurden Mitarbeiterinnen des Institutes fir Rechtsmedizin der MHH regelmäßig von den Ermittlungsbehörden mit Untersuchungen nach Sexualdelikten betraut. Die dabei erhobenen Befunde und Daten sollten in einer retrospektiven Studie für die Jahre 1988 bis 1997 ausgewertet werden. Von insgesamt 1931 Untersuchungen (ohne Außenstelle Oldenburg) in diesem Zeitraum wurden 573 im Rahmen von Sexualdelikten vorgenommen, dabei wurden nicht erfasst Sexualdelikte an Kindern und Jugendlichen. In die Untersuchung einbezogen wurden 470 Geschädigte (460 Frauen, 10 Männer) und 103 Beschuldigte. Bei 74,5 % der Opfer und bei 54,1 % der mutmaßlichen Täter ließen sich Verletzungen nachweisen. 104 der Opfer wurden gewürgt oder gedrosselt. Insgesamt wurden 507 Abstriche (z.T. Mehrfachabstriche) bei den Opfern entnommen. Bei 393 Vaginalabstrichen ließ sich in 183 Fällen (46,6%) Sperma nachweisen z. T. nach längeren Zeiten zwischen Vorfall und Untersuchung (bis 72 Stunden). Von 55 Analabstrichen waren lediglich 11 (23,9 %) positiv, bei den 59 Oralabstrichen gelang in keinem Fall ein Spermanachweis. Die längste Zeit zwischen dem Vorfall und einem positiven Spermanachweis betrug bei den Analabstrichen 10 Stunden. Insgesamt zeigt die Auswertung, daß insbesondere eine frühzeitige forensisch-klinische Untersuchung sowohl der Opfer als auch der mutmaßlichen Täter eine Vielzahl von Befunden sichern kann, die im Ermittlungs- und Gerichtsverfahren von erheblicher Bedeutung sind. Rechtsmedizin • Supplement 1 •2000 1 S27
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V-111
NEUE ANSÄTZE ZUR BIOCHEMISCHEN LEBENSALTERS SCHÄTZUNG AN WEICHGEWEBEN
FORENSISCH -ODONTOLOGISCHE ALTERSSCHATZUNGEN BEI LEBENDEN AN DER BERLINER CHARITE
S. Ritz-Timme , I. Laumeier, G. Rochholz, H.W. Schütz Institut für Rechtsmedizin der CAU zu Kiel, Arnold-Heller -Str. 12,
A. Olze ', A. Schmeling', W. ReisingerZ, G. Geserick'
24105 Kiel Die biochemische Lebensaltersschätzung aufgrund der Razemisierung von Asparaginsäure hat sich als zuverlässigstes Verfahren zur Altersschätzung im Erwachsenenalter erwiesen. Es wird derzeit ganz überwiegend an Dentin eingesetzt, das optimale Voraussetzungen bietet. Theoretisch ist das Verfahren aber an jedem Gewebe einsetzbar,
das permanente Proteine enthält. In der forensischen Praxis kann es notwendig werden, Lebensaltersschätzungen an Weichgeweben durchzuführen, beispielsweise an Leichenteilen. Nach neueren Daten klinischer Arbeitsgruppen ist das Strukturprotein Elastin zumindest in Lungengewebe und Arterienwänden permanent; es zeigt hier eine intravitale Razemisierung von Asparaginsäure. Die Frage, ob sich dies für Lebensaltersschätzungen nutzen lässt, wurde durch eine umfangreiche Untersuchungsserie an Elastin enthaltenden Geweben geprüft. In Lungen -, Pleura-, Arterienwand-, Epiglottis- sowie Dermisproben von unterschiedlich alten Individuen wurde der Razemisierungsgrad von Asparaginsäure (RAsp) im Verlauf von sequentiellen ElastinAufreinigungen bestimmt; der Zusammenhang zwischen den RAspWerten und dem Alter wurde untersucht. Schon nach wenigen Reinigungsschritten (NaCI- Extraktion; Entfettung mit Ethanol/Ether) zeigte sich eine eindeutige Altersabhängigkeit der RAsp -Werte, teilweise bereits mit relativ geringer Streuung (Arterienwand, Epiglottis). Die endgültige Aufreinigung von Elastin dürfte ähnlich genaue Altersschätzungen wie an Dentin ermöglichen, wegen der biochemischen Stabilität des Elastins auch bei Autolyse und Fäulnis.
'Institut für Rechtsmedizin uld'Institut für Radiologie des Universitätsklinikums Charité der Humboldt- Universität zu Berlin Forensische Altersschätzungen bei Lebenden sind in den letzten Jahren in zunehmendem Maße zu einem festen Bestandteil der rechtsmedizinischen Praxis geworden. Am Institut für Rechtsmedizin der Berliner Charitc wurden seit 1992 202 forensische Altersschätzungen bei Lebenden durchgeführt (Stand 31.12.1999).
Hauptherkunftsländer der Untersuchten waren Vietnam, Rumänien und Libanon. Mit dem Ziel der Erlangung von hinreichend genauen Schätzergebnissen auf naturwissenschaftlicher Grundlage bei möglichst geringen Schwankungsbreiten werder in Berlin, einen richterlichen Beschluß vor eine körperliche Untersuchung durch einen Rechtsmediziner,-ausgetz, eine Röntgenuntersuchung der linken Hand durch einen Radiologen sowie eine zahnärztliche Untersuchung mit Erfassung des Zahnstatus und Auswertung einer Panoramaschichtaufnahme des Gebisses durch einen forensisch erfahrenen Zahnarzt kombiniert. Soll die Vollendung des 21. Lebensjahres beurteilt werden, erfolgt zusätzlich eine Röntgenuntersuchung der Schlüsselbeine. Anhand der Berliner Altersschätzungspraxis wird die Vorgehensweise zur Befundaufnahme und -wertung aus forensisch -odontologischer Sicht erläutert. Die Ergebnisse der Zahnaltersbestimmungen werden mit denen der Skelettaltersbestimmun€ en verglichen und den von den Probanden mitgeteilten Altersangaben gegenübergestellt. Die Berliner Forschungsprojekte zur Verbesserung der derzeit verfügbaren zahnärztlichen Altersschätzungsmethoden werden kurz vorgestellt.
V-110
V-112
ENTWICKLUNGSSTADIEN DER 3. MOLAREN IN DER EUR.OPÄISCHEN BEVOLKERUNG UND IHRE ANWENDBARKEIT ZUR FORENSISCHEN ALTERSBESTIMMUNG
ZUM DUNKELFELD VON UNFALLTODESFÄLLEN
R. Amberg (l) J Schulte-Mönting(2) S. Chaudri(1) M. Welti(1) V.Dittmann(1)
(l )Institut fürRechtsmedizin der UniversitätBasel (2)Institut für Medizinische Biometrie und Medizinische Informatik Universitäts- Klinikum Freiburg, Abt. Medizinische Biometrie und Statistik
Mit der Zunahme kontinentaler und internationaler Migration wird im Zu mit Strafverfahren die Frage der forensischen Altersbestimmung-samenhg im Bereich der Strafmündigkeitsgrenzen in der Rechtsmedizin von zunehmender Bedeutung. Grundlage der Beurteilungen bilden neben der körperlichen Untersuchung in der Regel Röntgenaufnahmen der Hand und des Oberund Unterkiefers. Zur Bestimmung der strafrechtlich relevanten Altersgrenzen ist dabei das Entwicklungsstadium der 3. Molaren von besonderer Wichtigkeit. Im Rahmen der vorliegenden Untersuchung wurden die Entwicklungsstadien der 3. Molaren von 2052 kaukasischen Probanden (m: 1002 w: 1050) im Alter von 12 bis 22 Jahren anhand von Orthopantogrammen nach den Kriterien von Mincer et al. (1993, JFSCA, 38, 379-390) ausgewertet. Für fast vollständig ausgereifte 3. Molaren, entsprechend dem Entwicklungsstadium G nach Mincer, ergab sich dabei für die männlichen Probanden ein Mittelwert von 17,77±2,36 J. für die maxillären [Mincer:18,2±1,91 J.]und 18,80±1,88 J. [Mincer:18,3t1,92J.] für die mandibulären 3. Molaren. Bei den weiblichen Probanden betrug der maxilläre Mittelwert 18,48±2,15 J., der mandibuläre 19,67±1,88 J. [ Mincer:18,8f2,27 und 19,l±2,18J. ]. Unter der Voraussetzung der Kombination mit einem weiteren, unabhängigen Kriterium (z.B. Hand [Pfau 1994 JFSCA,39,165-176, Demirjian 1985 Am.J.Orthod.88,433-438]) liessen sich nach der Baye'schen Formel engere Wahrscheinlichkeiten berechnen. Ob diese Voraussetzungen zutreffen und wie sie sich im konkreten Fall auswirken, wird an Fallbeispielen erläutert.
S28 1 Rechtsmedizin • Supplement 1 •2000
H. Klotzbach , K. Püschel
Institut für Rechtsmedizin, Butenfeld 34, 22529 Hamburg Untersucht wurden die Phänomene verdeckte sowie scheinbare Unfalltodesfälle. Dies erfolgte im Hinblick auf folgende Konstellationen: 1.) Es handelt sich um einen Unfalltod; aufgrund der Vorgeschichte oder der Auffindesituation stellt sich dieser jedoch entweder wie ein natürlicher Tod oder aber wie ein Suizid oder ein Tötungsdelikt
dar (verdeckter Unfall).
2.) Die Vorgeschichte oder die Auffindesituation lassen an einen
Unfalltod denken, tatsächlich liegen jedoch entweder ein natürlicher Tod, ein Suizid oder ein Tötungsdelikt vor (scheinbarer Unfall).
In einer retrospektiven Studie wurden 1353 durch Obduktion und k ri minalpolizeiliche Ermittlungen gesicherte Unfalltodesfälle der Jahre 1988 bis 1998 aus unserem Institut ausgewertet. Davon waren 218 (also ca. 16 %) dieser Unfalltodesfälle zunächst nicht eindeutig als solche zu erkennen. Zusätzlich fanden sich in diesem Zeitraum 83 Todesfälle durch Unfallfolgen, bei denen der Kausalzusammenhang — zum Teil überraschend — erst aufgrund der Obduktion gesichert
wurde.
Die Zahl der scheinbaren Unfalltodesfälle im obengenannten Zeitraum lag bei 42, wobei die Obduktion bei 27 dieser Fälle einen natürlichen Tod ergab, bei 11 Fällen lag ein Tötungsdelikt und bei 4 dieser Fälle ein Suizid vor. Einige spezielle Fallkonstellationen (z. B. Tod in der Badewanne, Tod am Steuer, Brandleiche) sowie exemplarische Einzelfälle werden dargestellt.
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DER TOD IM WASSER - EINE RETROSPEKTIVE STUDIE DER JAHRE 1983 - 1997 FÜR DEN GROSSRAUM DÜSSELDORF
ZUR PROBLEMATIK DER KAUSALITÄT NACH LÄNGER ÜBERLEBTEM VERKEHRSUNFALL
P. Gabriel, T. Demir, W. Huckenbeck Institut für Rechtsmedizin, Heinrich-Heine-Universität, Moorenstr. 5, 40225 Düsseldorf
H. Maxeiner, B. Bockholdt Institut für Rechtsmedizin, Freie Universität Berlin, Universitätsklinikum Benjamin Franklin, Hittorfstr. 18, 14195 Berlin
Die Untersuchung basiert auf der Auswertung von 559 Todesfällen im Wasser aus den Jahren 1983 - 1997. Einbezogen wurden sowohl Leichen aus fließenden und stehenden Gewässern (351) als auch sogenannte Badewannenleichen (208). Bei den Leichen aus freien Gewässern stellte der Rhein mit 216 Leichen das größte Reservoir dar. Insgesamt 393 der 559 Leichen sind obduziert worden (70,3 %). Das mittlere Alter der Leichen lag bei 48,8 Jahren, wobei die Badewannenleichen mit 51,3 Jahren älter waren als die übrigen Wasserleichen (47,2 Jahre). Bei der Auswertung konnte festgestellt werden, dass die Suizidrate gleich hoch war (50,6 vs. 51,0 %). Unglücksfälle kamen hingegen häufiger im freien Gewässer und der natürliche Tod häufiger in der Badewanne vor. Insgesamt war das Geschlechterverhältnis beinahe ausgeglichen (53,4 % Männer, 46,3 % Frauen, einmal keine Angabe möglich). Unterscheidet man jedoch zwischen Badewanne und freien Gewässern, so zeigte sich, dass von den Badewannenleichen 62,5 % Frauen waren und nur 37,5 % Männer. Anders sieht es bei den freien Gewässern aus: hier waren 63,9 % Männer und nur 36,7 % Frauen (einmal keine Angabe möglich). Bei den Badewannenleichen zeigten 30,8 % zum Zeitpunkt der Auffindung bereits Fäulnisveränderungen, bei den Leichen aus freien Gewässern hingegen 43,5 %. Fettwachsbildung wurde nur in sechs Fällen (1,7 %) beobachtet, wobei die Leichen alle aus freien Gewässern stammten. Bei der Auswertung wurde auch auf typische rechtsmedizinische Befunde eingegangen und gezeigt, dass diese zum Teil stark untersucherabhängig sein können. Zusätzlich wurden die Ergebnisse mit bereits vorliegenden Studien über frühere Zeiträume verglichen.
In der rechtsmedizinischen Praxis ist die Beurteilung von Kausalzusammenhängen - der Zusammenhang von Ursache und Wirkung eine häufig zu beantwortende Frage. Daß dabei unter Umständen Schwierigkeiten auftreten können ist hinlänglich bekannt (Dtsch Z gerichtl Med, 1941; 34: 155-164). Das Lebensalter spielt neben anderen Faktoren eine wichtige Rolle, ältere Menschen haben oft längere Uberlebenszeiten, versterben häufig an Komplikationen, die sich später einstellen - zusätzlich erschweren zumeist doch erhebliche (altersentsprechende) krankhafte Organveränderungen die Beurteilung des Kausalzusammenhanges (Beitr gerichtl Med, 1983; 41: 249-254, Beitr gerichtl Med, 1985; 43: 135-144). In diesem Zusammenhang soll ein untersuchter Fall, der durch seine besonders schwierige Beurteilung bemerkenswert scheint, mit in die Problematik der Kausalitätsbegutachtung einbezogen werden. Ein 76 Jahre alt gewordenener Mann prallte als Fußgänger gegen einen Radfahrer und erlitt dabei ein Schädel -Hirntrauma und Mittelgesichtsfrakturen. 2 Monate später wurde er zur weiteren Betreuung und Pflege in ein Krankenhaus verlegt und erholte sich langsam aber nicht vollständig. Weitere 4 Wochen später versuchte er selbstständig aufzustehen, stürzte; dabei zog er sich eine Jochbein- und Nasenbeinfraktur zu. Nunmehr entstand eine rasch massiv raumfordernde Subduralblutung an der der Patient 8 Stunden später verstarb. Morphologisch handelte es sich um ein „vollständig neues" Hirntrauma an den durch den Vorufall nicht geschädigten Arealen. Aufgrund des klinischen Verlaufes (bleibende Gleichgewichtsstörung infolge damaliger Kleinhirnkontusion) war aber ein indirekter Kausalzusammenhang naheliegend.
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TOD UNTER KETTEN - ZUR MORPHOLOGIE UND REKONSTRUKTION VON UNFÄLLEN MIT RAUPENFAHRZEUGEN.
"LIFESAVER" - REKONSTRUKTION EINES UNFALLES DURCH EINEN FALSCH BEFESTIGTEN KINDERSITZ
J. Reuhl* R. Schuster, G. Weiler *Institut für Rechtsmedizin der Johannes Gutenberg- Universität Mainz, Institut für Rechtsmedizin der Justus Liebig-Universität Gießen Kettenfahrzeugefinden im Bauwesen als Bulldozer, Schaufelbagger, Planierraupen, Löffel- und Mini-Bagger vielfältige Anwendung. Bei geringer Geschwindigkeit, aber großer Masse der Fahrzeuge und starken Kräften der beweglichen Gerätschaften ergeben sich Unfallgefahren in erster Linie durch Mißachtung der Unfallverhütungsvorschriften für Erdbaumaschinen, eingeschränkte Sicht, fehlende Stendsicherheit der Maschinen und unbefugten Aufenthalt im Gefahrenbereich. Eine Rekonstruktion unklarer Unfallhergänge im Tiefbauwesen erfordert die Zusammenarbeit von technischem Sachverständigen und Obduzent im besonderen Maße, um die Leichenbefunde mit den konstruktiven und dynamischen Gegebenheiten der verursachenden Baufahrzeuge gegenüberstellen zu können. Anhand der kasuistischen Darstellung zweier Todesfälle nach Unfällen mit Gleiskettenfahrzeugen soll der Untersuchungsgang in derartigen Situationen dargestellt werden. Im ersten Fall war ein junger Arbeiter betroffen, der bei dem Führen einer Rüttelwalze plötzlich nach rückwärts gehend von der rechten Kette eines Kettenbaggers am rechten Bein erfaßt und zu Boden gedrückt wurde, wobei er mit dem Kopf auf einen Schutzbügel und dann auf eine gezackte Außen walze des Rüttlers aufschlug. In dem zweiten Fall war ein kurz vor der Berentung gestandener Raupenfahrer auf einer Baustelle einer ICE-Neubaustrecke im Rahmen von Erdaufschüttungsarbeiten ohne Zeugen des Geschehens in weichem Erdreich eingedrückt in Bauchlage aufgefunden worden. Zunächst erschien die Auffindesituation mit der Stellung der von dem Verunglückten geführten Planierraupe nicht in Einklang zu bringen, konnte aber nach technischer Rekonstruktion geklärt werden. Verletzungsbilder und technische Details werden illustriert.
H. Wittig', K. Jachau l , W. Kuchheuser l , T. Försterling 2 D. Krause' 1) Institut für Rechtsmedizin, 2) Zentrum für Radiologie der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, Leipziger Str. 44, 39120 Magdeburg ,
Ein vier Monate alter Säugling wurde mit einer massiven retroaurikulären Schwellung in eine Kinderklinik eingeliefert, wo zunächst der Verdacht auf eine Mastoiditis geäußert wurde. Innerhalb weniger Stunden nahm die Schwellung massiv zu, es kam zur blaurötlichen Hautverfärbung und zur Ausbildung eines Monokelhämatoms. Im CT war eine rechts-parietale und linksoccipitoparietale Schädelfraktur erkennbar, intrakranielle Strukturen waren nicht betroffen. Wegen des Verdachts der Kindesmisshandlung wurden daraufhin Polizei und Rechtsmedizin einbezogen. Der Vater des Kindes gab schließlich an, dass sich beim Durchfahren einer Kurve der Kindersitz löste, zwischen die Vordersitze geriet und das Kind dadurch verletzt wurde. Mit Hilfe des beschlagnahmten Kindersitzes, einer realitätsnahen Puppe und eines baugleichen Fahrzeuges wurde versucht, den beschriebenen Unfallmechanismus zu rekonstruieren. Dabei konnte festgestellt werden, dass sich der verwendete Kindersitz unter bestimmten Voraussetzungen bei einem nicht ganz korrekten Einbau aus seiner Halterung lösen kann. In einer weiteren Unfallphase geriet der Kopf des Kindes zwischen Sitzschale und Fahrersitzlehne und wurde hebelartig eingequetscht. Bauliche Besonderheiten des TÜVgeprüften Markensitzes, die den ordnungsgemäßen Einbau erschweren, begünstigten dabei den Unfall. Rechtsmedizin • Supplement 1 •2000
1 S29
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BRÜCKENVENENRUPTUREN BEI TÖDLICHEN KOPFTRAUMEN BEI FAHRZEUGINSASSEN
Intrakartilaginäre Blutungen im Schildknorpel bei Strangulationsopfern?
H. Maxeiner, E. Ehrlich,
A. Fieguth, U.-V. Albrecht, W.I. Kleemann Institut für Rechtsmedizin der Medizinischen Hochschule Hannover, Carl-Neuberg-Straße 1, 30625 Hannover
Institut für Rechtsmedizin der Freien Universität Berlin, Hittorfstr. 18, 14195 Berlin
Subduralblutungen treten nach einem Teil der Literaturangaben bei Verkehrsunfallopfern seltener auf als bei anderen Ursachen von Kopftraumen. Die Schlußfolgerung, dass dies auch für Rupturen der parasagittalen Brückenvenen (als eine der häufigsten Ursache von Subduralblutungen) gilt, trifft nach eigener Erfahrung jedoch nicht zu. Dies liegt daran, dass es trotz solcher Gefäßverletzungen und einiger Überlebenszeit nicht zu einer Blutung kommen muß, so dass weder klinisch noch im Falle des Todes postmortal ein Hinweis auf solche schwer zu diagnostizierende - Läsionen vorliegt (vgl. hierzu: Voigt GE, Saldeen T (1968) Über den Abriß zahlreicher oder sämtlicher Vv. cerebri sup. mit geringem Subduralhämatom und Hirnstammläsion. Dtsch Z Gerichtl Med 64: 9-20). Im Rahmen einer systematischen postmortalen Untersuchung dieser Gefäßregion mittels Röntgenkontrastdarstellung wurden bei 5 von 6 fortlaufend untersuchten tödlich verletzten PKW Insassen (Alter 4 - 31 Jahre) Brückenvenenrupturen nachgewiesen; es handelte sich hier durchweg um Hochgeschwindigkeitsunfälle, bei denen es zu Kollisionen mit anderen Fahrzeugen und/oder anderen Hindernissen gekommen war; überwiegend waren noch weitere Insassen schwer verletzt oder getötet worden. In 3 dieser Fälle lag trotz einer Überlebenszeit zwischen 4 und 15 Stunden weder eine thrombotische Abdichtung der Rupturstellen noch eine nennenswerte Subduralblutung vor. Als Erklärung wird ein Zusammenbruch der Hirndurchblutung sehr rasch nach dem Trauma infolge Hirnschwellung angenommen.
Pollanen und McAuliffe beschrieben 1998 erstmalig bei weiblichen Strangulationsopfem im Alter von 20-46 Jahren (Todesursache Erwürgen, z. T. in Kombination mit Erdrosseln) in 75 % der Fälle intrakartilaginäre Blutungen an der Basis des oberen Kehlkopfhornes, ohne das knöcherne Kehlkopfverletzungen vorhanden waren. Die Autoren führten die Blutungen auf Gefäßzerreißungen im Knorpel zurück. In einer FallKontroll- Studie wurden die Spezifität und Sensitivität dieser Blutungen am eigenen Untersuchungsmaterial überprüft. Die prospektiv angelegte Studie umfasst derzeit 28 Strangulationsopfer (Erwürgen/Erdrosseln) im Alter von 7 bis 89 Jahren (18 weiblich, 10 männlich) sowie die gleiche Anzahl von Todesfällen entsprechenden Alters und Geschlechts ohne Gewalteinwirkung gegen den Hals. Weder in der Fallgruppe noch bei den Kontrollen wurden isolierte intrakartilaginäre Blutungen, wie sie in der zitierten Arbeit beschrieben wurden, festgestellt. Anstelle isolierter Blutungen innerhalb des Knorpels infolge von Gefäßzerreißungen zeigten sich in einem Teil der Fälle hingegen Blutungen in Knorpelresorptionshöhlen, die mit Blutsinusoiden des Knochenmarkes in angrenzenden Verknöcherungszonen kommunizierten. Bei den Kontrollen waren keine Blutungen innerhalb des Kehlkopf feststellbar. -skelt
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TRAUMATISCHE UND SPONTANE HALSGEFÄSS -DISEKTON B. Vennemann', G. Fechner', M. Besselmann z , A. Du Chesne'
Institut für Rechtsmedizin, Universität Münster Klinik und Poliklinik für Neurologie, Universität Münster Eine Himinfarktsymptomatik auf dem Boden von Halsgefäßdissektionen wird nach schweren Verkehrsunfällen und gelegentlich spontan beobachtet. Prädisponierend in Betracht zu ziehen sind dabei vorbestehende Gefäßwandveränderungen im Sinne einer Fibromuskulären Dysplasie. Eine solche Gefäßdysplasie ließ sich im Falle eines 60-jährigen Mannes nachweisen, der 10 Tage nach Auftreten einer Himinfarktsymptomatik und neurochirurgischer Intervention verstarb, ohne dass ein vorausgehendes Trauma bekannt geworden ist. In 2 weiteren Fällen war nach schweren Verkehrsunfällen eine Hirninfarktsymptomatik aufgetreten. Biomechanisch dürfte in beiden Fällen eine Hyperextension der HWS vorgelegen haben, einmal in Verbindung mit einem klassischen Heckauffahrunfall, im anderen Fall vermutlich durch Auslösung des Airbags bei einer Frontalkollision. Klinisch und autoptisch wurden Halsgefäßdissektionen nachgewiesen. Einmal lag kombiniert eine Dissektion einer A. carotis intema und einer Vertebralarterie vor, im anderen Fall eine isolierte Carotisdissektion. Der Tod trat 7 bzw. 18 Tage nach dem Unfall ein. Die Rolle vorbestehender Gefäßdysplasien bei Traumaeinwirkung wird diskutiert.
S30 1 Rechtsmedizin • Supplement 1 •2000
Literatur: Pollanen MS, McAuliffe DN (1998) Intra-cartilaginous laryngeal haemorrhages and strangulation. Forensic Sei Int 93: 13-20
IMMUNOHISTOCHEMICAL AND MORPHOMETRICAL STUDY ON THE EXPRESSION OF INTERLEUKIN-8 (IL-8) IN HUMAN SKIN WOUNDS FOR WOUND AGE DETERMINATION T. OHSHIMA, T. KONDO, W. EISENMENGER*, D.W. GUAN, T.TAKAYASU AND Y. SATO Institut für Rechtsmedizin der Universität Kanazawa, Japan *Institut für Rechtsmedizin der Universität München, Deutschland Introduction: Time-dependent expression of IL-8 was investigated with human skin wounds. Materials and methods: A total of 50 human skin wounds with the postinfliction intervals ranging from a few minutes to 21 days. According to the postinfliction interval, the wound specimens were classified as follows; 1:0-6 h (n=11), II: 12 h-4 days (n=19), III: 7-14 days (n=9) and IV: 17-21 days (n=11). Then, formalin-fixed, paraffin-embedded sections were made, followed by the immunostaining with polyclonal antiIL-8 antibody. Morphometrically, in each of 10 randomly selected microscopic fields (x 200) of a section, the ratio of IL-8 positive cells to total infiltrating cells was calculated and the average of the ratios was evaluated. Results and discussion: In the wounded specimens with postinfliction intervals of < 6 h, neutrophils slightly infiltrated at the wound site, and some of them showed IL-8 positive reaction in the cytoplasm. In the wound specimens aged 1 to 4 days, the number of infiltrating neutrophils gradually decreased, and the macrophages expressing IL-8 in the cytoplasm were mainly observed. Furthermore, with the increase of postinfliction interval, the number of spindle-shaped fibroblastic cells as well as macrophages increased along with new formation of granulation tissue, and the cytoplasm of those cells was immunostained positively. Morphometrically, IL-8-positive ratio was very low in the wound specimens with postinfliction interval of < 6 h after injury. At 12 h, the positive ratio considerably elevated and peaked at 2 days after injury. Thereafter, the ratio gradually decreased. In each group, mean value and standard deviation were shown as follows: I: 7.4±10.6%, II: 59.6±8.6%, III: 48.9±5.8% and IV: 29.5±7.0%. From the viewpoints of forensic pathology, the present study shows that IL-8 may be a possible marker for wound age determination.
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ZUR EXPRESSION VON VEGF UND PCNA IN MENSCHLICHEN HAUTWUNDEN
NACHWEIS VON TROPONIN T UND I BEI HERZKONTUSION
J. Dreßler , K. Voigtmann, E. Müller
Institut für Rechtsmedizin, Medizinische Fakultät Carl Gustav Carus der Technischen Universität Dresden, Fetscherstraße 74, 01307 Dresden
Institut für Rechtsmedizin, Medizinische Fakultät Carl Gustav Carus der Technischen Universität Dresden, Fetscherstraße 74, 01307 Dresden Die Expression des Wachstumsfaktors VEGF auf Endothelzellen der Blutgefäße erfolgt unter anderem bei verletzungsbedingter Hypoxie des Gewebes. VEGF stimuliert die Angiogenese in der Initialphase der Wundheilung. Das proliferierende nukleäre Zellantigen (PCNA) stellt ein Hilfsprotein der DNA-Polymerase-6 dar. In der Proliferationsphase der Wundheilung soll es durch die erhöhte Mitosetätigkeit der Zellen zu einer signifikanten Erhöhung der PCNA-Konzentration kommen. Zu prüfen war, inwieweit der Nachweis dieser Proteine für die Diagnostik des Wundalters genutzt werden kann. — Das Untersuchungsmaterial bestand aus 38 menschlichen Hautwunden sowie 12 Kontrollproben unverletzer Haut (Präparate aus dem Obduktionsgut), die immunhistochemisch untersucht wurden. Es erfolgte die Anwendung monoklonaler Primärantikörper nach Autoklavieren am Paraffinschnitt mit der ABC-Methode (Vectastain „Elite" Kit, Fa. Vector, Heidelberg). Die Intensität der Färbung wurde semiquantitativ bewertet. — VEGF war sofort nach Auftreten des Verletzungsreizes immunhistochemisch nachweisbar. Starke immunhistochemische Reaktionen für PCNA traten erstmals an 6 Stunden alten Hautwunden und regelmäßig ab einem Verletzungsalter von 4 d auf. In unverletzter Haut bestand eine minimale Basisexpression dieser Antigen. — Die Untersuchungen tragen zur Verbesserung der Diagnostik des Wundalters im frühen posttraumatischen Intervall bei.
J. Dreßler , A. Kirchner, E. Müller
Die Diagnostik der Herzkontusion in der Klinik und im Rahmen der Obduktion ist problematisch. Es war zu prüfen, inwieweit die Bestimmung von Troponin T und I diese diagnostische Lücke schließen kann. — Das Untersuchungsmaterial bestand aus 11 Serumproben (Herzund Venenblut) bei anamnestisch bekannten und makroskopisch sichtbaren Kontusionen des Myokards und 11 Kontroll-Serumproben aus dem Obduktionsgut ohne Hinweis für ein vitales Myokardtrauma und ohne Anhaltspunkte für eine ischämische Myokardschädigung. Der quantitative Nachweis der Troponine erfolgte mittels ELISA (cTnT) und LIA (cTnl). — Für die Fälle mit bekannter Herzkontusion war eTnT im Herzblut und Venenblut in allen Proben > 0,10 ng/ml (Referenzwert). Die geringere Konzentration im Venenblut zeigte eine Korrelation zur Überlebenszeit des kardialen Traumas. Es ergaben sich signifikante Unterschiede der cTnT- und eTnI-Konzentrationen beider Fallguppen. — Die Bestimmungen von cTnT und cTnI tragen zur Verbesserung der postmortalen Diagnostik der Contusio cordis bei. Einflussfaktoren der unterschiedlichen Konzentrationen im Herzblut - und Venenblut werden diskutiert.
V-122
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IMMUNHISTOCHEMISCHES EXPRESSIONSMUSTER VON IL-8 UND bFGF IN MENSCHLICHEN HAUTWUNDEN
IMMUNHISTOCHEMIE AM AKUTEN VITALEN UND POSTMORTALEN HERZTRAUMA
W. Grellner' , S. Vieler2 , B. Madeaz Institut für Rechtsmedizin der Universität des Saarlandes', Gebäude 42, 66421 Homburg/Saar und Institut für Rechtsmedizin der Universität Bonnz
Ch. Ortmann , H. Pfeiffer, B. Brinkmann
Im Anschluss an frühere Studien zu Zytokinen und Adhäsionsmolekülen wurde die immunhistochemische Lokalisation von Interleukin-8 (IL-8) und basic fibroblast growth factor (bFGF) an menschlichen Hautwunden untersucht. Es wurde paraffineingebettetes Gewebe von 102 Hautwunden infolge scharfer Gewalteinwirkung herangezogen. Das Wundalter betrug zwischen wenigen Sekunden/Minuten und 13 Tagen. Vergleichsproben unverletzter Haut standen zur Verfügung. Nach einer Mikrowellenvorbehandlung gelangten poly- und monoklonale Antikörper mittels des LSABVerfahrens zum Einsatz. Das Chemokin IL-8 ließ sich nur teilweise bereits in Normalhaut nachweisen. Beginnend ab einem Wundalter von wenigen Minuten (frühe OPWunden, Stichverletzungen von Tötungsdelikten) war ein vorzugsweise epidermaler Expressionsanstieg zu beobachten. Diese Reaktivitätszunahme bestand maximal bis zu einem Wundalter von ca. 2 Stunden. Ein Wieder ftreten von IL-8 ließ sich in Leukozyten und epidermal in operativ ver--au sorgten Wunden mit einem Alter von ca. 3-6 Tagen darstellen, während älteres Granulationsgewebe negativ reagierte. Das Zytokin bFGF war nur während eines sehr schmalen Zeitfensters bei posttraumatischen Intervallen von ca. 10 min bis zu 2 Stunden in erhöhtem Maße exprimiert. Reaktivitätsanstiege betrafen in erster Linie die subepidermalen Zonen mit Ausbildung eines fibrillären Netzwerkes im oberen Korium und positiver Darstellung von subepidermalen Zellen und Schweißdrüsen. Die Epidermis, Granulationsgewebe und ältere Wunden wurden nicht markiert. Beide Marker können für bestimmte Fragestellungen zur Vitalitäts- und Wundaltersschätzung herangezogen werden. Die Mitführung einer Vergleichshautprobe sollte wegen teils hoher Basalaktivitäten nicht unterbleiben.
Die Unterscheidung frisch vitaler und postmortal-agonaler traumatischer Läsionen des Herzmuskels sind mit routinehistologischen Methoden nur eingeschränkt möglich - die Abschätzung der Überlebenszeit ungenau. Antigene die bei ischämischen Läsionen ein zeitäbhängiges Expressionsmuster zeigten, wurden deshalb bei traumatischen myocardialen Läsionen untersucht. Vitale Verletzungen waren 17 frische Myokardtraumen - 12 Rupturen, 4 Stichverletzungen, 1 Schußverletzung. Die Überlebenszeit betrug bis 60 Minuten. Als postmortale Verletzungen wurden exenterierten Schweineherzen Stiche nach einem postmortalen Intervall von 5 min bis 2h zugefügt. Die Schweineherzen wurden in Eigenblut verdünnt mit physiologischer NaCILösung bei Raumtemperatur vor der weiteren Präparation inkubiert. Die Routinehistologie zeigte im frischen vitalen Myocardtrauma Eosinophilie, Strukturverdichtungen bis zu ausgeprägten Kontraktionsbandnekrosen, Zellödem, angrenzend Zonen mit Vesikulierung und Ödem der Myozyten. Postmortal konnten mit einer zeitabhängigen Abnahme Kontraktionsband-nekrosen und Eosinophilie bis 30-40 min post mortem erzeugt werden, eine Vesikulierung und Schwellung noch über diesen Zeitpunkt hinaus. Immunhistochemisch sind Depletionen von Myoglobin und FABP, Troponin C und Desmin mit graduellen Unterschieden in vitalen und auch postmortalen Proben nachweisbar. Fibrinogen und Fibronektin sind postmortal und vital den lädierten Myocyten angelagert, teilweise ummanteln sie die Myozyten. Positive Reaktionen in den Myozyten sind ab einer wenige Minuten andauernden Überlebenszeit aufgetreten. C5b-9 positive Myozyten sind ab einer Überlebenszeit von ca. 30 min nachweisbar, alleinige Anlagerungen auch in postmortalen Verletzungen.
Institut für Rechtsmedizin Münster, Von-Esmarch- Straße 62, D-48129 Münster
Rechtsmedizin • Supplement 1 •2000
1 S3 1
V-125
V-127
KEIN EXPERIMENTELLER NACHWEIS KUTANER VERÄNDERUNGEN BEI ANWENDUNG SOG. ELEKTROSCHOCKER
ZUR PRIORITAT VON SCHNITT- UND STICHVERLETZUNGEN
S. Banaschak , M. Humpert l , B. Madea
Institut für Rechtsmedizin der Rhein. Friedrich- Wilhelms-Universität, Stiftsplatz 12, 53111 Bonn; ' Physikalisches Institut, Nußallee 12, 53111
Bonn
Die Anwendung sog. Elektroschocker wurde im Einzugsbereich der Kriminalpolizei Bonn von Überfallopfern vermehrt berichtet. Es ergab sich die Frage, ob die Anwendung einer derartigen Waffe -- an Lebenden oder an Toten -- nachweisbar ist. Zur experimentellen Untersuchung dieser Frage wurden 4 asservierte Geräte zur Verfügung gestellt. Die Unterscheidung in legale / illegale Waffe ergibt sich lediglich aus der Form, nicht aus den von den
Herstellern mitgeteilten technischen Daten. Soweit Anwendungshinweise vorliegen versichern diese eine "Ausschaltung" eines Angreifers ohne negative Spätfolgen. -- Sämtliche Geräte weisen an der Spitze zwei Elektroden auf, der Abstand beträgt 1,7 bis 5 cm, der Durchmesser 1 bzw. 2 mm.
Technische Messungen mit zwischengeschaltetem Widerstand ( 5 bzw. 60 Megaohm) ergaben Werte zwischen 2000 V bis max. 44000 V, wobei bei den höheren Voltzahlen die durchschnittliche Impulsdauer lediglich zwischen 0,01 --0,3 mWs betrug, bei den niedrigen Voltzahlen 2 bzw. 17
mWs.
Zur experimentellen Erzeugung kutaner Veränderungen (Strommarken, Vertrocknungen) wurden neben isolierter Schweinehaut (negatives Ergebnis) Versuche an im Rahmen anderer Experimente verstorbenen Schweinen durchgeführt (Postmortalzeit max. 0,5 Stunden). Auch dabei konnten, auch bei mehrsekündiger Anwendung, keinerlei Hautmarken erzeugt werden. Als Zeichen des effektiven Stromflusses zeigten die unter der Haut liegenden Muskelgruppen ausgeprägte Kontraktionen (Anheben des Kopfes/des Beines).
D.Wyler 1 , W. Marty, 2 Th. Sigrist 3 , U. Zollingert 1
Institut für Rechtsmedizin der Universität Bern Bühlstr. 20, CH-3012 Bern, Schweiz
2 Institut
für Pathologie, Abteilung Rechtsmedizin, Rätisches Kantonsspital
Loestrasse 170, CH-7000 Chur, Schweiz
3 Institut für Rechtsmedizin, Kantonsspital
CH-9000 St. Gallen, Schweiz
Zu Beginn des letzten Jahrhunderts verfasste Puppe die wegweisende Arbeit zur Priorität der Schädelbrüche. Seither ist es möglich, rekonstruktive Aussagen über die zeitliche Abfolge der Entstehung mehrfacher Schädelfrakturen zu machen. Ahnliche Regeln zur Beurteilung von mehreren Weichteil wunden sind nicht bekannt; eine zeitliche Zuordnung kann in diesen Fällen nur dann erfolgen, wenn die Wunden in so grossen Zeitabständen entstanden sind, dass eine morphologische Wundalterbestimmung durchführbar wird. Wir zeigen anhand von Beispielen auf, dass auch bei mehrfachen Hautverletzungen durch scharfe Gewalt eine chronologische Zuordnung möglich ist, selbst wenn diese einem Opfer innert kurzer Zeit beigefügt worden sind. Voraussetzung ist allerdings, dass sich die Wunden kreuzen. Die Durchtrennung der unter Spannung stehenden kollagenen Fasernetze, welche in der Chirurgie als sog. Spaltlinien bekannt sind, führt zu Mustern, die Rückschlüsse auf die zeitliche Abfolge zulässt.
V-126
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Autoerotische Unfälle mit Todesfolge
EXPERIMENTELLE UND FINITE- ELEMENTE -ANALYSE DER BIOMECHANIK DES UNTERKIEFERS EIN BEITRAG ZUR FORENSISCHEN TRAUMATOLOGIE
U. Breitmeier , F. Mansouri, H.D. Tröger, W.J. Kleemann, Medizinische Hochschule Hannover (MHH), Institut für Rechtsmedizin. Carl- Neuberg-Str. 1, 30625 Hannover
Die Leichenauffindung bei autoerotischen Unfällen ist häufig sehr komplex, teilweise sogar äußerst bizarr, so daß im Einzellfall die Abgrenzung zwisch-
en einem autoerotischen Unfall mit Todesfolge und einem Tötungsdelikt sehr diffizil ist. Es erscheint somit erforderlich, Kriterien herauszuarbeiten. die diese Trennung ermöglichen. Das Sektionsgut der Jahre 1978 his 1997 des Institutes für Rechtsmedizin der MHH wurde hinsichtlich autoerotischer Unfälle mit Todesfolge retrospektiv mit Hilfe eines eigenen Auswertebogens analysiert. Insgesamt wurden in den Jahren von 1978 bis 1997 im Einzugsgebiet der Rechtsmedizin der MIIH 17 autoerotische Unfälle mit Todesfolge untersucht. Für Hannover (Stadt und Landkreis) ergab sich eine Häufigkeit von etwa einem autoerotischen Todesfall alle 2 Jahre. 12 Opfer waren in vertrauter, häuslicher Umgebung zumeist von Verwandten und Bekannten tot aufgefunden worden. Andere Auffindeorte waren der eigene PKW, ein Hotelzimmer, die Uferböschung am Kanal, ein öffentlicher Parkplatz sowie die Zelle einer Justizvollzugsanstalt. 5 der Opfer waren zum Zeitpunkt der Totauffindung komplett, 5 lediglich im Unterkörperbereich entkleidet. 4 Opfer trugen Frauenbekleidung, 2 weitere waren bei entblößtem Genitale vollständig angezogen. Ein Opfer trug lediglich Herrenunterwäsche. 4 Opfer (23,5%) waren alkoholisiert. 5 Opfer (29,4%) waren chemisch -toxokologisch positiv für Ketamin, Cocainmetabolite, Morphinderivate, Chloroform und Kohlenmonoxyd. Todesursachen waren zentrale Lähmungen bei Stran Intoxikationen (29,4%), Unterkühlung (5,9%), Herz--gulatione(41,2%) pmnpversagen (11,8%) und Subarachnoidalblutungen (11,8%). Um eine sichere Rekonstruktion autoerotischer Unfälle mit Todesfolge zu ermöglichen, müssen die Vorgeschichte, die Tatortbefunde und die Obduktionsergebnisse und Zusatzuntersuchungen mediokollegial zwecks Ursachenforschung und zur Reduktion der Opferzahlen aufgearbeitet werden.
S32 1 Rechtsmedizin • Supplement 1 •2000
S.Benthaus, A. Du Chesne, U.Meyer, B.Brinkmann
Institut für Rechtsmedizin Münster
Kenntnisse über das biomechanische Verhalten des Unterkiefers bilden die Grundlage bei der Rekonstruktion tr aumatischer Verletzungsmuster und deren forensischer Beurteilung. Für eine korrekte rechnerische Rekonstruktion des biomechanischen Verhaltens sind die Herstellung eines geometrisch individuellen Modells sowie die Bestimmung der knochenspezifischen Materialparameter. Ziel dieser ersten Studie war es, ein FiniteElement-Modell zu entwickeln, mit dem sich die Biomechanik des Unterkiefers ausreichend genau bestimmen läßt. An explantierten humanen Unterkiefern (n=5) führten wir unter standardisierten In-vitro- Bedingungen Dehnungsmesungen mittels Dehnungsmeßstreifen unter verschiedenen Belastungen durch. Zusätzlich wurde eine auf dreidimensionalen computertomographischen Daten basierende FEM-Analyse durchgeführt, um die Simulationsdaten mit den gemessenen In — vitro Daten vergleichen zu können. Die Ergebnisse der In-vitro Messungen zeigten z.T. geringe interindividuelle Unterschiede im Verformungsverhalten der verschiedenen Unterkiefer. Das Verformungsverhalten des einzelnen Kiefers ist hauptsächlich durch seine Grohgeometrie bestimmt, während verschiedene andere Kennwerte nur eine untergeordnete Rolle spielen. Die maximalen Verzerrungen unter Belastung waren bei jeder Kraftapplikation Dehnungen, deren absolute Größe direkt mit der applizierten Kraft korrelierte, während sich Kompressionen nur im geringen Ausmaß fanden. Die FEM Analyse ergab eine gute Übereinstimmung mit den in-vitro Meßwerten, Die FEM Analyse stellt ein valides Verfahren zur Simulation des biomechanischen Verhaltens individueller Unterkiefer und damit eine Möglichkeit zur Voraussage mechanischer Reaktionen dar. Die Wertigkeit des Modells für die forensische Praxis wird kritisch hinterfragt.
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EXPERIMENTELLE BALLISTIK UND FORENSISCHE RADIOLOGIE: SPIRAL-CT-UNTERSUCHUNG UND 3D-REKONSTRUKTION NACH EXPERIMENTELLER SCHUSSEINWIRKUNG AUF EIN „WIRBELSÄULENMODELL" Michael J. Thal 12, B.P.Kneubuehl 2+3 , P. Vock', G. v. Allmen t , U. Zollinger z , R, Dimhofer 2 1.Institut für Diagnostische Radiologie, Universität Bern, 3010 Bern, Schweiz 2.Institut file Rechtsmedizin, Universität Bein, 3012 Bern, Schweiz 3. Bundesamt für Waffensysteme, Fachabteilung 26, 3602 Thun, Schweiz Ziel: Radiologische Evaluation der Spiral-CT- Dokumentation (Volumenaufsahmeverfahren) und 3D-Rekonstruktionsmöglichkeiten einer künstlichen Wirbelsäule nach Schusseinwirkung (1,2). Material und Methode: Als Zielmedium wurde eine aus Polyurethan gefertigte künstliche Wirbelsäule verwendet. Um die umgebenden Weichteile zu simulieren, wurde die Wirbelsäule in Gelatine eingebettet. Die Schusseinwirkungen mit unterschiedlichen Kalibern wurden mit einer Hochgeschwindigkeitskamera dokumentiert. Anschliessend wurde das „Wirbelsäulen- Weichteil-Modell" einer SpiralCT- Untersuchung verbunden mit einer 3D-Rekonstruktion zugefiihrt. Resultat: Mit der Spiral-CT- Untersuchung und der 3D-Rekonstruktion können am Modell schussbedingte komplexe Verletzungsmuster (z.B. Schusskanal, Knochensplitter, Geschossfragmente) dokumentiert werden. Folgerung: Das „Wirbelsäulen-Weichteil-Simulans" zeigt somit Eigenschaften, die sich für eine radiologische Spiral-CT- Untersuchung und 3D-Rekonstruktion eignen. Aufgrund der experimentellen Modellerfahrungen mit unterschiedlichen Kaliberbeschüssen ergeben sich wichtige Erkenntnisse für rekonstruktive Fragestellungen in der forensischen Praxis. I) 2)
ZUR REKONSTRUKTION VON SCHÄDELSCHUßVERLETZUNGEN O. Peschel, C. Vollmar, U. Szeimies Institut für Rechtsmedizin der LMU, Frauenlobstraße 7a, 80337 München Institut für Radiologische Diagnostik der Klinik Innenstadt, Ziemssenstr. 1, 80336 München Die Handlungsfähigkeit nach Kopfschußverletzungen spielt in der rechtsmedizinischen Praxis immer wieder eine wesentliche Rolle bei der Tatrekonstruktion und auch zur Unterscheidung zwischen Suicid und Tötungsdelikt. Der morphologische Schaden ist jedoch oft nur bedingt auf die Handlungsfähigkeit bzw. ein neurologisches Störungsmuster übertragbar. Bei erheblich fortgeschrittener Leichenfäulnis oder bei vollständigem Fehlen des Gehirns nach pathologisch-anatomischer Vorsektion kann auch die makromorphologische Befunderhebung erheblich erschwert oder gar unmöglich sein. Fragen zur
Handlungsfähigkeit sind dann kaum noch zu klären. Es wurde deshalb ein Verfahren entwickelt, das in solchen Fällen durch radiologische Superprojektion zumindest eine weitgehende Annäherung an einen pathologisch anatomischen Befund ermöglicht. Dabei ist auch eine dreidimensionale Darstellung möglich, die gerade in foro eine gute und nachvollziehbare Grundlage für Rückschlüsse auf die Handlungsfähigkeit darstellt. Die Befunde bei zwei rezenten Tötungsdelikten werden mit Fällen mit autopisch gesichertem Schußkanal verglichen und Erfordernisse sowie Grenzen der Methodik dargestellt.
t,
K. G. Selber B. P. Kneubudil: Wundballistik und ihre balliiiadiea Grundlagen, Springer, Berlin (2000) M. Theli, B. P. Kneubu hl, hi. Hochmeister, R. Dimhofa, Dmelopmast and Evaluation of a new "skin-skull-brain-model" for the study of blunt head c (AAFS) - Meeting - San Francisco and gunshot effects. American Amdemy of Foraesic Si--
mjuna
1998.
V-130 FLUGBAHNREKONSTRUKTION DURCH REM/EDX-ANALYSE VON MIKROSPUREN AN PROJEKTILEN NACH KONTAKT MIT EINEM ZWISCHENZIEL B Karger ', A Hoekstra°, B Stehmann', PF Schmidt°
'Institut für RM, Uni Münster, 48149 Münster, Von-Esmarch- Strasse 62 ° Institut für medizinische Physik und Biophysik, Uni Münster Der Kontakt mit einem Zwischenziel kann große aussen- und endballstische Bedeutung haben. Der Transfer von Zielmaterial und die Anhaftungen am Geschoss wurden nach Perforation unterschiedlicher Zwischenziele mit Rasterelektronenmikroskopie (REM) und energiedispersiver Röntgenmikrobereichsanlyse (EDX) untersucht. Insgesamt wurden 76 Schüsse abgegeben (9 mm Parabellum VM), der Kugelfang bestand aus Papier oder Baumwolle. Neben zahlreichen uncharakteristischen Anhaftungen, z.B. vom Kugelfang oder dem Zündsatz, konnten bei den fragilen (brüchigen) Zielmaterialien Beton, Glass, Asphalt und Rigips an jedem Projektil mittels REM umfangreiche und morphologisch typische Anhaftungen nachgewiesen werden. Diese waren bevorzugt im Bereich der deformierten Spitze lokalisiert (direkter Transfer), fanden sich jedoch auf der gesamten Projektiloberfläche (indirekter „Puder-Effekt "). Die EDX-Analyse dieser Anhaftungen erbrachte charakteristische Spektren und Peaks, anhand derer das Material des Zwischenziels durch Vergleich zuverlässig bestimmt werden kann. Im Gegensatz dazu konnten nach Perforation duktiler (biegsamer) Zwischenziele (verschiedene Autoteile und Holzarten) nur relativ wenige Ablagerungen auf den Geschossen nachgewiesen werden. Die EDXSpektren zeigten meist nur Ähnlichkeiten mit denen des Zwischenzieles. „Leitelemente" wie Wismut oder Titan (Farben, Lacke) und die fibröse Morphologie von Holzfasern im REM können jedoch Hinweise erbringen. In einer zusätzlichen Versuchsreihe konnte gezeigt werden, dass die Bestimmung der Zwischenziele auch durch den nachgeschalteten Durchschuss von Gewebe nicht beeinträchtigt wird. Abpraller und Querschläger können somit in der Praxis in vielen Fällen nachgewiesen und das Material des Zwischenzieles
zuverlässig bestimmt werden.
V-132 KNOCHENSPLITTER ALS SEKUNDÄRGESCHOSSE ? M.A. Rothschild, B.P. Kneubuehl
Institut für Rechtsmedizin der FU Berlin, Hittorfstraße 18, D - 14195 Berlin Gruppe Rüstung, Ballistik- und Detonik-Labor, CH - 3602 Thun Wenn es zu einem Knochendurchschuss kommt, so finden sich häufig in der Umgebung des Schusskanals abgesprengte Knochensplitter. Es wird immer wieder vorgebracht, dass diesen Knochensplittern aufgrund der vom Geschoss übertragenen Energie der Charakter von Sekundärgeschossen mit bedeutendem Zerstörungspotenzial zukomme. Dies wird von unserer Seite auf Grund dutzender Experimente und anhand theoretischer Überlegungen widerlegt: Wieviel Energie wird durch das Projektil beim Knochendurchschlag an den Knochen übertragen? Die übertragene Energie wird in erster Linie für den Knochenbruch aufgewendet und erst in zweiter Linie für die Beschleunigung von Knochensplittern. Auch bei hohen Geschwindigkeiten kommt den aus dem Schusskanal entstandenen Knochensplittern aufgrund ihres sehr geringen Eigengewichts kein wesentliches Zerstörungspotenzial zu. Schaut man sich in der Praxis Schussverletzungen mit Knochentreffern an, so sieht man häufig Knochensplitter sehr wohl innerhalb der Weichteile seitlich vom Schusskanal „stecken ". Wodurch kommt dieser scheinbare Widerspruch zustande? Beim Durchschuss kommt es zu einer je nach Energie mehr oder weniger ausgeprägten temporären Wundhöhle. In dieser-abge herrscht unmittelbar nach dem Geschossdurchgang nahezu ein Vakuum. Werden durch die schussbedingte Knochenverletzung Knochensplitter abgesprengt, so können diese dem Geschoss in die temporären Höhle nachfolgen, in der sie dann — oft weit vom Knochen entfernt — zu liegen kommen. Kollabiert die temporäre Wundhöhle anschließend wieder, so werden die Knochensplitter in den sich bildenden Wundtaschen eingeschlossen und scheinen danach fernab des eigentlichen (bleibenden) Schusskanals am Ende eigener „Schusskanäle" zu liegen. Fazit: Bei Knochentreffern abgesprengte Knochensplitter sollten nicht mehr als Sekundärgeschosse bezeichnet werden. Rechtsmedizin • Supplement 1 •2000 1 S33
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ZUR DYNAMISCHEN PATHOMECHANIK DER EINSCHUSS -WUNDE KONSEQUENZEN FÜR DIE BEGUTACHTUNG
Standard-Gelatine in der Wundballistik ?
D. Kegel, A. Klatt, H. Kijewski Institut für Rechtsmedizin der Universität Göttingen, Windausweg 2, 37073 Göttingen Anlaß für unsere systematischen Arbeiten zur Interaktion von Geschossen unterschiedlicher V o mit Geweben unterschiedlichen Wassergehaltes war die Untersuchung des Polizistendoppelmordes von Holzminden. Unsere Auffassung, daß auch bei Fernschüssen unter bestimmten Umständen mit untypischen Einschüssen zu rechnen ist, war kritisiert worden, konnte aber experimentell untermauert werden. Im Folgenden sollen Ergebnisse neuer Untersuchungen vorgestellt werden. Unterschiedliche Materialien (u. a. tierische Zunge und Lebergewebe) wurden mit Hartmantelmunition bei systematischer Variation der Einflußgrößen beschossen. Die Befunde werden in Verbindung mit dem von uns aufgestellten pathomechanischen Modell am Beispiel praktischer Fälle diskutiert.
C. Schema' , P. Schyma 2 1) Institut für Rechtsmedizin der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf 2) Labor für experimentelle Ballistik, 50330 Hürth Seit Einführung des „wound profile" durch M. Fackler (1985) kann man zehnprozentige Gelatine, die bei 4°C beschossen wird, als Standard ansehen. Dennoch wird im NATO-Bereich 20 % Gelatine verwendet. Um die Frage nach dem Standard zu klären, wurde in Zusammenarbeit mit dem Dienst für Waffentechnik und Munition der GSG 9 10 %, 20 % und recycelte Gelatine in einheitliche Blockgrößen von 15 cm x 15 cm x 30 cm gegossen und bei 4°C beschossen. Als Munition wurde das 5,6 g schwere Action-1 Vollkupfergeschoß (Dynamit Nobel) im Kaliber 9 mm x 19 (Parabellum) verwendet. Die Schüsse wurden aus 5 m Distanz mit einer Glock 17 Pistole ausgeführt und die Geschoßgeschwindigkeit vor dem Ziel gemessen. Die Blöcke wurden in Serienschnitten von 1 cm Dicke analysiert. Nach Photographie und Digitalisierung wurde die Energieabgabe relativ im Profil und in Kumulation ermittelt. Alle Geschosse pilzten erwartungsgemäß gleichmäßig auf. Während sich die Energieabgabe in allen Gelatinezubereitungen gleichartig darstellte, unterschieden sich die Penetrationsstrecken beträchtlich (10 cm mehr in 10 % Gelatine). Die größten Unterschiede zeigten sich jedoch in der Morphologie der Schädigung. In 10 % Gelatine waren die radiären Risse länger als in 20 % Gelatine, während die recycelte Gelatine konzentrische, zwiebelschalenartige Rupturen aufwies. Die vorgestellten Ergebnisse relativieren die Diskussion um einen Standard. Die Kenntnis der Versuchsparameter bleibt jedoch weiterhin die wichtigste Voraussetzung für die Interpretation wundballistischer Simulationen.
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UNTERSUCHUNG VON SCHUßSPUREN UND SCHUßWIRKUNGEN AN EINSCHUßWUNDEN MITTELS FTIRMIKROSKOPIE
UNTERSUCHUNGEN ZUR ANATOMISCHEN WISSENSCHAFT IN WIEN 1938-1945: EIN FALL AUS DEM GERICHTSMEDIZINISCHEN INSTITUT
C. Klatt, B.-H. Briese, H. Kijewski
Daniela Angetter, G. Bauer Institut für Geschichte der Medizin u. Institut für Gerichtliche Medizin der Universität Wien
Institut für Rechtsmedizin der Universität Göttingen, Windausweg 2, 37073 Göttingen Es wurde ein FTIR-Gerät (Modell 740 SX) der Fa. Nicolet in Verbindung mit einem IR-Planmikroskop mit MCT-Detektor eingesetzt. Materialien unterschiedlicher Herkunft wurden bei systematischer Variation von Druck, Temperatur und chemischen Einflüssen vorbehandelt, sowie beschossen. Diese Untersuchungen sollen der Einordnung der an Schußverletzungen zu erhebenden Befunde dienen. Art und Umfang dieser Veränderungen werden im Überblick und an exemplarischen Beispielen dargestellt. Die bei der Untersuchung von Schußspuren und Schußwirkungen mittels FTIR-Mikroskopie gewonnenen Erfahrungen konnten mit Nutzen zur Interpretation der Befund bei einem Tötungsdelikt genutzt werden. Am Beispiel dieses Falles werden die Möglichkeiten und Grenzen der FTIRMikroskopie diskutiert.
S34 I Rechtsmedizin • Supplement 1.2000
Im Rahmen des Senatsprojektes der Universität Wien „Untersuchungen zur Anatomischen Wissenschaft in Wien 1938-1945" sollte geklärt werden, ob Präparate vorhanden sind, die von Opfern des Nationalsozialismus stammen könnten. Im Museum des Wiener Gerichtsmedizinischen Institutes erwies sich ein Präparat von herausragender Relevanz, nämlich die Schädelkalotte des am 11. April 1938 verstorbenen Generals der Infanterie, Wilhelm Zehner, der sich in der Nacht vom 10. auf den 11. April 1938 in seiner Wohnung in der Vorderen Zollamtstraße 7, 1030 Wien erschossen hat — oder erschossen wurde ??? Wilhelm Zehner war 1934 von Bundeskanzler Dollfuß als Staatssekretär in das Landesverteidigungsministerium nach Wien berufen worden. Gegen Mitternacht des 10. April 1938, also unmittelbar nach der „Volksabstimmung" verschafften sich Beamte der Stapo Einlaß in die Wohnung des General Zehner, bis schließlich ein Schuß fiel und bei der späteren polizeilichen Kommissionierung die Leiche des General Zehner mit einem Kopfschuß aufgefunden wurde. Von gerichtsmedizinischer Seite wurden die Befunde in Richtung eines Selbstmordes interpretiert. In den Jahren nach dem Krieg wurde jedoch immer wieder die Behauptung aufgestellt, General Zehner sei damals erschossen und ein Selbstmord nur vorgetäuscht worden, was schließlich 1951 auch zu einer Mordanklage im Landesgericht für Strafsachen Wien geführt hat. Die neuerliche Analyse des Falles unter Berücksichtigung der eingesehenen Akten im Wiener Stadt- und Landesarchiv ergibt keinen Zweifel an einer korrekten gerichtsmedizinischen Begutachtung.
P-137
P-139 KINSHIP RELATION OF INDIVIDUALS FROM MEROVINGIAN TOMB OF NOBILITY IN NIEDERSTOTZINGEN (GERMANY)
MITOCHONDRIALE MUTATIONEN IN TUMORGEWEBEN S. Lutz'-; M. Große Perdekamp'; Y. Sunz; R. Guttenberger 2 ; S. Pollak';
U.-N. Riede' 'Institut für Rechtsmedizin, Albertstr. 9, 79104 Freiburg ZRadiologische Universitätsklinik, Hugstetter Straße 55, 79106 Freiburg 'Pathologisches Institut, Albertstr. 19, 79104 Freiburg Aufgrund des Vorkommens reaktiver Sauerstoff-Verbindungen im Mitochondrium und des Fehlens sowohl von DNA-protektiven Histonproteinen als auch eines hocheffizienten Reparatursystems akkumulieren Mutationen besonders innerhalb der mitochondrialen DNA. Kürzlich veröffentliche Untersuchungen an primärem Tumorgewebe wiesen auf eine besonders hohe Mutationsfrequenz bei Blasen- und Lungentumoren sowie bei Karzinomen im Kopf-Hals-Bereich hin. Ziel der vorgestellten Studie ist die Detektion von Mutationen sowohl im nicht-kodierenden d-loop, als auch in kodierenden Abschnitten der mitochondrialen DNA. Dabei wird die Zusammensetzung der mitochondrialen Haplotypen durch Klonierung und nachfolgende Sequenzierung bestimmt. Gegenstand der eigenen Untersuchung sind Tumore aus dem Kopf-Hals-Bereich, von denen in einer vorausgehenden Studie gezeigt wurde, daß sie häufig mit Mutationen der genomischen DNA (z.B. p53-Gen und PTEN-Locus) einhergehen.
P-138
M. Zeller (1), H.-D. Wehner (1), A. Czarnetzki (2), N. Blin (2) (1) Institute of Forensic Medicine, University of Tübingen, Nägelestrasse 5, D-72074 Tübingen, Germany (2) Institute of Anthropology and Human Genetics, University of Tübingen, Wilhelmstrasse 27, D-72074 Tübingen, Germany Some biological attributes could be deduced from ancient DNA. During past years the identification of hereditary charactaristics from skeletal material became of great interest. With our powerful extraction method we are able to extract successfully ancient DNA molecules from archaeological remains. The ability to establish the sex and relationship of such skeletal remains contributes important information to archaeological and anthropological analyses. In many instances related also to forensic questions, determination of sex and relationship of soil-stored skeletal remains is desirable. We carried out analyses on historic skeletal remains of three noble individuals from merovingian tomb in Niederstotzingen (Germany). The sex determination was made by means of amelogenin and DYS390. The results were not congruent with morphological data (three males). One heavily armed lady was evident buried with two warriors. An interessant relationship was proved in the tomb examined. The analysis of STR (short tandem repeat) markers and the examination of sequence polymorphisms in D-loop region of mitochondrial DNA are the most powerful tool to genetically distinguish among individuals and to determine familial relationships.
P-140
MT-DNA IN HORSES - A POWERFUL TOOL FOR THE DISTINGUISHMENT OF INDIVIDUALS
UNTERSUCHUNGEN ZU MÖGLICHEN MECHANISMEN DER PCR-HEMMUNG BEI HAAREXTRAKTEN
M. Poetsch, S. Seefeldt, M. Maschke, E. Lignitz Institut für Rechtsmedizin, Universität Greifswald, Greifswald
K. Bender, P. Emmerich, L. Pötsch
Forensic scientists in the field of DNA analysis are not only occupied with the identification of human beings, but more and more with the distinguishment of individual animals. In addition to genomic DNA, mt-DNA has been proven as a good possibility for the identification of difficult traces, especially hairs. In recent years, the theft and slaughter of horses in rural areas have become a major problem, in which the identification of single animals was in demand in forensic investigations. Here, we demonstrate the applicability of mt-DNA of horses in such forensic problems. The analysis of a greater part of the control region without the GTGCACCT-repeat in 21 unrelated horses comprising of eleven Mecklenburger, two Hannoveraner and eight other races revealed 37 polymorphism in comparison to the published sequence of Equus caballus. Some of these polymorphism occured in most analysed horses, but no two animals displayed the same combination of polymorphism. This clearly demonstrates the usefulnes of mt-DNA in investigations concerning the identification of individual horses.
Institut für Rechtsmedizin, Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Am Pulvertunn 3, 55131 Mainz Haarspuren bereiten bei der DNA-Typisierung immer noch Probleme. Bei der DNA-Extraktion von Haaren werden offensichtlich PCR-Inhibitoren mitisoliert. Als solcher Hemmstoff wird seit Jahren das Haarpigment diskutiert. Von den Autoren wurde vermutet, daß Melanine als Polyanionen (Eumelanin) und Zwitterionen (Pheomelanin) Kationen binden und damit als Mg t+-Fänger fungieren können. Beide Hauptklassen der natürlichen Pigmente unterscheiden sich in ihren physikalischen und chemischen Eigenschaften. Daher wurde untersucht, ob synthetisches Eumelanin und Pheomelanin mit gleicher Effizienz hemmen und welcher Mechanismus dafür mit verantwortlich sein dürfte. Durch die Verwendung steigender Euund Pheomelaninkonzentrationen wurde zunächst bestimmt, ab welcher Menge eine Hemmung der PCR eintritt. Mit diesen Melaninkonzentrationen (Eumelanin: 250 ng; Pheomelanin: 2,5 µg) wurde die Mg2 '-Konzentration im PCR Ansatz sukzessiv erhöht. Dabei zeigte sich, daß Melanine die Mg t+ -Ionen in einem Konzentrationsbereich von 1,5-6 mM puffern. Bei Anwesenheit von Melanin im PCR Ansatz wurde die Menge an freien Mg t -Ionen offensichtlich in einem solchen Ausmaß reduziert, daß eine Inhibition auftrat. Diese ließ sich durch Erhöhung der Mg 2 tKonzentration revertieren und eine korrekte Amplifikation der mtDNA war möglich. Da die festgestellten Hemmkonzentrationen beider Melaninklassen an Spurenhaarextrakten kaum erreicht werden dürften, müssen zusätzliche Faktoren außer Melanin für die PCR Inhibition verantwortlich sein.
Rechtsmedizin • Supplement 1 .2000 1 S35
P-141
P-143
UNTERSUCHUNG ALLELVARIANTEN UNGARISCHER POPULATIONSSTRICHPROBEN IN DEN CODIS-STRSYSTEMEN
AACHENER DATEN ZUR POPULATIONSGENETIK DER STRSYSTEME VWA UND FGA
Zs. Pädär , B. Egyed, G. Kemeny, J. Woller, S. Füredi
Abteilung für Biologie, Institut für Forensische Wissenschaften, Ungarn Abstract Seit der Einführung in die gerichtliche DNA-Analytik kommt dem „STRProfiling" zur forensischen Identifizierung biologischen Spurenmaterials eine vorrangige Bedeutung zu. Die damit verbundenen Anforderungen an die Qualitätskontrolle und -sicherung in forensisch tätigen DNALaboratorien und die Etablierung von DNA-Datenbanken erforderte eine Festlegung auf DNA-Kern-Systeme. Zu diesem Zweck wurden in den Vereinigten Staaten 13 „core" STR-Loci (D3S1358, VWA, FGA, D8S1179, D21S11, D1SS51, D5S818, D13S317, D7S820, D16S539, TH01, TPDX, CSFIPO) für die nationale DNA-Datenbank (CODIS — Combined DNA Index System) ausgewählt. Im Rahmen unserer Untersuchungen wurden drei verschiedene Populationsstichproben ungarischer Kaukasier (insges. 566 Proben) und zusätzlich forensische Vergleichsproben mit den CODIS- Systemen typisiert. Die Analyse erfolgte mit multiplex-PCR und automatisierter Detektion der fluoreszensmarkierten PCR- Produkte. Für die Loci FGA, D18S51 und D7S820 wurden seltene Interallele nachgewiesen. Diese Interallele wurden nach Sequenzierung defmiert und in die forensische Nomenklatur eingeordnet. Auffällig war, daß im System D13S317 „allelicdrop-out" nachgewiesen werden konnte.
U. Cremer', H-G. Scheil 2 , K.-H. Schiwy-Bochat', H. Althoff 'Institut für Rechtsmedizin, Universitätsklinikum der RWTH Aachen, Pauwelsstr. 30, D-52057 Aachen 2 Institut für Humangenetik und Anthropologie der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf Für die vorgestellte Studie wurden an einer Stichprobe von 535 nichtverwandten Personen aus dem Raum Aachen die Polymorphismen der DNADatenbank relevanten STR-Systeme VWA und FGA untersucht. Nach Amplifikation der aus EDTA-Blutproben isolierten DNA unter Verwendung fluoreszenzmarkierter Primer wurden die jeweiligen Allele im denaturierenden Gelsystem auf dem ALF e ss (Amersham Pharmacia Biotech, Freiburg) typisiert. Die erhaltenen Daten wurden anhand des Hardy-Weinberg-Äquilibriums überprüft. Die regionalen Allelfrequenzen und die Genotypverteilung werden mitgeteilt.
"°"
P-142
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POPULATIONSGENETISCHE UNTERSUCHUNG EINER
DAS SPURENMATERIAL KOT
UNGARISCHEN ROMA POPULATION MIT 13 STRSYSTEMEN B. Egyed' , S. Füredi', G. Kemeny', I. Balogh 2 , J. Woller', Zs. Pädär'
'Abteilung für Biologie, Institut für Forensische Wissenschaften, Budapest 2
Institut für Biochemie und Molekular-Pathologie, Universität Debrecen,
Ungarn Abstract Eine Populationsstichprobe 116 ungarischer Zigeuner aus nord-ost Ungarn wurde mit den dreizehn STR-Systemen D3S1358, VWA, FGA, D8S1 179, D21S11, D18S51, D5S818, D13S317, D7S820, D16S539, 11101, TPDX und CSFIPO typisiert. Von diesen STRs zeigten D8S1 179 und D13S317 Abweichungen vom Hardy-Weinberg-Gleichgewicht. Die Verteilungen der Allelfrequenzen einiger STRs wiesen signifikante Unterschiede zu den Daten einer kaukasischen Referenz- Population aus Zentral-Ungarn und einer Roma-Population aus Südwest-Ungarn auf. Die genetische Diversität wurde mittels F- und I-Statistik berechnet und damit die genetische Struktur der drei Populationen festgestellt. Die signifikanten Unterschiede in der genetischen Struktur der Populationen sind für die forensische Statistik zu berücksichtigen.
S36 1 Rechtsmedizin • Supplement 1.2000
U.-D. IMMEL
Historische Anthropologie und Humanökologie, Institut für Zoologie und Anthropologie der Universität Göttingen, Bürgerstraße 50, 37073 Göttingen, Tel. 0551-393649. E-mail:
[email protected] Im Laufe der neunziger Jahre ist die genetische Typisierung mit zu einem der wichtigsten Analyseverfahren in der kriminaltechnischen Untersuchung von biologischem Spurenmaterial geworden. Grundsätzlich sind für die Extraktion von DNA unterschiedlichste Biomaterialien wie Weichgewebe, Blut, Urin und Haare geeignet. In dieser Studie wird gezeigt, daß durch die erfolgreiche molekulargenetische DNATypisierung aus Kot individuelle Allelprofile erstellt werden können, die u.a. die Rekonstruktion von Verwandtschaft ermöglichen. Der Studien lagen Kotproben verschiedenen Ausgangsmaterials und Degradierungsgrades vor, um so die verschiedenen Beeinflussungen auf die DNA-Extraktion und die molekulargenetische Analyse der Kotproben zu bewerten. Zudem wurden verschiedenen Möglichkeiten der Konservierung des Probenmaterials Kot getestet, die eine längere Lagerung des Probenmaterials und eine anschließende molekularbiologische Analyse ermöglichen. Durch die speziell für das Probenmaterial Kot ausgerichtete Wahl eines sensiblen Extraktionsverfahrens, der automatisierten CTAB-Phenol-ChloroformExtraktion, ist es möglich die im Kot enthaltene individualspezifische DNA der Darmepithelzellen zu isolieren. Von den aus Kot isolierten DNA-Extrakten ausgehend, wurden einzelne Genabschnitte amplifiziert. Dabei wurden neun STRs sowie das geschlechtsspezifische Amelogeninsystem mit Hilfe des Profiler Plus Kits amplifiziert. Die Amplifikationsprodukte wurden anschließend mit Hilfe einer computergestützen Fragmentlängendetektion auf einem 373 Sequenzierer reproduzierbar typisiert.
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ZUM SPERMANACHWEIS NACH ORALVERKEHR
DISKRIMINANZANALYSEN ZUR GESCHLECHTSDIAGNOSE AM MENSCHLICHEN SCHÄDEL
Tatschner. Th. und Lang, C. Institut für Rechtsmedizin der Julius-Maximilians-Universität Würzburg Versbacher Str. 3, 97078 Würzburg Bei Sexualdelikten kann die Frage, wie lange sich nach Oralverkehr Spermien in der Mundhöhle Lebender nachweisen lassen, von Bedeutung sein. Um dieser Frage nachzugehen, wurden von Frauen, die mit ihrem Partner Fellatio praktizierten, nach vollzogenem Oralverkehr Mundhöhlenabstriche zu jeweils vorgegebener Zeit entnommen und auf einem Objektträger ausgestrichen. Zwischen Ejakulation und Abstrichentnahme durfte nicht geküsst, getrunken, gegessen und geraucht werden. An den Abstrichtupfern wurde die Reaktion auf Saure Phosphatase mittels PHOSPHATESMO KM geprüft. Zupfpräparate der Tupfer wurden nach Baecchi, die Ausstriche mit Hämatoxillin-Eosin gefärbt und lichtmikroskopisch nach Spermien untersucht. Ergebnis: Noch 80 Minuten nach vollzogenem Oralverkehr ließen sich im HE-gefärbten Ausstrich Spermien nachweisen. Die Reaktion auf Saure Phosphatase war bis zu einem Entnahme -Zeitraum von 45-60 Minuten positiv. Am wenigsten eignet sich die Färbung nach Baecchi, die am Zupfpräparat nur bis 45 Minuten Spermien erkennen ließ.
D. Versmold , Th. Reineke, K.-H. Schiwy-Bochat . Institut für Rechtsmedizin der RWTH Aachen, 52057 Aachen Institut für Medizinische Statistik, Informatik und Epidemiologie der Universität zu Köln Neben der klassischen morphologischen Methodik zur Geschlechtsdiagnose am Schädel bei unbekannten Leichenfunden hat die Diskriminanzanalyse auf der Basis kraniometrischer Daten mittlerweile einen festen Platz in der forensischen Praxis eingenommen. Für die praktische Anwendung liegen Diskriminanzfunktiionen von Giles und Elliot vor, die an rezenten Stichproben gewonnen wurden und mit einer Missklassifikationswahrscheinlichkeit zwischen 0.134 und 0.155 publiziert wurden. Einer der in die meisten der Funktionen eingehenden Parameter ist die Mastoidhöhe MDH. An vielen forensischen Schädeln ist dieser Parameter, bei frakturiertem Gesichtsschädel, jedoch nicht exakt bestimmbar. Von 167 rezenten Schädeln (75 weiblich, 92 männlich) wurden kraniometrische Daten erhoben. Alternativ zur Mastoidhöhe MDH wurden zwei Höhenmessungen des Mastoids durchgeführt, bei denen die Orbitaunterkante zur Bestimmung der Ohr-Aug-Ebene nicht benötigt wurde. Die Anwendung der Originalfunktionen erbrachte am eigenen Material richtige Bestimmungen zwischen 80,52 % und 83,95 %. Die alternativen Mastoidmessungen ergaben teilweise etwas bessere Ergebnisse bis 84,57 %. Die alternativ zur Mastoidhöhe MDH verwendbaren Messungen werden beschrieben. Weiterhin wurden mit den kraniometrischen Daten eigene Diskriminanzfunktionen erstellt. Hierbei wurde besonderes Augenmerk auf die praktische Anwendbarkeit gelegt und Funktionen ohne Parameter aus häufig beschädigten Regionen ermittelt. Die Ergebnisse werden vorgestellt. 'Giles E, Elliot 0(1963) Sex determination by discriminant function analysis of crania. Am J PhysAnthrop 21:53-68
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SKELETTIDENTIFIKATION NACH 9 JAHREN LIEGEZEIT MIT KLASSISCHEN METHODEN
GESCHLECHTSBESTIMMUNG AN UNTERSCHENKELKNOCHEN
W. Huckenbeck, P. Gabriel, T. Daldrup Institut für Rechtsmedizin, Heinrich-Heine-Universität, Moorenstr. 5, 40225 Düsseldorf
G. Mall, F. Dahlmann, A. Büttner, R. Penning, M. Hubig Institut für Rechtsmedizin der Ludwig- Maximilians-Universität München
Im März 2000 wurde in einem Waldgelände ein menschlicher Schädel gefunden. Eine Durchsuchung des Geländes führte zum Fund fast aller übrigen Knochen des Skeletts. Anhand der anthropometrischen und pathologisch-anatomischen Untersuchungen ergaben sich die folgenden Befunde: männliches Geschlecht, eine Körperlänge vermutlich über 180 cm, ein bereits zu Lebzeiten fast zahnloses Gebiss und schwere degenerative Veränderungen der Wirbelkörper. Für ein höheres Lebensalter sprachen die Zahn- und Wirbelkörperbefunde, der Längsschnitt eines Femurknochens hingegen für ein Alter deutlich unter 60 Jahren. Die Leichenliegezeit wurde mit mindestens 4 Jahren, eher aber mit bis zu 10 Jahren eingeschätzt. Mit den Knochen verwobene minimale Kleidungsreste wurden als blaue Arbeitskleidung (vermutlich Overall) identifiziert. Als weiteres Individualmerkmal fand sich eine verheilte Rippenfraktur einer rechten Langrippe. Beim Abgleich mit den bei der Polizei vorliegenden Vermisstenanzeigen kristallisierte sich ein männlicher Patient einer in der Nähe befindlichen Landesklinik heraus, der seit 1991 abgängig war. Als Individualmerkmale fanden sich ein Alter von 40 Jahren, Körperlänge ca. 190 cm, Adipositas permagna, gebückter Gang und eine Vorliebe für blaue Arbeitskleidung. Durch Hinzuziehen der Krankenakten fanden sich ein übereinstimmendes Zahnschemata sowie Röntgenthoraxaufnahmen nach Rippenfraktur. Der vorliegende Fall demonstriert, dass auch in Zeiten hochtechnologischer Arbeitstechniken die klassischen Arbeitsmethoden der Rechtsmedizin nicht vernachlässigt werden dürfen. Da eine Psychopharmaka-Therapie des Patienten bekannt war, wurde zwecks Ermittlung der Todesursache der toxikologische Nachweis am Knochenmaterial versucht.
Im Rahmen der vorliegenden Untersuchung wurden die Tibiae und Fibulae von insgesamt 175 Leichen, 79 männlichen mit einem Durchschnittsalter von 76 Jahren und 96 weiblichen mit einem Durch Jahren, aus dem Fundus des anatomischen Instituts-schnitalervo81 vermessen. Folgende Maße wurden genommen (in Klammem jeweils der Mittelwert ± der Standardabweichung für Männer bzw. Frauen): Bei der Tibia die größte Länge (38,25 ± 2,54 bzw. 35,99 ±1,82 cm), der Abstand zwischen medialem Plateau und Malleolus medialis (37,19 ± 2,42 bzw. 34,87 ± 1,87 cm), die proximale Breite (8,30 ± 0,44 bzw. 7,46 ± 0,42 cm), der sagittale Durchmesser in Schaftmitte (3,29 ± 0,23 bzw. 2,96 ± 0,25 cm) und die größte distale Breite (5,27 ± 0,46 bzw. 4,72 ± 0,40 cm). Bei der Fibula die größte Länge (37,50 ± 2,11 bzw. 35,14 ± 1,81 cm), die größte proximale Breite (3,00 ± 0,27 bzw. 2,60 ± 0,25 cm), der sagittale Durchmesser in Schaftmitte (1,56 ± 0,22 bzw. 1,49 ± 0,22 cm) und die größte distale Breite (2,97 ± 0,24 bzw. 2,61 ± 0,26 cm). An den einzelnen Maßen wurden Diskriminanzanalysen mit Fallauslassung durchgeführt: Der höchste Prozentsatz korrekt klassifizierter Fälle wurde mit der proximalen Breite der Tibia (82,8%) erreicht. Bei Analyse aller Maße mit der schrittweisen Methode konnten bei der Tibia mit proximaler (b1) und distaler Breite (b,) sowie dem Schaft Fälle korrekt klassifiziert werden; die Dis -durchmes(b3)85,%dr lautet: 0,997 b + 1,680 b2 + 1,194 b3 - 20,095. Bei-krimnazfuto der Fibula konnten mit größter Länge (b1), proximaler (b2) und distaler Breite (b3 ) 82,7 % der Fälle korrekt klassifiziert werden bei der folgenden Diskriminanzfunktion: 0,235 bi + 1,895 b2 + 1,544 b3 - 18,075. Rechtsmedizin • Supplement 1 •2000
1 S37
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P-151 DIE FOTOGRAFIE - EIN HOCHWERTIGER
INFORMATIONSTRÄGER BEI DER IDENTIFIZIERUNG UNBEKANNTER TOTER K. Rötzscher, C. Grundmann Arbeitskreis für Forensische Odonto- Stomatologie Wimphelingstraße 7, 67346 Speyer Die Identifizierung des Leichnams eines Unbekannten gehört in den Aufgabenbereich des Staatsanwaltes (Unnatürlicher Tod, Leichenfund § 159 StPO), der wiederum die zuständige Polizeibehörde mit der Durchführung der Identifizierungsmassnahmen beauftragt. Die zuständige Polizeibehörde wird gemäss § 163 StPO [Erster Zugriff der Polizei] die Sicherung von Beweismaterial (Leichen und
Leichenteile) vor Ort betreiben. Die Identitätsfrage ist vor der Leichenöffnung zu klären (§ 88 StPO). Fotos, Fingerabdrücke für die Zwecke des Erkennungsdienstes sowie Messungen können vorgenommen werden (§ 81b StPO). Die äussere und innere Leichenschau bei unbekannten Toten dient insbesondere dem Nachweis von Identitätsmarken. Führt dies durch widrige Umstände (Brandeinwirkung, lange Liegezeit, ungünstige Witterung, längerer Aufenthalt im Wasser, Fäulnis, Skelettierung etc.) nicht zum gewünschten Ergebnis, wird das Gebiss (Kiefer und Zähne soweit vorhanden - aufgrund seiner Widerst andsfähigkeit gegen die genannten Unbilden) in die Untersuchung einbezogen. Über die Sektions und Mazerationstechnik im orofazialen Bereich wurde bereits anderenorts berichtet (Grundmann u. Rötzscher 1999). Infolge der Detailvielfalt kann bereits ein einziges Foto einen hochwertigen Informationsträger bilden. In der Regel genügen schwarz/weiß -Fotos. Besser sind Farbaufnahmen. Diese Art der Spurensicherung ist überzeugend. Die Vorgehensweise vor und nach Kieferentnahme wird demonstriert.
IMMUNHISTOCHEMISCHE DIAGNOSTIK DER HERZ
-KONTUSI
J. Dreßler, J. Peter, E. Müller
Institut für Rechtsmedizin, Medizinische Fakultät Carl Gustav Carus der Technischen Universität Dresden, Fetscherstraße 74, 01307 Dresden
Gewalteinwirkungen gegen den Thorax können zur Verdachtsdiagnose Herzkontusion führen. Oftmals fehlen am Myokard makroskopische Verletzungsbefunde. Anhand von histologischen und immunhistochemischen Untersuchungen wird die Erkennbarkeit traumatischer Herzmuskelfaserschädigungen geprüft. — An 21 Obduktionsfällen (11 bekannte Herzkontusionen / 10 Kontrollen ohne vitales Myokardtrauma) wurden histologische (Hämatoxylin-Eosin, v. Gieson, PTAH) und immunhistochemische (Anti-Myoglobin, - Fibrinogen, -Desmin, -Fibronektin, -C5b-9) Untersuchungen durchgeführt. Die Bewertung der Intensität und Häufigkeit der immunhistochemischen Reaktionen erfolgte mit einem semiquantitativen Score. — In Abhängigkeit von der Überlebenszeit und der Stärke der Traumas konnten in den Kontusionsfällen charakteristische Befunde nachgewiesen werden, die sich in kontusionsfreien Proben nicht darstellten. Die Ergebnisse werden fotografisch gegenübergestellt. — Treten mindestens 2 positive konventionelle und/oder immunhistochemische Reaktionen auf, kann die Diagnose Herzkontusion bestätigt werden.
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IMMUNHISTOCHEMISCHE UNTERSUCHUNG VON UBIQUITIN IN DER SUBSTANTIA NIGRA DES MITTELHIRNS: EIN VERSUCH ZUM NACHWEIS DER ZNS-REAKTIVITÄT BEIM
X-RAY FLUORESCENCE SPECTROMETRY (XRFS), IN FORENSIC MEDICAL EXAMINATION OF PUNCH AND SLASH INJURIES.
TOD
L. Quan, B-L. Zhu, K. Ishida, S. Oritani, M.Q. Fujita, H..Maeda Instiutt für Rechtsmedizin der Städtischen Universität Osaka, Asahimachi 1-4-3, Abeno, 545-8585 Osaka, Japan Ubiquitin ist ein wohlbekanntes Hitzeschockprotein, das auf verschiedene Stresse sehr schnell reagiert. Vorliegende Untersuchung wurde durchgeführt , um die immunhistochemische Ausprägung von Ubiquitin in der Substantia nigra des Mittelhirns in Beziehung zur ZNS-Reaktivität bei Todeseintritt auszuwerten. Ubiquitin wurde in den Kernen der melaninhaltigen Nervenzellen deutlich in zwei Immunfärbungsmustern dargestellt: Einschlusskörperchen (wahrscheinlich Marinescu- Körper) und diffuse Anfärbung. Die diffuse Anfärbung wurde häufig fast ausschließlich beim Ertrinken und Verbrennen nachgewiesen. Unter Berücksichtigung des Alters der Opfer (>40 J.) war der Prozentsatz der gesamten Ubiquitin- positiven Zellen (Ubpositiv-%) beim Tod durch Strangulationsaphyxie (5.2-28.4 %) und Ertrinken (7.0-34.1 %) hoch, beim Tod durch Erhängen (6.5-12.7 %) und Hirnstammverletzungen (0-10.4 %) generell niedrig. Beim Verbrennungstod zeigte Ub- positiv -% unabhängig von der Karboxyhämoglobinkonzentration eine große Variation (1.6-43.6 %) mit der Tendenz, daß die diffuse Anfärbung in Fällen mit höheren Cyanidkonzentrationen selten gefunden wurde. Die oben erwähnten Ergebnisse weisen darauf hin, daß die UbiquitinImmunmarkierung in den malininhaltigen Nervenzellen des Mittelhirns von Hyperaktivität gegen tödliche Gewalteinwirkungen (Stresse) abhängt. Zur Bewertung des ZNS-Reaktivität (d.h. Handlungsfähigkeit) beim Tod durch Erstickung, Ertrinken bzw. Verbrennung stellt das Verfahren eine
Möglichkeit dar.
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V.Popov, V.Olejnik. Regional office of Forensic Medicine Examination, 36/40, Shkapina st., Sankt-Petersburg, 198092, Russia XRFS is one of the effective laboratory techniques in forensic medical examination of punch and slash injuries. "Spectroscan" (Russia) is used for this examination: elements are detected from Na to U, preliminary sample preparation is not required, the work is carried on with native preparations, the detection limit per 100 sec is 1,0 mg/sm2, the mass detection limit is 0,03 mg/sm2, the total apparatus error is 5%, that of the method is 5%. The method is highly sensitive, specific, efficient, resultative, expressive (the first results are obtained within ten sec), and economic. Objects for examination: injuring things (knives, daggers, medical, technical and constructing tools and alike) and injuries proper of the skin, intestines and clothing. The database numbers over 110.000 examined objects - the results often years' work. Results. The alloy basis (Fe) as well as additions: Cr, Ni, Co, Ti, Mo, Mg, W, V, etc, are revealed in injury edging and walls. Through them the steel class is identified. The amount of the revealed basic and alloyed metals can testify a different degree of wear in the injuring object. Different amounts of metals at the wound edges or on the opposite wound walls can be the evidence of the fact that the blade penetrated a body forcefully, or can point to its sharp or blunt edge, or to one of the blade sides. In case of multiple injuries, the composition of the revealed chemical elements can prove the injury was done by several objects, and different amount of the revealed metals can define the sequence of the injuries. XRFS is a comparative technique, therefore control pieces should be chosen very carefully.
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PRESSURE ON THE NECK CALCULATED FOR ANY POINT UNUSUAL WOUNDS OBSERVED IN A MULTIPLE ALONG THE LIGATURE STABBING VICTIM V.D.Khokhlov Bureau for medico-legal expertise. Apt. 147, 35 Svetlanovskiy Ave., St.Petersburg, 194223 Russia. To achieve the purpose of this theoretical study, the human neck was simulated as a cylinder. It was considered that the ligature completely covers the neck in horizontal or oblique plane. The sought-for P force is equalized with resilience of the neck soft tissues, and its quantity is directly proportional to loop tension and inversely proportional to radius of an arch and to the width of the ligature. Since the transverse section of a cylinder is a circle with constant curve, horizontal envelopment of the neck makes index P invariable along the loop perimeter. Medico-legal practice shows that strangulation groove in typical cases of homicidal strangulation is manifested equally at all sides of the neck. At the same time in most hangings the ligature mark is much more pronounced in its lower point, and this can be substantiated theoretically. An oblique section of a cylinder is ellipse with changeable index of an arch curve, and P force undergoes the same proportions as in case with a transverse envelopment of a cylinder. P force can be calculated if we know strain of the ligature, radius of the neck and the angle of ellipse inclination towards the horizontal plane. Geometrical formulae, characterizing ellipse, were used. Changes in quantity of P force can be represented as W-shaped diagrams. Interestingly, irrespective of loop inclination angles, maximum P indices vary within 20% range, though difference for minimal indices makes up tens and hundreds per cent. Results of the study may be useful for investigation of thanatogenesis and pathomorphology of strangulation.
Keiichi Yamamoto, Tamaki Hayase, Yoshiko Yamamoto Department of Legal Medicine, Kyoto University Faculty of Medicine, Kyoto, Japan There were 4 wounds (A,B,C and D). Wound A began with 2 horizontal wounds at the left jaw, then became a gaping wound and ended at the left side of the nape. Wound B was a wound on the chest. The wound track ended in the lower lobe of the left lung. Wound C was situated slight below the navel. The wound track ended at the front of the 5th lumbar vertebra. A wound measuring 2.1 x 0.3cm was found on the posterior peritoneal wall and a 2.3 cm long wound on the front of the 5th lumbar vertebra. The left common iliac artery was cut. Wound D was on the back. A kitchen knife was a possible murder weapon. It was difficult to determine, from external appearance alone, that wound A was caused by a stabbing attack. The initial theory was an incised wound. However, this had to be excluded when Wound B was considered, because it was produced by a stabbing attack with a weapon with the point downwards. Therefore, wound A must have been inflicted with the weapon held in the same manner. The stabbing attack probably failed, only to inflict a shallow injury in the neck. A reversed relationship between the lengths of the wounds was because the peritoneum lies loosely on the lumber vertebra and is movable. The weapon probably slipped off the front of the lumbar vertebra without enlarging the wound in the overlying peritoneum.
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"STRANGULATION" DURCH BETTBRETT - EIN BEITRAG ZUR GERIATRISCHEN RECHTSMEDIZIN
KASUISTIK: TAUCHUNFALL
D. Stiller; U.Romanowski, M.Kleiber Institut für Rechtsmedizin der Martin-Luther- Universität Halle Wittenberg 06097 Halle /Saale In der Altenpflege werden sogen. Bettbretter zum Schutz von orientierungsgestörten Patienten verwendet, um das Herausfallen aus dem Bett zu verhindern. Problematisch ist die Anwendung bei noch genügend mobilen Pflegebedürftigen, die das Brett als überwindbares Hindernis
empfinden und versuchen, das Bett selbstständig zu verlassen. Wir möchten hier zwei Fälle einer "Strangulation" durch Bettbretter vorstellen, denen wir trotz ähnlicher äußerer Verletzungsbilder unterschiedliche Bedeutung für den Todeseintritt beimaßen: Fall 1:
Fall 2:
Einklemmung des Halses zwischen gelockertem Bettbrett und Bettkante beim Versuch, das Bett zu verlassen. Keine Erstickungszeichen, jedoch Zerrungsblutungen am sternalen Ursprung der Mm. stemocleidomastoidei Nach eigenmächtigem Verlassen beim Wiedereinstieg ins Bett Einklemmung des Halses. Massive Erstickungszeichen und Konjunktiven, Kehlkopf- (Petechien der Zungenbeinverletzungen, Kopfwendermuskeln).
Zerrungsblutungen
J. Herbst, B. Hoppe, L. Aithaus, U. Preiß Institut für Rechtsmedizin — Universitätsklinikum Essen Hufelandstr. 55, 45 122 Essen
Beim Tauchen mit Helmtauchgeräten zählt der sogenannte „Tauchersturz" oder „Taucherabsturz" zu den sehr seltenen Unfällen. Dabei handelt es sich um ein massives Unterdruck gesamten Kopfes, des Halses und des oberen-Barotumdes Brustansatzes sowie der Lungen, welches ein typisches Befundbild mit massiver Dunsung der Haut und Einblutungen im Kopf- und Halsbereich bietet. Ursache ist in der Regel ein Tieferfallen bzw. Absturz des Tauchers, welcher aufgrund des sich plötzlich erhöhenden Wasserdrucks und einer verzögerten bzw. nicht ausreichenden Nachlieferung von Atemgas in den starren Helm
dort zu einem relativen Unterdruck führt. Wir berichten über einen tödlichen Arbeitsunfall, bei dem durch das Hineingeraten einer Hand in einen Saugschlauch mit geringem Sog (-0,9 bar) der gleiche Mechanismus ausgelöst wurde und das typischen morphologische Erscheinungsbild eines Tauchersturzes erzeugt wurde.
der
Auf Grund vorbestehender erheblicher Multimorbidität gestaltete sich die kausale Bewertung der Befunde hinsichtlich des Todeseintritts bei beiden Frauen schwierig. Während in Fall 1 ein Tod infolge der vorbestehenden Erkrankungen angenommen wurde, war in Fall 2 ein todesursächliches
Ersticken zu bejahen.
Rechtsmedizin • Supplement 1 •2000
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AUSGEDEHNTE KRANIOFAZIALE EINBLUTUNG: EINFACHER STURZ ODER MULTIPLE GEWALTEINWIRKUNGEN ?
VERBRENNUNGEN
MIT
LETALEM
AUSGANG
1M
KINDESALTER
T. Fink, 1. Reuhl, Ch. Rittner Institut fur Rechtsmedizin, Johannes Gutenberg-Universitat, 55131 Mainz Es wird tiber den Fall eines 56 Jahre alt gewordenen Mannes berichtet, der in bewuJ3tlosem Zustand auf einer StraJ3e aufgefunden wurde. Bei Einlieferung in das Krankenhaus wurde eine Rektaltemperatur von lediglich 27°C bestimmt. lm Computertomogramm des Schadels zeigte sich ein subdurales Hamatom links ohne radiologisch eindeutigen Frakturnachweis. Im Rahmen einer rechtsmedizinischen Untersuchung auf der Intensivstation stellte sich ein Brillenhamatorn sowie eine erhebliche Weichteilschwellung der Kopfschwarte und des gesamten Gesichts ohne isolierbare Prellmarken oder Oberhautschurfungen dar. Der Patient verstarb, ohne das BewuJ3tsein wiederzuerlangen, nach wenigen Tagen aufgrund eines progredienten Hirndrucks. Bei der Obduktion bestatigte sich eine massive Einblutung in Kopfschwarte mit Kontinuitat in die Gesichtsweichteile. Autoptisch konnte zudem eine isolierte parietale Kalottenfraktur nachgewiesen werden, die sich im CT nicht dargestellt hatte. Das AusmaJ3 der Weichteileinblutung lieJ3 primar an eine multiple stumpfe Gewalteinwirkung denken, das Fehlen von abgrenzbaren Hautmarken sprach andererseits gegen eine solche Annahme, Die polizeilichen Ermittlungen unterstutzten schlieJ3lich die Annahme eines atypischen Sturzgeschehens in hochgradig alkoholisiertem Zustand Die alternativen Interpretationsmoglichkeiten der Befunde und die rechtsmedizinische Rekonstruktion des Vorfalls werden dargestellt und kritisch diskutiert.
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Institut
fnr
Rechtsmedizin,
2.
Medizinische
Fakultat,
Karlsuniversitat Prag In der Studie soli das Vorkommen der Verbrennungen mit letalem Ausgang in der Gegenwart erfasst, und die erhobenen Befunde den Ergebnissen der fiiiheren Studie (1964 - 1983) gegenubergestellt werden. Unsere Ergebnisse zeigten reduzierte Frequenz der Verbrennungen mit letalem Ausgang sowie des Verbrennungsschocks als unmittelbare Todesursache,
Die
Risikogruppe bilden wie auch fruher die Kinder im Lebensalter zwischen 1 Jahr und 4 Jahren, wobei die haufigste Ursache der Verletzung die Verbruhung im hauslichen Millieu ist,
P-160
SELTENER FALL EINER INTRAUTERINEN FETALEN SCHADELFRAKTUR NACH VERKEHRSUNFALL N, Klupp. D, Risser, H. Mortinger, G. Bauer Inst. f Gericht!. Medizin der Universitat Wien, Sensengasse 2, A-1090 Wien Stumpfe Gewalteinwirkungen gegen den Bauch einer Schwangeren haben haufig Uterusrupturen oder vorzeitige Placentalosungen mit konsekutiver intrauteriner Asphyxie zur Folge. Nur selten beobachtet man intrauterin erworbene fetale Schadelbruche nach Verkehrsunfallen. Ein solcher, in der Literatur kaum beschriebener Fall, soil im folgenden dargestellt werden. Im Juni 1999 erlitt eine sich in der 38. Schwangerschaftswoche befindliche Frau, die angeschnallt als Beifahrerin im PKW saJ3, bei einem FrontalzusammenstoJ3 mit einem LKW eine Beckenringfraktur. Aufgrund eines unregelmaJ3igen Cardiotokogramms wurde eine Notsectio des Kindes durchgefuhrt. Das weibliche Neugeborene blieb trotz sofortiger intensivmedizinischer Betreuung komatos. Im Schadel-C'f zeigten sich rechts parietal und links parietooccipital eine klaffende Frakturlinie und eine Subarachnoidalblutung mit Einbruch in das Ventrike1system. Weitere Verletzungen konnten beim Neugeborenen nicht gefunden werden. Der Saugling verstarb 6 Wochen nach dem Unfal!. Es soil eine Fallrekonstruktion und eventuelle Pravcntionsmoglichkeitcn diskutiert und dargestellt werden.
540 I
Chadova L., Bouska I., Toupalik P.
Rechtsmedizin· Supplement 1 ·2000
OBDUKTIONSBEFUNDE NACH EXPLOSION EINES SAURETANKS M. Bohnert, M. GroBePerdekamp, U. Schmidt, S. Pollak Institut fiir Rechtsmedizin, Universitatsklinikum Freiburg, Albertstr. 9, 0-79104 Freiburg Ein 43jiihriger Chemiearbeiter wollte aus einem mit Sauro gefullten Abwasserbehandlungskessel eine Probe zur Bestimmung des pH entnehmen, als der Kessel, vermutlich aufgrund elektrostatischer Entladung explodierte. Der Arbeiter, der auf dem Kessel gestanden war, wurde mehrere Meter weit weggeschleudert und verstarb am Unfallort. Bei der Obduktion konnten flachenhafte schwarzliche Veratzungcn festgestellt werden, die vor allem in den vorderen und nach unten gewandten Kiirperarealen stark ausgepragt waren. Im Gesicht, am Hals und im oberen vorderen Brustkorbbereich fanden sich in der Haut mehrere kleine, meist rundliche Einsprengungen von Fremdkiirpern. Die Weichteile des Oberkiefers waren partiell von der kniichernen Unterlage abgeschert. In der Mundhiihle fand sich ein Textilstiick, Das Beschiidigungsmuster an der Kleidung und die Verletzungen sprechen dafilr, daB die Explosion erfolgte, als sich der Arbeiter tiber eine Offnung an der oberen Tankabdeckung gebeugt hatte.
P-161 KINDESMISSHANDLUNG MIT TODESFOLGE? A. Schnabel, F.-U. Lutz Zentrum der Rechtsmedizin der Johann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt/Main Ein vier Jahre alt gewordenes Mädchen wurde leblos von seiner Mutter und deren Freund in das Krankenhaus gebracht. Bei der Wiederbelebung fielen den Ärzten „blaue Flecken" am Bauch sowie am Kinn auf Nach Angaben der Mutter habe sie die Flecken bereits am Vorabend beim Duschen des Kindes bemerkt. Zwei Tage zuvor soll das Mädchen von einem Drehkarussell gefallen sein. Die gerichtliche Obduktion des Kindes ergab einen Einriß der Leber, Unterblutungen des Retroperitoneums sowie den Verdacht auf eine Pankreatitis. Der Darm war deutlich gebläht. Histologisch konnten Granulozyten in der Leberverletzung, der Bauchspeicheldrüse, im Fettgewebe des Colon transversum und der rechten Nierenkapsel nachgewiesen werden. In den untersuchten Hautarealen der „blauen Flecken" fand sich außer am Kinn keine zelluläre Reaktion, jedoch teilweise Gewebseisen. Der Tod des Kindes trat durch stumpfe Gewalteinwirkung gegen den Bauchraum, letztendlich unter den Zeichen des Kreislaufschockes ein, wobei das Ergebnis der histologischen Untersuchung auf ein Alter von mehreren Stunden hinweist.
P-163 ENTWICKLUNG EINER INTERAKTIVEN RECHTS MEDIZINISCHEN LERNSOFTWARE M. Dilger, T. Fink, Ch. Ritmer Orientiert an den Forderung der Studierenden nach mehr fallorientierter Darstellung des rechtsmedizinischen Lernstoffs wurde eine Lernsoftware entwickelt, die durch einen modularen Aufbau ein großes Maß an Interaktivität zuläßt. Der Benutzer wird anhand eines konsistenten Menüs durch das Programm geführt und kann andererseits durch eigene Schwerpunktsetzung bestimmte Leminhalte vertiefen. Im Bereich forensische Pathologie wurden möglichst Informationen zur Vorgeschichte und Auffindesituation integriert, um so ein kontextbezogenes Lernen zu ermöglichen. Der Qualitätskriterienkatalog für elektronische Publikationen in der Medizin wurde dabei berücksichtigt. Besonderer Wert wurde auch auf die Darstellung scheinbar „alltäglicher" Befunde gelegt, die in der Praxis aber nicht selten den leichenschauenden Arzt vor Probleme stellen. Der Vorteil der Präsentation auf CD liegt in der sehr preisgünstigen Speicherung qualitativ hochwertiger Abbildungen, wobei durch Wahl geeigneter Bildkompressionsverfahren (z.B. jpeg) keine relevanten Informationsverluste oder Verfälschungen der Bildinhalte resultieren. Die praktische Anwendung des Programms wird präsentiert und eingehend dargestellt.
Aus rechtsmedizinischer Sicht sprachen die Vielzahl und das teils unterschiedliche Alter der Verletzungen in erster Linie für eine Mißhandlung des Kindes. Die tödlichen Verletzungen konnten aber nicht ausschließbar durch eine einzige Gewalteinwirkung entstanden sein. Hinsichtlich der „blauen Flecken" am Bauch muß aufgrund der Pankreatitis auch an das sog. Cullen-Zeichen (fleckige bläuliche Veränderungen der Bauchhaut) gedacht werden.
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REANIMATIONSVERLETZUNGEN IM OBDUKTIONSGUT DES INSTITUTES FÜR RECHTSMEDIZIN DRESDEN
MORDVERSUCH DURCH AXTHIEB? REKONSTRUKTION EINES KOMPLIZIERTEN BEWEGUNGSABLAUFES MITTELS DIGITALER VIDEOGRAFIE
J. Dreßler, A. Crivellaro, E. Müller Institut für Rechtsmedizin, Medizinische Fakultät Carl Gustav Carus der Technischen Universität Dresden, Fetscherstraße 74, 01307 Dresden Ziel der Studie war die Erfassung von Verletzungen die bei der Reanimation von Patienten auftreten können. Dabei soll geprüft werden, inwieweit Reanimationsverletzungen von Wunden anderer Genese unterschieden werden können und ob diese für die Todesursache von Bedeutung sind. — In einer retrospektiven Analyse von 2167 Obduktionen im Zeitraum von 1995-1999 wurden Anzahl, Art und Lokalisation der Reanimationsverletzungen und deren Einflussfaktoren erfasst. — Im Untersuchungszeitraum waren in 29 % der Fälle Reanimationsmaßnahmen dokumentiert. In ca. 13 % der Obduktionen fanden sich Verletzungen nach erfolgloser Reanimation. Es werden Verletzungsmuster der Reanimation, die nicht zweifelsfrei von vorausgegangen Traumen differenziert werden konnten, diskutiert. — Bei der Mehrzahl der Befunde handelte es sich um Bagatellverletzungen infolge von Defibrillationen und Gefäßpunktionen. Strafrechtliche Konsequenzen für den durchführenden Notarzt ergaben sich nicht.
K. Jachau, D. Krause Institut für Rechtsmedizin, Otto-von-Guericke Universität Magdeburg, Leipziger Straße 44, 39120 Magdeburg Kasuistik:
Der stark alkoholisierte Angeklagte verfolgte ein 17 jähriges Mädchen und bedrohte es mit einer Axt. Einziger Zeuge war der Vater des Mädchens. Dieser will durch einen kräftigen Tritt in die Kniekehle den Angeklagten aus dem Gleichgewicht gebracht und ihm so die Axt entwunden haben. Bei dem Tritt in die Kniekehle habe sich die Axt, die der Angeklagte in diesem Augenblick in unbekannter Bewegungsrichtung vor seinem Kopf hielt, nach oben bewegt. Da der Angeklagte zur Sache schwieg, sollte die Aussage des Vaters auf ihre Glaubwürdigkeit hinsichtlich der Aufwärtsbewegung der Axt überprüft werden. Dieses erfolgte mit Versuchspersonen von annähernd gleicher Größe, gleichem Alter und Gewicht. Die Ergebnisse wurden mittels digitalisierter Videografie bearbeitet und ausgewertet.
Rechtsmedizin 'Supplement 1 .2000 1 S41
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DOPPELMORD, MORD UND SUIZID ODER ERWEITERTER SUIZID?
SCHUBSUIZIDE BEl FRAUEN 1M BERLINER OBDUKTIONSGUT DERJAHRE 1990-1999
P. Gabriel, C. Schyma, K. Haarhoff, W. Huckenbeck Institut fur Rechtsmedizin, Heinrich-Heine-Universitat, Moorenstr. 5, 40225 Dusseldorf
A. Schmeling', M.A. Rothschild', H. Strauch' 'Institut fur Rechtsmedizin des Universitatsklinikums Charite der Humboldt-Universitat zu Berlin, 'Institut fllr Rechtsmedizin der Freien Universitat Berlin
Ein Ehepaar wurde von Nachbam tot in seinem Einfamilienhaus liegend aufgefunden. Sie hatten das Haus betreten, da zwei Tage und Nachte lang das Licht gebrannt hatte. Der Leichnam der Frau lag im Durchgang zwischen Flur und Badezimmer und wies zwei Schussverletzungen in der Brust auf. Der Leichnam des Mannes lag im Schlafzimmer, neben ihm ein Revolver, Kaliber .22. Dieser Leichnam wies insgesamt drei Schussverletzungen auf: Zwei Kopfschusse und einen Brustschuss. Die Auffindesituation lief die Frage Doppelmord, Mord und Suizid oder erweiterter Suizid offen. Durch rechtsmedizinische Untersuchungen (Obduktion und Untersuchung von Schmauchspuren) konnte ein Doppelmord ausgeschlossen werden. Der Mann hatte zuerst seine Frau erschossen und dann sich selbst. Makabererweise gelang der Suizid erst im dritten Versuch: Durch die zwei Kopfschiisse wurde die Schadelhohle nicht eroffnet, erst der Brustschuss war todlich, Es handelte sich jeweils urn aufgesetzte Schusse, Zwei Einschusse lagen an der rechten Schlafe vor. Ein Schusskanal verlief schrag nach vorne, das Projektil war durch das rechte Auge wieder ausgetreten. Ein zweiter Schusskanal verlief nahezu horizontal durch beide Augenhohlen hindurch bis zur linken Schlafe, wo ein Ausschussdefekt vorgefunden wurde. Durch den Brustschuss war es dann zu einer penetrierenden Herzverletzung gekommen, die auch todesursachlich war. Da die Beweggriinde des Mannes fur die Tiitung seiner Frau nicht sicher geklart werden konnten, muss die Unterscheidung Mord und Suizid oder erweiterter Suizid offen bleiben. Bei den Ermittlungen fanden sich allerdings Hinweise, die fur einen geplanten erweiterten Suizid sprechen konnten.
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Traditionell wird Frauen eine Bevorzugung .weicher" Suizidmethoden zugeschrieben. Zwei in kurzer Foige zu bearbeitende SchuBsuizide bei Frauen am Institut fur Rechtsmedizin der Berliner Charite waren den Autoren AnIaB, dieses Postulat retrospektiv fur den Zeitraum 1990-1999 am Obduktionsgut des Landes Berlin zu tiberprtifen. An den drei Berliner rechtsrnedizinischen Instituten wurden im genannten Zehnjahreszeitraum 19 Frauen mit selbstbeigebrachten todlichen Schuhverletzungen obduziert. In allen Fallen sind die Suizide laut Aktenlage gesichert. Die Sektionsgutachten und die Ermittlungsakten wurden in Anlehnung an den von Conzelmann et al. (1977) vorgeschlagenen Erhebungskatalog hinsichtlich rechtsmedizinischer und schubtechnischer Aspekte sowie Angaben zu den Suizidentinnen ausgewertet. Damit werden erstmais Daten fur ein weibliches Untersuchungsgut vorgelegt.
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SUIZID MIT SCHIESS-SPAZIERSTOCK: WAFFE, MORPHOLOGIE UND PSYCHOPATHOLOGIE
LIPOMATOSE ATRIALE SEPTUMHYPERTROPHIE
W. Grellner, J. Wilske Institut fur Rechtsmedizin der Universitat des Saarlandes, Gebaude 42, 66421 Homburg/Saar
B. Hoppe, 1. Herbst, L. Althaus Institut fur Rechtsmedizin - Universitatsklinikum Essen Hufelandstr. 55,45122 Essen
In Deutschland sind Schusswaffen, die als Gebrauchsgegenstand verkannt werden konnen, verboten. Wahrend in diesem Zusammenhang mehrfache Literaturberichte tiber Schielikugelschreiber existieren, durfte die Verwendung eines SchieBspazierstocks eine Raritat darstellen. Ein 31-jahriger, psychisch kranker Mann wurde mit offensichtlichen Schussverletzungen tot aufgefunden. Ermittlungsseitig wurde von einer Selbsttotung ausgegangen, zumal in dem Raum auch noch eine selbst gebastclte, grundsatzlich funktionsfahige Guillotine stand. Ein unauffalliger, tauschend "echter" Spazierstock entpuppte sich schlieBlich als Schussapparat. Der 89 cm lange Stock war im Griffbereich aufschraubbar und enthielt in einem Lauf des Kalibers 36 noch eine Schrotpatrone, wenig unterhalb des Griffs befand sich ein unseheinbarer Abzugsknopf. Todesursache war eine Sehrotschussverletzung des Schadels mit typiseh geformtem Einschuss im Mundbodenbereieh und Nachweis von deutlichen Nahschusszeichen. An der reehten Hand lagen Schmauchspuren vor. Rekonstruktionsversuehe ergaben, dass der Schiellspazierstock in der entsprechenden Position eigenhandig bement werden konnte. Der Verstorbene litt seit Jahren an einer chronischen Schizophrenie mit paranoid-halluzinatorischen Ztigen und Ausbildung eines Residualsyndroms. Er zeigte sich krankheitsuneinsichtig, setzte Medikamente ab und verweigerte eine weitere Behandlung. Phasenweise entwickelte er bizarre Ideen und bastelte so tiber Monate hinweg eine Guillotine. In rechtsmedizinischer und kriminalistischer Hinsicht ist die Bedeutung eines SchieBspazierstocks vergleichbar mit der von SchieBkugelschreibern. Die Waffen konnen unauffallig mitgefiihrt und eingesetzt werden, wobei in einem SchieBstock auch groferkalibrige Munition mit schwererwiegendem Verletzungspotenzial verschossen werden kann.
Die lipomatose atriaIe Septumhypertrophie ist eine Raritat in der kardiopathologisehen Befunderhebung. Die Diagnose darf gestellt werden, wenn die Fettgewebssehieht irn Vorhofseptum dicker als 2 em ist, wobei Werte von 6 em nieht ungewohnlich sind. Das nieht eingekapselte Fettgewebsinfiltrat im Vorhofseptum buekelt sieh meist in den reehten Vorhof oder den Einmundungsbereich der Vena cava superior vor und stellt keine eehte Neoplasie sondern eine lokale Fettgewebshyperplasie dar. Mikroskopiseh besteht das Infiltrat aus univakuolaren und plurivakuolaren Fettzellen mit dazwisehen eingestreuten Herzmuskelzellen, die bizarre teils hypertrophisehe, teils atrophische oder degenerative Veranderungen aufweisen. Obwohl die Iipomatose atriale Septumhypertrophie bei der Obduktion auch als koinzidentieller Befund ohne Bedeutung fur die Todesursaehe gefunden wird, kann die Veranderung Ausloser supraventrikularer Erregungsbildungsund -Ieitungsstorungen sein und zum Todes fuhren, Das makro- und mikromorphologische Befundbild sowie die Bedeutung der lipomatosen atrialen Septumhypertrophie zur Todesursachenklarung soli an 2 Fallen dargestellt werden.
542 I
Rechtsmedizin· Supplement 1 ·2000
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SUDDEN CARDIAC DEATH DUE TO MULTIPLE CORONARY ANOMALIES
HISTOPATHOLOGISCHE VERANDERUNGEN AN DEN INNEREN ORGANEN VON SOCHTIGEN, DIE 1M VERLAUF DER NARKOTISIERUNG VERSTARBEN
Dermengiu Dan, Dennengiu Silvia, Octavian Buda Institute of Legal Medicine "Mina Minovici", Sos. Vitan Birzesti 9, 75669 Bucharest 4, Romania E-mail:
[email protected]
M. Kobek', Z. Jankowski", K. Rygol', J. Kulikowska 1 Ilnstitut fur Gerichtsmedizin der Schlesischen Medizinischen Akademie in Katowice, Poland 21nstitut fur Gerichtsmedizin der Medizinischen Akademie in Gdansk, Poland
Sudden deaths of cardiac cause represented II % of sudden deaths autopsied in 1998 in Romania. Although the available clinical data do not show an increase in the incidence of coronary abnormalities (coronarographic discovery being exceptional) pathological data tend to suggest an increasing incidence of coronary anomalies in Romania. The authors suggest a dissection protocol for coronary anomalies, and analyse criteria (macroscopic and microscopic abnormalities) for assessing the causal role of coronary anomalies in sudden deaths. I'he protocol for coronary dissection consists in harvesting the heart 1-2 em above the emergence of the aorta and fixation in a solution of 10% formaldehyde for 1-3 days. After this interval the coronary tree can be easily dissected after peeling the pericardium and removing the subpericardial fatty tissue. The method is more accurate than the dissection of non-fixed heart or post-mortem coronarography. The study reviews several cases of sudden deaths in young adults where single or multiple anatomical coronary anomalies. The coronary anomalies encountered ranged from abnormal origin left coronary, abnormal origin right coronary, intramural (aortic) segment of right coronary artery, extremely short anterior descending branch of the left coronary, bridging, hipotrophy of various coronary branches, acute angle bending of coronaries etc. The authors asses the diagnostic criteria based on macroscopic and microscopic abnormalities for considering coronary anomalies as the cause of death.
In den Jahren 1980 - 1999 diagnostizierten wir im Institut fur Gerichtsmedizin in Katowice 176 Falle todlicher Vcrgiftungen im Verlauf der Narkotisierung mittels hausgcmachter Produkte aus Mohnstroh sog. .Kompotts", An 70 verstorbenen Personen durchftihrten wir neben der chemisch - toxikologischen Analyse auch eine histopathologische Beurteilung der Ausschnitte der inneren Organe unter Benutzung der grundsatzlichen und erweiterten Farbungstechnik. Seit dem Jahre 1998 wurde der zusatzliche Untersuchungsbereich urn Bestimmungen im Biut der verstorbenen Pcrsonen erweitert u.zw. urn Bestimmungen der Marker der virtulenten Leberentzundung des Typs B und C, der Abwehrkorper Anti - HIVI und Anti - H1V2 und auch urn bakteriologische und mykologische Untersuchungen von Ausschnitten der inneren Organe. Die erlangten Untersuchungsergebnisse machen darauf aufmerksam, da~ ein wichtiger Schadigungsfaktor der inneren Organe von Personen, die infolgc der Narkotisierung mittels des .Kompotts" verstarben, auch virtulente Ansteckungen (virtulente Leberentzundung und HIV) sein konnen, dagegen die histopathologische Untersuchung ist eine wertvolle zusatzliche und hilfsreiche Untersuchung bei der Beurteilung des pathologischen Fortgeschrittenheitsgrades der inneren Organe.
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HISTOLOGISCH, IMMUNHISTOLOGISCH UND MOLEKULARBIOLOGISCH DIAGNOSTIZIERTE CHRONISCHE MYOKARDITIS MIT PARVOVIRUS B19 BEl EINEM 8JAHRIGEN JUNGEN
POSTMORTALER IMMUNHISTOCHEMISCHER NACHWEIS DER FRUCHTWASSEREMBOLIE
J.Becker' , R.Dettmeyer 1, R.Kandolf, R.Kaiser3, A.M.Eis-Hubinger", S.Banaschak', B.Madea1 'Institut fur Rechtsmedizin, Universitat Bonn 2Institut fur Pathologie, Abt. Molekulare Pathologie, Universitat Tubingen 31nstitut fur Virologie, Universitat zu Koln "Institut fur Medizinische Mikrobiologie, Universitat Bonn Gegen die EItem eines 8jiihrigen Jungen wurde der Vorwurf der fahrlassigen Totung durch Vernachlassigung und mangelnde Ernahrung erhoben. AnliiBlich der Obduktion des stark untergewichtigen Jungen konnte keine Todesursache festgestellt werden. Ruckfragen ergaben fur die letzten Monate eine Gewichtsabnahme, Mudigkeit, Abgeschlagenheit und geringere korperliche Belastbarkeit. Histologisch fand sich in den Hfi-Praparaten vorn Herzmuskel fokal ein interstitielles Odem, myokardiale Einzelzellnekrosen sowie nach immunhistologischer Qualifizierung und Quantifizierung leukozytarer Infiltrate (LCA, CD3, CD68) im myokardialen Interstitium eine ebenfalls fokal erhohte Zellzahl insbesondere von Makrophagen. Die erhohte Zellzahl fand sich insbesondere in perivasal akzentuierten Fibrosearealen. Mittels nestedPCR gelang der Nachweis von Parvovirus B 19, der in situ Hybridisierungs-befund war negativ. Der Befund mittels PCR konnte im eigenen Labor auch an mehrwochig forrnalinfixiertem paraffineingebettetem Gewebe gefuhrt werden. Retrospektiv war nach entsprechender Kontrolle auch ein hoher Antikorper-Titer gegen PVB 19 im Serum des verstorbenen Kindes nachweisbar. Die histologischen, immunhistologischen, molekularpathologischen und serologischen Befunde werden demonstriert.
E. Ehrlich, H. Maxeiner, H. Martin Institut fur Rechtsmedizin der Freien Universitat Berlin, Hittorfstr. 18, 14195 Berlin Fruchtwasserernbolien (FWE) emsthaften Ausmallcs sind den hicsigcn Obduktionsdaten und den Literaturangaben nach ausgesprochen seltene Ereignisse. Die klinische Diagnostik ist angesichts eines weiten Spektrums moglicher Symptome schwierig; in perakuten Fallen reicht die Zeit mitunter fur eine umfangreichcre Diagnostik gar nicht mehr aus. Der postmortale Nachweis ist auf histologischem Wege moglich, erfordert jedoch einen betrachtlichen Untersuchungsumfang; die Interpretation eines mit einfacher Methodik gewonnenen negativen Ergebnis ist problematisch. Ein immunhistochemischer Nachweis in den maternalen Lungenkreislauf verschleppter fetaler Hautzellen wird vorgestellt: die formalinfixierten und in Paraplast eingebetteten Praparate wurden (neben konventionellen Farbungen) mit der APAAP-Technik immunhistochemisch untersucht (monoklonale AK gegen Cytokeratin 10, Klon DE-KI3, Verdunnung 1:50, DAKO; Vorbehandlung durch 2x5 Minuten Kochen in Citratpuffer in der Mikrowelle). Auf diese Weise wurden bisher 8 Todcsfalle gravider Frauen analysiert. 6 Frauen waren im klinischen Bereich akut verstorben, davon 3 intraoperativ. Die Todesursachen waren FWE (3), Herzbeuteltamponade aus Aortenruptur (2), stumpfes Trauma, Anasthesiekomplikation, unklar (je I). In 3 Fallen (Alter: 33, 36 bzw. 44 Jahre; davon 2 mit makroskopischen Innenschichtrupturen des Uterus) lag morphologisch eindeutig eine ausgcpragte FWE vor; in einem dieser - schon langcr zuruckliegenden - Hille war dies autoptisch primar nicht diagnostiziert worden. Die anderen Faile (in einem wurde klinisch eine FWE angegeben, todesursachlich war jedoch eine Anasthesiekomplikation) konnen als Kontrolle dienen und scheinen aufzuzeigen, dass es beim akuten Tod nicht etwa unter der Agonie noch zu einer ("nebensachlichen") FWE kommt.
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DER "BOLUSTOD": EINE RETROSPEKTIVE ANALYSE EINES 10- JAHRESZEITRAUMS
EINGRENZUNG DER LEICHENLIEGEZEIT MITTELS IMMUNHISTOCHEMISCHEN GLUCAGONNACHWEISES
F. Wehner H.-D. Wehner, J. Subke
K. Kolbow , G. Mall, W. Keil, A Büttner
Institut für Rechtsmedizin, Ludwig- Maximilians - Universität München, Frauenlobstrasse 7a, 80337 München
Zur Untersuchung des „Bolustodes" wurde eine retrospektive Studie über einen Zeitraum von 10 Jahren (1990-1999) durchgeführt .
Institut für Gerichtliche Medizin der Universität Tübingen Nägelestr. 5; 72074 Tübingen
wurde.
Die Eingrenzung der Leichenliegezeit gestaltet sich mit zunehmender Dauer schwieriger und ergibt somit ungenauere Resultate. Zur Verbesserung dieser wurde von Leichen, deren Liegezeit kriminalpolizeilich auf eine Spanne zwischen 1 Tag und 21 Tagen ± 1 Tag eingegrenzt werden konnte, Pankreasgewebe mittels eines AntiGlucagon Antikörpers immunhistochemisch angefärbt und die Immunreaktion der glucagonproduzierenden a- Zellen der Langerhansschen Inseln ausgewertet. Nach Mikrowellenvorbehandlung der Gewebeschnitte wurde zum Glucagonnachweis ein polyklonaler Anti-Glucagon Antikörper vom Kaninchen als Primärantikörper verwendet, als Sekundärantikörper diente biotinyliertes AntiKaninchen-F(ab')2-Fragment. Der Nachweis der spezifischen Antigenbindung erfolgte mittels der Avidin-Biotin Komplex Methode. Die Ergebnisse zeigen, daß die pänkreatischen a- Zellen von Leichen mit einer Liegezeit bis zu 6 Tagen in allen Fällen eine positive Immunreaktion gegenüber Glucagon aufweisen, was bei einer Leichenliegezeit von mehr als 13 Tagen in keinem Fall zu verzeichnen ist. Dies bedeutet, daß bei einer negativen Immunreaktion davon auszugehen ist, daß der Tod mehr als 6 Tage vor der Obduktion eingetreten ist. Die Tatsache, daß eine negative Immunreaktion regelmäßig nach einer Leichenliegezeit von mehr als 14 Tagen zu verzeichnen ist, läßt den Schluß zu, daß bei gegebener Anfärbbarkeit des Glucagons der Tod maximal 13 Tage zurückliegt.
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A PRELIMINARY STUDY ON THE DEGRADATIVE CHANGES OF ACETYLCHOLINE ESTERASE (ACHE) OF THE MOTOR SKELETAL MUSCLE END-PLATES IN VARIOUS POSTMORTEM INTERVAL ------A QUANTITATIVE ENZYME HISTOCHEMICAL ANALYSIS
POSTMORTEM CHANGES OF THE RENAL GLOMERULI
Die Analyse umfaßte die äußeren Umstände des Todeseintritts, vorbestehende Krankheiten, die Obduktionsbefunde sowie die Blutalkohol- und chemisch -toxikologischen Untersuchungen. Unter 23819 untersuchten Fällen fanden sich 42 Personen (0,002 %). Es handelte sich um 15 Frauen und 27 Männer im Alter von 21-92 Jahren (Mittelwert 58 Jahre). Anläßlich der Obduktionen zeigten sich in 20 Fällen Punktblutungen in den Augenlid- und bindehäuten und/oder eine akute Überblähung der Lungen. In 17 Fällen ließ sich eine mäßig- bis höhergradige Alkoholisierung nachweisen (1,14-3,90 %o). In 21 Fällen fanden sich Herzveränderungen wie Hypertrophie, Vernarbungen oder Koronarsklerose. Eine neurologische Grunderkrankung war nur in 1 Fall bekannt.
Die Untersuchung demonstriert, vergleichbar früheren Studien, daß der „Bolustod" selten auftritt und rein morphologisch eine Klärung des Todeseintrittsmechanismus (Ersticken versus Reflextod) nicht möglich ist. Auffallend ist, daß Asphyxiezeichen vorhanden sein können, ohne daß jedoch in der Vorgeschichte ein Erstickungsvorgang beobachtet
Huijun. WANG, Yanging DING, Guangzhao HUANG*, Zhongbi WU* Dept. of Pathology, Nanfang hospital. first military medical
.versify, 510515, Guangzhou;
* Dept. Of Forensic Pathology. Faculty of Forensic Medicine. Tongji Medical University, 430030, **Dept. of Ultrastructural Pathology. Tongji Medical University, 430030, Wuhan;
Abstract: In order to investigate the relationship between the postmortem changes of skeletal muscle and the time of death in various postmortem intervals (PMI) a detailed stud on the histochemical activities of AChE (acetylcholine esterase), SDH, LDH, Ca'-ATPase as well as immunohistochemieal reaction of synaptophysin(SYN) in motor endplates and muscle fibers under different temperatures and at various postmortem intervals (0-96h.pm) were performed in rats. The results of enzymohistochemical reactions was quantitatively analyzed and compared using image-analysis system. The findings indicated that the changes were correlated with PMI and because of the characteristic localization of the ordinary AChE in end-plate, it was not easily affected by autolysis of the muscle fiber themselves, they always showed a definite, stronger and steady reaction and close relation with PMI. It could therefore be concluded that AChE may serveas a signal-enzyme of skeletal muscle for determining the time of death. Keywords: skeletal muscle; motor end-plate AchE; PMI
S44 I Rechtsmedizin • Supplement 1.2000
M. Zdravkovie , V. Otasevic, M. Kostov, R. Karadzic
Department of Forensic Medicine University of Nis, Yugoslavia On the sample of 112 experimental rats a histological and histochemical analysis of a piece cortex renis has been done. The animals were kept, after the secrifiction on temperatures of 10 C, 20 C and 30C. The rats has been dissected from I to 72 h. after the secrificion. The specimens were stained with the fl and E, PAS and Gomori. On temperature of 10 C the first changes appear after the 4th h post mortem (HPM), as a eosinophil smallgranular content in the Bowman s space and swelling mesangium. On a temperature of 20 C the same changes appear after the 2 HPM, and on a temp. of 30 C they appear after the 1 HPM. Shrinking of the Bowman s space on a temp. of 10 C appears after the 6th HPM, just as a rare pycnosis of the centrolobular nuclei and expanding of the glomerul capillary. On a temp. of 20 C the pycnosis of the centrolobular nuclei appears in the 4th. HPM which usually happens in the first HPM on a temp. of 30 C. An impression of shortage of nuclear concentration of glomerul appears on a temp. of 20 C in the 6 th. h. and on 30 C in the 4 th HPM. The epithelial cells of the parietal layer of Bowman s capsule are autolized on a temp. of 10 C in the 72 nd h., on a temp. of 20 C in the 36th h. and on a temp. of 30 C in the 12th h. The starting lysis of the basement membrane, stained by Gomori appears in the 4th h. on a temp. of 30 C, in the 12th h. on a temp. of 20 C and in the 24 th h. on a temp. of 10 C. A destruction of pieces of the parietal layer of Bowman capsule could be seen in the 24 th h. on a temp. of 30 C, in the 12th h. on a temp. of 10 C and also on a temp of 20C The basement membrane of the parietal layer of Bowman capsule during the whole experiment maintain a clear PAS positive reaction. The mesangium of glomerul and the basement membrane of glomerul during the experiment show gradual decrease of PAS positivity to lightly positive in the 24th h. and in the 72nd h. that positivity vanishes completely.
P-l77 TODESZEITBESTIMMUNG DER NEUGEBORENEN KLEINKINDER (EIN MA THEMATISCHES MODELL) E.M.Kildiischov, I.W.Buromski, W.O.Plaksin Russische Staatliche Medizinische Universitat; Lehrstuhl Rechtsmedizin, per. Cholsunov 7,194435 Moskau, Rul3land
P-179 UND
40 JAHRIGE DYNAMIK DER NICHTNATURLICHEN TODESURSACHEN IN DER REPUBLIK TATARSTAN (RUSSLAND)
fur
Spiridonow W.A., Sabusow J.G., Kalinin J.P. Rechtsmedizinisches Institut der Republik Tatarstan, Sibirski Trakt 31a, 420029 Kasan, Rul3land
Die moglichst exakte Feststellung der Todeszeit auf Grund objektivcr Befunde ist eines der nach wie vor brennenden Probleme der Rechtsmedizin, und ist bis heute weder wissenschaftlich noch in der Praxis vollstandig gelost. Dies gilt in besonderer Weise fur die Leichen von Sauglingen und Kleinkindem.
In den letzten vier Jahrzehenten haben sich die Rahmenbedingungen in der Rechtsmedizin nachhaltig verandert: die Gesetzeslage blieb dagegen unverandert, Auch heute miissen alle Todesfalle bei Verdacht auf nichtnatiirlichen Tad wie vor 40 Jahren einer rechtsmedizinischen Obduktion unterzogen werden.
Weit verbreitet, theoretisch gut begrundet und in der Praxis vielfach eingesetzt sind mathematische Modelle, die auf der Auskiihlung des menschlichen Korpers basieren. Diese stutzen sich auch auf die theoretische Errechnung des Abkiihlverhaltens zylindrischer Korper, deren Auskiihlungstempo vom Radius und der Temperaturleitkoeffiziente des Zylinderrnaterials direkt abhangt. Bei der Anwendung an Erwachsenen-Leichen haben sich diese Modelle als ziemlich zuverlassig erwiesen. Eine einfache Ubertragung auf Neugeborene (bzw. Sauglinge oder Kleinkinder) ist jedoch nicht ohne weiteres moglich, da der Korper Neugeborener nicht einfach einem proportional verkleinerten Modell eines erwachsenen Korpers entspricht.
Eine Analyse der rechtsmedizinischer Dokumentation aus den Jahren 1960-I999 ergab eine Steigerung der Zahl der nichtnatiirlichen Todesfalle von 50,2/100 000 Einwohner im Jahre 1960 auf 163,6 (1996) und 160,5 (1999). Nach dem allmahlichen Anstieg der Sterblichkeit infolge der nichtnaturlichen Ursachen vom 1961 bis 1984 folgte eine dreijahrige Periode des Ruckganges, die auf .Perestrojka" (Umgestaltung) der russischen Gesellschaft mit Durchfuhrung umfassender MaBnahmengegen Alkoholkonsum zuruckzufuhren war. Das Minimum war 1986 und das Maximum in den Jahren 1994 und 1995 zu registrieren.
Nach eigener Anschauung beschreibt das Modell eines homogenen Drehelypsoides die Korperbeschaffenheit von Neugeborenen besser, als das Modell des unbegrenzten Zylinders. Auf dieser Basis wird ein Modell zur Abkiihlung von Neugeborcncn-Lcichen vorgestellt.
Ausgehend vom Niveau des Jahres 1986 (100%), rechneten wir die uberschussige Sterblichkeit (alljahrlicher Zuwachs zum 1986) aus. Seit 1986 wurde kein Zuwachs der Bevolkerung registriert. 1m Laufe der letzten 13 Jahre erreichte die gesamte uberschussige Sterb1ichkeit 29442 Todesfalle. Die haufigsten Todesursachen waren Erhangen (22,7%), Verkchrsunfalle (11,8%), scharfe Gewalt (9,1%), Alkoholintoxikation (6,6%), andere Vergiftungen (ohne Alkohol und CO)(5,4%), Sturze aus groller Hohe (4,7%), Schussverletzungen (3,9%), Aspiration und Bolustod (2,7), allgemeine Unterkiihlung (1,9%), Erdrosseln (1,5%), andere (29,7%).
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UNTERSUCHUNGEN ZUR RELIABILITAT DER DDRMORTALITATSSTATISTIK ANHAND DER STERBEFALLE DER STADT ROSTOCK DES JAHRES 1988
EIN AUSSICHTSLOSER FALL?
J. Rummel, R. Wegener, V. Weirich, A. Wendland Institut fur Rechtsmedizin der Universitat Rostock, St-Georg-Str, 108, D-18055 Rostock VeranlaBt durch zum Teil erhebliche Unterschiede bei der Erfassung der Suizide in der amtlichen Mortalitatsstatistik (so u. a. bei HEIDE, 1997, RUMMEL u. a., 1998) wurde anhand der Todesbescheinigungen der Sterbefalle des Jahres 1988 der Stadt Rostock (Wohnort) und aller weiterer zur Verfugung stehenden Unterlagen (Obduktionsprotokolle, Sterberegister etc.) uberpruft, inwiefem die Leichenschau- bzw. Obduktionsdiagnosen in die offizielle Statistik Eingang gefunden haben. Von den 2.032 Verstorbenen des Jahres 1988 standen 2.013 (entsprechend 99 %) auswertbare Datensatze zur Verfugung. Hiervon gelangten !.l01 (54 %) zur Obduktion, wobei allerdings nur in 1.047 Fallen Obduktionsergebnisse vorlagen (in ca. 5 % fehlten die sog. Sektionskarten). In 1.787 Fallen (88 %) bestand eine Ubereinstimmung zwischen dem bei der Leichenschau bzw. Obduktion eingetragenen Grundleiden und der in die Statistik eingegangen Diagnose. Bei den restlichen 226 zur Verfugung stehenden Datensatzen fanden sich zwar in 176 Fallen (8 %) entsprechende Diagnosen auf den Todesbescheinigungen, sie wurden jedoch nicht als Grundleiden codiert. Yom verbleibenden Rest lag etwa bei der Halfte eine zutreffende ICD-9-Hauptgruppe vor, bei den ubrigen uberwogen fehlende Zuordnungsmoglichkeiten infolge nicht eingetragener Leichenschaudiagnosen bzw. Fluchtigkeitsfehlcr ("Zahlendreher" etc.). Sichere Anhaltspunkte fur vorsatzlich falsche Aufnahmen in die Todesursachenstatistik fanden sich in unserem Untersuchungsmaterial nicht.
Heide, S.; Schmidt, V.; Wiegand, P.; Kleiber, M. Institut fur Rechtsmedizin Martin-Luther-Universitat Halle-Wittenberg, 06112 Halle/S. Franzosenweg I Eine Krautersammlerin entdeckte in einer verrnutlich dUTCh Wildtiere aufgeworfenen Erdmulde einen stark faulniszersetzten und dUTCh TierfraB verstummelten Leichnam. Von der Haut waren nur noch kleinere Areale vollstandig erhalten, am linken Oberarrn war noch eine auffallige Tatowierung abgrenzbar. Die genaue Todesursache war bei der Obduktion nicht mehr feststellbar. Es fanden sich jedoch eine Fraktur im Os occipitale und eine ca. 20 ml betragende subdurale Blutung tiber dem rechten Scheitelhirn. Die ublichen Identifizierungsmerkmale wie Zahnstatus, Korpergrofle, geschatztes Lebensalter, Bekleidung etc. lieBen sich keiner der im naheren Umkreis vermiBten Personen zuordnen. Ober eine aufwendige Recherche beim Landeskriminalamt konnte eine Person ausfindig gemacht werden, bei der im Rahmen eines Strafverfahrens eine ahnliche Tatowierung am Iinken Oberarm fotografiert worden war. Eine detaillierte Auswertung der Fotografien ergab eine vollstandige Ubereinstirnmung. Uber die DNA-Analyse einer gelagerten Alkoholblutprobe konnte schlieBlich der aufgefundene Tote als ein 45-jahriger Spiitaussiedler aus Kasachstan identifiziert werden. Es sollen die Obduktionsbefunde und Ergebnisse der Blutspurenuntersuchungen an dem von der Polizei aufgefundenen mutrnalllichen Tatwerkzeug dargestellt werden, die in ihrer Gesamtheit die SchluBfolgerung zulieBen, daB der Marm erschlagen und die Leiche anschlieBend in einem abgelegenen Waldstuck vergraben wurde. Trotz der anfanglich geringen Erfolgsaussichten gelang nicht nur die Identifizieruna, sondern auch eine Tatrekonstruktion. die Grundlaze des
Rechtsmedizin . Supplement 1 ·2000
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LEICHENFUND MIT UNERWARTETEM HINTERGRUND
ANOGENITALE WARZEN CONTRA SEXUELLER MISSBRAUCH VON MINDERJÄHRIGEN
Dr. G. Demmler, Dr. U. Möbus, Prof. E. Müller Institut für Rechtsmedizin der Medizinischen Fakultät „Carl Gustav Carus" der Technischen Universität Dresden, Fetscherstr. 74, D - 01307 Dresden (Direktor: Prof. Dr. med. E. Müller)
M. Darok*, S. Reischle** *Institut für Gerichtliche Medizin der Karl-Franzens-Universität Graz * *Facharzt für Dermatologie, Graz
Am Rande einer Landstraße wurde die „ordentlich abgelegte" Leiche eines ca. 1 Jahre alten unbekannten Mädchens aufgefunden. Die ausgedehnten, zum Teil geformten Verletzungen liesen ein Verbrechen mit nachfolgender Verbringung der Leiche oder einen Verkehrsunfall mit Fahrerflucht vermuten. Ein nach Spurensicherung aufgefundene Brief unter dem Leichnam enthielt Hinweise auf ein Grab in der Nachbarschaft. Die Untersuchungen und Ermittlungen ergaben, dass das Kind nach einem tödlichen Verkehrsunfall (keine Obduktion) erdbestattet, später von einem psychisch auffälligen Jugendlichen „exhumiert" und nach einigen Tagen an dem jetzigen Auffmdungsort verbracht wurde.
Warzen imAnogenitalbereich werden durch Human-Papilloma-Viren (HPV) verursacht und können u.a. auch im Rahmen eines sexuellen Mißbrauchs übertragen werden. Selbst bei Kindern ist jedoch das Auftreten derartiger Warzen nicht immer zwingend auf einen Mißbrauch zurückzuführen. Da die Sensibilität der Öffentlichkeit im Hinblick auf den sexuellen Mißbrauch von Kindern und Jugendlichen in den letzten Jahren stark zugenommen hat, stellen die korrekte Diagnose, die daraus abzuleitenden möglichen Ansteckungswege und in weiterer Folge die Begutachtung eine besonders große Herausforderung für den Kliniker, aber auch für den rechtsmedizinischen Sachverständigen dar. Unsere Ausführungen zeigen die verschiedenen Möglichkeiten der Ansteckung sowie die Befunde bei den einzelnen HPV-Subtypen auf. Ein besonderer Schwerpunkt wird dabei auf die Untersuchungsbefunde und deren korrekte Deutung gelegt. Die Komplexität derartiger Fälle und die daraus resultierenden Fehlermöglichkeiten erfordern eine fachübergreifende Zusammenarbeit von Rechtsmediziner und Dermatologe. Die Folgen einer Fehlbeurteilung sind überaus schwerwiegend: seelische Belastung des vermeintlichen Mißbrauchsopfers und der Eltern nebst ungerechtfertigter Strafverfolgung des Beschuldigten auf der einen, potentiell fortgesetzter Mißbrauch des Opfers auf der anderen Seite.
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TÖTUNG EINES WOLFES — EIN AUSSERGEWÖHNLICHER FALL FORENSISCHER VETERINÄRPATHOLOGIE
EVALUATION DER LEHRE MITTELS FRAGEBOGEN S.Banaschak, B.Madea Institut für Rechtsmedizin der Rh.Friedrich- Wilhelms-Universität, Stiftsplatz 12, 53111 Bonn
F. Zack, R. Wegener, V. Weirich Institut für Rechtsmedizin der Universität Rostock St.-Georg-Str. 108, D 18055 Rostock Die Untersuchung eines erschossenen Wolfes dürfte zu den Raritäten rechtsmedizinischer Gutachtertätigkeit zählen. Bei einer Drückjagd wurde im Januar 1999 in Vorpommem, nahe der polnischen Grenze, ein am linken Hinterlauf verletzter Wolf mit einem Blattschuß erlegt. Hierbei handelte es sich um einen 39 kg schweren und ca. 2 Jahre alten Wolfsrüden, der wahrscheinlich aus Polen über die Oder nach Deutschland gekommen war. Anschließend kam es zur Strafanzeige gegen den Jäger (Zweifel an der Rechtmäßigkeit des tödlichen Schusses), der sich auf § 22a Bundesjagdgesetz berief (Bewahrung des Tieres vor Schmerzen und Leiden). Nach dem Abschuß kam es zu einer Reihe fehlerhafter gutachterlicher Äußerungen eines Tierarztes und zweier Zoologen über das Wundalter der Verletzung des linken Hinterlaufes (Streifschuß) und über die Schußrichtung des Blattschusses, die durch nachfolgende, im Auftrage der Staatsanwaltschaft durchgeführte rechtsmedizinische Untersuchungen korrigiert wurden. Die vorgestellte Kasuistik ist ein weiteres Beispiel für das breite Betätigungsfeld unseres Faches.
S46 I Rechtsmedizin • Supplement 1.2000
Der rechtsmedizinische Unterricht erfolgt im Rahmen des Ökologischen Kurses (4 Std. /Woche). Dabei finden neben der Hauptvorlesung Kurse (einschl. Referat) zur Stoffvertiefung statt. Gruppengrößen zwischen 2025 (max. auch 30 Studierenden) sind die Regel. Seit dem Sommersemester 1997 wird jeweils im Abschluß an die letzte Unterrichtsveranstaltung ein Fragebogen verteilt, der in Anlehnung an einen Bogen der FU Berlin entworfen wurde (21 Fragen mit 5 Beurteilungsstufen von + bis -; freier Text). Bislang wurden 598 Fragebögen (Rücklaufquote annähernd 100%) ausgewertet. Vergleichend kann eine Befragung der Medizinischen Fakultät herangezogen werden (Qualität der Veranstaltung mit Noten von 1 bis 5; Rücklaufquote 50-60%). — Statistisch relevante Beurteilungsdifferenzen zwischen den Geschlechtern fanden sich nicht. Zur Organisation: Die schlechtesten Beurteilungen wurden im ersten erfaßten Semester abgegeben; die Noten verbesserten sich im Laufe des Erfassungszeitraumes kontinuierlich (von 3,6 auf 1,6); Zur Raumsituation: besonders in den freien Kommentaren wird deutlich, daß externer Hörsaal und Kursräume den Anforderungen an Gruppenunterricht nicht genügen (Noten zwischen 4,05 und 2,95); Veränderungen waren bislang nicht möglich. Vergleichbar schlecht wurde die Möglichkeit des praktischen Arbeitens bewertet (4,35 bis 3,75). Die Verwendbarkeit des Stoffes für das spätere ärztliche Handeln (2,5 bis 2,15) und der eigene Wissenszuwachs (2,75 bis 2,2) erfuhren eine bessere Beurteilung. Die Bewertung der Lehrenden war durchgängig positiv (in sämtlichen Aspekten zwischen 2,95 und 1,9). In der Fakultätsbefragung schneiden Vorlesung (Grading 2,11) und Kurs (2,71) vergleichsweise gut ab. Die auf den eigenen Bögen möglichen Kommentare erwiesen sich als besonders hilfreich zur Beseitigung konkreter Mängel. Die berechtigten Forderungen nach größerer Praxisnähe der Ausbildung stoßen bzgl. der Institutsausstattung an Grenzen, die derzeit nicht veränderbar sind.
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EINSATZ MULTIMEDIALER PRASENTATIONEN IM RECHTSMEDIZINISCHEN UNTERRICHT
PATHOMORPHOLOGISCHE VERSUS COMPUTERTOMOGRAPHISCHE BEFUNDERHEBUNG — EIN PROSPEKTIVER METHODENVERGLEICH
T. Fink, M. Dilger, Ch. Rittner Institut für Rechtsmedizin, Johannes Gutenberg-Universität, 55131 Mainz
T. Riepert', A. Schultes', C. Berchtenbreiter2 , K. Lackner 2 , M. Staak' (1) Institut für Rechtsmedizin der Universität zu Köln, Melatengürtel 60-62, 50823 Köln-Ehrenfeld (2) Klinik und Poliklinik für Radiologie der Universität zu Köln
Die Präsentation rechtsmedizinischer Lehrinhalte erfordert besonders im Bereich der forensischen Pathologie eine möglichst umfangreiche und detaillierte Darstellung von Befunden. Im Rahmen eines Projekts zur Verbesserung von Studium und Lehre wurde ein multimediales Präsentationskonzept etabliert und in der Lehre an unserem Institut eingeführt. Mittels eines kombinierten Daten-! Videoprojektors können vorher erstellte Präsentationen (z.B. Microsoft Powerpoint) in Ergänzung zu üblichen Diaprojektionen im Unterricht eingesetzt werden. Durch Anbindung des Hörsaalrechners an das Institutsnetzwerk können komplette Vorlesungen am eigenen Arbeitsplatz erstellt und anschließend zum Hörsaalrechner transferiert werden. Ober das gleiche Ausgabemedium werden Befunde aktueller Obduktionen über eine Videostrecke live aus dem Sektionssaal in den Hörsaal übertragen. Eine bidirektionale Audioverbindung zwischen Hörsaal und Sektionssaal ermöglicht dabei einerseits eine Befunddarstellung durch den jeweiligen Obduzenten und andererseits Rückfragen des Dozenten bzw. der Studierenden aus dem Hörsaal. Didaktisch relevante Befunde werden auf digitalem Videoband archiviert, um so eine spätere Demonstration im Unterricht zu ermöglichen. In einer HTML-basierten Bilddatenbank stehen auf einem zentralen Intranet-Server sowohl makroskopische als auch histologische Aufnahmen allen Dozenten am Arbeitsplatzrechner und im Hörsaal zur Einbindung in eigene Vorlesungen zur Verfügung. Diese Bilddatenbank wird ständig durch Aufnahmen mittels Digitalkamera und eingescannten Diapositiven ausgebaut. Die Möglichkeiten der elektronischen Präsentation im rechtsmedizinsichen Unterricht werden kritisch dargestellt. - Gefördert durch das Projekt Studium und Lehre der Johannes Gutenberg- Universität.
Im Rahmen einer Pilotstudie wurde die Wertigkeit pathomorphologischer und computertomographischer Befunderhebung verglichen. Die Versuchsanordnung wurde so gewählt, dass zunächst in Kenntnis der Vorgeschichte ein Ganzkörper-Computertomogramm (Spiral-CT, Standarduntersuchungsprotokoll, Siemens Somatom Plus 4) angefertigt wurde. Anschließend erfolgte die pathomorphologische Befunderhebung durch Autopsie ohne Kenntnis der röntgenmorphologischen Ergebnisse. Im dritten Schritt wurde eine Entblindung vorgenommen und geprüft, welche Befunde mit beiden Techniken gleich gut zur Darstellung gelangen und welche Befunde radiologisch bzw. morphologisch besser nach werden können. -gewisn Bei bislang 19 Untersuchungen (9 natürliche, 10 nicht-natürliche, meist traumatische Todesfälle) ergab sich eine Tendenz dahingehend, dass der Nachweis von Gasen (Pneumothorax, Luftembolie), Fremdkörpern und (in Einzelfällen) von Frakturen ebenso wie von topographischen Zusammenhängen radiologisch bevorzugt möglich ist. Dagegen sind nach den bisherigen Ergebnissen traumatische Veränderungen im Bereich der Weichteile und krankhafte Befunde der inneren Organe autoptisch besser darstellbar. Die Untersuchungen legen nahe, dass die Computertomographie als nicht Verfahren eine komplementäre Untersuchungs--invasebldg technik zur Obduktion darstellt. Als Indikation kommen insbesondere Todesfälle in Betracht, die komplexe traumatologische Befunde, Fremdkörper oder pathologische Gasansammlungen erwarten lassen.
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COMPUTERSIMULATION VON SKIFAHRERKOLLISIONEN.
MORPHOMETRIE VON SPUREN MITTELS STREIFENLICHTTOPOMETRIE (SLT)
M. Schönpflug, G. Beier, W. Eisenmenger Institut für Rechtsmedizin der Universität München, Frauenlobstr, 7a, 80337 München
J. Subke, B, Jendrusch, HD Wehner, F Wehner, H Wolf
Im Rahmen der Aufklärung der Folgen eines Skiunfalles wurde die Frage nach den biomechanischen Belastungen bei der Kollision zweier Skifahrer gestellt. Dies war Anlass zu weiterführenden Untersuchungen: Mit kommerziellen Programmen zur Simulation von Bewegungsabläufen von Mehr-Körper-Systemen (MKS) und eigenen MKS-Modellen wurden Simulationsrechnungen zur Eingrenzung der Bewegungs- und Belastungsgrößen bei derartigen Vorkommnissen durchgeführt. Untersucht wurde u. a. das Sturzgeschehen nach dem Zusammenprall: Unter welchen Bedingungen kommt es zu einem spontanen, durch den Zusammenstoß unmittelbar bewirkten Sturz, wann nicht bzw. verzögert. Mit passiven MKS-Modellen wurde ein unmittelbar stoßbedingtes Umstürzen bei Kollisionsgeschwindigkeiten zwischen 4 und 6 m/s erreicht. Je nach Ablauf kann so auf Grund der Simulationsrechnung eine Einschränkung der Kollisionsgeschwindigkeiten und der entsprechenden Belastungen durchgeführt werden. Die Rechen- und Modellansätze werden dargestellt, die Ergebnisse in Werten präsentiert und als Animation visualisiert.
Institut für Gerichtliche Medizin, Universität Tübingen, Nägelestr. 5, D-72074 Tübingen Für die forensische Rekonstruktion ist die genaue dreidimensionale Dokumentation selbst kleinster Spuren von großer Bedeutung. Speziell die Schürfrichtung auf der Haut, die Form der Wundränder, die Form der Blutspritzer und die Geometrie des Tröpfchenfeldes erlauben Aussagen über die Richtung und die Intensität der einwirkenden Gewalt. Ziel dieser Arbeit ist es, den Einsatz und die Möglichkeiten digitaler Dokumentations- und Auswertungsmethoden bei der Morphometrie von Spuren für die forensische Rekonstruktion anhand ausgewählter Beispiele aufzuzeigen. Für die dreidimensionale Dokumentation der Spuren setzen wir die Streifenlichttopometrie (SLT) ein, mit der kleinste Spuren in der Größenordnung von 0.2mm dreidimensional maßgetreu und in ihrer natürlichen Farbe dokumentiert und gemessen werden können. Für die Befundanalyse der Spuren werden in der 3-D Visualisierung Vektoren eingesetzt, die die einzelnen Meßdistanzen anzeigen und die proportional zur ihren Längenausdehnungen farbcodiert sind. Die Tiefe von Spuren lässt sich ähnlich der Ozeanokartographie mit flächigen Farbkarten darstellen, um in übersichtlicher Weise dem Betrachter die 3-D Informationen der Ausdehnung und der Tiefe zugänglich zu machen. Diese Methode wird erfolgreich bei der Analyse von Bißspuren, Schürfwunden, Kratzern auf der Haut, Blutspritzern und Textil- bzw. Reifenabdruckmustern auf der Haut angewendet. Der Einsatz der Streifenlichttopometrie in der computergestützten Methode der Morphometrie von Spuren führt zu einer Optimierung sowohl der Dokumentation und der 3-D Messung als auch der Darstellung und Auswertung der Meßergebnisse. Rechtsmedizin • Supplement 1 •2000
1 S47
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V-191
3D-LASER- SCANNER-AUFNAHMEN VON EINEM TATVERDÄCHTIGEN — EIN MÖGLICHES HILFSMITTEL BEI DER IDENTIFIZIERUNG UNBEKANNTER TÄTER?
TODESZEITSCHÄTZUNG ANHAND AUSGEWÄHLTER LIQUORPARAMETER II: POSTMORTALE SERIENMESSUNG IN RELATION ZU STANDARDPARAMETERN
D. Buhmann *, H. Summa**, J. Wilske*
*Institut für Rechtsmedizin, **Institut fier Anatomie, Universität des Saarlandes, *Gebäude 42, **Gebäude 61, D-66421 Homburg Saar Die Neuanfertigung von Fotografien von einem Tatverdächtigen für einen morphologischen Vergleich mit den Merkmalen eines Täters kann zu beträchtlichen Schwierigkeiten fuhren_ Die von dem Kameraobjektiv bedingten Verzerrungen im Randbereich der Aufnahmen sind zu berücksichtigen und ein gleicher Abstand der Personen zum Objektiv ist bei nahen Distanzen näherungsweise einzuhalten. Geringe Abweichungen in der Stellung des Kopfes im Raum lassen sich hingegen nur schwer erkennen. Insbesondere bei Tatverdächtigen, die nicht bereit sind, aktiv mitzuwirken, können geringe Abweichung der Stellung des Kopfes im Raum bei den Neuaufnahmen nur selten vermieden werden. Ein direkter metrischer Vergleich einzelner Merkmale kann dann erheblich erschwert oder undurchführbar werden. Im Rahmen einer Studie wurde der Frage nachgegangen, ob 3D-Laser-Scanner-Darstellungen des Kopfes eines Tatverdächtigen für einen morphologischen Vergleich geeignet sind, diese Fehlerquelle zu verringern oder auszuschalten. Von einer Versuchsperson wurden mit der 3D-Laser-ScannerKamera vivid 700 der Fa. Minoltaa zwei und mehr Aufnahmen angefertigtDie Einzelaufnahmen wurden durch matching von jeweils drei Bezugs zusammengeführt. Die so erzeugte 3D-Darstellung des Kopfes-punkte der Versuchsperson ist anschließend auf dem Monitor in allen Winkelgraden frei im Raum drehbar. Sie wurde nachfolgend der Aufnahme vom Täter auf dem Monitor gegenübergestellt. Hierbei konnte festgestellt werden, dass durch Drehen der 3D-Aufnahme des Tatverdächtigen die Kopfhaltung des Täters wesentlich genauer als bisher nachgestellt werden kann. Die erzielten Ergebnisse erlauben sonst nicht mögliche metrische Vergleichsmessungen.
A. Heinemann* , H.J. Stürenburg**, J. Matschke*, K. Püschel*
Institut für Rechtsmedizin, Butenfeld 34, 22529 Hamburg und *" Neurologische Klinik des Universitätskrankenhauses HamburgEppendorf, Martinistr. 52, 20249 Hamburg
Nachdem sich für den Verlauf der postmortalen neuronalen Autolyse sowie für die Entwickung einer postmortalen Blut- LiquorSchrankenstörung in einzeitigen Messungen bei einer größeren Stichprobe Verstorbener mit definiertem Todeszeitpunkt ein Korrelat in Form von Liquorkonzentrationsänderungen bestimmter Parameter aus dem Spektrum der neuronalen Enzyme , der Serumproteine, der Katecholamine sowie der Aminosäuren finden ließ (siehe Teil I), wurden in einem zweiten Ansatz individuelle Serienmessungen bis maximal 72 Stunden nach Eintritt des Todes vorgenommen. Um den Stellenwert der Bestimmung für die Praxis der Todeszeitschätzung abschätzen zu können, wurden bei 15 solcher Individualserien zu den jeweiligen Liquorentnahmezeitpunkten klassische Standardparameter (u.a. Außentemperatur im Verhältnis zu Rektaltemperatur, Hirntemperatur, Livores, Rigor, supravitale Reaktionen) mitbestimmt. Vorgestellt werden die Ergebnisse dieser Serienmessungen mit besonderer Berücksichtigung der Aussagefähigkeit der Liquorparameter im Zeitraum oberhalb von 20 Stunden p.m.. Es wird eine erste Einschätzung gegeben, unter welchen Voraussetzungen die Analysen die Routinediagnostik sinnvoll ergänzen könnten.
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TODESZEITSCHÄTZUNG ANHAND AUSGEWÄHLTER LIQUORPARAMETER I: ÜBERSICHT UND VORLÄUFIGE ERGEBNISSE
Supravitale Wärmeproduktion bei Ratten M. Junge', F. Wischhusen', C. Müldner 2 , A. Schröder 2 , E. Kaiser 2
J. Matschke , HJ. Stürenburg, A. Heinemann, K. Püschel
1: Institut für Rechtsmedizin, Universität Hamburg, Butenfeld 34, 22529 Hamburg 2: Zentrum für Biomechanik, Universität Hamburg, Lottestr. 59, 22529 Hamburg
Institut für Rechtsmedizin, Butenfeld 34, 22529 Hamburg und Neurologische Klinik des Universitätskrankenhauses Hamburg-Eppendorf, Martinistraße 52, 20249 Hamburg Die Eingrenzung des Todeszeitpunktes nimmt in der praktischen Rechtsmedizin eine zentrale Stellung ein. Neben den zahlreichen klassischen Todeszeitparametem wie Livores, Rigor, Temperatur sind immer wieder auch laborchemische Bestimmungen ausgewählter Parameter in verschiedenen Körperflüssigkeiten durchgeführt worden (zur Übersicht vgl. z.B. Henssge et al., London 1995; Henssge/Madea, Lübeck 1988, Knight, London 1996). Die bekannten Unsicherheiten bei der Todeszeitbestimmung bleiben bestehen. In einem größeren Kollektiv von Verstorbenen mit definiertem Todes wurden in bestimmten Intervallen Liquor- und Blutproben-zeitpunk gewonnen. Neben der Routineliquordiagnostik (Protein incl. Elektrophorese, Glucose, Lactat) wurden im Liquor Bestimmungen der Katecholamine Adrenalin, Noradrenalin und Dopamin, des Enzyms Neuronen-spezifische Enolase (NSE), sowie ferner von 21 Aminosäuren durchgeführt. Die bisherigen Ergebnisse lassen teilweise vielversprechend signifikante Zusammenhänge mit dem Todeszeitpunkt erkennen: So ergaben sich in der ersten Serie von Probenentnahmen z.B. für den Albumin-Quotienten, Glycin und Dopamin lineare Korrelationen mit einem rz > 0,95.
In den letzten Jahren wurden zahlreiche Modelle für den postmortalen Energieverlust durch Auskühlen vorgestellt. Ein wichtiger Parameter ist hierbei die postmortal vom Körper produzierte Energiemenge. In mathematischen Abschätzungen wurde hierfür eine untere Schranke abgeleitet (1316kJ (BMI 19.0kg/m 2 ), bzw. 3579kJ (BMI 31.2kg/m 2 i . Diese Werte wurden u.a. von C. Henssge z als viel zu hoch angesehen, da aus den Energiemengen bei einer bekleideten Leiche in einemn abgeschlossenen Raum ein deutlicher Temperaturanstieg des Körpersresultieren würde. Eine entsprechende Erwärmung wurde jedoch nie beobachtet. Mittels eines Präzisionsthermometers mit extrem geringer Wärmekapazität wurden Temperaturkurven für verschiedene Todesarten (Spinalmarkdurchtrennung, Dekapitation, verschiedene Vergiftungen etc.) bei Ratten gemessen. Die Versuchtiere wurden im Rahmen anderer Studien unter und getötet, für diese Untersuchungen liegt ein Votum der Ethik-sucht vor. -komisn Die Ergebnisse dieser Studie werden vorgestellt und mit den mathematischen Modellen vorgegangener Arbeiten verglichen und diskutiert. ))
'Mall, G. et. al. Abschätzung der supravitalen Energieproduktion durch Modellierung des Wärmeverlusts durch freie Konvektion. Vortag 18 auf der 78. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für R.editsmedizin, Frankfurt a. M. 1999; Rechtsmedizin, Supplement I zu Band 9 (1999), V-18. Diskussionsbeitrag zu 1 5
S48 Rechtsmedizin • Supplement 1 •2000
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DARSTELLUNG DES ZUNEHMENDEN POSTMORTALEN KNORPELZELLSCHADENS AM TIERMODELL
ERTRINKEN IN suss- UND SALZWASSEREINE MORPHOMETRISCHE SIUDIE AN LUNGEN
G. Lasczkowski, G. Weiler Institut fiir Rechtsmedizin der Justus-Liebig-Universitat, Frankfurter Str. 58,35392 Giessen
W. Keil, V. Hofbauer, N. Eberl, E. Lignitz', H. Thomson", T. Tatschner', S. Milz 4 , A Buttner, G. Mall, E. Gazov 2 Institute fur Rechtsmedizin der Universitaten Munchen, Greifswald', Kiel , Wurzburg''; Anatomische Anstalt der Universitat Munchen"
Erste, bereits mitgeteilte Untersuchungen haben gezeigt, daB Vitalfarbstoffe und Laserscarming 3D Mikroskopie geeignet sind, den zunehmenden postmortalen Zellschaden an bradytrophen Geweben darzustellen. Nunmehr erfolgte in einem zweiten Schritt die Ubertragung dcr Methode auf systematische Untersuchungen am Tiermodell. Es wurden 5 groBe Gelenke des Vorderlaufes vom Schwein vom Weichteilmantel befreit und iiber 10 Tage bei 18°C gelagert. Pro Tag wurden 0,5 x 0,5 x 0,5 ern groBe Schnitte aus den mittleren Knorpelabschnitten entnommen und mit Calcein/AM und Ethidium Homodimer in einer Doppelfarbung (Live/Dead®, Molecular Probes) inkubiert. Daneben wurden Schnitte aus knochennahen Arealen und Langsschnitte untersucht. Zum Ausschluss von Autofluoreszenz wurde ein Nativpraparat mitgefiihrt. Den Ergebnissen liegen morphometrischc Auswertungen von etwa 600 Knorpelzellen pro Fall und Tag zugrunde. In den Langsschnitten war ein mit zunehmender Knochennahe langsamer fortschreitender Schaden zu erkennen, wobei noch am 2. Tag p.m. eine nahezu 100% Vitalitat zu beobachten war, am 5. Tag p.m. waren hier noch leuchtend griine Signale zu detektieren. In der mittleren Schicht traten ab dem 3. Tag p.m. griine "Tiipfelungen" z.T. mit, z.T. ohne Kernfarbung auf, die Zellgrenzen waren schlecht zu differenzieren. Mit dem 5. Tag war eine quantitative Auswertung wegen Zerfall der Strukturen nicht mehr moglich. Zunehmend traten leere Lakunen mit Reduktion der Zelldichte und ein verstarkter Hintergrund auf. Unter den gewahlten Laborbedingungen (isoliertes Gelenk, 18°C, feuchte Kammer, kurzzeitiger Luftkontakt bei Gewebsentnahme) war ein einformiger Wandel der Morphologie zu beobachten, wobei die relevante Schadigung mit dem 3. - 4. Tag p.m. festgestellt werden konnte.
V-194
Nach der Lehrauffassung soil es beim Ertrinken im Salzwasser zu einem Lungenodem kommen, im Siisswasser dagegen nicht. Dies steht im Widerspruch zur praktischen Obduktionserfahrung und einzelnen publizierten Daten. Ob ein Emphysema aquosum ausschlieBlich beim Ertrinken im Siisswasser auftritt, wird nicht einheitlich dargestellt. Aus diesem Grund wurden im Zeitraum 1997 bis 1999 in einer multizentrischen (Greifswald, Kiel, Munchen, Wiirzburg) prospektiven Studie 8 Salzwasser-, 3 Brackwasser- und 46 Susswasser-Ertrinkungsfalle untersucht. Mit einem standardisierten Dokumentationsbogen sind zahlreiche Merkmale, darunter auch die Obduktionsbefunde, erfaflt worden, vergleichbare Lungenproben fur mikroskopische Untersuchungen wurden entnommen. Bei letzteren ist morphometrisch der intraalveolare Fliissigkeitsgehalt bestimmt worden. Die Analyse (Makroskopie, Histomorphometrie) erbrachte, daf anhand der intraalveolaren Fliissigkeitsmenge (sog. Oedema aquosum) eine Unterscheidung zwischen Ertrinken im Siiss- und Salzwasser nicht rnoglich ist. Oedema, aber auch Emphysema aquosum wurden sowohl bei Suss- als auch bei Salzwasserfallen beobachtet. Die Ergebnisse lassen sich modernen pathophysiologischen Auffassungen der klinischen Medizin bei Beinahe-Ertrunkenen zuordnen. Aus diesem Grund ist die bisherige Lehrmeinung vom Ertrinkungstod beziiglich der Suss- und Salzwasserproblematik zu iiberdenken.
V-196 FORENSISCHE ENTOMOLOGIE 1M WINTER
C. Niess, R. Zehner, J. Amendt, R. Krettek Zentrum der Rechtsmedizin, Klinikum der Johann Wolfgang Goethe Universitat, Kennedyallee 105, 60596 Frankfurt am Main Der Einsatz von Insekten zur Bestimmung der Leichenliegezeit hat sich insbesondere bei langen, Wochen und Monate, zu erwartenden Zeitraumen bewahrt. Hierbei wird anhand von Art und Alter der verschiedenen Larven- wie auch der Puppenstadien ein Zeitschema erstellt und unter Einbezug der aufleren Temperaturverhaltnisse die Liegezeit eingegrenzt. Die Methode ist auf das Vorhandensein von Insekten angewiesen. Da die entsprechenden Arten in unseren Breitengraden iiberwiegend in den Sommermonaten aktiv sind, hat die Forensische Entomologie ihre Domane in den warmen Jahreszeiten. Jungste Praxisbeispiele zeigen, daf die Methode auch in den Wintermonaten ausgeschopft werden kann. Fall I: Am 30. November wurde ein 64 Jahre alter Mann teilmumifiziert und teilskelettiert im Wald aufgefunden. Aus dem Schadelinneren konnten zahlreiche Kasefliegen-Maden asserviert werden. Die Altersbestimmung der Tiere sowie die Tatsache, daf diese Fliegengruppe zu den sogenannten Spatbesiedlern von Kadavern zahlt, liefien eine Eingrenzung der Todeszeit zu. Fall 2: Am 18. Februar wurde auf einem Balkon eines Mehrfamilienhauses die bekleidete Leiche einer 42 jahrigen Frau, die zusatzlich von mehreren Tiichern und Teppichen bedeckt war, in fortgeschrittenem Faulniszustand aufgefunden. Von den Waschestucken, auf dem Balkon und an der Leiche wurden Fliegenmaden, Puppen und Fliegen (Calliphora vicinay asserviert und zur Liegezeitbestimmung eingesetzt. In Laborversuchen unter konstanten Bedingungen konnte die Arbeitsgruppe nachweisen, daf sich Fliegenmaden auch unterhalb den teilweise in der Literatur angefuhrten Temperaturdaten weiterentwickeln konnen. Die Faile bestatigen, daf die Forensische Entomologie wahrend aller Jahreszeiten relevante Daten zur Leichenliegezeitbestimmung liefern kann. Daher sollte auch im Winter bei jeder unklaren Liegezeit auf einen Insektenbefall der Leiche geachtet werden.
"SALZWASSER-ERTRlNKEN' 1M BINNENLAND ? D.Stiller, K Triibner, M.Kieiber Institut fiir Rechtsmedizin der Martin-Luther-Universitat Halle Wittenberg 06097 HalleiSaaIe
Ein PKW war aufgerader StraBevon der Fahrbahn abgekommen, hatte sich mehrfach iiberschlagen und war in einen wasserfiihrenden StraBengraben gestiirzt. Der Fahrer wurde tot aus dem auf dem Dach liegenden Fahrzeug geborgen. Die Sektion ergab keine todesursiichliche Traumatisierung, hingegen Zeichen des Ertrinkens mit schaumigem Schleim in der Luftrohre, akutes Lungenemphysem bei hochgradiger Hyperiimie und massivem Odem, Unsere Labonmtersuchungen ergab eine "paradoxe" Gefrierpunktsverschiebung. Die Befunde erinnerten stark an das Bild eines Ertrinkens in Saizwasser, das Rechtsmediziner im Binneniand eigentlich nie zu Gesicht bekommen. WI! hatten die Idee, uns das Ertrinkungsmedium etwas naher anzuschauen. Es handehe sich iiberraschenderweise nicht um einen "normalen" Strafsengraben, sondern den Auffang- und Abfuhrungsgraben des Sickerwassers einer Halde der ehemals hier tatigen Chemieindustrie. Daraufhin wurde die Ertrinkungsiliissigkeit untersucht und es ergab sich ein Salzgehalt von 32,7g11, ein Wert, dernahe der Sattigungsgrenze liegt. Bei der Durchsicht rechtsmedizinischer Lehrbiicher fiel auf; dass erst in den letzten Auflagen eine eindeutige Unterscheidung zwischen den Befunden bei Ertrinken in SaIz- und Sii.Bwasser gemacht wurde. Unser Fall gibt Anlass, Pathophysiologie und Befundmorphologie bei unterschiedlichen Ertrinkungsmedien zu rekapitulieren.
Rechtsmedizin . Supplement 1 . 2000
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UNTERSUCHUNGEN ZU MORPHOLOGISCHEN VARIATIONEN AN ZUNGENBEIN UND KEHLKOPFSKELETT UNTER BESONDERER BERÜCKSICHTIGUNG DER BEWEGLICHKEIT DER CORNUA
ALKOHOLOGENE DILATATIVE CARDIOMYOPATHIE UND CHRONISCHE MYOKARDITIS - IMMUNHISTOLOGISCHE UNTERSUCHUNGEN
M. Brenner, G. Mall, A. Büttner, E. Gazov, W. Keil Institut für Rechtsmedizin der Ludwig-Maximilians-Universität München
R. Dettmeyer, K. Reith, B. Madea Institut für Rechtsmedizin der Rheinischen Friedrich-WilhelmsUniversität Bonn, Stiftsplatz 12, D-53111 Bonn
Bei der Beurteilung von Strangulationsfällen ist die Differentialdiagnose zwischen einer anlagebedingten vermehrten Beweglichkeit und einer verletzungsbedingten abnormen Beweglichkeit der Zungenbeinund oberen Kehlkopfhörner oft problematisch. Ziel der vorliegenden Arbeit ist daher eine Untersuchung der morphologischen Variationen von Zungenbein und Kehlkopfskelett unter besonderer Berücksichtigung der Beweglichkeit der großen Zungenbein- und oberen Kehlkopfhörner. Die Untersuchung soll an einer zufällig ausgewählten Stichprobe (mindestens n=300) erfolgen. Bei den bisher ausgewerteten 100 Fällen (66 männlich mit einem Durchschnittsalter von 50 J., 34 weiblich mit einem Durchschnittsalter von 58 J.) wurden u.a. folgende morphologische Charakteristika und Maße erhoben: Das Zungenbein war in 38 % hyperbel-, in 39 % parabelund in 3 % hufeisenförmig; 17 % waren Mischformen. In 5% der Fälle wurden ausgeprägte und verknöcherte Cornua minora mit einer Länge von bis zu 1,9 cm gefunden. Eine geringe bis mittelgradige Beweglichkeit im Gelenk zwischen den Cornua majors und dem Corpus war in 18% der Fälle überwiegend beidseitig gegeben. Die oberen Kehlkopfhörner waren rechts in 1 %, links in 5% nicht angelegt; beidseits waren sie in einem Fall nicht angelegt. In je einem weiteren Fall waren sie ein- bzw. beidseitig als Sesambein mit starker Beweglichkeit vorhanden. Eine geringe bis mittelgradige Beweglichkeit war in 17 Fällen, eine mittelgradige bis starke in einem Fall beidseits gegeben. In 4 Fällen war aufgrund eines makroskopisch erkennbaren Gelenkes nur einseitig eine starke Beweglichkeit vorhanden.
1995 wurde die WHO-Klassifikation der dilatativen Cardiomyopathien ergänzt um die Untergruppe der inflammatorischen Cardiomyopathie (Richardson et al., Ciruculation 93 (1996) 841-842). Vorliegend wurden Myokardproben von 13 Fällen mit dilatativer Cardiomyopathie sowie gesichertem Alkoholabusus histologisch (HE, Mallory) und immunhistologisch (LCA, CD3, CD68, Tenascin) untersucht. Die Ergebnisse der quantitativen und qualitativen Analyse von Entzündungszellen im myokardialen Interstititum wurden mit den Befunden einer Kontrollgruppe von 10 Fällen verglichen. Die TenascinExpression wurde semiquantitativ bewertet unter Berücksichtigung der Lokalisation (interstitielle Fibroseareale, perivasal- zirkuläre Fibrosen). Während in der Kontrollgruppe keine abweichenden Befunde erhoben werden konnten, fanden sich in der Gruppe der dilatativen Cardiomyopathien nach den immunhistologischen Befunden zumindest 2 Fälle, die hinsichtlich der zellulären Infiltration wie beim Nachweis von Tenascin auffällig waren, so dass hier von einer chronischen viralen Myokarditis (inflammatorischen Cardiomyopathie) ausgegangen werden kann. In einem der beiden Fälle fand sich zudem eine zirkulär -perivasale Faserbildung in der Mallory-Färbung mit gleichzeitigem Nachweis einer vermehrten Tenascin-Expression, ein Befund, der mit dem bekannten Phänomen einer primär endothelialen und sekundär gewebeinvasiven Ausbreitung bestimmter cardiotroper Viren korreliert. In den übrigen Fällen ist nach wie vor die These einer alkohologenen Cardiomyopathie als eigenständiger Erkrankung gerechtfertigt.
V-1 98
V-200
Immunhistochemische Expression von Lactoferrin und Lysozym bei Sepsis M. Tsokos', S. Anders 2 , F. Paulsen 3 'Institut für Rechtsmedizin der Universität Hamburg 'Institut für Pathologie der Universität Hamburg 'Anatomisches Institut der Christian-Albrechts-Universität Kiel Zur Klärung der Frage, ob Lactoferrin und Lysozym als immunhistochemische Marker in der postmortalen Sepsis- Diagnostik eingesetzt werden können, wurde die immunhistochemische Expression beider Proteine in humanem Lungengewebe von 13 Sepsis-assoziierten Todesfällen und 14 Kontrollfällen untersucht. Das semiquantitive Scoring orientierte sich an der Quantität immunpositiver Leukozyten und an der Intensität der intrazellulären Färbung. Es fand sich eine statistisch signifikante Korrelation zwischen einer unmittelbar vor dem Tode klinischerseits diagnostizierten Sepsis und einer erhöhten LactoferrinExpression, wohingegen für Lysozym keine statistische Beziehung der leukozytären Expression und einer todesursächlichen Sepsis festgestellt werden konnte. Pneumonische Lungenalterationen allein hatten keinen signifikanten Einfluß auf die Lactoferrin-Expression, im Gegensatz zu einer verstärkten Expression dieses Markers bei zusätzlichem Vorliegen einer septischen Lungenalteration. Lactoferrin erscheint als ein geeigneter immunhistochemischer Marker zur postmortalen Diagnosestellung einer Sepsis.
S50 1 Rechtsmedizin • Supplement 1 •2000
HÄUFIGKEIT DIFFUSER AXONSCI (ADEN IM FORENSISCHEN SEKTIONSGUT
C. Niess, H. Bratzkc Zentrum der Rechtsmedizin, Klinikum der Johann Wolfgang Goethe Universität, Kennedyallee 105, 60596 Frankfurt am Main Die diffuse Axonschädigung (diffuse axonal injury, DAI) gilt als morphologisches Korrelat des Schädel Hirn Traumas (SHT). Sie soll insbesondere nach Akzelerations- / Dezelerationstraumen auftreten und überwiegend bei Verkehrsunfallopfern beobachtet werden. Die Mehrzahl der dieses Phänomen untersuchenden Studien konzentrierte sich auf vorselektiertes, traumatisiertes Untersuchungsmaterial. In jüngster Zeit verdichteten sich jedoch die Hinweise, daß DAI auch die (sekundäre) Folge des SHT durch zerebrale Ischämie / Hypoxie darstellt. Eine genaue ursächliche Trennung ist bis heute nicht möglich. Jüngere Untersuchungen zeigten, daß auch bei rein ischämisch / hypoxischen zerebralen Ereignissen ohne SHT diffuse Axonschäden auftreten. Um die tatsächliche lnzidenz der Axonschäden aufzuzeigen wurden aus dem Routineobduktionsgut unselektiert und willkürlich 450 Fälle untersucht. Einziges Ausschlußkriterium war die fortgeschrittene Autolyse. Dabei interessierte besonders auch die Frage nach einer möglichen hohen „Dunkelziffer" positiver Fälle, da DAI oftmals nur mikroskopisch diagnostiziert werden kann. Von den Fällen wurde je ein Anteil der Pons und des Cerebrums fixiert, immunhistochemisch behandelt (ßAPP) und mikroskopisch ausgewertet. In 12% des Gesamtkollektives wurde DAI nachgewiesen. Die Gruppe der SHT stellte dabei nicht das Hauptkollektiv der positiven Fälle, sondern mit 53% die als „zentrale Lähmung" kategorisierte Gruppe. In diesem Kollektiv fanden sich wiederum über 50% der Fälle mit einem chronischen Drogenoder Medikamentenabusus in der Vorgeschichte. Der ßAPP Nachweis zeigte sich bei den Traumafällen als von der Überlebenszeit abhängig, eine unerwartet hohe „Dunkelziffer" konnte nicht gesehen werden.
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Morphologische Befunde bei Obdachlosen
ZUR PROBLEMATIK DER GEWAHRSAMSTAUGLICHKEIT AUS RECHTSMEDIZINISCHER SICHT
J. Reuhl*, R. Schapfeld, F.-U. Lutz, H. Bratzke Zentrum der Rechtsmedizin der Johann Wolfgang Goethe- Universität Frankfurt/M., *Institut für Rechtsmedizin der Johannes Gutenberg- Universität Mainz Die Anzahl von Menschen, die unter dem Verwaltungsbegriff "Obdachlose" bzw. "Nichtseßhafte" subsummiert werden, hat nach Schätzungen insbesondere nach der Wiedervereinigung in Deutschland stark zugenommen und soll bereits 1990 die Zahl 1 Million überschritten haben. Wohnungslosigkeit infolge Massenarbeitslosigkeit und Verelendung wurde seit dem Mittelalter als kriminelles Delikt angesehen und verfolgt, seit den zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts auch als Psychopathie, was zur Einleferung zahlreicher Land- und Stadtstreicher in Konzentrationslager während des III. Reiches führte. Anhand eines Kollektivs von 60 obduzierten Verstorbenen ohne festen Wohnsitz wurde eine möglichst vollständige Dokumentation makroskopischer und histologischer pathologischer Befun-
de sowie sozialer und medizinischer Hintergründe aus Akten Polizei und/oder Staatsanwaltschaft versucht. -inhaltevo In weiteren 60 Fällen aus den Jahren 1992-1996 wurden Daten, soweit vorhanden, erhoben und in die Untersuchung einbezogen. Die Untersuchung ließ eine hohe Morbidität und Mortalität innerhalb der sozialen Gruppierung Wohnungslose erkennen. Das durchschnittliche Sterbeelter aller 120 Fälle betrug 46,0 Jahre bei einer Spannweite von 21-75 Jahren, bei den Frauen (8,3 % aller Fälle) belief sich dieses auf 49,9 Jahre bei einer Spannweite von 31-75 Jahren, unter den Männern auf 45,7 Jahre bei einer Spannweite von 21-72 Jahren. Von den 60 vollständig dokumentierten Fällen war 43 -mal der Familienstand zu eruieren, wobei 21 Personen geschieden, 17 ledig, 4 getrennt lebend und eine verwitwet waren. 30 dieser Fälle waren eines natürlichen Todes gestorben, unter den 30 nicht - natürlich Verstorbenen handelte es sich in 22 Fällen um einen Unfall, in 8 Fällen um Tötung. Die pathologischen Befunde und Todesursachen werden detailliert dargestellt, die Schlußfolgerungen hieraus diskutiert.
Heide. S.; Stiller, D.; Trübner, K.; Kleiber, M. Institut für Rechtsmedizin Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, 06112 Halle/S. Franzosenweg 1 Während die Haftunfähigkeit nach §455 der StPO geregelt wird, existiert für die Gewahrsamstauglichkeit bzw. -untauglichkeit keine Legaldefinition. In den Polizeigesetzen der verschiedenen Bundesländer werden meist lediglich die Kriterien für die Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung zur Gewahrsamstauglichkeit aufgeführt. Auch im spärlichen Schrifttum zu dieser Problematik sind keine einheitlichen, medizinisch klar definierten Maßstäbe zu finden. Dabei werden die für die Polizei in Halle tätigen Ärzte, die unter rechtsmedizinischer Anleitung ihren Dienst verrichten, relativ häufig und zunehmend mit dieser Problematik konfrontiert. Anhand unseres Untersuchungsgutes soll das breit gefächerte Spektrum der Symptome und Krankheiten, die Anlaß zur ärztlichen Beurteilung der Gewahrsamstauglichkeit sind, dargestellt werden. Im Vordergrund stehen zwar Intoxikationen durch psychotrope Substanzen bzw. entsprechende Entzugssyndrome, aber auch das Vorliegen bzw. die Behauptung internistischer, chirurgischer oder psychiatrischer Krankheitsbilder führt oft zur Notwendigkeit einer entsprechenden ärztlichen Konsultation. Problematisch ist fast immer die Diskrepanz zwischen den eingeschränkten diagnostischen Möglichkeiten (z.B. nachts im Polizeirevier) einerseits und dem Ausmaß der ärztlichen Verantwortung andererseits.
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Bestätigung eines Tötungsdeliktes bei natürlichen Todesfällen durch die Exhumierung
MENSCHLICHE PRIMITIVREAKTIONEN
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D. Breitmeier, U. Graefe-Kirci, W.J. Kleemann, H.D. Tröger Medizinische Hochschule Hannover (MHH), Institut für Rechtsmedizin, Carl-Neuberg-Str. 1, 30625 Hannover Die Struktur und Häufigkeit von Exhumierungen insbesondere die zugrundeliegende Fragestellung und die Möglichkeit des erfolgreichen Abschlußes der Untersuchungen, vor allem unter dem Hintergrund des Verdachtes einer Tötung, sollte überprüft werden. Durch retrospektive Analyse des Sektionsgutes der Jahre 1978 bis 1997 am Institut für Rechtsmedizin der MHH konnten die im Zusammenhang mit einer Exhumierung in Auftrag gegebenen Obduktionen ermittelt werden. Hierbei wurden nur diejenigen Fälle von Exhumierungen berücksichtigt, bei denen der Leichnam legal auf einem Friedhof beigesetzt wurde. Von 1978 bis 1997 wurden 87 Obduktionen im Zusammenhang mit einer Exhumierung durchgeführt. In 74% der Fälle handelte es sich um eine Legalsektion. Gründe fir die Exhumierungen waren: Verkehrsunfall (39%), Tod im Zusammenhang mit Behandlungsmaßnahmen (24%), Berufskrankheiten (3%), Identitätsfragen (5%) und der Verdacht einer Tötung (29%). Von den 25 ausschließlich durch Staatsanwaltschaften in Auftrag gegebenen Legalexhumierungen wegen des Verdachtes einer Tötung, konnte diese in 4 Fällen (16%) bestätigt oder erstmalig festgestellt werden. Ein (4%) durch Geständnis bekanntes Tötungsdelikt konnte nicht nachgewiesen werden. 2 Personen (8%) sind durch einen Suizid bzw. im Rahmen eines erweiterten Suizids und ebenfalls 2 Personen (8%) durch einen Unfall zu Tode gekommen. In 9 Fällen (36%) konnte nicht geklärt werden, ob ein natürlicher Tod oder ein Tötungsdelikt vorlag. In 8 Fällen (32%) konnte durch die Obduktion keine Todesursache festgestellt werden, wohingegen in 17 Fällen (68%) die gezielte Fragestellung beantwortet werden konnte. Die Exhumierung stellt somit bei der Fragestellung des Verdachtes einer Tötung, auch nach längerer Leichenliegezeit, ein probates Mittel zur Verifikation bzw. zur Entlastung der Beschuldigten dar.
A. Th. Schäfer Institut für Rechtsmedizin der RWTH Aachen, Pauwelsstr.30, 52057 Aachen In Extremsituationen, in der Nähe des Todes, bei schwerer Krankheit, Vergiftung, Psychose oder ähnlichen Zuständen können menschliche Handlungsweisen auftreten, die nicht mehr vom Verstand gesteuert, zielgerichtet und situativ angepasst sind, sondern offenbar zumindest teilweise entwicklungsgeschichtlich älteren Reaktionsebenen entstammen. Derartige Handlungsweisen sollen "Primitivreaktionen" genannt werden. Sie sind nicht immer ziellos und zufallsabhängig, sondern folgen vielfach eigenen Regeln. Anhand von Fallbeispielen werden die Primitivreaktionen "Sedimentation" (Person sucht den topographisch tiefsten erreichbaren Ort auf), "Verstecken" (Person verkriecht sich in engen Räumen) und "Zudecken" (Person bedeckt sich mit diversen Gegenständen) vorgestellt. Die Kenntnis derartiger Verhaltensweisen erweist sich einerseits als nützlich, um Tatort-/Fundort zu verstehen, andererseits, um Suchstrategien für abgängige,-situaone verwirrte Personen zu entwickeln.
Rechtsmedizin • Supplement 1 •2000
1 S5 1