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Der neue Audi S4 Der neue Audi S4 ist das sportliche Spitzenmodell der A4-Reihe und wird, wie schon sein Vorgänger, als Limousine und Avant angeboten. Erstmals kommt in dieser Modellreihe ein leistungs- und drehmomentstarker, sehr kompakter Achtzylindermotor zum Einsatz. In Verbindung mit dem permanenten Allradantrieb quattro und dem modifizierten A4-Aluminium-Fahrwerk wird eine herausragende Fahrdynamik garantiert und die souveräne Sportlichkeit unterstrichen.
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Die Autoren 1 Einleitung
Die S-Modelle von Audi haben eine langjährige Tradition. „S“ begann bereits in den achtziger Jahren mit den siegreichen, legendären Audi quattro auf den Rallyepisten der Welt. Das erste Fahrzeug mit dem Kürzel S im Namen war der quattro S1. Gleichwohl als Sportler von Format zeigten sich die ersten Straßenversionen, die ein SEmblem auszeichnete: So der S2 mit 2,2-lTurbo-Fünfzylindermotor und 169 kW auf Basis der Audi-80-Baureihe und des Coupés. Der neue Audi S4 führt diese Tradition der sportlichen und exklusiven Spitzenmodelle fort. Mit dem neuen S4-Motor wird die souveräne Leistungsentfaltung und der Komfort des weiterentwickelten 4,2-lAchtzylindermotors angeboten.
Innengehäuse sind ein weiteres Differenzierungsmerkmal. Die Seitenlinie, Bild 1, wird bestimmt von einem Schweller in Wagenfarbe und grau abgesetzten Türaufsatzleisten. Der Heckstoßfänger besitzt, ähnlich dem Stoßfänger vorne, ein sehr kräftiges Volumen und ist – abgesehen von einem grauen Einsatzteil – ebenfalls durchgängig lackiert. Dieses Einsatzteil fasst die sichtbaren, kräftigen Endrohre ein und unterstützt durch seine formale Ausprägung die sportlichen Attribute des Fahrzeugs. Unterstützt wird dies bei der S4 Limousine durch den unaufdringlichen Heckspoiler, der in Wagenfarbe lackiert ist. Die S-spezifischen Plaketten am Kühlergrill vorne und am Heck runden die subtile Differenzierung im Exterieur ab. 3 Interieur
2 Exterieur
Wie beim Vorgängermodell war es auch beim neuen S4 das Ziel, sich vom Basismodell nur subtil zu unterscheiden und doch durch gezielte optische Veränderungen den sportlichen Charakter zu unterstreichen. Diese Definition des sportlich-dezenten Auftritts findet sich bei allen S-Modellen von Audi wieder. Die Front des S4 ist geprägt von den sehr kräftig wirkenden, durchgängig lackierten Stoßfängern mit den großen seitlichen Lufteinlässen für optimierten Luftdurchsatz. In Kombination mit dem Doppelgrill, dessen Kühlerschutzgitter eine vertikale Orientierung besitzt, signalisieren sie die kräftige Motorleistung. Die Scheinwerfer in Xenon-Technik mit dunkel abgesetztem
2 Exterieur
Die S-spezifischen Modifikationen des bekannten A4-Innenraums gliedern das Erscheinungsbild in die typische Audi-SFamilie ein. So findet das sportliche Exterieur-Design im Innenraum seine Fortsetzung. Das Highline-Kombiinstrument mit dem S-spezifischen Grau der Zifferblätter, Bild 2, sowie den Zeigern in S-Optik dominieren zusammen mit dem DreispeichenSportlenkrad das Armaturenbrett der Fahrerseite. Die hochwertigen Carboneinleger in der Instrumententafel ziehen sich bis in die Türverkleidungen fort und unterstreichen das sportliche Handling des S4, Bild 3. Besonderer Wert bei der von der Firma Recaro neu entwickelten Sitzanlage wurde auf den sportlichen Sitzkomfort gelegt. Der
Dipl.-Ing. Alois Feldschmid ist Leiter Technische Projektleitung A4-Modellreihe bei der Audi AG in Ingolstadt. Dipl.-Ing. Christoph Mödl ist technischer Projektleiter des S4 bei der Audi AG in Ingolstadt.
Fahrzeugsitz wurde speziell konzipiert, um eine sichere Seitenführung auch in schnellen Kurven mit einem hervorragenden Langstreckenkomfort zu verbinden. Der mit dem Gütesiegel der Aktion „Gesunder Rücken“ ausgezeichnete Sitz verfügt über eine hohe, körpergerechte Rückenlehne und stark ausgeprägte Seitenführung an Lehne und Sitzfläche, Bild 4. Eine Vielzahl an Verstellmöglichkeiten (Höhenverstellung, Neigungsverstellung und Einstellung der Oberschenkelabstützung) gewährleistet auch für sehr kleine oder große, leichte oder schwere Personen eine sichere und komfortable Sitzposition. Optimal ist die absolut korrekte Unterstützung des gesamten Lendenwirbelstützenbereiches durch die elektrische Vier-Wege-Lordosenunterstützung. Als gut konturierter Sitz bietet der RecaroSportsitz jedem Fahrgast einerseits genug Freiraum für ein komfortables, rückenschonendes Sitzen und anderseits hervorragenden Seitenhalt auch bei schnellen Kurven. Den Abschluss findet das Interieurdesign in den S-spezifischen Einstiegsleisten mit Aluminiumeinleger und einem neuen SEmblem. 4 Aggregat 4.1 Grundmotor
Bild 1: Kombilimousine Audi S4 Avant Figure 1: Station wagon Audi S4 Avant
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Der im bisherigen S4 verwendete 2,7 l V6Biturbomotor wird durch ein leistungsund drehmomentstarkes AchtzylinderAggregat abgelöst. Die Basis hierfür bildet der neu entwickelte 4,2 l V8-5V Motor im Audi allroad quattro mit 220 kW Motorleistung. Bei der Entwicklung standen speziell die kompakte Motorbauform und eine hohe Motorleistung im Vordergrund. Mit diesem Aggregat bietet Audi erstmals den Achtzylinderkomfort in der A4-Modellreihe. Die wichtigsten Daten sind in der Tabelle zusammen gefasst.
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3 Interieur
4.2 Motorkonzept
Bild 2: Kombiinstrument Figure 2: Instrument cluster
Um den Einbau eines V8-Motors in ein B-Klasse Fahrzeug zu ermöglichen, wurde der bisherige Audi V8-Motor hinsichtlich einer möglichst kurzen Baulänge überarbeitet, Bild 5. Unter Beibehaltung der Grundabmessungen für die Zylinderbohrung von 84,5 mm, den Zylinderabstand von 90 mm und der Stegdicke von 5,5 mm wurden der Bankversatz von 18,5 mm und der Hub von 92,8 mm vom bewährten und schon sehr kompakten V8-5V 4,2 l Serienmotor übernommen. Damit ließ sich die theoretische Blocklänge von circa 409 mm nicht weiter verkürzen. Die Lösung brachte eine innovative Anordnung eines neuartigen Antriebs der Neben- und Hilfsaggregate. Durch die kurze Bauform des Motors konnten zudem 5 kg an Gewicht gespart werden. Durch die kombinierte Anwendung von Kettentrieben, Zahnradtrieben und Wellenantrieben auf der Motorabtriebsseite wurde letztlich eine Baulänge von nur 464 mm gegenüber 516 mm des Serienmotors erzielt, die einen Einbau in den Audi S4 ermöglichte, Bild 6. Dies wurde mit zwei Kettenspurebenen und der Verwendung von Simplexketten an der Rückseite des Motors erreicht. Damit liegen die Kettentriebe in der Nähe des Torsionsschwingungsknoten der Kurbelwelle und haben bezüglich der Drehungleichförmigkeit des Motors die günstigste Einbaulage. 4.3 Zylinderkurbelgehäuse und Kurbeltrieb
Bild 3: Interieur Figure 3: Interior Bild 4: Sportsitze vonRecaro Figure 4: Recaro’s sports seats
Für das Zylinderkurbelgehäuse wurde die Teilung in der Mitte der Hauptlager gewählt. Das Oberteil besteht aus einer übereutektischen Alumium-Silzium Legierung, die Zylinderlaufbahnen werden mechanisch freigelegt. Das Unterteil besteht aus Aluminium mit eingegossenen Sphäroguss-Lagerdeckeln. Das Kolbengewicht einschließlich Bolzen und Kolbenringen konnte um 70 g auf 392 g reduziert werden. Weiterhin wurde das Gewicht des Pleuels durch die Verwendung eines sogenannten Trapezpleuels um weitere 66 g auf 501 g verringert. Damit wurden die Voraussetzungen geschaffen, die Reibleistung des Aggregats zu senken sowie die maximale Motordrehzahl auf 7200/min zu steigern. 4.4 Zylinderköpfe mit Antrieb
Für die Zylinderköpfe wurden die Abmessungen der V8-5V Serienzylinderköpfe verwendet. Damit waren Ventiltriebskomponenten aus der Serie verwendbar. Der Antrieb der vier Stahl-Nockenwellen erfolgt mit einem zweistufigen Kettentrieb an der Rückseite des Motors mit drei
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4.1 Grundmotor Tabelle: Technische Daten des Audi S4 (Version mit Handschaltgetriebe) Table: Technical data of the Audi S4 (model with manually shifted transmission)
Technische Daten Bauart/Zylinder/Ventile Hubraum Bohrung/Hub Verdichtung Leistung bei Drehzahl maximales Drehmoment bei Drehzahl Leerlaufdrehzahl Motormanagement Zündsystem
Anzahl Türen/Sitzplätze Länge/Breite/Höhe (leer) Radstand Spurweite vorne / hinten (leer) Durchladebreite Gepäckraum Gepäckraumvolumen Leergewicht Zuladung Tankinhalt Vorderachse Hinterachse Antriebsart Bremse vorne Durchmesser Bremse hinten Durchmesser Fahrstabilitätssysteme Lenkung
Einheit
cm3 mm kW (PS) bei min–1 Nm/min– 1 min–1
mm mm mm mm l kg kg l
mm mm
Lenkübersetzung Bereifung Einpresstiefe Getriebeübersetzungen
Beschleunigung Elastizität Höchstgeschwindigkeit EU-Zyklus insgesamt Emissionsklasse Batterie Lichtmaschine
mm I II III IV V VI R-Gang Achsübersetzung 0–100 km/h s 0–200 km/h s 60–120 km/h (V.) s 60–120 km/h (VI) s km/h l/100 km Ah A
Eigenschaft V-Motor/8/40 4163,3 84,5 / 92,8 11 253 (344)/7000 410/3500 750 Bosch ME 7 Einzelspulenzündung; Kennfeldzündung mit ruhender Hochspannungsverteilung 4/5 4575/1781/1415 2651 1519/1519 1000 445 (442)* 1660 (1720)* 550 66 Vier-Lenker-Vorderachse mit virtueller Schwenkachse Trapezlenker-Hinterachse Allradantrieb, quattro 17“-Faustrahmenbremse 345 (innenbelüftet) 16“-Faustrahmenbremse 300 (innenbelüftet) ASR, EDS, ABS, ESP, EBV, BA geschwindigkeitsgeregelte, hydraulische Servounterstützung (Servotronic) 14,5 235/40 R18 auf 8J x 18 (Aluguss) 45 3,667 2,050 1,462 1,133 0,919 0,778 3,333 3,889 5,6 (5,8)* 20,6 (21,1)* 9,9 (10,2)* 12,2 (12,6)* 250 (abgeregelt) 13,3 (13,4)* EU 4 95 190
*(Abweichende Werte für Avant in Klammern)
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4.2 Motorkonzept
Bild 5: V8-Motor mit Nebenaggregaten Figure 5: V8 engine with auxiliary systems Bild 6: Motorlängenvergleich Figure 6: Comparison of engine lengths
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4.4 Zylinderköpfe mit Antrieb
Bild 7: Kettentrieb des V8-Motors Figure 7: Chain drive of the V8 engine
3/8”-Simplex-Hülsenketten mit inchromierten Gelenkbolzen und feingestanzten Laschen, Bild 7. Alle Kettentriebe besitzen Feder-Kettenspanner mit hydraulischer Dämpfung. Die nach dem Flügelzellenprinzip arbeitenden Einlass-Nockenwellenversteller liegen baulängenneutral über dem Getriebe. Die Phasenlage kann stufenlos verändert werden, der Verstellbereich beträgt 52º. 4.5 Antrieb der Hilfs- und Nebenaggregate
Ölpumpe, Wasserpumpe, Lenkhilfepumpe und Klimakompressor werden von einem vierten Kettentrieb an der Motorrückseite angetrieben. Der Antrieb erfolgt über eine zweite Kettenradverzahnung mit 25 Zähnen direkt auf der Kurbelwelle. Die Kette wird über ein Zwischenrad umgelenkt und treibt das ganz unten liegende Kettenrad. Dieses treibt über eine Welle die Ölpumpe an. Über ein Zahnrad-Verteilergetriebe an der Ölpumpe wiederum erfolgt der Antrieb des extern liegenden Kühlpumpenmoduls, Bild 8. Dieses Pumpenmodul mit integriertem Thermostatventil ist vorne links unten an das Ölwannenober-
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teil angeflanscht – ohne negative Auswirkungen auf die Motorlänge – und realisiert als zweiflutige Pumpe das Querstrom-Kühlungskonzept des Motors. Das unten liegende Kettenrad des vierten Kettentriebs ist Bestandteil eines Zahnradmoduls mit dem die Lenkhilfepumpe und der Klimakompressor mittels Steckwellen angetrieben werden. Dieses Modul ist eine komplett vormontierte Baugruppe, die aus einem zweischaligen Aluminium-Druckguss-Gehäuse besteht. Der 190 A Generator wird konventionell an der Motorstirnseite über einen fünfrippigen Keilrippenriemen mit starrem Riemenspanner und Beruhigungsrolle angetrieben. 4.6 Leistungsauslegung für 253 kW
Zum Erreichen der hohen Motornennleistung von 253 kW bei 7000/min und dem hohen Drehmoment von 410 Nm bei 3500/min, Bild 9, wird ein zweistufiges Schaltsaugrohr aus Magnesium mit den Schwingrohrlängen 322 mm beziehungsweise 705 mm verwendet. Zusammen mit der 215º langen Öffnungsdauer der Einlassnockenwelle und dem 52º-Einlass-
nockenphasensteller wurde eine äußerst füllige Motor-Drehmomentenkurve erreicht. Zur Entdrosselung des Ansaugtraktes wurden zwei zusätzliche RohluftAnsaugöffnungen im Luftfiltergehäuse entwickelt. 4.7 Getriebe
Im neuen S4 kommt neben dem serienmäßigen Sechsgang-Handschaltgetriebe ab Mitte 2003 auch ein Automatikgetriebe zum Einsatz. Bei beiden Getriebevarianten handelt es sich um neu entwickelte Getriebe. 4.7.1 Handschaltgetriebe
Das im S4 erstmalig eingesetzte quattroSchaltgetriebe ML450-6Q ist eine gemeinsame Entwicklung von Audi und Getrag. Dieses neue vollsynchronisierte Sechsgang-Handschaltgetriebe ist die konsequente Weiterentwicklung von quattroHandschaltgetrieben im Hinblick auf Komfortverbesserung sowie Wirkungsgrad- und Gewichtsoptimierung. Für das neue Getriebe ML450-6Q – die Nomenklatur steht für „manuelles Getriebe für Längseinbau mit einer Drehmomentkapazität bis 450 Nm“ – wurden folgende Ziele definiert:
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4.5 Antrieb der Hilfs- und Nebenaggregate
Bild 8: Antrieb der Nebenaggregate Figure 8: Drive of the auxiliary systems
■ Drehmomentkapazität bis 450 Nm ■ quattro-Technologie in bewährter Audibauweise mit Hohlwelle und Torsendifferential ■ präzise und exakte Schaltbarkeit bei kurzen Schaltwegen ■ optimierter Schaltkomfort und geringe Schaltkräfte ■ keine Lastwechselbewegungen an der äußeren Schaltung ■ Verbesserung des Getriebewirkungsgrades ■ Reduzierung des Getriebegewichtes trotz Drehmomentsteigerung ■ maximale mögliche Getriebespreizung: 7,5. Erreicht wurden die oben genannten Ziele durch die konsequente Umsetzung folgender konstruktiver Schwerpunkte: ■ alle Gänge hartbearbeitet und hinsichtlich Akustik und Festigkeit durch Feinabstimmung der Verzahnungsgeometrie optimiert ■ Mehrfachkonussynchronisierung an allen Gängen: dreifach Konus im 1. und 2.
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Gang, zweifach Konus im 3. bis 6. Gang und Rückwärtsgang ■ 100 % Wälzlagerung der Schaltwelle und der Schaltschienen ■ spielfreie Rastierung der Schaltwelle in Neutralstellung und bei eingelegten Gängen sowie Entkoppelung der äußeren Schaltung durch einen zentralen Endanschlag ■ Abstimmung von Rastierkraft- und Synchronkraftverlauf ■ platz- und gewichtssparendes Lagerkonzept: eine zusätzliche Wellenlagerung erfolgt über eine als Blechtiefziehteil ausgeführte Lagereinheit ■ dreiteiliges gewichtsoptimiertes Getriebegehäuse aus Alu-Druckguss ■ Wirkungsgradoptimierte Abtriebswellenlagerung durch reibungsarmes Doppelschrägkugellager ■ Einsatz von Ölabschirm- und Ölleitblechen im Radsatzraum. Durch umfangreiche FEM-Berechnungen und durch Schwingungsuntersuchungen des gesamten Aggregates – Motor mit
Getriebe verschraubt – wurden die Gehäusestrukturen in mehreren Schritten perfektioniert. Die Aufnahmepunkte der Getriebestützen wurden an schwingungstechnisch günstigen Stellen angebracht, um die Geräuscheinleitung in die Karosserie gering zu halten. Im Vergleich zum Vorgängergetriebe konnte das Gewicht um etwa 1 kg reduziert und auf Grund des guten Wirkungsgrades des Getriebes auf eine Ölpumpe zur Getriebeölkühlung verzichtet werden. Diese Detailoptimierungen und die für den S4 bewusst sportlich abgestufte Übersetzungsauslegung in Verbindung mit dem drehmomentstarken V8-Motor lassen den sportlichen Anspruch dieses Fahrzeuges voll zur Geltung kommen. 4.7.2 Automatikgetriebe
Für den Einsatz im neuen S4 wurde in Zusammenarbeit mit dem Systemlieferanten ZF das neue AL 420-6Q Getriebe entwickelt, Bild 10. Es handelt sich dabei um ein Sechgang-quattro-Automatikge-
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4.6 Leistungsauslegung für 253 kW
Bild 9: Verlauf von Leistung und Drehmoment Figure 9: Curve of power and torque
4.7.2 Automatikgetriebe
Bild 10: Schnittbild des Automatikgetriebes Figure 10: Sectional view of the automatic transmission
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triebe mit einer Drehmomentkapazität von 420 Nm. Um den hohen Anspruch dieses Fahrzeugs an Fahrdynamik und Sportlichkeit zu unterstreichen, standen folgende Entwicklungsschwerpunkte im Vordergrund: Gewichtsreduzierung, Wirkungsgradverbesserung, Erhöhung der Gesamtspreizung, hohe Schaltgeschwindigkeit und eine Weiterentwicklung der Schaltstrategie. Im Vergleich zum Vorgängergetriebe wurde das Gewicht des AL 420-6Q um etwa 21 kg von 136 kg auf 115 kg reduziert. Um diese Gewichtsreduktion umzusetzen, waren eine Fülle von Einzelmaßnahmen notwendig. Es wurde das vom AL 600-6QGetriebe bereits bekannte Lepelletier-Radsatzkonzept eingesetzt. Dieser Radsatz zeichnet sich durch einen sehr einfachen und gewichtsgünstigen Aufbau aus. Er ermöglicht es, ein Sechsgang-Automatikgetriebe mit lediglich fünf Schaltelementen aufzubauen. Dabei wird ein einfacher Planetenradsatz mit einem nachgeschalteten Ravignauxsatz kombiniert. Die sechs Vorwärtsgänge und der Rückwärtsgang werden dabei durch drei rotierende Kupplungen und zwei Lamellenbremsen realisiert.
Die Wandstärke des Getriebegehäuses wurde durch gezielte Optimierungen deutlich vermindert, was zu einer erheblichen Reduzierung des Gesamtgewichts beiträgt. Optimierungen an der Ölpumpe und der Hydraulik bewirken eine wesentliche Verbesserung des Getriebewirkungsgrads. Das AL 420-6Q-Getriebe weist gegenüber dem Fünfgang-Automatikgetriebe eine Erhöhung der Gesamtspreizung von 25 % auf (6,03 zu 4,7). Das bedeutet, dass die Anfahrübersetzung um rund 20% niedriger ausgeführt werden konnte, was speziell die Anfahrdynamik verbessert. Durch die höhere Spreizung steht einerseits in den unteren Gängen deutlich mehr Radmoment für die Fahrzeugbeschleunigung zur Verfügung, andererseits kann bei Autobahnfahrten mit niedrigerer Motordrehzahl – und damit niedrigerem Geräuschniveau – gefahren werden. Um die Schaltgeschwindigkeit speziell bei Rückschaltungen zu erhöhen, wurden neben Optimierungen im Schaltablauf auch weitergehende Funktionen im Zusammenspiel mit der Motorsteuerung entwickelt. Zugrückschaltungen werden verschachtelt ausgeführt, was zu einer deutlichen Spontaneitätserhöhung bei-
4.8 Abgasanlage Bild 11: Durchströmung des Endschalldämpfers bei geschlossener (oben) und offener (unten) Abgasklappe Figure 11: Flow through the rear silencer with the exhaust flap valve closed (top) and opened (bottom)
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trägt. Durch diese Maßnahme wird während des Ablaufs der ersten Rückschaltung die nachfolgende bereits elektrisch und hydraulisch vorbereitet, um anschließend ohne Verzögerung ausgeführt werden zu können. Die Schubrückschaltungen werden durch aktives Zwischengasgeben um etwa 50 % verkürzt, was zu einer deutlichen Erhöhung der Agilität führt. Rückschaltungen, die nur im leichten Zug ausgeführt werden, erfahren durch diese Maßnahme ebenfalls eine deutliche Spontaneitätserhöhung. Um den sportliche Charakter des neuen S4 weiterhin zu unterstützen, wurde auch die Schaltstrategie weiterentwickelt. So werden sowohl im D- als auch im S-Modus unterschiedliche Schaltprogramme in Abhängigkeit von Fahrpedalgradienten, Fahrzeugbeschleunigung und Querbeschleunigung umgesetzt. Dies führt dazu, dass bei sportlicher Fahrweise teilweise störende Hochschaltungen – etwa bei Kurvenfahrt – unterdrückt werden. Im Sportmodus wie auch im Tiptronic-Betrieb wird beim Schaltablauf auf einen spontaneren Kennfeldsatz umgeschaltet, wodurch die Schaltzeit reduziert wird. Weiterhin wird bereits der erste Anfahrvorgang des Fahrers ausgewertet, um sehr kurzfristig auf unterschiedliche Schaltkennlinien sowohl im D- als auch im S-Programm umzuschalten und so eine noch schnellere Anpassung des Getriebes an den Fahrertyp zu ermöglichen. Durch die konsequente Entwicklung des AL 420-6Q-Getriebes für den neuen S4 steht für dieses Fahrzeug in Verbindung mit dem drehmomentstarken V8-Motor ein Automatikgetriebe zur Verfügung, das den sportlichen Anspruch dieses Fahrzeugs ideal unterstützt. 4.8 Abgasanlage
Das Abgasnachbehandlungssystem für den 4,2 l V8-5V Motor erfüllt bei der hohen Motorleistung von 253 kW die strengen Vorschriften der europäischen EU 4 Norm und die kalifornische LEV-Norm. Zusätzlich sind bei allen Bauteilen Umweltverträglichkeit und Recyclefähigkeit berücksichtigt worden. Ein besonderes Augenmerk wurde auf minimalen Abgasgegendruck und die akustische Auslegung gerichtet. Ausgehend von der Basis der aktuellen zweiflutigen Schalldämpferanlage des Audi A4 3,0 l quattro wurden tiefgreifende Modifikationen am Mittel- und Nachschalldämpfer sowie dem Übersprecher durchgeführt. Durch Einsatz einer Abgasklappe konnte ein guter Kompromiss zwischen niedrigem Abgasgegendruck und subjektiv angenehmen Akustikeigenschaften
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(Soundengineering) erzielt werden, Bild 11. Das Fahrerlebnis des Audi S4 wird maßgeblich durch den V8-typischen, lastabhängigen, sportlichen Sound unterstützt. Das dynamische Erscheinungsbild im Heckbereich wird durch große Endrohrblenden aus poliertem Edelstahl abgerundet.
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5 Das Fahrwerk 5.1 Entwicklungsziele und Positionierung
Das Fahrwerk, Bild 12, des neuen Audi S4 basiert auf dem Konzept des im Jahre 2000 vorgestelltem Audi A4 quattro. In Verbindung mit den deutlich gestiegenen Fahrleistungen durch die erstmals in diesem Segment zum Einsatz kommende V8Motorisierung waren folgende Entwicklungsziele bestimmend: Agilität und Dynamik sollten gegenüber dem Vorgängermodell – unter Beibehaltung des neutralen bis leicht untersteuernden Eigenlenkverhaltens bei Annäherung an den Grenzbereich – deutlich gesteigert werden. Die Brems- und Traktionseigenschaften, auch bei schwierigen Reibverhältnissen, sollten auf hohem Niveau verbessert werden. Der konsequente Einsatz von Leichtmetallen und gewichtsoptimierten Bauteilen sollte zur Reduktion des Fahrzeuggewichts und der ungefederten Massen beitragen. 5.2 Baugruppen des Fahrwerks 5.2.1 Vorder- und Hinterachse
Die Vierlenker-Vorderachse wurde im Vergleich zur Basisvariante des Audi A4 hinsichtlich Lenkansprache und Agilität durch Veränderung der Elastokinematik optimiert. Die Verbesserungen wurden durch eine Versteifung der Gummilager in der oberen Querlenkerebene und einer Anpassung der Vorspurkinematik erreicht. Die spurgesteuerte Trapezlenker-Hinterachse des Audi S4 baut auf dem Konzept der Basisvariante mit quattro-Antrieb auf. Ihre Vorspurcharakteristik wurde beim Ausfedern weitestgehend neutralsteuernd ausgelegt. In Verbindung mit leichter Vorspurzunahme beim Einfedern wird ein hohes Maß an Fahrstabilität unter allen Fahrbedingungen erzielt. Die überarbeitete Vorspurkinematik wurde konstruktiv durch Verschiebung des Anlenkpunkts des Radträgers am Trapezlenker (untere Lenkerebene) in Hochrichtung erreicht. In Fortführung der Leichtbaustrategie erhielt die Hinterachse einen Radträger aus Aluminium. Als Fertigungsverfahren kommt nun Cobapress zum Einsatz, eine Kombination aus Gießen mit nachge-
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5 Das Fahrwerk
Bild 12: Fahrwerk Figure 12: Suspension
5.2.4 Bremsanlage, Bremsbetätigung
schaltetem Schmiedevorgang. Der Gewichtsvorteil gegenüber der Basisversion in Stahl beträgt 3,9 kg pro Fahrzeug. Zur Verbesserung der Handling-Eigenschaften und zur Reduktion der Aufbaubewegungen wurde das Feder-/Dämpfersystem unter Einbeziehung der Stabilisatoren überarbeitet. Die Dämpferkräfte stiegen an beiden Achsen um etwa 30 % an. Die Stabilisatorrate an der Vorderachse blieb unverändert, an der Hinterachse wurde der Durchmesser von 18 auf 20 mm erhöht. Die Summe aller Maßnahmen bewirkte eine deutliche Steigerung der HandlingEigenschaften und der Lenkpräzision unter Beibehaltung des bekannt hohen Niveaus an Fahrstabilität des Audi A4 quattro. 5.2.2 Das Lenksystem
Bild 13: Funktionsweise des Dual-rate-Bremskraftverstärkers Figure 13: Operating principle of the dual-rate brake servo
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Der sportliche Charakter des neuen S4 wird auch durch eine sehr direkt ansprechende Lenkung unterstützt. Die Übersetzungsrate wurde gegenüber der Basisvariante des Audi A4 um 12,4 % reduziert und beträgt nun 14,5. Die Vergrößerung des Durchmessers des Arbeitskolbens und damit die Verstärkung der hydraulischen Unterstützung ermöglicht komfortable Handmomente und agiles Lenken. Dazu trägt vor allem auch die serienmäßige
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Ausstattung mit der geschwindigkeitsabhängigen Servounterstützung (Servotronic) bei. Die Flügelzellenpumpe der Bauart FP6 mit fallender Volumenstrom-Kennlinie über der Drehzahl ist direkt an den Kettentrieb des Motors für den Antrieb der Nebenaggregate gekoppelt und stellt die Versorgung mit hydraulischer Energie sicher. 5.2.3 Räder und Reifen
Zur Betonung der dynamischen Positionierung des Audi S4 kommt ein Leichtmetallrad 8Jx18 mit Einpresstiefe 45 im überarbeiteten, S-typischen Avus-Design zum Einsatz. Die speziell für den neuen S4 entwickelten 18-Zoll High-Performance Bereifung der Dimension 235/40 R 18 (91Y) vereinigt hohe Haftungsreserven mit sehr direkten Lenkeigenschaften, ohne dabei die Fahrstabilität zu vernachlässigen. Das Winterrad im gleichen Design hat die Dimension 7Jx17 und wird mit dem Winterreifen 225/45 R17 (91 H) bestückt.
Verstärkung abhängig von der Eingangskraft zwischen i = 5,5 und i = 12 variiert, Bild 13. Zugleich wurde der Durchmesser des sehr kompakt bauenden Tandemhauptzylinders gegenüber der Basisvariante von 25,4 mm auf 27 mm erhöht. Durch die um 13 % vergrößerte Fläche des Hauptbremszylinders wird dem Fahrer im Bereich leichter und mittlerer Verzögerungen ein sportlich straffes Pedalgefühl bei ausgezeichneter Dosierbarkeit geboten. Darüber hinaus ermöglicht die innovative DualRate-Funktionalität des Boosters, die bei
größeren Eingangskräften die Verstärkung von 5,5 auf 12 erhöht, komfortabel – ohne einen weiteren starken Anstieg der Pedalkraft – hohe Verzögerungen zu realisieren und damit das Potenzial der Radbremse vollständig zu nutzen. ■
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5.2.4 Bremsanlage, Bremsbetätigung
Zur Sicherstellung von hohen Verzögerungswerten bei sportlicher Fahrweise kommt eine entsprechend dimensionierte Bremsanlage zum Einsatz. Sie ist an der Vorderachse in Aluminium-Verbundbauweise als leichte und leistungsfähige Faustrahmenbremse ausgeführt. An der Hinterachse kommt eine Neuentwicklung mit vergrößerter Belagfläche, aufwändiger Belagführung und integrierter Feststellbremse zum Einsatz. Gegenüber dem Vorgängermodell wurde der Bremsscheibendurchmesser an der Vorderachse von 321 auf 345 mm, an der Hinterachse von 255 auf 300 mm vergrößert. Damit werden hervorragende Verzögerungswerte und eine deutlich gesteigerte Standfestigkeit bei gleichzeitig gesteigerten Fahrleistungen erreicht. Der Oberflächenschutz der Bremssättel erfüllt bereits heute die UmweltschutzAnforderungen der ab 2007 verbindlichen EU-Altautoverordnung. Die Bremsbetätigung erfolgt über einen neuartigen 8/9"Dual-Rate-Bremskraftverstärker, dessen
Danksagung Für ihre Mitarbeit an diesem Beitrag danken die Autoren Jörg Bünhove, Manfred Gölz, Michael Mann, Frank Rimili, Gerhard Kumpf, Michael Schöffmann und Norbert Stelzer.
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