O R I G I N A L I E N HNO (1996) 44: 577–584
C Springer-Verlag 1996
Zusammenfassung Die übliche spezielle audiologische Diagnostik bei Tinnitus liefert wenige Informationen darüber, wie sich bei Ohrgeräuschpatienten allgemein die Lautheitsempfindung mit Änderung des Schallpegels verhält. Mit Hilfe des Testmaterials der Würzburger-Hörfeld-Audiometrie zur kategoriellen Lautheitsskalierung sollte die Lautheitsempfindung normalhörender Tinnituspatienten – außerhalb der subjektiv empfundenen Tonhöhe des Ohrgeräusches – mit der von ohrgesunden Personen verglichen werden. Die Hörfeldskalierung erfolgte bei 20 normalhörenden Erwachsenen und 16 ebenfalls normalhörenden Probanden mit einem einseitigen und hochfrequenten Tinnitus für Schmalbandrauschimpulse der Mittenfrequenzen 500, 1000, 2000 und 4000 Hz im Pegelbereich zwischen 20 und 90 dB HL. Normalhörende mit einem begleitenden Ohrgeräusch zeigten, für Stimuli der Mittenfrequenz 4000 Hz, im gesamten Pegelbereich systematisch leisere Skalierungsergebnisse. So zeigten die Isolautheitskurven für die Lautheitsempfindungen „mittellaut“ und „sehr laut“ eine Einschränkung des Dynamikbereichs bei 1000, 2000 und 4000 Hz. Im gesamten Frequenzbereich fielen die Skalierungsergebnisse bei den Probanden mit einem Tinnitus unsicherer aus. Von der Tinnitusmaskierung her ist es bekannt, daß externe Schallsignale die Tinnituswahrnehmung beeinflussen. Unsere Ergebnisse zeigen, daß ein Ohrgeräusch aber auch seinerseits mit der Lautheitswahrnehmung von Schallreizen interferiert. Der Tinnitus selbst scheint eine Art maskierende Wirkung auf das Hören auszuüben, indem es externen Schallreizen etwas von ihrer Lautheit nimmt. Die veränderte Lautheitswahrnehmung geht über den Tinnitusfrequenzbereich hinaus.
Schlüsselwörter Tinnitus – Direkte Lautheitsskalierung – Hörfeldskalierung – Lautheitswahrnehmung
Die direkte Lautheitsskalierung in der Diagnostik von Ohrgeräuschen Ein Beitrag zur Lautheitswahrnehmung bei Tinnitus
M. Nieschalk und W. Stoll Universitäts-HNO-Klinik Münster (Direktor: Prof. Dr. W. Stoll)
Tinnituspatienten beklagen teilweise eine Hyper- oder Hypoakusis, also eine veränderte Lautheitswahrnehmung, die sie auf den Einfluß ihres Ohrgeräusches zurückführen. Die derzeit übliche spezielle audiologische Diagnostik bei Tinnitus beschäftigt sich mit einer Eingrenzung des Frequenzbereichs und der Lautheit der Ohrgeräusche sowie Messung ihrer Verdeckbarkeit und des Residualphänomens. Sie liefert jedoch nur bedingt eine Beschreibung der Lautheitsempfindung. Informationen, in welchem Pegelbereich Ohrgeräuschpatienten, im Vergleich zu ohrgesunden Personen ohne Tinnitus, z.B. angenehm laut hören oder wie sich ihre Lautheitsempfindung frequenzspezifisch unterschiedlich mit Änderung des Schallpegels verhält, liegen bisher nicht vor. Mit dem Ziel der Lokalisation von Hörstörungen und der Hörgeräteversorgung wurde von der Würzburger Arbeitsgruppe ein Kategorienunterteilungsverfahren zur direkten Lautheitsskalierung vorgestellt [5, 8]. Mit diesem sog. „Würzburger Hörfeld“ [6, 14] steht eine einfach anzuwendende Methode zur Erfassung der direkten Lautheitswahrnehmung zur * Auszugsweise vorgetragen im Mai 1996 anläßlich der 67. Jahresversammlung der Deutschen Gesellschaft für Hals-NasenOhren-Heilkunde, Kopf- und Halschirurgie Dr. M. Nieschalk, Universitäts-HNO-Klinik, Kardinal-von-Galen-Ring 10, D-48129 Münster
Verfügung. Die Würzburger Hörfeldaudiometrie erlaubt es, die nutzbare Dynamikbreite des Ohres im Frequenzbereich zwischen 500 und 6000 Hz zu erfassen. Die Grenzen des Hörfelds, innerhalb dessen sich vor allem das Hören von Sprache abspielt, werden hier abgesteckt. Eine Anwendung der Würzburger Hörfeldaudiometrie in der klinisch-audiologischen Diagnostik bei Ohrgeräuschpatienten ist uns nicht bekannt. Ziel dieser Arbeit ist es, mit Hilfe des Testmaterials der Würzburger Hörfeldaudiometrie zur kategoriellen Lautheitsskalierung: 1. die Lautheitsempfindung normalhörender Tinnituspatienten – außerhalb der subjektiv empfundenen Tonhöhe des Ohrgeräusches – mit der von ohrgesunden Personen zu vergleichen und dabei 2. eine quantitative Beschreibung des frequenzabhängigen Dynamikbereichs des Tinnitusohres zu liefern. Wir haben uns zudem die Frage nach einer klinischen Anwendbarkeit der Lautheitsskalierung bei Tinnituspatienten gestellt. Die Arbeit ist im Rahmen des Teilprojekts Tinnitus aus dem DFG-Forschungsvorhabens „Biomagnetismus und Biosignalanalyse“ (Leiter: Prof. Dr. M. Hoke) entstanden. Material und Methode Meßverfahren Als Meßverfahren zur Lautheitsskalierung verwendeten wir das zur Hörgeräteanpassung und -kontrolle in der audiologischen
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Loudness scaling in the diagnosis of tinnitus – evaluation of loudness perception in patients with tinnitus M. Nieschalk and W. Stoll Summary We used free-field audiometry to investigate the loudness perception of unilateral high-frequency tinnitus in 16 “normal-hearing” ears by comparing the results with loudness scaling in 20 normally hearing ears without any tinnitus. Narrow-band noise signals at four different frequencies from 500 to 4000 Hz were employed. The parameters used included the slope m of the loudness function and the level Lm (corresponding to the loudness perception of “medium loud”) as well as the suitability of fit (DFIT). The results showed that in subjects with tinnitus the slope of the mean loudness level tended to decrease at 4000 Hz. The dynamic range of ears affected by tinnitus was restricted for stimulation with noise signals at 1000, 2000 and 4000 Hz. The parameters of DFIT fitted to the loudness functions were increased in the whole frequency range of 500–4000 Hz, indicating that loudness scaling was not as reliable for normal hearing ears when influenced by tinnitus. Tinnitus masking was based on the finding that external sound could change tinnitus loudness. Our results showed that the loudness perception of external sound was influenced by tinnitus. This change in loudness perception seemed to be not restricted to the frequency range of the tinnitus. Key words Free-field audiometry – Loudness scaling – Sound perception 578
Praxis verfügbare Testmaterial des „Würzburger Hörfelds“ (Fa. Westra Electronic) nach Moser und Hellbrück [6] zur kategoriellen Lautheitsskalierung über Kopfhörer. Die Darbietung der Reizpegel sowie die Datenerfassung und -analyse erfolgten computergesteuert. Stimuliert wurde monaural über Kopfhörer (Beyer dynamic DT 48), pegelrandomisiert und mit terzbreiten Schmalbandrauschimpulsen. Die Registrierung und Auswertung der Pegellautheitskennlinien erfolgte für Rauschimpulse der Mittenfrequenzen: 500, 1000, 2000 und 4000 Hz. Der Pegelbereich der Stimuli lag für 500 bzw. 1000 Hz zwischen 20 und 90 dB HL und für 2000 sowie 4000 Hz zwischen 25 und 90 dB HL. Das Prinzip der Lautheitsmessung beruht darauf, daß als Stimulus ein Schmalbandrauschen bestimmter Mittenfrequenzen mit definierten Pegeln angeboten wird. Gemäß den Vorschlägen von Heller zur Instruktion der Versuchsperson [8] wurde diese aufgefordert anzugeben, wie laut der entsprechende Rauschimpuls war. Dies geschah in einem 2stufigen Kategorienunterteilungsverfahren zunächst grob nach einer Kategorienskala, die 5 verbale Kategorien umfaßte: „sehr leise“, „leise“, „mittellaut“, „laut“, „sehr laut“ (plus „0“ für „nicht gehört“ und „50“ für „zu laut“). Das entsprechende Lautheitsurteil wurde über das berührungsempfindliche LCD-Display eines Antworttableaus erfaßt. Nach einer kurzen Pause erfolgte eine erneute Darbietung des jeweiligen Stimulus. Entsprechend der Eingangsinstruktion nahm der Proband nun innerhalb der vorher gewählten Kategorie eine Feinunterteilung in 10 Stufen vor. Die so auf eine insgesamt 50stufige Skala umgesetzten pegelabhängigen Lautheitsurteile ließen sich durch die Software des Rechners graphisch als Pegellautheitsfunktionen darstellen. Den Skalierungen der Versuchspersonen wurden, entsprechend den Vorschlägen von Hohmann und Kollmeier [9] mit der Methode der kleinsten Quadrate eine Gerade als Lautstärkefunktion angepaßt, die den Anstieg der subjektiv empfundenen Lautheit mit steigendem Reizpegel beschreibt. Die angepaßten Parameter waren die Steigung m der Geraden und der zu der Lautheitsempfindung „mittellaut“ (25 Skalenanteile) führende Pegel Lm. Um ein Maß für die Güte der Anpassung zu erhalten, wurde zusätzlich der nichtlineare Korrelationskoeffizient DFIT als sog. „relativer Anpassungsfehler“ ermittelt. Er gab im wesentlichen die auf die Gesamtvarianz der Meßwerte normierte mittlere quadratische Abweichung der Meßwerte von der angepaßten Funktion an. Der Wertebereich lag zwischen 0 und 1. Die Güte der Anpassung stieg mit dem Betrag des nichtlinearen Korrelationskoeffizienten an.
Probanden Wir untersuchten 2 Probandengruppen: Die 1. Gruppe bestand aus 20 Erwachsenen (10 Frauen und 10 Männern) mit beidseitigem Normalgehör und unauffälligem otoskopischem Befund. In der Vorgeschichte fanden sich weder Ohrerkrankungen noch eine Exposition mit Lärm oder ototoxischen Substanzen. Die Altersverteilung lag zwischen 21 und 30 Jahren (MW: 25,2 Jahre, SD: +3,2 Jahre). Alle Probanden wiesen ein normales Tympanogramm und normale Stapediusreflexschwellen auf (MW: 85 dBnHL, SD: +5,0 dB) und zeigten in der Tonaudiometrie in allen 10 Frequenzen zwischen 125 Hz und 8000 Hz einen Hörverlust von höchstens 5 dB HL. Über Tinnitus wurde nicht geklagt. Die Untersuchungen wurden auf jeweils einem Ohr durchgeführt. Die Wahl des geprüften Ohres erfolgte randomisiert, so daß rechte und linke Ohren mit gleicher Häufigkeit vertreten waren. Die 2. Gruppe bestand aus 16 normalhörenden Probanden (8 Frauen und 8 Männern) im Alter zwischen 21 und 29 Jahren (MW: 25 Jahre, SD: +2,9 Jahre). Die Normalhörigkeit zeigte sich im Tonaudiogramm mit einem Hörverlust von höchstens 5 dB HL in den 10 untersuchten Frequenzen zwischen 125 Hz und 8000 Hz. Die Probanden klagten über ein einseitiges und subjektiv als hochfrequent empfundenes Ohrgeräusch. Eine Ursache des Ohrgeräusches konnte von uns, trotz entsprechender ausgiebiger Diagnostik im Vorfeld, nicht eruiert werden. Registriert und ausgewertet wurden die Skalierungsergebnisse des jeweils von einem Tinnitus betroffenen Ohres. Rechte und linke Ohren wurden mit gleicher Häufigkeit berücksichtigt. Eine Hyper- oder Hypoakusis bzw. ein infolge des Tinnitus gestörtes Lautheitsempfinden wurde zum Zeitpunkt der Messungen nicht beklagt. Keine der Personen war geübt in der Durchführung psychoakustischer Messungen.
Statistische Auswertung Um bei tonaudiometrisch normalhörenden Personen den Einfluß eines begleitenden Ohrgeräusches auf die Ergebnisse der Hörfeldskalierung abzuschätzen, wurde zur Überprüfung auf statistische Signifikanz der verteilungsfreie U-Test nach Wilcoxon, Mann und Whitney [19] verwendet. Die Klassifikation des gefundenen Signifikanzniveaus S konnte wie folgt durchgeführt werden: S#0,1%: hoch signifikant; 0,1% ,S ,1%: signifikant; 1% ,S#5%: wenig signifikant; S .5%: nicht signifikant.
Ergebnisse
und 4000 Hz die Beziehung der skalierten Lautheit zu einem steigenden Rauschpegel. Mit dem Begriff der „Kategorienunterteilungslautheit“ (KU-Lautheit) soll hier eine sprachliche Abgrenzung zu der sog. „Verhältnislautheit“ (angegeben in „sone“) geschaffen werden [9]. Innerhalb der jeweiligen Probandengruppe ohne und mit Tinnitus unterschieden sich die Kurvenverläufe nicht signifikant (S .5%). In beiden Gruppen waren die beobachteten Standardabweichungen mit Beträgen zwischen 10 und 15% der Mittelwerte relativ hoch. Bei einer Mittenfrequenz von 4000 Hz skalierten die Probanden mit einem Tinnitus im gesamten Pegelbereich systematisch leiser. Die Ergebnisse waren hier trotz der nicht unerheblichen Streuung der Mittelwerte signifikant (0,1% ,S ,1%). Einen detaillierten Überblick über die Ergebnisse der Lautheitsskalierung gibt Tabelle 2. Hier sind für alle normalhörenden Ohren ohne und mit einem Tinnitus Mittelwerte und Standardabweichungen der Parameter der angepaßten Lautheitsfunktion zusammengefaßt: die Steigung m, der zur Lautheitsempfindung „mittellaut“ führende Pegel Lm und der relative Anpassungsfehler DFIT. Innerhalb beider Gruppen variierten die Parameter nicht signifikant mit
Tabelle 1 zeigt eine Auflistung der Probanden mit tonaudiometrischem Normalgehör und begleitendem Tinnitus. Das Ohrgeräusch wurde ganz überwiegend als Dauerton, bzw. als pulsierender Ton beschrieben (11 Personen); 5 Probanden bezeichneten ihren Tinnitus als Rauschen. Die subjektiv empfundene Tonhöhe des Tinnitus wurde durch einen Vergleich mit Tönen bzw. Rauschen des Audiometers charakterisiert. Das hier angegebene Frequenzspektrum lag bei allen Probanden deutlich oberhalb der Mittenfrequenzen der Schmalbandrauschimpulse, für die die Pegellautheitsfunktionen ermittelt wurden. Die Tinnituslautheit ließ sich durch Vergleich mit Audiometertönen im Bereich der subjektiven Tonhöhe des Tinnitus messen. Angegeben ist der Sensation Level (SL) d.h. die Lautheit (in dB) bezogen auf die individuelle Hörschwelle. Die Lautheit des Ohrgeräusches war bei den meisten Probanden nur geringgradig über der Hörschwelle angesiedelt, entsprechend den Ergebnissen von Meikle et al. [12] sowie unseren eigenen früheren Untersuchungen [15]. Die in der Abb. 1 dargestellten Pegellautheitsfunktionen charakterisieren für Schmalbandrauschimpulse der Mittenfrequenzen 500, 1000, 2000
der Frequenz (S .5%). Auch fanden sich keine signifikanten Gruppenunterschiede hinsichtlich der mittleren Steigung m und des Pegels Lm der angepaßten Lautheitsfunktionen. Lediglich bei einer Mittenfrequenz von 4000 Hz war Lm in der Gruppe der Probanden mit einem Ohrgeräusch wenig signifikant erhöht (S52%), bedeutend, daß hier etwas höhere Pegel notwendig waren, um die Lautheitsempfindung „mittellaut“ zu erzielen. Ein abnormer Lautheitszuwachs in der Gruppe mit einem Tinnitus, im Sinne einer erhöhten mittleren Steigung der angepaßten Lautheitsfunktionen, als Ausdruck einer endokochleären Schädigung, zeigte sich also nicht. Auch der relative Anpassungsfehler (DFIT) hing in beiden Gruppen nicht signifikant von der Frequenz ab. Der Anpassungsfehler war jedoch bei den normalhörenden Probanden mit einem Tinnitus für alle Frequenzen hoch signifikant höher (S#0,1%) als bei denen ohne Tinnitus (kleinere Werte von DFIT). Mit den verbalen Kategorien „sehr laut“ und „zu laut“ ist der Bereich des unangenehmen Hörens abgesteckt. Wir sind deshalb für jeden Probanden der Frage nachgegangen, wie häufig Lautheitsurteile zwischen „sehr laut“ (45 Skalenteile) und „zu laut“ (50 Skalenteile) gewählt wurden.
Tabelle 1. Auflistung der Probanden mit tonaudiometrischem Normalgehör und begleitendem Tinnitus. Die Tinnitusqualität entspricht den subjektiven Angaben des Probanden. Die Tonhöhe des Tinnitus wurde durch Vergleich mit Tönen bzw. Rauschen des Audiometers ermittelt. Die Tinnituslautheit wurde durch Vergleich mit Audiometertönen im Bereich der subjektiven Tonhöhe des Tinnitus gemessen. Angegeben ist der „sensation level“ (SL), d.h. die Lautstärke (in dB) bezogen auf die individuelle Schwelle (m, männlich; w, weiblich; r rechts; l, links) Nummer Name
Alter [Jahre] Geschlecht Tinnitusohr Tinnitusqualität
Tonhöhe des Tinnitus [Hz] Tinnituslautheit [dB]
1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16.
25 21 29 23 27 29 22 22 25 21 28 28 24 26 28 22
8250 6350 .10000 ca. 8000 ca. 6000 .10000 .10000 6000 ca. 8000 6000 8000 4500 6000 5750 .10000 ca. 8000
M.D. S.V. M.J. B.I. E.K. L.T. M.T. C.A. J.S. H.E. S.A. V.E. P.M. M.E. K.R. I.M.
w w m w w m m w w w m m m w w m
r l r r r r l l l r l l l r r l
Pulsierender Ton Dauerton Dauerton Pulsierender Ton Rauschen Dauerton Dauerton Dauerton Rauschen Schmalbandrauschen Dauerton Pulsierender Ton Schmalbandrauschen Dauerton Dauerton Schmalbandrauschen
3 5 Vergleich 2 4 Vergleich Vergleich 4 5 6 3 5 8 4 Vergleich Vergleich
nicht möglich
nicht möglich nicht möglich
nicht möglich nicht möglich
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Abb. 1. Pegellautheitsfunktionen für Schmalbandrauschimpulse der Mittenfrequenzen 500, 1000, 2000 und 4000 Hz. Die Abszisse bezeichnet den Schallpegel der Rauschimpulse in dB HL, die Ordinate die empfundene Lautheit in Skalenteilen einer 50stufigen Skala, die sog. „Kategorienunterteilungslautheit“ (KU-Lautheit). Angegeben sind die Mittelwerte und Standardabweichungen von normalhörenden Probanden ohne Tinnitus (schwarze Quadrate, n520) und mit Tinnitus (weiße Quadrate, n516). Aus Gründen der Übersichtlichkeit wurde jeweils nur eine Standardabweichung aufgezeichnet
Tabelle 2. Mittelwerte (MW) und Standardabweichungen (SD) der angepaßten Parameter von 20 normalhörenden Probanden ohne Tinnitus (ohne Tinnitus) und 16 normalhörenden Probanden mit einem Tinnitus (mit Tinnitus). Die Parameter sind: die Steigung m (Skalenteiley dB) der Lautheitsfunktion, der zu der Lautheitsempfindung „mittellaut“ (25 Skalenteile) führende Pegel Lm (dB HL) und der relative Anpassungsfehler DFIT Frequenz
500 1000 2000 4000
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m [SkalenteileydB]
Lm [dB HL]
Ohne Tinnitus
Mit Tinnitus
Ohne Tinnitus
Mit Tinnitus
Ohne Tinnitus
Mit Tinnitus
MW SD
MW SD
MW
SD
MW
SD
MW SD
MW SD
0,56 0,5 0,59 0,57
0,57 0,55 0,58 0,58
60,16 62,01 60,06 55,02
5,8 6,48 4,78 5,52
63,36 64,65 66,61 67,47
5,39 6,05 6,88 5,93
0,92 0.87 0,9 0,84
0,81 0,74 0,78 0,74
0,09 0,1 0.13 0,13
0,08 0,11 0,14 0,13
DFIT
0,02 0,06 0,05 0,08
0,13 0,09 0,09 0,08
Die Abb. 2 stellt für die Gruppen Normalhörender mit und ohne Tinnitus die Anzahl der Personen dar, die kein (0 Lautheitsurteile), ein oder zwei (1–2 Lautheitsurteile) bzw. 3 und mehr ($3 Lautheitsurteile) Lautheitsurteile zwischen „sehr laut“ und „zu laut“ abgaben. Aus Gründen der Vergleichbarkeit der beiden zahlenmäßig unterschiedlichen Kollektive wurden die Ergebniswerte in Prozent ausgedrückt. Normalhörende mit einem Ohrgeräusch beurteilten mehr Rauschimpulse im Pegelbereich zwischen 20 dB HL (bzw. 25 dB HL – je nach Hörfeld) und 90 dB HL schon als „sehr laut“ (oder als „noch lauter“). In dieser Gruppe befanden sich, im Vergleich zu den Normalhörenden ohne einen Tinnitus, signifikant (0,1% ,S ,1%) mehr Personen, die 3 und mehr Lautheitsurteile zwischen „sehr laut“ und „zu laut“ abgaben. Über die Hälfte der normalhörenden Personen ohne einen Tinnitus (54,5%) empfanden
Abb. 2. Zur Erstellung der Pegellautheitsfunktionen für Schmalbandrauschimpulse der Mittenfrequenzen 500, 1000, 2000 und 4000 Hz wurden die Lautheitsurteile jeweils für 14 unterschiedlichen Schallpegel registriert. Für die Gruppen Normalhörender mit Tinnitus (n516) und ohne Tinnitus (n520) Darstellung der Anzahl der Personen (Angaben in %), die für keinen (0 Lautheitsurteile), für ein oder zwei Schallpegel (1–2 Lautheitsurteile) bzw. für 3 und mehr Schallsignale ($3 Lautheitsurteile) Lautheitsurteile zwischen „sehr laut“ (45 Skalenteile) und „zu laut“ (50 Skalenteile) wählten
Abb. 3. Darstellung der Lautheitsurteile „mittellaut“ (25 Skalenteile) und „sehr laut“ (45 Skalenteile) als Isolautheitskurven. Angabe von Mittelwerten und Standardabweichungen. Aus Gründen der Übersichtlichkeit wurde jeweils nur eine Standardabweichung aufgezeichnet. Normalhörende Probanden ohne Tinnitus (schwarze Quadrate) und mit Tinnitus (weiße Quadrate)
bei 500 und 1000 Hz keinen der Rauschimpulse mit Pegeln zwischen 20 und 90 dB HL als „sehr laut“ oder gar als noch lauter. Die frequenzabhängige Zuordnung der mittleren Schallpegel, die mit der semantischen Lautheitsbeschreibung
„mittellaut“ (25 Skalenteile“ und „sehr laut“ (45 Skalenteile) belegt wurden, führt zur Darstellungsform der Isolautheitskurven in der Abb. 3. Diese Art der Befunddokumentation ist dem Otologen vertraut, da sie sich an die bekannte Darstellungsweise
des Tonaudiogramms anlehnt. Eine frequenzspezifische Beurteilung des Dynamikbereichs wurde so ermöglicht. Dieser ist für die Gruppe der Normalhörenden mit begleitendem Tinnitus bei 1000, 2000 und 4000 Hz signifikant (0,1% ,S ,1%) eingeschränkt, da Schallpegel schon von 76 dB HL bei 1000 Hz und von 78 dB HL bei 2000 sowie bei 4000 Hz als „sehr laut“ empfunden wurden. Eine Einschränkung des Dynamikbereichs bei 4000 Hz ergibt sich nicht zuletzt aus der Tatsache, daß im Gruppenvergleich bei den Ohren mit einem Tinnitus auch schon erhöhte Pegel notwendig waren um das Lautheitsurteil „mittellaut“ zu erzielen (s. auch Tabelle 2). Der statistische Vergleich bei 500 Hz erbrachte bei einem Signifikanzniveau von S52% einen nur wenig signifikanten Unterschied. Das Lautheitsurteil „mittellaut“ wurde in den 4 untersuchten Frequenzen von allen 20 Normalhörenden ohne und allen 16 Normalhörenden mit einem Tinnitus gewählt. Nicht alle Probanden skalierten Rauschimpulse im Pegelbereich zwischen 20 und 90 dB HL auch für jede Mittenfrequenz als „sehr laut“. Deshalb ist die Probandenzahl, die auch tatsächlich das Lautheitsurteil „sehr laut“ abgab, im folgenden noch einmal aufgelistet. Normalhörende ohne Tinnitus: 500 Hz: 9, 1000 Hz: 9, 2000 Hz: 14, 4000 Hz: 14; Normalhörende mit Tinnitus: 500 Hz: 10, 1000 Hz: 12, 2000 Hz: 12, 4000 Hz: 12.
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O R I G I N A L I E N Diskussion Obwohl der praktisch-klinische Nutzen der Hörfeldskalierung ebenso wie ihre Reliabilität und Validität in mehreren Arbeiten [7, 10, 11] bereits dokumentiert werden konnte, hat sie in der audiologischen Diagnostik noch keine weite Verbreitung gefunden. Ein Einsatz der Lautheitsskalierung in der Diagnostik bei Tinnitus ist uns bisher nicht bekannt. In der vorliegenden Untersuchung wurden die Befunde mit dem Testmaterial des handelsüblichen „Würzburger Hörfelds“ monaural über Kopfhörer erhoben. Die kategorielle Lautheitsskalierung von Normalhörenden ohne und mit einem Tinnitus ließ sich vergleichen. Da in der Gruppe der Probanden mit einem Ohrgeräusch dieses in allen Fällen als hochfrequent charakterisiert wurde, konnte der Einfluß des Tinnitus auf die Lautheitsurteile im Frequenzbereich außerhalb der subjektiv empfundenen Tonhöhe des Ohrgeräusches untersucht werden. Einige Autoren vermuten [10], daß weibliche Personen die dargebotenen akustischen Stimuli systematisch lauter beurteilen, als männliche. In den beiden von uns untersuchten Gruppen waren weibliche und männliche Probanden, ebenso wie rechte und linke Ohren, zahlenmäßig jeweils gleichstark vertreten. Was die normalhörenden Probanden ohne Tinnitus anbelangt, so stimmen die von uns ermittelten Pegellautheitsfunktionen recht gut mit verschiedenen publizierten Datensätzen überein [10, 13]. So unterschieden sich die Kurvenverläufe bei Schmalbandrauschimpulsen der Mittelfrequenzen 500, 1000, 2000 und 4000 Hz (s. Abb. 1) untereinander nicht signifikant. In manchen Arbeiten werden aber auch abweichende Befunde berichtet. So fand die Arbeitsgruppe um Hohmann [9] eine Abhängigkeit der Lautheitswahrnehmung von der Frequenz. Diese Unterschiede sind möglicherweise auf differente Untersuchungsbedingungen, wie z.B. einen anderen Störschallpegel zurückzuführen [7, 10]. Heller [8] betont zudem, daß schon geringfügige Änderungen in den Instruktionen 582
der Probanden große Unterschiede der Ergebnisse bewirken. Die in beiden Gruppen, mit 10– 15% der Mittelwerte, relativ hohen Standardabweichungen lassen sich am ehesten auf interindividuelle Unterschiede in der Lautheitswahrnehmung zurückzuführen. Eine mögliche Erklärung könnte allerdings auch eine mangelnde Reproduzierbarkeit des Verfahrens der Hörfeldskalierung geben. Zahlreiche Arbeiten weisen jedoch gerade auf die gute Reproduzierbarkeit der Ergebnisse des zweistufigen Skalierungsverfahrens hin [7, 9–11]. Bei einer Mittenfrequenz von 4000 Hz skalierten die normalhörenden Probanden mit einem begleitenden Tinnitus im gesamten Pegelbereich systematisch leiser. Die Konfiguration der Pegellautheitsfunktion zeigt hier nicht den steilen Anstieg, den Kießling [10] im Sinne eines „Recruitmentäquivalents“ als Anzeichen für das Vorliegen eines Lautheitsausgleichs wertet. Einen flachen Verlauf der Pegellautheitsfunktion, wie ihn auch unsere Tinnitusprobanden bei 4000 Hz aufweisen, interpretiert der oben erwähnte Autor als fehlenden Lautheitszuwachs („fehlendes Recruitmentäquivalent“). Dieser sei entweder Ausdruck einer neuralen Hörstörung oder einer kochleären Schädigung, die von einer neuralen Komponente überlagert ist. Anhand der vorliegenden Daten wäre es jedoch rein spekulativ eine topodiagnostische Aussage im Hinblick auf eine eventuell vorliegende Störung des Tinnitusohres zu treffen. Normalhörende mit einem Ohrgeräusch beurteilen mehr Rauschimpulse im Pegelbereich zwischen 20 dB HL (bzw. 25 dB HL) und 90 dB HL als „sehr laut“ oder gar als „noch lauter“ (s. Abb. 2). Die Darstellung in den Isolautheitskurven für die Lautheitsempfindung „mittellaut“ und „sehr laut“ (s. Abb. 3) zeigt, daß Probanden mit einem Tinnitus, trotz des tonaudiometrischen Normalgehörs, eine Einschränkung des Dynamikbereichs aufweisen. Diese Aussage gilt für alle untersuchten Rauschimpulse. Das Tinnitusohr scheint hier, in einem Frequenzbereich auch außerhalb der subjektiv empfundenen Tonhöhe des
Ohrgeräusches, eine erhöhte Empfindlichkeit gegenüber lauten Schallereignissen zu besitzen. Als ein weiteres Indiz für den Einfluß des Tinnitus auf die Lautheitswahrnehmung kann auch der im Gruppenvergleich signifikant erhöhte Anpassungsfehler DFIT angesehen werden. Dieser deutet darauf hin, daß die normalhörenden Probanden mit einem hochfrequenten Ohrgeräusch im gesamten Frequenzbereich zwischen 500 und 4000 Hz unsicherer skalierten. In einem normalhörenden Ohr mit einem als hochfrequenz beschriebenen Ohrgeräusch scheint also eine veränderte Lautheitsempfindung vorzuliegen, die auch über den Tinnitusfrequenzbereich hinaus geht, denn die subjektive Tonhöhe des Tinnitus wurde ja oberhalb von 6000 Hz charakterisiert. Es bleibt allerdings ungeklärt, ob Rauschimpulse zu einer Maskierung des Tinnitus führten. Eine Antwort der Probanden auf diese Frage während der laufenden Untersuchung würde aber eine einschneidende Änderung in den Instruktionen zur kategoriellen Lautheitsskalierung voraussetzen und dann, wie bereits Heller [8] feststellte, große Unterschiede der Resultate bewirken, so daß ein Gruppenvergleich nicht mehr möglich wäre. Es ergab sich jedoch kein Hinweis, daß eine Verdeckung des Tinnitus durch bestimmte Rauschpegel einen Einfluß auf das Skalierungsverhalten hatte. Bereits in den frühen 40er Jahren konstatierte Fowler [4] daß Veränderungen in der Lautheit eines Ohrgeräusches ihrerseits auch zu Änderungen des Hörvermögens – und hier speziell des Sprachverstehens – führen. Der Autor mutmaßte, daß ähnliche Irritationen, die das Entstehen eines Ohrgeräusches verursachten, oder gar das Ohrgeräusch selbst, weite Bezirke der Hörschnecke in Mitleidenschaft zögen, jedoch ohne hier ebenfalls einen Tinnitus zu erzeugen. Er schlußfolgerte, daß aufgrund des Ohrgeräusches eine „konstante biochemische Aktivierung“ der Fasern des Hörnerven vorliegen müßten. Diese sei zwar zu geringfügig um andernorts ebenfalls einen wahrnehmbaren Tinnitus zu generieren, erzeuge aber eine Hör-
störung im Sinne einer Art „Ermüdung des Gehörs“. Fowler prägte hier den Begriff des „slow-acting tinnitus fatigue factor“, der in der gesamten Hörschnecke wirksam sein sollte. Auch unsere Ergebnisse deuten auf eine Beziehung zwischen dem Ohrgeräusch und der Hörleistung außerhalb des Tinnitusfrequenzbereichs hin. Es handelt sich hier zwar nicht um das von Fowler beschriebene Hörvermögen für Sprache und Töne, sondern um das Lautheitsempfinden für Schmalbandrauschimpulse. So könnte die von uns gefundene erhöhte Empfindlichkeit gegenüber lauten Schallereignissen im gesamten Frequenzbereich zwischen 500 und 4000 Hz ihre Entsprechung in der von Fowler postulierten „Tinnitus-assoziierten Überempfindlichkeit“ („hypersensitiveness caused by tinnitus“) finden bzw. in einem durch das Ohrgeräusch induzierten, langsam fortschreitenden „allgemeinen neuralen Ermüdungsfaktor“. Es war ebenfalls Fowler [3], der darauf hinwies, daß die enge Beziehung zwischen einem Ohrgeräusch und einer Hörstörung oft nicht richtig gewürdigt würde. Er ging sogar so weit zu behaupten, daß ein Tinnitus nie ohne eine Höstörung auftreten könne. Fowler stellte die Hypothese auf, daß Tinnitus an der Peripherie einer ihn hervorrufenden Schädigung entstehe, eben im „Grenzbereich“ zwischen normaler und gestörter Sinneswahrnehmung. Die Schädigung an sich führte zu einer Funktionsstörung der „neuralen Elemente des auditorischen Systems“ („dead wire effect“). Durch Einspeisung der Ohrgeräuschinformation in die zentrale Hörbahn werde diese ihrerseits okkupiert („busy line effect“). Heute wissen wir, daß sichtbare Auswirkungen auf die Tonschwellenkurve beim Menschen mehr als 50% und bei der Katze mehr als 75% von ausgefallenen Hörelementen erfordern [1]. Trotz einer normalen tonaudiometrischen Hörschwelle kann also das Hörorgan unter Umständen erheblich beeinträchtigt sein. Opitz wies in einer Übersichtsarbeit darauf hin [16], daß neben diesen rein quantitativen Aspekten noch qualitative hinzukommen. Tinnitus und Tonschwellen-
kurve seien deshalb auch in diesem Licht zu sehen, d.h. vom Tonaudiogramm her könne nicht ohne weiteres auf den funktionellen Zustand der inneren sowie äußeren Haarzellen und neuralen Elemente geschloseen werden. Der für Rauschimpulse der Mittenfrequenz 4000 H im Gruppenvergleich flachere Verlauf der Pegellautheitsfunktion bei unseren tonaudiometrisch normalhörenden Probanden im Tinnitus deutet in diesem Zusammenhang auf eine Beeinträchtigung des Hörorgans hin. Eine solche Hörstörung darf dann aber nicht in erster Linie im „quantitativen“ Sinn eines tonaudiometrischen Hörverlustes, sondern im „qualitativen“ Sinn einer veränderten Lautheitswahrnehmung verstanden werden. Auf die Bedeutung einer Interaktion zwischen externen Schallreizen und Tinnitus machte neben Vernon [20] und Opitz [16] auch Penner [17, 18] aufmerksam. Die beiden letztgenannten Autoren unterstrichen, daß ein zur Tinnitusmaskierung führender Schallreiz mit zunehmender Verdekkungszeit in seiner Intensität gesteigert werden muß. Opitz diskutierte hier einen nicht unerheblichen Einfluß von Adapatationsvorgängen. Vernon konstatierte, daß ein lauter Schallreiz ein Residualphänomen des Tinnitus produzieren könne, das zu einer verminderten Lautheitswahrnehmung des Tinnitus führe. Es ist hinlänglich bekannt und häufig untersucht, daß externe Schallsignale die Tinnituswahrnehmung beeinflussen. Unsere Ergebnisse weisen darauf hin, daß zusätzlich eine wechselseitige Beeinflussung zwischen einem externen Schallsignal und einem Tinnitus besteht: Das externe Schallsignale verändert nicht nur die Tinnituswahrnehmung sondern umgekehrt scheint das Ohrgeräusch seinerseits auch die Lautheitswahrnehmung von Schallreizen zu beeinflussen. So konnten wir zeigen, daß eine erhöhte Empfindlichkeit gegenüber lauten Schallreizen besteht, die sich darin äußert, daß die einzelnen Lautheitsurteile unsicherer werden. Der Tinnitus selbst scheint eine Art maskierende Wirkung auf das Hören auszuüben. Er scheint den Schallrei-
Fazit für die Praxis Die apparativ-akustische Tinnitusbehandlung (Tinnitusmasker, Tinnitusinstrument) macht sich die bekannte Beobachtung zunutze, daß externe Schallsignale die Tinnituswahrnehmung beeinflussen. Unsere Ergebnisse der kategoriellen Lautheitsskalierung normalhörender Probanden mit einem Ohrgeräusch weisen darauf hin, daß zusätzlich eine wechselseitige Beeinflussung zwischen einem externen Schallsignal und dem Tinnitus besteht: Das Schallsignale verändert nicht nur die Tinnituswahrnehmung sondern umgekehrt beeinflußt das Ohrgeräusch seinerseits auch die Lautheitswahrnehmung von Schallreizen. Der Tinnitus selbst scheint eine Art maskierende Wirkung auf das Hören auszuüben. Die direkte Lautheitsskalierung könnte künftig die spezielle audiologische Diagnostik bei Tinnitus um eine frequenzspezifische Beschreibung des nutzbaren Hörfeldes des Ohrgeräuschpatienten (und damit des Dynamikbereiches) ergänzen.
zen etwas von ihrer Lautheit zu nehmen. Die Lautheitsskalierung mit Hilfe des „Würzburger Hörfeldes“, ursprünglich zur Hörgeräteanpassung entwickelt, hat sich darüber hinaus allgemein als ein zuverlässiges und klinisch taugliches Instrument zur differenzierten Beschreibung des überschwelligen Gehörs erwiesen. Bei Ohrgeräuschpatienten stand ihr Einsatz hinsichtlich einer frequenzspezifischen Charakterisierung der gesamten nutzbaren Dynamikbreite des Hörens bisher aus. Ebenso fehlte ein Vergleich des Dynamikbereichs zwischen normalhörenden Ohren mit und ohne Tinnitus. Die von Feldmann [2] im Rahmen der speziellen audiologischen Diagnostik bei Ohrgeräuschen vorgeschlagene Bestimmung der Unbehaglichkeitsschwelle für Töne, Breitbandge583
O R I G I N A L I E N räusche oder Sprache und ihr Bezug zur Hörschwelle im Tonaudiogramm, könnte künftig mit Hilfe einer frequenzspezifischen Beschreibung des nutzbaren Hörfeldes ergänzt werden. Literatur 1. Beck C (1971) Funktionsstörungen des Innenohres aus morphologischer Sicht. Z Hörgeräteakustik, Sonderheft November 2. Feldmann H (1992) Spezielle audiologische Diagnostik (Kap. 5). In: Feldmann H (Hrsg) Tinnitus. Thieme Stuttgart, S 84–92 3. Fowler EP (1940) Head noise. Arch Otolaryngol 32: 903–914 4. Fowler EP (1941) Tinnitus aurium in the light of recent research. Ann Otol Rhinol Laryngol 50: 139–158 5. Hellbrück J (1992) Wie man Psychisches messen kann – Psychoakustische Meßverfahren und Psychometrie. Hörakustik 8: 4–14, 9: 20–22
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