(Aus dem 8~Luglingsheim in Kiew.) E i n neues Merkmal yon Friihgeburt.
Teilung des K~rpers in zwei H / i l f t e n y o n v e r s c h i e d e n e r F/irbung~). Von Priv.-Doz. L. O. F i n k e l s t e i n und Doz. B. A. W i l f a n d . Mit 2 Abbildungen
im Text.
(Eingegangen am 17. Dezember 1926.)
Schon seit e t w a 4 J a h r e n k o m m e n i m S~uglingsheim y o n Zeit zu Zeit K i n d e r zu u n s e r e r B e o b a c h t u n g , die wegen d e r E i g e n a r t ihrer B l u t z i r k u l a t i o n ein au•erordentliches I n t e r e s s e d a r b i e t e n . Diese E i g e n a r t b e s t e h t d a r i n , d a 2 b e i S e i t e n l a g e des K i n d e s die u n t e n liegende H ~ l f t e des K 6 r p e r s sich r o t m i t l e i c h t bl~ulicher S c h a t t i e r u n g f~rbt, die o b e n liegende a b e r s t a r k a b b l a g t oder w e n i g s t e n s auffallend bla~ erscheint. Die Grenze zwischen diesen b e i d e n F ~ r b u n g e n v e r l a u f t in s t r e n g s t e r W e i s e a u f d e r Mittellinie des K 6 r p e r s . Die F a r b e n gehen n i e h t allm~hlich i n e i n a n d e r fiber, v i e h n e h r i s t die Grenzlinie zwischen i h n e n a u B e r o r d e n t l i c h scharf ausgepr~gt. B e i m U m d r e h e n des K i n d e s auf die a n d e r e Seite v e r ~ n d e r t sieh d a s B i l d v o l l s t ~ n d i g : die b l a b gewesene H ~ | f t e w i r d n u n rot, u n d die v o r h e r r o t e w i r d blaB, u n d w i e d e r v e r l ~ u f t die Grenze zwisehen i h n e n g e n a u a u f d e r Mittellinie des K 6 r p e r s . Solch ein P h ~ n o m e n ist, soviel uns b e k a n n t , n i r g e n d s u n d n i e m a l s b e s c h r i e b e n worden, u n d d a h e r wollen wir, ehe wir v o n d e r MSglichkeit einer Erkl~irung desselben sprechen, die K r a n k h e i t s g e s c h i c h t e m e h r e r e r K i n d e r anffihren. I. N. M. wurde am 9. V. 1922 ca. 2 Wochen Mt yon der .~Iutter verlassen. K6rperl~nge 48 cm, Gewicht 2750 g, Kopfumfang 34cm, Bmstumfang 32 cm. Die Haut ist mit feinfleckigem Ausschlag bedeckt (Sudamina). Unterhautzellgewebe wenig, Turgor schlecht. Grolle Fontanelle 4 • 5 era, kleine 1 • 1 cm, klaffende N~hte. Die ~Sagnagel reichen nicht his an den Rand. Soor. Einige Tage naeh Einliefenmg wurde bei dem Kinde eine seharfe Teilung des ganzen K6rpers in zwei verschledenfarbige H~lften bemerkt (eine bl/iuliehrote und eine blasse), und zwar bei seiner Lagerung auf die eine oder andere Seite. Die unten. liegende SeRe war immer bl~ulichrot, die obere blal3. Die Grenzlinie zwischen beiden verlief aufs strengste auf der Mittellinie des K6rpers, yon der Glabella beginnend, auf der Mittellinie der Nase, der Nasenlippenfalte, der Mitte des Kinnes, des Halses und des Bnlstbeins, dutch den Nabel, die Mitte des Schamhfigels und Raphe des Hodensackes, hinten genau auf den Domfortsatzen und der Mittellinie 1) Im Auszug vorgetragen zum 3. Allrussisehen P~diaterkongreB in Leningrad.
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des Sch~dels durch die Mitte der Stirn bis zur Glabella. - - V o n den Extremiti~ten ist das eine P a a r (die obere u n d untere) blau, das andere blaB; n u r der untere Tell des Fui3es der obenliegenden E x t r e m i t ~ t ist ebenfalls leicht bl/~ulich (Abb. 1). Bei U m d r e h e n des Kindes yon einer Seite auf die andere wechselt die F a r b e schroff: die obere Seite wird blaB, die untere bl/~ulichrot. Fiir den Farbenwechsel sind 1/2--3 Min. erforderlich. Bei Riicken- oder Bauchlage des Kindes ist der ganze K6rper gleiehm~13ig gef/~rbt. H/~lt m a n das K i n d im warmen Bade auf einer Seite (bloB der u n t e n liegende Tell des K6rpers ist m i t Wasser bedeckt), so t r i t t der Unterschied in der F~trbung noeh seh~trfer hervor und erscheint rascher. Beim Schreien des Kindes gleicht sich der Unterschied aus, u m nach seiner Beruhigung wieder aufzutreten. An den Schleimh/~uten lassen sich keine Farbenunterschiede feststellen. Herzt6ne rein. Lunge o. B. W a s s e r m a n n negativ. Das K i n d verblieb 17 Tage in der A n s t a l t u n d ging a n Dekomposition zugrunde. Die letzten Tage vor dem Tode tieflen sich die beschriebenen Erscheinungen schlechter beobachten u n d auch erst langere Zeit, nachdem das K i n d auf die Seite gelegt worden war.
Abb. 1. H.U. beim Liegen auf tier linken Seite. Die Sektion (Prof. Starkow) ergab keine augenf/~lligen Organanomalien, autler einer Teilung der reehten Lunge in 2 Lappen. Eine mikroskopische U n t e r s u c h u n g des Hirns unterblieb. II. J e a n wurde, 10tagig, am 25. V I I I . 1923 eingeliefert. Wuehs 47 cm. Gewieht 2450 g, Kopfumfang 33 em, B r u s t u m f a n g 27 cm. H a u l blal3rosa, U n t e r h a u t zellgewebe wenig, sehlechter Turgor, grol3e Fontanelle 1 X 1 era, Nithte etwas klaffend. Die Leber u m 1/, Finger breit tiefer als der Rippenrand, die Milz unpalpierbar. Die Nagel a n den Ze~en reichen n i c h t bis zum E n d e des Nagelbettes. Vom Schvcertfortsatz bis zum Nabel 61/2 cm, vom Nabel bis zum Sehamhiigel 4 cm. Herzgrenzen normal. Herzt6ne dumpf, Ger/~usehe n i e h t zu h6ren. A t m u n g gesehwaeht. Sehwachliches Kind, herabgesetzter Lebenstonus. 31. V I I I . Bei Lagerung des Kindes auf der einen oder anderen Seite sind beide HMften des K6rpers ungleichmal3ig gefarbt: die untere H/tlfte, auf der das K i n d liegt, ist yon ges/tttigt t o t e r Farbe ohne blauliche Sehattierung, die obere H/~lfte ist deutlich blab. Die Grenzlinie zwisehen diesen F a r b u n g e n verlauft vorne so
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wie hinten, strenflstens auf der Mitte]linie des K6rpers. Die obere u n d untere E x t r e m i t a t , auf welcher das K i n d liegt, h a b e n bl/~uliche Schattierung u n d unterscheiden sich weniger scharf von den gegeniiberliegenden entsprechenden Extremit a t e n . I n der E i c h t u n g yon oben naeh u n t e n (vom Kopf zu den Fiil3en) sehw/ieht sich die I n t e n s i t ~ t der gef/~rbten Stellen ab, so dab die F/trbung des Gesichtes sch/irfer ausgepragt ist als diejenige der n n t e r e n Extremit/iten. Bei U m d r e h e n des Kindes auf die andere Seite t r i t t die Ungleichm/tl3igkeit der F/~rbung in erster Linie a n Gesicht u n d Kopf auf u n d erst d a n n a n R u m p f und unteren Extremitgten. Beim Schreien verwischt sich der Unterschied zwischen beiden Hitlften. Bei Riicken- oder Bauehlage des Kindes ist der K6rper tiberall gleich gefhrbt; es vergehen aber 1--3 Min., bis die bei Seitenlage
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Abb. 2. Eine Menge verl~ingerter, etwas gewundener Capiliaren, die nicht im hellen Streifen des Nagelbettes des 4. Fingers der linken Hand withrend des Rotwerdens geIegen sind. Eine Menge erweiterter Gefill3e. Deutlichkeit des subcapillgren Netzgefleehtes. 75real vergrfilert. (Zeichnung naeh der Natur yon Dr. N. Skulsky.) 2qeutrophile 45~o, L y m p h o c y t e n 39%, Tiirksche Zellen 2~o, t3bergangsformen 9~o. Aus der gef/&rbten E x t r e m i t g t : Rote Blutk6rperchen 5 800 000, weiBe 8400, Neutrophile 68%, L y m p h o c y t e n 18~o, Tiirksche Zellen 2%, t3bergangsformen 11%. A m 3. IX. wurde yon N. A. Skulsky in der Klinik von Prof. Strashesko eine Capillaroskopie ausgefiihrt. Die Abbildung der Capillaren u n d die Beschreibung des b e o b a c h t e t e n Bildes wurden ebenfalls von N. A. Skulsky hergestellt, wofiir wir i h m hiermit unseren besten D a n k ausdrticken. Der 2., 3., 4. u n d 5. Finger der linken H a n d bei rechter Seitenlage. Bei der Lunula unguis ein reichliches Netz verlgngerter u n d etwas erweiterter Capillaren, die n i c h t wie gew6hnlich im hellen Streifen der sichtbaren Papillen gelagert sind. Es l~13t sich eine gleichmgl3ige Gewundenheit u n d Entwicklung yon Anastomosen verzeichnen; u n t e r solehen Formen viele normale. Der B l u t s t r o m yon wechelndem Typus ist oft ein beschleunigter. Die erweiterten Gef~fle sind gut wahrnehmbar, u n d das subcapillare Netzgeflecht mit deutlich sichtbarer Str6mung. Zeitweilig ausgepr~gter Spasmus a n d Erblassen des ganzen Gesichtsfeldes; der Strom ist
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dann leicht granuliert. Bei Lagewechsel, wenu diese Seite rot wird, starke Erweiterung aller Gefiil~e und Capillaren mit Stromverlangsamung, bisweilen Stase siehtbar. Hierbei starke Erweiterung des subeapillaren Netzgeflechtes und des venSsen Capillarteiles (Abb. 2). Die andere H a n d bietet dasselbe Bild. Die Stirn. Die Stirncapillaren sind in Farbe und Form normal, etwas verl/~ngert und leicht gewunden. Viele granulierte Formen, viele Aneurysmen (w/~hrend der RSte) und Anastornosen. Lebhafter Blutstrom, der oft mit Stase wechselt. Bei Weinen starke Erweiterung aller Capillaren, schaiqe ROte, die durch Cyanosc mit erweiterten Capillaren abgel6st wird. SchluBfolgerung: Vasoneurotische Diathese (Skulsky). 4. IX. Auftreten yon reichlichem ]~rbreehen nach dem Essen. H/~ufiger Stuhl y o n griiner Farbe. 5. IX. Erbrechen dauert fort, Stuhl idem. Das Ph~nomen deutlieh ausgepr/tgt. 6. IX. 9Das Ph/~nomen tritt auf, aber es l/~l]t etwas 1/~nger auf sich warren: 2 " 3 Min. statt einer. Der Untersehied in der F/~rbung beider H/~lften ist weniger deutlieh. ])as Ph~nomen tritt hauptshchlich im Gesieht auf, weniger scharf ausgepr/igt auf dem Kopfe und fehlt fast ganz am Rumpf. Das Kind ist merklich schw~cher geworden, hustet. Erbreehen und Stuhl idem. I m Harn EiweiB, viele amorphe Urate und Schleimzylinder mi$ Anh~ufungen von Uraten. 7. IX. Das Kind ist bedeutend schw/tcher geworden. Das Ph~nomen 1/iI3~sich nur mit Mtihe hervorrufen. Bei andauernder Seibenlage vcrschwindet es allm/ihlich, bei Umdrehen auf die entgegengesetzte Seite erseheint es und versehwindet ebenso sehnell. Husten. Rechts hinten Symptome yon Pneumonie. 8. IX. Das Ph'~nomen zeigt sich nur auf der Stirn, ist sehr schwach ausgcpr/~gt und versehwindet raseh. Das Kind wird schw/~eher. 9. IX. Es gelingt nicht, das Ph/inomen hervorzurufen. Ausgesprochenere Erscheinungen yon Pneumonie. Im H a m Eiweil], hyaline Zylinder, Erythrocyten und ein bis zwei granulierte Zylinder. Am 18. IX. starb das Kind. Die Sektion (Dr. A. i. Smirnowa) ergab Pneumonie rechts unten; weft ge6ffnetes Foramen ovale. Keine besonderen u yon seiten des Gehirns. Eine mikroskopische Untersuehung des Gehirns wurde nieht vorgenommen in Anbetracht der dazu erforderlichen sehr groBen Arbeit. (Die Pr/~parate werden bis jetzt .aufbewahrt.) III. Abrascha. Eingetreten am ]7. V. 1922 im Alter yon etwa 1 Monat. Gewiehb 3050 g, Lttnge 52 em, Kopfumfang 35 cm, Brus~umfang 32 cm. Allgemeines Aussehen des Kindes befriedigend. I-Iaut gesund, wenig subcutanes Fett~ Turgor sehwaeh; grebe Fontanelle 3 • 3 cm, kleine 1 • 1 cm. Innere Organe normal. Am 30. V. wurde bemerkt, dab beim Liegen auf der einen oder anderen Seite eine starke Hyper/~mie der unten liegenden Seite des Gesichtes und des Kopfes auftritt, und dab die Grenze zwischen dem hyperi~misierten und dem blassen Tell yon Kopf und Gesicht genau durch die Mittellinie geht. Am iibrigen KSrper wird kein Un~erschied in der F~rbung beider K6rperh/~lften wahrgenommen. 2. VI. Die Hyper/~mie der unten liegenden Seite ist reehts intensiver; nach einem Bade tritt sie deutlieher hereof. 20. VI. Der Unterschied in der F/~rbung beider H~lften beim Liegen auf den Seiten erscheint viel schw/icher. Das Kind ist gesund, entwickelt sich gut. 1. VII. Das Ph/~nomen wird allm~hlich sehw~icher. 3. VII. Das Ph/inomen lieB sich nieht mehr hervorrufen. Das Kind verblieb 7 ~/2Monate in der Anstalt, entwickelte sich gut und wurde yon einer Familie adoptiert. IV. Miseha. Wurde am 20. XI. 1924 aufgenommen. Alter 5 Tage. Gewicht 2500 g, Ltinge 48 cm, Kopfumfang 32 em, Brustumfang 30 em. H a u t blaB. Wenig subeutanen Fettes, schlechter Turgor. Nabel tiefliegend, eitrig, Fungus nmbillici.
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Grot]e Fontanelle 2 • 3 era, kleine 1/2 • 1/2 era. Die N~hte klaffen um 1/, cm auseinander. Leber und Milz stehen um x/2 Finger breit unter dem Rippenrande vor. Die Nagel an den Zehen erreichen nicht die Zehenspitzen (Friihgeburt). Wassermann negativ. 17. XII. Bei Lage des Kindes auf der einen oder anderen Seite erhalb man vine dentlich ausgepr~gte I-Iyperamie der unten liegenden Hs des Gesichtes mit der Grenze streng auf der Y[ittellinie der Stirn, des Nasensattels, der Nase und des Kinnes; die obere Hhlfte des Gesichtes is~ von ausgesprochen blasser Farbe; navh lmten hin wird der Unterschied geringer, und sehon auf dem Kinn verschwinde~ er g~nzlieh. 19. XIL Das Ph~nomen bleibt bestehen~ erseheint ziemlieh schnell und verschwindet raseh. Das Kind begann etwas an Gewicht zu verlieren, und sein Aussehen verschlechterte sich. 3. I. Es gelang nieht mehr, das Phanomen hervorzurufen. Das Kind blieb fiber 5 Monate unter unserer Beobachtung. Es entwickelte sich befriedigend. Das Phanomen tritt nicht mehr zutage. V. Lenina. ]~intritt am 24. II. 1925. K6rperl~tnge 46 cm, Gewieht 2600 g, Kopfumfang 34 era, Brustumfang 30 cm. Alter 3 [rage. Nabelsehnur feucht. ttaut rosig, schlechter Turgot. Niigel erreichen nicht die Fingerspitzen (Friihgeburt). Innere Organe normal. 27. II. Bei Seitenlage wird eine starke Hyperamie der unten liegenden Halfte des Gesiehts und vine starke Bls der oben liegenden bemerkt. Die Grenze geht streng auf der Mittellinie hin. 28. II. Das Phanomen ist seharf ausgepr/igt. Beim Sehreien verwiseht sieh der Unterschied, aber wenn sieh das Kind beruhig$ hat, tritt es wieder deutlieh hervor und h~lt lange an. 1. III. ])as Kind wird der Wissensehaftliehen Gesellschaft von Kinderarzten demonstriert. Das Phanomen liel] sieh sehr deutlich wahrnehmen, wobei auch ein Untersehied in der FKrbung auf Brust und Baueh festgestellt wurde, welcher vorher nieh~ vorhanden gewesen war. 8. III. Das Phanomen tritt auf, aber es lhBt lange auf sieh warren (bis 10 Min.). Im Gesieht ist der Untersehied in der F~rbung deutlich ausgepr~g~, auf Brust und Rticken aber nur kaum vine Andeutung. Bei Seitenlage halt sich das Ph~nomen lange, bei Riickenlage jedoch verschwindet es langsam. 9. III. Blutanalyse: Rote Blutk6rperohen 3 495 000, wei~le 13 190, Neutrophile 35,5%, Lymphocyten 51%, ~bergangsformen 10%, Eosinophile 3,5%. 13. III. Das Phanomen wird sehwacher. 15. III. Das Phanomen bleibt aus. Das Kind befindet sieh in befriedigendem Zustande, obgleich es wenig an Gewieht zunimmt. 15. IV. Das Kind hat etwas an Gewicht zugenommen. Das Phanomen l~gt sieh nieht mehr hervorrufen. Das Kind blieb lange unter Beobachtung und entwiekelte sieh gut. I n d e n o b e n a n g e f i i h r t e n K r a n k h e i t s g e s c h i c h t e n f i n d e n wir die B e s t ~ t i g u n g dessen, w o v o n wir schon s p r a c h e n : die h6chst originelle T e i l u n g des K 6 r p e r s in 2 s t r e n g s y m m e t r i s c h e H~ilften y o n verschiedener :F~irbung. Diese Teilm~g u m f a g t 6f~er d e n g a n z e n K 6 r p e r , zuweilen aber n u r e i n e n Teil desselben, haupts~ichlich Sch~del, S t i r n u n d Gesicht. Dort, wo der U n t e r s o h i e d der F ~ r b u n g a m g a n z e n K 6 r p e r wahrgenomm e n wird, ist er doch i m Kopfteile desselben a m st~rksten u n d verwischt sich naoh d e m F u ~ t e i l zu. Ftir d e n Wechsel der F~irbung bei
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Umlagerung des Kindes yon einer Seite auf die andere sind 1 - - 5 Min. erforderlieh, wobei der Unterschied zunhchst nieht stark ins Auge f/~llt, dann aber allm~hllch starker wird, bis er eine bestimmte Intensit/it der roten F~rbung erreicht, zu der nach und nach eine bl/~uliche Schattierung hinzutritt. Der Unterschied in der F~rbung beginnt auch von K o p f und Gesieht aus aufzutreten und erscheint erst hierauf an R u m p f und Extremit~ten. Niemals beobaehteten wit einen Untersehied in der F~rbung der oben und unten liegenden K6rperhhlften bei Riickenoder Bauehlage des Kindes oder bei auffechter Stellung der Kinder. I m m e r , wenn diese in die letztgenannten Lagen zuriickversetzt wurden, versehwand der bis dahin beobachtete Unterschied in der F~rbung beider K6rperh/ilften ziemlieh raseh (etwa in 1 Min.), und das Kind unterschied sich in nichts yon allen iibrigen. Der Unterschied in der Fiirbung beider K6rperh/~lften wurde manchmM aueh w~thrend des Sehlafes beobachtet, aber bedeutend weniger scharf ausgeprhgt als im wachen Zustande des Kindes. Wenn er einmal aufgetreten war, so hielt er sehr lange beim Kinde an, wenn dieses in der angenommenen Lage belassen wurde, und wenn die Blutzirkulation zu dieser Zeit lebhaft genug war. Bei Abschw~ehung der Intensit~t des Kreislaufs, z. B. w~hrend eines mehr oder weniger langen Zeitraums vor dem Tode, n a h m die Seh/irfe des Ph~nomens ab tmd verschwand nach seinem erfolgten Auftreten verh~ltnism/iBig raseh. Bei Kindern, die a m Leben geblieben sind, verschwand das Ph~nomen unter allm~hlicher Abschw~chung ungef~hr in einem Alter yon 2--21/2 Monaten. Es muB hervorgehoben werden, dab alle Kinder entweder Friihgeburten oder Kinder m i t sehr geringem Gewicht und schlechtem Allgemeinzustand (debile) waren, insbesondere bezieht sich das auf diejenigen, bei denen sich das Ph~nomen am ganzen K6rper zeigte. Klinisch zu konstatierende Ver~nderungen in Herz und Lunge lieBen sieh bei keinem wahrnehmen. Wie ist nun das Auftreten dieses Ph/~nomens zu erkl~ren ? Vor aUem, haben w i r e s mit Gef~gkrampf in der oberen H~lfte des K6rpers oder mit ihrer Erweiterung in der unteren zu tun ? ])as ganze beobachtete Bild spricht unseres Eraehtens fiir das letztere. Wenn m a n das Kind auf die Seite legt, so sind zunKchst beide H~lften gleich, dann beginnt die untere sieh zu r6ten, und nachdem sie eine gewisse Intensit~t der roten lCarbe erreicht hat, wird sie leicht blKulieh. Der Bl~ulichkeitsgrad h~ngt yon der St~rke des Kreislaufs ab. Die anwachsende B1/~sse der oben liegenden H/~lfte ist aller Wahrseheinlichkeit naeh blog eine scheinbare. Dafiir, daft wir es mit einer aktiven Gef~Berweiterung zu t u n haben, sprechen auch die Angaben der Capillaroskopie, welche eine starke Erweiterung aller Gef/~Be bei R6tung der entsprechenden Seite zeigte. Welche l~olle spielt hier das mechanische Moment des passiven HerabflieBens des Blutes in die unten liegende Hi~lfte ? Diese
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Erkl/~rung wurde w/ihrend der Demonstrierung der Kinder in den wissensehaftliehen Gesellsehaften yon einigen vorgeschlagen. Fiir uns unterliegt es keinem Zweifel, dab es keinesfalls m6glieh ist, allein durch das meehanisehe Moment das ganze Bild zu erkliiren. Beim passiven I-Ierabfliellen des Blutes h~tten wir etwas dt_hnliches wie Leichenfleeken vor uns, d . h . eine intensivere F~rbung, je mehr m a n sich unten liegenden Teilen niihert, oder eine fleckenartige Verstreutheit, in keinem Falle aber jene strengste Abgrenzung dureh die Mittellinie der sieh gleiehm/illig fiber die ganze KSrperh/~lfte verbreitenden R6te, wie sie in der T a t beobachtet wurde. Besonders scharf ausgepri~gt war es auf den Dornforts~tzen, der Nase, der Stirn und dem Hodensacke zu sehen. Fiir die Aktivit~t des Prozesses Spricht aueh die intensivere rote Farbe im Anfang, die erst nachher eine bl~uliche Schattierung a n n i m m t ; dafiir sprieht ja aueh die Absehw/iehung des Phiinomens bei abnehmender St/~rke des Kreislaufs, was nieht zu erwarten ware, wenn der Prozef$ aussehlieBlioh passiv ware. Endlich lieB sieh das Ph~nomen manchmal auch bei nicht ganz vollst~ndiger Seitenlage erzeugen, sondern etwas vor derselben, aber dennoch verlief die Grenzlinie zwisehen den verschiedenen Farben stets auf der Mittellinie des KSrpers. Mit Sicherheit k a n n m a n auch sagen, dab die anatomischen Ver~nderungen, die bei der Sektion zweier Kinder nachgewiesen wurden, zu deren Lebzeiten dieses Ph/inomen beobachtet wurde, nicht im geringsten als Erkl/irung desselben dienen kSnnen. Das in einem Falle gefundene angeborene Nichtzuwaohsen des F o r a m e n ovale k o m m t nicht allzu selten vor, niemals aber wurde bei seinem Vorhandensein ein/~hnliches Bild naehgewiesen. Wenn dieses auch bis zu einem gewissen Grade die Blutzirkulation beeintr/ichtigte und den EinfluB eines mechanischen Momentes v e r s t ~ k t e , so haben wir schon zur Geniige die Bedeutung dieses Momentes fiir unsere F/~lle auseinandergesetzt, und das Vorhandensein des Vitium cordis/indert niohts daran. Noch geringere Bedeutung h a t die in einem anderen Falle nachgewiesene Anomalie (2 Lappen in der reehten Lunge), was wohl iiberhaupt k a u m einen EinfluB auf den Charakter der Blutzirkulation ausiibt. Worauf einzig und allein die Sektionsbefunde hinweisen kSnnen, ist das, dal3 wir Kinder v e t uns batten, die schon im Mutterschol3 Abweichungen yon der normalen Entwieklung aufwiesen, woven noch sp/~ter die Rede sein wird. KSnnen endlich jene Veri~ndertmgen als Ursaehe der yon uns beschriebenen Erscheinung gelten, welehe bei der Capillaroskopie naehgewiesen und yon N. A. Skulsky als sch/irfster Ausdruek einer vasoneurotischen Diathese charakterisiert wurden ? Es scheint uns, da$ der Zustand der Capillaren gewissermaflen nur einen Tell der Vorg/~nge erkl/irt, n~tmlieh den, da/3 die Seitenlage, d. h. eine unbedeutende meehanische Ursache, schon genfigt, um die Vasomotoren in T/~tigkeit
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zu setzen, was sonst nicht beobaehtet wird, aber die Hauptbesonderheit des yon uns vermerkten Ph~nomens, die strenge Abgrenzung des Gefi~Berweiterungsgebietes, die aufs genaueste der Teilung des K6rpers in 2 Hi~Iften, eine rechte und eine linke entspricht, vermag die vasoneurotisehe I)iathese nieht zu erkl/iren. Die einzige Erkl~rung, die das yon uns beobachtete Bild beleuchten kann, ist die / h m a h m e einer St6rung der Innervationsverbindung zwisehen beiden K6rperh~lften. Unter dem EinfluJ] der Schwere, d . h . eines meehanischen lV[omentes, wird bei vorhandener vasoneurotischer Diathese ein I m p u l s auf das vasomotorische Nervensystem ausgelSst, welc.hes auf diesen Impuls mit Erweiterung der Capillaren und der kleinen Gef~Be antwortet; da es aber keine Verbindung zwisehen der vasomotorischen Innervation beider K6rperh~lften gibt, so entsprieht nur die eine K6rperh/~lfte dem Impuls. Bei Riieken- oder Bauchlage befinden sich beide H~lften in der gleiehen Lage und werden gleich innerviert, und daher ergibt sich aueh kein Unterschied in der F/~rbung. An welcher Stelle des vasomotorischen Nervensystems ist aber diese Organisationsverbindung gestSrt ? Wenn wir uns dem Bau des vegetativen Nervensystems zuwenclen, dessen unzertrennlichen Teil das vasomotorische System ausmacht, so stellt er sich den modernen Anschauungen nach fo]gendermaBen dar (zit. nach Prof. Grinstein, Acta medica 1924): ,,An der Peripherie finden wir ein Neuron, das aus einer in dem vertebralen, pr~vertebralen oder terminalen Ganglion gelegenen Zelle besteht, und eine aus ihm entstehende Faser. Dieses periphere erste Neuron ist einem zweiten im Riickenmark oder im Stammteil des Gehirns gelegenen untergeordnet, das zweite seinerseits einem dritten, das sieh im Tuber cinereum befindet, und endlich dieses einem vierten un4 letzten im Corpus striatum befindlichen. Das ganze Visceralnervensystem wird somit aus vier I%uronen zusammengesetzt, aus vier Reihen folgerichtig subordinierter reflektoriseher Bogen." I)a in denjenigen unserer F~ille, wo das yon uns beschriebene Ph/~nomen am st~rksten ausgepr~gt war, es sich auf den ganzen K6rper bezog, so scheint es uns a m natoxlichsten, anzunehmen, dab die St6rung der Innervationsverbindung in Zentren h6herer Ordnung vor sich gegangen ist, die die Ti~tigkeit aller tiefergelegenen Z e n t r e n koordinieren, d. h. in den Zentren, die sich im Tuber cinereum oder im Corpus striatum befinden. FOX solche F~lle, wo das Ph~nomen nur z. T. in Erseheinung trat, ist eine Kommunikationsst6rung zwischen lokalen Zentren anzunehmen. Die letzteren dureh das sympathische Nervensystem gehenden Zentren sind, wie bekannt, paarig, d . h . jede K6rperhiilfte h a t ihre eigenen Zentren, und irgolgedessen muB m a n fOx F~lle yon teilweisem Auftreten des Ph~inomens das Fehlen einer Commissuralverbindung zwisehen ihnen annehmen. Was jedoch
Ein neues Merkmal yon Frfihgeburt..
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die Kommunikationsst6rung in den h6heren Zentren anbetrifft, so nimmt, soviel uns bekannt, niemand an, dab zwei hShere, fiir jede K6rperhMite besondere vasomotorische Zentren existieren, die untereinander dureh Commissuffasern verbunden sind, oder aber, dab ein Zentrum aus zwei H/ilften exis$iert, die auf dieselbe Weise miteinander verbunden sind. Indessen k6nnen wir durchaus keine andere Erkl~rung fiir die yon uns zweifellos beobachtete Erscheinung linden (sie wurde in Gegenwarb einiger hundert Personen in drei wissenschaftlichen Gesellschaften demonstriert) als die Annahme, daft das vasomotorische Zentrum aus zwei H~lften besteht, die untereinander durch Commissurfasern verbunden sind; die letzteren k6nnen sieh in einigen :~llen bis zum Tage der Geburt noeh nieht vSllig entwiekelt haben, und dann hat jede KSrperh~lfte ihre eigene, vasomotorische Innervation, vollst~ndig isoliert v o n d e r anderen H~lfte. Diese Folgerung ist natiirlich vSllig apriorlsch, aber sie ergibt sieh logiseherweise aus der Analyse der von uns. beobachteten Erscheinungen und versehafft unserer Meinung nach diesem Ph~nomen ein ausschliel~liches Interesse. Merkmale yon Fri~bgeburten sind zur Geniige besehrieben worden, und das unsrige wird wohl kaum yon praktlseher Bedeutung sein, aber gerade in Anbetraeht dessen, da~ es auf die noeh nirgends vermerkte Tatsache einer Teilung des vasomotorischen Zentrums in zwei Teile hhlweist, ist es unseres Dafiirhaltens yon gr613ter Wichtigkeit. Dafiir, dab wir as in unseren ~hllen mit Prozessen yon unvollendeter Entwicklung zu tun haben, sprieht erstens der Umstand, dab das yon uns besehriebene Ph~nomen aussehliel~lich bei Frfihgeburt~n zu beobaehten war, zweitens, dab einige yon diesen Kindern andere Entwieklungsanomalien aufzuweisen hatten, von denen wir schon gesprochen haben, und endlieh, dab bei den am Leben gebllebenen Kindern dieses Ph~nomen allm~hlieh in einem gewissen Alter verschwand und die Kinder sieh vSllig normal welter entwickelten. Wir zweifeln durchaus nicht daran, dab die yon uns wahrgenommene Erseheinung gar nieht so selten vorkommt und jedenfalls viel h~ufiger, als es uns anfangs schien. Der erste Fall wurde von uns als eine Art Unikum demonstriert, indessen neuerdings, als wir sorgfs zu suchen begannen, erreichte die Zahl unserer Beobaehtungen 20. In Anbetracht der groflen theoretisehen Wichtigkeit der Frage halten wir eine Nachpriifung unserer Beobachtungen durch andere P~diater fiir auBerordentlich wiinsehenswert. Wir sind uns vSllig bewuBt, dab das Fehlen einer sorgf~ltigen Ausarbeitung des mikroskopischen Hirnbildes in zur Sektion gelangten F~llen als grol~er Mangel unseres Beriehtes anzusehen ist. Leider w~re dazu eine ungeheure Arbeit erforderlich, die Hoffnung aber auf einen Erfolg dieser Arbeit ist nur sehr gering, da die dem Ph~nomen zugrunde liegenden Abweichungen alIer Wahrscheinlichkeit naeh nur funktionellen Zeltschrift ftir Kinderheilkundr
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L.O. Finkelstein und R. A. Wilfand : Ein neues Merkmal yon Friihgeburt.
Charakters sind. Dieser U m s t a n d war auch die Ursache, dab die Laboratorien, an die w i r uns u m Hilfe wandten, nicht d a r a u f eingingen, diese Aufgabe zu erffillen, und so bleiben denn die jetzt aufbewahrten Pr~parate unausgenutzt. Krau.s h~lt in seiner letzten Monographie fiber die Krankheiten des Herzens und Gei~13systems (erschienen 1926), in der er auf eigene Arbei~en und ebenfalls auf die E x p e r i m e n t e yon Dresel, Levy u.a. Bezug nimrod, ffir gesiehert, dab das vasomotorische Zentrum sich in den groBen Ganglien des Gehirns befindet (Corpus striatum). I)a diese Ganglien paarig sind, so hat m a n folglich Grund anzunehmen, dai~ das vasomotorische Zentrum ein doppeltes is~. Somit b e k o m m t das, was wir schon vor 4 J a h r e n auf Grund kliniseher Beobachtungen behaupteten, jetzt eine feste Best~tigung yon .seiten des Experiments. Kiew, Piatakowa 34/3.