HMD (2018) 55:9–24 https://doi.org/10.1365/s40702-017-0389-z EINFÜHRUNG
Enterprise Systems als Basis der Unternehmens-Digitalisierung Christian Leyh · Tina Wendt
Eingegangen: 19. November 2017 / Angenommen: 15. Dezember 2017 / Online publiziert: 3. Januar 2018 © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2018
Zusammenfassung Weltweite digitale Vernetzung, Automatisierung einzelner oder gar aller Geschäftsprozesse und die Umstrukturierung bestehender Geschäftsmodelle sind nur einige wenige Auswirkungen, die im Zusammenhang mit der Digitalisierung zu bewältigen sind. Die Veränderungen, denen sich die Unternehmen stellen müssen, sind enorm und nicht mehr alleine auf Branchen beschränkt, die durch ihre Produkte oder Dienstleistungen auf moderne Technik angewiesen sind. Diese Veränderungen sind vielfältig und betreffen auch in großen Teilen die Anwendungssystemlandschaft der Unternehmen – angefangen bei dem Einsatz von Anwendungssystemen (z. B. Enterprise Resource Planning (ERP)-Systeme) zur (ganzheitlichen) Unterstützung und Planung von betriebswirtschaftlichen Abläufen im Unternehmen, über die Einbindung moderner Konzepte/Technologien (wie z. B. in Memory Computing, Augmented Reality oder 3D-Druck), bis zur Vernetzung der klassischen horizontalen Wertschöpfungskette hin zu komplexen Wertschöpfungsnetzwerken. Mit dieser drastisch zunehmenden Digitalisierung des Unternehmensalltags und der Gesellschaft an sich sind wesentlich höhere Anforderungen an Informationssysteme und ein stetig wachsender Bedarf an Rechenleistungen und Speicherkapazitäten verbunden. Dabei erfordert die Digitalisierung, dass Daten, Prozesse und die Kommunikation ohne örtliche und zeitliche Begrenzung verfügbar sind. Kunden erwarten von Unternehmen zusätzliche Funktionalitäten (z. B. Echtzeit-Sendungsverfolgung), die ohne digitale Prozessunterstützung unmöglich sind. Hier zeigt sich eine Abkehr von ganzheitlichen Ansätzen. Anwenderunternehmen unterstützen jetzt wieder vermehrt einzelne Bereiche durch separate, stark bereichs- oder aufgabenspezifische Systeme. Daraus resultieren heute wieder, trotz vieler Konsolidierungsanstrengungen in der Vergangenheit, heterogene und komplexe Softwarelandschaften aus verschiedenen C. Leyh () · T. Wendt Lehrstuhl für Wirtschaftsinformatik, insb. Informationssysteme in Industrie und Handel, Technische Universität Dresden, Helmholtzstr. 10, 01069 Dresden, Deutschland E-Mail:
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Unternehmenssoftwarearten und -bausteinen. Somit besteht ein hoher Bedarf an zukunfts- und wandlungsfähige Unternehmenssoftware. Dies gilt vor allem für ERPSysteme, die als unternehmensweite Anwendungssysteme mittlerweile in zahlreichen Unternehmen in die betrieblichen Prozesse eingebunden sind und somit auch weiterhin den Grundstein der unternehmensweiten Anwendungssystemlandschaft bilden und bilden werden. Schlüsselwörter Enterprise Systems · ERP-Systeme · Digitalisierung · Anwendungssysteme · IT-Infrastruktur
Enterprise Systems – A Cornerstone for the Digitalization of Enterprises Abstract Worldwide digital networking, automation of individual or even all business processes and the restructuring of existing business models are just a few effects caused by the digitalization. The changes that companies have to face are enormous and are no longer limited to industries that rely on modern technology for their products or services. These changes are manifold and also affect the enterprise system landscape of companies to a large extent – starting with the use of business application systems (e. g., enterprise resource planning (ERP) systems) for supporting and planning of business processes in companies, including the integration of modern concepts/technologies (e. g., in memory computing, augmented reality or 3D printing) up to the change of the classical horizontal value chain towards complex value networks. Due to the dramatically increasing digitalization of everyday business and society itself, much higher demands result for information system landscapes as well as for computing and storage capacities. Digitalization requires that data, processes and communication are available without local and temporal limitations. Customers expect additional functionality from enterprises (such as real-time shipment tracking) that is impossible without digital process support. Therefrom results a renunciation from holistic approaches. Nowadays, companies again are increasingly supporting individual business areas and departments with separate, strongly area- or task-specific enterprise systems. Despite many consolidation efforts in the past, heterogeneous and complex software landscapes consisting of various types of enterprise software are now once again increasing. Therefore, there is a high demand for future-oriented and versatile business software. This applies in particular to ERP systems which as enterprise-wide application systems are meanwhile integrated into the operational processes of numerous companies and thus continue to form a cornerstone of the enterprise-wide information system landscape. Keywords Enterprise systems · ERP systems · Digitalization · Digital transformation · IT-infrastructure
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1 Digitalisierung vs. Enterprise Systems Von dem starken und vor allem schnellen Voranschreiten der Digitalisierung der alltäglichen Lebensbereiche bleibt auch die Arbeits- und Geschäftswelt nicht unbeeinflusst. Technologien wie Cloud Computing, die zunehmende Automatisierung, z. B. unter dem Schlagwort Industrie 4.0, oder der Einsatz mobiler Endgeräte sind nur einige Beispiele der Digitalisierung, die den Unternehmen völlig neue Möglichkeiten im Geschäftsalltag eröffnen. Dabei sehen sich Unternehmen aktuell mit Fragestellungen konfrontiert, wie und in welchem Umfang die Digitalisierung das Unternehmen an sich beeinflusst und verändert. Weltweite digitale Vernetzung, Automatisierung einzelner oder gar aller Geschäftsprozesse und die Umstrukturierung bestehender Geschäftsmodelle sind nur einige wenige Auswirkungen, die dabei in diesem Zusammenhang zu nennen sind. Die Veränderungen, denen sich die Unternehmen stellen müssen, sind enorm und nicht mehr alleine auf Branchen beschränkt, die durch ihre Produkte oder Dienstleistungen auf moderne Technik angewiesen sind (Bley et al. 2016; Mathrani et al. 2013; Schäffer und Leyh 2017). Die Bereiche dieser Veränderungen sind vielfältig und betreffen in großen Teilen die Anwendungssystemlandschaft der Unternehmen. Angefangen bei dem Einsatz von Enterprise Resource Planning (ERP) Systemen zur ganzheitlichen Unterstützung und Planung von betriebswirtschaftlichen Abläufen im Unternehmen, über die Erhöhung der Präzision von Fertigungstechniken mit Hilfe von Computer-Aided-Design (CAD)-, Computerized-Numerical-Control (CNC)- und Computer-Aided-Manufacturing (CAM)-Programmen bis hin zur zunehmenden Vernetzung der klassischen horizontalen Wertschöpfungskette hin zu einem komplexen Wertschöpfungsnetzwerk (BDI und Berger 2015). Diese Netzwerke und die Nutzung von passfähigen Anwendungssystemen/Enterprise Systems sind Grundlagen für ein Unternehmen, das sich im Rahmen der Digitalisierung bspw. mit Blickpunkt Industrie 4.0 ausrichtet (Mathrani et al. 2013; Schlick et al. 2014). Um sich dieser Entwicklung stellen zu können, ist der Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnik unabdingbar. Jedoch fehlt an diesem Punkt vielen Unternehmen ein tiefgreifendes Verständnis wie sich ihre Anwendungssystemlandschaft mit Blick auf die Digitalisierung gestalten sollte und welche Enterprise Systems in welchem Umfang notwendig sind. Mehrere Autoren haben dieses Problem in den vergangenen Jahren aufgegriffen und diesbezüglich verschiedene Studien durchgeführt (siehe z. B. Berghaus et al. 2016; BDI und Berger 2015; Bley et al. 2016; DIHK 2014; Kane et al. 2015; Leyh und Bley 2016; Yoo et al. 2010). In diesen Studien gehen die Autoren vor allem darauf, welche Enterprise Systems/ Anwendungssysteme in den Unternehmen (teilweise auch mit starkem Fokus auf kleine und mittlere Unternehmen [KMU]) im Einsatz sind und wie die IT-Infrastruktur der Unternehmen im Allgemeinen ausgestaltet ist. Dabei lassen sich die Haupterkenntnisse der Studien wie folgt zusammenfassen: ●
Ein grundsätzliches Verständnis bezüglich der Wichtigkeit und der Bedeutsamkeit des Themenfelds Digitalisierung ist bei den meisten Unternehmen vorhanden. Jedoch fehlt oftmals an tieferen Kenntnissen bezogen auf die konkreten Herausforderungen und Effekte der Digitalisierung.
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Die Vorteile und Möglichkeiten der Digitalisierung werden von vielen Unternehmen realisiert, wohingegen konkrete Veränderungen (gerade mit Blick auf die Anwendungssystemlandschaft) zur Erreichung dieser Vorteile oftmals noch nicht angestoßen werden. Vor allem KMU unterschätzen häufig noch die Möglichkeiten und Chancen, die die Digitalisierung bieten kann. KMU fehlt es zumeist an „Mut“, um weitreichende Veränderungen in ihren Wertschöpfungsketten oder Geschäftsmodellen umzusetzen – doch gerade KMU hätten diesbezüglich durch ihre höhere Flexibilität und meist flache Hierarchien deutliche Vorteile gegenüber Großunternehmen und könnten diese notwendigen Veränderungen durchaus „leichter und einfacher“ umsetzen. Den Unternehmen (und auch den KMU) ist bewusst, dass eine passende IT- und Anwendungssystemlandschaft eine wichtige und zwingende Voraussetzung für das Gelingen der Digitalen Transformation darstellt. Vor allem KMU überschätzen sich jedoch oftmals, was den Einsatz von Enterprise Systems und auch was ihren eigenen Digitalisierungsgrad betrifft. Viele KMU sind daher objektiv betrachtet noch nicht bereit bzw. passend aufgestellt, um sich den aktuellen und zukünftigen Herausforderungen der Digitalisierung zu stellen.
2 Enterprise Resource Planning (ERP) Systeme – das Rückgrat einer unternehmensweiten Anwendungssystemlandschaft Enterprise Resource Planning (ERP) Systeme sind aus dem Alltag privatwirtschaftlicher Unternehmen nicht mehr wegzudenken. Im Vordergrund stehen dabei abteilungs- und funktionsübergreifende Zusammenhänge, die als Folge komplexer Geschäftsprozesse Berücksichtigung finden müssen (Kurbel 2016). Nicht nur mit Blick auf die Herausforderungen der Digitalisierung ist der Einsatz von ERP-Systemen, die als standardisierte Systeme die gesamten unternehmerischen Aktivitäten und Geschäftsprozesse unterstützen können, zu einem wichtigen Bestandteil der Unternehmen geworden. Gründe für die hohe Nachfrage nach ERP-Systemen liegen u. a. im Wettbewerbsdruck, der teilweise eine erhebliche Senkung der Produktionskosten erfordert, in den Erwartungen von Umsatz- und Gewinnsteigerungen von Seiten verschiedenster Stakeholder sowie in der Notwendigkeit das Unternehmen den Herausforderungen des Marktes anzupassen. Diesbezüglich bietet ein passend ausgewähltes und richtig implementiertes ERP-System zahlreiche Vorteile, wie beispielsweise die Reduktion von Material- und somit von Lagerkosten, schnellere Durchlaufzeiten von Kundenaufträgen sowie die Reduktion von Produktionszeiten und -kosten (Grabski und Leech 2007). Dabei standen ERP-Hersteller nach Jahrzehnten der Einführung von MRP Iund MRP II-Systemen sowie deren „Nachfolgern“, den ERP-Systemen, bereits zur Jahrtausendwende dem Problem der Sättigung des ERP-Marktes gegenüber. Somit waren sie dazu angehalten, neue Geschäftsfelder zu identifizieren. Daher konzentrieren sich ERP-Hersteller heute auf den stetig wachsenden Markt im Bereich der KMU. Daraus resultiert ein sehr stark fragmentierter ERP-Markt mit einer Vielzahl von ERP-Systemen für nahezu jede Branche und jegliche Unternehmensgröße ver-
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treten durch zahlreiche Hersteller und Vertriebspartner mit den unterschiedlichsten Technologien und Entwicklungsphilosophien (Deep et al. 2008; Leyh 2012). Genaue Zahlen über die sich am Markt befindlichen Anbieter lassen sich aufgrund hoher Fluktuation (Markteintritt neuer Anbieter, Fusion verschiedener Anbieter, etc.) nur schwer benennen. Hier werden je nach Einbezug von Branchenlösungen einzelner Anbieter zwischen ca. 300 und 600 aktive ERP-Anbieter am deutschen ERP-Markt genannt (siehe z. B. Gronau 2009). Diese Vielzahl von Herstellern, Vertriebspartnern und Systemen macht es für Unternehmen, die ERP-Systeme einsetzen wollen, erforderlich, sich zu bemühen, das „richtige“ System zu finden sowie sich der Faktoren bewusst zu sein, die eine erfolgreiche ERP-Einführung beeinflussen. Aber nicht nur die Sättigung des ERP-Marktes im Bereich der Großunternehmen ermutigte die Hersteller zum Expandieren auf den Markt der Mittelständler. In den 1990er-Jahren waren die für KMU entwickelten Lösungen nur bedingt skalierbar, was bei starkem Wachstum eines Unternehmens eine große Restriktion darstellte. Unter anderem durch verschiedene technologische Entwicklungen Ende des Jahrtausends – wie beispielsweise immer leistungsfähigere aber auch gleichzeitig immer günstiger werdende Server und Datenbankmanagementsysteme – wurde eine hohe Skalierbarkeit auch für den Mittelstand realisierbar, was wiederum zum Abbau von Widerständen und Bedenken gegen ERP-Systeme auf Seiten der KMU führte (Deep et al. 2008; Weisbecker 2012). 2.1 Begriffsklärung
Die Definition von ERP-Systemen erfolgt vorrangig über den Funktionsumfang und den Begriff Ressource (Gronau 2014). Dabei entwickelte sich der ERP-Begriff anfänglich aus dem sogenannten Material Requirement Planning (MRP), das sich als planerisches Konzept für die Bedarfsplanung via Stücklistenauflösung verstand. Zu den Funktionen zählten unter anderem schnelle Verfahren der Stücklistenauflösung sowie die Primärbedarfsermittlung, die im Zuge der Weiterentwicklung des Systems zum Manufacturing Resource Planning (MRP II) um die Funktionen der Terminund Kapazitätsplanung erweitert wurden (Wight 1996). Der sich bis heute durchgesetzte Begriff des ERP-Systems integrierte letztlich die gesamten notwendigen Ressourcen der Geschäftstätigkeit eines Unternehmens (Kurbel 2016). Zusammengefasst handelt es sich bei ERP-Systemen um unternehmensweite, modular aufgebaute Anwendungssysteme, die auf einer zentralen Datenbasis basieren, eine einheitliche Benutzeroberfläche aufweisen und der Optimierung der Geschäftsprozesse dienen. Gemäß der Definition von Gronau (2014) „umfass[en] [ERP-Systeme] somit die Verwaltung aller zur Durchführung der Geschäftsprozesse notwendigen Informationen über die Ressourcen Material, Personal, Kapazitäten [...], Finanzen und Information“ (Gronau 2014, S. 8). Ein charakteristisches Merkmal von ERP-Systemen ist der Integrationsgrad, der sich von der betrieblichen Datenverarbeitung in einzelnen Informationssystemen unterscheidet (Gronau 2014; Kurbel 2016). Im Folgenden wird deshalb kurz auf den Begriff der Integration eingegangen. Mertens (2007) differenziert den Integrationsbegriff in vier Formen: Reichweite, Richtung, Gegenstand und Umfang. Die Integrationsreichweite kann sich dabei von bereichsbezogen und innerbetrieblich
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bis funktionsübergreifend und zwischenbetrieblich erstrecken. Sie ist umso größer, je mehr Informationssysteme auf dieselbe Datenbasis zugreifen. Die Integrationsrichtung wird in horizontal und vertikal unterschieden. Es handelt sich um eine horizontale Integration, wenn im Anwendungssystem funktionsübergreifende Abläufe entlang der Wertschöpfungskette abgebildet werden. Eine vertikale Integration liegt vor, wenn die Kombination von Administrations- bzw. Dispositionssystemen mit Planungs- und Kontrollsystemen stattfindet (Mertens 2007). Zum Integrationsgegenstand zählen unterschiedliche Programme, Funktionen, Daten, Methoden, Prozesse und Vorgänge, die in einem Anwendungssystem jeweils zusammengeführt, aufeinander abgestimmt und weiterverarbeitet werden (Mertens 2007). Mit dem Integrationsumfang wird letztlich der Automatisierungsgrad beschrieben, der sich entweder partiell auf verschiedene Unternehmensbereiche bezieht oder vollständig im Sinne einer Zusammenfassung von Einzelsystemen, sogenannten Insellösungen, in einem ERP-System erfolgt (Gronau 2014). Letzteres stellt dabei den Idealfall dar, da die Integration verschiedener Funktionsbereiche zu einem ganzheitlichen unternehmensweiten Anwendungssystem, dessen Grundlage eine gemeinsame Datenbasis ist, die Problematik von Insellösungen entschärft. Die oft historisch gewachsenen Insellösungen gestalten sich in mehrfacher Hinsicht problematisch. So werden bei nicht-integrierten Einzelsystemen Daten mehrfach gespeichert und damit mehrfach verwaltet. Die Folgen sind voneinander abweichende Informationsstände, sodass gleiche Daten je nach System unterschiedliche Informationen beinhalten. Zudem können Fehler in der Verknüpfung von Datenbanken auftreten, die den Abruf von Informationen erschweren. Zusammengefasst zählen zu den Problemen der Insellösungen die Redundanz und der daraus resultierende Mehraufwand, die Inkonsistenz und die mangelnde Integrität der Daten (Kurbel 2016). Laut Kurbel (2005) existieren zwei Möglichkeiten ein integriertes Informationssystem zu realisieren. Einerseits kann versucht werden, bereits bestehende Systeme zu integrieren, andererseits können integrierte Informationssysteme neu entwickelt oder beschafft werden. Der erste Ansatz eignet sich insbesondere dann, wenn sich im Laufe der Unternehmensentwicklung unterschiedliche Anwendungssysteme über die Geschäftsbereiche etablierten. Um die damit verbundenen Schwierigkeiten der Integration zu bewältigen, entwickelte sich in der Wirtschaftsinformatik das Gebiet der Enterprise Application Integration (Kurbel 2005). Dabei steht die Integration von Altsystemen im Mittelpunkt der Beobachtung, die aufgrund veralteter Technologien, fehlender Dokumentationen und dem daraus resultierenden Arbeitsaufwand eine große Herausforderung für Unternehmen darstellt (siehe auch Schmidt und Bär 2014; Wachter und Zaelke 2014). In den meisten Fällen wird diese Problematik mit Integrationsplattformen gelöst bzw. entschärft, indem die Altsysteme mit Schnittstellen versehen werden. Bei der Neuentwicklung oder -beschaffung handelt es sich dagegen um eine in den meisten Fällen von Softwareanbietern entwickelte Standardsoftware, die zur Abbildung unternehmensweiter Prozesse entwickelt wurde und alle bedeutenden Funktionsbereiche der operativen bis strategischen Unternehmensebene eingliedert. Diese sind modular aufgebaut, sodass die sukzessive Einführung von Systemkomponenten bzw. mehreren betrieblichen Funktionsbereichen ebenfalls möglich ist (Kurbel 2005).
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Um die Standardsoftware an die individuellen Unternehmensprozesse anzupassen und das Unternehmen im ERP-System abzubilden, wird sich des Customizings bedient. Entscheidend ist dabei die Aufbauorganisation des Unternehmens, da die Nutzung einzelner Funktionalitäten des Systems von den Organisationseinheiten abhängt. Damit die Unternehmensorganisation mit der Terminologie des ERP-Systems abgebildet werden kann, wird eine definierte Organisationsstruktur des Unternehmens vorausgesetzt. Entsprechend der Organisationsstruktur wird sich im System unterschiedlicher Organisationselemente bedient, die zweckorientiert gestaltet sind und sich je nach Abteilung unterscheiden. Die Bewältigung dieser Aufgabe ist aufgrund ihrer Komplexität und Nachhaltigkeit jedoch mit hohem Aufwand verbunden, den es zu berücksichtigen gilt (Kurbel 2016). 2.2 Aufbau und Funktionsumfang – Wrap Up
Grundsätzlich sind ERP-Systeme durch einen mehrschichtigen Aufbau gekennzeichnet (siehe Abb. 1). Das Basiselement bildet die Datenhaltungsschicht, in der mit Hilfe von Schnittstellen zu Datenbankmanagementsystemen und anderen Datenbanken der Datenzugriff ermöglicht wird. In der Applikationsschicht befindet sich die Programmierumgebung, innerhalb der Ergänzungen oder Erweiterungen der Programmiersprache vorgenommen, sowie andere Programme oder Programmbausteine im Rahmen anderer Datenbankschnittstellen aufgerufen werden können. Darüber hinaus besteht sie aus einem datenbankabhängigen und einem datenbankunabhängigen Teil, wobei der unabhängige Teil in Verbindung mit dem Applikationskern steht. Die darauf aufbauende Adaptionsschicht erlaubt mittels Customizing, Parametrisierungsfunk-
Abb. 1 Aufbau von ERP-Systemen (in Anlehnung an Gronau 2014)
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Abb. 2 Funktionsumfang von ERP-Systemen (in Anlehnung an Davenport 1998)
tionen und Integrationselementen Systemfunktionen individuell abzustimmen und anzupassen. Schließlich bildet die Benutzungsschicht die Benutzeroberfläche und den Web-Client, wobei die Benutzeroberfläche auch als Web-Client ausgestaltet sein kann (Gronau 2014). Mit Blick auf die Aufgabenverteilung zwischen ERP-Systemen und weiteren betrieblichen Informationssystemen, wie beispielsweise Lagerverwaltungssystemen oder Systemen zur Steuerung des Customer Relationship Managements, zeigt sich, dass ERP-Systeme aufgrund der Stammdatenverwaltung der Ressourcen die zentrale Position einnehmen und Schnittstellen zu den einzelnen Komponenten aufweisen. Die Komponenten können je nach Hersteller, Anwender und dessen Branche eigenständige Pakete oder im ERP-System integrierte Funktionalitäten sein (Gronau 2014; Kurbel 2016). Angelehnt an Kurbel (2016) und an (Davenport 1998) werden als gängige Funktionskreise (siehe Abb. 2) von ERP-Systemen unter anderem die Punkte ● ● ● ● ● ● ● ● ●
Logistik, Qualitätssicherung, Produktionsplanung und -steuerung, Material- und Lagerwirtschaft, Einkauf/Beschaffung, Vertrieb und Marketing, Personal, Finanzbuchhaltung und Controlling
genannt, wobei die Begriffe in ihrer Bezeichnung variieren können. So werden dem Bereich Logistik unter dem ersten Aufzählungspunkt auch Begriffe wie Operations oder Ressourcenmanagement zugeordnet.
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Welche Funktionalitäten letztlich vom ERP-System abgebildet werden ist unterschiedlich und hängt maßgeblich von der Historie des Systems und dessen Zielgruppe ab. Im Allgemeinen zeichnen sich ERP-Systeme für kleinere und mittlere Unternehmen sowohl in ihrer allgemeinen Funktionalität als auch in ihrer Umsetzung von Topmanagement-Funktionen durch einen geringeren Funktionsumfang aus, als ERP-Systeme für große Unternehmen. Aufgrund der Vielzahl an Unternehmen, die sich neben ihrer Größe auch in ihrer Branche unterscheiden, kann es kein einzelnes ERP-System geben, dass die Anforderungen aller Industriebetriebe, des Handels und der Dienstleistungsunternehmen optimal erfüllt (Kurbel 2016). 2.3 Erfolgsfaktoren und Vorgehen bei der ERP-System-Implementierung
Die Implementierung eines ERP-Systems stellt dabei ein komplexes und zeitintensives Projekt dar, welches den Unternehmen große Möglichkeiten eröffnet, diese aber gleichzeitig mit enormen Risiken konfrontiert. Um von den Vorteilen zu profitieren anstatt von den Risiken „verschlungen“ zu werden, ist es zwingend erforderlich, sich genau auf die Faktoren zu fokussieren, die zur einer erfolgreichen Einführung eines ERP-Systems beitragen (Jones et al. 2006). Über die Jahre hat sich am Beispiel vieler Negativ-Szenarien gezeigt, wie problematisch und risikoreich sich eine ERP-Einführung oder ERP-Anpassung auf ein Unternehmen auswirken kann. Fehler bei der Einführung, falsche Vorgehensweisen, ERP-Systeme, die den Anforderungen des Unternehmens nicht gerecht werden, etc. – all das kann erheblichen negativen Einfluss auf die Geschäftstätigkeit des Unternehmens haben. Beispiele hierfür lassen sich zahlreich in der Literatur finden. Bei Volkswagen und Whirlpool traten durch die Einführung von ERP-Systemen erhebliche Lieferverzögerungen auf. Hershey Foods musste einen 19-prozentigen UmsatzRückgang verzeichnen, nachdem durch eine ERP-Implementation der Vertrieb des Unternehmens zeitweise „ins Chaos stürzte“. Das Pharmazieunternehmen FoxMeyer Drugs musste aufgrund einer nicht erfolgreichen ERP-Implementierung sogar Insolvenz anmelden. Dies sind nur einige ausgewählte Beispiele, die jedoch zeigen, wie ERP-Einführungen scheitern oder dramatisch verlaufen. Die Folge davon sind oft große Zeit- und Budgetüberschreitungen (Hsu et al. 2006). Diese Beispiele verdeutlichen, dass ein ERP-System erhebliche Auswirkungen auf ein Unternehmen haben kann. Verschiedene Studien haben gezeigt, dass die Beachtung dieser sogenannten „kritischen Erfolgsfaktoren“ (CSF) einen positiven Einfluss auf den Erfolg der ERPEinführung und auf die anschließende Nutzung haben kann und die Projektrisiken effektiv minimiert werden (Jones et al. 2006). Daher sollten Unternehmen zwingend diese Faktoren bei jedem Software-Projekt einbeziehen, wann immer Systeme eingeführt bzw. bestehende Systeme angepasst oder ersetzt werden. Relativ viele Forscher haben sich bereits mit Erfolgsfaktoren im ERP-Umfeld befasst (z. B. Finney und Corbett 2007; Nah und Delgado 2006; Umble et al. 2003). Eine der umfassendsten Darstellungen und Analyse von Erfolgsfaktoren im Rahmen von ERPEinführungen bieten Leyh und Sander (2015). Dabei wurden 320 relevante Artikel identifiziert, aus denen sich 31 kritische Erfolgsfaktoren ableiten ließen. Es zeigt sich, dass die Faktoren Unterstützung durch die Geschäftsführung, Projektmanage-
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Abb. 3 Kritische Erfolgsfaktoren von ERP-Projekten – Rangfolge auf Basis der Nennung in den analysierten Artikeln (Leyh und Sander 2015)
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ment und Anwenderschulungen die drei meist genannten Erfolgsfaktoren darstellen, jeder dieser Faktoren mit Nennungen in mehr als 160 Artikeln. Auch wird deutlich, dass Unterstützung durch die Geschäftsführung der weit wichtigste Faktor ist mit Nennung in mehr als 200 Artikeln (siehe Abb. 3). Dies aufgreifend wurde unter Einbeziehung weiterer Studien ein Vorgehensmodell entwickelt, welches diese Faktoren (mit spezieller Ausrichtung auf KMU) einbezieht und es werden konkrete Vorschläge zur Ausgestaltung der einzelnen Projektphasen unter Beachtung der Erfolgsfaktoren gegeben. Dabei wurde vor allem die Phase der Softwareauswahl, die in den meisten Vorgehensmodellen vorgelagert betrachtet wird und nicht eigentlicher Bestandteil der Modelle ist, in den Modellvorschlag einbezogen (siehe Leyh 2015). Dabei sind den fünf Phasen des Modells (siehe Abb. 4) die in der jeweiligen Phase zum Tragen kommenden Erfolgsfaktoren zugeordnet. Die Faktoren der Unterstützung durch die Geschäftsführung sowie der Kommunikation der Projektziele und Projekt(teil)ergebnisse werden dabei über alle Phasen hinweg als bedeutsam angesehen, wobei auch hier pro Phase verschiedene Intensitätsabstufungen vorgenommen werden müssen. Beispielsweise ist es nicht förderlich, dass ein Geschäftsführer sich zu detailliert in die Planungen oder die konkrete Umsetzung einmischt. Dies wurde auch in den Interviews von mehreren Interviewpartnern bestätigt. Ausnahme bilden hier die Unternehmen, in denen der Geschäftsführer die Projektleitung übernimmt und so direkt in das Projekt involviert ist. Des Weiteren zeigt sich an diesem Modell, dass vor der Systemauswahl eine Ist-Analyse der aktuellen Situation und Gegebenheiten vorgenommen werden sollte, um daraus ein Sollkonzept und im Idealfall ein Lastenheft abzuleiten, als spätere Basis für ein Pflichtenheft. Für eine genauere Erläuterung der Phasen und der Ausgestaltung des Modells sei an dieser Stelle auf Leyh (2015) verwiesen.
3 Perspektiven und zukünftige Entwicklungen Lange betrafen derartig starke Veränderungen, die mit der Unternehmens-Digitalisierung einhergehen, vornehmlich Großunternehmen, vor allem weil die Implementierung damit verbundener „Trendthemen“ wie Industrie 4.0, Big Data oder Cloud Computing von kleinen und mittleren Unternehmen oft als zu komplex und teuer angesehen und teilweise auch als nicht relevant eingestuft wurde. Allerdings bleibt die Digitalisierung mittlerweile nicht mehr auf Großunternehmen beschränkt und betrifft auch nicht nur einzelne Funktionsbereiche wie die IT innerhalb der Unternehmen, sondern zieht sich vielmehr durch die gesamte Wertschöpfungskette der Unternehmen. Die Vorteile liegen auch für KMU in einem profitablen Wachstum durch neue Produkte, Dienstleistungen und Geschäftsmodelle. Diese Vorteile realisierend, öffnen sich auch vermehrt KMU der Digitalisierung und versuchen, ihre Geschäftsprozesse und Geschäftsmodelle in Richtung Digitalisierung umzugestalten (BDI und Berger 2015; Wirtschaftsrat der CDU 2014). Dass die zunehmende digitale Transformation des Geschäftsalltages neben diesen Chancen auch Risiken für bestehende Geschäftsmodelle birgt, liegt nahe. So bedeuten solch tiefgreifende Veränderungen der Unternehmensstruktur Investitio-
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Abb. 4 Vorgehensmodell zur Auswahl und Einführung von ERP-Systemen in KMU (Leyh 2015)
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nen sowie temporäre Ausfälle einzelner Unternehmensbereiche bei der Umrüstung, die neben dem Alltagsgeschäft getragen werden müssen. Deren Realisierung scheint jedoch in Anbetracht der zunehmenden nationalen und internationalen Konkurrenz unumgänglich. Heute schon müssen sich beispielsweise die kleinen und mittleren Industrieunternehmen vor allem dem Umgang mit neuen Informations- und Kommunikationstechniken (IKT) zur Abwicklung von Produktions- und Geschäftsprozessen stellen (Rauh und Seynstahl 2012). E-Mail und das Internet als Hauptkommunikationsmittel nehmen stetig an Bedeutung zu, computergestützte Programme präzisieren die Fertigung und Managementsysteme unterstützen das operative Tagesgeschäft. Insgesamt verschwimmt im Zuge der zunehmenden Digitalisierung der Unternehmen die Abgrenzung wertschöpfender und unterstützender Prozesse immer weiter, wodurch eine Transformation von ursprünglich nachgelagerten Prozessen zu einem ganzheitlichen Wertschöpfungsnetzwerk erfolgt (BDI und Berger 2015), was wiederum eine effektive Steuerung und Koordination der innerbetrieblichen aber auch der überbetrieblichen Geschäftsprozesse und -abläufe erfordert. Hierfür ist und bleibt der Einsatz von adäquaten Anwendungssystemen zwingend. Hinzu kommt, dass die Informations- und Kommunikationstechnologie nicht nur derzeit sondern bereits seit mehr als einem Jahrzehnt einem raschen Wandel unterliegt und dabei enormen Einfluss auf nahezu jeden Lebensbereich hat. Unternehmen, Organisationen und auch Privatpersonen verlagern ihre Aktivitäten zunehmend in die digitale Welt. Beispielsweise nutzen Industrie- und Handelsunternehmen vermehrt die Potenziale des E-Commerce, Behörden und öffentliche Einrichtungen reduzieren den Verwaltungsaufwand durch E-Government, soziale Interaktionen finden vermehrt in virtuellen Netzwerken statt, und ein Großteil des weltweiten Finanzverkehrs wäre ohne den Einsatz von IKT quasi nicht mehr denkbar. Mit dieser drastisch zunehmenden Digitalisierung des Unternehmensalltags und der Gesellschaft an sich sind auch wesentlich höhere Anforderungen an Enterprise Systems und ein stetig wachsender Bedarf an Rechenleistungen und Speicherkapazitäten verbunden, wobei diese Systeme in der Lage sein müssen, sich an die laufenden Veränderungen anzupassen. Somit besteht ein hoher Bedarf an zukunfts- und wandlungsfähige Unternehmenssoftware. Dies gilt vor allem auch für ERP-Systeme, die als unternehmensweite Anwendungssysteme mittlerweile in zahlreichen Unternehmen in die betrieblichen Prozesse eingebunden sind und somit auch weiterhin den Grundstein der unternehmensweiten Anwendungssystemlandschaft bilden. Auch zu nennen wäre beispielsweise die zunehmende Konsumerisierung im ITBereich, das auch die BYOD-Thematik („Bring Your Own Device“) mit einschließt. Die IT-Konsumerisierung führt dazu, dass Mitarbeiter immer häufiger den Wunsch äußern, dieselben (mobilen) Endgeräte sowohl für den privaten als auch für den beruflichen Zweck nutzen zu können. Ähnliches gilt für Software, Dienste und Anwendungen: Mitarbeiter kommen zunächst im privaten Umfeld mit innovativen Anwendungen (z. B. Dropbox) in Kontakt, die in der Regel durch hohe Bedienfreundlichkeit und neue Anwendungsmöglichkeiten hervorstechen. Entsprechend hoch wird die Erwartungshaltung der Mitarbeiter an die vom Unternehmen zur Verfügung gestellte IT- und Softwareinfrastruktur (Hentschel und Leyh 2016). Des Weiteren ist in diesem Zusammenhang auch die Neugestaltung des Arbeitsplatzes hin zum digitalen Arbeitsplatz/digital Workplace zu adressieren, da dies momentan
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ein bedeutendes Handlungsfeld für Unternehmen darstellt (Günther 2017). Gerade da die Digitalisierung des Arbeitsplatzes stetig voranschreitet und somit ein Thema in fast allen Unternehmen ist, sind Unternehmen teilweise gezwungen, ihre Arbeitsweise zu verändern bzw. zumindest zu überdenken. Diesbezüglich sind Selbstorganisation, Fokussierung, Dynamik, Vernetzung und Vertrauen zu beachtende und zu adressierende Punkte, welche eng mit der Entwicklung hin zum digitalen Arbeitsplatz verknüpft sind. Im Fokus dieser Entwicklung müssen Unternehmen und auch Mitarbeiter zunehmend agiler werden bzw. es sollten entsprechend agile Methoden und Ansätze im Unternehmen implementiert werden (Lindner et al. 2017). Dabei erfordert die Digitalisierung, dass Daten, Prozesse und die Kommunikation ohne örtliche und zeitliche Begrenzung verfügbar sind. Kunden erwarten von Unternehmen zusätzliche Funktionalitäten (z. B. Echtzeit-Sendungsverfolgung), die ohne digitale Prozessunterstützung unmöglich sind. Hier zeigt sich durch den Trend der letzten Jahre zu mehr architektonischer Flexibilität eine gewisse Abkehr von ganzheitlichen Ansätzen (Hentschel und Leyh 2016). Anwenderunternehmen unterstützen jetzt wieder vermehrt einzelne Bereiche durch separate, stark bereichs- oder aufgabenspezifische Systeme. Daraus resultieren heute wieder, trotz vieler Konsolidierungsanstrengungen in der Vergangenheit, recht heterogene und komplexe Softwarelandschaften bestehend aus verschiedenen Unternehmenssoftwarearten und -bausteinen (CRM, SRM, SCM, BI, funktionsorientierte Komponenten) mit hohen Integrationsanforderungen untereinander und in technologisch sowie benutzerseitig anders ausgerichtete Softwarewelten hinein (Groupware, Social Media). Berücksichtigt man zudem noch die Möglichkeiten neuer Betriebsmodelle aus der Cloud („on demand“, „as a service“), führt dies zwar wiederum zu neuen Flexibilisierungspotenzialen, deren Hebung in komplexen Systemlandschaften mit hohen Integrationsanforderungen jedoch nicht leicht zu realisieren ist. Für viele Anwenderunternehmen stellen diese Themenfelder daher mehr denn je eine Herausforderung und auch eine große Hürde dar (Bley et al. 2016; Leyh und Bley 2016; Weisbecker 2012). Hinzu kommt, dass trotz jahrzehntelanger Erfahrungen in diesem Bereich, Implementierungs-, Anpassungs- oder Integrationsprojekte nach wie vor das gesamte Unternehmen und seine Ressourcen stark belasten, da sie schwerwiegende Eingriffe in die Strukturen und Prozesse der Unternehmen umfassen. Änderungen, die sich aus diesen Projekten ergeben, können sich möglicherweise auf die Unternehmenskultur auswirken oder einen kulturellen Wandel erfordern/erzwingen. Dies gilt umso mehr, je stärker diese Projekte mit einem digitalen Transformationszweck verbunden sind. So ist ein umfassendes und durchdachtes Projektmanagement, das in langfristige Transformationsansätze eingebettet ist, ein wesentlicher Bestandteil jeder signifikanten Veränderung der betrieblichen Anwendungssystemlandschaft. Und gerade in diesem Zusammenhang ist in zukünftiger Forschung zu prüfen, ob bestehende Vorgehensmodelle und Erfolgsfaktorframeworks auch für Projekte im Rahmen der Digitalisierung weiterhin ihre Gültigkeit behalten oder ob hier signifikante Anpassungen des Projektmanagements und der Vorgehensweisen notwendig werden.
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