S - KL ASSE FAHRER A S SISTENZSYSTEME
STEREO MULTI PURPOSE K AMERA
SK ALIERBARES ONE-BOX-DESIGN
Mercedes-Benz führte im Jahre 2009 mit der Markteinführung der neuen Generation E-Klasse die Systeme Geschwindigkeits-Limit-Assistent, Adaptiver FernlichtAssistent und Spurhalte-Assistent ein. Die bestehenden Funktionen wurden für die neue S-Klasse weiterentwickelt und das Konzept der Multi Purpose Kamera um die Fähigkeit des dreidimensionalen Sehens erweitert, ➊. Eine besondere Herausforderung war es, den begrenzten Platz für eine Vielzahl von Anwendungen optimal zu nutzen, denn in einem Automobil gibt es nur wenige geeignete Einbauräume für Kameras. Besonders geeignet ist die Einbauposition hinter der Windschutzscheibe im Bereich des Innenspiegels. Die Perspektive der Kamera ist dort optimal, da sie der des Fahrers sehr ähnlich ist, das Sichtfeld kaum beeinträchtigt und über ein durch den Scheibenwischer gereinigtes Blickfenster verfügt.
Die Besonderheit der Stereo Multi Purpose Kamera ist die Erweiterung um neue zukunftsorientierte Funktionalitäten wie Objektvermessung, Fußgängererkennung und Straßenprofilberechnung. Diese neuen Funktionen stellen extrem hohe Anforderungen an die mechanische, optische und elektrische Auslegung der Komponenten. Blickwinkel, Kameraausrichtung, Schärfentiefebereich, Blende, Sensorempfindlichkeit und -regelung sowie Auflösung, Belichtungszeit, Dynamik und Abbildungsqualität müssen den Anforderungen aller Funktionen gleichermaßen gerecht werden. Eine weitere Optimierung stellt die Integration der Verarbeitungselektronik in den Kamerakopf dar. Dadurch wird der Raum unterhalb der aus optischen Gründen erforderlichen Streulichtblende, die den Blickbereich der Kamera gegen Störlicht abschirmt, sinnvoll genutzt. Die
96
Kamera liefert die Signale direkt in die Fahrzeugvernetzung zur Ansteuerung der weiteren Systemkomponenten. Sie übernimmt auch die Ansteuerung der speziellen Scheibenheizung, mit der der Blickbereich frei von Beschlag gehalten und der Einfluss von Vereisung minimiert wird. Da die Kamera direkt hinter dem Schwarzdruck der Windschutzscheibe angebracht ist, wurde besonderer Wert auf geringe Verlustleistung und ein ausgeklügeltes Temperaturmanagement gelegt. STEREOSEHEN
Um dem menschlichen Sehen so nah wie möglich zu kommen, wurde das Konzept der Multi Purpose Kamera weiterentwickelt und umfasst nun den Einsatz zweier Kameras – dem Pendant zu menschlichen Augen –, um ein räumliches Sehen zu ermöglichen. Im Gegensatz zum Menschen, der Entfernung aus Lernen und seiner Erfahrung heraus
AUTOREN
INTELLIGENT DRIVE ENTSPANNTER UND SICHERER FAHREN
JOACHIM MISSEL ist Abteilungsleiter kamera- und ultraschallbasierte Fahrerassistenzsysteme bei der Daimler AG.
Zahlreiche neue oder erweiterte Assistenzfunktionen unterstützen und entlasten den Fahrer der neuen S-Klasse. So etwa der NachtsichtAssistent, der in bislang einmaliger Kombination Nahinfrarot- und Wärmebildtechnik vereint, oder auch die Stereo Multi Purpose Kamera, die heutigen und zukünftigen sicherheits- wie auch komfortorientierten
DIRK MEHREN ist Teamleiter Multi Purpose Kamerasysteme bei der Daimler AG.
Assistenzsystemen ganz neue Möglichkeiten erschließt.
MATTHIAS REICHMANN ist Teamleiter Nahbereichskamerasysteme bei der Daimler AG.
schätzt, kann das rechnerbasierte Stereosehen Entfernungen messen, ➋ oben. Hieraus ergeben sich neue Einsatzmöglichkeiten für Assistenzsysteme. Die grundlegendste Funktion ist die allgemeine Objekterkennung, aus der sich für verschiedenste Anwendungen optimierte Ausprägungen ableiten lassen.
Diese Objekterkennung von anderen Verkehrsteilnehmern ist eine der Basisleistungen moderner sicherheits- und komfortorientierter Fahrerassistenzsysteme. Hierzu zählen nicht nur andere Fahrzeuge wie Pkw oder Lkw, sondern auch Motorräder, Fahrräder und natürlich Fußgänger.
MARTIN LALLINGER ist Projektleiter Nachtsichtsysteme bei der Daimler AG.
DR. WERNER BERNZEN ist Projektleiter Attention Assist bei der Daimler AG.
GÜNTHER WEIKERT ist Entwicklungsingenieur Schließsysteme Heck bei der Daimler AG.
➊ Stereo Multi Purpose Kamera Juli 2013
Mercedes-Benz S-Klasse
97
S - KL ASSE FAHRER A S SISTENZSYSTEME
➋ Oben: farbiges Tiefenbild der Kamera (rot = nah, blau = entfernt); unten: hochgenaue Vermessung von vorausfahrenden Fahrzeugen (rote Box)
wurde, ist die Berechnung eines hochgenauen dreidimensionalen Teilprofils der Straßenoberfläche, ➍. Dies wird im Nahbereich vor dem Fahrzeug bis zu einer Entfernung von 15 m in den prädizierten Spuren der Fahrzeugreifen berechnet. Die Genauigkeit der Messung liegt in Abhängigkeit der Umweltbedingungen meist unterhalb 1 cm und dient der Funktion ROAD SURFACE SCAN zur aktiven Regelung der Federung des Active Body Control-Federungssystems. Die Technologie der Stereo Multi Purpose Kamera erreicht eine bisher nicht gekannte Qualität und ermöglicht neue Funktionen in aktuellen, aber auch zukünftigen sicherheits- und komfortorientierten Assistenzsysteme. 360°-K AMERA
➌ Fußgängererkennung
Die hochgenaue Vermessung von vorausfahrenden Fahrzeugen stellt eine Schlüsselfunktion für einen komfortorientierte Längs- und Querführung in Stausituationen dar, ② unten. Zusätzlich werden die Daten der Stereo Multi Purpose Kamera für die sichere und schnelle Erkennung von Vorausfahrern, querenden Objekten oder von Fußgängern für Systeme zur Unfallvermeidung und -minderung genutzt.
➍ Straßenprofil
98
Fußgänger präsentieren sich hierbei in einer Vielfalt in Farbe und Form wie kein anderer Verkehrsteilnehmer. Für das maschinelle Sehen und Erkennen ist die Veränderlichkeit der Form ebenso wie die variierende Bewegungsrichtung eine extreme Herausforderung, die die Stereo Multi Purpose Kamera erfolgreich bewältigt, ➌. Eine weitere Anwendung, die mit der Stereo Multi Purpose Kamera realisiert
„Vier Augen sehen mehr“ – ein einfaches Prinzip, das auch bei der 360°-Kamera zum Einsatz kommt. Insgesamt beobachten vier Kameras die Umgebung der neuen S-Klasse, damit dem Fahrer kaum ein Detail im direkten Umfeld des Fahrzeugs entgeht. Mit der 360°-Kamera wird im S-KlasseSegment erstmals ein System eingeführt, das ein homogenes Rundumsichtbild mit einer virtuellen Vogelperspektive ohne sichtbare Kameraübergänge zeigt, ➎. SYSTEMARCHITEKTUR
Das System besteht aus vier Weitwinkelkameras mit einem Sichtwinkel von je circa 180° und einer Auflösung von 1 Megapixel. Eine Kamera befindet sich an der Front in der Kühlermaske, je eine weitere Kamera in den Außenspiegelgehäusen links und rechts und eine vierte Kamera im Heckdeckel an der Position
➎ Top View und Heckkamera
➏ Entriegelungsgriff mit Schmutzklappe für Rückfahrkamera
der Rückfahrkamera. Aus den Bildinformationen der vier Kameras errechnet das Steuergerät des Systems verschiedene Ansichten, unter anderem eine farbgetreue Darstellung des Fahrzeugs und seiner Umgebung aus der Vogelperspektive. Die Übertragung der Videosignale der Kameras zum Steuergerät erfolgt zur Erzielung einer optimalen Bildqualität rein digital. Dies gilt ebenso für die Übertragung zum Multifunktionsdisplay. Um eine bessere Ausleuchtung dieser Vogelperspektive zu erhalten, wird bis 10 km/h die Umfeldbeleuchtung in Form von Leuchten in den Spiegeln und an der Front des Fahrzeugs aktiviert. Zur Vermeidung von Verschmutzung decken Klappen die vordere und die hintere Kamera bei ausgeschaltetem 360°-Kamerasystem ab. ➏ zeigt die im Entriegelungsgriff des Heckdeckels integrierte Heckkamera, ➐ die Frontkamera, die sich in einem Schwenkantrieb in der Kühlerverkleidung befindet. Die Klappe kann durch entsprechende Auswahl im COMAND Online-System zum Reinigen der Kameralinse geöffnet werden.
➑ Top View und Frontkamera Juli 2013
Mercedes-Benz S-Klasse
➐ Kinematik Frontkamera
SYSTEMBESCHREIBUNG
Die 360°-Kamera ist Bestandteil der Sonderausstattung Park-Paket. Sie unterstützt visuell bei allen Park- und Rangiersituationen von 0 bis 30 km/h. Zusätzlich zu der auf Ultraschallsensoren basierenden PARKTRONIC zeigt die 360°-Kamera ein virtuelles Bild der Fahrzeugumgebung aus der Vogelperspektive (Top View-Darstellung) sowie auf dem rechten Teil des Multifunktionsdisplays ein situations- oder fahrerwunschabhängiges Detailkamerabild. Die Hilfslinien unterstützen bei Parkund Rangiermanövern. Die breite innere gelbe Linie beschreibt den Pfad, den der Reifen überfährt. Die äußere durchgezogene gelbe Hilfslinie beschreibt die maximale Breite des Fahrzeugs inklusive der Spiegel. Folgende Ansichten können hierbei mittels COMAND-Controller ausgewählt werden: : Top View und Frontkamera, ➑, oder Rückfahrkamera : Top View und Zoom View Front-,
Heck-, ➒, oder Seitenkamera (vorne oder hinten): Mit diesen beiden Ansichten wird dem Fahrer eine verbesserte Sicht auf Fahrzeugfront beziehungsweise -heck geboten. Details und kleine Hindernisse sind leichter zu erkennen, die Situationsbewertung einfacher. Mithilfe der Seitenkameraansicht können enge Passagen leichter durchfahren werden. Auch beim Rangieren an Bordsteinen und niedrigen Hindernissen wird so die Gefahr von Fahrzeug- und Felgenschäden deutlich reduziert. : Top View und Ansicht „Anhängerkupplung“ (wenn Sonderausstattung Anhängevorrichtung verbaut), ❿: Mit der Ansicht zur Anhängerkupplung, die eine Zoomansicht der Rückfahrkamera darstellt, wird das Ankuppeln eines Anhängers deutlich erleichtert. Durch die lenkwinkelabhängige Hilfslinie ist ein genaues Positionieren des Fahrzeugs beziehungsweise der Anhängerkupplung unter der Deichsel sehr leicht. Dies wird durch die Anzeige der Mittellinie unterstützt.
➒ Top View und Zoom View
99
S - KL ASSE FAHRER A S SISTENZSYSTEME
: 180°-Ansicht Front, ⓫, und Heck: Aus den Ansichten Frontkamera und Rückfahrkamera kann auch auf eine 180°-Ansicht entsprechend der gerade gewählten Blickrichtung der 360°-Kamera umgeschaltet werden. Diese 180°-Ansicht unterstützt vor allem, wenn die Sicht auf Fußgänger, Fahrradfahrer oder sonstigen fließenden Verkehr durch parkende Fahrzeuge oder Hindernisse blockiert ist. Zur schnellen Aktivierung der 180°-Ansicht nach vorne ist dies über das Bedienfeld „360°-Kamera einschalten“ möglich. SYSTEMAKTIVIERUNG
Die Aktivierung der 360°-Kamera erfolgt automatisch beim Einlegen des Rückwärtsgangs, durch Auswahl im Menü des COMAND Online-Systems oder über das Bedienfeld “360°-Kamera einschalten”. Die Bilder werden im Multifunktionsdisplay angezeigt und schalten automatisch um, je nachdem, ob Fahrstufe „R“ oder „D“ gewählt ist. Die automatische Umschaltung bleibt bestehen, wenn der Fahrer selbst Ansichten auswählt. K ALIBRIERUNG
Zur Sicherstellung sowohl qualitativ hochwertiger Übergänge der einzelnen Kamerabilder als auch der Hilfslinien ist eine Kalibrierung integriert, die in bestimmten Fahrsituationen für den Kunden nicht sichtbar aktiviert wird und eine Optimierung des Systems vornimmt. SCHMUTZFREIE RÜCKFAHRK AMERA
Als weitere Sonderausstattung wird neben der 360°-Kamera eine Rückfahrkamera angeboten. Sie ist wie die Heckka-
❿ Top View und Ansicht Anhängerkupplung
10 0
mera der 360°-Kamera im Betätigungsgriff des Kofferraumdeckels integriert. Entgegen der bisherigen starren Unterbringung ist die Rückfahrkamera nun ebenfalls schmutzgeschützt hinter einer Klappe verbaut und schwenkt bei Bedarf ein- und aus. Die Aktivierung der Rückfahrkamera und das Öffnen der Klappe erfolgt bei aktiver Zündung und eingelegtem Rückwärtsgang „R“, wenn im COMAND Online-System diese Möglichkeit unter den Systemeinstellungen ausgewählt wurde. Die Rückfahrkamera bleibt so lange aktiv, bis folgende Bedingungen eintreten: : Vorwärtsfahrt mit einer Geschwindigkeit größer 12 km/h : bei Zündung aus oder Fahrstufe „P“. Wie bei der 360°-Kamera kann auch bei der Rückfahrkamera in eine 180°-Ansicht geschaltet werden. Außerdem werden Hilfslinien analog der 360°-Kamera angezeigt. NACHTSICHT-ASSISTENT PLUS
Der neue Nachtsicht-Assistent besteht aus einer bislang einmaligen Kombination von Wärmebild- und Nahinfrarottechnik. Die Basis dieser Technologie wurde durch die Daimler-Forschung entwickelt und steht exklusiv in MercedesBenz Fahrzeugen zur Verfügung. Die damit möglichen Reichweiten für die automatische Personendetektion von bis zu 160 m sind beinahe doppelt so hoch wie bei bisherigen Systemen. Ebenfalls eine Weltpremiere stellt die automatische Tiererkennung dar, die Reichweiten von bis zu 100 m erreicht. Mit der automatischen Aufschaltung des Nachtsichtbildes bei Gefahr durch Personen oder Tiere realisiert Mercedes-
Benz ein neues, intuitives Anzeigekonzept, das die Spotlight-Funktion, also das Anblinken gefährdeter Personen, hervorragend ergänzt. GRUNDLAGEN DER NACHTSICHTTECHNIK
Im Automobilbereich werden derzeit zwei unterschiedliche Nachtsichttechnologien eingesetzt. Die aktiven Systeme, auch NIR beziehungsweise Nahinfrarottechnik genannt, beleuchten selbst (aktiv) die Fahrbahn mit für den Menschen unsichtbarem Infrarotlicht und zeigen das mit einer NIR-empfindlichen Kamera aufgenommene Bild auf dem Fahrzeugdisplay an. Dieses Verfahren wird seit 2005 in den Fahrzeugen von Mercedes-Benz verwendet. Im Gegensatz dazu arbeiten die passiven Systeme mit einer Wärmebildkamera, auch FIRbeziehungsweise Ferninfrarotkamera genannt, die nur die Eigenstrahlung von Objekten (Wärmestrahlung) aufnimmt und dem Fahrer anzeigt, ⓬. Beide Systeme haben spezifische Vor- und Nachteile. Die NIR-Technologie ermöglicht die Darstellung eines brillanten, scharfen Bilds, das dem normalen Sehen sehr nahe kommt („elektronisches Fernlicht“), wohingegen die Wärmebildtechnik besonders gut Temperaturkontraste darstellt, zum Beispiel von lebenden Objekten vor kühlerer Umgebung, aber ein fremdartiges, gewöhnungsbedürftiges Bild anzeigt. Für die schnelle, intuitive Erfassung der Situation durch den Fahrer ist das Bild der NIR-Technologie wesentlich besser geeignet. Die automatische Detektion von Lebewesen ist das Paradegebiet der FIR-Technik. Mercedes-Benz setzt im neuen Nachtsicht-Assistenten eine auf-
⓫ 180°-Ansicht Front und Einsprungtaste „360°-Ansicht“
wendige Kombination beider Sensoren um, was derzeit das technische Optimum darstellt. PERSONENERKENNUNG IN FUSIONSTECHNIK
Unter normalen Bedingungen lassen sich Fußgänger im Bild der Ferninfrarotkamera recht zuverlässig mittels Klassifikationsverfahren erkennen. Grenzen erreicht das System bei hohen Umgebungstemperaturen, wenn sich Lebewesen thermisch kaum mehr von ihrer Umgebung abheben, und bei größerer Reichweite. Da die derzeit verwendeten FIR-Kameras nur geringe Auflösungen (zum Beispiel 13,3 Pixel/°) bieten, besitzt ein Fußgänger in 90 m Entfernung nur noch eine Größe von circa 13 Pixeln. Eine zuverlässige Klassifikation beispielsweise in 160 m Entfernung ist bei dann nur noch acht Pixeln Größe nicht mehr erreichbar. Die mehr als doppelt so hohe Auflösung der NIR-Kamera (zum Beispiel 32 Pixel/°) bildet jedoch auch in dieser Entfernung einen Fußgänger noch mit 21 Pixeln ab. In dem neu entwickelten Fusionsklassifikator werden die Bilder der beiden Kameras gleichzeitig verarbeitet. Das System profitiert so von der Robustheit der Wärmebilder und der feinen Detailierung der Infrarotbilder. Durch die damit erreichte Detektionsreichweite bei gleichzeitig geringer Fehlerrate ist das System allen herkömmlichen Verfahren überlegen. Viele Herausforderungen begleiten diesen Ansatz, von denen beispielhaft nur die Kalibrierung erwähnt werden soll. Die beiden Kameras bilden ein Stereosystem, allerdings ohne starre Verbindung zwischen beiden Kameras (eine hinter der Windschutzscheibe und eine im Kühlergrill montiert), die sich zudem technisch stark unterscheiden. Dennoch müssen beide Kameras pixelgenau gegeneinander kalibriert werden, um Personen erkennen zu können.
zur Tiererkennung nur bedingt geeignet, da die meisten Tiere durch ihr Fell der Umgebung – im sichtbaren Spektralbereich – sehr gut angepasst sind. Im angrenzenden NIR-Spektrum ist die Situation vergleichbar, aber im Wärmebild sind die Tiere in der Regel gut zu erkennen. Die Tierklassifikation arbeitet daher im FIR-Spektralbereich und die Position erkannter Objekte wird auf das angezeigte NIR-Bild umgerechnet, ⓭. WARNUNG FÜR DEN FAHRER
Werden Personen oder Tiere erkannt, so wird der Fahrer durch das System automatisch gewarnt, auch wenn er das Nachtsichtbild nicht eingeschaltet hat. Die Art der Warnung ist jedoch entscheidend für die richtige Fahrerreaktion. Ein akustisches Signal ist hier nicht die erste Wahl, da der Fahrer auf eine (noch) nicht sichtbare Gefahr hingewiesen und irritiert würde. Vielmehr soll erreicht werden, dass der Fahrer frühzeitig auf die Gefahrenstelle aufmerksam gemacht
wird, zum Beispiel 150 m vor der Person, und er selbst auf Landstraßen bei 100 km/h noch mehrere Sekunden Zeit für eine angemessene Reaktion hat. Dies steigert den Fahrkomfort und das Sicherheitsgefühl deutlich. Im Fahrzeug werden daher zwei unabhängige Warnstrategien verfolgt. AUTOMATISCHE BILDAUFSCHALTUNG
Wird ein relevantes Objekt, Person oder Tier, erkannt, so schaltet sich das Nachtsichtbild automatisch ein und markiert das Objekt deutlich im Bild. Der Fahrer hat nun in der Regel ausreichend Zeit, sich im Bild zu orientieren und eine angemessene Reaktion einzuleiten und den Blick wieder auf die Fahrbahn zu richten. Nach Passieren des Objekts schaltet sich das Bild nach wenigen Sekunden selbsttätig wieder aus. Sollte sich das Objekt schnell wieder aus dem Bild herausbewegen, zum Beispiel in Kurven, wird die Aufschaltung unterdrückt.
⓬ Prinzipiendarstellung des Kamerasichtbereichs der FIR-Kamera und NIR-Kamera
TIERERKENNUNG
Die häufigsten Gefahren gehen in der nächtlichen Fahrt nicht von Fußgängern, sondern von Tieren aus. Besonderes Augenmerk muss dabei auf Tiere gerichtet werden, die aufgrund ihrer Körpergröße beim Unfall die Windschutzscheibe treffen und den Fahrer direkt verletzen können. Der beschriebene Fusionsansatz ist Juli 2013
Mercedes-Benz S-Klasse
⓭ Markierung erkannter Personen und Tiere im Nachtsichtbild
101
S - KL ASSE FAHRER A S SISTENZSYSTEME
Das Aufschalten des Bildes hat regelmäßig einen ausreichenden Warncharakter, sodass es nicht übersehen wird. Ist das Nachtsichtbild jedoch bereits eingeschaltet, so entfiele dieser Vorteil, stattdessen blinkt nun das Bild kurz mehrfach, um die Aufmerksamkeit des Fahrers zu gewinnen. SPOTLIGHT-FUNKTION
Hat sich der Abstand zum Objekt auf circa 80 m verringert, wird die SpotlightFunktion ausgelöst, ein ScheinwerferSpot, der auf den Fußgänger ausgerichtet ist und ihn viermal kurz anblinkt. Früheres Anblinken ist je nach Kleidung des Fußgängers nicht ausreichend, da sich bei dunkler Bekleidung kein ausreichender Kontrast ergibt. Der Vorteil dieser Signalisierung ist, dass der Fahrer den Blick ununterbrochen auf der Straße belassen kann. Allerdings gibt es auch Einschränkungen: Da andere Verkehrsteilnehmer nicht durch das Spotlight geblendet werden sollen, wird bei vorausfahrenden beziehungsweise entgegenkommenden Fahrzeugen in Richtung des Fußgängers der Spot unterdrückt. Insbesondere auf verkehrsreichen Strecken ist diese Einschränkung relevant. Beide Warnverfahren werden nicht bei jedem erkannten Objekt ausgelöst. Die Warnung entfällt zum Beispiel in ausreichend beleuchteter Umgebung oder bei mäßigen Geschwindigkeiten. Ebenso kann der Fahrer durch persönliche Einstellung jede der Warnfunktionen deaktivieren. Umfassende Probandenversuche zeigten, dass das Zusammenspiel beider Warnalternativen für den Fahrer die beste Signalisierung bedeutet, da je nach Situation oft nur eine der Warnungen wahrgenommen wird. AKTIVER PARK-ASSISTENT MIT PARKTRONIC
Zum Einparken und Rangieren steht dem Fahrer in der neuen S-Klasse der Aktive Park-Assistent mit PARKTRONIC zur Verfügung – eine Weiterentwicklung des aus anderen Fahrzeugbaureihen bekannten Systems, ⓮. Der Systemaufbau besteht aus einem Steuergerät, einem PARKTRONIC-Warnelement und zwölf Ultraschallsensoren, sechs im vorderen und sechs im hinteren Stoßfänger. Das Steuergerät ist über eine DatenbusVerbindung mit mehr als zehn weiteren
10 2
⓮ Anzeige des Aktiven Park-Assistenten
Steuergeräten vernetzt, insbesondere mit dem elektrischen Lenksystem, der Bremse und dem Kombiinstrument. Das bisher, zum Beispiel aus der aktuellen GL-Klasse, bekannte System umfasst die folgenden Funktionen: : PARKTRONIC-Abstandsanzeige im Nahbereich : Parklückenvermessung für Längsparklücken : semiautonomes Einparken in Längsparklücken : semiautonomes Ausparken aus Längsparklücken. Als Erweiterung zum bisherigen Aktiven Park-Assistenten kann die neue Generation auch in Querparklücken einparken, da die Messwerte der seitlichen Sensoren unterhalb von 36 km/h im Steuergerät nun auch auf das Vorhandensein dieser schmaleren Lücken analysiert werden. Bei eingelegtem Rückwärtsgang wird dem Fahrer der gefundene Parklückentyp im Kombiinstrument dargestellt. Nach Bestätigung eines Aktivierungshinweises lenkt das Fahrzeug selbstständig rückwärts in die Parklücke. Musste der Fahrer bei den bisherigen Generationen des Aktiven Park-Assistenten beim Ein- und Ausparken noch selbst bremsen, so wird er bei der neuesten Generation durch einen Bremseingriff unterstützt. Das Fahrzeug wird auf die Parklückenenden gebremst, sofern der Fahrer dies nicht selbstständig tut. Auch bei spontan auftretenden Hindernissen wird gebremst. Je nach Geschwindigkeit und Hindernisnähe kann damit eine Kollision nicht in jedem Fall verhindert werden; die Folgenschwere wird aber deutlich abgemildert. Der Fahrer ist weiterhin in der Pflicht, den Parkvorgang zu überwachen und entsprechend einzugreifen.
ADAPTIVER FERNLICHTASSISTENT PLUS
„Besser sehen und besser gesehen werden“, dieses Ziel hat sich Mercedes-Benz zur Verringerung der hohen Zahl schwerer Nachtunfälle gesetzt. Mit der Einführung des neuen Adaptiven Fernlicht-Assistenten Plus wird die Straßenausleuchtung bei Nacht noch einmal erheblich verbessert und der Fahrer gewinnt hiermit ein weiteres Sicherheitsplus. Der Adaptive Fernlicht-Assistent Plus nutzt die an der Windschutzscheibe hinter dem Innenspiegel angebrachte Kamera, um die Scheinwerfer in Abhängigkeit der aktuellen Verkehrssituation anzusteuern. Hierfür werden die vorausfahrenden und die entgegenkommenden beleuchteten Fahrzeuge mittels einer intelligenten Bildauswertung erkannt und anschließend ihre Entfernung ermittelt. Mit diesen Informationen wird die Leuchtweite und das Lichtbild der einzelnen Scheinwerfer adaptiv so gesteuert, dass bei Nacht die bestmögliche Ausleuchtung der Straße erreicht wird – ohne dass die anderen Verkehrsteilnehmer geblendet werden. Vorausfahrende oder entgegenkommende Fahrzeuge werden durch eine intelligente Blendensteuerung im Lichtkegel so ausgespart, dass sie nicht geblendet werden, die Straße und der Straßenrand jedoch beleuchtet sind. Zusätzlich verhindert ein Dimmen des Lichts die Eigenblendung durch das Fernlicht an besonders hell reflektierenden Schildern. Sofern keine anderen Verkehrsteilnehmer erkannt werden, wird automatisch das Fernlicht aktiviert, ⓯.
VERKEHRSZEICHEN-ASSISTENT
Der bereits seit 2010 bekannte Geschwindigkeits-Assistent wurde in dieser Generation der Fahrerassistenzsysteme auf ein neues Niveau gehoben. Die komplexe Kombination aus Kamera-, Karteninformationen und Verkehrsregeln für die Darstellung von Geschwindigkeitsbegrenzungen hat zusätzlich zwei Erweiterungen erhalten: die Erkennung und Anzeige von Überholverboten, ⓰, sowie die Warnung vor fehlerhaftem Einfahren auf Autobahnen, ⓱. Die Kamera nimmt bei der Vorbeifahrt an einem Verkehrszeichen eine Reihe von Bildern mit hoher Taktrate auf. Objekte mit kreisförmigen Konturen werden herausgeschnitten und mit den beim Training des Systems abgelegten Mustern verglichen. Dabei ist es äußerst wichtig, keine Verkehrszeichen miteinander zu verwechseln oder Objekte, die zufällige Ähnlichkeiten mit Verkehrszeichen
haben, als gültige Verkehrszeichen zu deuten. Im Trainingsaufwand für die Mustererkennung liegt die eigentliche Herausforderung für die Entwicklung dieses Assistenzsystems. Die Beschränkung auf runde Verkehrszeichen lässt eine Anwendung vorerst nur auf Länder in der Welt zu, die der Wiener Konvention beigetreten sind oder sich in ihrer Beschilderung an diese anlehnen. Es gibt aber auch rechteckige Zeichen, die für die Einhaltung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit relevant sind. Die wichtigsten Beispiele dafür sind die Ortseingangs- und -ausgangstafeln. Um diese Lücke zu schließen, verwendet der Speed Limit Assist zusätzlich Informationen aus dem Navigationsgerät. Die Anzeige der zuletzt erkannten Geschwindigkeitsbegrenzung wird entsprechend angepasst, sobald das Fahrzeug durch ein in der Karte verzeichnetes bebautes Gebiet fährt. Noch schwieriger wird es bei der komplexen Szenenanalyse zur Warnung vor
springer-vieweg.de
Die ganze Welt des Verbrennungsmotors – jetzt neu mit Motorapplikation und CO2
Basshuysen, Richard | Schäfer, Fred
Handbuch Verbrennungsmotor Grundlagen, Komponenten, Systeme, Perspektiven 6. Aufl. 2012. XLV, 1181 S. mit 1793 Abb. (ATZ/MTZ-Fachbuch) Geb. ISBN 978-3-8348-1549-1
⓯ Der Adaptive Fernlicht-Assistent Plus passt die Leuchtweite der Scheinwerfer an Gegenverkehr oder vorausfahrende Autos an
Das Handbuch Verbrennungsmotor enthält auf über 1000 Seiten umfassende Informationen über Otto- und Dieselmotoren. In wissenschaftlich anschaulicher und gleichzeitig praxisrelevanter Form sind die Grundlagen, Komponenten, Systeme und Perspektiven dargestellt. Über 120 Autoren aus Theorie und Praxis haben dieses Wissen erarbeitet. Damit haben sowohl Theoretiker als auch Praktiker die Möglichkeit, sich in kompakter Form ausführlich über den neuesten Stand der Motorentechnik zu informieren. Entwicklungen zur Hybridtechnik wurden aktualisiert und der Beitrag zum Kraftstoffverbrauch vollständig überarbeitet. Das Literaturverzeichnis wurde auf über 1300 Stellen erweitert.
Einfach bestellen:
[email protected] Telefon +49 (0)6221 / 3 45 – 4301
Änderungen vorbehalten. Erhältlich im Buchhandel oder beim Verlag. Innerhalb Deutschlands liefern wir versandkostenfrei.
7 € (D) 119,95
⓰ Erkennung von Überholverbot und Geschwindigkeitsbegrenzung Juli 2013
Mercedes-Benz S-Klasse
10 3
⓱ Autobahnauffahrt mit Einfahrtverbotsschildern
⓲ Anzeigen des ATTENTION ASSIST: typischer Verlauf während einer längeren Fahrt mit zunehmender Müdigkeit beziehungsweise Unaufmerksamkeit
fehlerhaftem Einfahren. An vielen Verkehrsknotenpunkten ist die Zuordnung einzelner Einfahrverbote für eine Maschine nicht immer eindeutig. Dieser Herausforderung wurde mit einer Kombination von verschieden Maßnahmen begegnet. Zum Beispiel muss mehr als ein Einfahrverbot und ein Richtungspfeil vorhanden sein; der Abstand der Schilder untereinander sowie die Fahrzeugbewegung sind ebenfalls relevant. Solche Systeme erreichen zur Zeit noch nicht die Leistungen eines konzentrierten Fahrers, können ihn aber wirkungsvoll bei der Beachtung der Verkehrsregeln unterstützen und bei der Fahraufgabe entlasten, jedoch nicht aus der Verantwortung entlassen. ATTENTION ASSIST
Die neue S-Klasse erhält wie die Vorgängerbaureihe den ATTENTION ASSIST als Serienausstattung. Gegenüber dem bisherigen System standen bei der Weiterentwicklung vor allem die Anzeige des vom Algorithmus ermittelten Aufmerksamkeitszustands in Form des sogenannten Attention Level, die Erweiterung des Geschwindigkeitsbereichs auf 60 bis 200 km/h und eine Erweiterung der Einstellmöglichkeiten im Vordergrund. Zudem gibt es zukünftig die Möglichkeit, nach einer ATTENTION ASSIST Warnung eine Rastplatzsuche in der Navigationseinheit zu starten. Auf der neuen Menüseite des Fahrerassistenten werden aktuelle Statusinformationen des Systems angezeigt. Dazu gehören:
: der Attention Level (ermittelter Aufmerksamkeitszustand) in fünf Stufen : eine Anzeige „System passiv“, zum Beispiel wenn der Fahrer nicht im aktiven Geschwindigkeitsbereich fährt : die Fahrtdauer seit der letzten Pause. ⓲ zeigt den typischen Ablauf während einer längeren Fahrt. Zu Beginn der Fahrt startet die Aufmerksamkeitsstufe mit fünf grünen Segmenten. Erkennt der ATTENTION ASSIST zunehmende Unaufmerksamkeit oder beginnende Müdigkeit, werden weniger Segmente im Attention Level angezeigt und die Farbe wechselt auf gelb beziehungsweise rot. Wird der Fahrer gewarnt, erscheint in der Menüseite eine Kaffeetasse anstelle der Attention-Level-Anzeige. Zusätzlich zur bisher angebotenen Möglichkeit, den ATTENTION ASSIST über einen Menüpunkt ein- und auszuschalten, kann der Fahrer den Modus „Empfindlich“ auswählen. Damit wird zum Beispiel der bereits müde eingestiegene Fahrer früher gewarnt und die Attention-Level-Anzeige wird entsprechend angepasst. Erfolgt eine Warnung im Kombiinstrument, bietet COMAND Online-System gleichzeitig eine Rastplatzsuche an. Der Fahrer kann sich dann einen passenden Rastplatz aussuchen und die Navigation dorthin starten. Durch die neuen Funktionen bietet das System eine deutlich höhere Erlebbarkeit und eine verbesserte Transparenz, da der Fahrer seinen Aufmerksamkeitszustand frühzeitig verfolgen und damit Pausen besser vorausplanen kann. Die
Vernetzung mit der Navigation vereinfacht das Auffinden einer Pausenmöglichkeit. Zusätzlich bietet die Konfigurierbarkeit des Systems die Möglichkeit, ATTENTION ASSIST an die aktuellen Bedürfnisse anzupassen. Die Erweiterung des Geschwindigkeitsbereichs bringt eine deutliche Erhöhung der Systemverfügbarkeit.
DANKE Bei der Erstellung des Beitrags haben zudem mitgewirkt: Dr. Jürgen Seekircher, Bernd Woltermann, Christoph Weckmann, Thomas Gottbehüt, Reinhard Janssen, Guido Hertwig, Markus Glaser, Michael Gerstenberger.