Zum Thema Gynäkologe 2004 · 37:147–152 DOI 10.1007/s00129-003-1482-7 Online publiziert: 23.Januar 2004 © Springer-Verlag 2004
Redaktion K.Diedrich,Lübeck D.Hornung, Lübeck H.G.Bender, Düsseldorf
B.Tutschek1 · T. Braun1 · M. Krapp2 · H. C. Kolberg2 1 Frauenklinik,Universitätsklinikum Düsseldorf 2 Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe,Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Lübeck
Nachweis fetaler Zellen und von DNS-Fragmenten Nutzung für die Pränataldiagnostik
Die Anforderungen an die Schwangerschaftsmedizin im Allgemeinen und die vorgeburtliche Diagnostik im Besonderen haben sich in den letzten Jahrzehnten deutlich gewandelt. Das durchschnittliche Alter der Erstschwangeren ist gestiegen. Zumindest bei der städtischen Bevölkerung, die traditionell mehr pränataldiagnostische Leistungen in Anspruch nimmt, ist das erste Kind oft das einzige. Die Verheißungen der mutmaßlichen „Entschlüsselung des menschlichen Genoms“ einerseits, die durch die populären Medien verstärkte Präsenz einzelner ermutigender Forschungsergebnisse andererseits erwecken neben hohen Erwartungen der Schwangeren in erster Linie einen hohen Beratungsbedarf, der die verlockenden theoretischen Möglichkeiten auf ein praktikables Maß für den Einzelfall bringen muss. Dieses Dilemma zwischen dem im Labor Machbaren und dem in praxi Verfügbaren wird besonders bei der vorgeburtlichen genetischen Diagnostik durch nicht- oder minimal-invasive Methoden offenbar. Die vorliegenden Arbeit versucht, den Status quo zu beschreiben und realistische klinische Anwendungen aufzuzeigen.
Die menschliche hämochoriale Plazenta verhindert die Vermischung fetalen und maternalen Blutes in größeren Mengen. Dass dennoch geringe Mengen fetaler Zel-
len in die mütterliche Zirkulation gelangen, wurde seit weit über 100 Jahren vermutet. Bereits Ende des 19. Jahrhunderts beschrieb der deutsche Pathologe Schmorl bei Frauen,die an einer Eklampsie gestorben waren, in den Lungenkapillaren Trophoblastemboli [24]. Der Nachweis fetaler Zellen wurde in der Folge über Jahrzehnte von den Forschern mit den Mitteln ihrer Zeit gesucht.So war es mit der Erkennung der Grundlagen der Vererbung und der Bedeutung der Chromosomen nur natürlich,dass solche Zellen zu diagnostischen Zwecken, also zur genetischen Testung des Ungeborenen gesucht wurden, um dadurch ein mit einem Eingriffsrisiko behaftetes invasives Verfahren wie z.B.die Fruchtwasserpunktion zu vermeiden. Verschiedene Übersichten (auch in dem „Gynäkologen“) haben historische Überblicke über diese histomorphologischen, zytogenetischen und molekularen Untersuchungen gegeben [30].Dieser Übersichtsartikel fasst den wissenschaftlichen Ansatz und den aktuellen Stand der Forschung an fetalen Zellen und fetaler Nukleinsäuren im maternalen Blut sowie die mögliche Bedeutung in der Pathogenese schwangerschaftstypischer Erkrankungen und einiger Erkrankungen von Frauen nach Schwangerschaften zusammen, die in einem möglichen Zusammenhang mit dem Übertritt fetalen Materials in den mütterlichen Organismus gebracht werden. Es gilt heute als etabliert,dass nicht nur im Rahmen der Geburt oder einer – even-
tuell klinisch relevanten – fetomaternalen Blutung, sondern auch in normalen Schwangerschaften regelmäßig fetale Zellen ins mütterliche Blut übertreten und dort in vielen Fällen nachgewiesen werden können.
Fetale Zellen im peripheren maternalen Blut Verschiedene Zellen fetalen Ursprungs sind auf ihre Verwendbarkeit für eine vorgeburtliche Diagnostik hin untersucht worden. Zum einen kommen Zellen des fetalen Bluts in Betracht: hierbei aufgrund ihrer relativ hohen Zahl im Fetalblut insbesondere die kernhaltigen roten Blutzellen („nucleated red blood cells“ NRBC), daneben auch Lymphozyten und Granulozyten. Neuere Untersuchungen zielen auch auf eventuelle zirkulierende fetale Stamm- oder Vorläuferzellen [9, 10, 18, 29].Daneben sind auch besonders die Zellen des fetomaternalen „Interface“,also die vom Chorion bzw.der Plazenta stammenden Trophoblastzellen [22] von Interesse. Bei allen diesen Zellarten ist das hauptsächliche Hindernis für die praktische Nutzung ihre geringe Zahl bzw.Konzentration im maternalen Blut, die eine Anreicherung erforderlich macht.
Anreicherung fetaler Zellen Der Übertritt fetaler Zellen in die maternale Zirkulation ist offenbar ein regelmäDer Gynäkologe 2 · 2004
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Zum Thema tikörperbasierten Methoden obligat auch Zielzellen verloren gehen.
Untersuchung fetaler Zellen DNS-Amplifikation mittels PCR
Abb. 1 ▲ Mögliches Protokoll der Anreicherung fetaler Zellen aus dem Blut durch Zentrifugation und Expansion in einem halbfesten Medium, aus dem einzelne Kolonien isoliert werden können
ßiger Vorgang, jedoch ist die Zahl der fetalen Zellen außer bei klinisch relevanten pathologischen fetomaternalen Blutungen extrem gering. Mittels molekularer Methoden wurde ermittelt, dass pro Milliliter mütterliches Blut größenordnungsmäßig lediglich eine fetale kernhaltige Zelle erwartet werden kann [4]. > Der Übertritt fetaler Zellen in die
maternale Zirkulation ist offenbar ein regelmäßiger Vorgang Für eine Diagnostik müssen also Anreicherungsverfahren angewendet werden. In der Regel werden sogar mehrere Anreicherungsschritte nacheinander angewendet. Allerdings ist bei jeder „Anreicherung“ mit einem Verlust der absoluten Zahl der Zielzellen zu rechnen.Andererseits gibt es praktisch keinen absolut spezifischen Marker für fetale Zellen; d.h. es werden immer auch einige (meist sogar viele) maternale Zellen mit „angereichert“.
Physikalische Methoden Unterschiedliche Zellpopulationen des Blutes haben verschiedene spezifische Dichten. Werden in einem Zentrifugenröhrchen inerte Lösungen unterschiedlicher Dichten übereinandergeschichtet,die Zellsuspension mit den Zielzellen darüber geschichtet und dann dieses Röhrchen zentrifugiert,wandern unter den entsprechenden Bedingungen alle Zellen in die Schicht ihrer spezifischen Dichte. Typi-
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scherweise werden dadurch die kernlosen reifen roten Blutzellen und ein Großteil der Granulozyten im Sediment entfernt.Aus den Schichten darüber können die Zielzellen anschließend herauspipetiert werden (⊡ Abb. 1).
Antikörperbasierte Methoden Besitzen die Zielzellen spezifische (Oberflächen-)Eigenschaften,können dagegen gerichtete Antikörper zu ihrer Markierung verwendet werden (positive Selektion).Diese Primärantikörper können entweder mit einem Fluoreszenzfarbstoff gekoppelt sein, der in einem Durchflusszytometer zur Sortierung der entsprechend markierten Zellen genutzt werden kann. Auch kann der Primärantikörper entweder an mikroskopisch kleinen Magnetpartikel oder an eine Oberfläche (z. B. einen Objektträger) gebunden sein: die Zielzellen werden dann mittels eines Magneten und durch ihre Bindung an die Oberfläche angereichert.Alternativ kann auch eine negative Sortierung verwendet werden,bei der alle Nicht-Zielzellen markiert und dadurch aus der Suspension entfernt werden.
Beurteilung Keine der genannten Methoden erreicht eine auch nur annähernde hundertprozentige Reindarstellung der Zielzellen. Weiterhin muss bedacht werden,dass bei den notwendigen Waschschritten sowohl bei den physikalischen und auch den an-
Für die Polymerasekettenreaktion (PCR) wird zunächst aus dem Untersuchungsmaterial, z. B. einer auf fetale Zellen angereicherten maternalen Blutprobe,summarisch alle DNS durch chemische Verfahren extrahiert. Dann wird ein Aliquot einer spezifischen Vermehrung der ZielDNS-Sequenz unterzogen. Die Spezifität wird durch kurze DNS-Sonden (sog. Primer) erreicht, die die (einzigartige) Zielsequenz flankieren und bei repetetiver Bindung und Ablesung mittels einer DNSPolymerase zu einer annähernd exponentiellen Amplifikation der Zielsequenz bis zu einem Niveau führen,das einen Nachweis mit physikalischen Methoden (Färbung, Auftrennung nach DNS-Sequenzlänge) ermöglicht. Mittels PCR ist einerseits die Amplifikation einer Zielsequenz aus einer einzigen Zellen (eine Kopie einer DNS-Sequenz) möglich: aktuelle Beispiele dafür sind die Untersuchung einzelner diploider Zellen (Blastomere) bei der Prä-Implantationsdiagnostik oder einer einzelnen fetalen Zelle nach Anreicherung und positiver Identifikation.Andererseits kann die PCR aber auch DNS weniger Zellen mit der Zielsequenz vor dem Hintergrund sehr vieler kontaminierender Zellen ohne die Zielsequenz nachweisen; ein Beispiel dafür wäre der Nachweis von fetalen YChromosomsequenzen aus fetalen Zellen in einer Mischung mit überwältigend vielen maternalen Zellen (naturgemäß ohne Y-Sequenzen).
DNS-Identifikation in einzelnen Zellen mittels FISH Mit Fluoreszenzfarbstoff markierte DNSSonden können unter bestimmten Bedingungen an Sequenzen im Kern einzelner Zellen binden. Dadurch werden einzelne Chromosomen mikroskopisch erkennbar oder zumindest abzählbar, ohne dass die Zellen in Teilung gebracht werden müssten, also ohne dass eine Metaphase wie bei der zytogenetischen Karyotypisierung betrachtet werden muss (sog. Interphasenzytogenetik).
Zusammenfassung · Abstract Eine typische Anwendung der Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung (FISH) ist die Untersuchung von Zellen auf die Anzahl der Chromosomen 21 oder der Geschlechtschromosomen.So würde z.B.in der Situation mit angereicherten fetalen Zellen vor dem Hintergrund vieler maternaler Zellen der FISH-Nachweis eines Y-Chromosoms oder dreier Chromosomen 21 in einem Zellkern auf den fetalen Ursprung hinweisen.
Beurteilung Für beide Verfahren (PCR und FISH) gilt, dass neben dem Y-Chromosom oder einer pathologischen Anzahl von Chromosomen auch andere genetische Marker zum Beweis des fetalen Ursprungs einer Zelle dienen können. Fehlt der Schwangeren eine genetische Eigenschaft, die der Fetus vom Vater geerbt hat, kann diese auch zur Differenzierung verwendet werden. Als Beispiel gilt bei rhesus-d-negativer Schwangeren der Nachweis von DNS-Sequenzen der fetalen Rhesus-D-Eigenschaft. Allerdings können prinzipiell alle paternal ererbten genetischen Eigenschaften,die sich von denen der Schwangeren selbst unterscheiden, verwendet werden. Als weitere solche genetische Eigenschaften haben sich sog. polymorphe Marker (normale DNSSequenzen variabler Länge, die in der Regel zwischen den Genen liegen) bewährt. > Prinzipiell können alle paternal
ererbten genetischen Eigenschaften identifiziert werden Ein weiteres Verfahren zur Identifikation fetaler Zellen besteht in der antikörpervermittelten Markierung (Anfärbung) von Oberflächen- oder Zytoplasmamerkmalen in den fetalen Zellen. Dafür wurden z. B. für NRBC als Merkmale in erster Linie der sogenannte CD71- oder Transferrinrezeptor, das Glycophorin-A-Molekül an der Zelloberfläche sowie auch fetale oder embryonale Hämoglobinketten verwendet. HbF enthält γ-Hb-Ketten, embryonales Hämoglobin daneben auch noch spezifischere ε-Hb-Ketten.
Nutzung fetaler Zellen zur nichtinvasiven Pränataldiagnostik Die meisten Untersuchungen wurden bisher mit den kernhaltigen rote Blutzellen
durchgeführt (NRBC), da sie v. a. im Blut junger Feten die dominierende kernhaltige Zellpopulation sind und daher bei einer fetomaternalen Blutung am zahlreichsten im mütterlichen Blut zu erwarten sind. Die meisten Protokolle verwenden eine Zentrifugation in einem einfachen oder dreifachen Dichtegradienten. Mittels der Oberflächenepitope Transferrinrezeptor (auch: CD71) und Glykophorin A erfolgt dann eine positive Anreicherung in einer magnetischen Zellsortierungssäule oder mittels eines Durchflusszytometers. Allerdings ist bekannt,dass viele,wenn nicht die meisten so angereichetern NRBC maternalen Ursprungs sind [26, 28]. Schwangere haben mehr NRBC als Nicht-Schwangere. Daneben sind viele der so isolierten NRBC apoptotisch und damit nicht gut für eine zytogenetische Untersuchung z. B. mittels FISH geeignet [12, 25]. An fetalen NRBC sind mittlerweile die relevanten Chromosomenstörungen diagnostiziert worden. Die Gruppen mit den größter Erfahrung mit NRBC berichteten 2000 über die Ergebnisse der ersten fünf Jahre einer seit 1994 vom amerikanischen Gesundheitsinstitut NICHHD geförderten Studie (die sog. NIFTYStudie; [2]). Es wurden 2744 Blutproben untersucht. Zellen chromosomal gesunder Kinder wurden in Blutproben von 41,4% der Schwangeren gefunden (gemessen an der Detektion männlicher Zellen bei männlichen Feten), bei chromosomal auffälligen Kindern aber in 74,4% der Fälle. Dies bestätigt die Beobachtungen, dass bei Vorliegen einer chromosomal betroffenen Schwangerschaft [3, 31] sowie bei Prä-Eklampsie [11, 14] mehr fetale Zellen ins mütterliche Blut übertreten. Insgesamt muss nach 10 Jahren NIFTY-Studie davon ausgegangen werden, dass es derzeit noch kein klinisch einsetzbares Protokoll für die Anwendung zur Untersuchung auf fetale Chromosomenstörungen gibt.Auch wird überlegt,ob der als Diagnostik gedachte Test eher den Charakter eines Screeningtests,also einer Wahrscheinlichkeitsabschätzung ohne vollständige Erkennung aller betroffenen Fälle,aber auch ohne Eingriffsrisiko haben sollte.
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Nachweis fetaler Zellen und von DNS-Fragmenten . Nutzung für die Pränataldiagnostik Zusammenfassung Der Nachweis und möglichst die Isolierung fetaler Zellen aus einer einfachen peripheren mütterlichen Blutprobe tragen das Versprechen,dass ein für die Schwangerschaft ungefährlicher Test die genetische Untersuchung durch Fruchtwasserpunktion oder andere invasive Verfahren der Pränataldiagnostik ersetzen könnte.In der Tat ist die Plazenta keine unüberwindliche Schranke, sondern regelhaft treten fetale Zellen in die mütterliche Zirkulation über und können dort mit sensitiven Methoden auch gefunden werden.Ihr Nachweis ist aber aufwendig,und diese attraktive Methode hat die invasive Diagnostik bisher nicht ersetzen können.Jedoch hat die Suche nach nicht-invasiven Methoden neue Einsichten in die Physiologie und Pathologie der Schwangerschaft erbracht. Schlüsselwörter Fetale Zellen · Fetale DNA · Pränataldiagnostik · Genetische Untersuchung · Schwangerschaftsvorsorge
Fetal cells and DNA in maternal blood: Possible uses in prenatal diagnosis Abstract The detection of fetal cells in the maternal circulation has raised hopes to replace invasive genetic prenatal testing.Fetal cells seem to cross the placenta in most if not all pregnancies.They can be detected and analysed in maternal blood using sensitive methods.However,to date there is no sufficiently reliable diagnostic test using this approach.But the search for fetal cells has provided new insights into the physiology and pathology of pregnancy. Keywords Fetal cells · Fetal DNA · Prenatal diagnosis · Genetic testing · Pregnancy
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Zum Thema Verschiedene Protokolle zur spezifischen Anreicherung und zur selektiveren Stimulierung fetaler expandierbarer Zellen wurden untersucht [6, 13, 21], haben aber nicht durchgehend zum Nachweis fetaler Zellen geführt. Die Methodik wird mit der Erkennung weitere Eigenschaften und evtl. weiterer expandierbarer Zellarten [8] weiter untersucht,ist aber gegenwärtig noch nicht reif für einen klinischen Einsatz.
Fetale Nukleinsäure in der maternalen Zirkulation
Abb. 2 ▲ Anzüchtung fetaler Zellen aus dem mütterlichen Blut. Nach Anzüchtung einer Blutprobe einer Schwangeren wurden neben einer maternalen und einer väterlichen Blutprobe auch Einzelzellen angewachsener Kolonien mittels PCR untersucht.In den 4 Bahnen wurden (von unten nach oben) die PCR-Produkte der mütterlichen DNS (2 PCR-Produkte bei 344 und 352 Basenpaaren Länge), der väterlichen DNS (348 und 352 bp), einer rein fetalen Kolonie (344 und 348 bp, also jeweils ein maternalens und ein väterliches Allel) und einer gemischt maternal-fetalen Kolonie (3 PCR-Produkte) gefunden.(Nach [29])
Abb. 3 Wege fetaler Zellen in den maternalen Organismus
Anzüchtung fetaler Zellen aus dem maternalen Blut Ein weiteres Konzept nutzt eine biologische Eigenschaft fetaler Blutzellen, nämlich ihre Potenz zur Teilung und damit der eventuellen Vermehrung ihrer absoluten Zahl in einem geeigneten Medium,in dem sich die maternalen Zellen nicht oder nicht im gleichen Maße vermehren.Ausgehend von dem ersten Bericht von Lo
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[18] haben verschiedene Gruppen mit unterschiedlichen Methoden und Erfolg den Ansatz verfolgt.Blutproben von Schwangeren werden entweder angereichert oder unangereichert in Medien mit hämatopoetischen Wachstumsfaktoren zur Kultur gebracht.Aus halbfesten Medien können die nach Tagen in Kolonien angewachsenen Zellen sogar einzeln entfernt und untersucht werden ([27, 31, 32]; ⊡ Abb. 1 und 2).
Seit vielen Jahren ist bekannt,dass Nukleinsäuren im menschlichen Blutplasma nicht nur zellgebunden,sondern auch frei zirkulieren (Mandel u.Metais 1948).Krebspatienten zeigen u. U. erhöhte Spiegel an freier DNS [16]. Es war die erste Arbeit von Lo et al.von 1997 [19],die belegte,dass auch fetale DNS im maternalen Blut nachweisbar ist.Anders als bei den fetalen Zellen im maternalen Blut gibt es bei der fetalen DNS keine Möglichkeit einer Anreicherung vor der genetischen Analyse: Die chemisch aus dem Serum oder Plasma isolierbare Gesamt-DNS kann nur insgesamt untersucht werden.Das bedingt aber, dass bestimmte kindliche Eigenschaften mit dieser Methode praktisch nicht direkt zu untersuchen sind, so z. B. eine fetale Trisomie 21. Andererseits könnten, wenn genug nachweisbare DNS vorläge, theoretisch alle genetischen Eigenschaften des Fetus, die die Mutter nicht hat, gefunden werden. Ein Beispiel dafür ist der molekulare Nachweis der fetalen Rhesus-D-Eigenschaft aus dem Blut einer rheusus-d-negativen Schwangeren; dieser Test wurde mittlerweile praktisch zur klinischen Reife gebracht [33]. Verschiedene Gruppen konnten zeigen, dass im nicht-zellulären Teil des Blutes sogar mehr fetale Genomäquivalente als im zellulären Teil vorhanden sind, dass sie mit dem Gestationsalter zunehmen und am Termin im Mittel 6,2% der freien DNS im Plasma ausmachen [20]. Die Sensitivität des freien DNS-Nachweises könnte bei entsprechenden Markern also höher sein als bei Verwendung intakter fetaler Zellen aus dem maternalen Blut.
▃ Interessanterweise gilt auch für die freie fetale DNS im maternalen Blut, dass bei manchen chromosomal betroffenen Feten (Trisomie 21) und bei Präeklampsie mehr fetale DNS nachweisbar ist.
Korrespondierender Autor
Diese DNS scheint aus zugrundegehenden fetalen Zellen hervorzugehen [25]. Dabei korreliert die Menge an freier DNS im Blut offenbar nicht mit der Anzahl intakter fetaler Zellen,sondern mit dem Zellumsatz des Schwangerschaftsprodukts [5]. Ein kleiner Teil der fetalen DNS findet sich sogar im maternalen Urin [7, 17].
Interessenkonflikt: Keine Angaben
Diskussion Bis auf den Nachweis fetaler DNS-Sequenzen, die der Mutter fehlen (z. B. Y-Chromosom oder Rhesus-D), sind gegenwärtig und in nächster Zeit keine diagnostischen Tests an fetalem Material im maternalen Blut routinemäßig verfügbar. Wenn fetale Zellen angereichert werden können,können mit FISH Chromosomenstörungen nachgewiesen werden; allerdings ist die Detektionsrate bisher zu niedrig für eine verlässliche Diagnostik,die invasive Verfahren ersetzen könnten. Als risikofreier Screeningtest erscheint die Untersuchung fetaler Zellen aus dem maternalen Blut jedoch bisher nicht sensitiv genug, um z. B. mit dem kombinierten Ersttrimester-Screening (also NT plus frühe Biochemie; [23]) konkurrieren zu können. Die Beobachtungen,dass bei verschiedenen pathologischen Zuständen wie fetaler Trisomie 21, aber auch Prä-Eklampsie mehr fetales Material in den mütterlichen Blutkreislauf übergeht,unterstreicht die Bedeutung der Forschung über fetale Zellen auch für das Verständnis der Pathophysiologie der Schwangerschaft.Dies gilt insbesondere für die Hinweis auf die Beteiligung fetaler Zellen z.B.bei der Sklerodermie [1, 15]. Die möglichen Wege der fetalen Zellen ins mütterliche Blut und in maternale Gewebe zeigt schematische die ⊡ Abb. 3. ▃ Auch wenn bisher kein klinischer Einsatz möglich ist, hat doch die Suche nach einem nicht-invasiven genetischen Test bisher enorm zum Verständnis der Physiologie und Pathologie an der „Plazentaschranke“ beigetragen.
Priv.-Doz. Dr. B. Tutschek Frauenklinik, Universitätsklinikum Düsseldorf, Moorenstraße 5, 40225 Düsseldorf E-Mail:
[email protected]
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