Kritisch gelesen Aus internationalen Fachzeitschriften – Ausgewählt und kommentiert von Prof. Dr. med. E. Ernst Peninsular Medical School, University of Exeter/UK
Prof. Dr. med. H. S. Füeßl Isar-Amper-Klinikum Klinikum MünchenOst, Haar
Prof. Dr. med. H. Holzgreve Internist, Kardiologische Praxis, München
Dr. med. P. Stiefelhagen Westerwald Krankenhaus, Hachenburg
Prof. Dr. med. K. Malberg Immunologie, DresdenLoschwitz
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Nüsse und Popcorn trotz Divertikeln erlaubt
Ballaststoffreiche Nahrungsmittel wirken bei Divertikulose sogar protektiv.
Bei Patienten mit bekannter Divertikulose erhöht der Genuss von Nüssen und Popcorn nicht das Risiko für eine Divertikulitis oder weitere Komplikationen der Grundkrankheit. – In der medizinischen Lehre und Praxis geht seit Langem der Mythos um, dass Patienten mit Divertikulose möglichst Nüsse, Pflanzensamen, Popcorn, Mais und andere Zerealien mit hohem Ballaststoffanteil meiden sollten, da
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hierunter das Risiko für eine Divertikulitis und deren Komplikationen ansteigen würde. Die wissenschaftliche Basis für diese Meinung verliert sich in der Literatur der 1950er-Jahre und ist wahrscheinlich Eminenz-basiert. Nun hat man versucht, diesem Mythos wissenschaftlich näher zu kommen und die mehr als 47 000 Teilnehmer der Health Professionals Followup Study, die zu Beginn der Studie keine bekannte Divertikulose oder entsprechende Komplikationen aufwiesen, nach ihrem Konsum von Nüssen, Mais und Popcorn befragt. Zwischen 1986 und 2004 füllten die Studienteilnehmer in zweijährigen Abständen Fragebögen zur medizinischen Vorgeschichte und alle vier Jahre Fragebögen zum Diätverhalten aus. Teilnehmer, die eine neue diagnostizierte Divertikulose oder Divertikulitis mitteilten, erhielten zusätzliche Fragebögen. Im Lauf der 18-jährigen Beobachtungsdauer traten 801 Indexfälle einer Divertikulitis und 383 Indexfälle einer Divertikelblutung auf. Zwischen dem Risiko einer Divertikulitis und dem Konsum an Nüssen und Popcorn bestand eine inverse Assoziation. In einer multivariaten Analyse hatten Männer mit dem höchsten Konsum von Nüssen im Vergleich zu denen mit der
niedrigsten Aufnahme ein um 20% verringertes Risiko für eine Divertikulitis. Bei Popcorn betrug dieser Unterschied sogar 28%. Assoziationen zwischen dem Konsum von Nüssen, Mais oder Popcorn und dem Auftreten einer Divertikulitis bzw. Divertikelblutungen oder weiteren Komplikationen konnten nicht gezeigt werden.
kommentar: Die Empfehlung, ballaststoffreiche Nahrung bei Divertikeln zu vermeiden, beruht auf der Annahme, dass unverdauliche Nahrungsbestandteile die Schleimhaut im Bereich von Divertikeln lädieren oder in Divertikeln stecken bleiben könnten. Divertikel sind zwar i.d.R. stuhlgefüllt, jedoch ist diese Theorie weitgehend spekulativ und der exakte Mechanismus der Entstehung von Komplikationen der Divertikulose nicht bekannt. Bei allen Limitationen epidemiologischer Studien gibt es wohl keine wissenschaftliche Basis für diese Ernährungsempfehlung bei Patienten mit Divertikeln. H. S. Füeßl ó
ó
L. L. Strate et al. (Korr.: Lisa L. Strate, MD, Harborview Medical Center, 325 Ninth Ave, Box 359773, Seattle, WA 98104, e-mail:
[email protected]): Nut, corn, and popcorn consumption and the incidence of diverticular Disease. JAMA 300 (2008) 8, 907–914
MMW-Fortschr. Med. Nr. 46 / 2008 (150. Jg.)
aktuelle medizin – kritisch gelesen –
Bei Schwangerschaftserbrechen: Ingwer oder Vitamin B6?
– Der Schweregrad des Erbrechens wurde mittels visueller Analogskala ermittelt und galt als Hauptzielkriterium dieser Studie. Dieser Parameter war in der Ingwergruppe signifikant deutlicher rückläufig als in der Vitamin-B6Gruppe. Die Anzahl der Episoden mit Erbrechen war in beiden Gruppen reduziert, und es zeigten sich hier keine signifikanten Gruppendifferenzen. Die Autoren meinen, dass diese Ergebnisse die Wirksamkeit von Ingwer bei dieser Indikation belegen.
kommentar: Ingwer mag durchaus ein gutes Mittel gegen Übelkeit sein. Das Problem ist, dass die vorliegenden Daten dies jedoch keineswegs belegen. Für einen solchen Beweis bräuchten wir eine Gruppe, die mit Placebo behandelt wurde. Die Annahme, dass Vitamin B6 eine bewiesenermaßen effektive Therapie darstellt, ist unrichtig. Ferner ist zu bedenken, dass Ingwer in der Frühschwangerschaft möglicherweise nicht völlig problemlos ist. Zwar liegen keine konkreten Hinweise vor, dass er teratogene Schäden verursacht. Um sicher zu sein, würde man jedoch gern überzeugende Daten sehen. Fazit: Bei Phytos gegen Schwangerschaftserbrechen rate ich zu Zurückhaltung.
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Hebammen aus dem Iran randomisierten 70 Frauen, die an Schwangerschaftserbrechen litten, in zwei Gruppen. Sie erhielten vier Tage lang täglich 1 g Ingwer (frischer Ingwer zermahlen und als Puder verkapselt) oder 40 mg Vitamin B6.
E. Ernst ó ó
J. Ensiyeh, M. A. Sakineh Comparing ginger and vitamin B6 for the treatment of nausea and vomiting in pregnancy: a randomised controlled trial. Midwifery. 2008 Feb 11. doi:10.1016/ j.midw.2007.10.013
Was hilft gegen die Übelkeit in der Schwangerschaft?
– Brustkrebspatientinnen
Entspannungsübungen gegen Hitzewallungen Leiden Frauen mit Brustkrebs an Hitzewallungen, verbietet sich eine Hormontherapie. Möglicherweise lassen sich die unangenehmen Symptome ganz ohne Pharmakotherapie lindern. – Britische Krankenschwestern randomisierten 150 Frauen mit Brustkrebs und Hitzewallungen in zwei Gruppen. Der Experimentalgruppe wurden in einer einzigen Sitzung diverse Entspannungstechniken beigebracht. Anschließend sollten sie die Übungen zu Hause selbstständig durchführen.
MMW-Fortschr. Med. Nr. 46 / 2008 (150. Jg.)
Die Kontrollgruppe erhielt keine derartige Behandlung. Nach einem Monat waren die Inzidenz und die Schwere der Hitzewallungen in der erstgenannten Population vergleichsweise signifikant reduziert. Der Effekt war jedoch kurzlebig: Nach drei Monaten waren keine Gruppenunterschiede mehr zu beobachten.
allerdings, die Patientinnen optimal zu motivieren, sodass sie die Übungen nicht aufgegeben, sobald der Leidensdruck erträglich wird. Ferner fragt man sich natürlich, ob hier spezifische oder unspezifische Effekte im Spiel sind. Für die Patientinnen dürfte das allerdings von nur untergeordneter Bedeutung sein. E. Ernst ó
kommentar: Bei diesen Patienten ist die Hormontherapie kontraindiziert. Guter Rat ist daher häufig teuer. Die hier vorgelegten Daten zeigen, dass eine effektive Behandlung dennoch möglich und nicht einmal teuer ist. Wichtig wäre
ó
D. R. Fenlon, J. L. Corner, J. S. Haviland
A randomized controlled trial of relaxation training to reduce hot flashes in women with primary breast cancer. J. Pain Symptom. Manage. 35 (2008) 397–405
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aktuelle medizin – kritisch gelesen
– Warum sich eine Sekretärin den Arm bandagierte
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Angst vor einem feuchten Keyboard
Extreme Schweißbildung am Unterarm. – Die Sekretärin einer chirurgischen Klinik trug seit langer Zeit an ihrem rechten Unterarm eine Bandage. Sie wusste sich nicht anders zu helfen, da sie seit ungefähr zehn Jahren an einer intermittierend auftretenden heftigen Schweißsekretion im Bereich der
Ulnarseite des rechten Unterarmes litt. Die Schweißbildung war so ausgeprägt, dass sie Sorge hatte, sie würde die Tastatur ihres PCs beschädigen. Im Bereich der Achselhöhlen, der Handflächen und der Fußsohlen war die Schweißsekretion dagegen normal. Auch die neurologische Untersuchung,
eine Elektromyografie und eine Hautbiopsie fielen unauffällig aus. Erst durch die lokale Injektion von Botulinumtoxin A konnte der Frau geholfen werden. Die palmare und plantare Hyperhidrose ist ein gut bekanntes dermatologisches Krankheitsbild, dessen Pathogenese allerdings unklar ist. Sekundäre Hyperhidrosen können bei unterschiedlichen internistischen Erkrankungen wie Endokrinopathien, Neoplasien, aber auch durch eine Reihe von Medikamenten entstehen. H. S. Füeßl ó ó
M. W. G. A. Bronkhorst, L. H. Bouwman (Bronovo Hospital, Bronovolaan 5, 2597 AX Den Haag, Netherlands, e-mail:
[email protected]). Brit. Med. J. 337 (2008) 7667, 468
Schützt Kaffee vor dem Leberkarzinom? Kaffee ist sicherlich das verbreitetste Genussmittel unserer Zeit. Ob regelmäßiger Kaffeekonsum das Risiko für bestimmte Erkrankungen erhöht oder verringert, ist deshalb auch immer wieder Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen. Was das Risiko eines primären Leberkarzinoms anbetrifft, scheint Kaffee aber sogar günstig zu wirken. – Dies ist das Ergebnis einer Studie, die die Relation zwischen dem Kaffeekonsum und dem Risiko eines Leberkarzinoms – und zwar anhand einer Metaanalyse von epidemiologischen Studien – untersuchte. Dabei wurden die Daten von 2260 Patienten mit einem Leberzellkarzinom
mit den von 239146 Kontroll-personen verglichen. Es zeigte sich eine inverse Relation zwischen dem Kaffeekonsum und dem Risiko eines Leberkarzinoms. Der regelmäßige Konsum von zwei Tassen Kaffee täglich führte zu einer 43%igen Reduktion des Risikos, an einem Leberkarzinom zu erkranken.
kommentar: Ist regelmäßiger Kaffeegenuss gut oder schlecht für die Gesundheit? Die Antwort auf diese Frage wird durch die vorliegenden Studienergebnisse um ein kleines Mosaiksteinchen bereichert. Aus kardiovaskulärer Sicht konnte schon früher Entwarnung gegeben werden. Gleiches dürfte wohl auch für die Leber gelten. Nach den vorliegenden Studienergebnissen empfiehlt sich Kaffee somit auch als Alternative zum Alkohol bei Patienten mit einer alkoholtoxischen Leberschädigung. P. Stiefelhagen ó
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Unterstützung bei Promotion / Habilitation. Finden der passenden Professur. www.promotion-d.de Tel.: 0681 / 70 97 689, Fax 0681 / 70 97 691 Prof. Dr. Schweitzer West Promotionshilfe GmbH
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S. C. Larsson, A. Wolk Coffee consumption and risk of liver cancer: A meta-analysis. Gastroenterology 132: 1740–1745
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aktuelle medizin – kritisch gelesen –
Schwere körperliche Tätigkeit schützt Frauen vor Brustkrebs Prospektiv wurden die Beziehungen zwischen schwerer und leichter körperlicher Arbeit und dem Risiko, in der Menopause an Brustkrebs zu erkranken, geprüft.
kommentar: Die Schutzwirkung der hohen körperlichen Belastung wird von den Autoren so erklärt:„Ein gestärktes Immunsystem, reduzierte Entzündungsprozesse im Körper und die geringere Ausschüttung von Wachstumsfaktoren vermitteln über Aktivität den Krebsschutz. Die Beziehung zwischen physischer Aktivität und Brustkrebs wurde nicht über einen bestimmten Hormonrezeptortyp realisiert und war unabhängig von der Körpergewichtskontrolle. K. Malberg ó
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M. F. Leitzmann et al. Prospective study of physical activity and risk of postmenopausal breast cancer. e-published 31 October 2008; Breast Cancer Research 2008, 10:R92; doi:10.1186/bcr2190
Foto: Archiv
– Die Daten von 32 669 in einer Brustkrebsprojektstudie registrierten Frauen wurden ausgewertet. Die körperliche Tätigkeit, einschließlich Berufs-, Haushalts- und Freizeittätigkeit, des Vorjahres wurde in einem Fragebogen als Ausgangsbasis eingeschätzt. Die Postmenopause-Brustkrebsfälle wurden über Eigenberichte, Totenscheine und Verbindungen zu staatlichen Krebsregistern erfasst. Das mit der körperlichen Aktivität assoziierte relative Postmenopause-Brustkrebsrisiko und die 95%-Konfidenzintervalle wurden mit der COX-proportionalen Risikenregression berechnet. Im Verlaufe der Beobachtungszeit von 1987 bis 1989 wurden 1506 neue Brustkrebsfälle gesichert. Frauen, die sich beim Sport oder bei körperlichen Arbeiten verausgabten, erkrankten signifikant seltener an Brustkrebs. Ob die intensive Tätigkeit im Joggen oder im Fußbodenschrubben bestand, war gleichgültig. Wenn sie sich regelmäßig dabei verausgabten, hatten sie ein um 30% niedrigeres Brustkrebsrisiko als
Frauen, die sich körperlich wenig betätigten. Für leichte Hausarbeit beziehungsweise mäßigen Sport konnte keine eigenständige Schutzfunktion festgestellt werden. Und während der Risikofaktor Bewegungsarmut dicke und dünne Frauen gleichermaßen betraf, galt der Krebsschutz durch intensive körperliche Aktivität nur für schlanke Frauen. Übergewichtige profitierten in dieser Hinsicht nicht von der körperlichen Anstrengung.
Schutzwirkung vor Brustkrebs tritt erst bei hoher körperlicher Anstrengung ein.
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aktuelle medizin – kritisch gelesen
Seitensprünge werden von Männern eher bemerkt Ein Seitensprung des Partners bleibt nur selten unentdeckt. Wie eine Studie zeigt, haben Frauen einen sehr guten Riecher für die Untreue ihrer Männer. Aber Männer sind in dieser Hinsicht sogar noch besser. – An 203 junge, heterosexuelle Paare wurden vertrauliche Fragebögen verschickt. Die Probanden sollten darin angeben, ob sie selbst fremdgegangen sind und ob sie bei ihrem Partner Seitensprünge vermutet oder sogar entdeckt hatten. Seitensprünge gaben 29% der Männer und 18,5% der befragten Frauen zu. Die Frauen konnten die Treue ihres
Partners in 80% der Fälle richtig einschätzen. Die Männer waren mit einer Trefferquote von 94% aber noch besser. Männer entdeckten 75% der in der Befragung zugegebenen Seitensprünge selbst, die Frauen dagegen nur 41%. Generell waren die Männer misstrauischer als die Frauen. Sie vermuteten deshalb oft falsch positiv Untreue bei ihrem Partner.
kommentar: Komplexe statistische
dieser Angelegenheit die besseren Lügner. Männer können sich nie sicher sein, ob das Kind ihrer Partnerin tatsächlich von ihnen ist, weiß schon ein Sprichwort aus dem alten Rom. Das macht Männer generell misstrauischer und lässt sie ein Gespür dafür entwickeln, ob die Partnerin betrügt oder nicht. K. Malberg ó
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Analysen weisen darauf hin, dass auf die niedrigen Untreueprozente der Frauen 10% aufzuschlagen sind, wodurch die ursprünglichen Untreuedifferenzen aufgehoben werden. Die Frauen sind in
P. W. Andrews et al. (Virginia Institute for Psychiatric and Behavioral Genetics, Virginia Commonwealth University, P.O.Box 980126, Richmond, VA 23298-0126, USA; E-mail:
[email protected]) Sex differences in detecting sexual infidelity. Human Nature (Springer New York) 2008; 19(4):347–373; doi 10.1007/s12110-008-9051-3
– Durchfall und Verstopfung im Wechsel
Dünndarmsteine Abb.) und eine kleine Dünndarmstriktur (Pfeilspitze in Abb. A). Bei der chirurgischen Exploration stellte sich ein 20 cm langer Abschnitt des Ileums mit hochgradiger entzündlicher Reaktion, zwei Divertikeln und einer Striktur dar (Abb. C, Pfeil). In den Divertikeln fanden sich multiple Steine. Dieser Ileumabschnitt wurde reseziert. Bei der pathologisch-anatomischen Untersuchung ergab sich eine primäre Enterolithiasis des Dünndarms mit einer Striktur. Die Patientin erholte sich ohne weitere Komplikationen. Die primäre Dünndarm-Enterolithiasis ist eine seltene Erkrankung im Zu-
sammenhang mit Enteritiden und Strikturen. Sie tritt am häufigsten bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen und Adhäsionen auf. Im Bereich der Engstellen können sich multiple Steine ausbilden, die ileusartige Zustände hervorrufen können und i.d.R. eine chirurgische Intervention erfordern. H. S. Füeßl ó
ó
R. L. Wroblewski, R. P. Sticca (University of North Dakota School of Medicine, Grand Forks, ND 58203, e-mail:
[email protected]): Primary small-bowel enterolithiasis. New Engl. J. Med. 359 (2008) 12, 1271
Fotos (3): NEJM 359 (2008) 12, 1271
– Eine 53-jährige Frau hatte seit zwei Jahren immer wieder einmal Bauchschmerzen sowie Episoden von Durchfall und Verstopfung im Wechsel. Anamnestisch war bemerkenswert, dass bei der Patientin eine kongenitale Analatresie vorlag, die eine Kolostomie unmittelbar nach der Geburt und eine Reanastomose im Alter von zwei Jahren erforderlich machten. In einer Kontrastmitteldarstellung (Abb. A) und einer CT (Abb. B) des oberen Gastrointestinaltrakts zeigten sich multiple Füllungsdefekte (Pfeile in beiden
Kontratsmittteldarstellung (A), CT (B) und Operationssitus (C).
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MMW-Fortschr. Med. Nr. 46 / 2008 (150. Jg.)
Foto: Rumpenhorst/dpa/picture alliance
aktuelle medizin – kritisch gelesen –
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Demenz kann eine Spätfolge von Hypertonie sein.
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Antihypertensiva bremsen die Entwicklung einer Demenz Hypertonie erhöht nach zahlreichen epidemiologischen Studien das Risiko für eine Demenz. Trendmäßig belegt eine neue Studie, dass antihypertensive Therapie vor Demenz schützt, doch Signifikanz wird erst durch die Analyse aller bisherigen Studien erreicht. – In der doppelblinden HYVET-Studie erhielten 3845 Hypertoniker jenseits des 80. Lebensjahres nach Zufallskriterien Indapamid und zusätzlich eventuell Perindopril oder Placebo. Die Behandlung führte zu einem mittleren Blutdruckabfall von 15/6 mmHg und nach zwei Jahren zu einem deutlichen Rückgang von Schlaganfällen, Gesamtmortalität, Todesfällen aus kardiovaskulärer Ursache und Herzinsuffizienz (s. MMW 41/08, S. 26). Von diesen Patienten konnten 1649 der Placebo- und 1687 der Behandlungsgruppe mit dem Mini-MentalStatus-Test im Verlauf von 2,2 Jahren untersucht werden. Eine Demenz (Abfall des MMSE-Score unter 24) trat bei 38 bzw. 33 Fällen pro 1000 Patienten in der Placebo- bzw. Behandlungsgruppe auf. Dieser relative Rückgang von 15% war nicht signifikant. In einer Metaanalyse mit drei anderen Studien
MMW-Fortschr. Med. Nr. 46 / 2008 (150. Jg.)
(PROGRESS, Syst-Eur und SHEP) ergab sich jedoch ein signifikanter Rückgang von Demenzfällen um 13%.
kommentar: Die Hypertonie hat direkt druckabhängige Folgen (z.B. Herzinsuffizienz, Hirnblutung), begünstigt aber vor allem über arteriosklerotische Veränderungen kardiale, zerebrale und renale Komplikationen. Im zerebralen Bereich sind es vor allem die gefürchteten ischämisch bedingten Schlaganfälle. Schon vor knapp 40 Jahren haben kontrollierte Studien erstmals nachweisen können, dass eine antihypertensive Therapie Schlaganfälle verhindert. Die Spätfolgen Hirnleistungsstörungen und Demenz – lange übersehen und vernachlässigt – zeichnen sich durch ein eher diffuses pathologisches Substrat und eine langsame Entwicklung aus. Es bedarf einer langen und kontinuierlichen Therapie, um sie zu verhindern. Deshalb hat es lange gedauert, bis der Wirksamkeitsnachweis der antihypertensiven Therapie auf diese Hochdruckfolgen gelang. H. Holzgreve ó ó
R. Peters et al. Incident dementia and blood pressure lowering in the hypertension in the very elderly trial cognitive function assessment (HYVETCOG): a double-blind, placebo controlled trial. Lancet Neurol. 7 (2008) 683–689
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