Übersichten Z Gerontol Geriat DOI 10.1007/s00391-017-1231-5 Eingegangen: 23. Dezember 2016 Überarbeitet: 27. März 2017 Angenommen: 30. März 2017 © Springer Medizin Verlag GmbH 2017
S. Richter
· J. M. Glöckner · B. Blättner
Fachbereich Pflege und Gesundheit, Hochschule Fulda, Fulda, Deutschland
Psychosoziale Interventionen in der stationären Pflege Systematische Übersicht des Effekts universeller und selektiver Prävention auf die psychische Gesundheit
Pflegekassen sollen in der stationären Altenpflege Leistungen der Prävention und Gesundheitsförderung erbringen, die über eine aktivierende Pflege hinausgehen (§ 5 SBV XI). Ein vom Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenkassen entwickelter Leitfaden legt Kriterien dafür fest. Eines der vorgesehenen Handlungsfelder ist die Stärkung der psychosozialen Gesundheit, denn Multimorbidität, demenzielle Veränderungen und die Aufgabe eines selbstständigen Lebens können mit einer Verschlechterung des psychischen Wohlbefindens verbunden sein [5]. Die Weltgesundheitsorganisation definiert psychische Gesundheit als den Zustand des Wohlbefindens, in dem der Einzelne seine Fähigkeiten ausschöpft, die normalen Lebensbelastungen bewältigt, produktiv und fruchtbar tätig sein kann und imstande ist, etwas zu seiner Gemeinschaft beizutragen [9]. Psychische Gesundheitlässtsichdamitals derTeil gesundheitsbezogener Lebensqualität verstehen, der sich auf mentales Wohlbefinden und Funktionalität bezieht. Das Robert Koch-Institut misst psychische Gesundheit bei Erwachsenen mit dem Mental Health Inventory (MHI-5), einem international bewährten generischen Instrument, das danach fragt, wie oft Menschen in den letzten 4 Wochen sehr nervös, ruhig und gelassen, entmutigt und traurig oder glücklich waren oder so nie-
Studienregistrierung: PROSPERO CRD42016050452
dergeschlagen, dass sie nichts aufheitern konnte [7]. Wenn es um ältere, pflegebedürftige Menschen geht, dann macht es angesichts hoher Prävalenzen demenzieller Störungen Sinn, nur die emotionale Komponente psychischer Gesundheit zu erfassen, die Ergebnisse der Studien aber nach dem Ausmaß kognitiver Einschränkungen zu differenzieren. Die Prävention kognitiver Beeinträchtigungen ist ein eigenes Handlungsfeld der Prävention in der stationären Pflege [5], die Wirksamkeit entsprechender Maßnahmen muss getrennt von der zur Verbesserung psychischer Gesundheit nachgewiesen werden. Aktuelle Daten zur Prävalenz psychischer, nichtkognitiver Erkrankungen oder psychosozialer Befindlichkeitsstörungen von stationär Pflegebedürftigen in Deutschland liegen nicht vor. Rückschlüsse auf den Präventionsbedarf sind deshalb allenfalls indirekt möglich. Nach einer retrospektiven pharmakoepidemiologischen Beobachtungsstudie auf der Grundlage von Routinedaten einer Betriebskrankenkasse in Berlin (n = 3592) erhielten 61 % der Heimbewohner ab 60 Jahren gegenüber 28,3 % Nichtpflegebedürftiger der gleichen Altersgruppe Psychopharmaka (p < 0,001). Neuroleptika (40,1 %) wurden in den Heimen besonders häufig eingesetzt. Antidepressiva erhielten 15,0 % der Bewohner [14]. Dies deckt sich weitgehend mit Daten der Münchner Heimaufsicht [11], nach denen 50 % der stationär Pflegebedürftigen Psychopharmaka als Dauermedikation erhalten und 10 % als Bedarfsmedi-
kation. Nach Einschätzungen des Robert Koch-Instituts ist von einer Prävalenz depressiver Symptome von bis zu 50 % der Heimbewohnerinnen und Heimbewohner und von schwerer Depression von 15 bis 20 % auszugehen [17]. In einer Befragung von 256 hinreichend kommunikationsfähigen Heimbewohnern in Nürnberg (80 Männer, 176 Frauen) wiesen 50 % der Männer und 42 % der Frauen eine depressive Symptomatik auf, 21,8 % der Männer und 12,9 % der Frauen berichteten von einem schlechten bis sehr schlechten Wohlbefinden [3]. In der Studie wurden Selbstangaben zur Häufigkeit körperlicher, psychischer und sozialer Aktivitäten und zu subjektiver Gesundheit, regelmäßigen Schmerzen, depressiver Stimmung und allgemeinem Wohlbefinden kombiniert. Geistige Aktivitäten (r = –0,180; p = 0,007) zeigten einen hochsignifikanten Zusammenhang mit der emotionalen Befindlichkeit. Insgesamt war die Teilnahme an Heimaktivitäten positiv korreliert mit der Lebenszufriedenheit (r = 0,171; p = 0,008), auch unabhängig von der kognitiven Leistungsfähigkeit der Bewohnenden; Lebenszufriedenheit korrelierte mit der emotionalen Aktivität (r = 0,136; p = 0,038) und der depressiven Verstimmung (r = –0,617; p < 0,001) [3]. Aussagen zur Wirksamkeit psychosozialer Interventionen lassen sich aus solchen Querschnittsstudien allerdings nicht ableiten. Erkenntnisse aus synthetisierter Evidenz über die Wirksamkeit von psychosozialen Interventionen im Setting der Zeitschrift für Gerontologie und Geriatrie
Übersichten stationären Pflege stehen bisher nur sehr eingeschränkt zur Verfügung. Die identifizierten Sekundärstudien fokussieren nicht das Setting der stationären Pflege [4], sondern betrachten ausschließlich Erinnerungstherapien als Interventionsart [18] oder konzentrieren sich auf die Förderung der Lebensqualität der Zielgruppe mit sehr heterogenen, sich überschneidenden und nur teilweise als psychosozial zu bezeichnenden Interventionen [16] und weisen z. T. ein hohes Verzerrungspotenzial auf [16, 18]. Pflegekassen sind gefordert, ihre Leistungen nach dem Prinzip der Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit zu erbringen (§ 29(1) SGB V), müssen also nach Evidenz fragen. Zudem sollen die Leistungen der Prävention von Leistungen der aktivierenden Pflege abgegrenzt sein (§ 5(1) SGB XI; § 11(1) SGB XI). Maßnahmen sollen alle Bewohnerinnen und Bewohnern des Settings oder zumindest Gruppen davon betreffen und mit weniger spezifischen Maßnahmen als den am individuellenPflegeprozess orientiertenPflegeinterventionen viele Menschen erreichen [5]. Diese Unterscheidung entspricht der Differenzierung in universelle, selektive und indizierte Prävention [6]: Universelle Prävention bezieht sich auf die gesamte Zielgruppe des Settings, selektive auf Teilgruppen, die besondere Risiken aufweisen. Indizierte Prävention umfasst Einzeltherapien und Interventionen bei diagnostizierter Depression oder anderen psychischen Erkrankungen. Es interessiert, inwieweit psychosoziale Interventionen der universellen oder selektiven Prävention in der stationären Pflege die psychische Gesundheit Pflegebedürftiger stärken können.
Methodik Ältere, pflegebedürftige Menschen, die stationär versorgt werden, wurden als relevante Zielgruppe festgelegt. Als psychosoziale Interventionen wurden Aktivitäten definiert, die primär die soziale Teilhabe oder soziale Interaktion betreffen und über diese soziale Interaktion das emotionale Wohlbefinden erhalten wollen. Dazu gehören 3 in Übersichtsarbeiten und Studien identifizierte Maßnahmen: die Aktivierung von ErinnerunZeitschrift für Gerontologie und Geriatrie
gen – in einer Gruppe (Reminiszenztherapie), gemeinsame Freizeitaktivitäten wie z. B. Musik, Lesen oder Gartenarbeit, sowie Aktivitäten, die gesellschaftliche Teilhabe fördern sollen. Einzelinterventionen oder Therapieformen (indizierte Prävention) wurden von der Betrachtung ausgeschlossen. Maßnahmen, die primär auf körperliche Aktivität abzielten, wurden aufgrund potenziell anderer Wirkungswege körperlicher Aktivität auf die psychische Gesundheit ebenfalls ausgeschlossen, obwohl sie zweifelsfrei auch soziale Interaktionen aufweisen. Die Definition der patientenrelevanten Endpunkte wurde vorab nicht festgelegt: Infrage kamen psychische Erkrankungen oder Indikatoren für psychische Gesundheit. Im November 2016 erfolgte eine systematische Literaturrecherche in den Datenbanken MEDLINE, Embase, CINAHL, The Cochrane Library und PsycINFO, die durch eine Handsuche in Google Scholar und in Referenzlisten relevanter Studien ergänzt wurde. Verwendete Suchbegriffe sind Synonyme, die sich auf das Setting, die Intervention und die Wirkung auf psychische Gesundheit oder Krankheit bezogen. Es erfolgte eine Limitierung auf deutsche und englische Veröffentlichungen; keine Limitierung des Publikationszeitraumes. Berücksichtigt wurden primäre Interventionsstudien, mit und ohne Kontrollgruppe. Einschlusskriterien bezogen sich auf das Setting der stationären Pflege, die Zielgruppe pflegebedürftiger Menschen und die Ausrichtung auf universelle oder selektive Prävention. Ausgeschlossen wurden Studien mit Interventionen, die nicht auf die psychosoziale Situation der Betroffenen abzielen, individuelle Aktivitäten oder Therapien darstellen oder nicht deren Wirksamkeit untersuchen. Das Verzerrungsrisiko wurde mithilfe von GRADE (Grading of Recommendations, Assessment, Development and Evaluation) [10], einem Ansatz zur Qualitätsbewertung der Evidenz, beurteilt. In die Bewertung flossen die Kriterien Generierung der Randomisierungssequenz, verdeckte Gruppenzuteilung, Verblindung von Studienteilnehmenden und Studienpersonal, Verblindung
der Endpunkterhebenden, unvollständige Ergebnisdaten, selektives Berichten sowie andere Ursachen systematischer Fehler ein. Die Einteilung der Studienqualität erfolgte in 1 oder 2 Punkte für eine schlechte, 3 oder 4 Punkte für eine moderate und 6 oder 7 Punkten für eine hohe Qualität. Alle Schritte des Suchprozesses, der Datenselektion und -extraktion sowie der Bewertung erfolgten von 2 voneinander unabhängig arbeitenden Autorinnen. Diskrepanzen wurden durch eine gemeinsame Konsensfindung ggf. unter Hinzuziehung der 3. Autorin gelöst. Die jeweiligen Suchstrings, mit entsprechender Anpassung der Syntax auf die Datenbank sowie eine Tabelle der ausgeschlossenen Volltexte mit Angabe des Ausschlussgrunds können bei der korrespondierenden Autorin angefragt werden. Aufgrund einer hohen Heterogenität der Art der psychosozialen Interventionen und der relevanten Endpunkte und Messinstrumente, die in den identifizierten Primärstudien verwendet wurden, konnte die Durchführung einer Metaanalyse methodisch und inhaltlich nicht gerechtfertigt werden. Die Ergebnisse der eingeschlossenen Studien wurden deshalb in einer qualitativen Evidenzsynthese für die jeweiligen Interventionen aufbereitet. Aus dem gleichen Grund konnte keine formale Prüfung über das Vorliegen eines „publication bias“ mittels eines „funnel plot“ durchgeführt werden.
Ergebnisse Identifizierte Studien Nach dem Ausschluss von 184 Duplikaten konnten 426 Artikel identifiziert werden, von denen sich im Screening von Titel und Abstract 397 als irrelevant erwiesen. Sieben weitere Artikel aus Referenzlisten wurden in die Volltextsuche einbezogen. Neun Studien entsprachen den Ein- und Ausschlusskriterien. Zwei Studien mussten, trotz Kontaktaufnahme mit den Autoren, aufgrund fehlender Informationen ausgeschlossen werden. Die 7 identifizierten Primärstudien fokussieren heterogene Interventionen, die
Zusammenfassung · Abstract Z Gerontol Geriat DOI 10.1007/s00391-017-1231-5 © Springer Medizin Verlag GmbH 2017 S. Richter · J. M. Glöckner · B. Blättner
Psychosoziale Interventionen in der stationären Pflege. Systematische Übersicht des Effekts universeller und selektiver Prävention auf die psychische Gesundheit Zusammenfassung Hintergrund. Zu der Wirksamkeit psychosozialer Intervention in der stationären Pflege zur Verbesserung der psychischen Gesundheit Pflegebedürftiger liegen keine hinreichenden Erkenntnisse aus synthetisierter Evidenz vor. Methodik. Es erfolgte eine systematische Recherche in den Datenbanken MEDLINE, The Cochrane Library, EMBASE, CINAHL, PsycINFO sowie eine Handsuche in Google Scholar und in Referenzlisten. Ausgeschlossen wurden Studien, die körperliche oder individuelle Aktivitäten oder Therapie oder andere Personengruppen und Settings fokussierten. Die Heterogenität der Studien erlaubte keine Metaanalyse. Ergebnisse. Es wurden 7 Primärstudien eingeschlossen, deren Interventionen
den Interventionsarten Aktivierung von Erinnerungen, Freizeitaktivitäten und gesellschaftliche Teilhabe zugeordnet wurden. Die Studienqualität war insgesamt eher gering. Positive Effekte im Vergleich zur üblichen Versorgung oder alternativen Interventionen von Erinnerungstherapien oder Freizeitaktivitäten auf depressive Symptome, fremdeingeschätzte und selbstberichtete Lebensqualität oder Lebenszufriedenheit waren nicht signifikant. Das Ausbleiben der Maßnahmen führte zur Verschlechterung depressiver Symptome bei Bewohnern mit Demenz. Freizeitaktivitäten in Gruppen führten im Vergleich zur Erinnerungsaktivierung zu einer Verbesserung des Wohlbefindens. Eine Intervention zur gesellschaftlichen Teilhabe
führte zur Steigerung des Wohlbefindens und zu einem verminderten Auftreten depressiver Symptome. Diskussion. Es besteht ein erheblicher Bedarf an konzeptionell-theoretischer Arbeit und an Forschung zur Wirksamkeit von psychosozialen Interventionen, insbesondere zur Stärkung der Partizipation von Pflegebedürftigen in stationären Einrichtungen. Schlüsselwörter Stationäre Pflege · Prävention · Psychische Gesundheit · Psychosoziale Interventionen · Pflegebedürftige
Psychosocial interventions in inpatient care. Systematic review of the effectiveness of universal and selective prevention on mental health Abstract Background. There are no sufficient findings from synthesized evidence for the effectiveness of psychosocial interventions to improve mental health in inpatient care. Methods. A systematic literature search in the databases of MEDLINE, The Cochrane Library, EMBASE, CINAHL, and PsycINFO was carried out, as well as a manual search in Google Scholar and reference lists. Studies which focused on physical or individual activities or therapy or other groups and settings were excluded. The heterogeneity of the studies did not allow meta-analysis.
von den Autorinnen 3 Interventionsarten zugeordnet wurden: der Aktivierung von Erinnerungen, Freizeitaktivitäten und der Förderung gesellschaftlicher Teilhabe. Die Kontrollgruppe erhielt in der Regel die übliche Versorgung, in 2 Studien [2, 8] eine andere Intervention (. Tab. 1). Als Endpunkte wurden das selbstberichtete Auftreten depressiver Symptome, selbstberichtete oder fremdeingeschätzte Lebensqualität oder Lebenszufriedenheit, selbstberichtetes Selbstwertgefühl und selbstberichtetes Wohl-
Results. Seven primary studies were included, whose interventions were assigned to the intervention types activation of memories, leisure activities, and social participation. Overall, the quality of studies was rather low. Compared to usual care or the alternative interventions of memory therapy or leisure activities, the positive effects on depressive symptoms, as well as externally assessed and self-reported quality of life or life satisfaction, were not significant. The absence of these measures lead to deterioration of depressive symptoms among residents with dementia.
befinden, Letzteres oft als Kombination der Endpunkte Lebensqualität und depressive Symptome, beschrieben. Die für die jeweiligen Endpunkte verwendeten Messinstrumente differieren zwischen den Studien (. Tab. 2). Die methodische Gesamtgüte der eingeschlossenen Studien wurde überwiegend als niedrig eingestuft. Oft wurden auch Ergebnisse unvollständig angegeben. Zwei Studien [2, 12] erreichten eine hohe Gesamtgüte mit geringem Verzerrungspotenzial (. Tab. 3).
In contrast to memory activation, common leisure activities led to an improvement in wellbeing. One intervention for social participation increased wellbeing and reduced the occurrence of depressive symptoms. Conclusion. There is a considerable need for conceptual-theoretical work and research on the effectiveness of psychosocial interventions, particularly for raising participation among persons in inpatient care facilities. Keywords Inpatient care · Prevention · Mental health · Psychosocial intervention · Person in care
Ergebnisse nach Art der Interventionen Die Aktivierung von Erinnerungen stationär Pflegebedürftiger wurde in 2 RCT [8, 12] und einer quasiexperimentellen Studie [1] untersucht. Während die Interventionen von 2 Studien [1, 8] universell-präventiv Bewohnergruppen ansprechen, beschreibt die 3. Studie ein strukturiertes Bildungsprogramm für Pflegepersonal zur Durchführung gruppenbasierter Interventionen für Pflegeheimbewohner mit Demenz. Eine signifikante Zeitschrift für Gerontologie und Geriatrie
Übersichten Tab. 1 In den Studien untersuchte Interventionen und Vergleiche Erstautor (Jahr) Intervention Interventionsgruppe
Interventionsdauer, Dauer, Frequenz
Vergleichsgruppe
Aktivierung von Erinnerungen Chao et al. (2006) [1]
Aktivierung von Erinnerungen als Gruppenaktivität Teilen von vergangenen Events, wobei die Themen vorgegeben wurden; unterstützende Materialien (Fotos oder Zeitschriften; alte Melodien)
Übliche Versorgung, nicht genauer definiert
Interventionsdauer: 9 Wochen Dauer: 60 min Frequenz: einmal/Woche Gruppengröße: 10 Personen
Haslam et al. (2010) [8]
Aktivierung von Erinnerungen als Gruppenaktivität Herstellen von Verbindungen zwischen Vergangenheit und Gegenwart; Gespräche; Aufzeigen von Objekten aus der Vergangenheit; Themen z. B. Kindheit, Schulzeit, Familienleben
Kegeln als Gruppenaktivität mit anschließenden Gesprächen über die Performance der Teilnehmer Individuelle Aktivierung von Erinnerungen mit identischen Inhalten wie bei der Gruppenaktivität
Interventionsdauer: 6 Wochen Dauer: 30 min Frequenz: einmal/Woche Gruppengröße: max. 5 Personen
O’Shea et al. (2014) [12]
Strukturiertes Bildungsprogramm für Pflegepersonal zur Durchführung von Maßnahmen zur Aktivierung von Erinnerungen Programm folgt Grundsatz der Partizipation und des „empowerment“ von Pflegenden; es beruht auf einem strukturierten personenzentriertem Plan
Übliche Versorgung, nicht genauer definiert
Interventionsdauer: 3 Tage Bildungsprogramm Frequenz der Therapie: einbis 4-mal/Woche
Cooke et al. (2010) [2]
Live-Musik (bekannte Lieder + Instrumentalmusik) Gespielt von 2 Musikanten an 3 Vormittagen; Teilnehmende sollen durch Singen, Instrumentespielen und durch Bewegung aktiv teilnehmen; nach 8 Wochen wechselte die Kontroll- in die Interventionsgruppe und umgekehrt (5 Wochen „Washout“-Periode zwischen den Wechseln)
Lesegruppe; geführt durch einen trainierten Forschungsassistenten (lesen, vorlesen, Rätsel lösen, Witze erzählen)
Interventionsdauer: 8 Wochen Dauer: 40 min Frequenz: 3-mal/Woche Gruppengröße: Gruppe A max. 16; Gruppe B max. 9
Phillips et al. (2011) [13]
Gruppenbasiertes Geschichtenerzählprogramm (The TimeSlip) In einer Gruppe werden Geschichten erzählt. Die Geschichten beruhen auf eigener Kreativität und nicht auf Erinnerungen. Unterstützende Materialien wie lustige oder inszenierte Fotos
Übliche Versorgung, nicht genauer definiert
Interventionsdauer: 6 Wochen Dauer: 60 min Frequenz: 2-mal/Woche Gruppengröße: 6 bis 12 Bewohner
Tse (2010) [15]
Indoor-Gartenprogramm Folgte einem 8-wöchigen Plan (Beginn: Auswahl und Säen von Samen; Verlauf: Bewässerung, generelle Versorgung; Festhalten ihrer Aktivitäten mit Fotos in Tagebüchern); wöchentliche Diskussion der Versorgung und Fortschritte gemeinsam mit den Forschenden
Übliche Versorgung, nicht genauer definiert
Interventionsdauer: 8 Wochen
Bewohner als freiwillige Mentoren für Englisch als Fremdsprache tätig Der Unterricht für Personen im Alter von 18 bis 44 Jahren umfasste Themen wie Aussprache, Vokabeln und den korrekten Gebrauch der Sprache Unterstützt wurde das Programm durch 2 EnglischLehrer
Übliche Versorgung, nicht genauer definiert
Interventionsdauer: 12 Wochen Dauer: 60 min Frequenz: 2-mal/Woche
Freizeitaktivitäten
Gesellschaftliche Teilhabe Yuen et al. (2008) [19]
Verbesserung im Auftreten depressiver Symptome im Vergleich zu den Kontrollen (p = 0,432) konnte nicht gezeigt werden [1]. In der Studie mit demenziell Erkrankten trat allerdings eine signifikante Verschlechterung in der Kontrollgruppe mit üblicher Versorgung auf (–1,33 [95 %-KI: –3,04; –0,36], p = 0,03). Auch auf die fremdeingeschätzte (1,14 Zeitschrift für Gerontologie und Geriatrie
[95 %-KI: –1,35; 3,62], p = 0,35) und auf die selbstberichtete Lebensqualität (3,54 [95 %-KI: –0,83; 7,90], p = 0,1) oder Lebenszufriedenheit (p = 0,245) waren keine signifikanten Effekte nachweisbar [1, 12]. Lediglich in einer „Per-protocol“Analyse von O’Shea et al. [12] fanden sich signifikante Unterschiede (5,22 [95 %-KI: 0,11; 10,34], p = 0,04). Gruppenbasier-
te (p ≤ 0,04) oder individuelle Interventionen zur Aktivierung (p ≤ 0,03) der Erinnerung wiesen einen signifikant geringeren Effekt auf die Verbesserung des Wohlbefindens (Lebensqualität und depressive Symptome) auf als gemeinsame Freizeitaktivitäten [8]. Für das Selbstwertgefühl konnte eine signifikante Verbesserung durch Interventionen zur Ak-
Tab. 2 Studienpopulation, Endpunkte und Messinstrumente Erstautor (Jahr) Studienpopulation Studientyp Aktivierung von Erinnerungen Chao et al. (2006) [1] Quasiexperimentelle Pilotstudie
Haslam et al. (2010) [8] RCT
O’Shea et al. (2014) [12] RCT
Freizeitaktivitäten Cooke et al. (2010) [2] „RCT cross-over design“
Phillips et al. (2011) [13] Quasiexperimentelle Pilotstudie
Tse (2010) [15] Quasiexperimentelle Studie
Relevante Endpunkte
Messinstrument
Gesamt: n = 24 I: n = 12 K: n = 12 Zielgruppe: ältere Pflegeheimbewohner Einrichtung: stationäres Pflegheim n = 1
Selbstwertgefühl
Rosenberg Self-Esteem Survey (RSE)
Lebenszufriedenheit
Quality of Life Index (QLI)
Depression
Geriatric Depressive Scale – Short Edition (GDS-S)
Gesamt: n = 115 I: n = 41 K 1: n = 40 K 2: n = 34 Zielgruppe: Pflegeheimbewohner Einrichtung: Pflegeheim n = 9
Wohlbefinden
Hospital Anxiety and Depression Scale (HADS) Life Improvement Scale Quality of Life Change Scale
Gesamt: n = 304 I: n = 153 K: n = 151 Zielgruppe: Langzeitbewohner mit Demenz Einrichtung: Öffentliche und private Langzeitpflegeeinrichtung n = 18
Lebensqualität
Quality of Life in Alzheimer’s Disease scale (QoL-AD)
Depression
Cornell Scale for Depression in Dementia (DSDD)
Gesamt: n = 47 I: n = 24 (cross-over n = 23) K: n = 23 (cross-over n = 23) Zielgruppe: ältere Personen mit Demenz Einrichtung: Assistierte Pflegeeinrichtung („low care“) n = 1 Stationäre Pflegeeinrichtung („high care“) n = 1
Lebensqualität
Dementia Quality of Life (DQOL)
Depressionen
Geriatric Depressive Scale Short Edition (GDS-S)
Depression
The Hospital Anxiety and Depression Scale (HADS)
Gesamt: n = 56 I: n = 28 K: n = 28 Zielgruppe: Langzeitpflegebewohner mit Demenz Einrichtung: Stationäre Pflegeeinrichtung n = 4 Assistierte Einrichtung n = 2
Depressionen
Cornell Scale for Depression in Dementia (DSDD)
Lebensqualität
Quality of Life in Alzheimer’s Disease Scale (QoL-AD)
Gesamt: n = 55 I: n = 28 K: n = 27 Zielgruppe: Ältere Pflegeheimbewohner Einrichtung: Stationäres Pflegeheim n = 4
Lebenszufriedenheit
Life Satisfaction Index–A Form
Gesamt: n = 39 I: n = 20 K: n = 19 Zielgruppe: Bewohner aus Einrichtungen der Langzeitpflege Einrichtung: Stationäres Pflegeheim n = 1 Betreute Wohneinrichtung n = 3 Assistierte Einrichtung n = 1
Wohlbefinden (Lebenszufriedenheit + Depression)
Geriatric Depression Scale (GDS) Life Satisfaction Index-A (LSI-A)
Quality of Life in Alzheimer’s Disease Scale (QoL-AD)
Gesellschaftliche Teilhabe Yuen et al. (2008) [19] Quasiexperimentelle Studie
RCT randomized controlled trial, I Interventionsgruppe, K Kontrollgruppe
Zeitschrift für Gerontologie und Geriatrie
Übersichten Tab. 3 Verzerrungsrisiko der eingeschlossenen Primärstudien Erstautor (Jahr) RandomiVerdeckte Verblindung sierung Gruppenzu- Teilnehmende Endpunktteilung und Personal erhebende
Unvollständige Ergebnisdaten
Selektives Berichten
Andere Ursachen
Gesamtgüte
Chao et al. (2006) [1]
–
–
–
–
–
+
+
Niedrig
Cooke et al. (2010) [2]
+
+
–
+
+
–
+
Hoch
Haslam et al. (2010) [8]
?
–
–
–
+
–
+
Niedrig
O’Shea et al. (2014) [12]
+
+
–
+
+
+
+
Hoch
Phillips et al. (2011) [13]
–
–
–
–
–
+
+
Niedrig
Tse (2010) [15]
–
–
–
–
–
+
+
Niedrig
Yuen et al. (2008) [19]
?
?
–
?
–
?
+
Niedrig
+ niedriges Verzerrungsrisiko, – hohes Verzerrungsrisiko, ? unklares Verzerrungsrisiko
tivierung von Erinnerungen bei Pflegeheimbewohnern gezeigt werden (+4,73; p = 0,001) ([1]; . Tab. 4). Ein RCT und 2 quasiexperimentelle Studien befassten sich mit Freizeitaktivitäten, wie einem Indoor-Gartenprogramm über 8 Wochen als universelle Prävention [15], einem Geschichtenerzählprogramm (The TimeSlip) in Gruppen über 6 Wochen [13] und einem LiveMusik-Unterhaltungsprogramm über 8 Wochen im Vergleich zu einer Lesegruppe [2], jeweils selektiv für demenziell Erkrankte. Eine signifikante Verbesserung depressiver Symptome konnte nicht gezeigt werden (p > 0,05), allerdings zeigten sich auch hier signifikant schlechtere Werte (p < 0,01) in der Kontrollgruppe 4 Wochen nach der Intervention [2, 13] bei demenziell Veränderten. Mit dem Erzählprogramm konnten keine signifikanten Effekte (p > 0,05) auf die selbst oder fremdberichtete Lebensqualität erreicht werden [13]; eine Überlegenheit des Live-Musik-Programms zur Lesegruppe konnte ebenfalls nicht gezeigt werden [2]. Lediglich die Lebenszufriedenheit der Teilnehmenden des Indoor-Gartenprogramms stieg signifikant an (+4,00; p < 0,05) ([15]; . Tab. 4). Eine quasiexperimentelle Studie befasste sich mit einer Intervention zur gesellschaftlichen Teilhabe. Sie untersuchte die Auswirkungen einer freiwilligen Mentorentätigkeit auf das Wohlbefinden von Bewohnenden aus Einrichtungen der Langzeitpflege [19]. Es konnten statistisch signifikante Gruppenunterschiede im Wohlbefinden (Lebenszufriedenheit und depressive Symptome) von der Basiserhebung bis nach der Intervention Zeitschrift für Gerontologie und Geriatrie
(p = 0,047) und von der Basiserhebung bis zum Follow-up von 3 Monaten (p = 0,029) beobachtet werden. Die Teilnehmenden der Interventionsgruppe berichteten nach der Intervention und nach einem Follow-up von 3 Monaten über eine höhere Lebenszufriedenheit und geringere depressive Symptome als Bewohner, die die übliche Versorgung erhielten (. Tab. 4).
Diskussion Interpretation der Ergebnisse Die untersuchten universell und selektiv präventiven Interventionen zur Förderung psychosozialer Gesundheit scheinen bei einer insgesamt geringen Studienqualität und unklarem Publikationsbias nur geringe positive Effekte im Vergleich zur einer üblichen Versorgung oder alternativen Interventionsformen hervorzubringen. Eine Differenzierung der Ergebnisse für demenziell veränderte vs. kognitiv nichteingeschränkte Bewohnerinnen und Bewohner ist nicht hinreichend möglich. Zwei der Studien geben die Ergebnisse nicht für beide Gruppen getrennt wieder, 3 Studien untersuchen ausschließlich demenziell Veränderte, 2 Studien nur kognitiv Nichteingeschränkte. Diese mangelnde Differenzierung ist ein Problem in der Bewertung der Wirksamkeit der Ergebnisse für die Zielgruppe Pflegebedürftiger in der stationären Pflege. Die hohe Heterogenität der eingeschlossenen Studien in Interventionsart, Endpunkten und Messinstrumenten
spricht für eine hohe konzeptionelle Unklarheit in den Studien, was psychische Gesundheit und geeignete Interventionen zur universellen oder selektiven Prävention in der stationären Pflege sein können und wie sie – differenziert für Pflegebedürftige mit unterschiedlichem Ausmaß kognitiver Veränderungen – sinnvoll zu messen sind. Keine der Studien arbeitet mit dem MHI-5 oder vergleichbaren Instrumenten. Inwieweit die eingesetzten Instrumente zu Lebensqualität oder Lebenszufriedenheit geeignet sind, psychische Gesundheit zu erfassen, oder ob Lebensqualität überhaupt sinnvoll fremdeingeschätzt werden kann, wird nicht diskutiert. Hier scheinen zunächst theoretische Vorarbeiten notwendig zu sein. Der Vergleich jeweils mit „üblicher Versorgung“ umfasst, international gesehen, eine sehr heterogene Versorgungsqualität, die die Vergleichbarkeit der Studien weiter erschwert. Zu untersuchende Interventionen, wie die Erinnerungstherapie, sollten in ihren potenziellen Wirkungen auf die psychische Gesundheit zunächst theoretisch präziser gefasst und das Vorgehen stärker standardisiert werden. So macht es einen Unterschied, ob mit der Erinnerungstherapie primär über positive Lebenserinnerungen Selbstvertrauen und Identität demenziell Veränderter gestärkt oder über die Aufarbeitung intrapsychischer Konflikte psychische Beeinträchtigungen älterer Menschen geheilt werden sollen und durch welches Personal solche Ansätze durchgeführt werden.
Tab. 4 Ergebnisse eingeschlossener Primärstudien Erstautor (Jahr) Relevante Endpunkte Ergebnis Effektschätzer Aktivierung von Erinnerungen Chao et al. (2006) Selbstwertgefühl [1]
Haslam et al. (2010) [8]
O’Shea et al. (2014) [12]
Freizeitaktivitäten Cooke et al. (2010) [2]
Lebenszufriedenheit
N.s. Verbesserung in der Interventionsgruppe (p = 0,245)
Depression
N.s. Verbesserung in der Interventionsgruppe (p = 0,432)
Wohlbefinden
„Per-protocol“-Analyse: Verbesserung des Wohlbefindens insgesamt bei der Kontrollgruppe 1 mit Gruppenaktivitäten (F (2, 71) = 3,36, p = 0,04) im Vergleich zur Interventionsgruppe (p = 0,019) und K2 (p = 0,03) Verbesserung, gemessen am Instrument „life improvement“ (F(2, 71) = 4,09, p = 0,02), nach der Intervention bei K1 im Vergleich zu K2 (p = 0,01) und Interventionsgruppe (p = 0,01) Keine weiteren signifikanten Verbesserungen, gemessen an anderen Messinstrumente (p > 0,05) ITT-Analyse: Verbesserung des Wohlbefindens insgesamt bei der Kontrollgruppe 1 mit Gruppenaktivitäten (F (2,94) = 3,45, p = 0,03) im Vergleich zur Interventionsgruppe (p = 0,04) und K2 (p = 0,02)
Subgruppenanalyse Standard- vs. spezialisierte Pflege
N.s. Unterschiede (p > 0,05)
Lebensqualität
N.u.
Einschätzung der Bewohner
ITT-Analyse: N.s. Gruppenunterschied: 3,54 [95 %-KI –0,83;7,90], p = 0,1 „Per-protocol“-Analyse: Gruppenunterschiede 5,22 [95 %-KI: 0,11;10,34], p = 0,04
Einschätzung des Personals
ITT-Analyse: N.s. Gruppenunterschied: 1,14 [95 %-KI –0,35; 3,62], p = 0,35 „Per-protocol“-Analyse: N.s. Gruppenunterschied: 1,40 [95 %-KI –1,75; 4,55], p = 0,35
Depression
Negativer Gruppenunterschied: –1,33 [95 %-KI: –3,04; –0,36], p = 0,03 (Kontrollgruppe signifikant verschlechtert)
Lebensqualität
Gruppenunterschied zum mittleren Messzeitpunkt, dem Gruppenwechsel: F (1, 45) = 6,672, p < 0,05. N.s. Gruppenunterschiede nach dem Gruppenwechsel (p > 0,05) N.s. Gruppenunterschiede zum mittleren Messzeitpunkt und nach der Intervention (p > 0,05) Verbesserung des Selbstwertgefühls über die Zeit: F(2, 46) = 4,471, p < 0,05
Depressionen Subgruppenanalyse: TN ≥ 50 % der Musikeinheiten besucht
Phillips et al. (2011) [13]
Tse (2010) [15]
Verbesserung (+4,73; p = 0,001) in der Interventionsgruppe N.s. Verbesserungen in der Kontrollgruppe (+0,93; p = 0,239)
Depressionen
N.s. Gruppenunterschiede: F(1,95) = 0,21; p > 0,05 schlechtere Werte in der Kontrollgruppe im CSSD als in der Interventionsgruppe in der 10. Woche (p < 0,01)
Lebensqualität
N.u.
Einschätzung der Bewohner
N.s. Gruppenunterschiede: F(1,93) = 0,13; p > 0,05
Einschätzung des Personals
N.s. Gruppenunterschiede: F(1,94) = 1,65, p > 0,05
Lebenszufriedenheit
Verbesserung in der Interventionsgruppe: +4,00 (SD 2,35), p < 0,05 N.s. Verbesserung in der Kontrollgruppe (p = 0,08)
Sozialisation
Verbesserung in der Interventionsgruppe: +6,12 (SD 3,91), p < 0,05 N.s. Verbesserung in der Kontrollgruppe (p = 0,16)
Einsamkeit
Reduktion in der Interventionsgruppe: –5,58 (SD 5,59), p < 0,05 N.s. Reduktion in der Kontrollgruppe (p = 0,16)
Gesellschaftliche Teilhabe Yuen et al. (2008) [19]
Wohlbefinden (Lebenszufriedenheit + Depression)
Gruppenunterschiede: Baseline-Postintervention (p = 0,047) Baseline – Follow-up (p = 0,029) N.s. Gruppenunterschiede: Postintervention – Follow-up (p = 0,340)
N.s. nicht signifikant, N.u. nicht untersucht, ITT Intention to treat
Zeitschrift für Gerontologie und Geriatrie
Übersichten Die derzeitige Studienlage ergibt keine Hinweise, dass mit Erinnerungstherapien eine Verbesserung depressiver Symptome bei Pflegebedürftigen stationärer Einrichtungen oder signifikante Effekte auf die fremdeingeschätzte und selbstberichtete Lebensqualität oder Lebenszufriedenheit erreicht werden könnten [1, 12, 13]. Lediglich das Ausbleiben dieser Maßnahmen führte zu einer Verschlechterung des Outcome bei Bewohnern mit Demenz [12, 13]. Solche Effekte könnten auf die mit der Intervention verbundene Zuwendung zurückzuführen sein, unabhängig von der Art der Intervention. Die Ergebnisse zum Freizeitverhalten sind vergleichbar zurückhaltend. Aus lediglich einer Studie geringer Güte gibt es Hinweise darauf, dass Freizeitaktivitäten im Vergleich zu gruppenbasierten oder individuellen Interventionen zur Aktivierung von Erinnerungen zu einer Verbesserung des Wohlbefindens (Lebensqualität und depressive Symptome) führen könnten [8]. Untersucht wurde in allen Studien jeweils eine spezifische Form von Freizeitaktivität, auf deren Auswahl die Pflegebedürftigen keinen Einfluss hatten. Es gibt allerdings keine theoretische Plausibilität, warum Freizeitinteressen Pflegebedürftiger homogener sein sollten als die jüngerer Erwachsener. Dies kann eine Erklärung für ausbleibende Effekte sein. Der Leitfaden Prävention [5] verweist auf eine Expertise, die die Förderung der Teilhabe Pflegebedürftiger an sozial anerkannten Aktivitäten als Ableitung aus den Konzepten der Salutogenese und der Resilienz empfiehlt. Dazu passen die, aufgrund der Studienqualität allerdings vorsichtig einzuschätzenden, Hinweise, dass gesellschaftliche Teilhabe zu einer Steigerung des Wohlbefindens und dem verminderten Auftreten depressiver Symptome beitragen könnte [19]. Es könnte lohnend sein, der Frage nachzugehen, ob eine Verbesserung von Partizipationschancen im Setting ggf. bessere Effekte auf die psychische Gesundheit zeigt als reine Gruppenaktivitäten. Dafür ist auch die Frage zu beantworten, wie viel Partizipation bei multimorbiden oder demenziell veränderten Pflegebedürftigen möglich ist und auf Akzeptanz trifft.
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Limitationen Die interne und die externe Validität der Ergebnisse dieser Übersichtsarbeit sind aufgrund der Qualitätsmängel der eingeschlossenen Primärstudien eingeschränkt. Zwei Studien wurden aufgrund fehlender Informationen trotz Kontaktieren der jeweiligen Autoren von der Ergebnissynthese ausgeschlossen. Die Beschränkung auf deutsch- und englischsprachige Publikationen schränkt die Aussagekraft weiter ein. Schwierigkeiten bei Reviews zum Setting der stationären Pflege bereitet regelmäßig die internationale Vielseitigkeit der Begriffsverwendung, die Fehleinschätzungen der gemeinten Versorgung im Selektionsprozess möglich macht. Aufgrund der beschränkten Studienlage wurden auch Studien eingeschlossen, die sich nicht ausschließlich auf das Setting der stationären Pflege, sondern auch auf betreute und assistierte Versorgung beziehen. Die Ergebnisse zwischen den Einrichtungen waren nicht differenziert dargestellt.
Fazit für die Praxis 4 Belastbare Aussagen zur Wirksamkeit
von psychosozialen Interventionen auf die psychische Gesundheit von stationär versorgten Pflegebedürftigen sind aufgrund der mangelnden theoretischen Konzeptionierung, der insgesamt insuffizienten Studienlage und den geringen beschriebenen Effekten nicht möglich. 4 Ethische Überlegungen lassen es umgekehrt nicht zu, Pflegebedürftigen beispielsweise keine Freizeitangebote in Gruppen zu unterbreiten, nur weil deren Effekt auf die psychische Gesundheit nicht nachgewiesen ist. 4 Der Bedarf an theoretisch-konzeptioneller Arbeit zu möglichen psychosozialen Interventionen sowie an Forschung zur Häufigkeit psychischer Belastungen in der stationären Pflege und zur Wirksamkeit von Interventionen ist erheblich. 4 Pflegekassen könnten mit der Förderung wissenschaftlich begleiteter Interventionen zur Schließung dieser Forschungsdesiderate beitragen.
Korrespondenzadresse S. Richter Fachbereich Pflege und Gesundheit, Hochschule Fulda Leipziger Straße 123, 36037 Fulda, Deutschland Simone.Richter@ pg.hs-fulda.de
Einhaltung ethischer Richtlinien Interessenkonflikt. S. Richter, J.M. Glöckner und B. Blättner geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht. Dieser Beitrag beinhaltet keine von den Autoren durchgeführten Studien an Menschen oder Tieren.
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