Pädiatrische Notfälle Notfall Rettungsmed 2013 · 16:48–53 DOI 10.1007/s10049-012-1616-3 Online publiziert: 19. Juli 2012 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012
Redaktion
T. Nicolai, München M. Weiss, Zürich
Die Zahl tracheotomierter Kinder in Deutschland ist nicht sicher bekannt. Im Erwachsenenalter werden ca. 0,6/100.000 Menschen heimbeatmet, davon ca. 10% „invasiv“. Da vom Kindes- zum Erwachsenenalter die Zahl der aufgrund neuromuskulärer Erkrankungen Tracheotomierten deutlich zunimmt, dürfte die Zahl bei Kindern und Jugendlichen niedriger anzusetzen sein. Nach Zahlen des Statistischen Bundesamtes werden jährlich ca. 100 Kinder bis zum Alter von 15 Jahren permanent tracheotomiert (mit abnehmender Tendenz, . Tab. 1). Chronisch respiratorisch Kranke werden zunehmend besser und in jüngeren Jahren mittels nichtinvasiver Beatmungsverfahren behandelt – damit werden weniger Tracheotomien erforderlich. Die niedrige Zahl bedeutet auch, dass das Management tracheotomierter Kinder für viele Betreuende eine ungewohnte Herausforderung darstellt. Notfallsituationen sind selten und können nicht geübt werden. Pädiatrische Literatur zum Thema ist spärlich. Eine Übersicht gibt die American Thoracic Society [2]. Wegen der vielfältigen Grunderkrankungen, die zu einer Tracheotomie führen, ist die Liste der an der Betreuung beteiligten Fachdisziplinen lang: Kinderkrankenpfleger/-krankenschwestern, HNO- und Kinderärzte, Anästhesisten, Logopäden, Stillberater, Physiotherapeuten, Psychologen und nicht zuletzt Rettungsmediziner haben ihren Platz in der Versorgung der Kinder und Jugendlichen vor und nach Anlage eines Tracheostomas – alle sollten in der Beherrschung von Notfallsituationen geschult sein. Das Verständnis der Erkrankungen, die zu einer Tracheotomie führen, und Grundkenntnis-
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Tracheotomie und Trachealkanülen im Kindesalter
se der Tracheotomie sind Grundlage der Betreuung von Notfällen bei Kindern mit Tracheotomie.
Indikationen zur Tracheotomie Die Indikationsliste zur Tracheotomie ist lang (. Tab. 2) und hat sich über die letzten Jahre deutlich verändert [7]: F Die größte Gruppe der tracheotomierten Kinder leidet an einer chronischen globalen respiratorischen Insuffizienz, bei der keine medikamentöse Therapieoption besteht. Damit ist ein Notfall bei tracheotomierten Kindern nicht nur der des Tracheo stomas, sondern beinhaltet oft auch eine Verschlechterung der hypoxischen oder v. a. der hyperkapnischen respiratorischen Insuffizienz. F Eine weitere Gruppe bilden Kinder mit erworbenen oder angeborenen Fehlbildung des v. a. oberen Atemwegbereichs. Hier ist eine Intubation als Umgehung des evtl. verschlossenen Stomas ausgesprochen schwierig bzw. sogar unmöglich. F Eine kleine Gruppe stellen Kinder dar, die aufgrund meistens neuromuskulärer Erkrankungen an Speichel oder Nahrung durch rezidivierende Aspirationen gefährdet und deswegen tracheotomiert sind. Die Indikation zur Tracheotomie bei akutem, schwerem Trauma dürfte im Kindesalter vergleichsweise selten sein. Notfallsituationen sind hier am ehesten postoperativ und im Intensivmedizinbereich zu erwarten.
Tracheotomie Die Tracheotomie bei Kindern ist ein lange bekanntes Verfahren und wird auch bei Kleinkindern schon seit Jahrzenten mit Erfolg durchgeführt [9]. Die Schaffung eines plastischen Tracheostomas durch Kinder- oder HNO-Chirurgen sollte operativ Erfahrenen vorbehalten sein; die Möglichkeit der perioperativen Atemwegsendoskopie sollte vorgehalten werden. In der Hand Erfahrener ist die Prozedur risikoarm. Das Risiko sinkt mit steigendem Alter und steigt mit der Notfälligkeit der Situation sowie begleitender Erkrankungen des Patienten. Ein präoperativer, sicherer Atemweg sollte vorhanden sein. Die Anlage eines plastischen Stomas wird der Anlage einer granulierenden Tracheotomie bei Kindern vorgezogen [13, 15], da das Risiko der schnellen Schrumpfung mit evtl. fehlender Rekanulierbarkeit geringer ist und die Rückverlagerung mit geringerer trachealer Enge einhergeht. Valide Daten hierzu fehlen allerdings [19]. In Notfallsituationen ist ein plastisches Stoma deutlich besser zu rekanalisieren als ein granulierendes Stoma, das sich schneller verschließt. In einer kürzlichen Untersuchung mit Simulation einer CVCI-Situation („cannot ventilate, cannot intubate“) zeigte sich, dass eine operative Anlage eines Tracheostomas der Notfalltracheotomie vorzuziehen ist [12]. Ein besonderes Problem können Patienten darstellen, deren Trachea durch Einlagerung von Speichersubstanzen oder Granulationsbildung distal der Tracheotomieregion verändert ist (z. B. bei Muko-
Tab. 1 Anzahl in Deutschland durchgeführter Tracheotomien nach Alter in den Jahren 2007a
und 2010a Jahr 2007
2010
Art der Tracheotomie Temporäre Permanente Summe Temporäre Permanente Summe
<1 Jahr 40 135 175 6 24 30
1– 5 Jahre 19 71 90 20 24 44
5– 10 Jahre 12 49 61 2 15 17
10– 15 Jahre 19 38 57 9 31 40
15– 20 Jahre 283 112 395 13 221 234
Summe 373 405 50 315
aQuelle: Statistisches Jahrbuch 2010.
Tab. 2 Indikationen zur Tracheotomie. (Nach [21]) Tracheostomieindikation Obere Atemwege Subglottische Stenose Tracheomalazie Trachealstenose Kraniofaziale Syndrome
Kraniofaziale Tumoren Stimmbandparese bds. OSAS Larynxtrauma Langzeitbeatmung, Bronchialtoilette Lungenerkrankung Angeborene Herzerkrankung Neurologische-neuromuskuläre Erkrankung
Beispiel Angeboren/erworben Angeboren/erworben Angeboren/erworben Pierre-Robin-Sequenz Charge-Syndrom Treacher-Collins-Syndrom Beckwith-Wiedemann-Syndrom Zystisches Hygrom Hydrocephalus Möbius-Sequenz Verbrennung, Fraktur CLD Skoliose mit Restriktion Postoperative Zwerchfellparese Duchenne SMA I CCHS Zerebralparese Hirntrauma, spinales Trauma MMC
OSAS obstruktives Schlafapnoesyndrom, CCHS kongenitales zentrales Hypoventilationssyndrom, SMA I spinale Muskelatrophie I.
polysaccharidose Typ II [11]). Präoperative Bildgebung (Endoskopie, CT/NMR) kann hierüber Aufschluss geben. Die Frage einer endoskopischen Anlage eines (vorübergehenden) Tracheostomas im Kindesalter relativiert sich meistens, da derartige kommerziell verfügbaren Systeme erst ab einem Alter von ca. 12 Jahren eingesetzt werden können. Das Verfahren hinterlässt nach derzeitigem Kenntnisstand nicht selten narbige Tracheastrikturen, sodass es für die Routineanwendung v. a. für jüngere Kinder nicht empfohlen wird. Ein Vergleich von operativem mit endoskopischem Verfahren er-
gab vergleichbare Risiken, allerdings geringere Kosten der endoskopischen Prozedur bei jedoch einer geringen Zahl an Kindern und Jugendlichen (jüngster Patient 9 Jahre; [5]). Nach einer Notsituation mit Manipulation des Tracheostomas und möglichwerweise Einsetzen einer andersartigen Kanüle sollte ein Röntgenbild des Thorax unter zwei Fragestellungen erfolgen: F Tubuslagekontrolle und F Ausschluss Luftleck. Die Tubuslagekontrolle kann allerdings auch endoskopisch erfolgen [8].
Trachealkanülen Während im Erwachsenenalter üblicherweise Trachealkanülen mit einer „Seele“ (Innenkanüle) verwendet werden, die die häufige Säuberung ohne Kanülenwechsel ermöglichen, werden im Kindesalter fast ausschließlich seelenlose Kanülen mit oder ohne Fensterung verwendet.
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Bei kleinen Kanülen entsteht eine ungleich stärkere Atemwegwiderstandserhöhung Grund hierfür ist die bei kleinen Kanülen durch den Einsatz der Innenkanüle ungleich stärkere Atemwegwiderstandserhöhung mit signifikanter Erhöhung der Atemarbeit. Es werden üblicherweise keine gecufften Kanülen verwendet. Ausnahme sind Kinder, die regelmäßig aspirieren (möglicherweise reicht das Aufblasen des möglichst weichen Cuffs während der Nahrungsaufnahme) und Kinder, die beatmet werden und ein unadäquates Leck aufweisen. Die Länge der verwendeten Kanüle muss im Kontext zu der Größe (bei Säuglingen zum Gewicht) des Kindes (und damit der Länge der Trachea) gesehen werden. Diese Länge sollte endoskopisch oder radiologisch (s. o.) kontrolliert werden, um Verletzungen der Trachea im Karinabereich und Fehlbelüftungen zu vermeiden. Die Krümmung insbesondere der Nicht-Silikon-Kanülen muss je nach Haut-/Weichteildicke an den Patienten angepasst werden, da es ansonsten zu unangenehmem Wandern des Stomas kommen kann und Stomarevisionen die Folge sind. Bei Problemen mit der Kanüle wird eine nach Art, Größe und Länge gleichartige im Rettungsdienst nicht vorhanden sein. Ausweg ist entweder die üblicherweise im häuslichen Umfeld vorhandene Ersatzkanüle oder ein Trachealtubus gleicher Größe, der wie die Kanüle eingelegt werden kann. Der Außendurchmesser (und damit je nach verwendeter Materialstärke der Innendurchmesser) hängt vom Durchmesser der Trachea ab. Er ist etwa 0,5-1,0 mm größer als die üblicherweise verwendeten Tuben, da die enge Stelle des Ringknorpels umgangen wird. Die Kanüle wird v. a. bei stabilen Kindern und Kanülen ohne Fensterung eher Notfall + Rettungsmedizin 1 · 2013
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Zusammenfassung · Abstract klein gewählt, da bei Aufsatz eines Sprechventils der verbleibende Raum zwischen Kanüle und Trachea Nebenluft und damit laryngeales Sprechen ermöglicht. Im Falle eines respiratorischen Notfalls werden höhere Beatmungsdrücke aufzuwenden sein. Hier ist ein gecuffter oder dem Lumen der Trachea entsprechender Tubus zu verwenden, um die Nebenluft möglichst gering zu halten. Eine Fensterung ist bei vielen Herstellern möglich: zum einen als Standardfensterung, zum anderen aber als individuell anzufertigende Fensterung. Ein Problem der Fensterung durch eigenes Beschneiden ist die fehlende saubere Entgratung, durch die es zu trachealer Verletzung kommen kann und Granulationsbildung häufig ist (eine translaryngeale endoskopische Kontrolle der Lage der Fensterung in Beziehung zum trachealen Lumen ist unabdingbar). Eine gefensterte Kanüle eignet sich nicht für die Beatmung eines tracheotomierten Kindes. Ausweg kann in diesem Fall für kurze Zeit das Zuhalten von Nase und Mund sein – mit der Gefahr der gastralen Überblähung. Die Auswahl des Kanülenmaterials folgt eher der Auswahl der Kanüle unter o. a. Kriterien. Sie wird meistens sekundär sein. Allerdings gibt es zahlreiche Kinder, die erhebliche Granulombildung (. Abb. 1) aufweisen. Falls ein Dekanülement bevorsteht, kann dieses den Erfolg gefährden. Ebenso können diese Granulationen v. a. in Notfallsituationen erheblich bluten.
Pflege und Absaugen Eine Anleitung zur Versorgung tracheotomierter Kinder ist auf jeder Kinderintensivstation vorhanden und dient den Eltern bzw. dem medizinischen Betreuungspersonal auch für die häusliche Situation als Wissensgrundlage.
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Die Erfahrung der direkt Betreuenden sollte unbedingt in die Therapie des Notfallpatienten mit einbezogen werden Das Pflegepersonal, aber auch das Rettungspersonal kann umgekehrt sowohl
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für das einzelne Kind als auch für alle Patienten mit Tracheostoma aus der regelmäßigen Begegnung mit den Eltern Tipps und Tricks zur Anwendung bei anderen Kindern und lernen und damit Sicherheit im Umgang mit Notfallsituationen erreichen. Bei einer durch Schleim akzidentell geblockten Kanüle und Ventilationsunmöglichkeit ist Absaugen notwendig. Es unterscheidet sich grundsätzlich nicht vom Absaugen eines Endotrachealtubus und sollte, wenn möglich, steril durchgeführt werden. Auf die passende Absaugtiefe (möglichst nur kurz über das Kanülenende hinaus) sollte geachtet werden. Die Zeitdauer des Absaugens wird möglichst kurz gehalten. Zumeist werden Kinder offen abgesaugt, da der Beatmungsbedarf und die Gefahr von Atelektasen gering ist. Es gibt zahlreiche Anleitungen zum Absaugen (z. B. unter http://stiftungnoah.de/). Mehrere Programme – u. a. aus der Great Ormond Street [10] – beschäftigen sich mit der Ausbildung des Notfallpersonals für solche Situationen.
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Notfall Rettungsmed 2013 · 16:48–53 DOI 10.1007/s10049-012-1616-3 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012 B. Hinrichs
Tracheotomie und Trachealkanülen im Kindesalter Zusammenfassung Einführung. Das Verständnis der Erkrankungen, die zu einer Tracheotomie führen, und Grundkenntnisse der Tracheotomie sind Grundlage der Betreuung von Notfällen bei Kindern. Problematik und Management. Die Tracheotomie stellt einen lebensrettenden oder -erhaltenden Eingriff dar. Demgegenüber ist sie mit Risiken und Komplikationen verbunden. Die Versorgung tracheotomierter Kinder sollte gemäß den vorliegenden Leitlinien sowie den eigenen Erfahrungen standardisiert durchgeführt werden. Notfalltraining ist sinnvoll. Notfälle sind v. a. durch akute Atemwegsverlegung begründet, kommen jedoch auch bei Verschlechterung einer respiratorischen Insuffizienz vor. Schlussfolgerung. Übung am Phantom sowie Übernehmen von Standards schaffen Sicherheit bei der Durchführung dieser Technik.
Die Einbeziehung von Eltern in die Versorgung der Kinder wird befürwortet
Schlüsselwörter Tracheotomie · Kinder · Trachealkanülen · Langzeitbeatmung · Notfälle
Die Einbeziehung von Eltern in die Versorgung der Kinder zumindest auf ICU’s wird befürwortet und stärkt die folgende Autonomie [16]. Damit nehmen die Eltern auch an Notfallsituationen teil. Dies gilt auch für Reanimationssituationen. Bei Reanimationen wird ein Hinzuziehen der Eltern befürwortet. Es gibt Trainingsphantome zum Erlernen der handwerklichen Fertigkeiten (Kanülenwechsel), bevor diese am Kind angewendet werden. Die Trachealkanüle wird mit Standardhalsbändchen fixiert. Ein Finger sollte zwischen Hals und Bändchen passen; eine Metalline-Unterlage schützt die Halshaut (. Abb. 2). Das Herausziehen sowie das Wiedereinsetzen der Kanüle vollzieht man mit einer der Krümmung der Kanüle angepassten Drehbewegung (. Abb. 3). Ein Monitoring (EKG, Sauerstoffsättigung, möglichst mit der Möglichkeit der Datenspeicherung) wird in der außerklinischen Betreuung im 1. Lebensjahr empfohlen. Bei ätiologisch unklarer Notfallsi-
Tracheotomy and tracheal cannula in children Abstract Introduction. Emergencies in tracheotomized children is rare, so is the individual experience of emergency staff. The article gives information about routine care of such patients with hints how to avoid problems. Problems and management. Tracheotomy can be a life-saving or life-sustaining intervention but in contrast there is a risk of lifethreatening complications and a burden of secondary complications. The treatment of children by tracheotomy should be standardized and follow current guidelines as well as personal experience but training is absolutely necessary. Emergencies result in particular from blocked airways and deterioration of respiratory insufficiency. Conclusion. Practicing on dummies and regular education in intensive care units provide safety in treating tracheotomized children. Keywords Tracheotomy · Children · Tracheal cannula · Long-term ventilation · Emergencies
feuchtung oft nicht ausreichend, sodass das Sekret mehrmals täglich und in der Notfallsituation angespült werden sollte. Bei beatmeten Kinder ist eine aktive Befeuchtung meistens möglich; ggf. ist auch hier eine Rückbefeuchtung und Filterung über z. B. HME-Filter (größenadaptiert für Kinder <10 kg bzw. >10 kg) auch auf dem Notfalltransport notwendig. Abb. 1 8 Suprastomales Tracheostoma granulom (von proximal)
Abb. 2 8Sicher fixierte Kanüle mit Haut schutztupfer
Abb. 3 8 Kanülenentfernung in Richtung der Kanüle
tuation sollte der Monitor zur Datenauslesung mit in die Klinik genommen werden, um so Vorkehrungen zur Vermeidung eines nächsten Notfalls treffen zu können.
Befeuchten Der Bedarf an Befeuchtung der Atemluft ist von Kind zu Kind unterschiedlich. Bei über die Kanüle spontan atmenden Patienten ist eine Rückbefeuchtung über eine feuchte Nase üblicherweise ausreichend sein. Bei v. a. im Rahmen von Infekten auftretender Dyskrinie ist die An-
Probleme Nach Anlage eines Tracheostomas verändert sich die Atemwegsituation erheblich: Die Nase als Filter und Befeuchter scheidet aus. Gehäufte Infekte sind nicht nur durch die der Grunderkrankung folgenden veränderten Atemmechanik zu erwarten, sondern auch durch die fehlende Nasenatmung bzw. die Veränderung der Schleimkonsistenz und Immunabwehr. Granulationen im Atemwegstrakt bei tracheotomierten Patienten sind häufig (40% suprastomal, s. oben, [14]) und verursachen folgende Probleme: F Blutung und Lumenobturation. F Suprastomale Tracheostomalappen sind v. a. bei dem Versuch der Dekanulierung und in der Phase nach dem Dekanülement wegen der lumenobturierenden Wirkung problematisch, manchmal auch durch Blockierung der laryngealen Luftpassage bei gefensterten Kanülen. F Kanülenspitzengranulationen: Hier kann zum einen durch die Variation der Kanülenlänge, zum anderen durch Auftragen steroidhaltiger Salben oder bei Ventilationsproblemen durch Rekanalisierung per Laser Abhilfe geschaffen werden. F Absauggranulationen, zumeist im rechten Bronchus intermedius oder im Unterlappen-Bronchus, lassen sich durch eine adäquate Absaugtechnik vermeiden. Es sollte möglichst nur bis zum Kanülenende abgesaugt werden. Blutungen aus Granulationsgewebe sind nicht selten. Die Instillation von verdünnten Nasentropfen oder anderen Vasokonstriktoren endotracheal ist möglich. Bei bekannter Lokalisation kann temporär eine Blockierung des Bereichs mit einem geblocktem Tubus Abhilfe schaffen, bis innerklinisch eine (Laser-)Therapie erfolgen
kann oder durch längerfristige Verwendung einer anderen Kanüle das Problem gelöst wird. Der Schulbesuch für Kinder mit Tracheostoma ist deutlich erschwert [17]. Mindestens die Hälfte muss in einer speziellen Einrichtung versorgt und mehr als die Hälfte von speziell ausgebildeten Betreuungspersonen (d. h. ausgebildetem Rettungspersonal) begleitet werden. Zumindest für die Vereinigten Staaten von Amerika existieren seitens der ATS Anweisungen, wie z. B. in Schulbussen mit Kindern mit Tracheotomien umzugehen ist [3]. Meistens können Kinder nach Tracheo tomie schlechter schlucken als zuvor; rezidivierende Aspirationen sind die Folge. Ein Hilfsmittel für diese Situationen stellen Kanülen dar, die oberhalb eines während der Nahrungsaufnahme cuffbaren Ballons eine ständige Absaugvorrichtung besitzen (. Abb. 4). Im Falle einer Bolusaspiration hilft je nach Position des Bolus das Ziehen der Trachealkanüle unter Sog. Gemäß mehrerer Untersuchungen sterben mehr als 10% der tracheotomierten Kinder, überwiegend nicht an den Folgen der Grunderkrankung [1, 6, 18]. Die Kooperation verschiedener Fachgruppen und ebenso die enge Zusammenarbeit der primären Betreuer mit den später versorgenden Einrichtungen ist unabdingbar, um die Risiken zu erkennen und zu senken. Eine besonders vulnerable Gruppe stellen die Patienten mit operierten Herzfehlern dar (insbesondere nach sog. Fontan-Prozeduren): Nur 1,3% der Patienten benötigen eine Tracheotomie, deren Mortalität jedoch sehr hoch ist [4]. Auch sehr junge Säuglinge haben ein erhöhtes Risiko [18]. Ebenso ist das Vorliegen von pulmonaler Hypertension, Reflux und Vorhandensein einer PEG, Beatmung vor Tracheotomie und geringes Alter mit adversem Ausgang verbunden [20]. Die möglichst rasche Verlegung in ein Zentrum mit der Möglichkeit der Atemwegsendoskopie sowie weiterer diagnostischer Maßnahmen ist für Kinder mit den o. a. Risikofaktoren anzustreben. In der Notfallsituation gilt es zu unterscheiden, ob es sich um eine Verschlechterung der Grunderkrankung mit respiratorischer oder kardiozirkulatorischer Insuffizienz oder ob es sich tatsächlich um einen „Kanülennotfall“ handelt, bei dem Notfall + Rettungsmedizin 1 · 2013
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Pädiatrische Notfälle
Abb. 4 8Suctionaid-Kanüle (Portex) mit Ballon und proximaler Absaugung. (Mit freundl. Genehmigung von Smith Medical Deutschland GmbH)
nüle (. Abb. 5). Beides, Spreizer und kleinere Kanüle, sollten an jedem Intensivplatz und bei häuslicher Versorgung rasch verfügbar sein. Sollte das Wiedereinführen der Kanüle problematisch sein, kann man entweder über einen als Mandrin funktionierenden, durch die Kanüle eingeführten Absaugkatheter das zu kleine Stoma passieren und dann die Kanüle über den Mandrin vorschieben. Alternativ sollte eine kleinere Kanüle bzw. ein Endotrachealtubus (. Abb. 6) gewählt werden, u. U. unter Zuhilfenahme eines Spekulums (s. oben). Bei Versagen dieser Manipulationen muss versucht werden, transoral über eine Larynxmaske bzw. einen ET-Tubus einen Atemweg zu ermöglichen.
Fazit für die Praxis
Abb. 5 8 Spekulum in situ zum Spreizen eines engen Stomas
Abb. 6 8 Trachealtubus anstelle Kanüle
die Regeln des BPLS („basic pediatric life support“) und ggfs. des APLS („advanced pediatric life support“) gelten. Dem Sichern oder Wiederherstellen eines Atemwegs kommt eine zentrale Bedeutung zu. Bei fehlender Atmung hilft der Beutel. Falls die Kanüle keinen Normadapter aufweist, muss sie gegen eine solche oder einen Standardtubus getauscht werden. Bei frustraner Atmung ist der Atemweg verlegt; Absaugen und ggfs. der Kanülenwechsel (unter Sog) sind entscheidende Maßnahmen. Eine Tracheostomakontraktion mit fehlender Einführbarkeit einer normalen Kanüle erfordert sowohl den Einsatz eines Spekulums sowie die Verwendung einer kleineren Ka-
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Kanülennotfälle sind selten. Neben der Verschlechterung der Grunderkrankung mit möglicherweise steigendem Beatmungsbedarf ist die Kanülendislokation sowie die Kanülenverlegung die häufigste Notfallursache. Falls endotracheales Absaugen nicht möglich ist und keine Thoraxexkursion erzielt werden kann, empfiehlt sich ein rascher Kanülenwechsel. Sollte ein Kanülenwechsel nicht möglich sein, ist mittels einer kleineren Kanüle oder einem (kleineren) endotrachealen Tubus eine Reintubation meistens möglich; gelegentlich muss das Stoma dilatiert werden. Übung am Phantom und Übernehmen von Standards sowie Eigenheiten des jeweiligen Patienten schaffen Sicherheit.
Korrespondenzadresse Dr. B. Hinrichs Abt. Kinder- und Jugendmedizin, Helios Mariahilf Klinik Hamburg Stader Straße 203c, 21075 Hamburg
[email protected]
Compliance with Ethics Guidelines Conflict of Interest. B.Hinrichs declares that he has no conflict of interest. This article does not contain any studies with human or animal subjects.
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