XVlI. Arbeiten aus dem Laboratorium ftir experimentelle Pharmakologie zu Strassburg. 52. U e b e r die Bestandtheile u n d W i r k u n g e n des Mutterkorns. Von
Dr. R. :Kobert, Assistenten des Laboratoriums.
Das Mutterkorn enth~lt ein Gemisch der verschiedensten organischen und unorganisehen Ktirper. Ebenso sind die dureh dasselbe theils absiehtlieh, theils unabsiehflieh gelegenflieh hervorgebrachten Wirkungen ausserordentlieh versehiedener Art. Ich habe im Folgenden versueht das Vergiftungsbild zu zergliedern, indem ieh die einzelnen giftigen Substanzen aus der robert Droge zu isoliren und die ihnen zukommenden Wirkungen festzustellen bestrebt war. Urn leiehter verstiindlich zu sein, habe ich bei der Abfassung der Arbeit die historischen Bemerkungen arts Ende der einzelnen Kapitel gebraeht, denn ieh ftirchtete, eine historische Einleitung mtisse unverst~tndlich bleiben, solange der Leser yon dem Wesen der Vergiftung und der Substanz, welehe sic beding~, keine rechte Vorstetlung hat. Wenn ich bei meinen Yersuehcn der Isolirung der einzelnen Gifte nieht zu c h e m i s e h reinen Substanzen gekommen bin, so waren racine Pr~tparate doeh wenigstens p h y s i o l o g i s c h rein, d. h. das Vergiftungsbild der einen Substanz war nicht dutch Symptome, welehe yon einer anderen bedingt waren, getrUbt. Ich unterseheide im Mutterkorn 3 physiologich active organisehe Kiirper, yon denen zwei saurer und der dritte basischer Natur ist. I. Die Ergotins~ture.
Der lqame Ergotinsiiure ist nicht neu; e r ist niimlich schon sinreal yon M e r k auf Veranlassung des pharmakologischen LaboratoHums
Ueber die Bestandtheile und Wirkungen des Mutterkorns.
317
ZU Strassburg einem nach den Vorschriften yon Z w c i f e l l ) dargegcstellten Prliparate gegeben worden, wiihrend Z w e i fe 1 selbst denselben in seiner Publication nicht angewandt hat. Es empfiehlt sich, denselben beizubehalten. Wie wir gleich sehen wcrdcn, ist er mit Sclcrotinsiiure nicht identisch.
A) Chemisches i~ber die Ergotinsiiure. D a r s t e l l u n g . Dieselbe bcruht auf der Fiillbarkcit durch ammoniakalischcn Bleiessig und wird am besten in folgendcr Weiso vorgcnommen. Grob pulverisirtes oder zerquetschtes i)lhaltiges Mutterkorn wird im Verdr~tngungsapparat mit Aether ausgczogen, dcm etwas Schwefelsaure zugcsctzt ist. Diese Extraction wird fortgesetzt, bis dcr abfiiessende Aether fettfi'ei ist. Sodann wird die Extraction mit ebenso anges~tuertcm Alkohol fortgcsctzt, bis dersclbc fast klar abfliesst. Dann wird das Pulver an der Luft gctrocknct und mit Anlchnung an die Vorschrift yon Z w e i f e l mit viel Wasser yon 80 0 C. 12 Stunden digcrirt und letzteres abgepresst. Dicser Process wird mit neuca Wasserquantit~ttcn mehrfach wicderholt. Die vereinigtea Fltissigkeiten wcrden mit ncutralem Bleicssig versetzt, bis kein Niedersehlag mehr entsteht und das Filtrat mit Ammoniak und Bleiessig ausgef'allt. Will man die Siiurc aus der kiiuflichcn Sclerotinsiture darstellcn, so f,tllt man dicse ebenfalls erst mit neutralcm Blciacetat aus und setzt dann zum Filtrat Ammoniak" und Bleiessig. Dassclbe Vcrfahren ist anzuwcndcn, wenn man yon dem Ergotin dcr Pharmacop, german, edit. altcra ausgeht. Dcr ammoniakalische Bleiniedcrschlag wird erst durch hi~ufiges Deeantiren, dana din'oh Auswaschen auf dcm Filter gcreinigt. Zwischen Filtrirpapicr abgepresst, daft er nur noch Sp~lrcn yon Ammouiak enthalten. Er wircl jetzt mit Schwefelwasserstoff zersctzt und das wasserklare Filtrat vom Bleiniederschlag im Vacuum concentrirt und mit absolutcm Alkohol gefi~llt. Dcr weissgclbc bIicdcrsehlag wird mit wirklich absolutem A1kohol gewascherl und fiber Schwcfcls~ure getrockuet und aufbewahrt. E i g c n s c h a f t c n . Die Ergotinsiiure ist wie die Sclerotins~iure hygroskopisch und verklebt lcicht zu festen Klumpen. Ihre wi~ssrige Liisung rcagirt saucr. Mit Kalkhydrat und Barythydrat im Uebcrschuss versetzt~ bildet sie ~Ticderschlage yon crgotinsaurem Kalk uud Baryt, die jedoch beim Auswaschcn mit Wasser sich wieder liisen. Mit Phosphorwolframs~ure bildet sic einen voluminSsen ~icderschlag. 1) Dieses Archiv. IV. S. 3S7. 1875.
318
XVII. Ko]3E:~T
Die Ergotinsiture ist stickstoffhaltig. Es ist ungemein schwierig, ihr die letzten Spuren yon Magnesia und Kalk zu entziehen. Sie muss angesehen werden als eine glykosidische Siiure. Erhitzt man sie namlieh im verschlossenen Glase im Koehsalzbade 6 Stunden mit verdtinnter Salzsaure oder Schwefelsaure, so liefert sie reichliehe Mengen eines rechtsdrehenden und Kupferoxyd in alkaliseher L(isung redueirenden Zuekers sowie eine dnrch Phosphorwolframsaure i~allbare Base. Die Ergotinsi~ure ist der Hauptbestandtheil der S e 1e r o t in s iiu r e von D r a g e n d o r f f und P o d w y s s o t z k i 1), un~erscheidet sich abet von dieser noeh wesentlieh. Diese Sclerotins~ture ist noch so unrein, dass die genannten Autoren ihre glykosidisehe Natur geradezu bestreiten. Gem~ss dieser griJsseren Reinheit ist auch (i:e Ausbeute eine viel geringere. Neuerdings hat P o d w y s s o t z k i 2) eine verbesserte Vorschrift der Sclerotinsi~uredarstellung gegeben. Die nach dieser Methode dargestellte Sclerotinsaure ist am Vieles reiner als die frtihere. Wenn sie im Handel zu haben w~ire, so wUrde man sie mit Vortheil zum Ausgangspunkte der Ergotins~iuredarstellung maehen k(innen, denn sie braueht eben nur noeh mit ammoniakalisehem Bleiessig ausgefallt zu werden, um eine, wenn aueh nicht ganz reine Ergotinsliure zu bekommen. Wenn man versucht, die Ergotinsiiure durch lang anhaltendes Behandeln mit Kchle oder dureh fraetionirte, oft wiederholte F~,illungen erst mit ammoniakalischem Bleiessig nnd dann mit Alkohol zu entfarben, so erhNt man sehlie~lieh einen sehneeweissen Kiirper, der jedoch nur noeh Spuren yon Stiekstoff enthalt und die physiologische Activitiit des ursprtinglichen Pr~iparates fast vollstandig eingebtisst hat. Man hat niimlieh, so vermuthe ich, dtlreh das viele Manipuliren die Saute gespalten und hat nur noch ein absolut wirkungsloses colioides, dem Dextrin ~hnliches Kohlehydrat und die ebenso wirkungslose Base unter den Handen. Zu demselben Resultate gelangt man, wenn man das native Mutterkorn so oft mit warmem Wasser auszieht, bis man im Auszug mit ammoniakalischem Bleiessig keinen Niedersehlag mehr erh~lt. Die oft noch ziemlich reichlichen Niederschl~ige der letzten AuszUge, welehe meist eine besonders sch~ine weisse Farbe haben, enthalten tiberhaupt keine nachweisbaren Spuren yon Ergotins~ure mehr, sondern nur noch das gummiartige Kohlehydrat. 1) Dieses Arch. Bd. VI. S. 153. 1877. 2) Verbesserte Methode zur Darstellung der Sclerotinshure und die medicinische Bedeutung der wirksamen Bestandtheile des Secale cornutum. Pharmaceutische Zeitschr. f. Russ]and 1883. Nr. 25.
Ueber die Bestandtheile und Wirkungen d~s Mutterkorns.
819
Freilich ist hier auch noch eine andere Annahme mSglieh, namlich, dass gleich yon vornherein im Mutterkorn neben der Ergotins~ure ein dextrinartiges Kohlehydrat pr~existirt. Nun haben zwar alle Untersucher des Mutterkorns sich dahin ausgesproehen, dass eine Sti~rkeart in demselben nicht vorhanden ist; sie grtinden diese Behauptung abet meist nut auf die Jodreaction, u n d e s ware daher leieht mSglich, dass ihnen dieses Kohlehydrat, welches mit Jod sieh nicht eharakteristiseh fiirbt, entgangen ist. Obwohl die Kohlehydrato yon ammoniakalischem Bleiessig gut gefalIt werden, so ware es wohl mSglieh, dass man beim ersten Ausflillen doch nur Ergotinsi~ure in den Niedersehlag bekommt, sparer abet nach neuem Extrahiren und unter Anwendung eines gr~sseren Uebersehusses der Fiillungsmittel erst das Kohlehydrat. Wahrscheinlieh ist aueh das Kohlehydrat daran sehuld, dass man rein pulverisirtes Mutterkorn naeh li~ngerem Kochen mit Wasser absolut nicht mehr dureh Leinwand eoliren, ja nicht einmal auspressen kann. Das Kohlehydrat hat dabei die Besehaffenheit yon Stiirkekleister angenommen und verhindert die Sonderung yon Festem und Fltissigem vollstiindig, wi~hrend sic vorher gut m~iglich war. Versueht man die Ergotinsi~ure dadurch zu reinigen, dass man sic mit Phosphorwolframsaure ausfallt, so geht zwar alles Wirksame in den Niedersehlag, aber bei der Zersetzung desselben mit einem Uebersehuss yon Barythydrat btisst die Ergotinsiture fast ihre ganze Wirksamkeit ein. Aueh beim Behandeln mit Kali und Natron (kaustisehem oder selbst kohlensaurem)nimmt ihre physiologisehe Aetiviti~t raseh ab, ohne dass die dabei eintretende ehemische Veranderung derselben yon mir hatte naehgewiesen werden ktinnen. P o d w y s s o t z k i hat mit der Sclerotinsiiure dieselben Erfahrungen gemacht. Gleieh ihm fand ieh ferner aueh, dass Salzsi~ure die Wirksamkeit beider Sauren sehr herabsetzt. Ich habe oben gesagt, dass man das Mutterkorn, bevor man dasselbe mit Wasser auszieht, mit angesiiuertem Aether und Alkohol behandeln soll. Ieh habe dabei eine doppelte Absicht. Erstlich nitmlich werden dutch die Behandlung alle anderen physiologiseh aetiven Stoffe entfernt und ktinnen so nieht in die Ergotinsi~ure hineingerathen. Zweitens aber werden bei dieser Behandlung alle jene, das rasche Verderben yon Mutterkorninfusen bedingende Fermente, deren die Droge betritchtliehe Mengen enthi~lt und denen A. P o e h l J) und 1) Zur Lehre yon denFaulnissalkaloiden, Berl. chem. BerichteXVI, 1883. S. 1975, und l~etersburger reed. Wochenschr. 18S3. Nr. 30. S. 241. Dutch die Fermente soll es im Mutterkorn zur schnellen Bildung yon Peptonen und Ptomainen kommen,
320
xvII. KOBER~r
v. A n r e p neuerdings sogar dis Wirksamkeit des Mutterkorns zugesGhrieben haben, theils entfernt, theils unwirksam oder wenigstens weniger wirksam gemaGht, so dass die naehherige Extraction mit Wasser m~iglieh wird, ohne dass der gr(isste Theil der Ergotinsiiure dabei einer Fermentzersetzung unterliegt. Das neben der Ergotinsii, ure im Mutterkorn praexistirende oder dutch chemisehe Manipulationen leieht aus derselben entstehende dextrinartige Kohlehydrat ist nattirliGh night identisGh mit dem durGh energisGhes Kochen mit Mineralsi~uren aus der Ergotinsiiure hervorgehenden ZuGker, kann aber dureh KoGhen mit Situren ebenfalls in diesen Ubergeftihrt werden. Das dextrinartige Kohlehydrat dreht die Ebene des polarisirten Lichtes night und wirkt auf Kupferli~sung nieht reduGirend; es ist ferner night gi~hrungsfi~hig. Von Didymchlorid wird es in alkaliseher Li~sung ausgefiillt. Der durch Koehen aus dem dextrinartigen Kohlehydrat und der Ergotinsiiure entstehende Zueker ist mit der im Mutterkorn prifformirten Mykose nicht identiseh. Da die Ergotinsliure bei der Spaltung eine Base liefert (neben dem zuckergebenden K(irper), so wird es verstitndlich~ wie sic mit Phosphorwolframsiiure eine Fi~llung gibt, was sonst in Wasser leiGht l~sliGhe Siiuren night thun. Ihre Aciditlit ist ttberhaupt nut eine sehwaehe. Beim Erwiirmen mit Natronlauge fangen selbst verdUnnte L0sungen der Ergotinsiiure an nach Ammoniak zu riechen. Dieser Geruth ist nieht mit dem Trimethylamingeruch zu verwcehseln, weigher das Mutterkornpulver beim Erwarmen mit ~Natron kGnnzeichnet. Die durGh die Einwirkung yon Mineralsauren aus der Ergotinsi~ure abgespaltene und durGh Phosphorwolframfallung dargestente Base ist seh~n weiss und undeutliGh krystallinisch. Sic ist in Wasser leieht l~slieh, reagirt schwaeh alkaliseh und gibt mit den tibliehen Alkaloidreagentien Niedersehlage. Eine physiologisehe Wirkung kommt ihr nieht zu, wenigstens brachte eine 50procentige LSsung derselben, Kaninchen und Fr(ischen subeutan eingespritzt, keine Wirkung hervor. Es wurde daher yon der weiteren Darstellung dGrselben Abstand genommen. Die Ausbeute bei der Gewinnung der Ergotinsiiure ist 5 real geringer, als die bei der naeh den neueren VorsGhriften yon P o d w y s s o t z k i dargestellten Sclerotinsiiure. Historisches iiber die chemische Darstellung der Ergotinsiiure. Der Erste, welcher (1841) aus dem Mutterkom ein Pr~iparat herstellte, das an Ergotins~ure relativ reich war, war J. B o n j e a n
Ueber die Bestandtheile und Wirkungen des Mutterkorns.
321
in Chambdryl). Er nannte dasselbe E r g o t i n , obwohl es niehts wenigcr als eine einheitliche Substanz war. Dieses PrRparat wurde yon den Pharmakoplien aller LRnder acceptirt, wobei die Darstellung zahlreiche kleine Nfodifieationen erfuhr, die namentlich darin ihren Grund batten, dass die B 0 n j e a n ' s c h e Vorsehrift sehr unprRcis ist. Nach derselben wird nRmlich das w ~ s r i g e Mutterk0rnextract zum Syrup eingedampft und dann mit Alkohol im Ueberschuss versetzt, wobei Verunreinigungen ausfallen sollen. Je nach der Menge des zugesetztcn Alkohols fi~llt nun entweder nur Schleim und Pflanzengummi, und dies ist die Art der Darstellung, welche man in Frankreich bis in die neucste Zeit angewandt hat, oder es fRllt, wenn dcr AlkoholUberschuss sehr gross ist, die gesammte Ergotinsliure aus, wodurch das PrRparat nattirlich ein yon dem vorigcn total verschiedenes wird. Dcr Erste, weleher in rationeller Weise das B o n j e a n ' s e h e Extract zu verbessern suchte, war A. W e r n i e h ' 2 ) , der den Weg der Diffusion des wiissrigen Extractes und nachheriger Extraction des Diffusats mit nieht zu concentrirtem Alkohol einsehlug. Der auf die Weise dargcstellte K~rper, das sogcnannte We r n i c h'sche d i al y s i r t e E r g o t i n , enth~lt, wie der Darstellcr richtig fund3), eine organisehe SRure, welche sich durch ihre physiologische AetivitRt yon allen anderen in dem wRssrigen Extract enthaltenen Stoffen unterseheidet. ]m Sinne W e r n i c h ' s wurde dann dicse Siiure yon D r a g e n d o r f f und namentlich yon P o d w y s s o t z k i ~ ) weiter untersucht und S c l er o t i n s R u r e gcnannt. Die ncue deutsche Reichspharmakopoe Edit. altera hat im Anschluss an diese Untersuchungen ein Ergotin eingeftihrt, welches fast nichts Wirksames als Ergotinsiiure enthRlt. Zahlreiche, in den letzten Jahren yon einzelnen Hi~ndlern und Aerzten auf den Markt gebrachte Priiparate, wie das Ergotin yon C a t i 11 o n 5), Y v o n 6 ) , B o m b e l o n in Ncuenahr, F e l s e n r e i e h ~ ) , Nienhaus 1) Histoire physiologique, chimique, toxicologique et medicale du seigle erg0t~. Paris et Lyon 1842, Ferner: Traitd th~oretique et pratique de l'ergot de seigle etc. Paris, Lyon et Turin 1845, ein seiner erschSpfenden Darstellung wegen sehr empfehlenswerthes Bueh. 2) Vichow's Archly Bd. 56. 1872. S. 505; reed. Centralbh 1873. Nr. 28. S. 915; Beitrage zur Geburtshiilfe u. Gynhkologie, hsg. v. d. Ges. f. Geburtshiilfe in Berlin. III. 1874. S. 70. 3) Vergh jedoeh dieses Arch. III. S. 1. 1875. 4) Dieses Arch. Bd. VI. 1877. S. 153; vgl. ferner oben S. 318. Anmk. 2. 5) Journal de Th~rap. VIL 6. Mi~rz1880. p. 206. 6) De l'actiou physiologique et thdrapeutique de l'ergot de seigle par JosephHenry Peton. Th~se de Paris 1878, Nr. 318.96pp. 4~ 7) Wiener reed. Wochenschr. 1879. XXIX. Nr. 7.
322
XVII. KOBERT
in Basel, P ~ o c h o w n i c k in Hamburg u.s.w., sind entweder in ihrer Darstellung unbekannt, oder sie sind ein buntes und sehr inconstantes Gemiseh der wirksamen Kiirper des Mutterkorns, unter denen jedoeh ausnahmslos die Sclerotinsiiure vorwiegt. Auf wissensehaftliche Beaehtung kanu keines derselben Anspruch maehen. Sie haben nur dazu gedient, die Begriffe der Apotheker tiber Ergotin so zu verwirren, dass Niemand mehr recht damit Beseheid weiss und 1882 die Generalversammlung des deutsehen Apothekervereins ~ffentlieh erklarte, es herrsehe tiber die Begriffe, was denn unter den verschiedenen Mutterkornextracten zu verstehen sei, eine , h e i l 10 s e C o uf u s i o n " , aus der sie sieh nieht zu helfen wtissten. Sehon vor D r a g e n d o r f f und Po d w i s s o t z k y hatte Z w e i f e D ) gefunden, dass die wirksame Siiure aus dem Mutterkorn sich am bequemsten und reinsten gewinnen lasse dureh Ausf~llen des w~tssrigen Mutterkornauszugs mit neutralem Bleiaeetat und F~llung des Filtrats mit ammoniakalischem Bleiessig. Diese Si~ure ist, wie sehou gesagt, spiiter einmal vortlbergehend als E r g 0 t i n s a u r e in den Handel gebraeht worden. Mit der E r g 0 ts ~ u r e :) W e n z e l l ' s hat sic nichts gemein.
B) Wirkungen der Ergotins~ure. V e r s u e h e an F r i i s e h e n . Injicirt man Fr(ischen 1 cg einer LSsung yon ergotinsaurem Natron subeutan, so werden die Thiere langsam narkotisirt, so dass es manehmal Stunden dauert, ehe die HShe der Wirkung erreicht ist. Ohne jedes vorhergehende Aufl'egungsstadium verlieren die Thiere ihre normale Lebhaftigkeit und sitzen still, aber kr~ftig athmend da. Etwas sp~ter verlieren sie die F~higkeit, zu sitzen, und liegen nun platt auf dem Bauehe. Die Reactionsfahigkeit ftlr meehanisehe Reize ist in diesem Stadium aber noeh nicht vermindert, oft eher gesteigert. Ebenso ist die auf die Abwehrbewegungen verwendetc Muskelkraft nicht gegen die norm gesehmiilert. Naeh einiger Zeit nimmt die Reflexerregbarkeit ab; die dutch starke Reize noeh auslSsbaren Abwehrbewegungen werden incoordinirt, und zuletzt hiiren sic ganz auf. Die vorher frequente Athmung ist in diesem Stadium noeh nieht ganz gesehwunden, abet doeh selten geworden. Is t die Dose einigermaassen gross gegriffen, so hiirt die Respiration ganz auf. Das Thier liegt dann wie todt da. Kleine Stryehnindosen, welehe sonst bei 1) DiesesArch. IV. 1875.S. 387. 2) Americ.Journ. of Pharm. 1864. XXXVI. 193,und Wittseein'sVierteljahrschr. f. prakt. Pharm. XIV. Heft I. 1865.S. 18.
Ueber die Bestandtheile und Wirkungen des Mutterkorns.
323
Fr~isehen schnell Tetanus maehen (etwa 1/20 rag), sind in diesem Stadium ganz wirkungslos; griissere rnfen zwar KrEmpfe hervor, kiJnnen aber dutch Injection gr(isserer Dosen yon Ergotinsi~ure bald unterdrtickt werden, indem das Rtickenmark jetzt vollst~tndiff gel~thmt ist. Die LeitungsfEhigkeit des Rtickenmarks ftir elektrische Reize bleibt jedoch aueh jetzt noch erhalten; ebenso ist die direete Erregbarkeit der Muskeln dutch elektrische Str~ime ungeiindert und die Form der Zuckungs- and Ermlidungscurve dieselbe wie vor der Vergiftung. Am freigelegten Herzen nimmt man weder in der Anzahl, noeh in der St~irke der Pulse irgend welche VerEnderung wahr; dem entsprechend wirkt auch die Application yon Musearin und Helleborein wie beim normalen Thiere. Der todtenartige Zustand des Thieres kann 6--8 Tage andauern. WEhrend desselben zeigt die mikroskopisehe Untersuehunff der GefEsse der SehwimmhEnte und des Mesenteriams keinerlei circulatorisehe Ver~tnderungen, insonderheit keine Verengunff des Kalibers, sondern eher eine Erweiterunff. Beim Beginn der Erholunff stellt sieh zuniiehst die Athmunff u n d eine, wenn aueh zuni~ehst noeh sehwache Refiexerregbarkeit eta. V e r s u c h e an S i i u g e t h i e r e n . Da naeh den bisherigen Anschauungen die Wirkung des Mutterkorns, besonders die gangriinmachende, auf der SclerotinsEare bernhen sollte, so ftitterte ich Kaninehen chroniseh mit iblgenden 3 Pr~tparaten : 1. mit Mutterkornpulver, welches yon Oel, Alkaloid und Harz befreit worden war and sehr viel Sclerotinsiiure resp. Ergotinsi~are enthielt. 2. mit selbst dargestellter sogenannter SclerotinsEure, nachdem deren Wirksamkeit am Frosch festgestellt worden war. 3. mit ErgotinsEure. Die Ftitterungen yon mit Alkohol extrahirtem Mutterkornpalver wurden zwei Monate lanff in Dosen his zu 10 ff t~tglieh fortgesetzt, ohne dass im Befinden dcr Thiere sieh irgend etwas Wesentliehes geEndert hEtte. Ebenso machten die SclerotinsEareftitterangen, wenn sic vorsichtig vorgenommen warden, selbst bet Desert yon 5 g tiiglich keinerlei Erseheinungen. Die Ftttterungen mit der reinen Ergotins~ture warden nnr wenige Tage ibrtgesetzt nnd zwar in Dosen, die den genannten Sclerontinsiiuremengen entspraehen, hatten abet ebenfalls keine Wirkung. Zur Erkliirang dieser auffallenden Erseheinung kann ieh anflihren, dass ergotinsiiurehaltiges Mutterkorn, sowie reinere oder weniger reine Priiparate der Ergotinsaure beim mehrsttindigen Digeriren mit Archly
f. experiment. Pathol. u. Pharmakol. X~'III, Bd.
22
324
XVII. Ko~.RT
zerhacktem Oehsenpankreas bei 37 o in sehwaeh alkaliseher L~sung in ihrer Wirksamkeit elne ganz merkbare Absehw~ehung erlitten. E s s e h e i n t d e m n a e h im D a r m k a n a l e e i n m e h r o d e r w e n i g e r v o l l s t ~ n d i g e r Z e r f a l l d e r E r g o t i n s ~ u r e in u n w i r k s a m e S p a l t u n g s p r o d t t c t e u n d z w a r v i e l l e i e h t in d i e b e i den yon uns o b e n g e n a n n t e n K ~ r p e r z i e m l i e h s c h n e l l v o r s i e h zu g e h e n . Man k~nnte nun aus diesem Versuche den Schluss ziehen, dass die Ergotins~ture iiberhaupt an Kaninchen unwirksam ist. Dies ist aber durchaus nicht der Fall, wofern man sie nur subeutan oder intraven~s injieirt. Naeh 0,8 g, subeutan injicirt, wurde ein grosses Kaninehen binnen 50 Ninuten sehwer krank. Es war nicht mehr im Stande, die Hinterbeine willkiirlieh zu bewegen, sondern machte damit so uncoordinirte Locomotionsversuche, dass es fortw~thrend nmfiel. Naeh weiteren 30 Minuten lagen die Hinterbeine sehlaff und zeigten aueh kaum noeh Reflexe. Die Vorderbeine waren jetzt in dem ~ustande wie vorhin die hinteren. Das Grosshirn schien wenig beeinflusst. Nach Dosen yon 1 g subcutan wurden alle Extremit~ttea schlaff und das Thier sehr somnolent. Meersehweinchen yon 370--400 g zeigten nach Dosen yon 0,2 g anNnglich dieselben Erseheinungen, nach 1--2 Stunden jedoch nahmen die Liihmungserscheinungen zu~ so dass die Thiere mit grossen Dosen Chloral vergiftet zu sein schienen. Refiexe waren fiberhaupt dann nut noch am Auge zu erzielen. Dieser Zustand hielt 12 his 18 Stunden an und ging dann unter Erl(ischen des Cornealreflexes in Tod durch Respirationsliihmung oder unter Rtickkehr der Refiexe an den Extremitiiten in Genesung fiber. Die Injectionsstellen wurden niemals gangriiniis. Auch an anderen Kiirperstellen kam~ selbst wenn ich die Versuche wochenlang t~glieh wiederholte, niemals Gangriin vor. Obige Versuehe lassen keinen anderen Schluss zu, als dass d i e bei Subeutaninjection so s t a r k w i r k s a m e E r g o t i n s a u r e im D a r m k a n a l e n t w e d e r g r i i s s t e n t h e i l s in i h r e b e i d e n nnwirksamenComponentenzerlegt wird, oder dass ihre R e s o r p t i o n e i n e so l a n g s a m e i s t , d a s s e i n e G i f t w i r k u n g d e r s e l b e n n i c h t zu S t a n d e k o m m e n k a n n . Die Einwirkung der Si~ure auf die C i r e u l a t i o n s o r g a n e wurde an Kaninchen~ Katzen nnd Hunden studirt. Alle Versuehe ergaben fibereinstimmend, dass der Blutdruck dutch intraven~se Injectionen yon ergotinsaurem Natron schon bei Dosen yon 1 cg deutlich erniedrigt wird. Diese Erniedrigung kommt zu Stande dutch eine tterabsetzung der TMitigkeit des vasomotorischen Centrums; datum
Ueber die Bestandtheile und Wirkungen des Mutterkorns.
325
kann der durch das Gift sehr stark herabgesetztc Blutdruek durch Halsmarkreizung jederzeit wieder momentan erhtiht werden. Die L~ihmung des Ccntrums ist ferncr meistens keine ganz complete, so dass sich durch Injcctionen des wetter unten noch naher zu besprechenden Alkaloides moist noch tin vortibergehendcs Ansteigen erziclen l~sst. Irgend welche Beeinflussung des N. v a g u s dureh die Ergotinsaute findet nicht statt. Das H e r z ist wie beim Frosch an der Vergiftung unbetheiligt. Man kann dahcr noch nach Application dcr st~rksten Ergotinsiiuregaben am curaresirten Thiere durch Helleborcin den Blutdruck so stark wie bcim normalen Thiere erh(ihen. Der Tod tritt bet der intraven~iscn Application dureh Lahmung des R e s p i r a t i o n s c c n t r u m s ein. Schon lange vorher wird das R t l e k e n i n a r k geliihmt, so dass also weder spontane noch rcflectorische Bewegungen an den Extremit$ten erfolgen kiinnen. Wenn maa der Erstickung naeh Lahmung des Respirationscentrums durch kiinstlithe Ventilation vorbeugt, so kann man den Thieren sehr grosso Dosen der Si~ure beibringcn, ehe dcr Tod eintritt. Dcm Eintritt der Liihmung des Rcspirationsccntrums geht ein Stadium der Respirationsvcrlangsamung voraus, in welchem die Thiere ganz den Eindruck machen, als seien sie ticf chloralisirt. Die Section der dutch Ergotinsaure get~dteten Thiere ergab stets veniise Hyperamie der Unterleibsorganc, aber keine sonstigen anatomischen Vel'~inderungen. Die Einwirkung der Ergotinsi~ure und der Sclerotinsliure auf den schwangeren u n d nicht schwangercn Uterus wurde sowohl aa ganzen Thieren mit und ohne Freilegung des Organs, sowie am tiberlebcnden Organ nach der G. R ein'schen Method91) untersucht, abe r niemals, selbst nach sehr grossen, toxischen Dosen auch nur eino Spur yon Einwirkung wahrgenommen; nur starben die Foeten, wenn der Blutdruck sehr stark ernicdrigt war, schnell ab. Ich schliesso daraus, dass die Ergotinsliure auch selbst bet subcutancr und intraven(iscr Application yon Dosen, welchc die tiefste Narkose und Rtickenmarkslahmung hervorbringen, a u f d i e B e w e g u n g e n des s c h w a n = geren oder nicht schwangeren Uterus yon Thieren abs o l u t k e i n e n v e r s t a r k e n d e n E i n f l u s s hat. Ich habe bereits im Obigen tiber die Beeinflussung des G e h i r n s dutch die Ergotinsiiure Einiges gesagt. Es versteht sich yon selbst, dass die Erniedrigung des Blutdruckes die Functionen des Grosshirns herabsetzt. Im Stadium dcr Rtickenmarkslahmung war aueh das 1) Es cxistirt dart~ber nur eine russische Publication. 22*
326
xvII. KOB~RT
Bewusstsein der Thiere v(illig geschwunden, wahrend es im Stadium der anfiinglichen Coordinationsst(irungen noch intact zu sein schien. In der That erwies sich in diesem Stadium auch der Blutdruck noch als ziemlich normal. Versache
an Hiihnen.
Um wirklich sicher zu sein, dass die Ergotinsiiure keine gangrRnmachenden Wirkungen besitze, schien es mir nSthig, die Versuche, welche an Siiugethieren so negativ ausgefallen waren, an Hiihnen zu wiederholen, welche, wie wir weiter unten sehen werden, besonders leicht Gangriin bekommen. Ich ftitterte daher mehrere dieser Thiere mit denselben Praparaten, welche ich verwandt hatte, uin chronische Ergotinsi~urevergiftung an Kaninchen zu erzielen. Da bei kleinen Dosen keine Wirkung auftrat~ stieg ich allmiihlich zu grossen auf; aber selbst Gaben yon mehreren Gramm Sclerotinsiiure tiiglieh brachten in der Farbe der Kiimme, die bei eintretender Gangr'an immer zuerst schwarz werden, keine Veri~nderung hervor, wahrend allerdings eine Stiirung des Appetits und der Verdauung der Thiere dutch die ScIerotinsliureeinfuhr mehrfach wahrnehmbar w a r n Auch wenn ich einen Hahn mehrere Tage hintereinander dureh Subcutaninjection yon Ergotinsiiure bis zum Sehwinden der Refiexe vergiftete, zeigte sich keine Gangriin. Ich halte daher den Schluss ftir berechtigt, dass der Ergotins~iure g a n g r R n e r z e u g e n d e Wirkungen nicht zukommen.
ttlstorisches i~Ser die Wirkung der ErgotinsSure. Dass im w~ssrigen Muttcrkornauszug eine d e n B I u t d r u c k e r n i e d r i g e n d e organische Substanz enthalten ist, fand sehon A r n a l 1848. Spiitere Versuche von U s p e n s k y 1), K a d a t z k y 2 ) and B o r e i s c h a 3) (1876) besti~tigten dies. Die zweite wichtige Wirkung des wiissrigen Mutterkornauszugs, d i e L ii h m u n g d e s R Uc k e nm a r k s a n d G e h i r n s , land 1860 G. B. B r u n n e r 4) bei Versuchen an Friisehen and 1871 Eug. H a n d e l i n ~) bei Versuchen an Katzen. 1) MedicinischeZeitschrift. 1864. Nr. 47--49. 2) Zur Frage iiber die Wirkung des •utterkorn. Inaug.-Dissert. Petersburg 1866. 3) Arbeiten aus dem pharmakol. Laborat. zu Moskau, hsgb. yon A. S okolowski I. 1876. S. 50. 4) Nonnulla de vi secalis cornuti. Dissert. inaug, quam def. Georgius Bernardus Brunner. Leipzig 1860. 29pp. 5) Ein Beitrag zur Kenntniss des Mutterkorns in physiologisch-chemischer Beziehung. Inaug.-Dissertat. Dorpat 1871.42 Stn.
Ueber die Bestandtheile und Wirkungen des Mutterkorns.
327
An Friischen wurde dieses Symptom wetter studirt yon W e r n i c h bet Anwendung seines dialysirten Ergotins, yon D r a g e n d o r f f und P 0 d w y s s o t z ki bet Anwendung der Sclerotinsaure nnd yon Z w e i f c l nach Injection yon Ergotinsaure. Von letztgenanntem Autor wurde zugleich ein drittes Symptom der Wirkung dieses Kiirpers~ welches Germain S ~ e 1) und S 0 v e t 2) gefunden zu haben glaubten, d i e V e re n g e r u n g t i e r G e f i ~ s s e , als fur die Ergotins~ure wcnigstens nicht exisfirend nachgewiesen. Die Wirkung der Sclerotinsiiure am Warmbltiter studirte Wold. l q i k i t i n ~ ) und bestiitigte auch ftir dieses Pr~iparat die beiden genannten Wirkungen. Fiilschlicherweise sehreibt er der Sclerotinsiture gangr~nerzeugende Eigenschaftcn zu. Aus den Versuchen, welchc mat Mutterkornextracten an Menschen angestellt worden sAnd, lasst sich ein Schluss nieht ziehen. Die erste Mittheilung tiber die Verwendung der Sclerotinsaure am Menschen stammt yon mAr selbst 4). Zu diesen Versuchen benutzte ich sowohl die besten Selerotinsiiuresorten des Handels, sowie ein eigens dazu dargestelltes~ ganz frisches und ungemein wirksames Pr~parat. Ieh wies schon damals darauf bin, class die Wirkungen des Mutterkorns und der Selerotinsaure nieht identisch sand, ja dass meist der Sclerotins~iure, wenigstens in den gew(ihnlichen Dosen, tiberhaupt keine Wirkung zukommt. Diese Ansicht ist sparer yon G a n g u i l l e t S ) , R e n n e r t 6 ) , P r e v o s t 7), B r i c o k s) und S c h i l l i n g 0) bestatigt worden. Dass sic bet subeutaner Injection reizend wirkt und eventuell dadurch alle mSglichen Erseheinungen maehen kann, geht aus den Versuehen yon S o t s c h a w l O ) , K o b e s l 0 und S t u m p f 12) hervor. II. Die $phaeelinsEure~
Der Name Sphacelins~ure ist abgeleitet yon Sphacelia segetum, dem alten Namen des Mutterkorns. Er scholar mar deshalb besonders 1) Propri~t~s de l'ergot de seigle. Th~se de Paris 1846. 2) Action physiologique du seigle ergot6. Arch. de m~decine belge. 1847. 3) Rossbach's pharmakolog.Untersuchungen.III. Bd. 1.--2. Heft. 1879. S. 78. 4) GynakologischesCentralblatt. III. Hr. 10. 1879; vgl. Schmidt's Jahrbticher. Bd. 184. S. 121. 5) Arch. f. Gynikologie. Bd. XVI. Heft 2. 1880. 6) Centralbl. f. Gynhkologie.1880.Hr. 22. S. 513. 7) Le Progr~s medical. 1882. Ho. 31.8. 597. 8) Ibid. 9) Bayr. irztl. Intellegenzbl. 1883.Hr. 3. S. 23. 10) Centralbl. f. Gynhkologie.1880. S. 546. 11) Zur therapeutischenVerwendung der Sclerotinsiure. Inaug.-Dissert. Greffswald 1881, 30 Stn. 12) Deutsch. Arch. f. klin. Medicin.Bd. XXIV. S. 416. 1879.
828
XVII. Ko~EI~:
geeignet, weil Sphacelia yon ~ ag~a• --~ der Brand herkommt and die Hauptwirkunff der Sphacellnsiiure gerade die branderzeaffende is~. A) Chemisehes. D a r s t e 11u ng. Dieselbeberuht aaf der Unltisliehkeit der freien S~iuro in Wasser and ihrer Liislichkei~ in Mkohol. Zur Darstellung wird frisehes, fein pulverisirtes, 51haltiges Mutterkern mit viel 3 procentiger Salzsi~ure kalt ausgezogen, naehdem es 12 Stunden damit in BerUhrung gewesen ist. Der nach tier Extraction verbleibende Rtickstand wird mehrmals mit Wasser ausgezogen and sodann durch Abpressen yon den letzten Wasserresten nach Mi~gliehkeit befreit. Der an der Luft getrocknete Presskuchen wird naeh dem Zerbriickeln zu Pulver in den Extraetionsapparat gebraeht and mit Aether ausgezogen. Diese Extraction wird fortgesetzt, bis das abtropfendo Fett nach dem Verdunsten des Aethers anf~ngt fest zu werden. Es sind dann ungefiihr 22--25 Prec. Fett aber fast keine Sphacelins~iure extrahirt. Jetzt wird kein Aether mehr zugegossen und nach dem Aufh0ren des Abtropfens auf das noeh stark naeh Aether rieehende Pulver Alkohol gegossen. Die abtropfende Fltissigkeit wird gesammelt, his sie fast aus reinem Alkohol besteht. Die gesammelten abgetropften Mengen, welche eine deutlich rothe Farbe haben, werd.en filtrirt nnd zur Entfernung des Farbstoffes mit heisser gesi~ttigter Barytliisung ausgefallt. Das sehwaeh alkaliseh reagirende Filtrat wird mit Sehwefelsiiure veto BalTt befi'eit and der geringe Uebersehuss yon Schwefelsaute durch Sehtitteln mit etwas gesehlemmtem Bleioxyd entfernt. Das ganz hellgelbe Filtrat veto Bleiniedersehlag wird bei 40--500 eingedunstet, wobei sieh ein braunes Harz mit Fett vermischt abscheidet. Diese sehmierigen Massen werden mit coneentrirter LSsung you kohlensaurem Natron innig verrieben, wobei sieh eine seifenartige ziihe hellbraune Verbindung bildet. Diese wird mit Alkoholi~ther zur Entfernung des beigemisehten Fettes extrahirt~ wobei sieh die seifenartige zi~he Consistenz allm~hlich verliert und ein weissliehes Pulver zurUckbleibt. Dieses wird jetZt in einem Uebersehuss you bTatriumcarbonat unter Erwarmen geli3st, filtrirt und aus dem Fiitrat die freie Sphacelinsaure durch Salzsaurezusatz flockig abgesehieden. Eigenschaften. Die Sphacelinsiiure ist in Wasser und verdtinnten Siiuren unl0slieh, 15slich dagegen in Alkohol, schwer l(islieh in fetten Oelen~ in Chloroform und in Aether. Bei der Entfettung des Mutterkorns mit Aether geht zu Anfang keine Sphacelinsi~uro mit in L~sung. Erst wenn alles leieht extrahirbare Fett dem Mutter-
Ueber die Bestandtheile und Wirkungen des Mutterkorns.
329
kern entzogcn ist und man mit wasserfreiem Aether die festen Fettmassen (etwa 8--10 Prec.) extrahirt, geht aueh die Sphacelinsiiure mit in LSsung. Dem Aussehen naeh maeht die Sphaeelinsaure, namentlich wenn sic etwas unrein ist, den Eindruck eines Harzes; auch geht sie beim l~ingeren Aufbewahren des Mutterkorns, sowie bei unvorsiehtigen chemischen Manipulationen leieht in eine unwirksame harzige Modification fiber. Man muss sich daher bei der Darstelhng der S~iure naeh jeder Behandlung, der man sie unterzogen hat, immer erst Uberzeugen, ob sie noeh wirksam ist. Infolge des allmiihliehen Sehwundes der wirksamen Sphaeelinsaure im Mutterkorn bei der Aufbewahrung kann die Darstellung fiberhaupt mit Vortheil nur im Herbst naeh der Ernte vorgenommen werden und ist dies der Grand, warum ich mit der Untersuchung derselben nicht zu dem Absehhss gekommen bin, welchen ieh wohl wtinschen m(iehte. Die Salze der SphaeelinsKure verhalten sich durehaus anders als die freie S~iure. Die Alkalisalze sind in Wasser liislieh und in Alkoholiither unliJslich und beruht darauf die Trennung derselben yon Fett. Beim Aufallen des alkoholisehen Mutterkornauszuges mit Baryt zur Entfernung der Farbstoffe in der oben besprochenen Weise fallt gewiihnlich ein Theil der Sphacelins~iure, wahrscheinlich als BalTtsalz , mit aus. Man thut daher gut, den Niedersehlag eventueU unter ZufUgung einiger Tropfen Sehwefelsliure sorgfaltigst naehtraglieh noeh mit Alkohol, sowie mit Petroleumi~ther auszuziehen und den Auszug gesondert auf Sphaeelinsiiure zu verarbeiten. Beim Eindunsten der alkoholisehen, oft fast farblosen L(isungen der Siiure, das ieh meist dadureh bewerkstelligte, dass ieh sie in flaehen Schalen der Mittagssonne aussetzte, war es mir stets sehr auffiillig, dass die sieh abscheidenden harzartigen Massen so dunkel, oft fast sehwarz gef~rbt waren. Ob dies auf einer theilweisen Zersetzung beruht, kann ieh nieht angeben. Wird die alkoh01isehe LSsung der Saure mit Wasser versetzt, so tritt, i~hnlich wie bei harzigen Tincturen, eine milehige Trttbung ein. Die Sphacelinsaure ist stickstofffrei. Dureh mehrfaches Ueberfithren abweehselnd in die Iqatronverbindung und in die freie S~uro lasst sie sieh asehefrei gewinnen. H i s t o r i s e h e s . Die Sphaeelinsiiure ist wahrsehelnlich neben vielen anderen K~rpern enthalten gewesen in harzartigen PrSparaten, welehe unter versehiedenen blamen 1830 yon H. A. L. W i g g e r s 1) 1) Inquisitioin Secale cornutum etc. Commentatiopraemioregio ornata. GOttingae 1831~ und Liebig's Annalen. Bd. 1. Heft 2. S. 129. 1832.
330
xvlI. KO~ER~
(als Ergotinum W i g g e r s ) , 1844 yon P a r o l a l ) , bald darauf wohl auch yon R a y e r und M a g e n d i e , 1854 yon Aug. M i l l e t 2) (als R~sine d'ergot), 1870 yon J. B. G a n s e r 3) und zuletzt von Charles T a n r e t 4 ) dargestellt worden sind. Es wtirde zu weit fiihren~ die Darstellungsweisen dieser Autoren ins Detail zu verfolgen; es genUge zu sagen, class die Einen dabei yore Mutterkorn selbst, die Anderen yon dem harzhaltigen Oele ausgingen. Ich babe im Handel, sowie in alten pharmakologisehen Sammlungen einige derartige Priiparate geihnden, yon denen jedoch kein einziges auch nur anniihernd in seinen chemisehen oder physiologischen Eigenschaften mit dem meinigen ilbereinstimmte. Vielleicht batte sich beim langen Liegen ihre Beschaffenheit geiindert; wenigstens kann ich es mir nur so erkliiren, class sie in Alkohol wenig oder gar nicht l~islieh waren, obwohl sie als in Alkohol l(islich bezeichnet waren.
~B) Physiologisehe Wirku~gen der Sp]~aceli~zsi~ure. V e r s u e h e an F r i i s e h e n . FrOsebe sind zu der in Rede stehenden Untersuchung sehr ungeeignet, da die zu verwendende Liisung sehr schwer resorbirbar ist und leicht Oedeme macht. Es ist deshalb auch gar nicht m~glich, tiber die Dosirung etwas Genaueres anzugeben. Es genUge zu sagen, dass diese Thiere eine oft sehr verschieden lange Zeit nach der Application der HarzlOsung ihre Lebhaftigkeit verlieren, in ihrer Reflexerregbarkeit starke Einbusse erleiden und zuletzt absolut reactionslos daliegen, wiihrend das Herz wetter schlligt. Zu einer Erholung kommt es meist nicht, da gewi~hnlich bald Oedeme auftreten und den Tod herbeiftihren. Durchsehneidung des Halsmarkes ~tndert an ~dem Vergit~ungsbilde nichts. Kriimpfe wurden hie beobaehtet. Es seheint sich demnaeh um eine allmi~hlich und ohne vorhergehende Reizung eintretende Liihmung des Gehirns und RUckenmarkes zu handeln. Das Herz ist an der Vergiftung unbetheiligt; daftir 1) lguove ricerche sl)erimentali sullo sprone de graminacei. Milan 1844; mir leider nicht zugiingig. 2) M~moires de l'Academieimp6riale de Mgdecine. TomeXVIII. 1854. p. 236. 3) Untersuchung der Bestandtheiledes Mutterkorns u. s.w. Mit dem HagenBuchholz'schen Preise gekr6nte Preisschrift, abgedr, in Archiv der Pharmacie. ]I. Reihe. Bd. 144 (der ganzen Folge Bd. 194). S. 195. 1870. 4) Bulletin g~n. de Th~rap. 1882, livraison6, 30 mars, p. 249, sowiean vielerL anderen ~tellen (vgl. unten).
Ueber die Bestandtheile und Wirkungen des Mutterkorns.
331
spricht ausser der Beobaehtung der gefcnsterten Thiere aueh der Versuch am W i l l i a m s ' s c h e n Apparate, bei dem sich in der Leistungsfahigkeit and dem Rhythmus des Herzens nach nicht zu grossen Dosen der Harzliisung keine wahrnehmbare Aenderung zeigte; naeh griisseren trat Lahmung der motorisehen Ganglien ein. V e r s u e h e an H~thnen. An diesen Thieren wurde die Saure meistentheils ohne Aufl~sung mit etwas Natriumcarbonat in Pillenform applieirt. Die Pillen warden mit Htilfe yon Mehl and Gummi arabicum dargestellt und immer gleich nach ihrer Darstellung verftlttert, weil sie sonst leicht hart and unliislich warden. Die Dosirung anlangend , ist zu sagen, dass bei ganz frischem Mutterkorn sehon aus 30 g eine t(idtliche Dosis des Harzes dargestellt werden konnte. Beim Liegen ~indert sieh aber, wie schon bemerkt, die Giftigkeit and wird binnen eines Jahres fast 10mal schwacher. Die auf die Application folgende haufigste Erseheinung bestand in S e h w a r z - u n d T r o e k e n w e r d e n d e s K a m rues a n d e v e n t u e l l a u e h d e r B a r t l a p p e n . Die Verfarbung trat stets zuert an den ~tussersten Spitzen auf and kam daher auch leichter bei LIahnen mit Jstehendem Kamme als bei solchtn mit liegendem zu Stande. Von den Spitzen her schritt die Verfarbung allmahlich naeh der Basis zu tbrt. Bei sehr starker Vergiftung trat einige Male schon hath 2 Stunden totale Kammverfi~rbung tin. War die Vergiftung schwaeh, so blieb das Thier trotz der partiellen Kammverfarbung ziemlich normal, frass weiter und am folgenden Tage sthwand die Verfarbung wieder yon der Basis des Kammes nach den Spitzen zu. War die Vergiftung intensiver, so warden zwar die Basis des Kammes and die Bartlappen wieder roth, aber die Kammspitzen blieben sehwarz, trockneten ein und wurden dureh demarkirende Entzfindang abgestossen. D e r g a n z e V o r g a n g m u s s a l s w a h r e G a n g r a n b e z e i e h n e t w e r d e n . Er trat ausser am Kamm and den Bartlappen auch haufig an der Zungenspitze and den Randern des Gaumens and des Kehldeckels auf. In einigen Fallen kam es znr Abstossung yon Stricken der Zunge, des harten and weithen Gaumeas; in eintm anderen fiel der halbe Kehldeckel nekrotisch ab. Nattirlich waren diese Theile nicht sehwarz gefarbt wie der Kamm, sondern weiss. In allen diesen Fallen handelte es sich, wie die yon Prof. v. R e e k l i n g h a u s e n ~) angestellte Untersuehung ergab~ um hyaline Thrombosen der Arterienastchen and zwar sehon 1) Handbuch der allgemeinen Pathologie. Stuttgart 1883. S. 349.
332
XVlI. Ko~a~
bei eben erst beginnenden 1%krosen. Innerhalb der bereits dankelblau gewordenen und oberflKehlieh eingetrockneten spitzigen Zacken des Hahnenkamms, deren EpithelUberzug sich meist fast in ganzer Liinge spontan abgel~ist hatte, enthielt hiiufig die axial verlaufende Arterie mit ihren Aesten ein ganz hyalines, nur yon Vaeuolen durchsetztes, lebhaft rosarothes Gerinnsel, welches an einzelnen Stellen das Lumen vollstKndig ausftillte, meistens aber eine dtinnere oder dickere Auflagerung auf der Arterienwandung bildete und oft nur noeh einea ganz engen Kanal einsehloss, sieh indess Uberall yon den anstossenden Siiulen der gut erhaltenen BlutkSrperchen seharf untersehied und abgrenzte. Die hyalinen Auflagerungen liessen sieh wohl in die Arterienveriistelungen, niemals aber in die strotzend mit rothen Blutkiirpereben geftillten Capillaren oder in die Venen hinein verfolgen. In den nekrotisirenden Zapfen des Hahnenkamms7 die in ihrem Innern eln um den axialen Bindegewebsstoek gelagertes Fettpolster fUhren, waren die verstopften Arterien regelmiissig unter den Aesten des axialen Stammes zu finden, letzterer selbst war nieht betheiligt. In einer auf 1 em Liinge blass und sehwaeh gelblieh gefiirbten Zungenspitze eines vergifteten Hahnes waren es die ersten Zweige der Hauptarterie hart an der oberen Grenze der verfiirbten Zungenspitze, welche den hyalinen, rothgefih'bten wandstiindigen und aueh obtarirenden Thrombus darboten, withrend die Ubrigen Arterieniistehen, sowie die Venen der Zungenspitze nur mit rothen Blutk(irperchen gefiillt und sehr eng, die Capillaren gr(isstentheils leer waren. Diese Befunde sprechen naeh v. R e e k l i n g h a u s e n gewiss dafttr, dass dureh die Seealevergiftang in den Arteriolen der iiussersten Theile des Hahnenkamms und der Zunge heftige und andauernde Contractionen eingetreten waren, und dass wiihrend der letzteren die hyaline Thrombose gebildet wurde, um ihrerseits dann die Blutzufuhr dauernd zu vermindern, oder g~inzlieh abzuschneiden und die Gangriin einzuleiten. Indem ich vorliinfig auf die R e e k l i n g h a u s e n ' s e h e Erkliirung der Genese dieser Zustiinde hier noeh nicht eingehe, fahre ich tbrt in der Beschreibung der Symptome~ welehe die Hahne naeh Ftitterung mit dem Mutterkornharz boten. War die Dosis tiidtlieh, so trat bald naeh dem Schwarzwerden des Kammes and Bartes Appetiflosigkeit und miissiger Durchfall auf. Die Thiere sassen wie narkotisirt da, liessen sieh alles gefallen, athmeten selten und sehwach, hattea aber deuflichen Herzsehlag. Die Extremitiiten waren nieht geliihmt, wurden aber ausserordentlieh ataktiseh bewegt, so class die Thiere nieht stehen konnten und beim Versuehe zu gehen umfielen, obwohl die gentigende Kraft noeh vorhanden war. Sehr bald folgte dann
Ueber die Bestandtheile und Wirkungen des Mutterkorns.
333
Erbrcchen, bisweilen auch Speiehelfluss und der Ted trat durch Hineingerathen fremder Massen in den Kehlkopf unter Erstickung ein. Die Section soleher innhalb 12 Stunden nach der Vergiftung gestorbener Thiere, gleieh naeh dem Tode vorgenommen~ ergab makroskopiseh in den inneren Organen nichts Besonderes. Hatte die Vergiftung dagegen l~tnger als einen Tag gedauert~ oder war der Ted erst naeh Application einer dritten und vierten Dose etwa am 8. Tage eingetreten, so fanden sich ausnahmslos sehwere Veranderungen im Darmtraetus, und zwar h o e h g r a d i g e r fo 11 i e u I ~trer Katarrh der Mucosa, des unteren Endes des Oesop h a g u s , d e s K r o p f e s u n d d e s M a g e n e i n g a n g e s oft bis zur Extravasatbildung und follicul~iren Nekrose. Die Verdauungsthi~tigkeit war offenbar w~ihrend der ganzen Zeit der Vergiftung gest(irt gewesen, denn es fand sich der Kropf und Magen noch yell yon der vet 6--8 Tagen gefressenen Speise (aus KSrnern und Bred bestehend) und diese war gar nieht verdant. Der lederartige dickwandige Theil des Magens war meist nieht ver~indert. Im Darm jedoch yon dem Magenausgang an bis zur Cloake hin fanden sieh z a h l l o s e , o f t aufeiner fingerlangen Strecke naeh vielen Hunderten zahlende kleine Blutextravasate in das Gewebe der Schleimhaut, welche oft zu grossen Herden versehmolzen waren. In den beiden Blinddarmen und an der Eingangsstelle des Diekdarmes waren die solit~ren Follikel und Plaques gerade so verandert wie bei sehweten Abdominaltyphen, d. h. sie waren gesehwollen, markig infiltrirt, verfarbt, nekrotiseh, theilweise noeh locker aufsitzend, theilweiso schon abgestossen. Der Grund der GesehwUre war oft sehr dtlnn, und einige Male waren eehte Darmperforation mit consecutiver Peritonitis vorhanden. Den typh~sen Erscheinungen entspreehend bestand bei Lebzeiten ein profusser wassriger Durehfall und bei der Section tand sieh im ganzen Dtinn- und Diekdarm nur reiehlicher Sehleim, aber kein Koth. Zur Entleerung der Speisemassen aus Kropf und Magen kam es niemals. Aueh wenn keine Perforationsperitonitis bestand, war doch der Entziindung im Darmkanal entspreehend aueh die ~ussere Ftache des Darmes injieirt und die Bauehhiihle enthielt ser~s-eitrige Fliissigkeit yon grtinlieher Farbe in weehselnder Menge. Hatte die Vergiftung liinger als eine halbe Woche gedauert, so land sich auch stets unter der Haut ein sehr r e i e h I i e h e s, 1e i e h t g a l l i g g e f a r b t e s A n a s a r k a , besondersin der Gegend des Bauehes und der Brust. Manchmal, aber nicht regelm~issig, fanden sich aueh Blutungen unter dem Pericardium parietale et viseerale, im Endoeard und an den Anfiingen der grossen Gefassstiimme, hltufig
884
XVII. KOI3EI~T
aueh in reiehlieher Menge im subeutanen Bindegewebe und zu beiden Seiten der Blutgef~sse im ]~esenterium und mesenterialen Fettgewebe. Bei einem Hahne wurde die Vergiftung mit an/~mgs sebr kleihen, dann abet immer steigenden Dosen 9 Monate lang fortgesetzt, ohne dass das Thief dabei magerer oder auffallig krank geworden w~re. Es bekam nut yon Zeit zu Zeit naeh einer Flitterung einen dunklen Kamm und Durehfall, erholte sieh abet racist innerhalb zweier Tage sehr gut. Endlich stieg ieh einmal bedeutend in tier Dose und erzielte eine schwerere Vergiftung, bei tier der Kamm in toto schwarz wurde und dutch demarkirende Entztindung langsam zur AblSsung kam. Zwei Woehen naeh tier Ftitterung war das Thief wieder ganz normal, i~:ass gierig, krahte jeden fremden Hahn wild an und hatte an Stelle des in toto abgestossenen Kammes eine feste :Narbe.mit neuen Kammwueherungen. Trotzdem war die Erholunff keine vollkommene. Ich land namlieh am 15. Tage naeh dem Aussetzen der Seealeftitterung frtih d e n e i n e n F l t i g e l his z u m H a n d g e l e n k u n d b a l d d a r a u f a u c h den a n d e r e n F l U g e l s p o n t a n a b g e l S s t im Kasten liegen. Die genaue Untersuehung des sieh lebhaft str~ubenden Thieres ergah, dass der zweite FlUgel dieht unter dem Ellenbogengelenk dutch demarkirende Entztindung abgestossen war. Die Knochen waren ebenfalls dieht unter tier Epiphyse durehtrennt worden. Eine Blutung hatte bei der Abl~sung nieht stattgefunden. Im Allgemeinbefinden des Thieres war dutch diese eigenthUmliehe Affection keine StSrung eingetreten; ebensowenig gesehah dies, als 12 Tage sparer der Rest des einen Fltigels, weleher stehen geblieben war, sich noch vollends abstiess. Eine um diese Zeit vorgenommene genauere Untersuehung des Thieres ergab~ dass in grosser Ausdehnung die Haut der Oberarme in eigenartiger Weise verdiekt und gelb verf~trbt war. Auf den ersten Bliek h~ttte man glauben ktinnen, es handle sich um subeutane Eiteransammlungen; die genauere makroskopisehe sowie die mikroskopische Untersuchung eines ad hoe exstirpirten Hautsttickehens durch Herrn Prof. v. R e e k l i n g h a u s e n ergab jedoch, dass die Verdickung aus neugebildetem Fettgewebe bestand, und dass das Ganze als e i n e A r t e l e p h a n t i a s t i s e h e r N e u b i l d u n g gedeutet werden musste. hTaeh 3 Wochen erhielt das Thier eine neue toxisehe Dose und zeigte sehon 2 Tage darauf an beiden FUssen, da wo die hornigen Sehuppen aufhiJren, dieselben elephantiasisartigen Hautver~tnderungen wie an den FltigelstUmpfen. Zu einer eigentliehen Gangr~n kam es diesmal nieht. Das Thier wurde Ubrigens I0 Monate lang weiter beobachtet und blieb im Uebrigen durehaus gesund.
Ueber die Bestandtheile und Wirkungen des Mutterkorns.
335
Einige andere Hiihne erhielten woehenlang, einer sogar anderthalben Monat lang taglieh Sphacelinsliure, aber in so geringer Menffe, dass es niemals zu acuten Vergiftnngserscheinungen kam. Aber aueh yon chronisehen Vergiftungserseheinunffen war niehts wahrzunehmen, so dass ieh sehliesslieh die Ftitternngen mit der Snare einstellte. u Woehen nach der letzten Fiitterung trat bet dem am l~ingsten geftitterten Thiere an beiden Fussballen erst dunkelblaue Verfarbunff and dann wahre Gangr~tn auf. Ein 2. Hahn zeigte dieselben Erseheinungen 6 Wochen nach dem Aufh(iren der Darreichung der SKure. Wir werden unten sehen, dass an Mensehen ~hnliche Beobachtungen yon sp~t auftretender GangV~in ffemacht worden sind. Wurde die Dosirung der Sphacelinsaure so gew~ihlt, dass fortwahrend sehr geringe Mengen derselben mit dem Fatter eingeftlhrt wurden, die weder Verfarbung des Kammes, noeh typhSse Durehfalle vernrsachten~ so zeigten die Thiere nach Woehen oder Monaten eine oft sehr lange anhaltende sehwere Ataxie der Bewegungen, so dass sie weder zu fiiegen, noch zu stehen vermochten, sondern wie betrunken umfielen and sehr leicht in Hypnose geriethen. Eine genaue Untersuehung dieser Thiere liess keinen anderen Schluss zu~ als dass es sich hier um Stiirunffen im Centralnervensystem handelte. I n d e r T h a t l i e s s e n s i c h a u c h im R t i c k e n m a r k e i n e s in solchem Zustande get~idteten Thieres u g a n z ~ i h n l i e h e r A r t w i e die im K a m m b e s e h r i e b e n e n ~ n u r s e h w ~ e h e r e n t w i e k e l t , n a c h w e i s e n . DieThierestarben tibriffens an diesenVergiftungen nieht immer, sondern warden manehreal Each einigen Wochen wieder besser. Ganz ahnlich wie in diesen Fallen verlief die Vergiftung, wenn die Thiere nieht freie Sphaeelins~ure per os, sondern sphaeelinsaures Natron subcutan erhalten batten. Die Resorptionsverhaltnisse waren (vielleicht infolge yon Beimischung ether Spur yon fettsaurem Natron) bier offenbar sehr ungiinstig~ so dass man die injieirten Massen noeh naeh 8 Tagen gr~isstentheils unresorbirt im subcutanen Gewebe naehweisen konnte. Dem entsprechend traten aueh Vergiftungserseheinungen nut sehr langsam nnd unvollkommen auf und bestanden nieht in Gangran, sondern in Coordinationsst~irung in den Bewegungen der Extremititten und in auffalliger Schlafsueht, die sehliesslieh zu Respirationslahmung tiberging. Der Seetionsbefund war makroskopiseh negativ, nur dass sieh an den Injectionsstellen noeh betraehtliehe Mengen des unresorbirten Harzes vorfanden. Es handelte sieh bier lediglieh um die makroskopisch nicht wahrnehmbaren Veranderungen des Centralnerven-
386
XVII. KO~RT
systems. Wurden H~thne mit einer Dosis yon reiner Sphacelinsiiure geftlttert, welehe die zur Herbeiftihrung des t(idtliehen Ausgangs n~thige erheblieh tiberstieg~ so kam es ausnahmsweise vor, dass der Tod eintrat, ehe irgend welehe anatomiseh naehweisbaren Ver~inderungen des Kammes oder der Unterleibsorgane sich ausgebildet hatten. Die ganzen Symptome bestanden dann in einem heftigen Krampfanfalle, weleher tSdtlieh endete. V e r s n c h e mit S p h a e e l i n s i i u r e am Schwein. Ein junges Schwein von 5400 g erhielt das Harz aus etwa 80 g lgutterkorn in Oel und Milch emulgirt mittelst Schlundsonde and wurde schon in derselben Stunde schwer krank. Die Symptome bestanden in Durchfall, der jedoch nach einigen Tagen nachliess, sowie in einer ganz auffalligen Ataxie und Parese der Extremifaten, so dass das Thief nur auf dem Bauehe rutsehend sieh fortbewegen konnte. Am 3. Tage traten B r a n d b l a s e n an beiden Ohrmuseheln auf. Sehr auffallig war ausserdem, dass d e r P a t e l l a r r e f l e x ~ welc h e r a n f a n g s ganz r e g e l m a s s i g bei d e n U n t e r s u c h u n g e n v o r h a n d e n war, j e t z t (am 3. T a g e ) v e r s e h w a n d und hie w i e d e r k a m . Am 5. Tage wurde das Thier, welches bis dahin meist wie somnolent dagelegen hatte und geftittert werden musste, wieder etwas lebhafter, frass allein und reagirte auf Reize, welche Kopf oder Ki~rper trafen, prompt. Die Parese und Ataxie der Beine hatte aber noeh zugenommen, so dass eine Fortbewegung nicht mehr mSglieh war. Die Sensibilitat der Extremitaten war geschwacht, aber nicht aufgehoben. An den Ohren, auf und in der Nase waren neue Brandblasen aufgetreten. Am 7. Tage wurde der Durchfall wieder starker und es traten Sehluckbeschwerden ein, so dass das Thier mit der Schlundsonde geflittert werden musste. Am 8. Tage verfKrbten sich die Rander der 0hren dunkelblau und eine etwa erbsengrosse Partie der Nase wurde schwarz. Am Morgen des 9. Tages erfolgte unter Durchfall nnd Dyspnoe der Tod. Die sofort vorgenommene Section ergab an Gehirn und Rtlekenmark keine auffalligen makroskopischen Veranderunffen. Die Organe der Brusth~ihle zeigten niehts Abnormes. In der BauchhShle fiel eine ganz enorme Hyperamie der Mesenterialgefasse auf. Magen und Darm enthielten fltissigen Speisebrei. Im Magen etwa 6 linsenbis fUnfpfennigstiickgrosse Blutungen, an denen die Sehleimhaut theilweise defect war. Im ganzen Dtinn- und Dickdarm zahllose punktfSrmige I-/amorrhagien, die grnppenweise bei einander standen und entweder der HShe einer Schleimhautfalte entspraehen, oder auf:
Ueber die Bestandtheile und Wirkungen des Mutterkorns.
837
einem gri~sseren Venenstamme aufsassen. Nieren und Leber zeigten niehts Besonderes. V e r s u c h e m i t S p h a c e l i n s i ~ u r e an K a n i n c h e n , K a t z e n und Meersehweinen. Im Gegensatz zum Hahn und zum Sehwein gelang es an Kaninehen, Katzen und Meersehweinchen niemals, Gangri~n zu erzeugen. Das Verhalten der Hunde und Katzen war insofern versehieden, als Hunde jeden Versuch, Sphacelinsiiure in ihren Magendarmkanal einzuftihren, mit Brechen beantworteten, woher sehr bald yon dieser Applieationsweise Abstand genommen wurde, da ieh reich nieht entsehliessen konnte, den Thieren den Oesophagus zu unterbinden. Bei Katzen trat zwar aueh hi~ufig, aber doch nicht regelmi~ssig Breehen ein. An Kaninchen dagegen gelang die Vergiftung immer, gleiehgtiltig ob die Sphacelinslture in Pillenform oder als Natronsalz in LSsung in den Magen gebracht wurde. Meersehweinchen verhielten sich im Grossen nnd Ganzen ebenso wie Kaninehen. Zur Charakterisirung des Verlaufs der Vergiftung m~gen folgende Versuehsprotocolle dienen. Am 2. M~irz 1884 erhiilt ein Kaninchen yon 1600 g 1,9 g Sphacelinsiinre (etwas fetthaltig) in Pillenform Abends 5 h per os. 5 h 40 m. Das Thier ist bereits unwohl und entleert breiige Sttihlc, w~hrend der Koth bisher immer aus festen Knollen besteht. 7 h. Der Durchfall hitlt an. Thier ist bereits sehr matt. 10 h. Derselbe Zustand. 3. Miirz Morgens 8 h. Thier liegt wie todt auf der Seite, athmet abet noch und hat kr~ftige Pulse yon normaler Frequenz. Temp. ~-- 33 o C. Dieser Zustand dauert den ganzen Tag tiber an. Naehdem das Thief in Watte gepackt und wieder auf seine normale Temperatur gebracht wordcn ist, wird es auf den Zustand seiner ]qerven und Muskcln hin genaucr untersucht. Von den Hinterbeinen aus ist selbst b e i starkcn Reizen kein Lebenszeichen zu erzielen. Die Vorderbeine sind gelahmt, aber nicht ohne Empfindung. Der Kopf ist normal. Der Durchfall hat nachgelassen. Puls und Respiration sind nicht abnorm. In diesem Zustande wird das Thier Abends S Uhr verlassen und fl'tih todt vorgefunden. Section: In der BrusthShle nichts Abnormes. In der BauchhShle fiillt gleich beim Eri~ffnen derselben ein ziemlich starker Bluterguss in das Gewebe des Pankreas in die Augen. Ferner sieht man an vielen Stellen durch die Serosa des Darmes hindurch multiple
338
XVII. KOBBa~
kleine Hi~morrhagicn im Darmlumen. Beim Aufsehneiden des Intestinaltraetus zeigen sieh im Magen etwa an seebs Stellen groschengrosse Herde yon Hamorrhagien. Jede einzelne Blutung ist zwar kaum stecknadelkopfgross, aber sie stehen in dicht gedrangten Haufen beisammen. Alle sind frisch, hellroth, offenbar erst am letzten Tage entstanden. Ganz i~hnliehe Herde finden sieh im ganzen Dtinndarm und zwar naeh unten zu haufiger und griisser als oben. Im Dickdarm noeh ganz unten einige Herde. Harnblase miissig gefUlit. Ihre Sehleimhaut mit zahllosen kleinen Hamorrhagien yon hellrother Farbe wie iibersiiet. Der ziemlich langsame Eintritt des Todes in diesem Versuche erkliirt sieh daraus, duss das Gift in Form recht fester und in Wasser ganz unltislicher Pillen eingeftihrt worden war. Bei Application in gelhster Form war der Verlauf der Vergiftung ein viel rapiderer. Ein Kaninehen yon 1700 g erh~lt am 14. Mai 1884 1,5 g Sphacelins~ure als b~atronsalz in Emulsionsform, mit etwas Fett vermiseht, Abends 6 h per os in den Magen. 6 h 30 m. Heftiger Durehfall. 7 h 30 m. Status idem. Am anderen Morgen 9 Uhr wird das Thier auf der Seite liegend wie todt vorgefunden. Hinterbeine ausgestreckt, kalt, ohne Geftihl und Bewegung; Vorderbeine paretiseh, tIerzschlag normal; Respiration etwas angestrengt, besehleunigt. 11 h. In beiden 0hrmuseheln des seit Morgens in Watte gepackten, unbertihrt gebliebenen Thieres sind neben den grossen Gefassstammen (Venen) zahlreiche kleine Hiimorrhagiea aufgetreten. Respiration und Puls sind sehwi~eher als am Morgen. 12 h. Hinterkiirper ganz abgestorben. Die Blutungen in die Ohrmuscheln haben sich vermehrt. 12 h 20 m. Ted ohne besondere Erscheinungen. Section: Im Abdomen nichts Pathologisehes. Unter der Pleura pulmonalis mehrere punktf(irmige bis steeknadelkopfgrosse Hiimorrhagien. Herz yon fiUssigcm Blut tiberfUllt. In beiden Ohrmuseheln im Bindegewebe unter dcr Haut liings der Venenstitmme zahlreiehe (50--60) kleine Blutaustritte, welche zum Theil zu griisseren Plaques confluirt sind. Centralnervensystem nieht untersucht. Eine grosse, hoeh schwangere Katze you fiber 4 kg Gewieht erhiilt am 20. Mai 1884 1,0 g Sphaeelinsiiure als Natronsalz unter Milch
Ueber die Bestandtheile und Wirkungen des Mutterkorns.
339
in den Magen und bricht einen kleinen Theil davon sehr bald wietier aus. Nach 35 Minuten bekommt sic heftige Wehen und in der 40. Minute beginnt der Geburtsact. Zugleieh ,tritt etwas Durehfall und starker Speichelfluss ein. Die Geburt verl~uft ganz in normaler Weise und scheinGn beide Jungen ausgetragen zu sein. Naeh 2 Stunden lassen die Vergiftungserseheinungen nach und das Thier widmet sich nun ganz seinen Mutterpfliehten. 10 Tage spiiter erhi~lt dasselbe Thier 1,5 g Sphacelinsiiure in Natriumcarbonat gel~st frtih 10 h in den Magen. Es treten danach zwar Wtirgbewegungen auf, aber es kommt night zum eigentliehen Brechen. 10 h 45 m. Heftigster Durchfall und Speichelfluss. Der Speichel ist sehr ziih. Der Durchfall hi~lt 2 Stunden~ tier Speiehelfluss 4 Stunden an. Dann tritt allmiihlich Ataxie und Sehw~tehe erst der Hinterpfoten, dann aueh der Vorderpibten ein. 5 h. Thier complet gel~thmt und an~sthetiseh. Pupillen erweitert. Respiration und Puls night abnorm. 7 h. Unter allmiihlichem Schw~teherwerden der Respiration und des Pulses tritt unvermerkt der Ted ein. Die Section ergibt keine makroskopischen deutlichen Ver~tnderungen. Diese Versuche mtigen gentigen, um das allgemeine Vergiffungsbild der Thiere bei der acuten Vergiftung vom Magen aus zu charakterisiren. Ehe ich jetzt zu dem Verhalten der Thiere bei intraventiser Application des Giftes Ubergehe, will ich kurz die Resultate mittheilen, welche ieh bei M o n a t e l u n g f o r t g e s e t z t e r V e r g i f t u n g mit einer allerdings noch ziemlieh viel Fett enthaltenden Sphacelinsiiure an Kaninchen in den Jahren 1882 und 1883 erhalteu habe. Bei Vergiftung mit minimalen Desert blieben die Thiere 4--8 Wechert lung gesund; dann wurden sic ullmi~hlieh krank, bekamen Durehfall und zeigten auch wohl Sttirungen der Motiliti~t und Sensibiliti~t, abet n i e m a l s z w e i f e l l o s e Gangri~n; d a g e g e n e r g a b d i e S e c t i o n B l u t u n g e n in d e n v e r s e h i e d e n s t e n O r g a n e n , b e s e n d e r s im M a g e n u n d D a r m . Im Nagen fanden sigh dieselben immer im Verlaufe der grossen Gefassstiimme, oft dutzendweise und waren theils neueren, theils itlteren Datums; ganz ausnahmsweise nur hatten sich dieselben zu kleinen hi~morrhagisehen aeschwtiren entwiekelt. Im Darmkanale fanden sieh die Blutungen seltener im DUnndarm als im Diekdarm und standen hier ebenfalls gruppenweise beisammen. Die Grtisse der einzelnen Blutung war racist nicht tiber linsengross. Ausserdem fand ich noch gelegentlieh ttamorrhagien, und zwar gr(issere im Endo- und Pericard, in den Pleuren, in der Archly
f. experiment. Pathol, u. Pharmakol, x v I n . Bd.
23
34=0
XVII. KOZE~T
Blase~ in der Substanz des Uterus, ja sogar in den FSten. RUckenmark und Gehirn wurden nut in denjenigen Fiillen angesehen, wo sich intra vitam Erscheinungen gezeigt batten, welche auf eine Betheiligung dieser Organe an der Erkrankung sehliessen licssen. In dicsen F~llen fanden sich aueh meist kleine Blutergtisse in die lV[eningen; einmal, als das Thief unter Dreherscheinungen starb, aueh eine ausgedehnte Blutung in die Substanz der einen Hemisphere. l~Iikroskopische Untersuchungen wurden nicht vorgenommen. Chronisch verlaufendeVersuche mittelst Subcutanap p 1 i c a t ion yon sphacelinsaurem :Natron scheiterten an ausseren Schwierigkeiten. Um tiber die Beeinflussung der K r e i s l a u f v e r h a l t n i s s e dureh das Mutterkornharz an Warmbliitern ins Klare zu kommen~ wurden Injeetionen der in kohlensaurem :Natrium gelSsten Saute ins Blut vorgenommen. Dieselben zeigten, dass dieselbe auch fiir die Thierarten, welche keine Gangr~tn bekommen und daher weniger beeinitusst zu werden sehienen als H~thne und Schweine~ ungemein giftig ist. An uncuraresirten Kaninchen yon etwa 1500 g trat nach Injection yon 0,05 g S~ure in eine periphere kleine Yene naeh etwa 8--10 Minuten ein deutliehes Ansteigen des Blutdruckes ein, ausnahmsweise bis auf das Doppelte des vorherigen, dem nach einigen Minuten intensive strychninartige Kriimpfe des ganzen KSrpers und sodann Respirationsstillstand tblgten. Hand in Hand damit ging ein Absinken des Blutdruckes, das auch dutch eingeleitete kiinstliche Respiration nicht aufgehalten werden konnte und mit bald darauflolgendem Tode endigte. An curaresirten Thieren trat nach gleicher Dose und gIeicher Art derkpplication cbenfalls ein s e h r b e d e u t e n d e s A n s t e i g e n d e s B l u t d r u c k e s ein, welchem nach geraumer Zeit einAbsinken und endlieh der Tod des Thieres folgte. KrKmpfe traten b d diesen Thieren natiirlich nicht ein. Discision der :Nervi vagi hatte auf das ganze Vergiftungsbild keinen Einfluss. Die Pulsfrequenz wurde yon den Injectioncn fast nicht beeinflusst. An Hunden waren die Blutdruekschwankungen naeh den Injectionen weniger deutlich ausgesprochert als an Kaninchen. Es galt jetzt die Frage zu beantworten, wodurch die Blutdrueksstdgerung zu Stande kommt. Zu diesem Behnfe wurden die Injectionen an tief ehloralisirten und an Kaninchen mit durchschnittenem Ealsmark wiederholt. Bei beiden waren die Erscheinungen ganz dieselben: jegliehe Blutdrucksteigerun.g blieb, ebenso wie auch jeglicher Krampfanfall, aus. Es ~nderte sich nach den Injectionen, wenn sie vorsichtig in eine periphere Yene gemacht wurden, iiberhaupt
Ueber die Bestandtheile und Wirkungen des Mutterkorns.
341
gal" nichts. Bemerkenswerth war dabei noch, dass die berechncte letale Dose bei diesen Thieren nicht sofort letal wirkte, sondcrn erst die doppelte. Wurde gleich nach dem Eintritt des Todcs die Section gemacht, so konnten regelm~tssiff durch schwache mechanische oder elektrische Reize am Herzmuskel noch partielle Contractionen ausgelSst werdcn. Aus diesen Versuchen geht hervor, dass d i e S p h a c e l i n s ~ u r e i h r e n A n g r i f f s p u n k t im v e r l ~ i n g e r t e n M a r k hat. Sie rcizt das vasomotorisehe Centrum. Infolge dessen treten Contraction aller Arterien, Blutdrucksteigerung und bei gr~sseren Doscn allgemeine Kriimpfe auf. L~hmt man das vasomotorische Ccntrum durch Chlo= ral, so fallen allc diese Erscheinungen weg; ebenso nach Halsmarkdurchschneidung. Der Ted tritt dann bei kUnstlicher Respiration erst nach gr~sseren Desert des Giftes durch Liihmung der motorischen Centra des Herzens ein. Ich will nicht unterlassen, hier zu bemerkcn, dass derartige Versuche natUflich mit besonders rcinen Praparaten gemacht werden mtissen. Ich hlitte die meinigen gern noah ~fter wiederholt, namentlieh um zu constatiren~ ob die Bhtdrucksteigerung an Hunden stets so unbedeutend ist, wie es in einigen Versuchen schien; es war mir dazu abet das Material ausgegangen und muss ich sie daher spater nachholen. Wir haben oben gcsehcn, dass Herr Prof. v. R e c k l i n g h a u s e n aus dcm anatomischen Befunde der brandigen Theile der vergifteten Hahne gefolgert hatte, es mUsse sich um ,hcftige and andauernde Contraetionen der Arteriolen" bei tier Vergiftung mit dem Harzc handeln. Er sprach diesc Ansicht zu einer Zeit aus, wo ieh liber die Einwirkung des Stories auf die Circulation noch keine Versuche an Kaninchen gemacht hatte, Um so interessanter ist es, dass diese sp~tteren Versuehe seine Ansicht bestatigt und dadureh d i g H y p o t h e s e yon d e r s p a s t i s c h e n C o n t r a c t i o n d e r G e f ~ s s o b e i d e r M u t t e r k o r n v e r g i f t u n g zum f e s t s t e h e n d e n S a t z o g e m a c h t h a b e n . Es ware nun mSglich, dass diese Contraction bei verschiedenen Thierklassen versehiedcn stark ausfKllt und verschie: den lange dauert, und dass daher bei einigen Brand, bei anderen nur Blutungen e!ntreten. Eine mcrkwUrdige Erscheinunff, auf die ich aber etwaige Naehuntersucher aufmerksam zu machen nicht unter]assen darf~ besteht darin, dass die H~hne n u r b e i der ersten Vergiftung auf das Gift mit schneller Gefiisscontraction und Gangr~n reagiren. Schon bei einer Zweiten Vergiftung braucht man eine merklich hShere Desert and wenn man die Vergiftung immeb nachdem sich die Thiere ganz 23*
342
XVII. KOBERT
erholt haben, wieder yon Neuem herbeiftihrt, so braueht man nach einigen Monaten ganz erstaunlieh hohe Dosen, die das 6 fache, ja 10faehe yon dem betragen, was ein noeh nie vergifteter Hahn niithig hat, am der Vergiftung durch Darmerseheinungen und Gangr~tn zu erliegen. Ieh bekam bei Niehtbeachtung dieser Thatsache sehr lange Zeit falsehe Resultate, indem ich viele Pr~iparate als werthlos wegwarf, weil sie in der gewi~hnlichen Dose bei meinen schon 5fter benutzten Thieren absoht wirkungslos blieben. Dass die Sphacelins~ture, wie aus einem der oben mitgetheilten Versuehe hervorzugehen scheint, Uteruscontraetionen erregt, wage ieh noeh nieht zu behaupten. Ieh beubsiehtige aber eine grSssere Quantiti~t der Siiure an Ktihe zu verftittern~ da ieh glaube, dass eiu Versuch an einem so grossen Thiere viel mehr beweist als zahlreiche an Katzen oder gar an Kaninchen, die bei schweren Vergiftungen, selbst wenn diese den Uterus nieht direct betreffen, leicht abortiren.
Histonisches i~ber die Wirkungen der Sphacelinsiiure. I. B e o b a e h t u n g e n
an M e n s e h e n .
Dass durch Mutterkorn Gangr~tn und die oben beschriebenen, an Typhus erinnernden Darmerscheinungen hervorgebracht werden k(innen, ist seit Jahrhunderten bekannt. Dass die yon T h u e y d i t e s besehriebene, mit Gangr~inerscheinungen verbundene Pest yon Athen mit dem Mutterkorne etwas zu thun habe, ist mir mehr als zweifelhaft; dagegen sprieht G a l e n (De differentiis febrium lib. I. cap. IV) yon einer Krankheit des Getreides, die bei den davon lebenden Menschen brandige Erseheinungen hervorrief und die ich mit Aug. Hi r s e h 1) als Ergotismus deuten m(iehte. Mit noeh grSsserer Sieherheit kann man annehmen, dass die unter dem Namen des Antoniusfeuers 2) bekannten Epidemien hierher geh~ren. Die erste Seuche dieser Art, tiber welche wit Nachricht haben, herrschte 857 am Rheine. F l o d o a r t (oder F r o d o a r t ) y o n R e i m s a ) , der die zweite in Paris 945 herrschende Epidemie besehrieb, deutet sehon an, dass die Aetiologie in Genuss eines giftigen ~ahrungsmittels bestand. Spliter wurden 1) Handb. d. histor, geograph. Pathol. II. Aufl.,]I. Abth. 1883. S. 141. 2) Eine um das Jahr 1090 herrschende Epidemie gab den Grund zur 8tiftung des Ordens yore heiligen Antonius und yon diesemHeiligen bekam nachher die ganze Krankheit den Namen Ignis Antonii. 3) Chronicon ad annum 945; vgl. Recherhes sur le feu Saint-Antoine par de Iussieu, Paulet, Saillant et l'Abb~ Tessier. M4m.delaSoc. Roy. de M~d. 1776. I. p. 266. Ebenda findet sich auch der ftir das Auftreten der Gangr~tnan den Gliedern charakteristische AusdruckMembris carbol~um instar nigrescentibus.
Ueber die Bestandtheile und Wirkungen des Mutterkorns.
34:3
grosse Theile yon Spanien~ Frankreich und Deutschland heimgesucht and zugleich mehrcn sieh die Nachrichten yon gleiehzeitigem Misswaehs und verdorbenem Brot. Von der Mitre des 13. Jahrhunderts ab werden die Naehriehten fiber das Antoniusfeuer wieder seltener und h(Iren schliesslich ganz auf. Die Symptome dieser Krankheit bestanden nach C. H. F u e h s i) in heftigen Schmerzen, livider Verfi~rbung d e r Haut bis ins Sehwarze, Trockenwerden and Abfallen der Glieder oder geschwtiriger Abstossung. Das Fleisch ,riel von den Knochen". Man sah Individuen, die nur noeh aus Kopf und Rumpf bestanden. Zufiillig liegt uns fiber keine dieser Epidemien yon Ignis sacer ein medicinischcr Bericht vor, so dass ihr Zusammenhang mit dem Mutterkorn sogar manchmal bestritten worden ist. Erst Robert D um o n t , welcher eine 1125 herrschende Epidemie bcschrieb, legt die Sehuld davon direct dem kranken Korne bei; aueh zur Zeit der 1096 in der Grafschaft Namur grassirenden Epidcmie war den Berichten der Chronistcn zufolge das Brod allenthalben schleeht and yon rioletter Farbe. Die erste, wenn auch noch schr unklare medicinische Nachricht yon eincr wirklich nach Mutterkorngenuss entstandencn Seuche mit Gangriin gab Wendelin T h a l i u s 2) 1588 in einer Monographie and die Marburger medicinische Faeultiit in jenem berUhmten Gutachten3) tiber die grosse hessische Ergotismusepidemie yon 1596, zu welcher Zeit auch der Name K r i e b e l k r a n k h e i t zum ersten Male auftaucht, der spiiter allcrdings mehr fUr die convulsivisehe 4)~ als fur die gangr~niise Form des Ergotismus gebraucht wurde. In Frankreich stammt die erste medicinische Mittheilung tiber gangranSsen Ergotismus von T h u i 1 1 e r ~) dem Vater, Arzt des Hcrzogs yon Sully~ aus dem Jahre 1630. Der Academie der Wissenschaften 1) Das heilige Feuer des Mittelalters u. s.w. t I e c k e r ' s Annalen der ges. Heilkunde. Januar 1834. 2) Von diesem Autor stammt auch das Wort Mutterkorn = Mater Secalis. 3) Yon einer ungewOhnlichen und his anhero in diesen Landen unbekannten giftigen, ansteckenden Schwachheit, welche der gemeine Mann dieser Orte in Hessen die Kribelkrankheit, Krimpfsucht oder ziehende Seuche nennet. Sampt angehenckten Tracthtlein yon Curation der Pestilentz und Rotenruhr. Durch die Professores Facultatis Medicae der Universit~t zu Marpurg in Hessen. Marpurg 1597. 4~ 4) Miserabilis et omnino terribilis fuit iste morbus pestilentialis convulsivus, quem vulgo die Kriebelkrankhelt, Krampfsucht oder ziehende Seuche nominaruut. Georgii H o r s t i i ~o9 ttazaQl~ov operum medicorum tomus secundus. Goudae~ 1661. p. 444. 5) Journal des S~avans 1676. p. 81.
344:
xVII. KOBE•T
warde diese wichtige Angelegenheit zum ersten Male 1672 durch P e r r a n l t and 1674 zum zweiten Male dureh B o u r d e l i n bei Gelegenheit zweier Epidemien (in der Sologne und um Montargis-her) vorgetragen. Man wi~hlte daraufhin D o d a r t dazu aus, sich fiber den Zusammenhang der Epidemien mit dem Mutterkorn zu orientiren, und dieser spraeh sieh (am 16. M~trz 1676) entschieden daffir aus, dass das Mutterkorn die Epidemien bedinge. 1710 wurde fiber denselben Gegenstaad nochmals ~) der Aeademie beriehtet. In diesem Berichte wird eines Bauern Erwahnung gethan, dem infolge yon Mutterkornvergiftung erst alle Zehen abfielen, dana die ganzen Fiisse and dana das Fleisch der Unter- and Obersehenkel, so dass nur die Knochen fibrig blieben. Andere Beriehterstatter fiber dieselbe Epidemie sagen aus~ dass die Kranken manehmal Finger and Zehen in den Handschahen and Stiefeln fanden, die sich ohne Schmerz losgestossen hatten. Ein Saugling, d e r m i t mutterkornhaltigem Mehlbrei geffittert worden war~ wurde taubstumm und verlor beide Ftisse. Mit Recht viel citirt ist ein Brief2)~ welchen ~764 T i s s o t an den englischen Arzt G. B a k e r fiber die Mutterkornvergiftung sehrieb, and in dem bereits mit klaren Worten gesagt wird, dass unter den Symptomen des Ergotismus gangran~se uad convalsivisehe wohl zu trennen sind. 1770 war man sieh in gebildeten Kreisen fiber den Zusammenhang der Gangrlinepidemien mit dem Mutterkorn bereits so klar, dass eine Ackerbaugesellschaft dureh V e r i l l a r t eine Brochtire 3) abfassen and unentgeltlieh an die Bauern vertheilen liess, worin die Gef~hrlichkeit des Mutterkorns dargethan and Jedermaan, besonders die Geistliehen aafgefordert werden, zur Vernichtung desselben nach Kri~ftea beizutragen. Dasselbe geschah 1772 in Kopenhagen. In der darauf bezfigliehea Schrift 4) findet sieh aueh der erste Sectionsbericht eines an gangr~nSsem Ergotismus gestorbenen Mensehen. Der pathologiseh-anatomische Befuad seheiat typhusartig gewesen zu sein; wenigstens wird yon Entzfindung des Darms, Verfaulung des hTetzes and Stockung des Gebltites im Magen~ Darm tier Leber und Milz geredet. Ich kann bier die vielen Epidemien, welche trotzdem ~orkamen, 1) Histoire de l'Acad, roy. des sciences 1710. p. 61. 2) S. T. Tis s o t epistolae med. pract., editio Baldingeri. p. 254. 3) M4moiresur un esp~ce de poison connu sons le nora d'ergot etc. Tours 1770. 4) Berichte und Bedenken die Kriebelkrankheit betretiend, welche yon den schleswigholsteinschen Physicis an die k6nigl, deutsche Kammer zu Kopenhagen eingesandt worden u. s. w., nebst einem Unterricht ftir das Landvolk. Kopenhagen 1772.
Ueber die Bestandtheile und Wirkungen des Mutterkorns.
345
nieht alle aufziihlen, namentlich da sic bei Joh. T a u b e ~ ) , bei Th. O. H e u s i n g e r 2) und Aug, Henry L e t e u r t r e a ) sehr ausfUhrlich aufgeziihlt und beschrieben sind. Es geniige, nach A. H i r s c h 4) anzuftihren, dass bis zum Ende des 15. Jahrhunderts im Ganzen 38 griJssere Epidemien yon Ergotismus gangraenosus beschrieben women sind. Von diesen habeu 22 in Frankreich, 5 in Spanien, 4 in den Niederlanden, 4 in Deutschland, 2 in England nnd 1 in Italien geherrscht. Aus der Zeit vom Anfange des 16. Jahrhnnderts his jetzt sind weitere 25 Epidemieu yon Ergotismus gangraenosus bekannt geworden, yon welchen 18 auf Frankreich, 3 auf die Sehweiz, 2 auf Spanien und je I auf Italien und Deutschland kommen. Sieht man yon 5 zweifelhaften Epidemien ab, so bleiben im Ganzen 58 tibrig, yon denen 40' in Frankreich, 7 in Spanien, 4 in den l~iederlanden, 3 in der Schweiz und je 2 in Italien und Deutschland geherrscht haben. Besonders gross waren yon diesen Epidemien 13 in Frankreieh (993--994, 1094--95, 1109, 1128--29, 1151~ 1214--15, 1650~ 1670~ 1709--10, 1747, 1770 --71, 1813--1814 und 1S54--55), 2 in der Schweiz (1650 und 1674) and 1 in Deutschland (1486). Die am meisten befallenen Gegenden yon Frankreieh waren das obere und mittlere Stromgebiet tier Loire, and zwar die Provinzen Orleannais (besonders die Landschaft Sologne), Touraine, Poiton, Anjou und Maine, sowie in Stromgebiet der Rhone die Provinzen Lyonnais, Dauphin6, Languedoc und Burgund. Eine reeht genaue Besehreibung eiaes sehr schweren Falles v0n Ergotismus gangraenosus, welchen B o n j e a n 1844 mit ansah, findet sich in dem schon genannten Buche yon Bonj c a n p. 158. Eine Theorie des Zustandekommens der Gangritn sprach klar erst 1827 J. F. C o u r h a u t 5) aus, indem er sagt, es komme beim Ergotismus eine Siiure ins Blut und bewirke eine Contraction der Gefasse, wodurch das Blur aus denselben getrieben werde and infolge dessen Brand entstehe. Ueber diese Theorie ist seitdem viel hin und hergesproehen worden; es gelang aber hie, dieselbe zu beweisen. 1) Die Geschichte der Kriebelkrankheit u. s . w . GSttingen 1782, mit trefflichen Abbildungen gangr/~nSser Glieder. 2) Studieu fiber den Ergotismus u. s. w . Marburg 1856, mit Abbildu~gen contracturirter und verstttmmelter Giieder. 3) Documents pour servir h l'histoire du seigle ergotg. Th~se de Paris 1871. !06 pp., eine fleissige Zusammenstellung alles dessen, was die franz0sische Literatur tiber Ergotismus bietet. 4) 1. c. S. 146. 5) Traitd de l'ergot du seigle et de ses effets sur l'~conomie animale. Chs lens 1827.
34:6
X ~ I I . KOBERT
Seit den letzten 30 Jahren werden die Naehriehten tiber Gangranepidemien nach Mutterkorngenuss selten, daftir abet die Beriehte dartiber um so genauer. 1854 herrsehte in der Gegend yon Lyon grosse Nasse and eine ungemein reichliehe Entwicklung von Mutterkorn trat auf. B a r r i e r 1 ) , der 30 daraufhin auftretende Falle yon Mutterkornv ergiftung besehreibt, gibt an, dass Hande and Ftlsse, ja ganze Extremitaten brandig warden. Er halt die Krankheit fiir eine Arteriitis, die zu Stagnation ftihre. Diese Arteriitis liess sieh in ampntirten Gliedern auch an noch nicht brandigen Stellen deutlich nachweisen. Fast zur selben Zeit (1855) brach am BrtisseI her eine heftige Mutterkornepidemie arts, bei der die schwersten gangranSsen Versttimmelungen vorkamen, wie z. B. Abstossung des ganzen Unterkiefers. In die Jahre 1855--56 fallt die yon t t e u s i n g e r (1. c.) beschriebene Epidemie in Oberhessen, bei der jedoeh nur 11, noeh daza ganz mild verlaufende Falle yon Gangran vorkamen. Diese Epidemie ist dadureh wichtig, dass sie nieht durch erkranktes Korn bedingt war, sondern der Mutterkornpih hatte die Trespe (Bromus seealinus), welche in Oberhessen damals viel vorkam, befallen. Die Wirkungen dieser Sorte yon Mutterkorn sind wie die des Weizenmutterkorns 2), des Grasmutterkorns 3) (von Poa pratensis), des Mutterkorns yon Aira eoerulea, Arundo phragmites, Molinia, Alopeeurus, Bromus mollis, Agrostis, Daetylis, Festuea, Pbleum, Anthoxarthum, Lolium perenne 4) und dem afrikanisehen Diss (Ampelodesmus tenax)5) denen des gew(ihnliehen l~Iutterkorns qualitativ gleieh, quantitativ vielleieht starker. Mit den genannten Pflanzen sind tibrigens die ,Wirthe" des Mutterkornpilzes durchaus noch nieht erseh~pft6); dieser Schmarotzer kommt vielmehr noeh auf anderen Gramineen ja Cyperaeeen vor, yon denen ieh nur den Reis nennen will, auf dem er in Brasilien and China haufig sehmarotzt. Es ist zu vermuthen, dass alle diese 1) Gazette hebdom. II. 1855. p. 31, und L'Union. 1855. No. 72. 2) De l'ergot de froment, de ses "propri6t4s mc~dicales et des ses avantages sur ]e seigle ergotS. Th~se de Montpellier par F. Ch. C a r b o n n e a u x le P e r d r i e l . 1862. 4 ~ 100 pp. 3) The Veterinarian. 1843. p. 322. 4) W. D i e z , Versuche tiber die Wirkung des Mutterkorns auf den thierischen Organismus; gekr6nte Preisschrift. Tilbingen. 1832. S. 142. 5) ]~tude de l'ergot du Diss. par Clgment-Victor G e r m a i x . Th6se de Paris. 1882. No. 160.42 pp. Das Dissmutterkorn wurde 1842 yon D u r i e u d e M a i s o n n e u v e entdeckt und 1863 yon L a ll e m a n t genauer beschrieben. 6) Eine vollsti~ndige Aufziihlung der hierher gehSrigen Pflanzen findet sich bei Chr. L u e r s s e n , Handb. d. syst. Botanik. I. 1879. S. 157.
Ueber die Bestandtheile und Wirkungen des Mutterkorns.
347
Mutterkornsortcn ebenfalls typischen Ergotismus machen k~nnen. Was man jedoch seit R o u l i n ~) als Maismutterkorn bezeichnet und sogar mediciniseh in ausgcdehnter Wcise in Amerika als ,,Cornsmut" anwendet, hat botanisch mit dem Mutterkonpilze Clavieeps purpurea absolut nichts zu thun und beruht auf cinem zu einer ganz andcren Familic gehSrigen Pilzc, U s t i l a g o Ma~dis g c n a n n t , d c r y o n mir hinsiehtlich seiner Wirkungen eingchend studirt u n d a b s o l u t u n s c h i ~ d l i c h e r k a n n t w o r d e n ist. Ich habe denselben sowohl in frisehem als im getroekneten Zustandc verftittert und selbst nach wochenlanger Einfuhr keine Wirkung gcschen. Einen der Sphacelinsiiurc Khnlichcn K(irper enthalt er bestimmt nicht; eine der Ergotins~iurc chcmisch iihnliehc Substanz kann man zwar aus dem Pilze darstellen; dieselbe wirkt jedoch nieht giftig. Alkaloidartiffe Kiirper yon toxischer Wirkung wurden ebenfalls vergcblieh gesueht. Untersuehungen dartiber liegen in der Literatur vor yon H a h n :) und C. It. C r c s s l e r Z ) . H a h n land tin sautes Ocl und eigenthUmliehc Krystallc, dereu Ei~enschaften uieht nigher angegeben wcrden. C r c s s l e r land ansehnlichc Mcngcn Propylamin. Das Mittcl scheint 1866 durch S. M. K a l e s in den Arzneischatz eingefiihrt zu seth. Physiologische Versuehc tiber seine Wirkungen auf Menschen machte unter Andcren L. B. F i r t h 4 ) . Dcr einzigc nicht deutsche medicinische Autor, wclehcr die Identit~tt der Form und der Wirkung yon UstUago Ma'idis und dcm Mutterkompilz bezweifelt, ist Mauricc G r a n el ~). Doeh kehren wir naeh dieser Abschweifung zn den ncueren Mitthcilungcn tiber Mutterkornbrand zurtick. H u s s a 6) sah 1855 nach einem feuchtcn Sommer einc kleinc Epidemic yon Ergotismus entstehen. Dabei kam in tin und derselben Familic die gangraniisc nnd convulsivischc Form vor. Ein Knabc und 2 Madchen dieser Familie crkrankteu. Der Knabe litt an fUrchterlichem Tetanus und starb. Das altcre Mi~dchen vcrficl bcim Anblick ihres sterbenden Bruders in die heftigsten Krampfc; sparer entwickelten sieh bet ihr am Rticken, Gesliss und Bauch gangrlincseirendc Flecke. Dcr Hautbrand ging tiber den ganzen Rumpf und 1) Le Globe,tomeu No. 59. 1829; Fr oriep's 1Notizen,August 1829.~'Ir.538; Annales des sciences nat. XIX. 1830. 2) Ustilago inn'/dis L~v, cornsmut, by John H. Hahn; abstract of an inaugural essay. American. Journal of Pharmacie. Vo]. 53. No. 10. Oct. 1881.p. 496. 3) Heitl er's Centralb].d. Therap. 1883.Hft. III. S. 152. 4) The Therap. Gazette1883. March1~o.3. p. 101. 5) La rouille et la carte des c~r~ales. Th~sede Paris. 1883.84 pp. mit bot. Abbildungen. 6) Prager Vierte]jahrschr.XIII. 2. 1856.
348
Xu
KOBERT
die 0berschenkel. Die Epidermis l(iste sieh ab, der Unterleib trieb auf nnd unter Diarrhoe nnd Koma erfolgte dcr Tod. DiG letzte Mutterkorngangriinepidemie in Deutschland herrschte nach H e l m 1) 1S56 unter den Eisenbahnarbeitern in der l~iihe yon BrUnn. Weitere Epidemien yon Ergotismus gangraenosus sind seit dieser Zeit in Deutschland and Frankreieh nicht vorgekommen. In Russland haben jedoch yon 1832--1864 in 25 Gouvernements zu de~ verschiedensten Malen kleine Epidemien geherrscht. Fiir uns haben diese insofern weniger Interesse, als bei ihnen nach P r u s s a k die Gangriinerscheinungen gegen dig Convulsionen sehr zurticktraten. Aueh im Krimmkriege (1854) kamen unter den schlecht verpflegten Truppen der Verbiindeten einzelne Fiille yon Mutterkorngangri~n vor. Die letzte Mittheilung tiber eine Epidermie yon gangriin(isem Ergotismus in Russland stammt von G r i a s n o f f ~ ) . Sie herrschte im October 1881 in Gouvernement Pultawa und befiel 101 Personen, yon denen 12 starben. Bei 15 Personen wurde deutliche Gangriin iirztlich constatirt. Kurz zu erwahnen sind jetzt aus den letzten Jahrzehnten nur noch einige einzelne Fiille~ welche ein gewisses Interesse beauspruchert. Vier weitere, Yon denen tier crste im Wiener allgemeinen Krankenhausc 3), d e r zweite in der Praxis yon D uj ar din- B e a umetz4), der dritte in der Yon W i n i w a r t e r 5) und der vierte in der Yon M a u n s e l l 6 ) , die letzteren nach Gebrauch arzneilicher Dosen 7) Yon Mutterkornpriiparaten, vorkamen, tibergehe ich. 1S54 beriehtete M a i s o n n e u v e s) Uber tin 22j~ihriges Dienstmiidchen~ die bis vor 4 Monaten yon mutterkornhaltige m Brode gelebt hatte. 2 Monate naeh dem Aussetzen dieser Nahrung bemerkte sic ein Anschwellen der Hiinde und Ftisse. Endlich wurde die letzte 1) Wochensehr. d. Gesellsch. d. Wiener Aerzte. 1856, Nr. 165,186 u. 197. 2) Nur russisch publicirt in Zdorowje. Mhrz 1882. 3) Aerztlicher Bericht aus dem allgemeinen Krankenhause zu Wien pro 1856. Wien 1858; mir leider nicht zugiingig. 4) Annales de Gyn~cologie. XIII. 1880. p. 422. 5) B ill r o t h, Allgem. chir. Pathol. u. Therap. X. Aufl., bearb, von A. v. W i n i w a r t e r 1882. S. 431. 6) Citirt bei H u s e m a n n, Handb. d. ges. Arzneimittellehre. II. AUfl. Theil II. S. 1200.1883. 7) Aus ~lterer Zeit babe ich merkwilrdiger Weise nur einen Fall finden k6nnen~ wo nach Gebrauch eines Mut~erkornreceptes Gangrhn auftrat. E r wird yon L evrat-Perroton (Gazette m6dic, de Paris 1838) berichtet. Es handelt sieh um eine Frau, die nach einigea Gramm Mutterkorn Gangr~n der Fil~gerspitzen bekam. 8) Gaz. des hop. IS54. No. 18.
Ueber die Bestandtheile und Wirkungen des Mutterkorns.
349
Phalanx des kleinen Fingers der reehten und des Mittelfingers der linken Hand schwarz. Die Menses cessirten gleichzeitiff. Der grosse Zeitraum~ welcher in diesem Falle zwischen dem Genusse des Mutterkorns und dem Auftreten tier Gangran lag, ist sehr auffalliff. Ich wtirde an einen Zusammenhang der Gangran mit tier Vergiftung Uberhaupt nicht glauben, wenn nieht in einigen meiner 0ben erwahnten Versuche~ sowie in dem L e v r a t - P e r r o t o n ' s c h e n Falle die Gangr~tn ebenfalls erst sehr spat aufgetreten ware und die folgenden Falle nicht dieselbe Merkwtirdigkeit darbSten. Am 27. Februar ISS0 theilte D e b o v e der Soeiet6 medieale des hSpitaux die Krankengesehiehte einer 25jahrigen Patientin mit, die wegen Albuminurie einen Monat lang tiiglieh 2 0 eg See. eornutum erhielt und zwei Monate darauf Gang~an der Extremitaten bekam. B oi s s a r i e in Sarlat sah einen iihnliehen Fall ~). Ein Knabe yon 13 Jahren erhielt wegen Incontinentia urinae taglieh 0,2 eg Ergotin 2 Monate lang und wurde yon seinem Leiden geheilt. Am 20. Febr. Aussetzen des Mittels, das niemals St(irungen gemaeht und nieht am Sehulbesueh gehindert hatte. Am 2. Marz Auftreten yon Fieber und Sehmerzen in der Seite. Zwei Tage sparer stellte sich f(itider Auswurf ein und B o i s s a r i e eonstatirte Gangraena pulmonum~). ~eun Tage spater hatte dieselbe bereits zu einer grossen Caverne geftihrt. Aus diesen Fallen scheint hervorzugehen, dass die Wirkung des Mntterkornhaxzes ungemein lange latent bleiben kann~ was ftir die therapeutische Verwendung nattirlich ungemein wichtiff ist. , Nicht immer ist die dureh Mutterkorn bedingte Vergiftung so ausgesprochen~ dass es za Gangran ausserer Theile kommt. In einzelnen Fallen treten V e r a n d e r u n g e n i n n e r e r O r g a n e auf, wir ~vir sie bei den Hahnen gefunden haben. Einen derartigen Fall berichter A. D a v i d s o n 3 ) . Er wurde zu einer 28jiihrigen Frau gerufen~ die seit mehreren Stunden BluLbreehen hatte. Am Abend vorher hatto sie auch blutigen Urin gelassen und war seit dieser Zeit immer e[ender geworden. D a v i d s o n fand die Patientin mit angstlichem Gesiehtsausdruck daliegend. Der OberkSrper war leicht icteriseh; um die Augen bestanden blaue Ringe; Lippen und Ztmge waren gesehwolien und mit eingetroeknetem Biute bedeckt. Die Riinder und die Spitze der Zunge warea auffallend du~kel~ die Haut feucht und knit. Es bestand Dyspnoe; der Puls war nieht zu 1) Annales de
[email protected]. 1880. p. 422. 2) Das Auftreten yon Luhgengangranist auch in den schwerstenEpidemlen nut selten beobachtet worden. Ich finde es eigentlich nur bei J. L. Heiligtag (De morbo spasmotico c0nvulsivo epidemico, Luadini Gothorum. 1749) erw~hnt. 3) The Lancet. Sept. 30. 1882.p. 526.
350
XVII. Ko~RT
ziihlen. Patientin gestand, dass sie seit Monatcn grosse Dosen Mutterkorn und Mutterkornextraet einehme und dass sic besonders am gestrigen Tage zwei Hi~nde roll Pulver auf einmal versehluckt babe. Bald darauf trat Sopor ein~ der Puls wurde unziihlbar und der Tod folgte. Bei der Section fanden sich grtinliche Streifen auf dem Abdomen. In der Bauchund BrusthShle fand sich sehr viel Fett mit zahllosen kleinen Hitmorrhagien durchsetzt. Auch das Peritoneum und die Bauchorgane waren reich an kleinen Blntaustritten. Die BauchhShle enthielt ausserdem sehr viel frei ergossenes flUssiges Blut. Die Leber troeken~ blutleer~ wachsartig~ schmutzig gelb~ leicht zerreisslich. Die Nieren waren geschwellt, ebenfalls wachsartig. Der Magen enthielt in seinen Wandungen mehrere rupturirte Gefasse und in seinem Innern viel blutige Fltissigkeit. Ebenso tier Darm. Die Blase war leer~ der schwangere Uterus mannskopfgross, mit Hiimorrhagien durchsetzt. Im Innern des Uterus ein 5 monatiieher F0tus, aber kein Bluterguss. Auf tier Oberfliiche der sehr anamisehen stablgrauen Lungen zahllose unregelmlissige7 erbsengrosse hiimorrhagische Flecken. Das Herz contrahirt~ yon Hiimorrhagien frei. Man hiitte dutch Eingeben yon reiner Sphacelins~ure wohl kaum typischere anatomische Veriinderungen erzielen k(innen. Nicht minder intcressant ist dcr folgende Bericht tiber drei iihnliche Falle yon Sphacelinsiiurevergiftung, den uns ein A n o n y m u s 1)neusterdings mittheilt. Es handelte sich um 3 gravide Weiber~ welche ein nieht nigher bestimmbares sphacelinsaurehaltiges Mutterkornpriiparat zur Abtreibung der Leibesfrucht genommen hatten. Beim Hinzukommen des Arztes war die eine bereits todt, die anderen zwei schwer krank. Die Erscheinungen intra vitam bestanden in Schwiiche des Pulses~ heftigem Durst~ Brechen~ Uterinblutungen und Benommenheit des Sensoriums. Die Section ergab bei allen 3 Personen charakteristische Ver~inderungen i auf die wir der grossen Seltenheit solcher Vergiftungen wegen ebenfalls etwas niiher eingehen mtissen. S e c t i o n I. Hautfarbe blassgelb; Leib aufgetrieben. Aus den Genifallen ist etwas Blut abgegangen. Beim Er(iffnen der Leiche zeigt sich I(iterus des subcutanen Zellgewebes. Ausserdem im Unterhautzellgewebe viele Ekchymosen. Ebensolche unter der Pleura und dem Pericardium. An den unteren Lungenlappen bier und da ebenfalls Blutaustritte. Am Parietalblatt des Bauchfells, dem 5~etz und Gekr(ise zahlreiche Ekehymosen yon verschiedener GrSsse~ die am Grunde der BauchhOhle sogar umfangreiche Suffusionen darstellen. Im Bauchraum etwas blutig seriise Fltissigkeit. Leberschnittfl~iche gelb~ homogen~ fettig; Liippchenzeiehnung ganz verwischt. Das Bauchfell um die Gallenblase blutig suffundirt; in der Gallenblase etwas gelblicher Schleim; Gallenblasenschleimhaut stark geriithet. Milz und Nieren nicht abnorm. Um das Nierenbecken eine Ekchymose. Magen enthiilt sine dunkelchocoladenfarbene Fliissigkeit. Seine Sehlelm1) Drei Yergiftungen durch Ergotin oder Phosphor? yon N. N. St. Petersburger medic. Wochenschr. 1884 (N. F. I). Nr. 12. S. 105.
Ueber die Bestandtheile und Wirkungen des ~Mutterkorns.
351
haut ist blass, nirgends arrodirt 7 nirgends ekchymosirt~ ohne Gerueh.. Die Dtinndarmsehlingen sehen dunkel-lividroth aus. Im Jejunum der Darminhalt theerschwarz~ mehr naeh oben zu dunkelroth; die Darmsehleimhaut ist dureh Blutimbibition gleichmiissig sehmutzigroth gefitrbt~ zeigt keine Gefassinjeetion, ist leicht gesehwellt. Uterus tiberragt um 3 Finger die Schamfuge. Bei Herausnahme desselben finder man in der Scheide blutigen Sehleim und im Cavum uteri einen 4monatlichen FStus. S e e t i o n II. Leib aufgetrieben~ leieht grtinlieh verfiirbt. Aus den Genitalien ist Blut abgegangen. An den Schenkeln mehrere Blutsugillationen. Unterhautzellgewebe an Brust und*Bauch gelblich gef~trbt, yon zahlreichen Extravasaten durehsetzt. Unter dem Rippenfell~ namentlieh aber im Mediastinum und fiber dem Herzbeutel zahlreiehe gri/ssere und kleihere Ekehymosen. Ebenso an der Herzbasis und am Ursprung der grossen Gefiisse subpericardiale Ekchymosen. Endoeard blutig imbibirt. An den Lungenwurzeln ausgebreitete Blutsuffusionen~ an den unteren Lungenlappen subpleurale Ekehymosen. Im ~etz zahlreiehe grSssere und kleinere Ekehymosen~ ebenso im GekrSse, und zwar l~tngs des Ansatzes desselben an den Darm~ welter um die Milz herum und an dem die Lendenmuskeln fiberziehenden Bauehfellabschnitt. Lebergewebe blutarm~ fettig; Lappehenzeichnung verwischt. Um die Gallenblase eine Blutsuffusion. :Nieren leieht gelblieh gefi~rbt. iYm das :Nierenbeeken herum eine Ekehymose. Serosa des Magens am Fundus in griisserer Ausdehnung suffundirt; Sehleimhaut am Fundus punktfSrmig ekehymosirt. Dilnndarmsehlingen zum Theil yon aussen sehmutzig roth. Das Ileum enthalt dunkelrothe~ blutige Massen. - - Uterus ver= grSssert~ enthiilt einen 4--6 Wochen alten F6tus. Zwischen Chorionzotten und Uterinwand eine dtinne Lage loekeres Blutgerinnsel. S e e t i o n III. Hautdecken und Selerotieae leicht ieteriseh. Leib leicht grtinlich. Aus den Genitalien ragt ein blutiger Klumpen hervor~ hi, milch die von Chorionzotten umgebenen Eihaute eines FStus. Am linken Untersehenkel eine Sugillation. Unterhautzellgewebe tiber Brust und Baueh ieteriseh~ mit Extravasaten durehsetzt. Unter der Rippenpleura sp~trliehe kleine Ekehymosen, zahlreichere fiber dem Mediastinum und Iterzbeutel. Am Ursprung der grSsseren Gefiisse~ an der Herzbasis und an beiden Herzr~tndern zahlreiche subpericardiale Ekehymosen. Unter dem Endoeard der linken Kammer eine erbsengrosse Ekchymose. An den Lungenwurzeln ausgebreitete Blutsuffusionen. An den unteren Lungenlappen steeknadelkopfgrosse subpleurale Ekehymosen. Bronehialsehleim leieht ieteriseh. Im ~etz kleine Ekchymosen~ reichlieher im GekrSs% und zwar am Ansatz desselben an das Darmrohr. Unter dem die Lendenmuseulatur bekleidenden Bauehfell ausgebreitete Blutsuffusionen. Leber graugelblich~ fettig, :Nieren intensiv gelb. Im Colon aseendens und transversum grosse Massen eines sehwarzgrauen fltissigen Inhaltes. Die geriehtliehe Untersuehung ergab, dass die Gestorbenen mit einer Hebamme und einer Quaeksalberin, welehe im Rule stand, abtreiben zu kSnnen~ in Beziehung gestanden und mehrmals Etwas zum Einnehmen bekommen batten.
352
XVII. K o n ~
In dem Sterbezimmer land sieh auch noch ein Fl~tschchen mlt Mutterkorntinctur und eine Bierflasehe mit einer braunen Fltissigkeit~ yon der alle Drei getrunkea batten. Die chemisehe Untersuchung wies im Darminhalt aller 3 Personen Secale cornutum nach. Der lffachweis sttitzte sich auf den naeh Kalizusatz beim Erw~trmen auftretenden Geruch nach Heringslake und den mit alkoholischer Schwefels~ure ausziehharen Mutterkornfarbstoff. Auf Phosphor wurde aueh untersucht, jedoch ohne Erfolff. N. hi. kann sieh diese Vergiftungen nicht erkl~tren, da ibm acute Mutterkornvergiftungen unbekannt sind. Er meint, der Sectionsbefund spreche mehr ftir Phosphor, w~thrend ich der Ansicht bin, dass wir es bier mit typischen Sphaeelinsiiurevergiftungen zu thun haben. Weitere derartige Vergiftungen habe ich in der Literatur night aufzufinden vermocht. Als cine besondere Form der Sphacelins~turevergiftung muss eine E r k r a n k u n g d e r K r y s t a l l i n s e des A u g e s angesehen werden, welche zu Katarakt ftihrt. Solche Mutterkornstaare sind sehon frtihzeitig beobachtet worden. So bericbtet Li nn 6, resp. dessert Schiller R o t h m a n n 1763 in einer Abhandlung fiber die Raphanie~), vide Leute seien blind geworden (wie er meint, infolge yon Augenkriimpfen). Schon 20 Jahre vorher hatte der Wolfenbiitteler Leibmedicus B r i l e k m a n n ~ ) berichteL dass 1741 in Braunschweig eine Mutterkornepidemie geherrscht habe, bei der bei cinigen Personen Gangriin, bei anderen Milchstaar eingetreten sei. T a u b e 3) sah bei der 1770 bis 1771 in den Zellisehen Gegenden herrschcndcn Ergotismuscpidemie neben Gangriin wahren Staar auftretcn und fiigt noch ausdrilcklich hinzu, dass derselbe nur auf Linscntrtibung beruht babe, wiihrcnd der Glaskt~rper intact geblieben sei. Bel einigen Patienten ging die Triibung spiitcr soweit zuriick, dass s i e , ohne Ftihrer zur Kirche gehen konnten." Endlich berichtet Ignatius M e y r 4) in Kronstadt tiber eine 1857 in Siebcnbtirgen herrschende Ergotismusepidemic, bei der kein einzigcr Fall yon Glicdergangriin, aber 23 Fiille yon Linsenstaar bei Individuen des verschiedensten Alters vorkamen. Eine weitcre besondere Art der Mutterkorngangrlin ist G a n : g r a e n a p u l m o n u m , welche znerst J. L. H e i l i g t a g ~) beobachtet zu haben seheint. Offenbar als eine weitere Art GangrKn sind wohl auch dis F~tlle I) Amoenitates academicae. Tom. u p. 430. L i n n ~ hielt irrthtimlicherweise den Hederich (Raphanus) fiir die Ursache des Ergotisrnus. 2) Commercium litterarium Norimbergense hebdom. Sept. 1743. 3) 1. c. S. 141. 4) Wiener Wochenblatt. XVII. 1861. S. 47. 5) De morbo spasmotico convulsivo epidemico, Lundini Gothorum 1749.
Ueber die Bestandtheile und Wirkungen des Mutterkorns.
353
zu deuten, bei denen naeh Mutterkorngenuss n u r d i e H a u t erkrankte. Es kamen bier alle mi~gliehen Abstufungen vor. Der schon genannte B r i i e k m a n n sah bei mehreren Patienten sich die Oberhaut des ganzen KSrpers nekrotisch abstossen. T a u b e ~) berichtet yon einem Mi~dehen, welches sich mehrere Male tiber den ganzen Kiirper hiiutete. ,Die erste Hi~utung bestand in der wahren und ganzen Haut (Cutis), so dass man, wenn ein TheiI abgesondert war~ Sehnen und Fleisch ohne Bedeekung liegen sah. Wer sieh jemals das VergnUgen verschafft hat, einen Flusskrebs im Wasser seinen alten Harnisch entlegen zu sehen, der kann sich einen Begriff yon dieser Hiiutung machen. Die getrocknete Decke der Finger und Zehen sprang auf und liess sich abstreifen. So hart die iiusserliche Seite dieser todten ttaut war, so weieh war die inwendige." Andere Autoren sahen nur Theile der Haut sich abstossen, oder es kam nut zur Bildung einzelner Brandblasen, zu eczemat(isen Ausschlagen oder zu Verlust der Haare. Als eine mit der vorigen zusammenhKngende Form der Hauterkrankung darfvielleieht d i e S c h w e l l u n g d e r t t a u t angesehen werden, welehe M e a d o w s '-) bei zwei Patientinnen naeh innerlicher Darreichung yon Mutterkornpulver im Gesieht u n d a n den Armen~ bei der einen Person sogar 3mal~ hat auftreten sehen. Vielleicht ebenfalls als Zeichen yon Gangr~n, resp. voriibergehender tiefer ErniihrungsstSrung sind die V e r i i n d e r u n g e n im R U e k e n m a r k zu deuten, welche Franz T u c z ek 3) besehrieben hat. Er fand bei Sectionen einiger an Ergotismus ohne Gangr~in ~) gestorbener Patienten im l~Uckenmark, und zwar am stiirksten im Brustmark, aber his in die Medulla und in das Lendenmark hineinreichend eine starke Hyperplasie und fibrill~re l~Ietamorphose der Neuroglia bei gleichzcitigem Schwnnde der Nervenfasern im Bereiche der Burdaeh'schen und Goll'schen Striinge. In den ergriffenen Partien fanden sieh mehr oder minder reichliehe KSrnehenkugeln und Spinnenzellen neben wenig zahlreiehen, in versehiedenen Stadien der Atrophie befindliehen Nervenfasern. Man kann, und dafUr sprechen auch meine oben angeftihrten Versuehe, wohl annehmen, dass diese Hinterstrangssklerose in der durch das Mutterkornharz bedingten Geiiissverengerung und hyaliner Thrombose seinen Grund hat. Das noch viel empfindlichere Gehim reagirt auf die Mutterkornvergiftung sehon weit eher, 1) 1. c. S. 153. 2) MedicalTimes and Gazette. Oct. 2.1879. p. 397. 3) Arch. f. Psychiatrie u. Nervenkrankheiten. XI. S. 108 u. 366. i881. und XIII. S. 99. 1882. 4) L'ur einige der Pat. hatten gangr~niise Stellen an den Fingerspitzen.
354
XVII. KOBEa~
als das Rtickenmark. So kommt es, dass Geistesstiirungen, und zwar meistens Depressionszustande, ungemein haufig in den Ergotismusepidemien beobaehtet sind, dass abet in den T u c z e k ' s c h e n Fallen der anatomische Befund doeh negativ war. Die Functionen des Gehirns leiden eben schon bei Ernahrungsst~irangen, die anatomisch noch nieht wahrnehmbar sind. Die Veranderangen im Rtiekenmark bedingten in den genannten Fallen tabetisehe Erscheinungen, welehe den an meinen Versuchsthieren beobachteten ganz analog waren. Es ist nicht unmiiglich, dass durch die schweren Veranderungen, welche die Sphacelinsaure im Gehirn bewirkt, auch krampfartige Erscheinungen, besonders Epilepsie hervorgerufen werden kiinnen. Da es mir aber nicht gelungen ist, bei Ftitterungen per os von Sphaeelinsnare an Thieren regelmassig auftretende Krampferscheinungen zu erzielen, und da die Literatur ebenfalls nichts enthiilt, woraus gesehlossen werden k6nnte, dass Krampfanfalle bei Mensehen durch Sphacelinpraparate herbeigeftihrt worden waren, so habe ich den convulsivisehen Ergotismus nicht bei der Sphacelinsiiure, sondern erst im iblgenden Abschnitte besproehen. Es ware nicht unmiJglich, dass spater aueh durch Sphaeelinsaureeinfuhr in den Magen sieh Krampfformen epileptischer Art erzeugen liessen. Diese warden dann natUrlich auch bei der Sphacelinsaure zu bespreehen', abet yon den noch weiter unten zu besprechenden Krampfformen wohl zu trennen sein. Vorderhand sind wir davon aber noch weit entfemt. II. B e o b a e h t u n g e n
an T h i e r e n .
Versuehe an Thieren, dureh absiehtliehe oder unabsiehtliehe Mutterkornftitterungen Gangran zu erzeugen, datiren sehon aus den Zeiten der ersten grossen fi'anz~sisehen Epidemien. Die Details derselben finden sieh bei A. C. L. V i l l e n e u v e 1), W. D i e z 2), S. J. G a l a m a 3) und Bernh. R i t t e r . Wir erw~thnen hier nur die Versuehe mit positivem Resultat. Die Vergiftung seheint offenbar am besten an S e h w e i n e n gelungen zu sein, wenigstens besitzen wir tiber gelungene Versuehe an dieser Thierklasse zahlreiehe and eingehende Beriehte. S a l e r n e 4) 1) Mdmoirehistorique sur l'emploi du seigle ergot6 dans l'accouchement. Paris 1S27. 200 pp. 8~ 2) 1. C. S. 41. 3) Verhandeling over her Moederkoorn etc. Groningen. 8~ 1834. 219 pp. Harlemer Preisschrift. 4) Mdmoires de Mathematique et de Physique pr~sent6s ~ l'Academie de Sciences. Tome II. Paris i755. p. 155.
Ueber die Bestandtheile and Wirkungen des Matterkorns.
355
ftitterte 1748 ein Schwein mit Mutterkorn. Naeh 15 Tagea warden die Bcine roth and der Unterleib and Rticken sehwarz. Naeh weiteren 15 Tagen starb das Thier. Bei der Section warde das GekrSse and die dtinnen Ditrme entztindet gefunden. Die Leber zeigte am Rande grUnlich blanc Flecken. Am Hals and den Sehenkeln fanden sieh sehwarze Gesehwiilste. Einem zweiten Schweine starben alle 4 Ftlsse und beide Ohren brandig ab. T e s s i e r 1) wiederholte spitter diese Versuche and bcstiitigte sic. Er sah bei seinen Schweinen Gangr~n der Extremit~ten, der Ohren and des Schwanzes eintreten. Der Bauch sehwoll and wnrde schmerzhaft. Die Section ergab Entztindungsherde im Magen and dem ganzen Darme, in einem 2. Falle sogar Gangran des Magens and der kleinen Gediirme. E i n e b a r m h e r z i g e S c h w e s t e r (Demoiselle charitable)sah 1748 bei einem mit Mutterkorn gefiitterten Sehweine die 4 Beine and die Ohrmuseheln brandig abfallen. R e a d 2) steUte 1770 dieselben Versuehe an einem 3monatlichen Schweine nochmals an. Am 16. Tage der Fiitterung wurde es krank~ am 17. trat Gangr'~n tier Ohren auf, die sehon am 18. zur Abstossung des einen ftihrte uad am 19. tOdtlieh endete. Die Section ergab Auftrr and Entztindung tier D:~trme and an einer Stelle der Leber einen gangr~inSsen Herd yore Darehmesser eines Zolles. Der Physicus T h o m s e n auf Femern 3) berichtet 1772 yon einem Schweine, welches naeh Mutterkornftitteruag gellihmt warde, feuehte Gangr~in der Fiisse bekam und elend za Grande ging. Bei der von W a g n e r in Schlieben besehriebeneu Ergotismusepidemic yon 183t--32 zeigten sieh gangrani~se Symptome ebenfalls an Schweinen. Nachst den Sehweinen seheinen K ti h e oft Mutterkorngaagriin bekommen zu habea. So beriehtet R a n d a l l 1842 aas b~ordamerika, class bei Ktihen~ welche matterkornhaltiges Gras frassen, die Hufo gangran(is warden and abfielen. D e e o s t e 4) sah bei einer mit Mutterkorn geftitterten Kuh zuerst die Hufe abfallen; dann warden die Ftisse gangri~n(is and fielen sammt den Knoehen ab. Aehnliehes sahen 1847 N u t t a l and C o l l e s 5) in Irland bei P f e r d e n and Ktthen. Auch das F e d e r v i e h disponirt offenbar sehr zur Mutter1) M~m.dela Soc. roy. de m6deeine.Paris 1776.Tome I, p.417 u. 1778. Tome IL p. 387. 2) Tr~it~ du Seigle ergot6 e~c. Strasbourg 1771. 3) Berichte u. Bedenken etc. S. 10t. 4) R~cueil de m~decine v~ter. Paris 1848.p. 794. 5) Dublin quarterly Journal 1847. A~chiv L ~xp~riment,PathoL u. Pharm~koL XVIIL Bd.
24
356
xvII. KO]3E~T
korngangriin. Der erste Bericht dartiber stammt yon T h u i l l i e r dem Aelteren, der 1630 verschiedenes Gefltigel iniblge von Mutterkornvergiftung unter Branderscheinungen sterben sah. Der schon erwiihnte T e s s i e r sah an Enten nach Mutterkorngenuss Schwarzwerden der Sehnabelspitze und brandige Abstossung der Zunge and an einem Truthahne Entziindunff und Brand des Darmes eintreten. Ein ahnliehes Resultat wurde bei Versuchen erhalten~ welche 1822 unter L o r in s e r 1) in der kgl. Thierarzneisebule zu Berlin angestell$ wurden. C o r d i r r sah 1823 bci mit Mutterkorrn vergifteten Hi~hnea Gangr~in des Kammes eintreten. D i e z 2) sah bei seinen zahlreiehea Versuchen 1831 hiiufig Gangr~n an den K~mmen yon H~hnen eintreten. Der sehon genannte D e co st e erzielte 1832 bei Hennen und Enten nach Mutterkornftitterung totale Gangrlin der Ftlsse, des Schnabels und des Kammes bis zum Abfallen. Auch J. B o n j e a n 3 ) sah bei Hiihnen und Htihnern, die er mit Mutterkorn in Extractform fiitterte~ den Kamm und die Bartlappen sieh dunkel verflirben. An H u n d en haben schr viele Experimentatoren gearbeitet, aber nur wenigen ist es gegltickt, bier wirklieh gangr!~n(ise Symptome hervorzurufen. O r f i l a beriehtet 1823, dass er an Hunden nach Matterkornftitterung im Brod Brand an den Flissen~ den Ohren und dem Schwanze sowie gangran(ise Entztindung im Untel'leibe habe auftreten schen. W r i g h t a) gelang es, bei einem Hunde mit einem Beinbruche nach 14tiigiger Verabreichung yon Secale torn. Brand and Caries an der kranken Extremitat zu erzeugen. S w i a t l o w s k i ~ ) endlieh fUtterte 1880 2 Hunde 10 Wochen lang mit mutterkornhaltigem Brode und sah trockenen Brand der Extremiti~ten, welcher auch die Muskeln nicht verschonte, eintreten. Ich glaube, dass die Versuche an Hunden mit der griissten Skepsis anfgefasst werden mtissen. Experimente an a n d e r e n T h i e r e n ~ lgutterkorngangran zu erzeugen (Bienen~ Seidenwllrmern, Bluteffeln~ allerlei Vligel u. s. w.) sind zwar gemacht worden, haben aber kein positives Resultat ergeben. Wegen der Schwierigkeit, Gangriin dureh Mutterkornftitterung im Thierexperiment hervorzurufen~ sind einige Experimentatoren in die verschiedensten Fehler verfaIlen. So glaubt z. B. F a l c k 6) gefunden 1) u u. Beobachtungen fiber die Wirkung des Mutterkorns aus actenmi~ssigen Quellen u. s. w. Berlin IS24. 2) 1. c. S. 133. 3) l.c. 8.83. 4) The Edinburg reed. and surg. Journal. 1839--1840. 5) St. Petersb. reed. Wochenschr. 1880. l~r. 29.8. 239. 6) V i r ch o w, Handb. d. spec. Path. u. Ther. Bd. II. 1. Intoxicationen. S. 311.
Ueber die Bestandtheile und Wirkungen des Mutterkorns.
357
zU haben, dass unser deutsches Mutterkorn tiberhaupt keine branderzeugenden Wirkungen besitze, sondern dass dies eine speeielle Eigenthtimliehkeit einer besonderen franz(isisehen Mutterkornsorte sei. Die yon der russisehen Regierung 1881 eingesetzte M u t t e r k o r n c 0 m m i s s i 0 n 1) ist gleichfalls zu einem falschen Resultate gekommen, wenn sie meint, dass die verschiedenen Formen des Ergotismus, insonderheit die Gangriin, nieht dureh imMutterkorn fertig enthaltene chemische Agentien bedingt seien, sondern dass das Mutterkorn naeh Art eines Fermentes 2) auf das normale Getreide einwirke und darin eine Art yon Pepton- oder Ptomainbildung veranlasse. P e ntz o l d 3) endlieh glaubt, dass bei chronischer Vergiftung mit Mutterkorn das einzige oder wenigstens das wichtigste Symptom in Albuminurie und Verfettung der Niere bestehe. Ich habe dieses Symptom aueh gelegentlich auftreten sehen~ aber nur bei protrahirten Vergiftungen als Seeundlirerseheinung. Ich kann dasselbe auf keineu Fall als ftir Mutterkornvergiftung typiseh anerkennen. Die in meinen Versuchen vielfach erwiihnten typh(isen Darmerscheinungen sind zuerst an der Hand zahlreieher Experimente studirt und richtig gewtlrdigt women yon A r n a l 4), tier die Behauptun~ aufstellte, die Mutterkornvergiftung iiussere sieh zun~tehst im Darmkanale und bedinge hier eine Schleimhautentztindung sui generis, die viel Aehnlichkeit mit Typhus habe und bis zur Gangrau einzelner Stellen ftihren k~inne. Versuehe, mit einzelnen chemiseh isolirten Substanzen Gangrlin zu erzeugen, liegen nur yon Aug. lVIillet 5) und P a r o l a vor. Diese Autoren erzielten durch Ftitterung jeder mit seinem Harze Gangran des Kammes bei Hiihnen, wlihrend andere Mutterkornpr~tparate, besonders tier w~ssrige Auszug und das harzfi'eie Oel sich als unwirksam erwiesen, wenigstens was die Erziehng yon Gangrlin anlangt. (Ainsi il est done d4sormais d~montr4, que le prineipe toxique de l'ergot de seigle r~side dans la r~sine.) Die mit dem W i g g e r s ' s c h e n Ergotiu yon verschiedenen Autoren angestellten Versuehe haben eia brauchbares Resultat nicht geliefert. 1) Der betreffende Bericht ist nur russisch publicirt. 2) Dass das Mutterkorn Fermente enth~lt, ist li~ngst bekannt. So helsst es z. B. in ,,Berichteund Bedenkenu. s. w." S. 86 : Mutterkornhaltiges Mehl, mit reinem Wasser angerfihrt, gahrt ohne Sauerteig. 3) Bericht fiber den II. Congress ftir innere Medicin. Deutschen reed. Wochenschrlft. 1883.Nr. 20. S. 303. 4) Bullet. de th~rap, yore 15. Aug. 1848. 5) 1. c. S. 236. 24*
358
XVII. Ko~aT III. Das ~Iutterkornalkaloid Cornutin.
Dasselbe ist weder mit dem krystallirsirten, noeh mit dem amorphen Ergotinin yon T a n r e t (siehe unten) identisch und empfiehlt es sich dahcr, ftir dusselbe vorli~ufig, obwohl wit noeh sehr wenig yon seinem chemischen Verhalten wissen, um Verwechselungen zu vermeiden, einen besonderen lqamen, Cornutin, einzuftihren.
A) Chemisches. D ar s t e 11 un g. Dieseibe beruht auf der Leiehtl~slichkeit des Alkaloids in Alkohol und auf seincr Eigenschaft, sich aus alkalisehen wi~ssrigen Li~sungen mit Essigi~ther ausschUtteln zu lassen. Das Detailverfahren ist folgendes. Pulverisirtes, i~lhaltiges Mutterkorn wird in recht grossen Quantitiiten im Verdr~ingungsapparate mit 3 proc. Salzs~ure ausgezogen. Die abgetropfte FlUssigkeit wird mit kohlensaurem :Natron fast neutral gemacht, eingedunstct und mit Alkohol extrahirt. Der Alkohol wird abdestiUirt und der mit kohlcnsaurer NatronlSsung alkalisch gemaehte RUckstand mit Essigiither extrahirt, gewaschen und dem Essigather dureh SchUtteln mit eitronensiiurehaltigem Wasser das Alkaloid neben anderen nnwirksamen Alkaloiden entzogen. Mit Htilfe dieser Merhode gelingt es noeh, aus 2 g frischem Mutterkorn genug Alkaloid darzustellen, um damit physiologische Reaetionen an Fri~schen zu machen, ja es liisst sich diese Methode geradezu dazu verwenden, um tiber den Alkaloidgehalt eines fragliehen Mutterkorns sich zu vergewissern. Anfangs wurde bei der Darstellung des Alkaloids von dem kiiuflichen Extr. Secalis corn. Ph. germ. Ed. I ausgegangen. In diesen Fallen wurde, wie folgt, verfahren: Etwa 500 g Extract werden ohne allen Wasserzusatz mR absolutem Alkohol bei Siedehitze digerirt, wobei sich ein Theil 15st, ein anderer nach ciniger Zeit absolut un15slich, pechartig abscheidet. Der li~sliche Theil wird in einen grossen Kolben gebracht und mit alkoholiseher Schwefelsiiure versetzt und geschtlttelt, wobei sich sofbrt ein dicker schwarzer Niederschlag absetzt. Von diesem wird die Fltissigkeit nach dem Absetzen klar abgegossen, mit geschlemmtem Blei his zur neutralen Reaction geschtittelt, filtrirt und das Filtrat auf ein kleines Volumen g'ebracht. Jetzt wird das }31el durch Schwefelwasserstoff entfernt und das Filtrat mit Sublimat und Barythydrat gefiillt. Der volumin(ise weissliche Niedersehlag wird mit barythaltigem Wasser gut ausgewaschen, mit Schwefelsiiure versetzt, filtrirt und das Filtrat mit Schwefelwasserstoff yon Queeksilber befreit. Das Filtrat wird mit geschlemmtem Blei neutralisirt,
Ueber die Bestandtheile und Wirkungen des Mutterkorns.
359
fast zur Trockne eingedampft und mit absolutem Alkohol aufgenommen. Die alkoholisehe Ltisung wird mit Aether versetzt, wobei sio sieh trUbt. Naeh dem Absetzen wird tier klare Aetheralkohol abfiltrirt, verdunstet und der Rtiekstand in etwas Wasser aufgenomme~: Es resultirt ein farbloser Syrup, der ausser etwas Leuein nur noeh Alkaloide enthalt. Zur weiteren Reinigung wird die Lt~sung mit Essigather gesehtittelt, nachdem sic dutch kohlensaures Natron stark alkalisch gemaeht ist. Der Essigather wird mit Wasser gewasehen und ihm dann mit Salzsaure oder Citronensaureltisung das Cornutin, vielleieht neben anderen Alkaloiden entzogen. E i g e n s e h a f t e n . Bei der ungemein geringen Ausbeute ist es zur Zeit noeh nieht m~glieh, tiber die chemisehe Zusammensetzung des Alkaloids Genaueres auszusagen. Bestimmt ist nur, dasses durch Sublimat in alkaliseher LSsung ge~allt werden kann, dass es beim Eindampfen in alkalischer Ltisung sigh theilweise zersetzt und d a s s s e i n s a l z s a u r e s u n d e i t r o n e n s a u r e s S a l z in W a s s e r l e i e h t 1~ s 1i e h i s t. Ferner steht lest, dass alas Alkaloid in das Mutterkorn(iI theilweise Ubergeht, mag dasselbe nun dureh Abpressen oder Extraction mittelst Aether oder Petroleumather dargestellt worden sein. Aus dem kaufliehen MutterkornS1 kann man es dutch Aussehtitteln mit eitronen-, salz- oder sehwefelsaurem Wasser extrahiren. Far die Darstellung muss man berUeksiehtigen, dass das Alkaloid in salzsaurer L(isung stundenlang auf dem Wasserbade erhitzt werden kann, ohne seine Wirksamkeit merklieh einzubtissen; beim Erhitzen in alkaliseher Li~sung jedoeh nimmt die Wirksamkeit desselben nach vergleiehenden Versuehen an Frtischen sehnell ab und versehwindet sehliesslieh ganz. H i s t o r i s e h e s . Dass man aus dem Mutterkorn ausser Leuein und Trimethylamin noeh andere basisehe organische Ktirper darstellen ktinne, ist eine alte Angabe. Der Erste, weleher mit einer derartigen, Angabe auftrat, war W. T. W e n z e l l 1) in La Crosse in Wisconsin. Er fand, dass eoneentrirte wassrige MutterkornauszUge noeh nael~ dem Ausfallen mit neutralem Bleiaeetat Alkaloidreaetionen geben~, und fallte einen dieser alkaloidisehen K~rper mit Sublimat aus, E eb o l i n genannt, wahrend ein zweiter, E r g o t i n genannt, aus dem Filtrate mittelst Phosphormolybdansaure abgeschieden werden konnte, M a n a s s e w it s e h :) erhielt dureh fraetionirtes Fallen mit Sublimat 4 Niedersehlage, welehe alle nachdem Zersetzen mit Sehwefelwasserstoff Solutionen lieferten, aus denen sieh beim Koehen mit l) Americ. Journ. of Pharm. 1864. Bd. 36. p. 193, tibersetzt in Wittstein's Vierteljahrschr, f. prakt. Pharmacie. XIV. Heft 1. 1865. S. 18. 2) Pharmac. Ztg. f. Russland. VI. Jahrg. 1867. S. 3S7.
360
XVII. KOBEI~T
Kalilauge Trimethylamin entwickelte, und die also Basen enthielten. Die Existenz des Eebolins konnte er nicht bestatigen~ weil dieses dureh Cyankalium geffillt ~erden soll, er ~aber nie das Eintreten r solchen Fi~llung beobachten konnte. Die Darstellung des Ergotins, sagt M a n a s s e w i t s c h weiter, sei ihm ebenfalls nie geglliekt; jedesmal hiitte er vielmehr statt des gesuchten Alkaloides eine schwarzbraune, in .41kohol unlSsliche Materie erhalten, die mit Natronkalk geglfiht kein Ammoniak entwickelte. M a n a s s e w i t s e h selbst stellte ein Ergotin durch Fallen mit Phosphormolybd~ins~ture dar; aus 1,5 kff erbielt er 2,513 g; Elementaranalysen ergaben die Formel C5o H52 N203; das Platinsalz ergab C.~oH~2 N~ 03 HC1 ~ PtCl~. 1869 wurden Wen z e 1l's Angaben tiber das Ecbolin yon H e r m a n n besti~tigt 1). Ein Jahr spiiter hat aueh G an s e r das Eebolin sowohl, als derErgotin dargestellt2). H e r m a n n bat W e n z e l l ' s Methode etwas modificirt. Aus dem mit essigsaurem Blei ,gereinigten Mutterkornauszuge entfernte er das tibersehtissige Blei mit Schwefelsiiure, neutralisirte ihn mit kohlensaurem Natron und f~llte alas Eebolin mit Sublimat aus. Einen Theil des ~iederschlages digerirte er mit Bleioxyd, troeknete das Gemenge ein and zog es mit Alkohol aus. Der alkoholische Auszug hinterliess beim Verdunsten nur einen geringen Rtiekstand, welcher nicbt bitter, wohl aber stark nach Sublimat sehmeckte. Einen anderen Theil des Niederschlages trocknete er mit basisch kohlensaurem Blei ein und zog ihn dann mit 90procentigem Alkohol aus. Dieses Mal bildete der VerdunstungsrUekstand des Auszuges einen briiunliehen Firniss yon widerliehem Gerueh und bitterem Gesehmack. Sublimat war jetzt nicht mehr darin naehweisbar, wohl aber etwas Chlorblei. Das priiparat besass alle ftir Eebolin angegebenen Reaetionen. Den Rest der Sublimatfiillung zersetzte H e r m a n n mit Sehwefelwasserstoff und verfuhr mit der AlkaloidlSsung nach der yon W e n z e 11 angeffebenen Methode; er erwahnt, class der Platinchloridniederschlag nieht gleich entsteht. G a n s e r best~tigte W e n z e l l ' s Angaben fiber das Ecbolin und das Ergotin, die er naeh W e n z e l l ' s Methode dargestellt hat. Es sind nur geringe Abweiehungen in den Resultaten vorhanden. Mit Kalilauge gekoeht entbanden beide Alkaloide Ammoniak und entwiekelten mit Salzsi~ure einen dem des Chenopodium vulvaria iihnliehen Gerueh. 1872 lieferte W e n z e l l 3) einen :Naehtrag zu seiner frtiheren Atbelt, in welebem er die Bebauptung, dass im Mutterkorn zwei amorphe 1) Pharmac. Vierteljahrschr. Bd. 18. S. 481. 2) Arch. der Pharmacie 1S70. II. Serie 144. S. 195. 3) Arch. der Pharmae. 1872. II. Reihe. Bd. 150. S. 256.
Ueber die Bestandtheile und Wirkungen des Mutterkorns.
361
Alk~loide vorkommen, aufrecht erh~ilt, aber zu ihrer Darstellung eine ncue Methode angibt. Die nach dicser Methode gewonnenen Pr~parate weichen aber yon den nach der ersten gewonnenen im Wesentlichen nicht sehr ab. Ich selbst habe mir mehrfach Eebolin nach den W e n z e l l ' s c h e a Methoden dargcstellt, sowie reichliche Mengen desselben, welche Herr Apotheker J. D e n z e l 1) mir dargestellt hatte, untersucht und stets gefunden, dass es ein sehr unreines Priiparat meines Alkaloides war, aus dem sich mittelst Ausschtitteln mit Essigiither in alkalischer LSsung das Cornutin ausziehen liess. Am 15. November 1875 machte Ch. T a n r e t 2) der Pariser Academie Mittheilung tiber ein neues Alkaloid im Mutterkorn, E r g o t in i n genannt. Nach mehreren yon D r a g e n d o r f f gegen ihn gemaehten berechtigten Einwendungen, die im Dragendorff'sehen Jahresberieht nachzulesen sind, hat er sehliesslieh seine Methode 3) wesentlieh verbessert. Nach dieser gelingt es, zwei Ergotinine, ein krystallisirtes und ein amorphes darzustellen. Es hiilt ungemein schwer, sieh tiber die beiden T a n r e t ' s c h e n Alkaloide, insonderheit tiber das krystallisirte aus eigener Ansehanung klare Vorstellungen zu schaffen, da das Ergotinin im Handel kaum zu bekommen und auch bei der Selbstdarstellung ungemein theuer zu stehen kommt und sehr viel Mtihe macht. Ich gestehe often, dass ich hie dieses wichtige Kapitel meines Themas wtirde haben genttgend ersch(ipfen kSnnen, wenn nieht die Firma G e h e u n d C o m p. in Dresden-Neustadt mich aufs Liberalste dabei untersttitzt hi~tte. 1oh erlaube mir daher, derselben an dieser Stelle ~ftentlich meinen Dank auszusprechen. Mit Halle der in diesem Geschitfte gemachten Erfahrungen bin ich im Stande, tiber die beiden T a n r e t ' s e h e n Alkatoide folgende Mittheilungen zu machen. Die ittherischen Ausztige yon Secale cornutum werden mit wi~ssriger Citronensi~urel(isung ausgeschttttelt, die wiissrige LSsung mit Pottasehe versetzt, mit Aether ausgeschiittelt und die ittherische Li~sung im luftverdtinnten Raume zur Trockne gebraeht. Der Rtickstand enthitlt alas krystallisirte und alas amorphe Ergotinin. Zur Gewinnung des ersteren wird das Gemisch in koehendem Alkohol gel(ist. Beim Erkalten krystamsirt das krystallisirbare Ergotinin in seidengli~nzenden Nadeln aus. Es bildet rait Sauren Salze, die jedoeh, wie aueh das freie Alkaloid, sehr sehwer l(islich sind. Am schwersten 15slich ist das salzsaure Salz, leichter 1) Arch. der Pharmaeie. Bd. 22. Heft 2. 1884. Separatabdrltck. 2) Compt. rend. LXXXI. p. 896.18"/5. 3) Annales de Chimie et de Physique. 5: s~rie. TomeXVII. 1879.Separatabdruck.
862
XVII. KOnEI~T
das sehwefelsaure, essigsaure, oxalsaure, citronensaure, weinsaure; weniger l~slich sind das borsaure, benzoesaure und salieylsaure Ergotinin. Die Ausbeute beider Alkaloide zusammengenommen betr~tgt nur ein dreissigstel Proeent des ursprtinglich verwandten Mutterkorns. Das eitronensaure Salz des krystallisirten Ergotinin ltist sich etwa 1:400 in Wasser. Es ist m~glieh, dass das Ergotinin und das Cornutin unter einunder in naher ehemiseher Beziehung stehen and unter noeh nieht naher erforsehten Bedingungen ineinander tlbergehen, wenigstens erhitlt man aus gleiehen Mutterkornquantititten manehmal mehr Cornutin und manehmal mehr Ergotinin. Chemiseh sind sie hauptsiiehlieh dadureh versehieden, dass das Cornutin leiehter ltislieh ist, als beide Ergotinine. Ihr t!Iauptuntersehied besteht jedoeh, wie ieh bier im Voraus bemerken will, darin, dass das Cornutin enorm giftig, die beiden Ergotinine aber ungiftig sind. Im Obigen glaube ieh das Wichtigste tiber das T a n r e t ' s e h e Alkaloid wiedergegeben zu haben. D r a g e n d o r f f und P o d w i s s o t z k y gewannen ebenfalls sehort 1876 aus den Filtraten der Sclerofinsliureniedersehl@e (bei der Fi~ilung der Siiure mit Alkohol) einen alkaloidisehen K~rper. l~ebenbei haben sie denselben aber aueh direct aus Mutterkorn isolirt und fanden, dass man zwei wesentlieh versehiedene Alkaloide kaum unterseheiden kann. Sie nennen ihr Alkaloid Pikroselerotin 1). Th. B l u m b e r g ~) benutzte die Rostocker, aus der Witte'seheu Fabrik stammenden alkohoiischeri Sclerotins~urefiltrate und stellte daraus unter D r a g e n d o r ff's Leitung ein reines Alkaloid dar. Dasselbe liess sieh aueh aus i~lutterkornifi gewinnen. Er weisst auf die grosse Aehnliehkeit dieses Ergotinfns mit dem Pikrosclerotin hin, ohne indessen die Identitiit beider behaupten zu ktinnen. Im S e h m i e d eb erg'sehen Laboratorium sind die Filtrate der Ergotins~tureniedersehliige hliufig auf Alkaloide untersueht worden. Es gelang daraus naeh dem Enffernen des Bleies dureh Fiillung mit Gerbsiiure einen volumin~sen Iqiedersehlag zu erhalten. Wurde derselbe mit alkoholiseher Sehwefelsiiure zersetzt, so ging alle Gerbsiiure in den Alkohol tiber und das sehwefelsaure Salz einer Base blieb in fester Form zurtiek and liess sieh leieht reinigen nnd in Krystallen gewinnen. Ieh habe dieses Alkaloid aber nieht welter verfolgt, weil es sieh als ganz ungiftig erwies~ Fassen wit sehliesslieh noeh einmal zusammen, was yon basil) Sitzungsberichte der Dorpater Iqaturforschergesellschaft. Bd. IV. Heft 3. 2) Ein Beitrag zur Kenntniss der Mutterkornalkaloide. Inaug.-Dissert. Dorpat 1$78.43 S. ; siehe auch 1)r a g e n d o r f f's Jahresbericht. XII. 1S77. S. 43.
Ueber die Bestandtheile uhd Wirkungen des Mutterkorns.
363
schen K~rpern aus dem Mutterkorne bis jetzt dargestellt ist, so ergibt sich Folgendes. 1. Trimethylamin, aus dem Lecithin sich bildend, gefunden von W a l z 1), ,ungiftig. 2. Das eben erw~hnte, yon S e h m i e d e b e r g aus den Filtraten der Ergotinsiiurefiillung durch Gerbs~ure abgesehiedene krystallisirbare Alkaloid, ungiftig. 3. Das aus der Spaltung der Ergotinsiiure hervorgehende, ungiftig. 4. Ergotininum crystallisatum and 5. Ergotininum amorphum, bcide yon T a n r et dargestellt, ungiftig. 6. Eine fltichtlge coniiniihnliche Base, welche F. L. W i n c k l e r ~ ) darstellte and die wahrschcinlich identisch ist mit dem fltichtigen Alkaloide yon T a nr e t. Sic ist giftig, aber yon mir nicht untersucht worden. 7. Das Pikrosclcrotin. Es entsteht nach D r a g e n d o r f f and P o d w i s s o t z k y als Spaltungsproduct aus dem Seleroerythrin nebeu Fuscosclerotinsanre. Th. B l u m b e r g gelang die Darstellung, wie schon erwi~hnt, ebenfalls. Alle 3 Autoren constatirten die ungemeine Giftigkeit des Alkaloids. Leider lasst sich dasselbe stets nur in so geringen Mengen gewinnen, dass eine genauere chemische oder physiologische Untersuehung desselben bisher sowohl der genannten drei Autoren als aueh mir unmSglich war. 8. Das Cornutin, wie wir gleich sehcn werden, sehr giftig.
B) Physiologisches i~ber Cornutin. Die Wirkungen des Cornutins wurden an Fr~schcn, Mcerschweinon, Kaninchen, Katzen, Hunden and Hiihnen geprtift. Ich h~itte dicse Prtifnngen bei der ansserordentlichen Schwierigkeit der Darstellung nur schr unvollkommen ausfiihren k(innen, wenn mir nicht durch das schon erw~hnte Droguengeschi~ft yon Gehe and Comp. in Dresden mehrere Male betrlichtliche Quantitaten des Alkaloides and des salzsauren Salzes zu YerfUgung gestellt worden wliren ~). Die Injectionen des Alkaloides geschahen meistentheils unter die Haut oder ins Blut; vom Magen aus war die Wirkung auch zu erzielen~ aber erst bei Anwendung etwas gr(isserer Dosen. Benutzt wurde stets das citronensaure oder das salzsaure Salz. 1) Neues Jahrb. d. Pharmacie. Bd. 24. S. 242. 2) Pharmae. Centralbl. 1852. October. 3) Ygl. Gehe's Handelsbericbt pro April 1883. S. 6t. Ich war damals noch der Meinung Ergotinin und Cornutia seiea identiseh, and mtissen daher alle racine Angaben, welcheich damals auf Ergotinln bezogenbabe, auf Cornutin umgeschrieben werden. Das yon Gehe mir damals geliefertePraparat war ein Gemisch yon Ergotinin und Cornutin.
364
xvII. KoBEa~ V e r s u c h e an F r S s c h e n .
Diese miissen, wenn man alle Erscheinungen deutlich zu Gesiehte bekommen will, mit sehr kleinen Alkaloiddosen ~mgefangen werden. Dosen yon I/3: mg gentlgen, um kr~ftige FrSsche binnen wenigen Minuten zu vergiften. Die ersten Symptome bestehen in einer e i g e n a r t i g e n M u s k e l s t e i f i g k e i t , infolge deren die Thiere zwar einen kriiftigen Sprung ausfUhren kiinnen, die einmal extendirten Glieder bleiben aber 10--100 real liinger in der Extensionslage als bei normalen Thieren, weil die Streekmuskeln nut ungemein langsam aus der einmal gemaehten Zusammenziehung in den Zustand der Ruhe zurtlekkehren. Ein Unbetheiligter, weleher derartig vergiftete Friisehe sieht, glaubt stets, dass es sieh um eine Veratrinvergiftung handele, bei der bekanntlich dasselbe Ph~inomen auftritt. Ganz wie beim Veratrin ist denn aueh die Zuekungscurve eines einzelnen Gastrocnemius in gewissen Stadien der Vergiftung ffegen die Eorm um das i0--100 fache verl~ngert. Dureh Curaresirung oder Durchsehneidung der Ischiadici liisst sieh an dieser Muskelsteifigkeit nichts iindern, wodureh der museuli~re Ursprung dieses Phiinomens bestiitigt wird. Das zweite auffallende Symptom an Fr~isehen ist e i n e f f r o s s e D i s p o s i t i o n zu K r a m p f a n f i i l l e n . Diese Anfalle treten theils bei ausseren Reizen refieetorisch, theils ohne dieselben spontan auf und lasseu die Thiere auf den ersten Blick ftir mit Strychnin vergiftet halten. Bertihrt man ein solches Thier in der Gegend des l~ackens, so krtimmt es sofort den Kopf bogenf(irmig nach unten und verharrt in dieser auff~illigen Stellung einige Seeunden. Dieses Symptom ist allen Hirnkrampfgiften eigen und deutet darauf hin, dass es sieh aueh bier um Reizung der Krampfeentren in der Med. obl. handele. Beweisen l~isst sieh dies dutch Wiederholung des Versuchs an Friisehen mit zerst(irter Medulla oblongata, die das Symptom nicht.mehr zeigen und keine der Stryehninvergiftunff ~thnlichen Anfiille bekommen. Dieses Stadium der Reizung geht bei gr~sseren Dosen, z. B. naeh 1/2--1 rag entweder sehr sehnell vortlber und maeht einer completen Liihmung des verl~ngerten Markes and Rtiekenmarkes Platz oder es kommt, um mich so auszudrUeken, nur periodiseh zur Geltung~ indem das Thier meist wie paralysirt daliegt und nur von Zeit zu Zeit ohne alle Kussere Veranlassung einen Tetanusanfall hat; oder drittens es kommt gar nicht zum Vorschein, indem das Thief sofort complet gel~ihmt wird und so bleibt. Die Li~hmung in diesem Stadium betrifft sowohl die willktirlichen wie die reflectorisehen Bewegungen~ wahrend fur elektrisehe Reize das Centralnervensystem seine Erreg-
Ueber die Bestandtheileund Wirkungen des Mutterkorns.
365
barkeit bewahrt. Die willkUrliche Bewegung sehwindet bei langsamem Eintritt der Vergiftun~ vor der Reflexerregbarkeit; ja diese kann gesteigert sein zu eider Zeit, wo die M~glichkeit, willktirliche Bewegungen auszuftihren, bereits aufgeh~rt hat. Die Athmung hSrt .mit dem Eintritt der L~hmung des verl~ngerten Markes auf. Die Herzthatigkeit wird yon dem Alkaloide gar nicht beeinflusst, so dass sic noch 3--4 Tage nach eingetretener completer L~hmung ganz normal angetroffen wird. Eine veratrinartige Einwirkung auf den Herzmuskel scheint nicht zu bestehen, wenigstens war bei Versuehen am W i l l i a m s ' s e h e n Apparate bei klcinen Alkaloiddosen eine Aenderung in der Leistungsf~higkeit und Sehlagfolge des tterzens Uberhaupt nicht wahrnehmbar. / Eine mikroskopisehe Untersuchung der Blutgef~sse der Schwimmh~ute kann im Krampfstadium nicht gut vorgenommen werden; im L~hmungsstadium und bei completer Curaresirung waren deutliche Veriinderungen an denselben nieht zu constatiren. V e r s u c h e an H u n d e n u n d K a t z e n . An diesen Thieren maeht sich nach kleinen, subcutan applicirten Dosen (0,5 mg pro Kilogramm) eine a u f f a l l e n d e S t S r u n g d e s W o h l b e f i n d e n s geltend, welche sich ~ussert in deprimirtem Aussehen, Ausstossen kl~glicher Laute, Wiirgen, Brechen, Speichelfluss, Kollern im Leibe sowie Entleerung yon Koth (sp~iter yon Schleim) und Urin. Dem Breehen geht eine lange, sehr heftige Nausea vorber, bei der das Thier sieh ungemein elend fUhlt, zittert und grosse Angst hat. Die auf die tterzgegend aufgelegte Hand ftihIt dabei den Herzschlag retardirt und unregelm~ssig, lqaeh dem Breehanfall knickt das Thier racist kraftlos zusammen und liegt nun fiir einige Zeit, mit halbgebroehenen Augen platt auf dem Bauehe. Nattirlieh ist bei den heftigen Brechbewcgungen der Magen bald entleert, damit hSrt das Breehen aber nieht auf; es wird jetzt vielmehr Sehleim uud Galle in sehr grossen Quantit~tten mit grosser Mtihe entleert. Solche Breehanf~tlle, yon anfangs kUrzeren, sp~tter l~tngeren Pausen unterbrochen, dauern viele Stunden an. Wardie Dosis etwas ht~her gegriffen, so kommt als neues Symptom eine h o e h g r a d i g e S t e i f i g k e i t tier Beine, besonders der hinteren hinzu, welche sehr an die entspreehende Erscheinung bei Fr~schen erinnert. Bei warmbltitigen Thieren ist das yon G o l t z und M e r i n g als Drahtbeine beschriebene Symptom, welches nach Kleinhirnverletzungen auftritt, diesem Zustande sehr ahnlieh, Steigert man die Dosis jetzt noeh ein wenig, so kommt es zu k l o n i s e h e n , sp~tter
866
XVII. KO~RT
a u e h zu t o n i s c h e n K r ~ m p f e n . Diese Kr~impfe kiinnen epileptisehen sehr ~ihnlich sehen. Aueh das Zerbeissen der Zunge dutch die krampfhaft auf einander fixirten Z~ihne kommt bei Katzen dabei gelegentlich vor. In den Pausen zwischen den Anfiillen athmet das Thier dyspnoisch und liegt mit steifen Extremitiiten matt auf der Seite. Seine Empfindliehkeit gegen ~tussere Reize ist sehr herabgesetzt, indem die Centralorgane des Nervensystems offenbar sehr durch die vorangegangenen Attaquen ersehiipft sind. Wird die Giftmenge jetzt noch gesteigert, so tritt nach einem tetanischen Anfalle R e s p i r a t i o n s s t i l l s t a n d ein, und das Thier erstickt, w~hrend der Herzschlag noch einige Zeit kritftig zu fiihlen ist. Die Section ergibt keine anatomischen Veriinderungen. Stellt man einen derartigen Yersuch an einem weibliehen Thiere an, dem man unter den nSthigen Cautelen den Bauch getiffnet hat, so sieht man in dem Stadium, we es beim nicht schwangeren Thiere zu heftigen Bewegungen des Magens und Darmes und Entleerung derselben naeh oben und u n t e n kommt, ganz entsprechende B e w eg u n g e n a u c h am s c h w a n g e r e n o d e r n i c h t s c h w a n g e r e n U t e r u s auftreten; dieselben haben abet mit dem, was man als Tetanus uteri in der Geburtshtilfe als ftir Mutterkornwirkung charakteristiseh zu besehreiben pflegt, absolut nichts gemein; sie verlaufen vielmehr unregelm~tssig wellenartig und ftihren zu einer Ausstossung der Ftiten meist nicht. Sie erfolgen ferner Uberhaupt erst in einem Stadium der Vergiftung, das herbeizufUhren man bei Mensehen wohl hie Willens sein wird. Wean ieh die Wirkung auf den Uterus mit der einer anderen Arzneisubstanz vergleichen sell, so kann ich nur Pilocarpin als dem ~thnlich anfUhren. Wahrscheinlich werden auch beim 5TigeIIin ~thnliche Uteruserscheinungen vorkommen. Um das Zustandekommen dieser Uteruscontraetionen genauer zu studiren, wurden naeh der yon G. R e i n beschriebenen, schon erw~thntea MethodeVersuehe an dem isolirten tiberlebenden Uterus -con Schafen angestellt, wobei die Uterusganglien theils erhalten, theils ausgeschaltet waren. Benutzt wurden nur diejenigen Versuche, in welchen das Organ bei der DurchstrSmung mit unvergiftetem Blute rythmische Contraetionen maehte. Es wurde alsdann dem Blute Alkaloid in wechselnden Mengen (bis zu 16 mg auf 100 ce Blut) zugesetzt und genau die Ver~inderungen in der Bewegung des Organs mittelst der graphisehen Methode und die Sehwankungen in der in der Zeiteinheit durehgestr~mten Blutmenge registrirt, aber niemals irgend eine auffi~llige Einwirkungwahrgenommen. I e h g l a u b e d a h e r b e h a u p t e n zu k~nnen, dass die Einwirkungen des Cornutins auf den
Ueber die Bestandtheile und Wirkungen des Mutterkorns.
367
Uterus, welcheoben beschrieben sind, nur beiintaetem C e u t r a l n e r v e n s y s t e m zu S t a n d e k o m m e n . Die Veranderungen der Cireulationsorgane unter der Eiuwirkung des Alkaloides waren bei Hunden and Katzen denen bei Kaninehen ganz entsprechend and sollen daher dort mit besprochcn werden. V e r s u c h e an K a n i n c h e n a n d M c e r s c h w e i n e n . An diesen Thieren fehlen die Erscheinungen des Breehens and der Nausea. Kaninchen bleiben daher yon Dosen, die noch nieht Krampfe and Muskelsteifigkeit machen, seheinbar unbeeinfiusst. Bringt man sic jedoeh an das Kymographium, so zeigt sich, dass diese kleihen Dosen doeh bereits eine Einwirkung haben, and zwar ist dies eine c e n t r a l e E r r e g u n g d e s V a g u s , welche an der Blutdruckcurve durch das Auftreten charakteristischer Vaguspnlse erkannt werden kann. Sic sind allerdings beim Hunde and der Katze noch viel pragnanter. Curaresirung andert am Zustandekommen derselben niehts, nach Vagusdurchsehneidung aber kommen sic in Wegfall. Der Pals ist in diesem Stadium unregelmassig and racist verlangsamt. Hat man gleich von vornherein das Thier curaresirt and vagotomirt, so ist das erste Symptom der Alkaloidwirkung ein b e t r a c h t I i c h e s A n s t e i g e n des B l u t d r u c k s . Schon Dosen yon 0,1 rag, vorsichtig and in der gehSrigen Verdtlnnung in die Metatarsalvene eines grossen Kaninchens injicirt, lassen dasselbe deutlieh erkennen. Dosen yon einem Milligramm genUgen fiir den grSssten Hund, um die Dracksteigerung zu Stande kommen zu lassen. Der Puls bleibt bei dieser Steigerung bei Hunden, Katzen und Kaninehen, da der N. vagus ausgesehaltet ist, unbeeinfiusst. Hat man ins Blur injieirt, so folgt auf die Blutdrucksteigerang bald ein Absinken zur Norm; neue Injeetionen ruf'en abet neues Steigen hcrvor. Naeh subcutaner Application tritt die Erhi~hung des Blutdrueks langsamer ein, halt abet langer an. Merkwtirdig, abet ganz constant ist, dass der Blutdruck, wenn man dureh Sphacelinsiiure in grossen Dosen das vasomotorisehe Centrum seheinbar gelahmt and also den Blutdruck sehr stark erniedrigt hat, dutch das Alkaloid doch noch, wenn auch nut vortibergehend und nieht eben hochgradig, crh~ht werden kann. Man ki~nnte dadureh auf die Vermuthung gebracht werden, dass die Blutdrucksteigerung dutch das Alkaloid nieht durch Reizung des vasomotorischen Centrums zu Stande komme, sondern peripheren Ursprungs sei. Um dies zu entseheiden, wurden Versuehe an Thieren (Kaninchen und Hunden) gemacht, bei denen dureh grosse ChloraIdosen oder durch Halsmarkdurchschneidung das vasomotorische Cen-
368
XVII. KOBm~T
trum ausgesehaltet war. Bei diesen trat naeh den Injectionen sowohl kleiner als grosser Alkaloiddosen uiemals ein Ansteigen des Blutdrueks auf, womit (wenn aueh nieht ganz exact) bewieseu ist, d a s s das Mittel lediglich aufs vasomotorisehe Centrum einw i r k t , d a s s es d a s s e l b e j e d o e h n o e h zu e i n e r Z e i t r e i z t , wo die S p h a c e l i n s ~ i u r e es n i e h t m e h r v e r m a g . Hat man den Blutdruek eiues curaresirteu Thieres dutch aufeinanderfolgende Injectionen grSsserer Dosen yon Alkaloid ad maximum erhi3ht, so tritt bei weitereu Injectionen ein Abfall desselben ein, indem das vasomotorische Centrum jetzt definitiv geliihmt wird. Aber auch naeh vollstiindiger L~ihmuug desselben gelingt es, den Blutdruck eines curaresirten Thieres, der fast Null ist, wieder zu der denkbar h(lchsteu Htihe durch Hellebore'iu emporzutreiben, womit bewiesen ist, dass das I-ierz und die Gefiisse noeh zu einer Zeit, wo der 0rganismus schon der schwersten Alkaloidvergiftung unterliegt, noch unbeeinflusst ist. An uneuraresirten Thieren ist es meist nicht mSglich, das Stadium der Liihmung des vasomotorischen Centrums herbeizuftihren, indem sehon vorher die heftigen Anfiille yon Kriimpfen und im Anschluss daran Liihmung des Respirationscentrums und Erstickung eintreten. Macht mau dabei rechtzeitig ktinstliche Respiration, so gelingt es oft, das Leben etwas zu verliingern. Die oben erwiihnte Muskelsteifigkeit tritt bei den Injeetionen ins Blut nattirlich auch ein; an curaresirten Warmbltitern ist sie aber viel weuiger deutlich als sie es an uncuraresirten oder curaresirten Kaltbltitern ist. Die tetanischcn Krampfanfiille t~hlcn am curaresirten Thiere vSllig. An Meerschweinchen ist das Vergiftungsbild dem bei Kauinehen sehr iihnlich. Diese Thiere zeigten nach Subcutaninjection ttidtlicher Dosen grosse psychisehe Unruh% maehten sofort Brechbewegungen, bekamen sehnell steife Extremitiiten, Dyspnoe, Convnlsionen und Tetanus. In den Pausen zwischen den eiuzelnen Krampfanfiilleu lagen sie schlaff, wie gel•hmt auf der Seite und reagirten sehr wenig. W~ihrend der Anfalle waren die Pupillen, wie auch meist bei den Katzcn, erweitert. Schliesslich trat Respirationsstillstand uud dadureh Erstiekung ein. V e r s u e h e an Hiihnen. Da das Mutterkornalkaloid auf deu Blutdruck in derselben Weise einwirkt wie die Sphacelins~iure, ja an Intensit~t der Wirkung dieselbe noeh tiberbietet~ so h~ttte man erwarten ktinnen, dass auch Gangr~tu durch dasselbe genau so wie durch Sphacelins~ture wiirde
Ueber die Bestandtheile und Wirkungen des Mutterkorns.
369
hervorgebraeht werden k~innen. Zu diesem Behut~ ffitterte ieh Hahne mit dem Alkaloid aus Mutterkornmengen, deren gangr~inmachende Wirkung sichergesteUt war~ also z. B. einen Hahn 14 Tage lang t~iglic,h mit dem Alkaloid aus 20 g Mutterkorn, einen anderen 10 Tage lang mit dem aus 40 g Mutterkorn, sah aber niemals aueh nur eine Spur yon Gangriin auftreten. Meist traten iiberhaupt keine Erscheinungen auf, oder sic bestanden hiichstens in Appetitlosigkeit. Ich ging daher zur Subeutaninjeetion des reinen Alkaloides tlber~ sah aber selbst naeh 2w(iehentlicher Injection yon t~iglich 2 mg keinen Erfolg. •ach 4 mg trat dagegen bei einem Hahne yon 21/2 kg gleich das erste Mal t~idtliehe Vergiftung ein, indem alas Thicr naeh vorhergehcnden kurzen Kr~mpfen schnell matt auf den Beinen wurde, umfieI und nach Verlauf einer Stunde in jeder beliebigen Position wie narkotisirt liegen blieb. Meist hatte es dabei die Augen gesehlossen und schlief. Auf mechanische Reize crfolgten nur sehwaehe Reflexbewegungen. Herzsehlag und Pupillen waren dabei normal. ~ach 2 I/2 Stunden traten neue Krampfanflille auf, bei denen das Thief mit allen Glicdmassen heftig zuckte~ und worauf fast unmittelbar der Tod folgte. Die sofort vorgenommene Section ergab keine anatomischen Ver~inderungen irgend eines Organes. Damit scheint mir bewiesen zu sein, dass das Alkaloid auf Hi~hne ganz anders einwirkt, als die Sphacelinsaure. Es ist daher nicht erlaubt~ die gangri~nmachende Wirkung einzig und allein yon der Reizung des vasomotorisehen Centrums abhangig maehen zu wollen, da sic sonst dem Alkaloide ebenfalls hatte zukommen mtissen. Zu der Annahme, dass die Gefi~sscontractionen naeh der Sphacelinsi~ure anhaltender seien~ als naeh dem Alkaloide, liegt bis jetzt keine experimentelle Thatsaehe vor. Welcher besondere Umstand in dem ersten Falle die Gangr~n herbeiftihrt, ist uns also nach wie vor unbekannt.
Historisches i~ber Cornutinvergiftungen l). I. B e o b a c h t u n g e n an Mensehen. Dass durch Mutterkorn krampfartige Erseheinungen, Steifigkeit der Glieder und Anfiille yon seheinbar wahrer Epilepsie hervorgebracht werden k(innen~ ist eine alte Thatsache und hat sehon langst dazu Veranlassung gegeben, die Ergotismusepidemien in solehe mit convulsivisehem und solehe mit gangr~in(isem Charakter einzutheilen. 1) Ich rechne hierher alles, was v0n Kri~mpfenbei Mutterkornvergiftungbeobachtet worden ist. ]ch babe schon oben (S. 354) bemerkt, dass es spi~ter vielleicht gelingenwird, auch durch Sphacelins~ureKrampferscheinungenzu erzeugen, und dass man diese dunn ,besonders betrachten wird mtissen.
870
XVII. EOBERT
Ob freilich schon im Alterthume neben der gangr~in(isen Form des Ergotismus oder unabh~ngig yon ihr die convulsivisehe vorgekommen ist, ist unbekannt. Die ersten sieheren Nachriehten darUber tauehen gegen Ende des 16. Jahrhunderts auf. Naeh L e t e u t r e besehrieb zuerst Baldiusus R o n s e i u s 1581 eine Epidemic, bei der die Finger sieh krUmmten und steif wurden. Naeh D ie z ist It o n s s e u s der Erste, weleher um etwa dieselbe Zeit eine genaue Besehreibung des Ergotismus eonvulsivns lieferte, den er in einigen ltineburgisehen Dtirfern beobaehtet hatte. 1587 und 1592 herrsehte dieselbe Krankheir in Sehlesien in der Gegend yon Landeshut, 15S9 im Waisenhause zu Heidelberg und 1596 gemiseht mit gangr~tntisem Ergotismus in Itessen, wo sic W. T h a l l u s und die Marburger reed. Faeulti~t, wie sehon erwlihnt, genau besehrieben. Der Name Affeetus seorbutieospasmotieus findet sieh zuerst bei D r a w i t z (1647); S e n n e r t nennt sic um dieselbe Zeit Febris maligna eum spasmo, B o s s i e r d e S a u v a g es ~) Convulsio eerealis. Die hessisehen Beobaehter geben als Hauptsymptome bereits Convulsionen, epileptisehe Anfiille, ja Opisthotonus an; sic beobaehteten ferner hiiufig darnaeh zurttekbleibende Lithmungen. Zu bemerken ist nun der Umstand, dass im Laufe der vielen spltter folgenden Epidemien die eonvulsivisehe und gangritnSse Form des Ergotismus stets zwei fast vollsti~ndig getrennte Verbreitungsgebiete gehabt haben, dass beide Krankheiten auf diesen ihren Speeialgebieten wiederholt in welt verbreiteten Epidemien aufgetreten sind, dass ferner einzelne dieser grtisseren Epidemien in versehiedenen Li~ndern der Zeit naeh eoineidirt haben~ sowie endlieh, dass beide Formen des Ergotismus in vergangenen Jahrhunderten viel haufiger und viel verbreiteter vorgekommen sind, als in der neuesten Zeit. Von Epidemien yon eonvulsivisehem Ergotismus lichen aus der Zeit yon 1581--1879 im Ganzen naeh t I i r s eh 62 Beriehte vor, yon welehen 29 aus Deutschland, 11 aus Ilussland, 10 aus Schweden, 4 aus Italien, 2 aus Finnland, je einer aus den Niederlanden, England, der Schweiz, Norwegen, Ungarn und New-York datiren. Von den deutsehen Epidemien waren 5 sehr betr~tehtlieh (in den Jahren i595 --96~ 1716--1"/, 1741~ 1770--71 und 1855--56). Einige der stiirksten Epidemien yon convulsivischem Ergotismus herrsehten zu derselben Zeit, wo in Frankreich Epidemien tier gangriin~sen Form vorkamen. In Deutschland, wo, wie frtiher erwi~hnt, Mutterkornbrand stets selten gewesen ist, kamen ganz im Gegensatz dazu Epidemien 1) Nosologia methodica. Amstelodami. 1763. ]II. 1. p. 547.
Ueber die Bestandtheile und Wirkungen des Mutterkorns.
871
yon convalsivisehem Ergotismus reeht oft, n~imlich 59 mal vor; n~tmlieh l l m a l im 16, 10real im 17., 21real im !8. and 17real bis jetzt im 19. Jahrhundert, was auf das ganze Jahrhundert berechnet, 21 real ausmachen wUrde. Von den genannten 59 deutschen Epidemien haben 23 im Nord= osten (Preussen~ Schlesien, Mark, Pommern, Sachsen and ThUringen), 24 im bTordwesten (Holstein, Schleswig, Braunschweig~ Hannover Westphalen, Rhcinland), daffegen nur 9 im Stidwesten (Hessen, Eassau, Bayern, Baden) und 5 in B6hmen geherrseht. Noch aus den letzten 2 Jahrzehnten liegen 5 neue Berichto tiber Vorkommen yon Ergotismus convulsivus in Deutschland vor, so yon F l i n z e r 1) tiber einr in Auerbach bei Stollberg in Sachsen vorgekommene kleine Epidemie, yon J. M a y e r 2) tiber eine eben solehe in Schwaig and Roding in Bayern, yon S i e m e n s and yon H. M e n c h e ~ ) tiber die bei Gelegenheit der T u c z e k ' s c h e n Untersuchungen oben sehon erw~thnto im Kreise Frankenberg in Hessen and yon A. E m m e r l i n g 4) tiber eine auf eine einzige Familie beschr~nkte Mutterkornvergiftung in Bramstedt in Holstein. Weitaus die genauesten k l i n i s c h e n B e o b a c h t u n g e n fiber convulsivischen Ergotismus verdankea wir E. L e y d e n ~). Derselbe butte Gelegenheit, bei einer zur Zeit eines grossen bTothstandes in Ostpreussen 1867--1868 herrsehenden Epidemie yon Mutterkornvergiftung in seiner Klinik mehrere Personen l~ingere Zeit ztl beobachten, so vor allen vier Personen aus ein- and dersclben Familie. Diese Fatienten zeigten intensiv verbreitetr Maskelatrophir der oberen und unteren Extremit~tten, vorzUglich der Vorderarme und Unterschenkel, nebenbei Kriebeln, convulsivisehe klonisehe Muskelzuckungen and Schw~che der Beinc. Die Formicationen traten zuerst in den Fingerspitzen auf und warcn yon Hautanasthesie begleitet. Sie verbreiteten sich sodann auf Hiinde, Arme und Beine~ zuweilen selbst auf das Gesicht and die Zunge. Hande und Ftisse warden gekrtlmmt, Zehen und Finger eingesehlagen. Das Handwarzelgelenk krUmmtr sich derart, dass die Hand die Form eines Adlersehnabels erhielt. Weiterhin warden auch der Vorder-und Oberarm in dieselbe Verkrtlmmung hineingezogen, auch die Unter- und Obersehenkel, zuweilen selbst 1) Vierteljahrschr. f. gerichtl. Medicin. 2. Serie VIII. 1868. S. 360. 2) Bayer. hrztl. Intelleg.-B1. 1870. ~Tr. 7. S. 77. 3) Arch. f. Psychiatr. 18S0. IX. S. IOS. and deutsch. Arch. f. klin. Med. 1883. XXXIII. S. 246. 4) Landwirthschaftl. Wocheabl. ftir Sehleswig-tIolstein. 1%0. ~ r . 14. S. 146. 5) Klinik der Riickenmarkskrankheiten. II. Bd. erste Abth. Berlin. 1875. S. 2S7. A r ch i v f. experiment. Pathol. u. Pharmakol. XV'III.Bd. 25
372
XVII. KO~EaT
die Naekenmuskeln. Die Kr~tmpfe waren Morgens am st~rksten und yon Schmerzen begleitet. Die Haut war blass, erdfahl, Respiration und Circulation normal, ebenso Niere uud Darm. In sehr ausge. pr~gten F~llen kam es zu L~thmung der unteren Extremit~tten, Zittern dcr Arme und hochgradigster AnKsthesie. Nur in seltenen F~tllen traten Kr~mpfe yon epileptiformem Charakter auf. Die Anf~tlle dauerten Tage, ja selbst Wochen und ftlhrteu bisweilen zu Paraplegien. Die ersten S e c t i o n e n yon an convulsivischem Ergotismus gestorbeneu Patienten machten L e n t i n (1774) und U n g e f u g l ) . Soviel tiber den convulsivischen Ergotismus in Deutschland. In Russland ist bis auf den heutigen Tag die Krankheit noch, recht h~tufig. In aussereurop~tischen L~tndern ist echte, durch Claviceps purpurea bedingte Mutterkornvergiftung so gut wie hie sicher constatirt worden, wenn wir yon einer auf New-York beztlglichen Mittheihng absehen. Dass sie tibrigens in anderen Erdtheilen auch vorkommt und nur meist nicht zur ~trztlichen Cognition 'kommt, zeigte M. Th. yon H e u g lin 2) welcher beriehtet, dass in Abessinien Mutterkorn im Brode gar nicht selten ist und dass seine Diener davou krank wurden. Bcobachtungen an Menschen t i b e r die W i r k u n g d e r M u t t e r k o r n a l k a l o i d e liegen zwar in sehr grosser Zahl vor, jedoch sind sie meist sehr kritiklos angestellt und waren die benutzten Pr~tparate sehr unrein. Von Beobachtungen mit reineren Pr~tparaten ist etwa Folgendes erw~thnenswerth. S e a n z o n i und B u m m 3) priiften die D e n z e l ' s e h e n Pr~parate. Bei Anwendung yon 0,001b0,002 traten Uebelsein, Erbrechen, Schwindel, bei l~tngerem Gebrauche allgemeine Abgeschlagenheit und Appetitlosigkeit in so bedeutendem Maasse auf, dass yon weiterer Ordination abgestanden werden musste. Eigentliche Uteruscontractionen wurden nicht,wahrgcnommen. Ecbolinltisungen, subcutan angewandt~ hatten dieselbe Wirkung. Ueber die Wirkungen des T a n r e t ' s c h e n Ergotinins auf Menschen wurden in Frankreich mehrfach Beobachttmgen angestellt. Leider ist nicht immer dabei angegeben, ob die LSsungen aus Krystallen hergestellt wurden. Ich m~chte behaupten, dass meist ein Gemisch yon krystallisirtem und amorphem Ergotinin, meist noch eornutinhaltig, benutzt worden ist. Die ersten Versuche am Menschen mit krystallisirtem Ergotiuin scheint e i n A r z t in T r o y e s bei Uterusu
1) Ueberdie Kriebelkrankheitund den Leiehenbefundnach derselben. Casper's IX. 1856. S. 1t. 2) Reisein Abessinien. 1861--62. Jena. 1868. S. 181. 3) Arch. d. Pharmacie. Bd. 22. Heft 2. 1884. S. t2 des Separatabdruekes.
Ueber die Bestandtheile und Wirkungen des l~utterkorns.
373
blutungen gemacht zu haben, aus denen hervorgegangen sein sell, dass das Ergotinin die wirksame Substanz des Matterkorns ist. Ueber die Wirkungen im Einzelnen sagt D uj a r d i n- B e a u m e t z 1) Folgendes aus. Seine Patienten bekamen bach 4--5 rag, subcutan applieirt, Nausea, Erbreehen und sehmerzhafte Koliken, und diese unangenehmen Wirkungen hielten 24 Stunden an. Uterusblutungen h~rten allerdings nach solehen Injeetionen auf, aber nieht sogleieh. H e r v i e u ~) and G o s s e i i n konnten in tier Mehrzahl der Ft~lle den htimostatisehen Effect der Subeutaninjeetionen yon Ergotinin nieht wahrnehmen und rathen veto Gebrauch derselben ab, wahrend D up e r t uis ~) den gef~isscontrahirenden Einfluss unbedingt zugibt. P e t o n 4) dagegen sah nach Subeutaninjeetionen yon krystallisirtem and amorphem Ergotinin an Menschen keinerlei Wirkung eintreten. An Gebiirenden und W~ehnerinnen sah C h a h b a z i a n ~ ) naeh I/4 mg Ergotinin deutliche Uteruscontractionen eintretcn~ so dass er ~/4 mg als Maximaldose bezeiehnet. Dieselben Resultate erhielt A uy a r d 6)in der Maternitd za Paris. Ich selbst habe ein yon T a n r e t selbst dargestelltes Ergotininum erystallisatum~ f~isch gelSst, in der Dose yon 2 und yon 5 mg einer Patientin subcutan eingespritztj ohne dadurch irgend welehe Symptome hervorzurufen, wahrend dieselbe Dose des yon T a n r e t in LSsung in den Handel gebrachten Ergotinins bei derselben Patientin deutliche Nausea hervorrief. Mit dem yon G e h e and Comp. dargestellten krystallisirten und amorphen Ergotinin warden yon A. E u l e n b u r g ~ ) 47 Versuehe an Mensehen gemacht, welche ergaben, dass Dosen yon 0,2--0,7 mg~ subcutan eingespritzt, unseh~idIich sind. Die einzigen Wirkungen waren Abnahme der Pulsfrequenz and Temperaturerniedrigung. II. B e o b a e h t u n g e n yon Cornutinvergiftung an Thieren. Der erste Autor, welcher uns berichtet, an Thieren eonvulsivisehe Kriebelkrankheitssymptome hervorgebracht zu haben, ist S r i n c s). Er flitterte um die Mitte des 18. Jahrhunderts cinch H a n d mit Brod, 1} Soci~tdde th~rapeutique. Sitzuug yore 27. Febr. 1S78. 2) ]~tude critique et clinique sur l'action du seigle ergot~ et principalement des injections sous-coutan~es d'ergotine, par P. F. Hervieu. Th~se de Paris. 1878. 3) De l'Ergotine. Th~se de Paris. 1878. 4) De l'action physiologique et th4rapeutique de rergot de seiglepar JosepheHenry Peton. Th~se de Paris. 1878. No. 318. 96pp. 5) Bullet. de thdrap, t5 jan. lS84 und Archives de toco!ogie 1883.: 6) Ibid.; vgl. auch ibid: 15. Mai 1884. p. 419. 7) Deutsche reed. Woehenschr. 15S3.Nr. 44. 8) Satyrae medicor.Siles.spec. IV. obs. 5. p. 57. 25*
374:
xvII. KOB~
das grSsstentheils aus Mutterkorn bcstand, und sah denselben nach etlichen Wochcn starke Zuckungen bekommen und sterbcn. S c h r e g e r 1) spritztc 1770 cinem 2j~thrigen S c h a f c 5 Loth Secalcinfus in die Jugularvene und sah darnaeh Zucken der Glieder und beklemmtes Athmen eintretcn~ was 4 Stunden andauerte. Am folgenden Morgen hatten sieh diesc Symptome vcrloren, am Abend abet stellten sich wieder Zuekungen ein~ die sogar in completes Starrwerden, also in Tetanus tibergingen. 1771 sah C o n r a d i 2) am H n h n naeh Mutterkornftitterung Zittern und Kr~impfe eintreten, worauf der Tod folgte. In demselben Jahre erzielte N e b e 13) dureh Ftltterung mit mutterkornhaltigem Brod am H u n d e Brechen und Krampfe. Bei einem in der Thierarzneischule zu Berlin 1822 unter H e r tw i g gemachten Versuche an einer 4jiihrigen S t u t e trat, nachdem binnen 26 Tagen 111 Unzen Mutterkorn verftittert worden waren~ PupUlenerweiterung, Pulsverlangsamung und Muskelzucken ein. D iez 4) gab 1832 einem H u n d e ein Infus yon 31/2 Unzen Mutterkorn und sah an den beiden darauffolgenden Tagen Convulsionen an allen 4 Extremit~iten eintreten. Sie kamen anfallsweise~ meistens im Schlafe, scltener im wachenden Zastand and daaerten 4--5 Minuten. Dasselbe Vergiftungsbild bot der Hund noch in den folgenden 8 Tagen~ indem er fiiglich ctwa 3 solche Anf~lle hatte. Nachdem er sodann noch mehrere Male yon Neuem Mutterkorn erhalten hatte 7 warden die convulsivischen Anfiille hiiufiger and heftiger. Nicht nur die Extremifiiten, sondern auch dcr Kopf und der ganze KSrper wurden jetzt yon den heftigsten Zuckungen bin- und hergeworfen. Die Gesichtsmuskcln zuekten, die Augenlider schlossen und iiffneten sich wechsclwcise und die Augiipfel wurden verdreht. - - Der Koth des Thieres war immer lest und trocken. Sparer erlag der Hand einem solchen Krampfanfalle. Dcrselbe Autor sah auch bei K a n i n c h c n n a c h Fiitterung yon Mutterkorn in Pillcnform Convalsionen eintreten. Von den sp}iteren Experimentatoren ist es eigentlich nut S w i a tI o w s k y 5) gegltickt, convulsivischen Ergotismus zu erzeugen. Er sah an Hunden nach monatelanger Ftitterung mit mutterkorahaltigem Brod Zuckungen und Krlimpfe auftreten~ welche den an Menschen wahrgenommenen Erscheinungen schr iihnlich waren. 1) Versuche mit Mutterkorn. Casse11770. 2) Berichte und Bedenken u. s. w. S. 48. 3) De sec. corn. eiusque noxiis. Dissert. physioco-medica. Giessae. 1771. 4) Versuche fiber die Wirkungen des Mutterkorns. Tiibingen. 1882. S. 106. 5) Ueber eine Epidemic yon Kriebelkrankheit. St. Petersburger reed. Wochenschrift. 1880. l~r. 29. S. 239.
Ueber die Bestandtheile uud Wirkungen des Mutterkorns.
375
Versuche rait alkaloidhaltigen, aus Mutterkorn dargestellten PrRparaten liegen nur sehr vereinzelt vor. Die yon W r i g h t, H o o k e r und Anderen rait vielleieht alkaloidhaltigem Mutterkornt}l angestellten Versuche verdienen ihrcr negativen Resultate wegen hier kaura Erw~ihhung. W e n z e l l (1865) fund, dass sein Ecbolin ,die Functionen des Gehirns his zu einer Art Intoxication anregt, wobei aueh das Muskelsystem sieh betheiligt, indera unfi'eiwillige Muskelzusararaenziehungen folgen." Er seheint also wenigstens eine Spur tier Alkaloidwirkung wahrgenomraen zu haben. R o s s b a c h 1) sah bei seinen Versuchen rait Eebolin (1873), yon der Alkaloidwirkung abgesehen yon Blutdruekerh~hung noeh weniger; er verbreitet sich weitlRufig tiber eigenthtiraliche Herzwirkungen, die das Vergiftungsbild beherrsehten, wRhrend KrRmpfe bur ganz beil~iufig und rait der Bezeichnung kurzdauernd erw~hnt werden. Ieh selbst habe fair, wie erwtihnt~ mehrfaeh Eebolin nach We n z e 1l's Methode dargestellt sowie reichliehe Quantit~iten des D enzel'sehen Pr~iparates zur Verftigung gehabt und stets an denselbben Cornutinwirkung wahrgenoraraen, abet so sehwaehe, dass etwa 4 eg n~thig waren, ura an einera Frosche eharakteristischen Tetanus zu erzeugen; das nauseose Stadium ftihrten selbst Dosen yon 0,2 g an kleinen Hunden nur unvollkommen herbei und die blutdruckerhShende Wirkung fiel stets sehr raangelhaft aus. Mit dem Ergotinin yon T a n r e t liegen Thierversuehe zunRehst yon G a l i p p e und B u d i n 2) vor. Sic benutzten ein ihnen yon dera Entdeekcr selbst dargestelltes Pr~lparat und sahen an einera raittelgrossen Hunde naeh Subeutanapplieation yon 30 rag gar keine charakteristlsehen Erseheinungen auftreteu. Selbst naeh 80 rag bekara derselbe HuM nur Brechen und wurde unruhig. Aueh naeh 105 rag traten keine KrRmpfe ein. An Kaninehen verraoehten 4 rag keinerlei Erscheinungen hervorzurufen und naeh 60 rag trat L~ihmung auf, wRhrend Kr'~rapfe nieht iraraer constatirt werden konnten. Die Einwirkung auf den Blutdruck wurde nicht untersucht. Weitere Thierversuehe rait Ergotinin wurden yon P i e a r d 3 ) , P e t o n (1. e.) und yon D e b i e r r e 4) angestellt. P e t o n sah bei Meersehweinchen naeh 4, bei Kaninchen nach 10 und bei kleinen Hunden nach 20 rag des krystallisirten Ergotinins nur Erbreehen, Speiehelfluss und Durehfall eintreten. D e b i e r r e constatirte am Hunde nach 4 rag ein Anstelgen der Teraperatur. Wenn man obige Angaben rait denen fiber das 1) Pharmakol. Untersuchungen. Heft II. 1873. S. 114. 2) Gazette mddicale de Paris. 1878.p. 150. 3) Ibid. 4) Bull. gdn. d. Thdr. 15. Mai. 1884.p. 418.
376
XVII. KOBERT
Cornutin vergleieht, so sieht man, dass beide nieht identisehe K~rper sein k~}nnen. Ob aber im T a n r e t ' s e h e n PrKparate iiberhaupt etwas yon meinem Alkaloide enthalten sei oder nieht, dies zu entseheiden, wtirde ieh nie im Stande gewesen sein, wenn nieht Herr Apotheker J e h l in Strassburg die grosse Freundliehkeit gehabt hKtte, mir yon dem T anret'sehen Originalpr~tparate eine kleine QuantitKt abzulassen. Dasselbe befand sieh in einem yon T a n r e t selbst versiegelten G1Ksehen und bestand aus sehr schSnen weissen Krystallnadeln, die den wenigen chemisehen Reaetionen naeh, welehe ieh damit anstellen konnte, einer asehenfreien Base angehi~rten. Dosen you I nag bis zu 1 eg brachten an Fr~schen gar keine Wirkung hervor und an S~tugethieren zeigte sieh naeh Injeetionen yon 1 cg ein minimales zweifelhaftes Ansteigen des Blutdruekes ohne alle Convulsionen oder sonstige Erscheinungen. Dasselbe Resultat ergaben zahlreiehe Versuche, welche ich mit dem krystallisirten (und reinem amorphen) Ergotinin yon G e h e an Katzen, Hunden~ Kaninchen, H~hnen und Fr(isehen angestellt habe. Ieh muss demnaeh also behaupten, d a s s d a s T a n r e t ' s c h e A l k a loid mit dem m e i n i g e n p h y s i o l o g i s e h nieht die m i n d e s t e A e h n lie h k e i t zeigt. Es iiberrascht dies vielleieht einigermaassen, well D uj ar di n- B e a u m e tz ~ wie erwahnt, Versuche an Menschen mitgetheilt hat, in welchen langanhaltende Nausea, Breehen und sehmerzhafte Koliken eintraten, welche Symptome zu den yon mir bei Cornutinvergiftung an Hunden beobaehteten passen wUrden. Ebenso liessen die oben mitgetheilten Versuche von G a l i p p e und B u d i n vermuthen, dass an Fr(ischen charakteristische Alkaloidwirkungen auftreten wtirden. Ich glaube nieht fehl zu gehen~ wenn ich annehme~ dass der yon T a n r e t analysirte K(irper zwar nicht mein Alkaloid war~ dass er jedoch bei d e r Darstellung haufig damit verunreinigt gewonnen wird; dass die in Frankreich angestellten Versuche mit dem unreinen Pr~iparate gemaeht sind und daher wirkungsvoller ausfielen~ wahrend zum Versenden naeh Strassburg ein besonders seh~n krystaIIisirtes reines und daher wirkungsloses Pr~iparat verwandt wurde, eine Ansicht, die durch die Versuche mit dem G e h e'schen Ergotinin in den verschiedenen Stadien seiner Reinheit bestiitigt wurde. Ueber die Beziehungen des Pikrosclerotins von D r a g e n d o r ff und P o d w y s s o t z k i zum Cornutin kann ieh niehts aussagen. Sollten sich beide als identisch herausstellen, so wtirde nattirlich der Name Cornutin wieder eingezogen werden miissen. Diese Identitiit ist jedoch sehr unwahrscheinlieh, weil das Pikrosclerotin im Mutterkorn sich erst mit der Zeit durch Abspaltung bildet, w~ihrend das Cornutin
Ueber die Bestandtheile und Wirkungen des Mutterkorns.
377
umgekehrt im frisehen Mutterkorn reichlieh vorhanden ist, aber schon naeh wenigen Monaten raseh abnimmt. Schluss. Der Praktiker wird diese Arbeit entt~tuscht zur Seite legen, da in derselben kein Pr~parat ftir die Verwendung an Menschen und an Geb~renden insonderheit empfohlen ist. Meine Ansieht tiber die Wirkung des Mutterkorns auf den Uterus ist folgende. Dass das frisehe Mutterkorm einen Tetanus uteri 1) hervorzubrinffen vermag, unter dessen Einfluss unter Umst~nden die Geburt begtinstigt werden, sowie Abort oder Aufhiiren yon Bhtungen aus den Genitalien erfolgen kann, steht~ seit es die Chinesen vor mehr als I000 Jahren entdeckt haben2), absolut lest. Mir wurde noch vor Kurzem genauere Nachrieht tiber eine Mutterkornverffiftung yon Ktihen - - hervorgebraeht durch Auftreten des Mutterkornpilzes auf einer Grasart - - zu Theil, bei der mehr als 50 Kiihe abortirten. Die Ergotinsiiure ist an dieser Wirkung, wie die oben angeftihrten Autoren an Menschen und ich an Thieren constatirt haben, nieht betheiligt, besonders wenn man dieselbe per os einftihrt, we sie zum griissten Theile im Magendarmkanale in unwirksame Bestandtheile zerlegt wird. Da das Mutterkorn veto Magendarmkanal aus Wehen macht~ so mUssen selbstversfitndlich die einzelnen Componenten desselben ebenfalls bei stomaehaler Application geprtift werden. Dass die subeutan applicirte Ergofinsiiure infolge ihrer blutdruckserniedrigenden Eigensehaften gelegenflieh aueh einmal Wirkungen auf den Uterus entfalten kann, will ieh nieht leugnen. Was jedoeh in der Literatur dartiber vorliegt, ist fast alles darauf zu beziehen, dass man ein sehr unreines und sehr sehwer resorbirbares Pr~iparat direct in die Musculatur des Uterus oder in Myome desselben ( F r i t s e h) einspritzte und dadureh eifieu intensiven loealen Reiz setzte. Von dem reinen krystallisirten T a n r e t ' s c h e n Ergotinin ist ebenfalls eine Wirkung auf den Uterus nieht zu erwarten, da es auf den lebenden Organismus naeh meineu Versuehen tiberhaupt keine Wirkungen entfaltet. Was die franzi/sisehen Autoren yon Wirkuuffen gesehen haben~ die durch dieses Praparat zu Stande gekommen sein sollen, ist auf eine Vermeugung desselben mit Cornutin zu beziehen, 1) Siehe dariiber~'ritz Benicke, Ueber dieAnwendungdes Mutterkorns in der Geburtshiilfe. Zeitschr.f. Geburtshiilfeu. Gyn~k.III. 1878. S. 173. 2) Siehe dartiber die historischen Bemerkungen bei F. Ch. C a rbo n neaux le Perdriel, De l'Ergot de froment, de ses propri~t~s m~dicales et de ses avantages sur le seigle ergotS. Th6sede Montpellier. 1862. 4~ 100pp.
878
XVII. KOB~RT
welches in minimalen Dosen pilocarpinartig wirkt und in diesem Stadium auch Uterusbewegungen veranlasst. Der den deutsehen Autoren bekannte Tetanus uteri ist dies aber nieht und gelingt es daher aueh nieht, am isolirten Uberlebenden Uterus deutliehe Contraetionen damit auszul~sen; letztere kommen vielmehr nur zu Stande, wenn der Uterus noch mit dem Rtiekenmark in Verbindung ist. Da diese Contraetionen jedoeh schon bei sehr kleinen Dosen auftreten~ kann es kaum zweifelhaft sein, dass e i n in p r a x i zu v e r w e n dendes Mutterkornpr~tparat sieh brauchbarer erweisen w i r d , w e a n es alas (ja doch nur in minimalen Mengen vorhandene) C o r n u t i n enth~tlt, als w e n n es d a s s e l b e n i e h t enth~tlt. Das den Tetanus uteri ausl~sende Agens kannjed o e h nur in d e r S p h a e e l i n s ~ t u r e g e s u c h t w e r d e n . Leider hatte ich bisher nicht genug reine Substanz~ um mieh dureh Uterusdurchstrtimungen tlberzeugen zu k~nnen, dass dem so ist. Es kann leieht mt~glieh sein~ dass reich diese Versuebe noeh Jahre lang beschKftigen werden, ehe sie ein absolut sicheres Resultat ergeben haben werden. Ieh verSffentliehe daher diese Arbeit, welche reich so wie so schon 3 Jahre beschlifiigt, schon jetzt, behalte mir aber diesen Punkt zu weiterer Erledigung vor. Dureh die schSnen Untersuchungen yon R e i n 1), F r o m m e 12) und D e m b o 3) ist festgestellt worden, dass ein isolirter Uterus, weleher vom Rtiekenmark aus keine Reize mehr erhaiten kann, doch noch nicht nut spontan rythmisehe Contractionen macht, sondern auch noch auf Abktihlung, C02-Vergiftung, Sinken des Blutdruckes u. s. w. prompt reagirt und seine geb~rende Th~tigkeit wie normal entfaltet. Es seheint mir daher ein derartig isolirter Uterus aueh das brauehbarste Object zu sein, um festzustellen, ob eine aus dem Mutterkorne erhaltene Substanz Contractionen tetaniseher Art auslt~st, Diese Substanz muss aber, das sei ftir alle Experimentatoren auf diesem Gebiete ausdrUeklieh bemerkt, ehemisch rein sein. Schmierige Extraete dem Blute zugemiseht, bewirken ausnahmslos stUrmisehe Contraetionen des ausgesehnittenen durchstrSmten Uterus, und daher aueh sehr viele k~tufliehe ~utterkonextracte. Naehdem man sieh dureh den Versueh am Uterus vergewissert hat, dass eine reine Substanz Uteruswirkungen hat, muss daher stets noch als zweiter Prtlfstein der Versuch an grtisseren triachtigen WarmblUtern folgen, denen das Mittel per os applicirt wird. Kaninchen sind zu derartigen Versuehen ganz ungeeignet. Der Versueh ist ferner nur 1) Pfltiger's Arch. Bd. XXIII. 1880. Separatabdruch u. 1. e. 2) Zeitschr. f. Geburtsh. u. Gyn~k. VIII. S. 205.18S2.
3) Compt.rend. de la soe. de biologicyore6. Jan. 18S3.
Ueb~r die Bestandtheile und Wirkungen des Mutterkorns.
379:
dann beweisend, wenn das Versuehsthier zwar abortirt~ aber im Uebrigen gesund bleibt. Nach dicsen Regeln untersucht, erwiesen sieh die Ergotins~iure und das Cornutin als ungeeignet, um dureh sic Tetanus uteri und Abort zu bewirken. Von d e n unzi~hligcn v o r h a n d e n e n M u t t e r k o r n p r ~ paraten scheint mirldas Extractum secalis cornuti der zweitenEditionderdeutschenPharmaeopoe2) das alleru n g e e i g n e t s t e zu s e i n , um br s t o m a c h a l e r A p p l i c a t i o n i r g e n d w e l c h e W i r k u n g e n a u f den U t e r u s zu e n t f a l t e n , d e n n es e n t h i i l t n u r E r g o t i n s i i u r e . DasExtract der ersten Edition war schon besser; noch reicher an Cornutin und Sphaeelins~ture sind einige Praparate, wclche im franziisischen Handel zu haben sind. Nattirlich sind aber auch dies dicke Schmieren, welche spi~terhin reineren Praparaten weichcn mtlssen. Das Ent~len 2) des Matterkornpulvcrs, welches die neue deutsche Pharmacopoe eingeftihrt hat~ mug insofern einen Sinn haben, als man damit einem sehnellen Verderben des ]guttcrkorns etwas vorbeugt. Die Sphacelins~ure schwindet aber auch binnen einigen Monaten in den bestent(ilten trocken aufbewahrten Sorten des l~Iutterkornpulvcrs; in den (iligen Auszug gehen ferner, je nachdem mit wie grossen Mengen Aether oder Petroli~ther dcr Process vorgenommen wird, Thcile des Cornutins (Ergotinins) und der Sphacelins~iure tiber, a) Es wird also in den Monaten September bis December stets das Ratione]lste sein, ein natives, mit nichts behandeltes, frisches Mutterkorn in Substanz zu verwenden. Auf dem Schwinden dcr Sphacelinsaure bcraht cs auch, dass Gangranepidemien racist nur in den ersten 4 Monarch nach dcr Ernte auftreten. Ebenso ist es sicher, dass der Gchalt an Cornutin ebenfalls um diese Zeit sehr abnimmt. Die historische Erfahrung spricht auch, daftir. Warum in manchcn Jahren und Gegenden im Matterkorn fast nur Sphacelinsiiure und in anderen wiedcr fast nur Cornutin sich bildct~ ist noch absolut unbekannt. Die Subcutanverwcndung yon Mutterkornpriiparaten, welche seit 1870 ungemein viel vorgenommen worden ist 7 wtirde es sich empfehlen so lunge tiberhaupt nicht zu machen, a]s nicht die reinen 1) Vgl. dariiber auch die Bemerkungen yon J. Den z el, Arch. d. Pharmacie. XXII. Heft 2. 1884.S. 14 des Separatabdruckes. 2) Den darauf beziiglichen Streit zwischen Perret und T anret siehe im Bullet. g~n. de th~rap. 1882.6. livrais, p. 249. 3) Nur so wird es erkl~rlich, dass man yore MutterkornS1 (01eum ergotae Ph. Br.) und der ~therischen ~Iutterkorntinctur (1839 yon L e v e r empfohlen)munchreal Wirkungen gesehen hat:
880
Xu
KOBER%Ueber die Bestandtheile und Wirkungen des Mutterkorns.
wirksamen Substanzen im Handel zu haben sind. Ebenso |st yon einer ~usserlichen Verwendung der Mutterkornpr~iparate zum Wundverband~ welehe besonders 8 ~ d i l l o t empfohlen hat~ vor der Hand ganz abzusehen. Die Mutterkornfarbstoffe~ denen P o d w y s s o t z k i eine gewisse giftige Wirkung noeh heute zuschreibt, sind naeh meinen Versuchen vNlig wirkungslos i sie haben nur fOr den gerichtlichen Chemiker 1) Interesse. Zum Sehluss erlaube ieh mir Herrn Professor yon R e c k l i n g h a u s e n fOr die vielen im Interesse dieser Arbeit ausgefohrten mikroskopisehen Untersuehungen meinen besten Dank auszuspreehen. Die Publieationen yon C o n r a d in Bern und yon N a r e k w a l d in Berlin kamen mir erst zu Gesieht~ nachdem vorstehende Arbeit bereits abgcschlossen war. Ich werde auf dieselben sp~tter eingehen. 1) Siehe dartiher meineZusammenstellung in Schmidt's JahrbOchern. Bd. 182. S. 129, some R. Palm, Zeitschr. f. analyt. Chem. Bd. 22. 1883.S. 319.