XIV. Mittheilungen aus dem pharmakologischen Experimentalcursus yon Prof. Th. ltusemann in 6iittingen. 2. U e b e r die W i r k u n g des S o l a n i n s u n d S o l a n i d i n s . Z. Th. nach Versuchcn yon Dr. reed. Antonio
Balmanya
aus T r i n i d a d in Cuba.
Die Fragc, in wic weir gewlsse organische Substanzen im Organismus vermiige daraus gebildeter Spaltungsproductc wirken, schcint fiir die meisten Pfianzenstoffe negativ beantwortet werdcn zu mtissen. Die erhShte Bedeutnng, wclchc dieselbc ftir die organischcn Artcfacte im Besonderen und ftir die Pharmakodynamik im Allgcmcincn dutch die L i c b r e i c h ' s c h c Thcoric ~Ton der Spaltung des Chloralhydrats nnter dcm Einfiussc dcr Alkalien des Blutes in Chloroform und Amcisensiiure in den lctzten Jahrcn erfahrcn hatte, ist jctzt, wo die erwithfite Spaltnng des Chlorals und des nahe verwandtcn Crotonchlorals im Organismus als widerlegt angesehen werdcn kann, crhcblich rcducirt. Ich habe diese Theorie in Bezug auf alas Chloral nicmals adoptirt, indcm ich meine Ucberzcugung yon ihrcr Unrichtigkcit theils anf die bckanntcn Vcrsuche ~Ton O l a f H a m m a r s t e n ~ thcils auf das mir seit Jahrcn bekannte und in meincn Vorlesungen vorgetragcne Factmn yon der nicht hypnotischen Action der Trichloressigsfiure sttitzte. Das Chloralhydrat ist mciner Uebcrzeugung nach wiedcrum ein Beleg ftir das oft dagewesene Factum, wie eine irrlgc Thcorie zu einer bedeutungsvollen Entdeckung fiihrtc. Mit dem Hinwegfallen der Spaltung'sthcorie ftir das Chloralhydrat ist frcilich die Miiglichkeit der Zersetzung andcrcr org'anischer Artcfacte und die Wirkung" der gebildctcn Spaltungsproducte nicht unm~glich gcmacht und es kann selbst recht gut sein, dass bei einzelnen auch die Alkalien des Blutes einc gcwisse Rolle spielen~ immerhin aber
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XIu
T~. ttus~iA~
bleibt das Wandeln in L i e b r e i e h ' s Fusstapfen ein Weg, der leichter das Ziel verl~hlen als zu ihm hinftihren wird, and wenn z. B. neuerdings J ae q n e rain veto Phenylvaleramid, das sieh mit Alkalien in Anilin and baldriansaures Alkali spaltet, vermuthet, dass verm~ge der Bildung dieser Spaltungsproducte die fragliehe Substanz ein vorztigliches Nervenmittel sein mtisse, so kann diese Speculation nach demjenigen, was wir tiber die Triehloressigs~tm'e und durch v o n M e r i n g tiber die Triehlorerotons~tnre wissen, recht wohl fehlsehlagen, freilieh aueh, wie das die interessanten Beobaehtungen yon J a f f 6 tiber Diazobenzol zeigen, zu dem erwarteten Resultate fiihren. Von den Pflanzenstoffen gibt es bis jetzt kein einziges Beispiel, we der striete Beweis gelief~rt worden ist, dass er seine Wirksamkeit einem Spaltungsproduete verdankt. Am genauesten untersucht sind in dieser Beziehung die Glykoside, deren, dutch S~turen oder Alkalien abspaltbare Paarlinge sieh dem Pflanzenstoffe gegentiber, aus welehem sie entstehen, in sehr differenter Weise verhalten k~nnen. Einzelne sind offenbar unwirksam, wie das Spaltungsproduet aus Helleborin und Hellebore'in, andere zeigen eine yon der Wirkung des Glykosids vollst~ndig abweichende Action und erzeugen z. B. tetanisehe Kr~tmpfe, wahrend das Glykosid ein Herzgii~ ist, wie dies z. B. bei einzelnen Spaltnngsprodueten der yon S e h m i e d e b e r g isolirten neuen Digitalisglykoside der Fall ist. Aueh gleichartige Wirkungen des Glykosids und des daraus resultirenden Paarlings k~nnen vorkommen, wie dies das Verhalten des yon B l a s entdeekten Thevetins und des daraus abgespaltenen Theveresins darthut. Von Alkaloiden sind beztiglich der Spaltungsproducte his jetzt alas Atropin und Hyoseyamin einer genaueren pharmakodynamischen Prtifung unterworfen, wobei die Spaltungsproduete theilweise (Tropas~ure, Hyoseins~ure) unwirksam, theilweise (Tropin, Hyoseetin) in einer anderen Riehtung wirkend als di~e genannten Alkaloide sind. Bei diesen versehiedenen Ungleiehmassigkeiten erseheint es geboten, weitere Untersuehungen in Bezug auf Spaltungsproduete versehiedener stark wirksamer /~etiver Pflanzenstoffe zu maehen, die, wenn aueh kein gleichm~ssiges, so doeh immerhin ein interessantes Resultat verspreehen. Nothwendig erscheinen dieselben insofern, als es jedeni~lls der Beibringung eines weit gr~sseren Materials, als bis jetzt vorliegt, bedarf, um tiber etwaige Gesetzm~ssigkeiten der Beziehungen tier Glykoside und Alkaloide zu ihren Spaltungsprodueten ein Urtheil sieh bilden zu k~nnen. Einen Beitrag dazn bilden die folgenden Mittheilungen tiber die Erffebnisse einer Arbeit, welehe
Solanin, Solanidia.
3li
auf racine Veranlassung yon Herrn Dr. A n t o n i o B a l m a f i y a aus Trinidad auf Cuba unternommen und als Naugural-Dissertation*) verbffentlieht ist. Dieselbe dtirfte ein besonderes Interesse noeh dadureh gew~ihren~ dass der eine Pflanzenstoff, um den es sieh handelt, obsehon oder vielleieht weil vielfaeh untersueht~ noeh keineswegs als pharmakodynamiseh vollsti~ndig erkannt angesehen werden kann, vielmehr unsere Kenntniss eine Reihe yon Ltieken und die bisherigen Untersuehungen eine Anzahl Widersprttehe enthalten, deren AusNllung resp. Aufkl~trung die mitzutheilenden Versuehe theilweise zum Zweek hatten, da es nahe lag, zu vermuthen, dass einzelne dieser Differenzen vielleieht dutch Beimengung des leieht entstehenden Spaltungsproduetes hervorgebraeht sind. Es handelt sieh in diesen Versnehen n~tmlieh um das Solanin, das bekannte Alkaloid der Gattung Solanum, welches in doppelter Hinsieht dem Pharmakologen Interesse gewahrt, indem es einerseits einen Bestandtheil officineller Pflanzentheile, der bei uns als Antidyseratieum benutzten Stipites Duleamarae und der in stideuropNsehen L~tndern als Nareotieum, vorzugsweise fi'eilieh ~usserlieh verwendeten Bl~ttter yon Solanum nigrum bildet nnd aueh selbst medieiniseh in Gebraueh gezogen ist~ dann weil es hinsiehtlieh der Verhaltnisse seiner Spaltung gewissermassen den Uebergang yon den Alkaloiden zu den Glykosiden maeht. Ueber das Vorkommen des Solanins in versehiedenen Species der Gattung Solarium und iiber die ehemisehen Eigensehaften des Alkaloids enthalte ieh reich hier weiterer Angaben~ indem ieh auf A. und Th. H n s e m a n n ' s Pflanzenstoffe S. 420--426 verweise. Gem~ss den Untersuehungen yon Z w e n g e r und K i n d t entsprieht das Solanin der Formel C43H~gNO~ and spaltet sieh unter der Einwirkung verdUnnter Salzs~ure oder Sehwefels~ture, sowie aueh yon Oxals~iure mit Leiehtigkeit in Zueker und ein sehwer lbsliehes, sieh krystalliniseh ausseheidendes Salz eines st~irker basisehen K~rpers, des S o 1 a n i d i n s. Diese Spaltung seheint naeh der Gleiehung CI:~tt~!~NO~G-~-3H20~C25H:~gNO+3C6HI~O~ zu erfolgen. L~sst man eine kalt bereitete LSsung yon Solanin in eoncentrirter Salzsiiure einige Zeit stehen~ so setzt dies elbe einen voluminSsen gelben Niedersehlag ab, weleher naeh Z w e n g e r and K i n d t die Salze zweier Basen enth~lt, die aus dem anfangs entstandenen Solanidin dureh weitere Einwirkung tier S~ture gebildet sind. Von diesen Basen bildet die eine, das Solaniein, CsoH76N~O, eine amorphe, hellgelbe~ fast gesehmaeklose Masse. Die andere Base wird yon Z w e n g e r und K i n d t als modi*) Versuche iiber die Wirkung des Solanin und Solanidin. 36 S. S. GSttingen, 1874o
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ficirtes Solanidin betrachtet. Zu den vorliegenden Untersuchungen konnte nut das primlire Spaltungsproduct des Solanins in Gebrauch gezogen werden, da das Solanicin bisher nicht in solcher Reinheit und in solcher Menge zu erhalten war, dass zu zuverlassigen Schlussfolgerungen eine gentigende Basis geschaffen werden konnte, um so mehr als das unreine Material~ in den Dosen des Solanidins verwendet~ ganz ohne Einwirkung auf den thierischen Organismus zu sein schien. 1.
Solanin.
Zu den Solaninversuchen diente ein aus Kartoffelkeimen dargestelltes Solanin, welches in seinen Eigenschai~en den in den ehemischen Handbiichern gemachten Angaben vollkommen entspraeh. Als Versuchsthiere wurden FrSsehe, Tritonen, Tanben und haupts~chlich Kaninchen in Gebrauch gezogen. Bei diesen wurde das Solanin stets als extempore dargestelltes essigsaures Solanin angewandt. Da die Versuche haupts~chlieh zn dem Zwccke ausgeftihrt wnrden, um zu zeigen, in welcher Beziehung die Wirkungen des Solanins und Solanidins zu einander sti~nden~ wurde als Applicationsweise vorztiglich die subcutane Injection benutzt. Wnrde Solanin in den Magen gebracht, so lag die MSgliehkeit nahe, dass sich dassetbe zuniichst in Solanidin und hierauf in die yon Z w b n g e r und K i n d t als Solanicin und modificirtes Solanidin bezeichneten Basen umwandelte~ so dass auf diesem Wege nicht ermittelt werden konnte, ob das Solanin ais solches oder durch Umsetzungsproducte wirke. Noch mehr waren derartige Veranderungen bei interner Einfiihrung yon Solanidin zu fiirchten. Es musste daher ein Oft gewi~hlt werden, wo der Contact mit S~uren ausgeschlossen war. Hier standen nun ausser tier hypodermatisehen Application haupts~ehlich die Injection in den Mastdarm und die directe Infusion in das Blut in Frage. Dass die erstgenannte Methode unzweckmassig ist, liegt auf der Hand; es fehlt bier jede MSgliehkeit der exacten Dosenbestimmung, weil die Thiere sehr hiiufig eine Quantitat des Giftes dutch die Bauchpresse wieder entleeren. Von der Einftihrung in die Circulation wurde deshalb abstrahirt, weil frtiher yon F r a a s * ) angestellte Experimente dis Action des so applicirten Solanins als eine erstaunlieh rasche und kaum zur Vergleiehung geeignete erscheinen lassen und weil die dabei beobachteten Erscheinunffen Differenzen yon den bei der gewShnlichen Solaninvergiftung auftretenden Phi~nomenen aufweisen. F r a a s sah bei einem Pfcrde nach Einspritzung you 2 Grin. *) u
Archly. 6. H. 3. S. 225. 1854.
Solanin, Solanidin.
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sofbrtiges Hinstiirzen unter heftigen Athembeschwerden, enorm vermehrten Herzschlag, Flankenschlagen und convulsivische Bewegnng, wit solche sonst bei Solanismus nicht zur Beobachtung gelangen. Es ist uns nicht unwahrscheinlich, dass die Mehrzahl dieser Symptome, welche nach Einspritznng einer angesguerten L~sung yon Solanin hervortraten, einem S5uretiberschuss ihre Entstehung verdanken, welcher seine Action auf die I-Ierzwandungen und vielleicht auch anf die Lungengefiisse geltend maehte. Nun wtirde sieh allerdings der betreffende Uebelstand dutch Verringerung tier Dosis einigermaassen beseitigen lassen, dagegen bleibt auf alle F~ille die Einwirkung auf die Herzwandungen eine gr~ssere, als bei allm:~ihlicher Resorption des Giftes, wie solche bei subeutaner Injection vor sich geht. Wir bemerken bei dieser Gelegenheit, dass derselbe Grand, welcher yon dem Magen als Applicationsort absehen liess~ auch die Wahl des zu den Versnchen verwendeten Solaninsalzes bestimmte. Es musste zu der ex tempore znberciteten Solaninl~sung eine Share zur Anwendung kommen, dutch welche Spaltung des Solanins nicht resultlrt, und deshalb wurde die Essigs~iure gewghlt, and um jedwede Zersetzung zu vermeiden, die damit angefertigten L~sungen, wclche stets neutral oder nur ganz schwach saner reagirten~ fiir den jedesmaligen Versuch frisch bereitet. Von den zu den Experimenten benutzten Versuchsthieren zeigte keines eine Immunit~t gegen das Gift. Ziehen wit die Ergebnisse der Experimente fr~iherer Autoren, deren wesentlicher Inhalt in A. and Th. t t u s e m a n n ' s Pflanzenstoffe S. 49_6--429 mitgethcilt ist, gleiehzeitig in Betracht, so ist his jetzt die Giftigkeit des Solanins ftir Pferde, tIunde, Katzen, Kaninchen, Tauben, Wassersalamander und Fr~sche - - far die beiden Kaltbltiter zum ersten Male dutch vorliegende Arbeit - - festgestellt, w~ihrend F r a a s bei seinen bereits oben erw~ihnten Studicn, welche die Abhgngigkeit gewisser Schweinekrankheiten yore Solanin klarstellen sollten, eine auffallende Immunit,it der Sehweine ermittelte. Interessant ist jedenfalls das Paetum, dass Tauben tier Einwirkung relativ kleinerer Gaben Solanin unterliegen, wenn man die kolossalen Quantit~tten yon Opium und Morphia, welche gemgss den Versuchen yon M i t c h e l l and B. W. R i c h a r d son diese Thiere ertragen, and die yon W o o d ermittelte Toleranz derselben gegen Atropin in Betracht zieht. Die Empf~inglichkeit der Tauben gegen Solanin finder ihre Erkl~trung vor Allem in dem Umstande, dass, wie wir unten sehen werden, alas Solanin nicht als reines Hirngift zu betrachten ist, sondern in besonderer Art die respiratorischen Funetionen beeinflusst~ anf welchem Umstande aueh
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XIV.
TH. HVSE~A~
die frtiher yon mir gefundene Empf~nglichkeit dieser Thiere gcgen Conessin, das Alkaloid der Apocynee Wrightia antidysenterica R. Br., zurtickzufiihren sein dtirfte.*) Ats letale Dosis des Solanins ergab sich bet subcutaner Injection schon 0,2 Grin. flit Kaninchen yon mehr als 1800 Grin. Sehwere, so dass wcniger als l Dg'rm. per Kilo als Dosis letalis anzusehe~ ist. 0~75 Glen. Solanin, mit tttilfe yon Essigsaure in Wasser gelSst, tSdteten ein ausgewachsenes. Kaninchen in 85 Minuten; 0,15 Grm., in derselben Weise applicirt, wirkten bet ether jungen Taube in 3 Stunden letal. FrSsche und Wassersalamander starben nach 0,03 bis 0,06 Grin. in 1--2 Stunden. Die angegebenen Resultate, welche aus ether ansehnlichcn Zahl yon Beobachtungen abgeleitet stud, erscheinen mit denen fi'tiherer Experimentatoren sehr schwer vergleichbar, insofern bet letzteren meistens andere Versuchsthiere in Anwendung kamen, oder, wo es sich um Kaninchen und Tauben handelt, moist die Application des Giftes in den Magen geschah. Auf Tauben beziehen sich vorzUglich die Versuche yon F a 1c k in Marburg, welche in tier Inauguraldisserration yon F. A. C. L e y d o r f * * ) niedergelegt stud. Mit diesen verglichen scheint die Subcutanapplication bet Tauben nicht erheblich starker zu wirken als die Einftihrung in den Kropf, wenn dabei in der yon F a l c k angegebenen Weise dutch Ligatur das Erbrechen verhindert wird, indem 0,2--0,3 Grin. Solanin, nach der angegcbenen Methode applicirt, den Tod in 3--4 Stunden herbeiftihrten. Versuche an Kaninchen liegen vor yon Otto***), F r a a s und J u l i u s C l a r u s t ) , wobei die Vcrgiftung racist per os (nur F r a a s injicirte Solanin in das Cavum peritonei) stattfand. Nach C l a r u s afficirt 0,15 Grin. yore Magen aus Kaninchen nicht, w~hrcnd 0 tto schon nach 6 Ctgrm. ein kleines Kaninchen in 6 Stunden zu 6runde gehen sah~ w~hrend 12 Ctgrm. ein grSsseres erst in S Stunden tSdteten. Wahrscheinlich waren beide Kaninchen in O t t o ' s Versuchen nicht so gross wie die oben erwahnten. Die Wirkung des Solanins zeigt sich bet Subcutaninjection an Kaninchen schon in 5 - - 1 0 Minuten. W~hrend ein Stadium prodromorum fehlt, lassen sich im Bilde der letal vcrlaui~nden Intoxication zwei deutlich unterschiedene ~und getrennte Stadien erkennen, *~ Hann6versche Zeitschr. f. Medicin 1865. H. 6. S. 557. **) Studie fiber den Einfluss des Solanins auf Thiere und Menschen. burg, 1863. ***) Amlalen der Chemic und Pharmacie. u 150. XXVI, 232. t) Journal f. Pharmakodynamik. Bd. I. H. 2. S. 249.
Mar-
Solanin, Solanidin.
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yon denen das erste als Stadium der Apathie, das zweite als Stadium der Convulsionen naeh den innerhalb dieser Pei'ioden auftretenden hauptsitehliehsten Erseheinungen bezeiehnet werden kann. Das erste Stadium fiillt den grSssten Zeitraum der Vergiftung aus, withl'end das zweite in der Regel kurz dem Tode voraufgeht. Was zunitehst die einzelnen Erseheiuungen anlangt, welehe wiihrend der ersten Vergiftungsperiode bei Kaninehen hervortreten, so zeigt sieh vor Allem, Me sehon bemerkt, eine auffallende Apathie des Thieres; dasselbe sitzt ausserordentlieh ruhig und wenn es yon dem Platze, wo die Injection ausgefiihrt wurde, entfernt wird, so krieeht es einige Sehritte welter, um dann wieder ruhig sitzen zu bleiben, hn ganzen ersten Stadium behiilt das Versuehsthier seine aufreehte Stellung bei. Complete oder incomplete Paralyse der Extremiti~ten existirt nieht, nut wurde in einzelnen Fallen ein Ausgleiten der Vorderbeine und tin Senkeu des Kopfes beobaehtet. Bei keinem Versuehsthiere zeigte sieh ausgesproehener tiefer Sehlaf, stets nut ein triigeres Verhalten tiberhaupt. Alle Thiere konnten im Verlaufe des ganzen ersten Stadiums willktirliehe Bewegungen ausfiihren, doeh kam es dazu selten ohne ~iussere Veranlassung. Wie die Motilit~it war die Sensibilitiit im ersten Stadium erhalten, jedoeh nieht unerheblieh herabgesetzt. Es kamen Zeiten vor~ wo die Kaninehen auf stiirkere sehmerzhafte Eingriffe, z. B. Brennen an versehiedenen Kiirpertheilen, nieht reagirten, doeh gingen diese Zeiten raseh vortiber und naeh Verlauf yon einigen Minuten war dig Reaction wieder normal. Die Verminderung tier Sehmerzempfindung war immer stitrker ausgepr~igt als die der taetilen Empfindung. Druek der Pfoten rief wiihrend der ganzen ersten Vergiftungsperiode Unrulle hervor; ebenso wurde die Einwirkung des indneirten Stromes in allen Theilen des Kiirpers empfunden. Eigentliehe ausgepr~tgte Convulsionen kommen im ersten Stadium der Ntoxieation nieht vor, doeh wird sehr friihweitig ein leises Zittern der Museulatur wahrgenommen~ alas sieh besonders auffallend an den Ohren und beim Auflegen der Hand auf den Thorax oder die Extremitiiten geltend maeht. Nur die Kiefermuskeln sind in tier ersten Periode der Sitz yon klonisehen Kriimpfe. Aueh w~rden mehrfaeh eigenthiimliehe Bewegungen des Kopfes beobaehtet, meist in der Riehtung yon oben naeh unten, aber aueh bisweilen naeh beiden Seiten bin vor sieh gehend. Die vorstehende Sehilderung erstreekt sieh auf alle im ersten Stadium seitens des Nervensystems hervortretenden Symptome, doeh kommen zu denselben noel mannigfaehe andere Erseheinung'en. Constant ist ein Sinken der Temperatur, das im Laufe der Vergiftung
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XIV. Tm H ~ ' s E ~
fortschreitend z u n i m m t . Die beobachteten DiffGrenzen sind so bedeutend, dass sic auf N e b e n u m s t a n d e nicht zurfickgefiihrt werden k~innen. In den meisten Fallen bGtrug die A b n a h m e 1 - - 2 0 in einzelnen sogar fiber 3 o. Die Respiration zGigte anfangs eine starke Beschleunigung, naeh 1 0 - - 2 0 Minuten trat da~egen stets an die Stelle der beschleuni~ten AthemfrequGnz eine Herabsetzung dGr Respirationszahl~ welche bis zum T o d e des Thieres anhielt nnd in einzelnen Fallen sehr erheblich war. Die F r e q u e n z des Pulses verhielt sich derjGnigGn der Respiration night vSllig analog. Anfangs trat z w a r Gine geringe PulsbeschlGunigung ein~ dann auch mitunter Verlangsamung, welche j e d o c h bei sehr grossen Dosen Solanin ziemlieh frtih und bei kleineren gegen E n d e des ersten Vergiftungsstadiums w i e d e r u m einGr Acceleration Platz maehte. Mit der secundaren BesGhleunigung verband sich eine ausgesprochene A b n a h m e der Energie des Herzschlages~ welche gegen E n d e des ersten Stadiums und besonders im zweiten Stadium so bedeutGnd w a r , dass sic eine genaue Zahlung der Zahl der Herzschli~ge nicht mehr ausfiihrbar machte. Zur Illustration der VerhNtnisse der Temperatur, A t h m u n g und Circulation mSgcn die folgendGn Versnchsprotokolle dienen: Versueh. 1. Albinokaninchen yon 1364 Grm. Schwere. Dasselbe erhielt um 2 h. 45 m. subcutan 0~2 Grin. Solanin als Acetat. V()r Anstellung des Versuehes ergab die Zahlung der Respiration und tterzsehl~ge und die Messung der Temperatur im Rectum: T. 38~8 R. 140 P. 110 2 h 43 m ,, -, 160 , 105 2 h 50 m , -, 120 , 96 3 h - - m , 38,4 , 140 ,, 100 3 h 15 m ,, -, 136 ,, -3 h 20 m , -,, 200 ,, 88 Starke Analgesic; Entleerung traben~ sedimentirenden Urins. 3 h 50 m ,, 36,2 , 120 ,, 140 4 h 20 m , 35~8 , 68 , 140 4 h 40 m ,, -,, 60 ,, 140 5 h - - m . 36~2 . 48 . 120 5 h 30 m ,, 36~7 ,, 64 ,, 120 Beobaehtung unterbrochen. Tod um 9h30m. Vel~sueh 2. Kaninchen von 1395 Grin. Schwere. Subcutane Injection yon 0~4 Grin. Solanin in 3~5 Grin. Wasser mit Htilfe yon Essigs~iure gcl6st. Temperatur vor der Vergiftung 3S~6o~ Auftreten der ersten Vergiftungserscheinungen (Zittern der 0hren) um 2 h. 30 m.~ wo das Thier
~oi~nin, Solanldin
2 3 4 4 4 5
h h h h h h
50 45 -10 30 --
m m m m m m
T. , , ,, , , ,
-R. 92 38~02 ,, 80 38,05 , -38705 ,, 120 -,, 80 38~9 ,, 80 37,09 ,, 80
P. , ,, , , , ,,
8 i'7
162 hat. 120 -180 -180 180.
Yersuch 3. Ein Kaninchen von 1579 Grin. Gewicht erhielt um 2 h. Nachmittags 0775 Grin. Solanin in der angegebenen Weise gelSst subcutan. T. 37,7 R. 56 P. 136 2 h 50 m , - , 64 ,, 144 3 h - - m , 37,5 ,, - ,, - 4 h - - m , 35~3 , 60 , 140 4 h 30 m , - , 46 , 176 5 h -- m 3473 ,, 52 Herzschlag nicht zu z~thlen. 5h 3 m To.d. Friihzeitig k o m m t in dem ersten Vergiftungsstadium RSthung der Ohren vor, welehe im Laufe der Intoxication nicht constant bleibt, sondern ab und zu dem normalen Verhalten und selbst einer scheinbaren Bl~isse Platz m a c h t , um dann naeh einiger Zeit sich wiederum b e m e r k b a r zu maehen. Bei Z u n a h m e der Intoxicationsph~inomene bildet sieh ausgesprochene Lividitiit an den sichtbaren Sehleimh~iuten aus. Die Pupille wurde im ersten Stadium der Vergiftung bei keinem Kaninchen in irgend weleher Weise veriindert gefunden. Ebensowenig" fanden Alterationen seitens der Secretionen statt. Die Thiere entleerten bisweilen wiihrend des Versuches Urin und feste Excremente, aber in keiner irgend wie auffiilligen Weise; Speichelfluss und Thrlinen der A u g e n k a m e u in keinem Falle vor. Die D a u e r des ersten Stadiums ist eine verhiiltnissmiissig lange gegeniiber dem zweiten S t a d i u m , welches regelm~ssig dureh Hinsttirzen des Versuehsthieres a u f die Seite eingeleitet wird. In dem oben erwithnten Versuehe 3 sttirzte das Thier plStzlich yon dam Tische h e r a b , auf w e l c h e m es zum Z w e e k e tier Beobaehtung sich befand. N a e h dem Hinstiirzen erfolgen dann heftige Convulsionen tonischer und klonischer Art, abweehselnd Ausstreeken des ganzen Kt~rpers und der Extremit~iten und Zuekungen einzelner Muskeln. Gleiehzeitig mit den Convulsionen zeigte sieh constant eine hochgradige Erweiterung der Pupille. Der Herzsehlag war in d[eser Periode unfiihlbar, doeh eessirte die Respiration fi-tiher als derselbe und bei sofortiger Ertiffnung des T h o r a x zeigte das Herz noeh spontane Contractionen an den VorhSfen. In der Regel erfolgte der T e d
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XIV. TH. HcsEMa~
naeh dem Eintritt des zweiten Stadiums in 5--10 Minuten, im Versueh 3, wo eine sehr hohe Dosis injieirt war, sogar schon in 115 Minuten. Was die bei den Kaninchen erhaltenen Sectionsresultate betrifft, so zeigte sich an den Stellen, wo das Gift injicirt war, keine erhebliche Hyperiimie oder gar Entztindung. In den Fallen, wo die Section mehrere Stunden nach dem Tode vorgenommen wurde~ war die Todtenstarre stets ausgepr~gt; bei noch spiiter vorgenommenen Sectionen entsprach die Fgulniss den jeweiligen Witterungsverhi~ltnissen, so dass weder eine verlangsamende noch eine beschleunigende Wirkung des Solanins auf den F~ulnissprocess beobachtet wurde. Bei allen Versuchsthieren war das Blur tiberall dunkelfitissig oder bei sehr sp~t vorgenommener Section in sehr g'eringem Maasse geronnen. Leber~ Nieren und die tibrigen Unterleibsorgane waren bei sonst normalem Verhalten stets hyper~imisch. Bei einzelnen Versuchsthieren land sich ausgesprochene gypergmie in der SchgdelhShle; dieselbe betraf indess weniger das Gehirn als die Hirnhgute und zwar in ihrem ganzen Umfang'e, ohne dass einzclne Partien dcrselben im besonderen Grade gerSthct waren. Das Herz war in allen F~llen yon Blut ausgedehnt. In den Lungen fanden sich keine constanten Ver~nderung'en, dieselben waren meist collabirt; in einem Falle, wo die Abdominalorgane weniger blutreich waren, mlissig hyperRmisch. Die Urinblase war stets contrahirt, niemals yon Harn ausgedehnt. Bei soibrt nach dem Tode vorgenommener Section fand sich die peristaltische Bewegung erhalten, jedoch offenbar etwas vermindert. Auch die elektrische Reizbarkeit der Muskeln und Nerven erwies sich kurz nach dem Tode als intact. Ebenso war das Herz elektrisch reizbar und wurde sogar dutch die Einwirkung des Inductionsstromes anfangs spontane Contraction des Ventrikels dadm'ch zu Stande gebracht, wodurch jedoch eine vollstiindige Entleerung des Inhaltes nicht herbeigefiihrt wurde. Eine postmortale Steigerung der Temperatm" land sich bei allen in dieser Beziehung untersuchten Kaninehen, welche an Solaninvergif~ung zu Grunde gingen. An Tauben sind nur wenige Versuche angestcllt worden~ da gerade tiber diese Thierspecies yon F a l c k and L e y d o r f am griindliehsten gearbeitet worden ist. In einem Versuche erhielt eine junge Taube 0,15 Grin. Solanin nnter die Haut des Rtickens injicirt und ging danach in 3 Stunden zu Grunde. In dem zweiten Versuche erkrankte eine alte Taube schon nach 5 Minnten erheblich nnd blieb mehrere Tage krank~ so dass sic nicht frass~ doch erfolgte schliess-
Solanin, Solanidin.
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lieh wieder vollstUndige Wiederherstellung. In beiden Versuehen entspraehen die Symptome einander ziemlieh vollst~ndig; ein Unterschied fand nut darin statt~ dass das zweite Versuehsthier in den beiden auf die Vergiftung folgenden Tagen mehrmals erbraeh, wUhrend bei der ersten Taube yon Erbrechen tiberall nieht die Rede war. Die auffallendsten Erseheinungen bei beiden Versuehsthieren waren SehwUche der Beine und ausserordentlieh keuchende Respiration. Von wirkliehem Sehlafe wurde in keinem Falle irgend etwas beobaehtet. Allerdings kam ein eigenthtimliehes Blinzeln mit den Au~en vor. Dagegen niemals vollkommenes Sinken der Niekhat~t~ aueh nieht bei der aeut zu Grunde gegangenen Taube. In beiden F~llen waren die unteren Extremit~ten weit eher gelUhmt als dig oberen. Die Tauben flogen anfangs, wenn sie in die Luft geworfen wurden~ scheinbar ohne Stbrung, wUhrend sie sieh nur mit Mt~he auf den Beinen zu halten vermoehten. Zittern der Fltigel, jedoeh yon geringer Intensit~tt, und fibrillUres Zueken in anderen Muskeln kam ttbrigens sehon verhUltnissm~issig frtihzeitig vor. Der Kopf wurde anfangs stets in normaler Stellung gehMten und sank erst spUr naeh nnten. Beide vergiftete Tauben liessen sieh naeh 1/2 Std. auf die Brust nieder und verharrten in dieser Position Uber eine Stunde. In dem mit Genesung endigenden Vergiftungsfalle kam es zu keinen weiteren Erseheinungen, vielmehr war das Thief naeh Ablauf yon 75 Minuten wiederum zu gehen im Stande. Im ersten Versuehe stUrzte das Thief naeh 2~/2 Stunden auf die Seite und nun stellten sieh aueh wirkliehe Convulsionen ein~ so dass die Berechtignng vorliegt, wie Nr Kaninehen das Biid der Intoxication in zwei Stadien einzutheilen, ein Stadium der Apathie und ein Stadium der Convulsionen. In dem Stadium der Convulsionen kam es aueh zu Pupillenerweiterung~ wUhrend bei dem Versuehsthiere~ welehes die Vergiftung tiberstand, und bei der zu Grunde gegangenen Taube wUhrend des Stadiums der Apathie eine VerUnderung der Pupillenweite nieht beobachtet wurde. Das oben als sehr eharakteristiseh fur Intoxication bei Tauben hervorgehobene keuehende Athmen maeht sieh in der Weise geltend, dass die Tauben den Sehnabel welt aufrissen und oft mehrere Seeunden mit geSffnetem Munde sitzen blieben. Diese enorme Athemnoth steigerte sich unter Abnahme der Zahl der Respirationen bis zum Eintritt des Stadium eonvulsivum, in welehem nur sehr vereinzelte AthemstSsse bemerkbar waren. Bei beiden Tauben fand sieh eine bedeutende Abnahme der EigeuwUrme, die sehon beim blossen Auflegen der Hand sich manifestirte, aber aueh mit dem Thermometer eonstatirt wurde und mehr als 3 o betrug. Archiv
ffir experiment. Pathologle u. :Pharmakologie.
IV. Bd.
9[
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XIV.
TH. HL'SEMA.Xg
Die Herzaction war bei den Tauben wit beim Kanincl~en prim~tr vet ]angsamt. Bei der Section, welehe sofort nach dem Tode vorg'enommen wurde, land sieh das Herz noeh spontan pulsirend; die Muskeln und Nerven waren elektrisch reizbar~ das Blur dunkel und fltissig'. Im Uebrigen wurden weder bei Lebzeit, en noGh post mortem besondere Erseheinungen beobaGhtet, welehe hervorgehoben zu werden verdienten. Die an FrSsehen vorgenommenen sehr zahlreichen V.ersuehe wurden meistens in der Weise angestellt, d~ss LSsungen yon essigsaurem Solanin unter die Haut des R|lekens injieirt warden. Da bei diesem Verfahren die Vergiftungserseheinungen meist in intenslyer Weise mit einem Sehlage eintreten~ so dass es unmSglieh war, die Reihenfolge derselben genau zu verfolg'en, so wurde bei mehreren Fr~sehen Solanin in Substanz unter die tIaut des RUekens eingeNhrt und gelang es in dieser Weise die Folge der Ph~nomene viel genauer festzustellen~ als dies bei subcutan injieirter Lbsung mSglieh war. Bei Anwendung erheblieher Solaninmengen in Form subcutaner Injection kam es sehr rasch (in 5--10 Ninuten) zu completer Unbewegliehkeit des Versuehsthieres. Wurde dagegen Solanin in Substanz eingeNhrt~ so zeigte sieh, dass eine Sehwiichnng der Bewegung der Hinterbeine bereits stattfindet, ehe dig Willktirlichkeit der Bewegungen verloren gegangen ist. DiG FrSsehe ftihren dann willktirlieh Spr~inge aus~ kbnnen aber~ wenn sie solehe vollendet haben~ ihre Ilinterextremit~iten nieht mit derselben Energie wie in der Norm anziehen. Allmrthlieh h~ren die selbstst~tndigen SprUnge auf, abet aueh nun werden noeh willktirliche spontane Bewegungen ansgeNhrt~ wobei jedoch die Thiere den KSrper mit den Vorderbeinen fortschieben und die schlaff ausgestreekten Hinterextremit~ten mit sigh fortsehleppen. Im Uebrigen verhalten sieh die Intoxicationsphi~nomene bei Frbsehen naeh Solanin in Substanz genau so wit bei subcutaner Injection yon Solaninl~sung. Ist das Thier vollsti~nd~g bewegungslos geworden, so gelingt es noeh l~tngere Zeit Reflexbewegungen hervorzurufen und zwar sowohl dureh meehanische Reize als dureh chemisehe (Essigs~iure). Die Reflexbewegungen werden anfangs raseh, naeh und naeh abet immer langsamer ausgel5st. Ein Unterschied in Bezug auf die Sehnelligkeit des Eintritts der Reflexe naeh Reizung der hinteren oder vorderen Extremitaten oder des KopfGs ergab s'ieh in den Versuehen nleht. Die Respiration wird im Laufe der Solaninvergiftung bei Fr5sehen ebenfalls beeintraehtigt. Anfangs seheint dieselbe ziemlieh normal zu sein, aber sehon ehe es zur vollst~ndigen Unbewegliehkeit der Thiere kolnm b wird die Athmung irregular~
Solanin, Sola fidin.
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Die Zahl der Respirationen wird immer gering'er und sehliesslie!l erl~Ssehen letztere ganz. Das am l~tngsten in Th~otigkeit bleibende Organ ist das Herz, welches oft noeh 2--.3 Stunden naeh dem Aufh~ren jeder Reflexbewegung und der Respiration tbrtseM~gt. In allen Versuehen ergab sieh eine allmrthliehe Verlangsamung der Herzsehlagzahl~ und zwar wie bei gefensterten Fr~isehen wiederholt beobaehtet wnrde, seh0n sehr frtthzeitig. Der Stillstand dee Herzens erfolgte stets in Diastole. Naeh dem knfh~Sren der I~eflexe besteht die elektrisehe geizbarkeit der Nuskeln und Nerven noeh lange Zeit fort~ ja es wnrde sogar beobaehtet, dass in einem Versuehe die elektrisehe Reizbarkeit des Isehiadieus und der 3{uskeln lgnger erhalten blieb als bei einem gleiehzeitig deeapitirten Frosehe~ weleher zur Vergleiehnng anf die elektrisehe Reizbarkeit gepriift wurde. Die Unterbindnng der Sehenkelarterie einer Extremit~tt vermoehte dieselbe nieht vor dem Eintritte der L~ihmung zu sehtitzen. Auel~ wurde die Zeitdauer des Ein~rittes der Paralyse in derselben dnreh die Anlegnng der Ligatur in keiner Weise hinausgesehoben. Die zu den Versnehen benutzten FrSsehe geh~Jrten siimmtlieh der Species P~ana temporaria an. Die bei Wassersalamandern (Triton eristatns nnd punetatus) gemaehten Versuehe ergaben im Allgemeinen ein ~hnIiehes Krankheitsbild wie bei den Fr~sehen. Die ersten Erseheinungen waren Sti~rung der Bewegnng nnd Apatbie, zu welehen im Verlaufe yon 15--30 .~{inuten sieh immer mehr steigernde Abnahme der Ileflexerregbarkeit gesellte, kueh bei den Tritonen tiberdauerte der llerzsehlag die tibrigen vitalen Funetionen. Weder bei den Salamandem l~oeh bei den Fr~sehen w a r irg'end eine Spur yon Convulsionen im ganzen Verlaufe der intoxication zn beobaehten.
Versnchen w i r e s ; anf Grmtdlage der mitgetheilten Versuchsresultate Klarheit tiber die Wirkung des Solanins im Thierk~Srper zn gewinnen nnd die bisherigen knsehauungen tiber die Stellung' des Solanins unter den Gittel~ zu prttthn: so miissen wit zm~tchst der Ansieht entgegentreten, wonaeh das S01anin als eh~_ reines Nayeotieum anzusehen ist. W~tre Solanin ein solehes, so mttsste dasselbe in denjenigen Dosen, in del~_en es bei den frag'liehen Versuehen gereieht wurde, entsehiedene Itypnose resp. wirk!iehen Sopor beding~ laaben. Von beiden ist abet weder bei Kaninehen noeh bei Tauben noeh bei KMtbltttern ein exqnisites Bild hervorgetreten nnd es kann 2t*
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XIV.
TH. HTJSE~A~U~
keinem Zweifel unterliegen, dass die Parallele~ welehe L e y d o r f zwischen dem Solanin und dem Morphin zieht~ in keiner Weise zutrifft. MSglieherweise mug das Verhalteu der KaninGhen und Tauben auf eine gewisse Tendenz znm Schlafe hinweisen; ein eigentliehes Hypnoticum ist das Solanin aber ganz bestimmt night. Es mag mir gestattet sein~ zur Sttitze dieser Behauptung auch auf das Verhalten des menschlichen 0rganismus gcgentiber Zdem Solanin hinzuweisen. In der medieinisehen Literatur liegt eine kleine Anzahl yon Selbstversuchen und therapeutischen Experimenten mit dem in Rede stehenden Alkaloide vor. SGhon D e s fo s s e s *), der EntdeGker des Solanins~ gibt an, dass nach 2 Grin. wohl Ekel, aber keine Schlafneigung eintrete. C l a r u s (a. a. 0.) versptirte naeh einer 3 Dgm. Solanin entsprechenden Menge yon essigsaurem Solanin zwar Sehwere im Kopfe und grosse Mattigkeit neben anderen vom Gehirn unabhiingigen Phitnomenen~ aber Schlaf trat nicht ein und in der auf den Versuch folgenden Nacht war der Schlaf ein 5fters unterbrochener. S c h r o f f * * ) , welcher das Solanin in verschiedenen Dosen, yon 0~002--0~2 Grin., yon verschicdenen seiner SchUler priifen ]iess~ beobachtete bei kleincn Gaben allcrdings Sch!i~frigkeit und bei grossen Dosen bedeutende Neigung zum SGhlaf, welehe letztere jedoch mit vollst~tndigem UnvermSgen zu schlafen verbunden war; in der folgenden Nacht war der Schlaf sehr unruhig" und dutch schreckhafte Tr~tume unterbrochen. Dass das Solanin kein sicheres Hypnoticum ist, beweisen tibrigens auch die damit bei Kranken und Gesunden yon F r o n m U l l e r * * * ) und im allgemeinen Wiener Krankenhausej-) angestellten Versuche. In der oben citirten Dissertation yon L e y d o r f hcisst es: ,Es kann somit das Solanin~ wie dieses bereits yon anderer Seite ausgesprochen wurde, als Narcoticum acre bezeichnet werden. Das Solanin halt mit seiner Wirkung die Mitte zwischen dem brechencrregenden und stark reizenden Emetin und dem beti~ubenden Morphin, es vereinigt die Wirkung des Morphin und Emetin gewissermaassen mit einander." Wie die Analogie des Solanins und Morphins muss auch die Aehnlichkeit mit dem Emetin nach Maassgabe der oben besprochenen Versuche in Abrede gestellt werden. Die irritircnde Wirkung des Emetins und Solanins lassen sich gar night mit einunder vergleichen. Sabcutan injicirt bewirkt Emetiu h(ichst intensive *) Journ. de t)harm. VI. 374. VII. 414, ~'*) Lehrbuch der Pharmakologie. 1. Aufi. S. 552. ***) Deutsche Klinik, 1865. No. 40. 1-) G u i b e r t H a g e n , Die neueren Arzneistoffe. 1. Aufi. S. 522.
Soianin, Solanidin.
323
Entzt~ndung*), wovon beim Solanin~ wenigstens beim Kaninehcn~ niehts hervortl:itt, und aueh in den Tanbenversuehen fehlte Ortliehe Irritation. Die Ansieht L e y d o r f ' s ~ dass Solanin ein Acre sei~ beruht im Wesentlichen auf einem einzigen Kaninehenversuehe, wo naeh 0~5 M e r e k ' s e h e n Solanins innerlieh verabreicht R~thung~ Anstritt yon Blur und Schwellung in tier leieht abstreifbaren ~Iueosa ventrieuli eonstatirt wurde. Ob diese Irritationsph~nomene Folge des Solanins waren~ ist nattirlieh aus einem einzigen Kaninehenversuehe night zu abstrahiren, and da weder die zahlreiehen yon C l a r u s an Kaninehen angestellten Versuehe noeh diejenigen yon L e o n i d e s v a n P r a a g an tIuntten, Kaninehen nnd Tauben, yon welehen beiden Experimentatoren das Gift aueh innerlieh applieirt wurde~ Entztindungserscheinungen im Magen and Darmkanale ergaben, k~nnen wit L e y d o r f's Befund wohl als einen zuf~lligen betrachten. Solehe Ver~nderungen der Mueosa ventrieuli, wit sic L e y d o r f eonstatirt% kbnnen entsehieden nieht wohl tibersehen worden sein. DiG angebliehe seharfe Wirkung des Solanins ist ttbrigens offenbar vorzugsweise aus den Funefionsveriinderungen abgeleitet~ welehe an einzelnen Partien des Traetus bei Thierversuehen oder bei VeNittnng mit versehiedenen Species der Gattung Solanum vorkommen. Am wenigsten h~nfig seheinen die NnndhShle nnd die in deren N~the belegenen DrUsen affieirt zn werden; nur S e h r o f f notirt unter den Symptomen des Solanismns Salivation, anf deren Fehlen in unseren Kaninehenversuehen wit ausdrttcklieh anfmerksam maehen~ wie dies frtiher sehon L. v a n P r a a g bei seinen Experimenten gethan hat. Ebensowenig erleidet die untere Partie des Darmkanals irgendwie eonstante Veriinderungen ihrer Function. S e h r o f f erw~ihnt zwar Kollern im Leibe als Folge grosser Dosen Solanin and F r o n m t i l l e r sah naeh therapeutisehen Gaben einmal Abweichen erfolgen, wit man aueh im Wiener allgemeinen Krankenhause Vermehrung der Defiieationen dadureh beobaehtet haben will. Bei Thieren seheint Diarrh~e naeh Solanin tiberall nieht vorzukommen~ die bei den bisherigen Beobaehtungen am Mensehen vielleieht in individnellen Verhiiltnissen begrtindet ist. Das Verhalten der Peristaltik nnmittelbar naeh der Section mit Solanin vergifteter Kaninehen deutet eher auf eine I-Ierabsetzung als aaf eine Besehleunignng der Darmbewegnng~ doeh kann dasselbe bei Lebzeit4n des Thieres ein anderes gewesen sein~ woftir der Umstand zu spreehen scheint~ dass bei den thera*) A. und Th. t t u s e m a n n ~ Pflanzenstoffe. S. 372. mittellehre. S. 610. **) Journ. f. Pharmakodynamik. Bd. i. H. 2. S. 275.
I - I u s e m a n n , Arznei-
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XIV. Tm HuS~MA~> "
peutisehen Versuchen am Mensehen niemals Obstipation beobaehtet wurde. Es bleibt somit hauptsgehlieh das Erbreehen tibrig, das man als ein Symptom iSrtlieher Irritation betrachtet hat und dessen constantes Vorkommen bei Tauben~ denen Solanin in den vorher nicht nnterbundenen Kropf gespritzt wurd% L e y d o r f zu dem Vergleiehe des Solanins mit dem Emetin fiihrte. In der That kommt Erbrechen naeh So]anin haufig vor, das liisst sieh nieht bestreiten. Bki frtiher yon mir mit reifen Ul~d unreifen Samen yon Solanum Duleamara an Hunden angestellten Vkrsukhen*) trat ausser Erbreehen - - und viellkieht gerade in Folge dieses E r b r e k h e n s - kein andkres Intoxikationssymptom kin. Bei Vergiftungen an Menskhkn mit solaninhaltigen Pflanzentheilen ist Erbrekhen h~tufig, obsehon nieht constant. C l a r u s bekam be[ seinem Selbstversukhe 9 Stunden naeh dkm Einnehmkn plStzliehes Erbreehen ohne Sehmerz und sonstige IntestinMerseheinungen. Dass t~brigens aueh Solanin innerlieh eingeftihrt selbst unter Benutzung sehr starker Desert nieht immer Erbreehen hkrvorruft, bewkisen die Erfahrungen yon D e s f o s s e s , S e h r o f f a n d F r o n m U l l e r . Der Ersterk bekam naeh 2 Ctgrm. zwar Ekel und ReizgeNhl hn I{alse~ aber kein kigentliehes Erbrkkhkn. Bei S e h r o f f ' s Vkrsuehspersonen kam kS naeh 1 - - 2 Dgrm. Solanin zu fortw~threndem Aufstossen~ Uebelkeit nnd sehr hettigem Breehreiz, aber night za wirkliehem Vomitus. Bki einem gesunden Mensehen~ weleher auf F r o n m t~11e r' s Veranlassung kinmal ~/~ nnd ein anderes Mal ein ganzes Gramm Solanin einnahm~ stellte sieh bei dem ersten Versuehe naeh einigen Stunden Erbreehen kin, bei dem zweiten Nausea, dagegen kam keine Emese zu Stande. Die in den unsern Deduetionen zu Grunde liegknden Versuehen gkmakhtkn Erfahrangen sind ftir die Entsehkidung tier Frage~ ob Solanin sieh den Emetiea nahe anreihk, insofern yon nntergeordneter Bedeutung, als die Nehrzahl unserer Versuehe, well an Kaninehen angestellt, Nr diese Frage unverwerthbar erseheinen. Indessen lehrkn unsere Taubenversuehe zwkierlei mit Bestlmmtheit, n~mlieh ~) dass aueh bki dieser Thierspeeies das Erbreehen nieht constant ist und :~) dass dasselbk aneh bei subeutaner Application auftritt. Der letztere Umstand seheint mir besonders bertieksiehtigenswerth, well kr die oben krwlihnte Parallkle zwisehen Emktin and Solanin vollstiindig beseitigt. Allerdings sind wir ja aueh im Stande dutch subentane Application yon Emetin oder Breehweinstein Erbreehkn *) Handbuch der T0xikologie. S. 493.
SoIa~fiu, Solanidiil.
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hervorzurufen, aber diese Emetiea entererethistiea bedingen naeh Maassgabe der neueren physiologisehen Versuehe die Emese lmr verm0ge ihrer Ausseheidung dureh die Sehleimhaut des Magens und dutch die auf derselben gesetzte Irritation auf dem Wege des Reflexes. Auf diese Weise aber kann Solanin unmSfflieh wirken, da sieh bet Subeutaninjeetion desselben aueh nicht die Spur yon Irritation im Msgen zeigt. Es bleibt somit als Ursaehe der emetisehen Action des Solanins niehts Anderes als eine direete erregende Wirkung auf das sogenannte Breeheentrum im verliingerten Mark tibrig. Untersttttzend ftir diese Ansehauung ist das spate Auitreten der Emese, welehe sieh z. B. in dem oben angezogenen Taubenversuehe erst am zweiten Tage der Intoxication~ bet C l a r u s erst 9 Stunden naeh der Einftihrung einstellte. Man ktinnte hier freilich aueh vermnthenl dass eine welt geringere erethistisehe Action des Solanins als die des Emetins und Breehweinsteins die Ursaehe yon diesem sp~tten Zustandekommen des Erbreehens set. Diese Ansieht abet erseheint hinfSllig, well eben gar keine Irritationsphanomene aueh naeh interner Einftihrung yon Solanin sieh beobaehten lassen. Wit haben somit unseres Eraehtens das dureh Solanin erzeugte Erbreehen nieht dem Aere~ sondern dem Nareotieum, wenn wit darunter jede Action auf das Gehirn begreifen, zuzusehreiben, denn wenn das Solanin aueh kein Hypnotieum ist, so l~tsst sieh eine Wirkung auf die Hirnthiitigkeit demselben doeh in keiner Weise abspreehen. Dass abet Stoffe aus der Abtheilung der Neurotiea eerebralia gleiehzeitig Breehen erregen kSnnen~ ja dies mehr oder mimer alle thun, brauehen wir nieht zu betonen. Solanin tibertrifft offenbar das Morphin~ dessert emetisehe Nebenwirkung so sehr yon der Individualitat abh:,tngig ist. Es stellt sieh am niiehsten dem Chloroform und dem Aether und wenn es vielleieht in der Hauflgkeit der dutch dasselbe verursaehten Emese aueh diese tihertreffen sollte~ so ist deshalb doeh noeh immer kein Grund vorhanden~ ibm eine speeiflseh emetisehe Wirkung beizulegen. Ieh mtiehte aueh noeh ein anderes Moment gegen di.e Stellung' des Solanins zu den Emetiea anftihren. Naeh den Untersuehungen yon H a r n a e k seheint es~ als ob die eigentliehen Emetiea insgesammt eine raseh lahmende Wirkung ant das Muskelsystem besitzen. Das Solanin wtirde in dieser Beziehung eine exquisite Ausnahme bilden, denn die Reizbarkeit der Muskeln und Nerven erhiilt sich ausserordentlieh lange, l~nger selbst als bet deeapitirten Thieren. Es kann daher aueh der Grund ftir die fortsehreitende Apathie und
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XIV. T~. HUSE~ANN
Adynamie, welche die mit Solanin vergiffeten Warm- und Kaltbltiter in gleicher Weise zeigen, nieht in den Nuskeln oder peripherisehen Nerven gesucht werden, sondern wir sind gen0thigt, da einseitige Arterienligatur das Anftreten yon Paralyse in der vor tier directen Zufuhr yon Solanin gesehtitzten Extremit~tt nieht verhindert, eine herabsetzende oder l~hmende Wirkung auf die motoris e h e n C e n t r a anzunehmen, tIierin liegt offenbar eine der hauptsiiehlichsten Wirkungen des Solanins und ein Hauptunterschied vom Morphin und den Anacsthetiea, welche viel mehr als das Solanin das Grosshirn und die Sensibilifiit, dagegen erst in zweiter Linie die motorisehen Centrcn affieiren. Ob der L~thmung dcr motorisehen Centren ein Zustand der Excitation vorausgeht, ist eine Frage, welche sich auf Grundlage unserer Versuche nieht mit Sieherheit beantworten l~tsst. Das Zittern und die fibrilliiren Zuckungen bei Kaninchen kiinnten viellcicht auf eine solehe Excitation hindeuten und als rudimentiire Zuckungen angesehen werden. Ieh meinestheils kann freilieh eine solehe Ansehauung nieht theilen und mSehte sic eher auf den allmiihlichen Fortschritt der herabsetzenden Wirkung des Solanins auf die motorischen Ccntra beziehen, wenn man sic tiberhaupt aus eentralen Ursachen abzuleiten bcrechtigt ist. In neuerer Zeit ist das Bestreben hervorgetreten, insbesondere die Phiinomene dcr fibrilli~ren Muskelzuekungen auf peripherische Ver~nderungen zurtickzuftihren. Von K r o e k e r ist die Thcorie aufgcstellt, dass sic yon einer der Lithmung vorausgehenden Reizung der pcripheren Nervenendigungen abzuleiten sei; yon M a r t i n - D a m o u r e t t e wird das Phi~nomen auf Erregung tier Muskelelementc selbst bezogen. Naeh meiner Ansieht sind die fibrilliiren Muskelzuekungen ein Analogon tier I-Ierzarhythmie, welehe, wie dies "con R o s s b a e h in seinen Studien fiber Ekbolinwirkung richtig betont wird, gewiss nicht auf eine einzige Ursaehe, sondern bald auf Sti~rungen der Innervation, bald auf Alteration des tterzmuskels selbst, zurtiekzuftihren ist. In analoger Weise kommen unseres Eraehtens auch die fibrill~iren Zuckungen aus ganz verschiedenen Ursaehen vor nnd treten deshalb aueh im Verlaufe der versehiedenartigsten Vergiftungen auf, wobei es sieh ganz gleieh blcibt, ob das Gift, welches dieselben hervorruft, vorzugsweise central oder peripherisch wirkt. Ein auffallendes Faetmn ist es, dass diese leichten Zuekungen sieh bei der Solaninvergiftnng besonders an den yore Gehirn aus innervirten Partien zu erkennen geben. An den Kiefermuskeln nehmen sic eine solche Intensitiit an, dass die Bezeichnung eines klonischen Kieferkrampfes gerechffertigt erscheint. Im Zu-
Solanin, 8olanidin.
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sammeuhange damit stehen wahrseheinlieh aueh die eigenthtimliehen Bewegungen des Kopfes, welehe nieht etwa auf zunehmende Mtidigkeit und Sehl~ifrigkeit des Thieres zu beziehen sind~ da nieht allein ein Herabsinken des Kopfes~ sondern geradezu wiederholt Seitwartsbewegungen beobaehtet werden. Sehon C l a r u s hat auf ein pendelartiges Drehen des Kopfes hingewiesen und dasselbe auf eine Affection des Nervus aeeessofius Willisii bezogen, eine Ansieht~ welehe vielleieht das Rieiltige trifft, wennschon der zur Begrtindung derselben yon C l a r u s angeNhrte Umstand~ dass bei der Solaninvergiftnng eine eireumseripte Hyperiimie in der Nahe der Ursprt~nge des genannten Nerven sigh findet~ auf Grnndlage der oben mitgetheilten Seetionsbefunde bezweiMt werden muss. Dass die Sensibilitat im Verlaufe der Intoxication mit Solanin ebenfalls eine u erfahrt, aber verhaltnissmassiff weniger ausgepragt~ wurde bereits oben angeftihrt. Wit m~ehten indess diese Alteration nieht direct yore Solanin abhangig maehen, sondern als seeundare betraehten~ welehe aus der Veranderung der Respiration nnd der damit im Zusammenhange stehenden Kohlensaureanhaufung im Blute in Verbindung zu bringen ist. Im Laufe der Versuehe wurde wiederholt beobaehtet, dass, wenn das Thier etwa dureh einen Inductionssehlag aus seinem tragen Zustande anfgertittelt wurde und in Folge davon die stark verlangsamte Respiration wieder in raseheren Fluss kam~ die Sensibilitat des Thieres wieder zur Norm zurtiekkehrte. Vollstandige Anasthesie bestand nur in dem zweiten Stadium der Solaninverffiftung~ wo die Kohlensaureanh:,tufung, deren 9Portsehreiten dann immer mehr dutch die starker werdende Lividitat der siehtbaren Sehleimhaute sieh zu erkennen gab, zu einem solehen hohen Grade gelangt war, dass sic das eigentliehe Bild der Kohlensaureintoxieation hervorrief. Zu den Eigenthiimliehkeiten dieses Bildes geh~ren dann die heftigen Convulsionen einerseits und die Pupillenerweiterunff andererseits. Erstere sind offenbar niehts Anderes wie Erstiekungskriimpfe und letztere entsprieht der bei den meisten Vergiftungen, und selbst bei solehen Giften, welehe Myosis erzeugen~ gegen Ende des Lebens auftretenden Pupillenerweiterung. Solanin an sieh ist kein Mydriatieum. Bei brtlieher Application auf die Augenliderhaut tritt~ wie sehon C l a r u s zeigte, ein gewisser Grad yon Irritation ein und als Folge derselben kann leiehte Verengernng der Pupille resultiren. Wenn yon einzelnen Autoren Pupillenerweiterung als Solaninwirkung bezeiehnet wird, so hat das vielleieht seinen Grund darin~ dass dieselben die beiden Stadien~ yon denen nur das erste als dem Solanin direct angehbrig bezeiehnet werden
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XIV.
Tm
Hus~.sla~N
kann, nieht yon einander getrennt haben. Es kann aber freilieh aueh, wie wit weiter unten sehen werden, die Wirkung des Solanidins dabei im Spiele gewesen sein, wenn solehes z. B. bei Solaninversnehen in gr~sserer Menge das prim~re Alkaloid verunreinigte. C l a r u s redet yon Pul)illenverengerung , die er sowohl bei Kaninehen als bei sieh selbst naeh innerer Einftthrung yon Solanin beobaehtet haben will. In unseren Kaninehenversuehen wurde trotz genauer Aufmerksamkeit anf diesen Punkt Myose nieht beobaehtet und ebenso haben die Yon F r o n m i i l l e r u. A. angestellten Pr~fungen des Mittels am Mensehen eine Best~ttigung der Angabe yon C l a r u s wight geliefert. Uebrigens bezeichnet C l a r u s selbst das Phi~nomen als ein wenig bedeatendes. Mit der allmiihliehen Anh~tafung der Kohlens~ure im Blute resp. der verringerten 0xydation, h~ngt z. Th. gewiss aueh die Abnahme der Temperatur znsammen, welehe constant in nieht unerheblieher Weise stattfand. Das apathisehe Verhalten des Thieres ist dabei nattirlieh in Ansehlag zu bringen. Die postmortale Temperaturstdgerung beweist, dass eine speeifisehe oxydationshemmende Wirkung des Solanins anf die Gewebe des Thierbrpers nieht statthat. Naeh den oben gegebenen Auseinandersetzungen sterben die mit Solanin vergifteten Warmbltiter an Asphyxie. Dem entsprieht der dunkle flassige Zustand des Blutes post mortem and die nnregelm~ssige Vertheilung der Blntmenge in den einzelnen KbrperhShlen~ - - die einzigen Seetionsbefunde, welehe als eharakteristiseh bezeielmet werden kSnnen. Wir mt~ssen uns negirend gegentiber der yon C1 a r u s behanpteten eireumseripten Blutanhgufung in der Nahe der Medulla oblongata verhalten, da wit diesen Befund~ trotzdem wir gerade hieranf nnsere besondere kufmerksamkeit lenkten~ niemals eonstatirten. Die MSgliehkeit derartiger Ver~inderungen in bestimmten Bezirken des Kreislanfes dureh gewisse Gifte ist nm so weniger zn bestreiten~ als wir nieht allein im Amylnitrit eine Substanz kennen, welehe eine Erweiterung der Gefitsse in bestimmten 5usseren KSrperregionen erzengt~ sondern da aueh naeh den Untersuehungen yon B Shin die dnreh die arsenige Sgure im Darmkanale hervorgebraehten entztlndliehen Ver~tnderungen auf die angegebene Weise ihre Erkl~trmlg finden. In Bezug auf die Angabe yon C l a r n s dtirf%e es sigh mn Zufgltigkeiten bei seinen Versuehen gehandelt haben; mbglieherweise freilich ist, da C l a r u s zu einer Zeit arbeitete, wo man be[ gergiftung mit narkotisGhen Stoffen anatomisehe ger~nderungen in den Nerveneentren oder deren Htillen finden zu mtissen glaubte, der fragliehe Befnnd eine Tgtusehung, zn weigher die yon g l a r u s
Sola~in, Solanidin.
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vertretene Ansieht, dass Solanin auf das verl~ngerte Mark wirk% leieht ftihren konnte~ indem ihn diese entweder geringe Abnormiti~ten in der Blutver~heilung an den Hirnh~iuten als ausgeprSgt and pathognomiseh oder eadaver~se Hypostasen als vitale Phiinomene erseheinen liess. Noch in einem anderen P~mkte kann C 1a r u s nieht beigepflieh*et werden, niimlieh in Bezug auf den Befund in den Lungen. Eigentliehes Emphysem, wie es C 1 a r u s besehreibt, wurde niemals eonstatirt, ebensowenig aueh die yon L e y d o r f beobaehtete starke Hyperiimie der Lungen. Um die Wirkun~-des Solanins auf Respiration and Herz~ deren genauere physiologisehe Untersuehung einer besonderen Arbeit vorbebalten ist, besser zu verstehen, haben wit die oben mitg'etheilten Versuehe zuniiehst noeh einmal ins Auge zu fassen. In Versueh 1, wo die Temperatur in der ersten Stunde urn 2,6 o in anderthalb Stunden um 3 o absinkt and dann wieder eine kleine Steigerung erfiihrt~ nahm d~e Zahl der Respirationen gleieh naeh tier Injection um 20 Sehliige zu, war indess sehon 5 I~Iinuten sparer um eben so viel Sehl~ge unter die Normzahl gesunken; zeigte dana geringe and 20 5linuten spliter eine sehr bedeutende Besehleun[gung', um dann wieder j!ih hinabzusinken und so lunge die Beobaehtung" fort~esetzt wv.rde, auf 40--50 pCt. der ursprtinglieh vorhandenen Respirationszahl zu fallen. Der Puls zeigt umgekehrt in der ersten Stunde eine Abnahme der Frequenz, wobei die niedrigste Zahl mit der g'r~ssten Besehleunigung der Respiration zusammenf~illt; yon da ab beginnt die Steigung und zwar fiber die normale Zahl, wobei tibrigens gewisse Sehwankungen nieht fehlen, wie solehe ja aueh bei night vergifteten Kaninehen g.ar nieht selten vorkommen. Zm" Erkl~irung tier -sehr bedeutenden Besehleunigung der Respiration im VerIaufe der Intoxication muss bemerkt werden~ dass vor der ZNflung andere Manipulationen gerade vorausgegangen waren, so um 3 h. Vornahme der Temperaturmessung, um 3 h. 20 m. Priifung der Sensibilitat mi~ Brennen and Kneifen der Pfoten. Der Versueh weight yon dem Verlaufe der reguliiren Solanin~ntoxieation etwas ab, insofern d~e meist beobaehtete anf~ngliehe Pulsbesehlennigung sieh night geltend maehte. Etwas Aehnliehes gesehieht in dem zweiten mitgetheilten Versuehe, wo die TemperaturabfNle sieh in etwas engeren Sehranl(en yon etwa I o bewegen nnd wo anfangs eine Steigerung der Resplrationsfrequenz eintrat. Der Pals zeigt anfangs Sinken, eorrespondirend dem Steigen der Respiratiott und blieb naehher eine
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XlV. T~. H~:s~A~
Zeit lang gleieh, um endlieh wieder zu steigen. Das Versuchsthier bot tibrigens starke UngleichraSssigkeiten in der Athraung dar, so dass es oft raehrere Secunden lang gar nicht inspirirte, weshalb bisweilen die Untersuchung der Respirationszahl kein sieheres Ergebhiss hatte. Versuch 3 bietet ein Beispiel ftir die Wirkung der stSrksten Solaningaben. Hier sinkt die Teraperatur in den crsten 2 Stunden um 2,3 0. Die Respirationszahl steigt anfangs und f~tllt dann constant bis zum Tode; die Pulsfrequen z nirarat sogleich zu und verharrt in der steigenden Tendenz bis zum Ende des Thieres. Die Verhi~ltnisse der Circulation und Respiration bei Solaninvergiftunff bei Kaninchen sind bisher yon C l a r u s nur grtindlich erforscht und yon deraselben benutzt worden, ura den eigentlichen Sitz der Action des Solanins aufzusptiren. Als seitens der Respirationsorgane beobaehtete constante Erscheinungen bei Lebzeiten bezeiehnet C l a r u s einen keuchenden, naraentlich ira Exspiriura kurzen Athem rait verst~trktem Spiel der Nasenfltigel, successive und schnelle Abnahrae der Respirationsfrequenz nach kurzdauernder Steigerung derselben, proportional der Dosis des Mittels und im uragekehrten Verhi~ltnisse zur Pulsfrequenz stehend, endlich feuehtes Rasseln beira Einathraen. Als nicht constante Erscheinungen bezeichnet C 1a 1"u s (ifteres hettiges Aufschreien, welches, da keine locale Erkl~rung fur Sehmerzi~usserungen aufzufinden war, yon ihm als Zeichen eines Ergriffenseins des verl~ngerten Marks und Rtiekenraarks aufgefasst wird. Ueber die Alteration der Circulationsorgane sagt C l a r u s : ,,Constante Erscheinung war eine ddr Dosis proportionale Steigerung der Pulsfrequenz, rait negativem Wendepuukt in Fallen der Besserung oder Genesung. Die Steigerung erfolgte in den ersten Stunden nach der anfangenden Wirkung am schnellsten und stand ira uragekehrten Verhaltniss zur Frequenz des Athraens, welches in derselben Proportion abnahra als tier Puls an Frequenz zunahra, das Maximum tier Pulssteigerung war 14S. In dera Maasse als die Frequenz stieg, nahra die Starke ab; nicht constante Erseheinungen w~thrend des Lebens war Aussetzung des Herzpulses in einem Versuche." Es lasst sieh wohl sagen, dass, so welt es sich um die gemachten Beobachtungen handelt, die obigen Versuche zieralich gut in Einklang rait C 1a r u s' Experimenten stehen, naraentlich ist ira Versueh I tier Gegensatz zwischen der verlangsaraten Respiration und der gesteigerten Pulsfrequenz durchaus nicht zu verkennen. Dasselbe Verhalten findet sich anch in Versueh 3, wo die schliessliche Zunahrae~ der Pulsii'equenz tier yon C l a r u s beob-
Solanin, Solanidin.
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aehteten Steigerung der Herzsehlagzahl nieh~ naehsteht. Andererseits kommt aber aueh mitunter ein derartiger exquisiter Gegensatz zwiseheu Athmung und tterzsehlag nieht immer zur Beobaehtung; naeh mittleren ti~dtliehen Dosen ergibt sieh mitunter primi~re Abnahme des Pulses, welehe ziemlieh lange anhalten und einer gesteigerten oder fast normalen Respiration entspreehen kann. Ein solehes Verhalten ist in Versueh 2 gegeben. Ob die prim~tre Besehleunignng der Respiration, wie sie sowohl bei kleinen als bei kolossalen letalen Dosen beobaehtet wird, allein anf die Wirkung des Solanins oder aueh gleiehzeitig z. Th. auf die Manipulationen zurt~ekzuftihren ist, welehe znm Zweeke der Anstellung des Versuehes nothwendig mit dem Versuehsthiere vorzunehmen sind, llisst sieh mit Sieherheit sehwer entseheiden. Wahrseheinlieh wird Letzteres dadureh, dass aueh sp~iter im ersten Stadium der Vergiftung auf jedesmalige Application ~insserer Reize, some naeh Bewegungen des Thieres eine Steigerung der Respirationszahl hervor~rat Indessen hielt in einzelnen Fallen die Zunahme der Athemztige aueh bei rphigem Verhalten des Kaninehens llingere Zeit an, so dass es als ganz unzweifelhaft betraehtet werden muss, dass dieses Phiinomen z~ einem grossen Theile der Action des Giftes selbst angehtirt. Uebersehauen wit das gemeinsame oder so zn sagen entgegengesetzte Verhalten der Athem- und Pulsfrequenz, so wird man eine gewisse Analogie mit den in dieser Beziehung dureh Nieotin hervorgebraehten Ph~tnomenen nieht verkennen k~nnen. Aueh genauere physiologisehe Versuehe ergaben, wie wir hier vorlgufig mittheilen wollen, Aehnliehkeiten der Solanin- und Nieotinwirkung. Die Erseheinungen tier Athmung treten aueh naeh zuvoriger Vagusdurehsehneidung ein and sind somit offenbar wenigstens nieht vSllig vom Vagus abh~ingig, sondern auf das respiratmisehe Centrum in der Medulla zu beziehen. Die Veriinderungen am Herzen betreffen offenbar nieht den Herzmuskel, da die elektrisehe Reizbarkeit keine Ver~indernngen erleidet. Vorzugsweise betheiligt ist dagegen der Vagus, dessen anf~ngliehe Erregung die Pulsverlangsamung und dessen sp~tere L~hmung das enorme Steigen der Herzsehlagzahl bedingt. Indessen seheinen aueh die sympathisehen Nerven vom Solanin aNeirt zu werden. In wie weir es sieh bei diesen Phiinomenen um eine directe Wirkung des Solanins oder um eine indireete, dutch die Kohlens~iure bedingte, handelt~ ist noeh durch weitere Versuehe an kttnstlieh respMrenden Thieren zu ermitteln.
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XIV. Tm H~:sm1~
Solanidin. Nit dem bereits oben hinsichtlich seines chemischen Verhaltens zum Solanin g'ekennzeiehneten Solanidin wurde in gleicher Weise, wie mit dem So!anin experimentirt, insoweit dabei eine w~tssrige Lbsung des e x t e m p o r e daNestellten essigsauren Salzes hypodermatisch injieirt wurde; doch konnt% da die vorhandene Qaantit:~tt des Solanidins keine sehr groSse war, aussehliesslich an Kaninehen und Fr~sehen experimentirt werden. Ftir beide Thierspeeies erwies sieh das Solanidin als ein t(idtliehes Gifb wonaeh sich somit das Solanin beztiglieh seines Spaltungsproduetes anders wle Helleborin und HelleborNn verhNt und allerdings die Ntigliehkeit vorzuliegen seheint~ dass die Giftigkeit des Solanins dutch eine Abspa!tung yon Solanidin bedingt werde. Diese MSgliehkeit liegt anseheinend noeh n~her~ da das allgemeine VeNiftungsbild des Solanins und Solanidins bei Kaninehen und FrSsehen sieh fast vollkommen gleieh verhalten. Aueh die Solanidinvergiftung verl~uft bei Kaninehen in zwei deutlieh gesehiedenen Stadien. Es kommt zun~tehst zu einem Zustande bedeutender Apathie nnd Tr~tgheit der Versuehsthier% ohne dass wirklieher Schlaf sieh geltend maeht; dieses Stadium~ ohne Krampib verlaufend und zeitweise Perioden izeigend, wo schmerzhafte Eingriffe nur langsam zur Perception gelangen~ fiihrt unter zunehmender Verlangsamnng der Respiration und Abnahme der Tiefe der Inspirationen zu d e m auf Kohlens~tureanhaufung im Blute beruhenden Stadium der Convulsionen, welches naeh kurzer Dauer dem Tode Platz maeht, fiber. Das eonvulsivisehe Stadium beginnt aueh hier mit dem Hinsttirzen des Thieres auf die Seite. Indessen bietet das Bild der Solanidinvergiftung doeh einige Differenzen. In allen mit Solanidin angestellten Versuehen bei Kaninehen trat lVIydriasis ein, ehe das krampfhafte Stadium sieh ausbildete; ja die Erweiterung tier Pupille war sogar eine der ersten Erseheinungen~ welehe zur Beobaehtung gelangte. In allen Fiillen war sie jedoeh nicht der Art~ dass die Iris bis auf einen sehmalen Saum zusammengezogen war; aber sic war niehtsdestoweniger so ausgesproehen, alas Uber das Vorhandensein derselben gar kein Zweifel sein konnte. Es bestand ein m~ssiger Grad yon Mydriasis, verbunden mit nicht vollsti~ndiger Unempfindliehkeit der Iris ftir Liehtreiz; denn wenn die Augen verdunkelt und dann dem Einfallen intensiverer Liehtstrahlen ausgesetzt wurden~ so blieb Pupillenverengerung niemals aus. Locale Application yon essigsaurem Solanidiu wirkte irritirend nnd braehte keine Mydriasis zu Wege~ doeh sind bei der bekannten Unempfangliehkeit tier Kaninehen die Versuehe
Solanin, Solanidin.
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zweekm~issig an Ka~zen zu wiederho!en, wozn es ans bis jetzt an ~{aterial gebraeh. Hervorgehoben werden muss~ dass die Pupillenerweiterung im convulsivischen Stadium im bedeutenden Maasse znnahm, Ein zweiter Untersehied ergab sich beztiglieh der Temperatnr. Wenn beim Solanin ein eonstantes Sinken der EigenwS, rme bis zum Tode erfo!gte~ so war beim Solanidin gerade das Umgekehrte der Fall. Hier ergaben die 3Iessungen im Rectum constant ein deutliches Steigen des Thermometers~ welches in-einem Falle 1 o in einem anderen sogar tiber 2 0 betrug. Diese Temperatursteigerung ist um so auffallender als die vergifteten Kaninehen in der ersten Periode Nuskelanstrengm)gen nieht ausfiihren; Kr~impfe waren ja in diesem Stadium nieht vorhanden, ,welehe einim letzten Stadium der Solanidinvergit~ung hervortretendes Steigel) der Eigenwi~rme zu erkl~ren vermbehten. Die postmortale Temperatursteigerung verhNt sich beim Solanin nnd Solanidin gleieh. Wir erwS,hnen bei dieser Gelegenheit~ dass diese dem Solanidin eigenthtimliehen Symptome bet einzelnen Beobachtnngen tiber die Wirkung yon Soianin anderer Forseher sieh finden. So hat F r o n m t i l l e r vereinzelt Fupillenerweiterung und Ansteigen der Temperatur bet Mensehen beobaehtet~ letztere jedoeh in unerhebliehem Grade~ und ebenso stellt L ey d o r f naeh Thierversuehen die Mydriasis zu den Symptomen des Solan~smus aeutus. Der M~g!iehkeit, dass diese Differenzen der Beobaehtung darin ihre Erkl~rung findeu~ dass die genannten Experimentatoren ein solanidinhaltiges Solanin zu ihren Versuehen benutzten~ wurde bereits Erw:~ihnung gethan. Noeh mehr Wahrseheinliehkeit gewinnt diese Erkl:~irung dadureh~ dass die angezogenen Beobachtungen dem beuutzten Alkaloide eine grbssere localerethistisehe Action vindieiren, als dies nach den Versuehen Anderer der Fall ist. F r o n m t i l l e r ist der Einzige~ weleher yon ether beim Nensehen nach Solanin erzengten Diarrhi~e redet; L e y d o r f ' s Parallele des Solanins nnd Emetins Wurde schon oben besproehen. Nun ist es anffallend~ dass in einem Versuche ~mit Solanidin, wo das Kaninehen die Intoxication tiberstand, an der Injeetionsstelle exquisite Zeiehen yon Entztindung geNnden wurden und zwar ix Form eines Abscesses mit eingediektem Eiter. Allerdings ist es wohl etwas gewagt, diesen einzigen Versueh zur Grundlage einer Diffe~:enzirung der Wirkung des Alkaloids nnd seines Spaltnngsprodnetes zu benutzen~ zumal da bet den meisten der hier in Rede stehenden Solaninversuehe, da dieselben in weni~er ais 12 Stunden t6dfiieh verliefen, die Zei~ zur Entwieklnng ~irtlicher Entztindang
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XIV. Tm H~-s~xA~
fehlte, ausserdem stets neutrale LSsung in Anwendung kam, welehe das Auftreten yon Irritation besser zu verhtiten im Stande sehdnt. Letztere war tibrigens selbstverstandlich aueh bei dem Solanidinversuehe benutzt. In Bezug auf die Veriindcrungen tier Respiration und des Her> schlages bot das Solanidin keine Abweichungen yen den beim Solanin ermittelten. Es ist dies insofern interessant, als die Spaltungsproduete der Solaneen-Alkaloide Atropin und Hyoscyamin gerade in dieser Beziehung Differenzen yon denjenigen Stoffen darbieten, aus denen dieselben dargestellt waren. Die an Fr5schen ausgeftihrten Versuche mit Solanidin bieten keine Abweiehungen des Intoxieationsbildes yon dem beim Solanin beobachteten dar, indessen gelang es nicht in gleicher Weise wie beim Solanin dureh Application in Substanz unter die Rtickenhaut ein Resultat zu erhalten, woraus sieh mit Sicherheit der Schluss ziehen liess, class die motorischen Centren sehon vor der willkiiriiehen Bewegung in bedeutendem Grade affieirt waren. Im Uebrigen verliefen die Intoxicationen mit Solanin und Solanidin gleich. Die Reflexaction hielt verh~ltnissm~ssig lange an und das Herz war stets alas am l~ngsten lebende Organ, welches in mehreren Fallen sogar noeh langer als in den Solaninversuehen fortsehlug. In einem Falle wurde das Fortpulsiren des Herzens noeh 6 Stunden nach dem scheinbaren Tode des Thieres beobaehtet. Die Lahmung war in allen Fallen eine eentrale; die peripherischen Nerven und Muskeln behielten ihre Irritabilit~tt sehr lange und einseitige Arterienligatur sehtitzte die betreffendc Extremit~t nicht vor Lahmung ihrer Muskeln. Die erhaItenen Versuehsresultate Iasscn es als mSglieh erscheinen, dass eine Anzahl tier frtiheren Expm~imentatoren statt Solanin Solanidin oder ein mit demselben verunreinigtes Solanin in Anwendung gebraeht haben; doch ware es aueh denkbar, dass unter bestimmten Umst~nden wenigstens, da die fi-aglichen Versuehe stets interne Einftihrung des Solanins betrafen, eine Spaltung des Solanins im Magen crfolgt ware. Dasg eine solehe Spaltung aber fiir gewShnlich nieht erfolgt, und dass somit nicht das Solanin dureh das Solanidin wirkt, geht mit positiver Sieherheit aus den Dosenverhaltnissen hervor, welehe beztiglieh beider KiJrper ermittelt wurden und wonaeh sich alas Solanidin erheblich sehw~teher als alas Solanin erweist. Wahrend Kaninchen yon 1300--1500 Grin. Sehwere nach 0,2 Grin. Solanin zu Grunde gehen, bringen erst 0,4--0,5 Grin. Solanidin tiberhaupt Vergiftungserseheinungen zu Stande. Bei FrSschen ist die Dosis letalis des Solanins und Solanidins insofern gleieh~ als 4--6 Mgm. yon
Solanin, So!anidin.
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beiden den Ted herbelftihren, doeh ist der Verlauf der Verglftung beim Solanidin ein welt langsamerer und der Ted erfolg~ ers~ naeh 5--6 Stnnden. Wtirde der Ted naeh Solanin nicht dureh dieses~ sondern dutch abgespaltenes Solanidin veranlasst~ so mtisste das letztere bei subcutaner Einftihrung eine niedrigere letale Dosis haben als das erstere. Da nun aber gerade das Umgekehrte stattfindet~ so l~sst sich mit positiver Bestimmtheit behanpten, dass Solanin nicht verm~Jge Abspaltung yon Solanidin seine Giftigkeit entfaltet. Die anffallenden quantitatlven Differenzen der Giftwirkung des Solanins nnd Solanidins geben uns ein neues Indicium daftir~ dass F r o n m till e r nnd L e y d o r f ~kein vollst~ndig reines Solanin~ sondern entweder Solanidin oder ein solanidinhaltiges Alkaloid benntzten. Vergleicht man die yon S c h r o f f und F r o n m till e r am Mensehen *) angestellten Versuehe~ so wird man frappirt dureh die enorme Dosis, welehe F r o n m ttll e r's Versnchsperson ertrug~ ohne danaeh erheblich affieirt zu werden. 54 Ctgrm. bewirkten gar keino narkotischen Symptome und selbst I Grin. wurde tolerirt~ ohne dass etwas Anderes als Schwindel nnd nachfolgender Schlaf znr Erseheinung kamen. S e h r o f f . ' s h~ehste Gaben betrngen nur 2 Ctgrm. nnd trotz alledem wurde der Kopf schwer~ eingenommen und sehmerzhaft~ zugleieh trat Sehwindel und ~qeigung znm Schlaf beim UnvermSgen zu schlafen, Kglte tier Extremit~ten und Gef|ihl grosser Sehwttehe ein. Solehe Differenzen kSnnen allerdings auf individuellen Ursachen beruhen; aber bei den qualitativen Verschiedenheiten, welche gerade die F r o n m t t l l e r ' s c h e n Versuehe yon allen anderen trennen, erseheint es viel wahrseheinlicher, dass F r o n m t t l l e r ein ganz verschiedenes Pr~parat benntzte~: alas entweder ganz oder doch zum grSssten Theile aus Solanidin bestand. B d L e y d o r f sind uns die Verhttltnisse nicht ganz so Mar wie bier, Der Umstand, dass die yon ibm als Versuehsthiere benntzten Tauben durch etwa dieselbe Menge Solaninum aeeticum bci Einbringung in den Kropf getSdtet wurden~ als nnser Versuehsthier bei subcutaner Injection, wiirde es wahrscheinlieh maehen~ class, wenn L e y d o r f mit Solanin arbeitete~ dasselbe im Kropf der Tauben keine Spaltung" in Solanidin und Zueker erflthrt. War L e y d o r f ' s Prliparat indessen Solanidin , so fehlt es uns an einer Vergleiehung, da die bisherigen Solaninversuehe nnr auf Kaninehen und FrSsche sieh beziehen. Undenkbar ist es nicht, dass das Solanidin auf Tauben st:arker wirkt. *) H u s e m a n n . Pflanzenstoffe. Arctliv
S 428 u. 29.
fiir experiment. Pathologie u. Pharmakologle.
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XIV. T~. ttusEm~
Duleamara. Ieh babe frtiher die MSgtichkeit hervorgehoben, dass die Differenzen der Versuehsresaltate mit Solanin vielleieht ihre Erklgrung darin finden, dass die verschiedenen Species der Gattung Solanum isomere u n d in ihren chemischen Eigenschaften ttbereinstimmende Alkaloide enthalten, welehe analog dem Helleborin und ttellebore'ia aus Helleborus niger und Helleborus viridis*)pharmakodynamisch nicht gleichwerthig sind. Diese aueh yon M o i t e s s i e r ausgesproehene Vermuthung ist jedoeh wahrseheinlieh irrig. Es geht dies aus einer weiteren den Experimenten mit Solanin mad Solanidin vorausgesehiekten Versuehsreihe mit Extractum Duleamarae hervor. Es wurde dazu das aus der GSttinger Rathsapotheke bezogene Extraetum Dulcamarae der deutschen PharmakopSe benutzt, welches in der Weise dargestellt wird~ dass 1 Th. Stipites Duleamarae mit 4 Th~ -koehenden Wassers ttbergossen, 24 Stunden stehen gelassen und dann ausgepresst wird~ worauf zu dem Rtiekstande 2 Th. kochenden Wassers gesetzt werden und damit eine Maceration yon gleieher Dauer angestellt wird, worauf die vereinigten Fltissigkeiten naeh Absetzen und Abgiesssn in siner Porzellansehale zur Extraetionseonsistenz abgedampil werden, wodureh%ine rothbraune Masse resultirt, welehe mit Wasser sins tritbe LSsung gibt. Die Versuehe mit Duleamaraextraet hatten einen doppelten Zweek. Einmal sollte dasselbe die Stelle yon Solanin aus Bittersttssstengeln ersstzen, welches zu den betrcffenden Versuchen night zu Gebote stand; dann aber fragte es sieh anch~ wie das neben dem Solanin in Dulcamara vorhandene, yon W i t t s t ei n**) entdeekte Alkaloid Duleamarln wirke und ob dassslbe viellsicht die Action des Solanins zu modifieirea verm~ge. FUr die Vsrsuehe mit Bitterstissstengelextraet konnte bei der grossen Menge, welche zur Intoxication erforderlieh ist, die subeutane Application nieht in Frage kommen und musste das Gift in delt Magen gebracht werden, was in der zu soleher Applieation allein zweekmassigen Weise ausgeftihrt wurde, dass ein elastiseher Katheter in den Magen eingeftihrt und die Fltissigkeit dutch denselben vermittelst einer Injectionsspritze eingetrieben wurde. Die Giftigkeit des Dulcamaraextraets, welehe tibrigens aueh sehon ftir Kaninchen yon C 1a r u s eonstatirt wurde~ stsllte sieh so~ dass Thiere yon 17--1800 Grm. Schwere dutch 15 Grm. getSdtet wurden; ein Kaninehen yon 1200 Grin. ging sogar nach 1275 Grmo *) H u s e m a n n , Pflanzenstoffe 796 ft. **) Yierteljahrschr. f. prakt. Pharm. I. 37I u. 495. 1852.
Solanin, Solanidin.
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zu Gruude. Bei allen Versuehsthieren zeigte sigh kurz nach der Einftihrung' des Giftes stets eine Steigerunff der Puls- und Athemfrequenz, welehe jedoeh offenbar mit der Wirkung des Giftes niehts zu thun hat, da his damn eine Resorption nieht erfolgt sein kann~ sondern die Folge der Manipulationen ist~ welche zum-Zweeke der Einftihrnng des Katheters u. s. w. mit dem Thiere vorgenommen wurden. Naehdem diese Unruhe sieh gelegt hatte, entwiekelten sieh aber die Erseheinungen der Solanim~ergiftung in so eharakteristiseher Weise~ dass eine g'enaue Wiedergabe der Versuehe tiberfltissig erscheint. Das Stadium der Apathie ohne Pupillenver~inderung und mit den ellarakteristisehen Alterationen der Circulation und Respiration, die sieh wahrend desselben entwickelnde Cyanose der Ohren und Lippen, endlieh das seharf begrenzte und kurz dauernde eonvulsivische Stadium mit starker Mydriasis waren aufs Deutlichste ausgepr~igt; aueh die Bewegungen des Kopfes naeh uuten und naeh der Seite kamen bei Duleamaravergiftung in exquisiter Weise vor. Abweiehend yore Solanin verhielt sieh dagegen die Temperatur. Naehdem in der ersten halben Stunde der Vergiftnng ein Sinken yon 1 o - - 1 , 5 o stattgefunden hatte~ folg'te Ansteigen derselben und zwar selbst tiber das Niveau der vorher festg'estellten KSrpertemperatur hinauf, und dieses Steigen dauerte bis zum Tode fort, jedoch so, dass im Laufe der Beobaehtung noehmals geringe Abnahme der 5 Minuten zuvor eonstatirten Eigenw~rme nachweisbar war. Die Erkl~trung dieser eigenthtimliehen Sehwankungen ist nut dadureh zu geben, dass neben der Einwirkung des Solanins und der dadureh bedingten Herabsetzung der Resorption und Nuskelthi~tigkeit sigh noah ein anderer Umstand geltend maehte~ weigher die Temperatur in entgegengesetzter Riehtung beeinflusste. Man kSnnte hier an Solanidin denken~ welches neben Solanin im Duleamaraextraet vorhanden sein kSnnte, abet es w~tre dann anfihllend, dass das Steigen der Temperatur erst naeh einer Stunde beginnt und ebenso liesse sieh kein Grund daNr auffinden~ weshalb nieht die dem ersten Stadium der Solanidinvergiftung eharakteristisGh zukommende Mydriasis sieh in demselben geltend maeht. DiG Erkl~irung des eigenthiimliehen Verhaltens der Temperatur bei Dnlcamaravergiftung lieferte der Sectionsbefund, indem sieh stets eine nieht unbetr~tehtliehe Entztindung im Magen eonstatiren liess, welehe nieht allein an einer st~trkeren Ausdehnung der Gef~sse~ sondern aueh an einer intensiv dunkelrothen, yon erweiterten und blutgeftillten Capillaren herrtihrenden F~rbung der Schleimhant erkennbar war. Daneben ersehien die Darmsehleimhaut in allen FNlen blass 22*
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XIV. TI~.H~s~x~
und der Darminhalt nicht verfltissigt. Dass eine solehe intensive Gastritis die Ursache einer Temperatursteigerung werden kann, wird Niemand in Zweifel ziehen. Die Darmentztindung auf Solanidin zurtickzuftihren, ist um so weniger nSthig, well das Dulcamaraextract, welches in den betreffenden Versuchen angewandt wurde, yon saurer Reaction war und wenn nicht fl-eie Si~ure, so doeh ganz bestimmt saure Salze enthielt~ denen eine irritirende und selbst an die kaustische Action grenzende Wirkung nieht wohl abgesprochen werden kann. Von einer vermehrten Absonderung der Mundsehleimhaut war aueh bei den Versuchen mit Bittersttssextract nicht die Rede. Der Sectionsbefund zeigte die Erscheinungen des Erstickungstodes (grosse Fltissigkeit des Blutes und dunkle Fitrbung desselben, Bluttiberftillung der im Abdomen belegenen 0rgane), ausserdem nichts Bemerkenswerthes. Bei einem Thiere land sich Atrophie der Nieren, offenbar in Folge einer zur Zeit des Vergiftungsversuehes bestehenden Erkrankung, yon welcher auch die aussergewShnliche Temperatur des Thieres und ein bei der Section eonstatirtes unbedeutendes Anasarka herrUhrte. Die Versuche mit Bitterstissextract zeigen naeh den gemaehten Mittheilungen, dass dasselbe im Wesentlichen dieselben Erscheinungen wie Solanin aus Kartoffelkeimen hervorruft, nur modificirt durch Magenentztindung, welche wahrscheinlich yon den im Duleamaraextract vorhandenen Salzen herrtihrt und den Grund ftir gewisse Schwankungen der Temperatur abgibt, weiche die Dulcamaravergiftung charakterisiren. Die neurotischen Wirknngen, welche das Solanin aus Kartoffelkeimen producirt, treten auch nach Duleamaraextract pragnant hervor und werden somit aueh durch das W i t t s t e i n ' s c h e Dulcamarin nieht modificirt.
Fragt man auf Grundlage der bisherigen Ermittelung, welche therapeutische Rolle Solanin und Solanidin zu spielen berechtigt sei, so wird man zunitchst keinen Grund finden~ die alt hergebrachte Anwendung der Dulcamara als Antidyscratieum far rationell zu halten und die etwaigen tteileffecte bei chronischen constitutionellen Krankheiten auf das darin befindliche neurotisehe Alkaloid zu beziehen. Die ttcilungen, welche man yon Tisanen aus Dulcamara bei Syphilis und chronischen Hautkrankheiten gesehen haben will, sind enCweder die Folge der zugeftihrten grossen Quantitat Wasser oder mtissen auf gleichzeitige diatetisehe Maassregeln, vielleicht auf beides zurtickgefUhrt werden. Solanin und Solanidin sind keine Hypnotica; weder an Thieren noch an Mensehen tritt eine rein hy-
Solanin, Solanidin.
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pnotisehe Wirkung hervor und weitere Versuche am Krankenbette sind naeh den Erfahmngeu yon F r o n m i i l l e r kein Bedtirflliss mehr. Die tterabsetzung der Temperatur~ welehe Solanin bedingt, kann keine Veranlassung zur Verwerthung desselben als Antlpyretieum sein, da das genannte Ph~nomen ein seeund~res~ yon der verminderten Sauerstoffaufnahme nnd der verringerten Muskelaeti0n abh5ngiges ist. Als Mittel gegen Katarrh des ~{agens und Darmkanals~ wogegen man Solanin im Wiener Krankenhause anwandte, hat es weder praktisehen Nntzen gehabt, noeh finder sieh in den physiologischen Effecten eine reelle Indication ftir diese Art tier Anwendnng. Man wird somit ftir Solanin sowohl als ftir Solanidin zu jenen Indicationen zuriiekkehren mtissen~ welehe frtiher C 1a r u s flir das Solanin aufgestellt hat. Rafionell ist offenbar nur die Anwendung" bei gewissen Respirationskrankheiten, bei welehen es sich datum handelt~ entweder spasmodisehes Athmen zn beseitigen oder die Zahl der Respirationen herabzusetzen. Versuehsweise dUrfte das Solanin bei krampfhaftem Husten und Asthma in Frage kommen. Ein Uebelstand ftir die therapeutisehe Verwendung ist dann fl-eilich die quantitative Wirkungsdifferenz der versehiedenen im Handel vorkommenden Solaninsorten~ wie sieh solehe bereits in den yon S c h r o f f und F r onto t i l l e r am Nensehen angestellten Versuchen ergeben hat und wahrseheinlich dutch Beimengnng des unwirksameren Solanidins zum Solanin sich erklErt. Unter solehen VerhNtnissen wtirde alas Bitterstissextraet eine grSssere Bedeutung in praktiseher Beziehung besitzen als die Alkaloide. Dass das Solanidin nieht als Erweiterungsmittel ftir die Pupille brauehbar ist, bedarf keiner besonderen Hervorhebung.