Aus der Psychiatrischen Universitittsklinik Burgh6izli.Zfirich (Direktor: l~ Dr. M. BLEVLE~).
Untersuchungen aus dem Grenzgebiet zwischen Psychopathologie und Endokrinologie* Von
M. BLEVLER. Mit Beitr~gen yon
H, BAER, G. CONDRAU~ D. I. JACOBS, H. K. KNOEPFEL~ W. STOLL, ]-k WIPF, DELIA WOLF u n d W . ZC~BLIN. (Eingegangen am 26. Februar 1948.)
Inhaltsverzei chnis.
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I. Einleitung 1. Fragen u n d Aufgaben yon M. BL~VLE~ . . . . . . . . . . . 2. R a h m e n unserer U n t e r s u c h u n g e n yon M. BLEULER . . . . . . . II. AkromegMoid 1. ~ b e r s i e h t yon M. BLEVLE~ . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kasuistik: Untel'suchung eines akromegMoiden P s y c h o p a t h e n und seine~ Familie yon W. ZgnLI-~. (Mit 1 T e x t a b b i l d u n g ) . ' . . . . 3. Kasuistik: E i n GeniMer m i t akromegMoider K S r p e r k o n s t i t u t i o n yon M. BS~VL~R. (1Kit 3 T e x t a b b i l d u n g e n ) . . . . . . . . . . 4. K a s u i s t i k : ffinf akromegaloide Schizophrene u n d P s y c h o p a t h e n m i t ihren Familie~l yon H. K. KNOEPFEL. (Mit 3 Te• 5. Zusammenfassung: Statistische V e r a r b e i t u n g yon 23 F~llen bereits besehriebener akI~omegMoider Schizophrener u n d P s y c h o p a t h e n u n d ihrer Familien yon H. K. K~OEP~EL . . . . . . ; ...... I I I . Morbus Cushing-artige K o n s t i t u t i o n Zwei weitere Fiille psychischer St6rungen bei Morbus Cushingartiger K o n s t i t u t i o n yon W. A. STOLL . . . . . . . . . . . . . IV. Maskuline Stigmatisierung der F r a u 1. Kasuistik: Maskulin stigmagisierte schizophrene F r a u e n u n t e r Einflus yon Sexual- u n d l:Iypophysenvorderl~ppenbormonen yon H.B*~ . . /~.. : . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Z u s a m m e n f a s s u n g : Statis~ische Verarbeitung yon 32 Fiillen bereits beschriebener m a s k u l i n s t i g m a t i s i e r t e r schizophrener F r a u e n u n d ihrer Familien. - - Hinweise auf L i t e r a t u r yon DELIA WOLF V. Fettdysplasie Statistisehe V e r a r b e i t u n g yon 40 F~llen fettdysplastischer Sehizop h r e n e r und ihrer Familien yon G. CONDgAV. (Mit 2 Textabbildungen)
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* H e r r n Prof. ALFRED GLAUS, dem unermiidlichen tIelfer u n d Berater, dem ~Iie Klinik die MSgliehkeit zu wissenschaftlicher Arbeit v e r d a n k t , in Verekrung und F r e u n d s c h a f t zugeeignet. Arch. f. [Psych. u. Zeitschr. 5Teur. Bd. 180.
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M. BnEuLza:
VI. Infantilismus 1. Kasuistik: Weitere infantil stigmatisierte Schizopt~'ene und ihre
Verwandten yon D. I. JAco]~s . . . . . . . . . . . . . . . 2. 0-bersicht der bisherigen Betunde an inf~ntilen Schizophrenen yon M. BLV.UL~R . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Multiple BlutdriisensMerose Psychische StSrungen bei sog. mu]tipler Blutdriisensklerose (Falta) yon tt. WIPF . 9 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VIII. f3berblick und Diskussion unserer bisherigen Gesamtergebnisse yon M. BLEVL~ . . . . . . . . . . . ............... Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . ...... .
Sei~e
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I. Einleitung. 1. F r a g e n and Aufgaben. Von
lB. BLEULE~. ]:)as grol3artige Lehrgeb~ude der modernen Endokrinologie zeigt noch Liicken und Unvollkommeaheiten, die mit einfachen und seit langem zug~nglichen Untersuchungsmethoden zu beheben w~ren. Solchen Liicken begegnen:wir besonders in bezug auf Psyehopathologie und Genetik der Endokrinopathien: Eine saubere psychiatrische Untersuchungsmethodik hat sich in der Endokrinologie noch nicht durchsetzen kSnnen. W~hrend internmedizinisehe, physiologische, pathologisch-anatomische und chemische Methoden eine weite Verbreitnng gefunden haben, gehen heute noch ffihrende endokrinologische Studien ganz an der Psychopathologie vorbei oder wenden sie stiimperhaft und oberfl~chlich an. Oft enth~lten sie psychiatrische Begriffe und Methoden, die die Psychiatrie seit Jahrzehnten verlassen und durch bessere ersetzt hat. N~mentlich fehlen vielfach umfassende Untersuchungen der PersSn]ichkeit, wie sie die heutige Psychiatrie ver]angt. An ihrer Stelle finden sich wahllos einzelne hervorstechende Ziige (Aufregung, Angst, Haliuzinationen usw.) ~ufgez~hlt; deren Wesen und Bedeutung bleiben aber ratselhaft, wenn sie nicht im Zusammenhang mit dem psychiatrisehen Gesamtbefund beschrieben w e r d e n . Viele psychiatrische Begriffe werden unklar und allgemein angewendet; so weil~ man z. B. oft nicht, ob mit dem Ausdruek ,,Sehw~chsinn" eine Oligophrenie, eine organische Demenz, eine infantile Psychopathie, eine durch Stammhirnschadigung bedingte Apathie oder noeh etwas anderes gemeint ist. Ganz gew5hnlich wird auch die zeitliehe Entwieklung allfglliger psyehischer StSrungen ungentigend oder gar nicht beaehtet. Es gibt zwar Werke, die derarti~e Vorwiirfe in keiner Weise verdienen und die unter anderem die Psychopathologie der BAsEDowsehen Krankheit, des MyxSdems, des Kretinismus, der Kastrationsfolgen, der Tetanie und der Pubert~tsmagersucht vorbildlieh gekl~rt haben. Bei der Mehrzahl anderer endokriner
Untersuchungen zwisehen Psyshopathologie und Endokrinologie.
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Erkrankungen und namen~lich bei leichteren endokrinen Gleichge. wichtsst6rungen trtiben demgegentiber die M~ingel der angewandten psyehiatrischen Methodik die psychopathologischen Aspekte des Krankheitsbilder. So bleiben zufolge ungeniigender Beriicksichtigung der Psychopathologie grundlegende endokrinologische Fragen erst m~ngelhaf~ gekl~rt: Welche endokrinen S~Srungen bteiben psyehisch stumm, welche wirken sich auf die Psyche aus .~ Wie regelm/iflig ? Wie schwer ? In welchem Sinne .~ Kommen diese psychischen St6rungen durch die endokrine Noxe allein zustande oder nur durch das Zusammenfliegen mit anderen auf die Psyche wirkenden Noxen ~. Die Berticksichtigung der Psychopathologie bei endokrinen Erkrankungen erseheint besonders dringlich, weft ein Itaup~streben der modernen Iteilkunde dahin geht, yon der organgebundenen Betrachtung einzelne r F,unktionen und Funktionsst6rungen loszukmnmen und die Gesamtsehaltung yon Lebensvorg~ngen - - somatischen nnd psychischen - - zu erkennen. Dieses Bestreben ist physiologisch bereits dutch die Leistungsphysiologie, wie sie W. 1%.1-I~ss vertritt, unterbaut worden. Mi~ tier Erkenntnis, dab viele somatische Funktionsschaltungen nur Ausdruckserseheirlungen seelischer Vorg/inge sind, leistet die Psychiatrie einen weiteren Beitrag in dieser Richtung. Zweifellos ist. gerade die E~dokrinologie berufen, bei der K1/irung der Zusammenh~nge yon Funktionen und Funktionsst6rungen verschiedenster Organe eine ffihrende golle zu spielen, beschMtigt sie sich doeh vorwiegend mit Mtgemeinen Steuerungsvorg/~ngen. Dieser Aufgabe kann sic aber nur genagen~ wenn sic die Psychopathologic mitberficksichtigt,. Psychische und endokrine Steuerungen erg/~nzen und vereinigen sich in hohem MaBe. Noch eine andere Forschungsriehtung als die losychopathologisehe hat die Endokrinopathologie stiefmiitterlich behandelt: die genetisehe. Es fehlen in den meisfen endokrinologischen Arbeiten systematisehe Familienuntersuehungen, wie sie heute gefordert werden mfissen; allzuoft sind nur die krankhaften Befunde bei den Verwandten berticksichtigt, wghrend die gesunden Verwandten gar nieht erwghnt werden, als ob nicht die krankhaften ]3efunde erst dann in ihrer Bedeutung gew~rdigt werden k6nnten, wenn sic sich auf dem tIintergrund des ganzen Famitienbildes abzeiehnen. Gr61?ere, gleiehm/~Big durehforschte Stammb~ume fehlen in der Endokrinologie noch weitgehend im Gegensatz z. ]3. zur Neurologie (Iz[Lr~TI~OTO~sehe Chorea, tIeredo. ataxien usw.), Ophthalmologie, Psychiatric. Nur yon einzelnen, so namen~lich yon EUGSTER und I-IA57~A~, ist in dieser J-Iinsich~ gearbeitet worden (hyloophys/ire Zwerge, Kretinismus). Noeh weniger als die Stammbaumforschung is~ abet die stagistiseh-erbbiologisehe ]~orschung in dec Endokrinologie gepflegt worden. Bei sehr wenigen endokrinen StSrungen kennen wit z. B. die Erkrankungswahrscheinliehkeit 18"
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M. B~t~rR:
der Geschwister, Kinder, Eltern, Neffen, Vette~a~ usw. tier Probanden. (Auch hierin bildet dank EU(~STERs Untersuchungen tier Kretinismus eine Ausnahme.) Arg vernachlgssigt worden ist sehliel~lieh die vergleichende endokrinologische Untersuehtmg yon endokrin Erkrankte~l nnd ihrer wieder endokrin gestSrten Bhttsverwandten; daraus wgren offensichtlich viele entscheidende Erkenntnisse fiber das Zusammenwirken von Konstitution und erworbener endokriner Seh~digung z u sehSpfen. Eine hauptsdichliche Au/gabe unserer Untersuchungen liegg darin, mit ein/achen, abet m6glichst 8ystematischen und /ehlertreien Methoden die Psychopathologie und die Genetik einzelner Endokrinot~athien zu untersuchen und so mitzuhelfen, die angeprangerten Liieken unserer endokrinologischen Kenntnisse auszuffillen. Es mul~ zungehst sonderbar erscheinen, im Zuge derseIben Untersuchungen sowoh] psychopathologische wie genetische Gesichtspunkte in der Endokrinologie erforschen zu wollen. Die Psychopathologie und die Genetik scheinen vSllig versohiedenartige Stndien notwendig zu maehen. Solchen Bedenken gegeniiber ist hervorzuheben, dab die Fanailienforschung besser geeignet ist, die Bedentung der psychopathologisehen Befunde bei endokrin Kranken erkennen zu lassen, als irgend eine andere Untersuchungsmethode. Bei der Mehrzahl psychischer Befunde bei Endokrinopathen mfissen wir uns fragen, ob die psychisehen und endokrinen StSrungen urs~ehlich zusammenhgngen oder nut zufg]lig kombiniert sind. Die Beantwortung dieser Frage auf Grund klinischer Untersuehungen erweist sich oft als unmSglich; hier kann die Familienforsehung weiterhe]fen. Sie hat abzuklgren, ob die psychischen St5rungen des endokrinopathisehen Probanden bei seinen endokrin gesunden Verwandten wieder vorkommen. Umgekehrt hat sic den Geisteszustand seiner endokrinopathischen Verwandten zu erforschen. Auf diese Weise kann sie - - richtig angewendet - - oft klar und deutlieh naehweisen, ob eine bestimmte Endokrinopathie mit einer bestimmten Psychopathie urs'~eb]ich zusammenhgngt oder nieht zusammenhgngt. Diese Methodik, eine Erbanalyse klinischer Probleme, hat sich in der Psyehiatrie bereits als fruehtbar erwiesen und wird an unserer Klinik auch bei der Kl~rung anderer Fragen als j ener auf dem Grenzgebiet zwischen Endokrinologie und Psychopathologie immer wieder angewendet. (So ermSgliehte sic eine zuverlgssigeBeurteilung der Behandlungserfolge und Behandlungsmethoden bei Schizophrenie ; so hilft sie uns heute, die endogene und organisehe Verursachung bestimmter Psyehosen bei I-Iirntumor abzutrennen usw.) Wit brauchen also die Familienf0rschung sehon zum Verst~ndnis der psyehopatho]ogischen Befunde bei Endokrinopathen und es drgngt sieh der Plan, psyeh0pathologischen und genetischen Fragen der Endokrinologie gleichzeitig naehzugehen, aus methodisehen Grfinden gebieteriseh auf.
Untersuchungen zwischen Psychopathologie und Endokrinologie.
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Wenn die Endokrinologie die Erkenntnisse und Methoden der Psyehopathologie erst nlangelhaft angewendet hat, so gilt abet aueh das Umgekehrte: Die psychopathologische Ursachen/orschung hat die
MSglichkeiten sicher noch nicht ausgertiitzt; di~ sich ihr au8 den heutigen endokrinologischen Erkenntnissen ergeben. Namentlich erscheint es der Miihe wert, n~ch endokrinen Ursachen der Charakterv~rianten, der Psychopathien, zu suchem O-ber die Entstehungsgeschichte dieser bedeutungsvollen~ St6rungen wissen ~ir ja noeh sehr wenig. Wil ~ kennen einigermaBen die ungtinstigen, einfachen und neurotischen Pers6nlichkeitsentwicklungen, die bei m~ngelhafter tIarmonie zwischen angeborenem Charakter und Umwelt zust~nde kommen. Wir wissen, dal3 fetMe und frtihkindliche tIirnkrankheiten aller Art, namentlich wenn sie lokalisiert bleiben, zu erscheinungsbildlich gleichen Pers6nIichkeitsst6rungen fiihren k6nnen, wie jene bei unver/~nderter ttirnstruktnr. (Wenn sie diffus werden, fiihren sie eher zu Schwaehsinn.) Wir wissen welter, dab sieh Psyehopathien oft familigr h~ufen, und vermuten deshalb, dab sieh ein Tell yon ihnen unabhi~ngig yon der erkennbaren cerebralen Struktur vererbt~ ebenso wie keine erkennbaren cerebralen Grundlagen der normalen Charakterschwankungen bekannt sind. In bezug auf endokrine Einfliisse wissen wir sicher, dab grobe endokrine StSrungen zu Charakterst6rungen fiihren kSnnen, welehe sieh wiederum erseheinungsbildlich und rein psyehopathologisch yon anders entstandenen Psychopathieformen nieht abtrennen lassen. Dggegen wissen wit nieht viel dartiber, ob aueh ohne grSbere endokrine KSrperkrankheiten wesentliche Einfliisse endokriner Art bei der Genese yon Psyehopathien wirksam sind, yon welehen Drfisen sie bejahendenfalls ausgehen, was fiir besondere CharakterstSrungen sie setzen, wie h~ufig und wie sehwer sie sin& Darfiber sind wir allerdings aufgekli~rt, dug es zwisehen KSrperkonstitution und Pers6nlichkeit deutliehe, wenn aueh nieht absolute Bindungen gibt. Diese Bindungen gelten auch fiir versehiedene Ktimmerwuchsformen. Da die K6rperkonstitution, namentlich in ihren kfimmerhaften Formen, aller Wahrscheinliehkeit nach stark yon der inneren Sekretion beeinfluBt wird, mug man auch yon diesem Gesichtspunkt aus vermuten, dM3 sich endokrine St6rungen in der Genese vort Psyehopathien regelm/~Biger geltend maehen kSnnten, Ms das bis heute bekannt ist. Eine Aufgabe, die wit unseren Untersuehungen gestellt haben, liegt darin, nach endokrinen Ein/liissen au/ die Genese besonderer, nicht oJ/ensichtlich endokrin bedingter Peyehopathien zu suchen. Gerade bei dieser Aufgabe kann uns die erbanalytische Methodik wieder wesentlich welter fiihren: Wit wissen bereits sicher, dub die k6rloerlichen und psychischen Folgen einer endokrinen St6rung ihrem Grade
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M. BnEsL~:
naeh bei weitem nieht regelmgBig korreliert sind. Eine endokrine StSrung kann Sich bald vorwiegend kSrperlieh, b~ld vorwiegend eharakterlieh auswirken. Die endokrine Genese yon CharakterstSrungen, die nieht mit kSrperlichen endokrinen Merkmalen gekoppelt sind, kann niem~Is blol~ dureh die Untersuchung der Probanden selbst entdeekt werden; soweit es sieh d~bei um konstitutionelle Endokrinop~thien handelt, kann bier einzig die Familienforschung mit Aussicht auf Erfolg ungewendet werden. Wir suehen d~zu unter den Verwandten yon psyehopathisehen Endokrinop~then naeh Psyehopathien, die im Durehsehnitt zwar eine gewisse Korrelation zur k6rperliehen Endokrinop~thie zeigen, aber aueh ohne deutliehe kSrperliehe Endokrinopathie vorkommen; damit ho//en wir eine erbanalytische Methodilc anzu. wenden, die die schwierige Frage 16sen lcann, ob es mit Besonderheiten der inneren SeIcretion im Zusammenhang stehende Psychopathien gibt, die nicht schon ]c6rperlich als Endokrinopathien gelcennzeichnet sind. Es handelt sieh d~bei um eine praktisch namentlich ffir Prophylaxe und Therapie wichtige Frage; yon ihrer Bearbeitung darf deshalb die Tatsache nich~ abschrecken, dal~ die erbanalytische Forschung immer nur l~ngsam und mfihsam an Hand eines sehr gro]~en Untersuehnngsgutes fortschreiten kann. Der klinischen Psyehiatrie liegt weiter die Frage nach der Bedeutung der inneren Selcretion ]~r die groflen endogenen Psychosen, das manischdepressive Irresein und die Schizophrenie, besonders am Herzen. Viele Griinde haben seit einem halben Jahrhundert die Vermutung immer wieder aufflaekern lassen, es handle sich bei diesen Krankheiten um St6rungen der inneren Sekretion. Diese Grfinde liegen nicht nur darin, da[~ eben die Ursaehen yon Schizophrenie und manisch-depressivem Irresein noch fast v611ig unbekannt sind und sich deshalb das Ri~tselraten in jeder t~ichtung, auch auf das Gebiet der Endokrinologie, erstreckt. Sie liegen dariiber hinaus vorerst in der Beobachtung, dab das Krankheitsgeschehen bei manisch-depressivem Irresein und Schizophrenie in p0sitivem "und neggtivem Sinne lose, aber doeh deu~lich mit Zeiten endokriner Umstellung zusammenhangt, mit der Puberti~t, dem Puerperium, dem Klimakterium und tier Involution. Weiter Wurde beobachtet, dad als Dyskrinien stigmatisierte Kfimmerformen bes0liders hghflg und besonders deletgr zu endogenen Psychosen neigen. Sehliel~lich gibt es einige sp~rliche therapeubisehe Erfahrungen, die - - zu Recht oder eher zu Unrecht - - endokrine Arbeitshypothesen in der'Ursaehenforschung der endogenen Psyehosen nahegelegt haben (gewisse Behandlungserfolge mit Thyroxin und Schilddriisenextrakten, mit Sexualhormonen und mit Insulin). - - Die bisherigen Untersuehungen vermochten die Vermutungen fiber endokrine Einfliisse in der Genese der endogenen Psychosen weder wesentlieh zu
Untersuchungen zwischen Psychopathologie und Endokrinologie.
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bekritftigen noch zu widerlegen. Die Frage ist der neuen Uberpriifung wert. Endokrinologische Untersuehungen an der Schizophrenie und am manisch-depressiven Irresein erseheinen aber nieht nur aus dieser allzu allgemeinen Fragestellung heraus angezeigt. Sie dr~ngen sich aueh aus einer sch~rfer umschriebenen Problematik heraus auf, Wir wissen immer noeh nieht sicher, ob die Schizophrenie aus einer Gruppe von genetisel~ verschiedenen Sehizophrenien besteht oder genetiseh einheitlieh zusammengesetzt ist. Das versehiedene Familienbild verschiedener Formen yon Sehizophrenie, wie es sich bei meinen Untersuchungen deutlich ergeben hat, sprieht ffir die Annahme genetischer Vielfalt. "Wenn wir aber mit dieser Annahme reehnen mfissen, so gilt es, die genetisehe~ Forsehungen nieht mehr wie frfiher an allen Sehizophrenen als Gesamtgruppe durchzufiihren, sondern dabei yon Untergruppen auszugehen. Es handelt sich hier um einen Weg in der Ursaehenforsehung der Schizophrenie, der noeh zu wenig begangen worden ist um auszuschliel~en, dal3 e r zu wertvollen Erkenntnissen fiihren kSnnte. (Dasselbe gilt mutatis mutandis fiir das manisehdepressive Irresein, nur konnte es vorl~ufig noch nieht in unsere Untersuchungen einbezogen werden.) Unsere Untersuchungen sollen an eng umschriebenen Gruppen yon Schizophrenen - - solchen mit kSrperlichen endokrinen StSrungen bestimmter Art~ - - Ursachen/orschung treiben und /eststellen, ob bei einzelnen solcher --= wenn nicht beim Gros der Schizophrenien - - Sndol~,rine pathogenetische und pathoplastische Ein/li~sse wirlcsam sind.
2. Rahmen unserer Untersuchungen. Von
M. BLEULER. Die weit gesteckten Ziele, die sich aus der Bearbeitung der Zu~ sammenh~nge zwischen endokrinen und psychischen StSrungen ergeben, rufen nach der Zusammenarbeit yon psyehiatrisch und i n t e r nistisch a usgebildeten ForSchern, die ihren Stnidien eine ganze Lebensarbeit widmen kSnnen. Die beschr~nkten MSglichkeiten, die uns bei der Forschung zur Verffigung standen, machten es yon vornhereia unmSglieh, aueh nur daran zu denken, dieses Ziel zu .erreiehen. Die G e s a m t h e i t unserer Untersuchungen stellt im Vergleich zu den Zielen .unserer Forschungsrichtung nur einen unbedeutenden Anfang dar. Unsere Untersuehungen waren nur .mSglich, wenn wir uns auf jenes Krankengut nnd auf jene Untersuchungsmethoden beschri~nkten,
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~I. B L ~ c ~ :
welehe einer sohweizerisehen psyohiatrisohen Klinik ohnehin zur Verffigung stehen. Es liel~ sieh unter den Verhgltnissen der sehweize. rischen klinischen Psychiatrie gar nieht d~ran denken, ein uncleres Krankengut der Untersuoliung zuggnglieh zu maohen, ~ls dasjenige , Init dem sieh die Klinik alltgglieh zu besehgftigen hat. Ebensowenig kam die Einfiihrung yon Methoden in Frage, ~uf die die Klinik nicht bereits eingearbeitet war. Un sere psyehiatrische Klinik ist wie j ede unseres L~ndes in erster Linie eine Heilanstalt mit Beh~ndIungs-, Begutachtungs. und Pfiegeanfg~ben. Es stehen ihr yon Staats wegen so gut wie keinerlei Mittel und MSgliehkeiten zur Verffigung, um reinen Forsehungsaufg~ben zu genfigen. Namentlich wgre es unmSglich, zu wissenschaftliehen Zwecken Kranke mit endokrinen StSrungen in die Klinik aufzunehmen', die ihr nieht ohnehin ~us pr~ktischen Grfinden zugewiesen werden. Ebensowenig wgre es mSglich, die endokrinen Kranken in ~nderen Spitglern psyohiatriseh zu untersuehen, da die ~ r z t e unserer Klinik durch die Allt~gsarbeit zu sehr an dieselbe gefesselt sind. Mit vollem Recht k~nn unseren Untersuehungen vorgeworfen werden, dal~ sie grol~e endokrine Erkrankungen mit wenigen Ausnahmen gar nicht erfassen und sieh an leichtere StSrungen h~lten, deren endokrine Genese zum Teil nieht einmal sicher ist. Wir standen aber in dieser ttinsieht vor einem bittern Entweder-Oder: Entweder hatten wir jene endokrinen StSrungen zu erforsehen, denen wir bei unserer A]]tagsarbeit begegneten oder wir hatten auf wissensehuftliche Untersuchungen iiber die Zusammenhgnge zwischen E n d o k r i n o - u n d Psychopathologie zu verziehten. ~,hnliehes gilt fiir die Methodik. Die Riieksiehtnahme auf die Leistungsfghigkeit unserer Labor~torien und auf unsere eigene Zeit verbot uns yon vornherein die Anwendung vieler in Frage stehender Methoden. So konnten quantitative Hormonuntersuehungen gar nieht in Betracht gezogen werden. Die Untersuchungen fiber die Stoffwechsella~thologie h~tten sich ~uf die einf~ehsten Methoden zu besehrgnken (Grundumsatz, Zuekerbelastung, Calciumbestimmungen usw.); mit rSntgenologisehen und photogr~phisehen Methoden mul~ten wir sehr sparen. Bei der psyehiatrischen Untersuehung mange]te uns die Zeit, mit psyehodi~gnostisehen Tests sYstematisch vorzugehen. Wir hatten uns auf eine grfindliehe und sorgfgltige klinische Untersuehung sowohl im I-Iinbliek auf den internistiseh-endokrinologischen wie d e n psyehiatrisehen Status zu besehrgnken. Wghrend die UnmSglichkeit, die geeignetsten und schweren endokrinen Erkrankungen der Untersuchung zuggnglieh zu machen, ffir unsere Forschungen ein schweres I-Iemmnis darstellte, meinen wit, dab die Besehrgnkung ~uf einfache klinisehe Methoden keinen wesentlichen wissenschaftliehen 2qaehteil bedeutete. Die quantitative Hormonbestimmung nnd die verfeinerten stoffweehselpathoiogischen Methoden sind beim heutigen
Untersuehungen zwisehen Psychopathologie und Endokrinologie.
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Stand der diagnostischen Technik zweifellos eine willkommene Abrundung der einfaeher6n klinischen Untersuehung. Die Erfassung der wesentlichen endokrinen Ziige beruht abet heute wie friiher vor allem auf den einfachen Methoden: der Inspektion, der Palpation, dem Messen, W~Lgen usw. Ebenso halte ich auf das Bestimmteste daftir, dab die in Frgge stehenden psychischen StSrungen nur Init einer klinisehen Un*ersuchung und Beobaehtung erfaBt werden kSnnen. Psychodiagnostische Tests kSnnten in dieser Hinsieht nur Erg~inzungen bi]den. Die wesentliehen psyehopathologischen Befunde sind, wie wit es getan haben, durch die direkte Exp]oration der Kranken und ihre Beobachtung in der Klinik zu erheben. Eine Untersuehungsmethode, welche wir heranziehen konnten und in weitem M~ge herangezogen haben, ist die Anamnesen- und Famitienforschung. I n dieser tIinsicht waren unsere Verh/Lltnisse giinstig, indem unsere BevSlkerung gerade w/~hrend des Krieges besenders seBhgft war und zu Befragungen und Untersuehungen leieht erreicht werden konnte. Die Beriicksiehtigung der zeitlichen Entwicklung der endokrinen u n d psyehisehen St5rungen bet eine MSglichkeit, deren Wechselwirkung zu beurteilen. Noch wiehtiger erwies sieh in dieser Hinsicht die Erhebung der Fami]iengeschiehte: die psychischen StSrungen, die wir untersuchten, waren fast immer, die endokrinen oft weitgehend konstitutionell mitbedingt; es dr~Lngte sieh deshalb auf zu iiberpriifen, ob und wie unter den Verwandten yon endokrin gestSrten Geisteskranken und Psychopathen endokrine und psyehische StSrungert korre!iert gefunden werden. Bei unseren Unte~'suchungen wurden wir in groBztigiger Weise durch die iibrigen medizinischen Kliniken, Polikliniken und Institute unserer Universit/~t unterstiitzt. Namentlich verwendeten wit zahlreiche Befunde und Ratschlgge der Medizinischen Klinik (Prof. Dr. WILI{EL?r LOt'FLER), der Medizinischen Polik]inik (Prof. Dr. P. H. ROSSlEI~), tier Polikiinik fiir Nervenk]:anke (Prof. Dr. M. MINKOWSXI), der Neuroehirurgischen Abteilung der Ckirurgischen Klinik (P~of. Dr. I-I:K RAYENBt~HL), des R6ntgeninstitutes (Prof. Dr. H. R. SCItlNZ), der Frauenklinik (prof. Dr. ERNST ANDERES)'und der 0~o-t~hino~L~ryngologischen Klinik (Prof. Dr, F. R. NAGER), sowie des P~thologiseh-Anatomisehen Institutes (Prof. Dr. HA~S v. MEYE?CBURG). Weiter haben uns Herr Dr. SemLDKNEewr, internistiseher Chefarzt des Kantonsspitals Mfinsterlingen, Herr Priv.-Doz. Dr. R. L~re~sIN~ER, Zfirieh, sowie Herr Priv.-Doz. DJ~.WALTER GLOOR-MEs Z/irieh, und Herr Prof. Dr. ADOLF OSWALD,Z/irieh, viel getmlfen. Mit groBem Entgegenkommen haben uns die benaehbarten und befreundeten psyehiatrisehen Anstalten und Sanatorien ihre Patienten und ihre Krankengesehiehten zur Verfiigung gestellt: K~ntonale Heft- und PflegeanstMt Miinsterlingen, Direktor Dr. ADOLI~ ZOLLIKER;KantonMe HIeil- und Pflegeanst~lt Rheinau, Direktor Prof. Dr. HA~Is BINDER; K~ntonale Heft- und Pflegeanstalt KSnigsfelden, Direktor Dr. PETER MOHR; Kantonales Asyl in Wil (St. GMlen), Direktor Dr. EDUARD NAm~-HoD~L; Schweizerische Anstalt fiir Epileptisehe, Ziirich, ~rztlieher Direktor: Dr. F. BRAUN; NervenhMlanstMt Hohenegg-Meilen, Direktor
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M. BLEULER:
I)r. A. v. OR~LLL - - In finanzieller Hinsicht warden uns yon der Schweizerisehen Ak~demie der medizinischen Wissenschaften und yon der RockefellerFoundation durch Vermittlung der Arbeitsgemeinschaft ffir Hirnforschung (Prof. Dr. W. R. I-I~ss) Unterstiitzungen gewghrt. Dieselben wurden zu einem grol3en Tell fiir die Reisekosten verwendet, die zur Untersuchung und Befragung von Verwandten der Kranken notwendig wurden. Durch die Anstellung yon Vertretern konnten einzelne unserer Mitarbeiter voriibergehend yon der Routinearbeit entlastet werden und ihre Zeit unseren Untersuchungen widmen. Endlieh waren die finanzie]!en Unterstfitzungen zur Honorierung yon biirolistischen Hilfskrgften notwendig. Dieser vielseitigen ~tilfe haben wir an dieser Stelle unseren warmen Dank auszusprechen. Die Untersuchungen an endokrin vergnderten G e i s t e s k r a n k e n begann ich 1929 am B10omingdale H o s p i t a l in White Plains, New York (Prof. Dr. M. RAYNOR), ~ndem ieh bei meinen damaligen Untersuchungen fiber d~s Familienbild Schizophrener auf die Besonderheiten der persSnlichen und familigren Konstitution yon fettdysplastisehen Patienten aufmerksam wurde. Seit dem J a h r e 1942 wurden die Untersuehungen an unserer Klinik systematisch weitergeffihrt. Vorerst wurde Yon EDITB 0 rT-ScgAUB und SuLzEI~ je'eine besonders lehrreiehe F~milie yon fettdysplastisehen und akromegaloiden Sehizophrenen bearbeitet. Gleichzeitig untersuehte KAUFMANN die ersten Familien yon maskulin stigmatisierten sehizophrenen Frauen. Diese drei Themen wurden in der Folgezeit yon KNOEPF~L, MARIA STOCKMA~Z~, VOS~R (noeh nieht publiziert), MARORIT WANDER-VOEGELIN und DELIA WOLF weiterverfolgt. I m Rahmen unserer Zielgebung untersuehte DORIS BARICH erstmals infantile Schizophrene und DELIA WOLF und STOLL die Psyehosen bei CuShing~hnliehem Syndrom. CARL }tAFSrER hat es an der Basler psyehiatrischen Universit~ttsklinik (Prof. Dr. J. E. STAEHELI~) unternommen, fettdysplastisehe Sehizophrene nach denselben Gesiehtspunkten wie wir zu erforschen. Ffir seinen aus einer andern K]inik stammenden Beitrag zu unseren Arbeiten sind wit besonders dankbar. Mit einem Teil der in Frage stehenden L i t e r a t u r hat sich Jm~NY MVEI~ER eingehend beseh~ftigt. Sie versuehte, eine kurze Ubersieht i~ber s g m t l i ~ e wghrend der Kriegszeit in unseren Bibliotheken zug~ngliehe Literatur fiber die Zus~mmenhgnge zwisehen sehizophrenem und endokrinem Krankheitsgesehehen z u gehen. :Auf ihre Literaturbearbeitung haben wit" vielfaeh abgestellt. Unsere st~tistisehen Untersuehungen fiber die eharakterliehe Konstitution und dus Familienbild yon Schizophrenen und P s y e h o p a t h e n konnten nur verwendet werden, w e n n nach derselben Methodik die PersSnliehkeit und Verwandtsehaft nicht endokrin erkrankter Sehizophrener und d e r DurehschnittsbevSlkerung untersueht waren. Mit solehen Forsehungen hatte ieh mieh viele J a h r e lang beseh~ftigt. Sie erfal~ten 316 sehizophrene Patienten mit ihren 11410 Verwand~en und
Uatersuchungen zwischen Psychopathologie und Endokrinologie. 2490Personen kerung.
z-~hlende Sippschaften
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aus der DurchschnittsbevS1-
I n den vorliegenden Ausfiihrungen ist auf die erwghnten Arbeiten i m m e r wieder Bezug g e n o m m e n u n d sie k o m m e n darin zu einer zusammenfassenden Beurteilung. Titel u n d Bibliographie aller dieser Arbeiten, die in diesem B a n d kurzweg als ,,unsere bisherigen Unters u c h u n g e n " bezeichnet werden, sind die folgenden: BA~IC~r, DoRis: Zur Frage der Beziehungen zwischen dyskrinem und schizophrenem Krankheitsgeschehen. Infantil stigmatisierte Sehizophrene and ihre Verwandten. Arch. Klaus-Stiftg, Zfirich 21, H. 1/2 (1946). --BL~ULE~ , M.: Krankheitsverlauf~ Pers6nlichkeit und Verwandtschaft Schizophrener und ihre gegenseitigen Beziehungen. Leipzig: Georg Thieme 1940. - - Vererbangsprobleme bei Schizophrenen. Z. Neur. 127,321 (1930). - - J. nerv. Dis. (Am.) 74, 393 (1931). Psyehotische Belastung yon kSrperlich Kranken. Z. Neur. 142, 780 (1932). - Schizophrenes und endokrines Krankheitsgeschehen. Arch. Klaus-Stiftg, Zfirich 18, 405 (1943). - - B L E U L E R , ~-VI.u. L. ]:~APOPORT:Untersuchungen fiber die konstituti~)nelle Verwandtsch~ft yon Tuberkalose und Geisteskrankheit. Z. Near. 153, 649 (1935). - - BLEULER,M. u. DELIA WOLF: Studien fiber die Vererbung yon psyehischen und k5rperlichen endokrinen Unausgeglichenheiten. Arch. KlausStiftg, Ziirich 21,328 (1946). - - ttAFFT~R, C. : Dysplastische Verfettung bei Schizophrenen. Schweiz. Arch. Neut. 55, 255 (1945). - - K A U F ~ A N N , J.: Zar Frage der Beziehungen zwischen dyskrinem und schizophrenem Krankheitsgesehehen. Maskulin stigmatislerte Frauen and ihre n/~chste Verwandtsch~ft. Arch. KlausStiftg, Zfirich 18, 53 (1944). --MUELLEIr JENNY: Schizophrenes und endokrines Krankheitsgeschehen. Ubersicht fiber die bisherigen Arbeiten. Arch. KlausStiftg, Zfirich 19, 53 (1944). - - OTT-Sc~AU]3, EDIT]~[: Zur Fr~ge der Beziehungen zwisehen dyskrinem und schizophrenem Krankheitsgeschehen. Ein fettdysp]astischer, kretinoider Schizophrener und seine Familie. Arch. Klaus-Stiftg, Zfirietl 18,411 (1943). - - So~G, E. : Zur Frage tier Beziehungen zwisehen dyskrinem und schizophrenem Krankheitsgesehehen. Psychisehe StSrungen in den Familien yon nichtschizophrenen Akromegaloiden. Diss. Ziirieh ]945. Buchdruekerei Muri-Bern. - - SVLZn~, H.-J.: Zur Frage der Beziehungen zwischen dyskrinem und schizophrenem Krankheitsgesehehen. Ein akromega.loider Schizophrener und seine Familie. Arch. Klaus-Stiftg, Zfirich 18, 461 (1943). - - STOCKYfA~CN, MARIA: Zur Frage der Beziehungen zwisehen dyskrinem und sehizophrenem Krankheitsgesehehen. Weitere maskulin stigmatisierte schizophrene Frauen und ihre Verwandtschaft. Arch. Klaus-Stiftg Zfirieh 21, 171 (1946). - - WA~CDERVO~aELIN, MA~GRIT: Schizophrenes und endokrines Krankheitsgeschehen. Akromegaloide Schizophrene und ihre Familien. Arch. Klaus-Stiftg, Zfirich 20, 257 (1945). - - WOLF, D]~LIA: Zur Frage der Bezietmngen zwischen dyskrinem and schizophrenem Krankheitsgesehehen. U'berprfifang der bisherigen Untersuchungen an grSl]erem Untersuchungsgut. Arch. K!aus-Stiftg, Zfirich 21, 149 (1946). - - Endokrines und psychisches Krankheitsgesehehen: Zwei F/ille einem Morbus Cushing'~hnlieher StSrungen mit psychopathologischen Erseheinungen. Schweiz. Arch. Neut. 56, 144 (1945). Das U n t e r s u c h u n g s g u t dieser unserer bisherigen Arbeiten und jener aus d e m vorliegenden B a n d fiber die Beziehungen zwischen psychischen und endokrinen K r a n k h e i t e n ist zusammengefaBt d a s folgende (Tabelle 1).
282
~/~. ]~LEULER:
Tabdle 1. Art der Probanden
Fettdysplastische Schizophrene
gefa~t in diesemBande durch
Zahl der Probanden ,mit Endokrinopa t hi e n
Zahl der Probandenverwandten
COND AU
40
259
WOLF
32
557
KNOEPFEL
23
822
23
ZusammenAutoren
BLEULER CONDRAU HAFFTER OTT-SCHAUB
VosE~ Maskulin stigmatisierte sehizoph:ene Frauen Akromegaloide Sehizophrene und Psychopathen
KAUFY[ANN STOCKMANN
WOLF KNOEPFEL
SOnG SVLZE~ WA~DER-VSGELI~ WOLF
Akromegaloider Psychopath
ZUBLIN
1
Genialer Al~'omega]oider
BLEULER
1
Schwachsinniger Akromegaler
SOnG
1
15
Infantile Schizoprene
BARICI~
BLEULER
8
129
BLEULER
4
51
Psychopathic bei Cushing-i~hnlichem Syndrom Multiple Blutdriisensklerose Insgesamt
Jxco~s STOLL
WOLF WIPF
1
111
1856
H. Akromegaloid. 1. iJbersicht. Von
M. BLEULER. Mit dem Studium yon psychischen StSrungen bei akromegaloider Konstitution haben wir 1942 begonnen. Rasch hat sich gezeigt, dab sich die Zusammenhgnge zwischen endokrinen und psychischen StSrungen am AkromegMoid besonders gut erkennen ]assen. Es handelt sich um eine h~ufige und verh~ltnism~gig leicht erkennbare und
Untersuehungen zwischen-Psychopathologieund Endokrinologie.
283
abgrenzba~'e endokrine Besonderheit. Auch seh~tlten sich fibersiehtliche Ergebnisse unserer Untersuohungen heraus: Mit der akromegaloiden K5rperkonstitution sind oft (freilich nicht immer) jene psyehopathologischen Symptome korreliert, die seit 1.~ngerer Zeit als dieneephale nnd hypophysgre Zeiehen besehrieben worden sind. Die erste Arbeit fiber die Beziehungen zwischen Akromegal0id und losyehisehen StSrungen stammt yon tI. SCLZEn (1943). Er beschrieb eine grebe Familie mit gehguften akromeg~loiden Ziigen. In dieser Familie zeigte sich eine enge Korrelation z~dschen Akromegaloid und GeistesstSrung. MARGRI~ WANDEI~-VoEGELIN beschrieb 1945 6 Familien yon akromegaloiden Schizophrenen. Auch sie fand ausgesprochen familigres Anftreten des Akromeg~loids und Beziehungen zu psychisehen StSrungen. E. SonG untersuchte die Familien yon vier nicht schizophrenen AkromegMoiden. Wieder fand er familigres Auftreten des Akromegaloids. Er besehrieb die psychopathischen StSrungen, die mit dem Akromegaloid zusammenhgngen, genauer, vor M]em periodische Verstimmungen und periodische Impulse, so Poriomanie, Dipsomanie und periodisehe l~regsucht. Weiter untersuchte Song einen Akromegalen und seine Familie, in der keine Sekundgrfglle yon Akromegalie oder Akromegaloid auftraten. (Der akromegale Patient se]bst zeigte abet wieder psychisohe Symptome, die sich auf dgs Zwisehenhirnhypophysensystem zurtiekffihren liegen.) DELIA WoLF vergrSBerte mit einer 1946 erschienenen Arbeit das Untersuchungsgut wesentlich. Im folgenden will die Arbeit yon Z~BLI~ jene psychopathisohen Zfige, die mit dem Akromeg~loid verbunden sind, noch dutch eingehendere k]inische Besehreibungen genauer erf~ssen, als es bisher gelungen war; KSOEPFEL vermehrte das .Untersnehungsgut durch ausgedehnte und mfihsame Forsehungen an grol~en Familien; ich selbst versuchte, die gewonnenen Erkenntnisse an der PersSnlichkeit eines akromegMoiden Genialen zu vertiefen. End]ich fagt K~OSPFEL die Ergebnisse aller bisherigen Arbeiten der Klinik statistisch zusammen. Alle diese Arbeiten haben den angeschnittenen ProbIemen eine vorl~iu/ige LSsung gebraeht: Wir wissen heute sieher, dag das Akromegaloid vererbt wird und kennen Einzelheiten der famili/tren Ubertragung; wir wissen weiter sieher, dal3 es haufig mit psyehisehen StSrungen gekoppelt ist Und dab sieh diese psyehisehen StSrungen zu einem grogen Teil als I-Iypophysen-Zwisehenhirnsymptome erkl~iren lassen; ebenso sieher wissen wir, dab die Sehizophrenie bei Akromegaleiden im Vergleich zum Gros der Schizophrenien ihre Besonderheiten ~ufweist.
284
WALTE~ Z~BL~:
2. Kasuistik: Untersuchung eines akromegaloiden Psychopathen und seiner Familie. Von WALTER Zt)BLIN. Mit 1 Textabbildung. Im Zuge der Untersuchungen der Zfireher Psyehiatrischen Klinik an endokrin ver/~nderten Sehizophrenen hat sich ergeben, dab die ~kromegaloiden Schizophrenen eine psyehopathologische Stammhirnsymptomatik erkennen lassen, die ihre schizophrene Psychose im Querschnitt wie im L/~ngssehnitt f/irbt und msnehmal als etwas Besonderes, vom Gros der Schizophrenien Untersehiedliches, kennzeiehnet. Diese Befunde rufen naeh Erg/inzung; namentlich haben wit zu ffagen, ob die Stammhirnsymptom~tik nur gerade sehizophrenen Akromegaloiden eigen sei oder ob sie such die bloB psychopathisehen Akromegaloiden;kennzeichnet. Bereits wurde diese Frage an nichtpsyehotisehen akromeg~loiden Verw~ndten skromegaloider ~Schizophrener untersucht. Ieh gehe bei meiner Studie yon einem ukromeg~loiden Psychopathen ~,s. Vorerst "soil seine 'eigene k6rperliche und psychisehe StSrung besehrieben werden. Hern~eh ist festzustellen, ob in seiner Verwsndtsch~ft psyehisehe StSrungen und Akromegaloid vorkommen. Besonders aufsehlul~reieh wird die Priifung der Frage sein, ob in der Verwandtsehaft des Probanden Akromegaloid und bestimmte psychisehe Erscheinungen gekoppelt und unabh/ingig auftreten. Unter den kSrperlichen Erscheinungen, die im Sinne der sog. ,,Degenerationsmerkmale" der/~lteren Psyehiatrie oft mit GeistesstSrungen gekoppelt sind, hat sieh das Akromegaloid zweifellos dem VolksbewuBtsein besonders eingepr/~gt. So wurde z. B. in einem effolgreiehen Gruselfi]m ein sexualverbreeherisehes Monstrum mit akromegaloiden Zi~gen ausgest~ttet. Aueh gewisse altgewohnte Redensarten weisen vielleicht ~uf die intuitive Erfassung Akromegaler mit psychisehen Eigensehsften hin, wie unter snderem die Ausdrfieke ,,suf grol~em Ful]e leben" und ,,lunge Finger haben". Sowohl meine eigene Untersuchnng als die Parslleluntersuchungen zeigen, dsl3 gerade diesen Formulierungen ein tiefer bi0logiseher Sinn entsprieht, wenn sie such in ihrer schematisierenden und sllzu ~llgemeinen Form iiberspitzt und falseh sind. (Es ist mir a]lerdings bewul~t, dab der Ursprung dieser und anderer/~hnlieher Redenssrten durch~us unsieher ist und sieh ein Zusammenhang, wie ieh ihn vermute, keinesfalls beweisen 1/~l~t. So ist die Wendung ,auf grol~em Ful~ leben" suf die Zeit der Schnabelsehuhe im 17. Jahrhundert zurfickgefiihrt worden, deren GrSl~e mit der Vornehmheit der Tr/iger gewschsen sein soll. Wenn yon anderen die Redewendung mit den gro~en FiiBen der Sagensgestalt Berehta, die such eine grol~e Nase gehabt hsben soll, in Zusammenhang gebrseht wird~
Untersuchungen zwischen Psychopathologic und Endokrinologie.
285
SO k 6 n n t e m a n d a r i n w i e d e r e i n e B e z i e h u n g m i t v o l k s t t i m l i c h e n B e o b a c h t t m g e n fiber e i n e n Z u s a m m e n h a n g zwischen Akromegaloid und Charakterauff~lligkeit en sehen.)
Proband. 28ji~hriger, lediger Mann. Vorgeschichte. E r wuchs in ungiinstigen Verh~ltnissen auf, da sein Vater Trinker war. Schon als Kleinkind galt er als ,,nervSs", da er sehr schreckhaft war und viel weiate. Sps hatte er mit seinen Geschwistern oft Streit and suchte sie zu beherrschen und zu tyrannisieren, we er nur konnte. Er muBte die da-itte Primarschulklasse wiederholen; nachher, besonders in der ]etzten Prim~rschuIkiasse, wurden seine Schulleis~.ungen besser. Unter den Schulkameraden war er aufgesctflossen und nahm an ihrem Tun und Spielen in unauff~lliger Weise teil, K6rperlich gait er sis Kind allgemein als schw~chlich. E r wurde deshalb wiederholt zur Erholung in Kinderheime und zu Bauern plaziert, so dab er einen wesentlichen Teil yon Kindheit und Jugend auBerhalb des Elternhauses verbrach~e. Als Knabe yon 13 Jahren wurde er der kinderpsychiatrischen Untersuchung unserer Klinik zugefiihrt. Wegen mangelhafter Konzen~rationsf~higkeit und Wutar~ffi.llen wo]lte ihn damals die Lehrerin nicht mehr in der Schule behalten. Zu Hause war er ,,mal3tos empfindlich" und wurde, wenn seine Empfindlichkeit verletzt worden war, wiitend und b r u t a l Aul3erdem zeigte er nach einer Gesichtseiterung einen nervSsen Gesichtstir Schon damals f i e l d e r Wechsel yon guten und schlechten Tagen auf. E r wurde als gefiihlslabiler Psychopath diagnostiziert. Nach der Schulentlgssung wurde er yon seiner Mutter gezwungen, eine Lehrstelle anzutreten, w~hrend er selbst es vorgezogen h~tte, gleich als Ausl~ufer Ge]d zu verdienen. Um sich trotzdem Geld zu verschaffen, verkaufte er sein VeTo, das er eben erst yon seiner Mutter erhalten butte und verbrauchte den Erl6s fiir Kinobesuche. Da es ibm an keiner Lehrstelle gefieI, versuchte er sich hintereinander als Monteur, Coiffeur uud Schreiner. I n seiner Unstete drohte er schlie/31ich, die Schreine~werkstatt anzuzfinden, wenn man ihn aus der letzten Lehrste]te nicht fortlasse. Darauf wurde er in eine Zwangserziehungsanstalt gegeben. E r war damals 17 Jahre alt und verblieb 31/.2 Jahre in der Anstalt. Wie schon vorher in seinen Lehrstellen war er such in der Anstalt miirrisch und abweisend und nahm keine Zurechtweisung an. I m Laufe der Zeit aber verbesserte er seine Einstellung, hielt sich schlieB]ich gut, wurde willig und bestand eine Lehre als G~rtner. Im theoretischen Teil des Absch]ul]priifung versagte er allerdings. Gegen den Sch]ul3 seines Anstaltsaufenthaltes war er so zuverl~ssig, dab er ohne Aufsicht aul]erhalb der Anstalt besch~tftigt werden konnte, ohne dal3 er irgendwie Anlalt zu K]agen gegeben h~ttte. Im folgenden erw~hnen wir die wichtigsten Stellen aus dem Dossier der Zwangserziehungsans~alt: Die Einwei.sungsgri~nde bestanden im Versagen in Lehren als CoiffeLtr und Schreiner, Schw~nzen der Gewerbeschule, Wegbl~iben yon der Arbeif,, flfichtige Arbeitserledigung, Faulheit und Frechheit im Benehmen gegen Eltern, Drohungen. Er habe dem Meister in der G~rtnerei viel Mfihe gemacht, ,,besonders wegen seiner Launenhaftigkeit, we es Tage gab, an denen er stSrrisch und mil]mutig bis zum ObermaB war, die Arbeit widerwillig machte. Dann konnte er jeweils die Arbeitsgeschirre, Werkzeuge, Caretten usw. nur so herurawesfen und ~,]les Zureden butte gar keinen Erfolg. SehlieBlich ka.~a es abet zu einer Wendung, nachdem dem G~rtnermeister er]aubt wooden war, ihn einfach yon der Arbeit wegzuschicken in Zustiinden~ we er die ,St6r' hatte. Diese Mal]nahme hat das Wunder gewirkt, dal3 er yon d a a b sieh in die Finger nahm, sich
286
WA~T~R Z t ~ x
:
miihte, das launische Wesen zu verdr~ngen und zu iiberwinden. Er blieb aber in seinem Arbeiten w~hlerisch, wenn ibm eine Arbeit nicht behagte, so legte er bald das Geschirr zur Seite." Ein Aufseher schrieb fiber ihn: , , . . . Trotzkopf . . . . oft Stimmungen unterworfen, in denen er kaum weiB, was um ikn hernm vor sick g e h t . . . " Die LehrabsehluBprfifung hat er gut bestanden. W~hrend seines Aufenthultes in der Anstalt, veto Alter yon 17 bis zu 201/2 J~kren, ~inderten sick KSrperbau und Aussehen des Probanden auffi~llig. Bisher mittelgrol~ und sckm~chtig, wurde er plStzlich groB und breit. Gleickzeitig nakm die Gr6Be seines Unterkiefers, seiner tt~nde und FiiBe stark zu. So sehr veritnderte er sieh, daft ihn die eigene Mutter nicht mehr erkannte, als sie ihn naeh 1/2Jahr zum erstenmal wiedersah. Dieses Wachstum dauerte ungefi~hr veto 17.--20. Jakr. Zwischen dem 19. und 20. Jahr betrug die L~ngenzunahme allein 8 cm. Nack dem 20. J a h r blieb die GrSBe yon H~nden und FiiBen unver~ndelt. I n der l~ekrutenschule kielt sich der Prebend ausgezeichnet. Er wurde zum Unteroffizier vorgeschlagen. ]m darauffolgenden Aktivdienst trat aber wieder eine mfirrische Verstimmung auf. Er fiihlte sick yon seinen Kameraden attsgestol]en und sckikaniert. Inl nachsten Urlaub verl.ie~ er verbotenerweise den Truppenstandort und versuckte sick Geld zu verschaffen, indem er eine Ukr stahl und sie verkanfen wollte. Nuch AbbiiBung seiner Stxafe beging er wiederholt iiknlieke Delikte, so da~ er sck]ieBlich wegen Fundun~ersehlagung, wiederkoltem Betrug, Diebstahls und Fahnenflncht aus der Armee ausgestoBen und mit 1~/~ J a h r e n Gefiingnis bestraft wurde. Seit der Strafverbfiltung, d. k. nunmehr seit 3 Jahren, versuchte er immer wieder als Handlanger oder Bauernkneckt zu arbeiten. Am Anfang waren seine Arbeitgeber such meistens mit seinen Leistungen sehr zufrieden. Nach kurzer Zeit, Wochen oder Taken, pflegten abet regelmaBig Verstimmungen aufzutreten, w~hrend denen er als faul, renitent, fleck and unstet besckrieben wurde. Er arbeitete in diesen Verstimmungen kaum nlehr, pflegte seinen Arbeitsplatz zu ver]assen, ziellos fortzuwandern und sick in andcren Gegenden herumzutreiben. W~hrend dieser Verstimmungen ricktete sick. sein ganzes Streben hemmungslos auf Frauen; er kniipfte dann viele vorabergekende Gelegenheitsbeziehungen an, und es kam zu wakllosem Geseklechtsverkekr. Interessant ist, dab oft gleichzeitig eine ausgesprochene Polyphagie auftrat, so dab der Proband z. B. hack einem Mittagessen, das seinen Kameraden vollauf gen(igt hatte, zu seiner Sgttigung neck Kaffee und Kuchen zu sick nakm; 3 Stunden nachher wu,:de es ibm ,,vor Hunger schwarz vor den Augen% so dab er nochmals ein Mittagessen verzehrte. Im Gegensatz zu seinen Exzessen im ,Essen trinkt er keinen Alkokol, da es ibm schon nach einem Glas Bier oder Wein abel wird u n d e r , wie er welter angibt, zufolge der Trunksuch.t seines Vaters einen Absckeu v e t geistigen Getrgnken hat. I m AnsckluB an seine haltlosen, betriebsamen unfl - triebhaften Perioden traten beim Probanden oft depressive Verstimmungen auf, die meist nut wenige Stunden dauerten, aber so stark waren, dab er sein Leben verfluchte und Suiciddrohungen aussidel~. Einer seiner Arbeitgeber, der ikn sekr gut kannte, schreibt, er habe periodische Verstimmungen gehabt, die ihn im Laufe der Zei~ zum haltlo~en, moralisch defekten Menscken gemacht h~tten. ,,Anfi~nglich inszeniertc er bloB am Wockenende seine Schwindeleien. I m Laufe der Zeit, als e r der Polizei und anderen Organen besti~ndig Zu schaffen machte, glieh sein L e b e n dem eines gejagten Wildes, das so oder so zu entkommen sucht." I)er Proband beging vielfacke Diebstiikle und Betriigereien, wie er sagt in den Verstimmungen. Meist handelte es sick um einfache Diebereien, um seinen Unterhalt okne Arbeit auf seinen Wanderungen zu bestreiten. Oft log er such
Untersuehungen zwischen Psychopathologic und Endokrinologie.
287
seine Frauenbekan!ttschafteja an und nahm ihnen unter unwahren Angaben Geld ab. A;ueh sonst sekreekte er yon elnfachen kleinen Betrfigereien niekt zurfick, wenn er ffir sein Lotterleben Geld brauehte. Er entwendete ffir seine Fakrten ins Blaue manehmat aueh Fakrr/~der. - - Einer seiner Verteidiger, der sick mit seiner Psychologic eingehend besck~ftigt hatte, bemerkte zusammenfassend fiber ihn: ,,Die teilweise reekt sinnlosen Diebst/thle, der weitgehende Mantel an Uberlegung bei der Tatbegehung, das offentsickliche Uberrur~peltwerden durck momentane Gelfiste, die Unf~higkeit, die auch dem Vormuud immer und immer wieder gegebenen Besserungsversprechen in die Tat umzusetzen, si~d files Momente, die auf eine stark reduzierte Zurechnungsf~higkeit schlieBen ]assen r Der Proband sekne sich heute geradezu nach einem festen Rahmen, we man ihn beaufsiehtigen kSnne.-- Insgesamt wurde er in 8 Malen zu total 47 Monaten Gefangnis und Zuchthaus verurteilt und das innert eines Zeitraumes yon nnr 61/4 Jahren !~ (Entsprechend seinem Alter yon 22--28 Jahrem) Die letzte Freikeitsstrafe wurde umgewande]t in Verwahrung wegen Gef~hrdung der Offent]iehkeit bei ~'erminderter Zurechnungsf~thigkeit. Berichten fiber den S trafvollzug entnehmen wir, dab sick deft die Stimmungsschwankungen deutlieh bemerkbar machten. Es heil3t in denselben unter anderem : ,,Zunaehst gab er sich ordentlich Mfihe, liel3 aber sp/iter neck, war zeitweise geradezu faul und mugte strafweise zum Strohflechten zurfickversetzt w e r d e n . . . Die Notch ffir Betragen, Fteil3 and Charakter schwankten . . . . und geben ein zutreffendes Bild seines unausgeglichenen Wesens wieder." Die gegenwfirtige psychische Unters'uchung des Probanden deekt fuller der Neigung zu Temperamentsausbrficken, nament]ich zu Verzweiflung fiber seine Lage, kaum etwds Kra.nkhaftes auf. Er tritt geordne~ auf. Man bekommt mit ihra sofort einen guten Kontakt. Er ist freundlich und gibt bereitwillig Auskunft. Die Affekte sind delr~ Gespr/ichsthema angemessen. Sebald seine Konflikte zur Sprache kommen, wird er unbekerrseht, weint verzweifelt, will ,,mit sick Sehtul~ maehen" und besehuldigt in leidenschaftlichen Geffih]sausbrfichen seinen Vater, seine Lebxmeister und ,,die Frauen", die seinen Untergang versehuldeten. Wieso er seine I)elikte begehe, d~s wisse er se!ber nickt. E r sei einfach zu schwach, um WicIerstand zLt ]eiste~, wenn es ihn dazu treibe. Erst nach der Tat sehe er seine , , D a m m h e i t " ein, habe aber dann sp/~ter nieht mebr die Xraf~, seine guten Vors~tze durchzuffihren. E r miisse, so meint er welter, .lemanden haben, der ihn beanfsicktige, wenn er wieder seinen ,,~a, ppeI" bekomme. Da er je~zt nicht rnehr bei seiner Mutter sei, die er fiber Mles liebe und vere]~re, und sic nicht mehr ffir ihn sorgen kSnne, finde er den notwendigen tIMt nut in einer Anstalt, we er interniert werden kSnne, wenn sein e ,,bSs e Z e i t " fiber ihn kommen wolle. - Soweit aus dem Gespr~ch zu schliegen ist, spricht er inner]ieh auf Moral gut an und ist des Miterlebens und Mitleidens mit andern f/ihig. Seine Intelligenz !iegt zweifellos innerkalb der Norm, eher etwas fiber dem Durcbseknitt. I n t e t l e k rue]fen F r a g e n gegenfiber ist er aufgesehlossen u n d sein Sehulwissen steht fiber dem Durchsehnitt der Primarsehulbildung. Der Gedankengang ist klar nnd geordnet, Ein amnestisches Syndrom fehlt. Von Wahnideen und Sinnest~usehungen ist keine Rede. Seit dem Abschlul3 meiner eigenen Untersuehungen ist er nunmehr 3/4 J a h r e lang in einer anderen Anstalt beobachtet worden. Sicher zu l~eeht wurde bei der l/tngeren Beobaehtung festgestellt, da~ er im Habitualzustand seiner Lebenslage gleiehgfittiger und beziehungsloser gegenfiberstand, als es bei der k~lrzeren Beobaehtung bei uns zuerst den Eindruck gemackt hatte. Aus den sehr ausffihrliehen Pflegerapporten gekt eine laochgradige Verstimmbarkeit des Probanden eindrucksvoll kervor. Unruhige, dysphorisehe Zustande mit Neigung zum Drohen Arch. f. :Psych. n. Zeitschr. Sieur. Bd. 180.
19
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WALTE~ Z O ~
:
wechselten mit Perioden yon heiterer Ausgelassenheit und mit depressiven Zeiten. So heil~t es z. B. : ,,Er ist am Vormittag erregt, geht oft yon seiner Arbeit weg mit den Worten: ,machet's doch salber, d~ cheibe Schmarre'. Am Nackmitt~g ist er besserer Stimmung." 0der spater: ,Die Stimmungssckwankungendes Pat. sind gegenw~rtig stark bemerkbar" oder: ,,Eine kleine Zurecktweisung vermag den Patienten yon einer iibermiitigen Stimmung in eine trotzig-beleidigte fast sch]agartig zu versetzen." Ein anderes Mal heiltt es: ,,Patient sckeint nie yore Lebensernst beriikrt, meist befindet er sick in einer Larifari-Stimmung, in der er Schlager grS]t odor siet~ mit Mitpatienten wie junge Hunde herumbMgt." Aueh die Polyphagie wurde wahrend der Pflege beob~cktet: ,,Er hat einen unstillbaren Appetit." Die k6rperliche Untersuchung ergibt folgenden Befund: LSnge 186 cm, Gewickt 82 kg. Athletischer, grobknochiger Habitus. Hgnde. Breite 9,5 cm, L~nge 24,6 cm = 13,2% der K6rperl~inge 1 (Darchschni~t 11,7%), Finger lung, schmal, N~gel wenig gerillt, ohne Stufcn. Akrocyanose angedeutet. tziifie. Breite 10,8 cm, LUnge 31,0 em ~ 16,6% der KSrperliinge (Durchschnitt 15,4%), entspreckend der SchukgrS~e Nr. 46. Kop]. Lung, Synophris, angedeuteter EnophthMmus, Ohrmuscheln plump, Ohr]~ppchen angewachsen. H6rf~higkeit normal. Nase kr~ftig, abet' nicht wesentlick vergrSBert. UnterIcie]er lcrg]tig, au]steigender Ast lang. Prognathie. Zunge nicht vergrSl~ert, Gaumen hock, Stimme unauff~llig, RSntgenbild des Seh~dels, insbesouders Sellagegend, ohne pathologisehe Ver~nderungen. Hals. Kehlkopf und Schilddriise normal entwickel~. Thorax. Kurz und breit, epig~striscker Winkel groin. Lunge und Herz ohne patho]ogischen Befund. Abdomem Ohne Besonderheiten. Genitale. Penis und Testes grofl, Scrotum lang. Keine Phimose, kein Kr:~torehismus. Mamillen m~nnlieh, kein DriisenkSrper tastbar. Haut warm, mitteldick, mittlere Befeuchtung. Schwacher Dermographismus, Pigmentierung mittelstark, mit normMer Verteilung. Haare fein und sehmiegsam, Burr- und KSrperbehaarung mittelst~rk, Behaarungstyp m~nnlich. t~ettverteilung maskulin, Fettpo!ster mittelst~rk. Muskulatur kr~ftig. Sto]/wechseluntersuchungen. Urinmenge und Trinkmenge in der Anstalt nicht vergr5~ert. S'rAvBseher Zuckerbelastungsversuch: 1. Maximum nach 30 Min. Die L~nge der Hand wurde hier wie bei den Verwandten des Probanden gemessen yore hScksten Punkt des Capitulum ulnae bi.s zur Spitze des li~ngsten Fingers; die Breite der ]-Iand an den Fingergrundgelenken; Mle Messungen sind an rechter I-Iand und rechtem FuBe durchgefiihrt. Als NormMmM~e dienten die mit der gleichen Methode yon DELIA WOLF and H.-K..K~oEPFEL an einer gr61teren Zahl yon normalen M~nnern und Frauen erhMtenen DurchschnittsmM3e, die im Vergleieh zu den Angaben der bisherigen Literatur eher etwas gro~ sind. Die Unterschiede zwischen den Befunden bei unseren AkromegMoiden und den NormMen waren also nach der bisherigen Literatur eher noch ausgesprochener als in meiner Darstellung. Die tland-und Ful3l~nge wurde Welter in Prozent tier K6rper]~nge angegeben. Als Durchsehnittsm~B der Handl~tnge wurde bei iYi~nnern ] 1,7 %, bei Fr~uen I 1,4 % dcr KSrperl~nge angenommen, als durchschnittliche Fu~lange bei beiden Geschlechtern ] 5,4 %.
Untersnchnngen zwischen Psychopathologie und Endol~'inologie.
9.89
125 rag-% Blutzucker, 2. M~ximnm naeh 90 Minl 112 rag-% Blutzueker. Urin: Zueker und Eiweil~ nicht n~chzuweisen.
Zusammen/assung. Der heute 28j~hrige Proband ist deutlicl~ akromegaloid. Die akromeg~loide KSrperkonstitution entwicke]te sich in seinem 17.---20. Lebensjahr. Er ist seit der Pnbert~t haitlos, triebhaft und vietfach diebiseh, Seine Asozialitgt kennzeichnet sich dadurch, d~8 sie in kurzen, rasch sich folgenden Perioden auftritt, subjektiv als miirrische, triebhgfte und nachher depressive Verstimmung empfunden wird und m~nchmgl mit Poriomanie, periodisehen sexuellen Drangzustgnden und periodiseher Polyphagie einhergeht. Yerwandtscha[t des Probanden. Der Erforsehung der Verwandtsehaft des Probanden standen die fib]ichen, bereits in den Pargllelarbeiten beschriebenen Schwierigkeiten entgegen: Ungenauigkeit der Berichte fiber die KSrperkonstitution verstorbener und abwesender Personen, Ablehnung der Untersuchung dutch einze]ne l~ami]iengliedr und andere. Die gengue Erfassung der mfitter]ichen Verw~ndtschaft abgesehen von der Mutter und ihrer Schwester scheiterte am strikten Verbot der Mutter, ihre ~nderen Verwandten ~ufzusuchen und an ihrer Unfithigkeit, mir genfigenden Aufschlul~ fiber sie zu geben. So butte ich reich in der Hauptsache auf die vg~terlichen Verwandten zu beschrgnken, eine Auslese, die d i e Verwendung meines Materials ffir einen Teil der ursprfinglichen Frageste]lung zu weiteren Arbeiten verunm6g]ieht. Immerhin linden sich unter den Verwandten des Vaters Akromeg~loide gehg.uft, so d~B wenigstens die wichtige Frgge der Beziehung zwischen Akromegaloid und psyehischen Eigenheiten auf Grund meines Materials der Begntwortung nghergebraeht werden kann. Insgesam t erfai3t meine Untersuchung 23 Verwandte des Probanden : Seine beiden Eltern, seine 2 Geschwister, die beiden v/~ter]iehen GroSeltern, die 7 Gesehwister des Vaters mit deren 3 SShnen, die 2 Geschwister des v~terlichen Gro~vaters, die 3 Geschwister der v/~terliehen Gr013mutter, e i n e n vgterliehen UrgroI~v~ter (Vater der Grol3mutter) und eine Schwester der Mutter. Von diesen Verwandten kom~ten 7 persSnlich aufgesucht und 6 befragt werden. 5 derselben liei~en sich aueh messen. Die iibrigcn 18 Personen, y o n denen 5 im Zeitpunkt meiner Erhebungen bereits verstorben waren, wurden mir yon mehreren der besuchten Verwandten eingehend beschrieben. Von 8 derselben konnte ich mir Photographien verschgffen. Die Beschreibungen durch die Verwandten konnten erg~nzt und erweitert werden durch die Berichte weiterer Auskunftspersonen, Krankengeschiehten , Gerichtsnnd Ffirsorgeakten. Um persSnliche, ~llzu wenig objektive Urteile 19"
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WAL~R Z~:'~L~:
nnsch-adlich zu maehen, w u r d e n in den folgenden Z u s a m m e n f a s s u n g e n n u r E i g e n s e h a f t e n n n d V o r k o n m m i s s e a u f g e n o m m e n , welche y o n m i n destens zwei B e r i e h g e r s t a t t e r n u n a b h / i n g i g v o n e i n a n d e r bezeugt oder welehe d u r e h P h o t o g r g p h i e n , K r a n k e n g e s e h i e h t e n u n d fihnlichem belegt w o r d e n waren. Die akromegaloiden S y m p t o m e w u r d e n einerseits d u r c h Betraeht u n g erfagt, andererseits d u r e h Messung y o n K6rpergr6Be, t t f i n d e n u n d Ffigen. Bei der B e u r t e i h m g v 0 n pers6nlieh n i e h t erreiehbaren P e r s o n e n d i e n t e n fiir die KopffoI'm vor allem P h o t o g r a p h i e n ; f/it" die B e u r t e i l u n g der t t g n d e u n d Fiige k a m e n dagegen die Photographiea~ der p e r s p e k t i v i s e h e n V e r z e r r u n g e n wegen k a u m in Frage. Oft k o n n t e die S e h n h n u m m e r in E r f g h r u n g g e b r a e h t werden. N a c h d e n Ersehein u n g e n eines allf~illigen p s y e h o p a t h o l o g i s e h e n S t a m m h i r n s y n d r o m s wurde regelm'gBig gefragt. Gesd~wister. E i n B r u d e r u n d eine Schwester. U1 Schwester des P~'obanden, 27jghrig, Fabrik~rbeiterin. 164 em groB, Hand
20 cm lang = 12,3% der KSrper]~nge (Durchschnitt 11,4%), Fug 24 cm lang = 14,7% der K6rperl~nge (Durchschnitt 15;4:%). Kinn abnorm breit und kr/iftig. Es besteht ein deutliches Al~romegaloid bei eher leptosomem KSrperbau, wobei der Unterkiefer und die H/~nde betroffen sind. Keine Polyphagie. In der Primarschule unauffgllig, arbeitete sie sparer in einer Fabrik, wo sie bis heute blieb. Auf einer Ferienreise nach Palls verlangte sie schon nack 2 Tagen wieder heimzukehren, da ihr die Grogstadt ~,zu ]aut" war. Sie gilt als ruhig und lebt heute zuriiekgezogen. Frtiher ging sie oft auf den Tanz. Naeh dem Tanz hatte sie dann gew6hnlich mit dem Manne, der sie gerade heimbegleitete, und den sie meist nieht n~her kannte, Gesehlechtsverkehr. Mit 24 Jahren gebar sie unehelieh einem ihr nur fliiehtig bekannten 19jiihrigen Manne ein Kind. Sie ist bis heute nieht verheiratet. B 1 Bruder des Probanden, 30jahrig, Reisender. Da er sich jede Untersuchnng aufs energisclaste verb~t, konnte er leider niekt gemessen werden. Auf der Photographie ist die kr~ftige Entwieklung des Unterkiefers deutlieh zu erkennen. Er tr~igt Schuhe Nr. 41, was einer ungefiihren Ft~Bl~nge yon 27,5 em entspricht. Bei einer K6rperl~inge von sieker mehr Ms i70 em liegt die Fuggr6Be innerhalb der Norm. Es besteht also h6chstens ein schwaeh ausgebildetes Akromegaloid in din- Gesiehtsform. Nach Aussage der Mutter iBt er viel, abet weniger als sein Bruder, der Proband. Eine ausgesproeker~e Polyphagie ist nicht vorhanden. Er besnckte mtr die Primarsehule. In der Schule unaaff/~llig, versuehte er sparer versehiedene Let!ten zu absolvieren, wurde abet entweder wegen kleinen Diebereien wieder fortgeschiekt oder lief wieder weg, well ihm die Stelle nieht behagte. Daher wurde er in eine Zwangserziehungsanstalt geschickt, wo er den Beruf eines Schneiders lernte. Daselbst wurde festgestellt, dab er an ,,ghnlichen CharakteranomMien" wie der Proband selbst leide. Naeh seiner Entlassung arbeitete er aber als l%isender. Bei seinem Arbeitgeber gilt er Ms gute Kraft, wenn er sich zum Arbeiten entsehHeBen kann. Er Iiebte es seit jeher, den groBen tterrn zu spielen und entwendete frtiher der Mutter zu diesem Zweeke mehrmMs Geld. Seit 5 Jahren verheiratet, verdient er heu~e gerade so viel, dab er seine Familie ohne Unterstiitzung durchbringen kann. SobMd aber etwas Geld vorhanden ist, legt er die Arbeit nieder, um sie erst dann wieder aufzunehmen, wenn
U'ntersuchungen zwischen Psychopathologie und Endokrinologie.
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alles a n f g e b r a u c h t ist u n d wean ihm Mutter, F r a u und Arbeitgeber energisch zugesprochen h..,~ben. E r se]bst weiB, dal~ er oft grebe Mfihe hat, sich zn h a l t e n .
gater und dessen gerwanclte. A 2 Vater desProbanden, 60 J a l ~ e alt, Stral~enarbeiter. GrSi3e 176 cm, H a n d breite 11,5 cm, L~nge 24,5 cm ~ ]3,9% der KSrperl~inge (Du~chschnitt 11,7%), Ful~breite l l , 5 c m , Liinge 2 7 , 0 c m = 15,4% der KSrperl~nge (Durchschnitt 15,4%). U n t e r k i e f e r n n d we~iger auffallend Ohren u n d Nase sehr grol3 u n d kr~tftig. Es besteht ein starkes Atcromegaloid bei athletischem KSrperbau. Nach Aussage seiner F r a u i~t er m a n c h m a l wie der P r o b a n d sehr viel, so dai] die F r a u kochen muBte, wie wenn s t a r t vier sieben oder aeht P e r s o n e n zu Tisch gekommen waren. I n a n d e r e n Zeiten hingegen fibersteigt sein Nahrungsbediirfnis n i c h t die Norm. Es b e s t e h t also eine periodische Polyphagie. Als a l t e s t e r Sohn einer zehnkSpfigen Familie wuchs er in ~rmlichen, aber geordneten Verh~ltnissen auf. E r b e s u c h t e die Primarschule. I n der Schule h a t t e er keine Schwierigkeiten. Da er es sp~iter nirgends ]ange aushielt u n d i m m e r auf der Walz war, erlernte er k e i n e n Beruf. E r galt als wenig sohd, war oft bet r u n k e n u n d wurde einmal wegen Diebst~hls v e r u r t e i l t . Als er fiir einige Zeit ruhiger als gewShnlich w~r u n d ~]s K r a n k e n p f l e g e r arbeitete, l e r n t e er seine F r a n kennen, die auch Pflegerin w~r. Zur Zeit der Bekann~schaft war er hie b e t r u n k e n , doeh wurde der Fr~u yon seiner Familie yon der H e i r a t im H i n b l i c k auf seine T r u n k s u c h t abgeraten. D~ er aber drohte, das Haus i h r e r E l t e r n ~nzuziinden, w e n n s i e i h n verlasse, hob sie das Verhii]tnis n i c h t auf, wurde sparer y o n i b m schwanger u n d heiratete darauf. Schon frfih t r a t e n Schwierigkeiten auf, d~ er wieder zu t r i n k e n begann. Nfichtern arbeitsam, redlich u n d als tiichtiger S t r a ~ e n a r b e i t e r geschEtzt, wurde er n a c h dem Genul3 schon yon wenig Alkohol l a u t u n d gew~lttatig, zerschlug brfillend, was i b m u n t e r die F i n g e r kam, sich i m m e r wieder erbrechend, miBh~ndelte seine F r a u u n d w~rf ihr U n t r e u e vor, wenn sie sich i h m verweigerte. W e n n die Polizei gerufen wurde, ffigte er sick ohne W i ~ e r s t a n d u n d warde kleinlaut u n d angstlich. N a c h dem R~useh war er miirrisch n n d trotzig u n d sprach oft t~gelang, einmal sogar monatelang, k a u m ein W e f t . Oft war er d a n n auch s t a r k depressiv v e r s t i m m t , drohte Suicid zu begehen, einmal m i t l:~asiermessern, einmal d u t c h Erhangen, lie~ abet den W o r t e n nie die T a t folgen. D a n n weinte er wieder, ohne einen G r u n d dafiir angeben zu kSnnen, zeigte iiberbordende Reue u n d b a t seine F r a u kniefi~llig, ihm zu vetzeihen n n d ihn n i e h t zu verlassen. Wie aus den A k t e n der Alkoholffirsorge hervorgeht, war er m a n c h m a l wochenlang jeden A b e n d b e t r u n k e n , d a n n wieder n u r einmal in der Woche, u m sich zu a n d e r e n Zeiten wieder oft mehrere Monate lang zu halten. A m gef~hrdetsten war er, wenn er Ge]d erhielt. So v e r t r a n k er oft den gr6/3ten Tell seines Verdienstes, b e v o r er heimkeh~te. Manchmal v~rschaffte or sich aber auch Geld, i n d e m er es seiner F r a u entwendete, seinen SShnen e n t l e h n t e (was er i m m e r wieder zuriickgab) oder Haushaltungsgegenstgnde verkaufte, i~r versetzte er sogar seinen Ehering. W e n n er sich h a l t e n konnte, war er vertrgglieh, solgte fiir seine Familie n n d schickte seinem Ffirsorger sogar Blumen. Mehrmals u n t e r n a h m er m i t seiner Familie wenig motivierte, im Vergieich m i t seiner Stellung e~staunlich grebe Reisen, so n a c h Paris u n d Brfissel. Manchmal hielt ihn aber n u r die Angst, yon seiner F r a u geschieden oder entmiindigt zt~ werden, v o m T r i n k e n ab. E r war d a n n i m m e r sehr giftig u n d miirrisch. Oft fiel es seiner F r a u auf, wie er pl6tzlich vergnfigt u n d redselig wurde, u m d a n n n a c h t s schweT bet r u n k e n heimzukehren. Diese euphorische V e r s t i m m u n g war ein so sicheres Zeichen fiir den bevorstehencIen D u r c h b r u e h der T r u n k s u c h t , daI~ die F r a u a n
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WA~T~a Z ~ :
solchen Abenden schon zum voraus die Pol~zei holte. Nachdem immer wieder Perioden yon Nfichternheit und Trunksucht abgewechselt hatten, wurde die Ehe getrennt. Auf sich gestel]t, wuBte sich der Vater nieht zu hgtfen, reiste ziellos umher und verw~hrloste, so da~ er auf seine flehenden Bitten gegen den Widerstand der Frau wieder yon seinen Kindern in die Familie aufgenommen wurde. I n der Folge hielt er sieh recht gut, trunk nur noch einmal fiber den Durst, bekam aber darauf derartige Magensehmerzen, dab er es seither bleiben lieB. Nach einer starken Magenb]utung mit darauffolgender Magenresektion enthielt er sich aus Angst vor dem Tode weiteren Alkoholexzessen, trinkt aber auch heute noeh t~glich ein Bier, ,,da er sich Abstinenz nicht befehlen lassen will". I n letzter Zeit wurde er einsiehtig und gibt heute zu, dab er sich mit dem Trinken viel geschadet hat. Auch heute glaubt er noch, sich ohne seine Frau, yon der er weiB, dab sie ihn haBt, nicht helfen zu kSnnen und fiirchtet sich, nach ihr zu sterben. Bei der persSnliehen Befragung ist er sehr zurfickhaltend, abet hSflich. Der affektive Rapport ist nur oberfl~chlich. W~hrend er sich Hand und Fu~ messen l~Bt, weigert er sich energisch, sich photographieren zu lassen. Geschwister des Vaters und deren NachIcommen. t~2 Bruder des Vaters, 59 Jahre alt, Lagerverwalter. Er konnte nicht gemessen werden. Auf seiner Photographie f~llt sofort das sehr breite, hohe Kinn auf. Es besteht sicher ein mittelstarkes Akromegaloid bei athletischem K6rperbau. Polyphagie ist nicht nachzuweisen, ebensowenig andere StoffwechselstSrungen. I n der Primar- und Fortbildungsschule war er ein durchschnittlieher Schiller. W~hrend. der Lehre sol] er sich oft ohne auBeren Grund yon der Arbeit entfernt haben. Er wurde zu jener Zeit als wurstig, leichtsinnig und versehwenderisch bezeichnet. I m Alter yon 22 Jahren versuchte er als Postbeumter in betrunkenem Zustand einen Briefmarkenautomaten aufzubrechen. Dann hielt er sich einige Zmt g u t . E i n J a h r spi~ter wurde er verurteilt, da er auf eine 5ffentliches ~rgernis erregende Weise ~mzilchtige Handlungen vorgenommen hatte. (Der genaue Sachverhalt ist nicht zu erfahren, da die Gerichtsakten bereits vernichtet sind.) I m gleichen Jahre lie~ er sieh eine Unterschlagung yon insgesamt Ft. 900,-zu Schulden kommen. Das Geld brauehte er zum Tell zur Begleiehung yon Rechnungen, zum grS]~eren Teil aber, um in Gesellsehaft den groBen Herrn zu spielen und Frauen einzul~den. W i e e r vor Gericht sagte, wollte er sich immer wieder bessern, doch habe die Gleichgfiltigkeit schlieBlich immer wieder die ~ b e r h a n d gewonnen. Nach VerbfiBung seiner Strafe wechselte er seinen Wohnort und wurde schliel~lich, nachdem er geheiratet hatte, L~gerverwalter. Seither lieB er sich nichts mehr zu Schulden kommen, gilt ~ls tilchtig und zuverl~ssig und ist heute aktives Mitglied einer politischen Partei und Vorstandsmitglied einer Genossenschaft. C2 Bruder des Vaters, 58ji~hrig, StraBenarbeiter. Er konnte nieht gemessen werden. Auf seiner Photographie f~l]t sofort der breite, sehr kriiftige Unterkiefer auf. Hi~nde und FilBe konnten nieht beurteilt werden. Es besteht bei einem athletischen KSrperbau ein mittleres Akromegaloid. Wie seine fibrigen Brfider.iBt aueh er viel, ohne dab yon einer krankhaften Polyphagie gesproehen werden kann. Er besuchte die Primarschule. In der Schule galt er als frech, faul und prahlerisch. Aus einer Staatsstelle wurde er frilh entlassen, angeblich, well er durch sein vergnilgungssfichtiges Leben mi~ seiner Frau zusammen zu viele Sehulden machte. Seither sol] er sieh in dieser Beziehung gebessert haben, gilt aber auch heute noch als faul und arbeitsscheu. Er wird yon seiner Gemeinde als Stra~enarbeiter besch~ftigt.
Untersuehungen zwischen Psyeholoathologie und Endokrinologie.
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D 1 einziger Sohn des obigen Onkels, Vetter des Probanden, 25jghrig. Eine genaue Beschreibung war leider nieht erh<lieh. E r sell eher seiner (mit dem Probanden nieht verw.andten) Mutter gleichen. Nach der Sekunclarsehule absolvierte er eine Lehre in einem Baugeschgft und sei beraflieh tfichtig. Er gilt als ,,Swingboy" und reist oft fiber eine Bahnstunde welt, um in der Stadt zweifelhafte Bars und Dancings zu besuchen. D~ Schwester des Vaters, 56jghrig, Schneiderin. Sie wurde besucht, aber nicht gemessen. Sie weist bei leptosomem KTrperbau ein sehwaehes, aber deutliehes Akromegaloid auf, das sich besonders in der GrSBe der H~nde und FiiBe sowie des Unterkiefers bemerkbar maeht. I n der Primarschule war sie unauff~llig. Sie blieb unverheiratet, da ihr Verlobter starb und sie sell keine anderen Mgnnerbekanntsehaften gehabt haben. Heute f~ihrt sie den Haushalt ihres Vaters, fiir den sie gut sorgt. Daneben arbeitet sie noeh Ms Sehneiderin. Obwohl sie barseh und bSse erseheint und den Eindruek einer verbitterten und hoehmfitigen alten Jungfer maeht, sei sie in Wirkliehkeit herzensgut und riihrend um das Wohl ihres Vaters besorg% Bei meinem Besueh war sie augerordentlieh abweisend und miBtrauiseh und weiger~e sieh entsehieden, sieh messen' zu lassen oder irgendwelehe Auskunft zu geben. E 2 Schwester des Vaters, 54 Jahre alt, Verk~uferin. Auf einer Photographic f~llt ihr Unterkiefer als breit und kr/iftig auf. ~dber die Itandl~inge war niehts zu erfahren. I h r e Sehuhnummer 41 entsprieht einer FuBl~nge yon 27,5 era. Ihre KTrpergrTl~e miBt zwisehen 160 nnd 170 em; so dab die FuBlange mehr als I6% der KTrperl~nge ausmaeht, gegenfiber einem Durehsehnitt yon 15,4%. Es ist also ein mittleres his starkes Al~romega~oid anzunehmen. Sie besuehte die Primar- und Fortbildungssehule. Als Lieblingskind der Mutter ist sie bei ihren Geschwistern, die sie als schwach, stolz und selbstsiiehtig bezeichnen, nicht beliebt. Sie ist eine gute Verk/~uferin, weehselte aber wiederholt freiwillig ihre SteIlen, so dag sie in versehiedenen St~dten arbeitete. Mit 25 Jahren war sie wegen ,,nervTsen StSrungen" in grztlieher Behandlung. Eine Krankengesehiehte war leider nieht erhaltlieh. Seit jeher liebte sie es, fiber ihre Verhgltnisse zu leben. Aus versehiedenen N~nnerbekanntsehaften sell sis finan, ziellen Nutzen gezogen haben. Unter andern lernte sie einen Sonderling kennen, der, obsehon alter als sie, besonders ihre Mfitterliehkeit sehgtzte, und yon dem sie glaubte, er werde sie heiraten, trotzdem er gesellsehaftlieh einer andern Sehieht angehTrte ats sie. E r kaufte ihr eine Aussteuer, riet ihr dann aber, einen Arbeiter, den sie vor kurzem kennengelernt hatte, zu heiraten, da er sieh vor einer definiriven Bindung fiirehtete. Dieser Arbeiter war sehon zweimal gesehieden nnd lebte seit 10 J a h r e n allein. Trotzdem e r als au/3erordentlieh tiichtig gait, war er ein sehwerer Trinker, was sle aber erst wenige Tage vet der Hoehzeit erfuhr, da er Zur Zeit der Verlobung abstinent lebte. Von seiner dritten Ehe entt~useht, begann er naeh 2 Monaten wieder zu trinken. E~ warf seiner Frau vor, ihre ehetiehen Pfliehten nieht zu erfiitlen, t~gtich den Besuch ihres Freundes zu empfangen, der sehon bei der Hoehzeit dabei gewesen war und yon dem sie i m m e r wieder Geld angenommen hatte. Daneben erhielt sie st~ndig Besueh yon ihren Verwandten, so dab er fast nie mit seiner Frau allein sein konnte. Sie hingege n hgtte es vorgezogen, eine teurere Wohnung zu beziehen, die ihr Freund zahlen wollte, ffihlte sieh nieht verstanden und beklagte sieh, nieht die Frau, sondern die Haushiilterin ihres Mannes zu sein. Nachdem sie sehlieglich einen ,,Nervenzusammenbraeh" (fiber den leider nichts Genaueres zu erfahren ist) erlitten hatte, wurde die Ehe gesehieden, wobei ein Psyehiater feststellte, daft bei keinem der beiden Eheleute ein ,,krankhafter Charakter" vorliege.
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Nach der Seheidung arbeitete sie wieder als Verk~uferin, w~hrend ihr i~[arm nach einer gliieklichen vierten Ehe vollkommen verwahrlost wegen Trunksucht und Tabes dorsalis w r s o r g t werden muBte. F,~ Schwester des Vaters, starb 43j~hrig, Kellnerin. Auf einer Photographie ist ihr kr~f~iges Kinn deutlich z u erkennen. Ihre GrSBe soll zwischen 160 and 170 cm betragen haben. ~ b e r ihre tIandl~nge war niehts zu erfahren. Sie trug Schuhe Nr. 41 and 42, was einer FnBl~nge yon etwa 27,5 cm entspricht. Die FuBl~nge wiirde zwischen 16~2--17,2% der K6rperl~nge betragen (Durchschnitt 15,4%). Es ist also ein Akromegaloid anzunehmen. Eine genaue Beschreibung ihrer Pers6nliehkeit war nicht erh~ltlich. Sie galt als arbeitsam undenergisch, aber aueh als stolz and hoebmiitig. Bei ihrem Tod besal~ sie ein Hote], nachdem sie frilher als Serviertoehter gearbeitet hatte. Es wird vermutet, dab ihr das Hotel yon einem Freunde geschenkt worden sei. G2 Bruder des Vaters, 52j~hrig, Lehrer. KSrperlgnge 178 cm, Handbreite 10,7 era, L~nge 22,3 cm ~-12,6% der KSrperl~nge (Durehsehnitt 11,7%); die Schuhnummer 43--44 entspricht einer FuB1/~nge von etwa 29 em oder, auf die K6rperl~nge bezogen, yon 16,3% (gegeniiber einem Durehschnitt yon 15,4%). Der Unterkiefer ist breit und kr~ftig. Es besteht also ein mittleres Akromegaloid bei athletischer Konstitution. Anzeiehen ffir Polyph~gie fehlen. E r hat es yon allen seinen Brildern am weitesten gebracht. E r ist Lehrer. Naehteiliges ist yon ihm weder in seiner tIeimat- noch in seiner Wohngemeinde bekannt. Er ist nieht vorbestraft. Bei meinem Besuch war er hSflich, zuvorkommencl und in keiner Weise auff~llig. E 1 Sohn de~ Letztgenannten, Fetter des Probanc~en, 24j~hrig, Biiroangestellter. Nach den erhobenen Auskfinften, die aber wenig ~usfiihrlich sind, ist er kSrperlieh nieht auff~llig. E r ist verheiratet and wird yon seinen Nachbarn als unauff/~llig, ruhig nnd anst~ndig bezeichnet. Im Gegensatz dazu erhielt er als Offizier die Qualifikation ,,moralisch defekt in bezng auf Eigentum, Frauen and Kameradschaft". I m ]VIilit~rdienst warde er nach einer disziplinarischenBestrMung wegen Verstol~ gegen milit~risehe Ztleht und Ordnung and wegen Betrugsversuch and Gehilfensch~ft bei Betrug verurteilt. F 1 Sohn des G~, Fetter des Probanden, 20j~hrig, Schiller einer Faehschule. GrSBe 178 em, t I a n 4 8,9 em breit, 20,7 cm lung, was 11,6% der KSrper]~nge entspricht (bei einem Mittel yon 11,7%). Schuhnummer 39, entsprechenct etwa 26,2 cm = 14,7% der K5rperl~nge (Durchschnitt 15,4%). I m Gegensatz zu den kleinen tI~nden and Fiil~en steht cIas sehr breite, kr~ftige Kinn. Es besteht also bei athletischem KSrperbau eine akromegaloide Stigmatisierung des Kinns. Bei seinem Alter ist die MSgliehkeit gegeben, dub sieh ein Akromegaloid in den n~ehsten Jahren noeh starker ausbilden wird. Eine Polyphagie besteht nicht. E r besucht eine Berufssehule. Seine Leistungen liegen unter dem Durchschnitt. Sie sind zwar manehmal sehr gut, ~ber h~ufiger sehleeht oder ganz nnbrauehbar. Dabei fehlt es nieht an der Intelligenz, sondern an der Aufmerksamkeit. In seinem Zimmer herrscht manchma] eine unbeschreibliche Unordnung. Wird er deswegen zureeht gewiesen, h~lt er einige Zeit gute Ordnung, um dann pl~Stzlieh in seine alte Gewohnheit zu fallen. Den Mitschiilern gegenfiber lfihlt er sieh iiberlegen and behandelt sie herablassend, so dab er yon ihnen isoliert ist, wenn er aueh oft in der freien Zeit mit ihnen zusammen ist. E r ist ein starker Raueher nnd iibertritt immer wieder kleine Gebote nnd Verbote der It~nsordnang. ~ n e h m a l verl~Bt er ohne ~nl~eren Grand die ihm zugewiesene Arbeit and geht zu seiner Freundin, einer Serviertoehter, die oft auch naehts yon ihm besueht wird. H.~ Bruder des Faters des Probanden, 43j~hrig, in Amerika. 5~ach Aussage seiner Gesehwister babe er von allen weitaus das g~SBte Kinn, ,,ein richtiges
Untersuchungen zwischen Psychopathologie nnd Endol~'inologie.
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Horn". Aueh die tt~nde und FfiBe seien sehr groB. Auf einer Photographie des erst ]2j~hrigen erseheint in der Tat das Kinn sehon groB zu sein. Die K5rperl~tnge betrage heute sicher fiber 180 era. Als Bursche war er ein Spitzbube, zu nichts zu gebrauehen. Gearbeitet babe er nie gerne. I n der Fortbildungsschule wurde er wegen vieler unentschuldig, ter Absenzen gebfi~t und maehte sich durch sein iorahlerisches Wesen bemerkbur. Mit 19 Jahren ,,fand" er das Portemonnaie eines seiner Turnkameraden, das dieser nach der Turnstu~de in der Garder0be vermiBte. Die darin enth~ltenen Fr. 40.-- verbrauehte er am n/~chsten Sonntag. Da ihm der Diebstahl des Ge]des nicht nachgewiesen werden konnte, wurde er sehliel~lieh wegen Fundunterschlagung vernrteilt. Als sp~ter klar wurde, dab er es in seiner H e i m a t zu nichts bringen werde, w~nderte er nach Amerika aus, wo es ihm heute gut gehen soll. Grofleltern des P r o b a n d e n u n d ihre Geschwister. A a vgiterlicher Gro/3vater des Probanden, 88j~hrig, Postbeamter. GrSl~e etwa 160 cm. Habitus ausgesprochen pyknisch. Akromegaloide Stigmata fehlen. Keine Polyphagie. Er ist pensionierter Postbeamter und als solid nnd rechtschaffen bekannt. Friiher ein ~Virtshaashocker, besucht er such heute noch mehrmals in der Woche ein Restaurant. Betrunken wurde er angeblich hie gesehen. B a Bruder des Groflvaters A a des Probande~, starb 50ji~hrig. Spenglermeister, Nachtw~chter nnd Laternenanzfinder. E r war wie sein Bruder ausgesprochen pyknisch. Er war fleiBig nnd solid, ging jede Woche einmal ins Wirtshaus, wurde aber nie betrunken gesehen. Er lebte eher zarfickgezogen and sorgte gut ffir seine Familie. Mit 50 J~hren trat eine progressive Paralyse auf. E r wurde verwirrt, hatte Wahnideen, kaufte sinnlos verschiedene Gegensti~nde 0der holte ~olche ohne zu zahlen ans den Geschgften. Gleichzeitig war er sehr reizbar and guBerst enqpfindlich. Drei Monate nach seiner Einweisung in eine Anstalt s t a r b e r an einer Pneumonie. Ca Schwester des Groflvaters A a des Probanden, 89jghrig, verheiratet. Sie welst lcein Aleromegaloid auf, Sie sei ,,rauh, aber rechtschaffen". Eine gena~tere Beschreibung konnte nicht erhalten werden. D a viiterliche Groflmutter des Probanden, starb 78jghrig. Nach den Photographien und den Beschreibungen bestand ein deutliches Akromegaloid, das sich in der Gr6Be der Hgnde and FfiBe und der Entwicklung des Unterkiefers bemerkbar machte. Eine Beschreibung ihres Lebenslaufes war nicht zu erhalten. Von ihren Kindern wird sie sis reehtschaffen nnd tfichtig, yon anderen als stolz und hochmfitig besehrieben. E a Bruder der Groflmutter v~iterlicheraeits des Probanden, starb fiber 70jghrig. E r war wie seine Schwester deutlics akromegaloid, was sich in der Entwicklung der Hgnde, FfiBe und des Unberkiefers zeigte. Er sei hguslich and arbeitsam, aber such stolz nnd barsch and streng gewesen, ~o dab sieh die Kinder vor ihm geffirchtet hgtten. E r blieb unverheiratet. Genauere Angaben fiber seinen Lebenslauf und seinen Charakter waren mcht erhgltlich. .Fa Schwester der vgterlichen Groflmutter des Probanden, starb fiber 70jghrig. Sie hatte groBe ttgnde und FfiBe und ein groBes Kinn, war deutlics alsromegaloid. Ihren Lebenslgnf und eine Beschreibung ihres Charakters konnte ich nicht erhalten. I m Alter sei sie wegen ,,eines Schlages" nicht bei sich gewesen. Ga Bruder der viiterlichen Grofimutter des Probanden, verschollen. Er w~r groB and hatte groBe ]:Ignde and FfiBe und ein gewaltiges Kinn. E r machte seiner Familie groBe Schwierigkeiten, bestand keine Lehre, war ein Taugenichts, der nicht arbeiten wollte. I m Alter yon 26 Jahren wurde er nach
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WALTEa Z C B ~ :
Amerika geschickt, wo er spurles verschwand. Genauere Angaben konnten nicht erhalten werden. A 4 Vater der viiterliehen Groflmutter des Probanden, etwa 70j~hrig gestorben. Eine genaue Besehreibung fehlt. Er babe grol~e tt~nde und FiiBe und ein m~chtiges Kinn gehabt. Er wird als arbeitsam und hauslieh, abet auch als streng, barseh und sehr Stolz und empfindlieh beschrieben.
Mutter des Probanden und ihre t~amilie. I s Mutter des Probanden, 56j~hrig, Hausfrau, pyknisch. Gesichtsbildung in keiner Weise akromegaloid. 163 cm groB, KarMli~nge 20 cm ~ 12,3% der KSrperl~nge (Durchschnitt 11,4%), Fu~l~nge 24 cm ~ 14,7% (Durchsehnitt 15,4%) der KSrperl~nge. Sie stammt aus einer Ba~ernfamilie. Sie erlernte den Beruf der Pflegerin. Ihren Mann heiratete sie, trotzdem ihr yon seiner Familie davon abgeraten wurde. W~hrend anfangs das Familienleben gut war, traten bald infolge der Trunksucht des Mannes Schwierigkeiten auf. Die Frau 'wurde durch die Umst~nde gezwungen, die Leitung der Familie zu iibernehmen. Ihr ganzes Leben stand seither im Kampf gegen ihren Mann, den sie haBt und dessen akromegaloide und psychopathische Familie sie verwiinscht. Sie haBt aber nicht nur seine Familie, sondern sogar dessen Gemeinde, ja dessen ganzen Keimatkanton. Sie ist aach heute noch nicht nur bei ihrem Mann, sondern bei seinen erwachsenen Kindern die oberste Autorit~t und beherrscht sie weitgehend. Sehon friih setzte sie dutch, dab der Lohn ihres Mannes ihr ausbezahlt wurde. Sie veranlal~t9 auch die Versorgung ihres Mannes and drohte immer wieder, ihn einsperren zu lassen, wenn er sich nicht hglte and ihr nicht gehorche. Dabei lie~ sie sich oft erst erweichen, wenn der Mann buchst~blich vor ihr niederkniete und um Verzeihung bat. Nach der vorfibergehenden Trennung yen ihrem Mann duldet sie ihn nur noch in der Wohnung, ohne da~ er vim zu sagen h~tte und sie sagt ibm oft, er kSnne gehen oder .sterben, warm er wolle. Friiher religi5s, verlor sie dutch die I:[eirat mit ihrem andersgli~ubigen Mann die Verbindung mit ihrer Kirche und ihrer Familie. Sie ist heute atheistisch, da ihr ein Gott au~ ihre Gebete ja dech nicht geholfen habe. t~ei meinem Basuch war sie sehr freundlich und aufgesehlossen. Ihre Verbitterung zeigte sich nur, wenn das Gespri~ch auf den Mann and seine Familie kam. I~2 Schwester der Mutter des Probanden, 50ji~hrig, Krankenschwester. Sie ist etwa 170 cm grol~ und ausgesprochen astheniseh. Sie weist keine akromegaloiden Stigmata auf. Sie war an verschiedenen Orten als Pflegerin t~tig. Sie war seit jeher stark religi6s and hatte eft Tr~ume, in denen sie sich als Himmelsbraut vor dem Altar stehen sah. Friiher war sie, yen einer starken Schreckhaftigkeit abgesehen, nicht auff~llig. Seit etwa 20 Jahren abet ist sie stark eingekapselt und autistisch. Sie tri~gt Bekannten oft religiSse Gedichte vor, die sie selbst gemacht hat, verbringt ihre Ferien an Wallfahrtsorten und versucht nachher, ihre Vorgesetzten zu ihrem Glanb~n zu bekehren. Sie kann heute nut noch zu leichter Arbeit, die nur geringe Anforderungen stellt, gebraucht werden, obschon ihr ihrer Stellung nach wichtigere Anfgaben obl~gen. S0bald grSl~ere Anspriiehe an s'ie gestellt werden, verliert sie den Kopf. Es besteh~ naeh der Meinung der ~rzte, die sie kennen, zum mindesten eine schwere schizeide Psychopathie, wenn nicht eine beginnende leichte Schizophrenie. Ergebnisse u n d Diskussion. E i n e ~Jbersicht der l % m i l i e soil d er folgende S t a m m b a u m geben. W a s zun~chst die akromegaloide K6rperkonstitution des Probanden b e t r i f f t , so ist es offensichtlich, d a b sie u n t e r seinen V e r w ~ n d t e n s t a r k
Untersuchungen zMsohen Psyehopathologie und Endokrinologie.
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geh~tuft auftritt: 23 Erwaehsene derselben sind erfagt worden, yon denen 13 deutlieh und 3 angedeutet akromegaloid stigmatisiert sind. 5 sind nicht und 2 wahrseheinlich nicht akromegaloid. Eine ausgesprochenere famili~re tt'~ufung lieBe sieh kaum vorstellen. Dieser Befund entspricht denjenigen der Paralletuntersuehungen fiber die starke familigre Neigung des Akromegaloids. Welter ist auff~llig, dab sieh in der Familie des Probanden das Akroinegaloid direkt yon einer Generation auf die andere iibertr~gt und dab immer nur die Familie eines der :Ettern eines Akromegaloiden mit Akromega!oid belastet erseheint, nicht die Familie beider Eltern. In der Tat stamlnen die 14 deutlieh Akromegaloiden und die 3 angedeutet Akromegaloiden der Fami]ie alle yon ein und demselben UrgroBvater ab (dem Yater der v~Lterliehen GroBmutter des Probanden). In der mfitterliehen Familie und in der Familie des v~terliehen GroBvaters ist ein Vorkommen von Akromegaloid nieht bekannt geworden, wobei abet einsehr~nkend zu betonen ist, dab nur 2 bzw. 3 Mitglieder dieser letzteren Falnilien geniigend erfaBt w e r d e n - k o n n t e n . (Immerhin wissen wir ferner, dab der Mutter, die fiber das Vorkommen des Akromegaloids in der V~terliehen Familie sehr genaue Angaben macht, in ihrer ganzen Falnilie kein Fall yon Akromegaloid bekann~t ist.) Unter den 19 erfagten Nachkommen eines UrgroBvaters des Probanden sind 14 (inklusiv Proband selbst) deutlich akromegaloid, 3 angedeutet akromegaloid und bei zweien ist die KSrperkonstitution nicht genfigend bekannt. Die akromegaloiden Stigmata des UrgroBvaters finden sieh bei allen 4 Mitgliedern tier Generation der GroBmutter, bei allen 8 Mitgliedern der Generation des Vaters und bei 4 der 6 Mitg]ieder der Generation des Probanden wieder. Der Be]und der direkten Ubertragung des Alcromegaloids ~end der Ubertragung nut dutch ein Elter bestCitigt die Be/unde der ParalIelarbeiten. E r sprieht ffir einen dominanten Erbmodus. Das Akromegaloid ist bei den Verwandten des Probanden sehr verschieden ausgepr'~gt. ]3eim Probanden selbst betrifft es sowohl "die Gesiehtsform, al~ die Hand- und l%]3grSBe und die K6rperls Nur der Unterkiefer ist bei allen akromegaloiden Verwandten akromegaloid geformt. LTber die ttandgrSBe bin ieh bei ]1 der 16 akromegaloiden Verwandten gentigend unterriehtet, in 5 l%]len nicht. Von diesen 1] F'~llen war die Hand im Vergleieh zur KSrperl~nge ]0mal deutlieh fiberdurchschnittlieh lang, lmal durehschnittlich lang. Uber die FuBgrSge bin ich bei 12 F'~llen der 16 akromega]oiden Verwandten genfigend unterrichtet, in 4 F~llen nicht. Von diesen 12 F~llen war der FuB im Vergleieh zur KSrperl/~nge 10real deutlieh iiberdurchschnit~lieh lang, je 2real durchsehnittlieh und unterdurehsehnittlich. Die KSrpergrSl3e fibersteigt nur bei einem einzigen akromegaloiden Verwandten 180 era. Die Regel, wonach die verschiedenen akromegaloiden Merkmale nur lose korreliert vererbt werden, best~tigt sich also in dieser Familie.
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W A ~ B ZEBUS:
Das bei weitem stetigste akromegaloide Merkmal ist in dieser Familie die akromegaloide Kinnformung; es folgen in weitem Abstand die vetgrSBerten I-Iiinde und FfiBe; wghrend der Hochwuchs eine deutliche familfiire H~ufung in dieser Familie vermissen l~I~t. Ich wfirde nicht wagen, nach dem Erbmodus des Al~romegaloids zu fragen, wenn sich die Ergebnisse an dieser Familie nicht dutch die Paralle]arbeiten an grSBerem Untersuchnngsgut h'~tten best~tigen lassen. Uberb]icken wir aber die Parallelarbeit und meine Arbeit zusammen, so dr~ngt sich die Annahme auf, daft die alcromegaloide KSrper-
konstitution dutch mehrere, vorwiegend dominant vererbte Gene iibertragen wird. F fir die dominante Vererhung spricht eindeutig die H~ufigkeit der direkten'LTbertragung yon Generation zu Generation und der 1Viangel an ]Jbertragung yon beiden Eltern her. Ffir mehrere dominante Gene spricht das h~ufige Aufgespaltensein des Gesamtmerkmals Akromegaloid in verschiedene Teilkennzeichen und die 50 % weir fibersehreitende (in der Familie des Probanden beinahe ]00% betragende) I-I~iufigkeit des Auftretens yon akromegaloiden Teilmerkmalen unter den N a c h k o m m e n eines Akromegaloiden. Was die zeitliche Entwiclclung des Alcromegaloids betrifft, so pflegt i~ allen FAllen, in denen sich zuverliissige Angaben darfiber finden Iiel~en, das akromegaloide W a c h s t u m in der Pubert~it zu beginnen und zwischen 20 und 30 J a h r e n seinen AbsehluB zu finden. Das Akromegaloid pfropft sich in der Familie des Probanden ausschlielBlich auf athletische und leptosome K6rperlconstitution auf. Bei Pyknikern findet es sich nieht. Freilich beruhen diese Feststellungen nur auf 7 Akromegaloiden, da ieh mir n u t bei diesen ein zuverlassiges Bild fiber die KSrperkonstitution machen konnte. Der v~terliche Grol~vater und seine beiden Gesehwister, die nicht akromegaloid sind, sind die einzigen Pykniker der Familie. Was nun die psychischen StSrungen betrifft, so ist es offensichtlich, daft sich in der vdterlichen Verwandtscha/t des Probanden, der an psychopathologischen S t a m m h i r n s y m p t o m e n leidet, Psychopathien und
Charakterbesonderheiten stccrlc hiiu/en, die mit seiner eigenen Psychopathie ~hnlichlceit haben. Es handelt sich bei der Mehrzahl dieser Verwandten um Menschen, die trotz guter intellektueller Begabung und trotz vielfachen guten Anl~tufen den nStigen H a l t und die nStige Stete so sehr vermissen lassen, dab sie oft grob sozial entgleisen. Sie zeigen einen ausgespr0chenen H a n g zur Groi~mannssueht und zeit~veise verschwenderischer Lebensweise. Sie kommen sich als mehr vor als andere Leute ihres Standes und ihrer Leistungen. U m ihre Grol~mannssueht zu befriedigen, neigen sie zu plStzlichen, in ihrer Stellung unerwarteten kleineren VermSgensdelikten. Dazu k o m m t oft eine ]eichtsinnige sexuelle Triebhaftigkeit, die bis zu Sexualdelikten bei Mannern, unehelichen Schwangerungen und Bereicherungen aus intimen Verhaltnissen
Untersuchungen zwischen Psychop~thologie und Endokz'inologie. 299 bei Frauen ffihrt, lhre Unstete bei der Arbeit ist oft so groB, daI3 sic zeitweise als arbeitsseheu gelten. Famili'/ir finder sieh aueh die Neigung zum plOtz]ichen l~ortlaufen, die sieh bis zur Poriomanie steigert. I)ai.~ sich nnter d~esen Leuten auch Auswanderer befinden, paI3t in das Gesamtbild. Die periodisehe Polyphagie des Probanden finder sieh beim Vater wieder. (Die meisten fibrigen Verwandten sind nieht derart in Einzelheiten bekannt, dab sieh eine Polyphagie sieher ausschlieBen ]ieBe.) Trotz ~lledem gelingt es der Familie als Ganzes, sieh auf einem gewissen sozialen IkTiveau zu ha]ten. Sie sinkt nieht auf die Stufe der l-Ieimatlosen, Landstreicher oder Gewohnheitsverbrecher ab, es hande]t sich im Gegenteil um vielfache Entgleisungen bei einer kleinbfirgerlichen Lebensffihrung und bei erhaltenen inneren Ansprfiehen an Ehrgeffihl und sozialer Einpassung. In den F~illen, in denen ich genauere Beschreibungen fiber die Pers6nlichkeitsstSrungen erheben konnte, zeigt es sieh, dab viele der Entgleisungen periodischen, lcurzdauernden, dysphorischen Stimmungen mit dranghaftem Leieh~sinn und Triebhaftigkeit entsprachen. Ich stieB also auf/ihnliche Verhitltnisse wie beim Probanden selber, wenn aueh d i e Verstimmungen nicht mit derselben Deutliehkeit nachgewiesen werden konnten wie bei ihm. Bei den entfernteren Verwandten, fiber die die Berichte dfirftig wurden, fehlen Angaben fiber die Periodizit~tt, ohne dal3 ~ber aueh die vorhandenen Unterlagen eine so]che aussehlielten. Die beschriebenen psychisehen StSrungen treten gegen das E n d e der Pubert~t hin auf, um in den leichteren Fallen gegen das Ende der 20er Jahre zurfickzutreten. Auch in den schwereren F~llen tritt im "Laufe des Lebens eine deutliche Besserung der Verstimmbarkeit und des sozialen Verhaltens auf, wenn auch die StSrungen lebensl~ng]ieh erhalten bleiben. Bei den ~i]teren Familienmitgliedern finder sich statt der naiven, aufgesehlossenen, periodischen GenulL und Geltungssueht oft eher ein wfirdevolles, herablassendes, strenges Wesen, das als ,,Sto]z" beschrieben wird. Die Miinner sind im allgemeinen starker betroffen als die Frauen. In negativer Hinsieht ist feStzuste]len, dal3 es sieh keineswegs um Sehwachsinnige handelt. Ebensowenig ]assen sich die St5rungen in den ]3egriff der sehizoiden Psychopathie einreihen. Wenn man unter moralisehem Defekt nicht in rein /iuBer]ieher Begriffsfassung blol3 die antisoziale Verhaltensweise versteht, so sind die v'iiterliehen Verwandten des Probanden auch n i c h t moraliseh defekt. Sie sind unter anderem der Anhanglichkeit, der Gemfitliehkeit durehaus fi~hig und haben trotz ihrer wiederkehrenden Entgleisungen - - im allgemeinen ein gutes Mitgeffihl ffir soziale Notwendigkeiten. (Man denke unter anderem an die rfihrende Anh/inglichkeit des Vaters des Probanden seiner Gattin gegenfiber, die ihn wegen seiner Schw~iche veraehtet und mil3handelt.)
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WALT~ Zi2sLI~:
Ferner ist hervorzuheben, dab in der v~terliehen Familie des Probanden trotz der sturken I-I~ufung yon Psychoputhien keine Psychosen auftreten/(Abgesehen yon einer progressiven Pa,ralyse, die im folgenden nicht beriicksichtigt wird.) Wenn man versucht, sieh ein zahlenm~Biges Bild fiber die H~ufigkeit der Psychopathien und der ]eichteren PersSnlichkeitsbesonderheiten innerha]b der Norm in der v~terliehen Fami]ie des Probanden zu machen, so ergibt sich: unter den 21 erfaBten v/~terliehen Verwandten linden sich 6 Psyehopathen, 7 churakterlieh Auff~tl]ige, deren Auffg]ligkeit die Grenzen zwisehen l~orm und Psyehopathie noch nicht deutlich fibersehreitet und nur 6 Unauff~tllige, sowie einen in seiner PersSnlichkeit nicht bekannten. Alle Psychopathien und eharakterlichen Auffg]ligkeiten dieser v~terliehen Yerwandten ]assen sich in die oben skizzierten, der Fumilie eigenen StSrungen einreihen. Wghrend die Psychopathen und churakterlich Auff~lligen aussehlieB!ich Nachkommen der v~terliehen GroBmutter sind, z~hlt der v~terliehe GroBrater und seine Leiden Gesehwister zu den Unauff~]ligen. Unter den 14 l~achkommen der v~terlichen GroBmutter figuriert nu'r ein einziger unauff~l]iger ]~rwachsener. Bei den charal~terlichen St6rungen des Probanden selbst war es o//ensichtlich, daft sie sich in das Bild des Stammhirn-, insbesondere Zwischen' hirnsyndroms zwanglos ein[i~gen~ so wie es bisher bekunnt ist: Die periodisehen, k urzdauernden dysphorisehen Verstimmungen, die sexuellen Drangzus~gnde, die Polyphagie und die Poriomanie sind in dieser ttinsieht wegleitende Symptome. Einsehr~nkend muf~ freilieh hinzugeffigt werden, dab die unserem heutigen Wissen entsprechende Umschreibung des psyohopathologischen Zwischenhirnsyndroms nooh nieht" seharf und eindeutig genug ist, u]s dab sieh allein aus einem psyehisehen Bilde heruus je mit vSlliger Sicherheit sagen lieBe, es kSnne sieh einzig um ,ein Zwischenhirnsymptom und unter keinen Umst~nden um etwas anderes handeln. Dem heutigen Stande unseres Wissens naeh ge]ingt numentlich die Unterscheidung zwischen Stummhirnsymptomen und CharakterstSrungen ohne I-Iirnpathologie allein aus der psyehisehen Symptomatologie heraus nieht. Ebenso heikel w~tre die rein psychosymptomatologisehe Differenzierung zwisehen dem Stammhirnsyndrom und ~nderen hirnloka]en Syndromen, namentlieh dem Stirnhirnsyndrom. Beim Probanden selbst konnte nun die Deutung der PersSnlichkeitsstSrung als Stummhlrnsyndrom dadurch wahrschein]ich gemacht werden, dab sie sich mit einem ausgesprochenen Akromeguloid gekoppelt fund, einer StSrung mithin, die ihrerseits auf das lCIypophysenzwisChenhirnsystem hinweist. L&'flt sich nun die den vfiterlichen Verwandten des Probanden eigene Charalcterst6rung auch als Stammhirnsyndrom deuten? Rein psychopathologisch betrachtet erscheint das durchaus mSglieh. Sie ist ja
Untersuchungen zwischen Psychopathologie und Endokrinologie.
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durch Haltlosigkeit, Unstete, triebhafte Sexualit~Lt und Geltungssucht bei normaler Intelligenz gekennzeichnet. Freilich ist bei der Verwandtsehaft des Probanden die Stammhirngenese nieht so offenkundig wie beim Probanden selbst, indem die besonders charskteristisehe,Periodizit~t yon dysphorischen Verstimmungen nicht so deutlieh hervortrst. Es ist nun von lnteresse /estzustellen - - und darin diirfte das wesentliche Ergebnis dieser Studie liegen --~ daft sich ]i~r die aus dem psychisehen Erscheinungsbild heraus nut zu vermutende Stammhirngenese der Psychopathie der lZerwandten des Probanden noch andere Hinweise /inden lassen. Auf den rein zeitlichen Zusammenhang zwischen der Entwicklung des Akromegaloids und der psychopathischen Erscheinungen mSchte ich in dieser Hinsicht keinen besonderen Wert legen. (Beginn in Pubertiit, Stillstand im 3. Lebensjahrzehnt.) Gewichtiger aber ist die Feststellung, daft sieh die psychopathischen St6rungen au/ dieselbe Gro/3mutter erblich zuri~ckfi~hren lassen wie die akromegaloiden Besonderheiten. Beide kommen der grogen Mehrzshl ihrer Naehkommen zu, w~thrend sie (bei den allerdings wenigen) Verwsndten des vgterlichen Grogvaters und der Mutter feh]en. Beide - - die vorliegenden psychopathologisehen StSrungen wie die akromegaloiden - - zeigen such dieselbe hochgradige ~Neigung zu fsmiligrem Auftreten und fibertragen sich direkt yon der einen zur n~ichsten Generation. Bei den meisten der Akromega.loiden unserer Verwandten kommt diese Psychopathie vet, die suf Stammhirngenese verd~chtig ist, und umgekehrt sind die meisten dieser Psyehopathen Akromegaloide. Die genaueren Zsh]en dariiber sind die folgenden: Von den 16 akromegs]oiden Verwsndten des Probsnden sind 5 im Sinne meiner Beschreibung ausgesprochene Psychopathen, 7 Charakterabwegige leichteren Grades und nur 3 (nicht sehr genau bekannte !) charakterlich unsuff~llig. (Dazu kommt einer, dessen PersSn]iehkeit ~icht erf~l~t werden konnte.) Umgekehrt And yon den insgesamt 14 Psychopsthischen und Charaktersbwegigen im Sinne der Beschreibung 12 deutlieh oder angedeutet akromegaloid nnd nur zwei nicht nschgewiesenermsgen akromeg~loid, wobei sber die KSrloerkonstitution dieser zwei nicht gentigend erfai~t wurde. Es ist noeh hinzuZuffigen, dsg der am st~irksten skromegaloide Verwandte des Probanden - - sein Vster - - such ~m st~rksten chsrskterlich gestSrt ist. Im iibrigen ]ieI3 sich eine quantitative Beziehung zwischen dem Grade des Akromegsloids und der PersSn]ichkeitsstSrung nicht nschweisen. - Aus allen diesen Be/unden ergibt sich mit grofler Wahrscheinlichke~t, daft wit nicht nut beim Probanden, sondern auch bei seinen v~iterlichen Verwandten vet Pers6nlichkeitsstSrungen stehen, die sich zusammen mit der alcromegaloiden KSrperkonstitution au/ das Hypophysenzwischenhirnsystem zuriick/iihren lassen. Die nur msngelhaft bekannte mtitterliche Familie zeigt weder Neigung zu Akromegsloid noch zu Psychop~thieformen, die ~uf Stamln-
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WALr
Zi~n~ :
hirngenese verd~ehtig waren. Die Mutter selbst wirkt als ursprOnglich eharakterlich gesunde, gktive Frau, die durch ihr Ung]tick in der Ehe in eine verbitterte Kampfeinstellung hineinger~ten ist. Ihr Leiden, ihr HaB und ihre Erbitterung zeichnen ein erschtitterndes Bild yon der sozi~len Bedeutung der psyehischen Stgmmhirnsymptome unserer F~milie. Die Sehwester der Mutter ist ngch maBgebendem Urtei] der arbei/sam,slrena,~Jz.
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wah~acheinlich nich/akremegaloM,alur#ar Se~uul/m~b, ~elrug.
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deu//ichakromegaloid angedeu/et " nZch:
i
I I mi/Eex~lellen I Drangzu~l~ndenI Po~phagle und' krl~m~ellenhe/- I gun'en'P'rN-II ~mh'm~ngen
schf~-oid~o A-ychop~lhiaode: L#ichlo~chi~phrenie.
?
Pruherver]n#r (~u~ vePsch/os~en 3exuelll~/llo.~, dn~e/icheflfulle~ I 1
t 0-1-
#eschieden unehe#oh A b b . 1.
Xrzte, die sie genau kennen, eine sehizoide Psychopathin, wenn nicht eine Schizophrene und zeigt keine Zeichen, die auf eine StammhirnstSrung verd~chtig wgren. Zusammen/assung.
1. Es wird ein 28j~hriger Mann beschrieben, der kSrperlieh deutlich akromegaloid ist und der CharakterstSrungen ~ufweist, wie sie sich als Zwischenhirnsymptome deuten lassen: periodische, vorerst dysphorisch-dranghafte, dann depressive Verstimmungen mit sexuellen Drangzust~nden, Polyphagie und Poriomanie.
Untersuchnngen zwischen Psychopathologie und Endokj'inologie.
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2. Weiter wurde versucht, eine m6glichst genaue Familiengeschichte zu erKeben, wobei ich 23, vor allem vi~terIiche, erwachsene Verwandte des Probanden erfassen konnte. 3. Das Akromegaloid erweist 8ich unter den Verwandten des Probanden stark geh~tuft, nnd zwar ausschliel~lich u n t e r den Nachkommen einer Grof~mutter. Es fibertrggt sich direkt yon einem Elter auf die Kinder. Doppelseifige Belastung mit Akromegaloid fehlt in unserer Familie. Die verschiedenen akromegaloiden Merkm~le werden nut lose korreliert vererbt. Diese Befunde en~sprechen denjenigen der Parallelarbeiten und ]assen eine Vererbung der akromegaloiden KSrpe;konstitution durch mehrere, vorwiegend dominante Gene vermn~en. 4. I n der Verwandtschaft des Probanden h~ufen sich Psychopathien und leichtere CharakterstSrungen im Sinne der I-Ialtlosigkeit, der Unstere, tier Grol~mannssucht, der sexuellen Triebhaftigkeit und des Wandertriebes, Sie vererben sich in der gleiehen Art wie das Akromegaloid. Sie finden sich wie das Akromegaloid ausschlieBlich bei den Nachkommen der einen Grol~mutter. Akromegaloid and die genannten Pers6nlichkeitsstSrungen sind unter den Verwandten eng (aber nicht absolut) korreliert, indem die PersSnlichkeitsst6rnnges fast ausschliel~lich bei Akromegaloiden und das Akromegaloid fast ausschlieftlich bei den PersSn]ichkeitsgest6rten wieder auftritt. Beide S~Srungen treten auch besonders in der Puberti~t und den Jahren nach der Pubertgt in Erscheinung. Aus diesen Gri~nden muff ein innerer Zusammenhang der Kgrperbau- und der PersSnlichlceitsstgrung als wahrscheinlich angenommen werden.
3. Kasuistik: Ein 6enialer m i t akromegaloider K~irperkonstitution. Von ~|. BLEULER. Mi~ 3 Textabbildungen. Die Versuchung ist groB, charakterologische Erkenntnisse an geni~len Mensehen zu fiberprfifen; ist doch oft die Pers6nlichkeit des Genialen in ihrer Reichh~ltigkeit und :gannigfa[tigkeit geeigneG viele Wesenszfige pl~stischer, klarer und vielseitiger in Erscheinung treten zu lassen, als sie bei gew6hnlichen, farblosen Menschen erkennbar werden. Auch das Werk GerSaler veranschaulicht und kli~rt wie ein helles Spiege]bild die Kenntnis ihrer PersSnlichkeit. Schliel~lich ist die Arbeit der I-Iistoriker, die sich mit genialen Menschen befai]t~ haben, oft derart umsichtig und unvoreingenommen, dab die ~trztlichcharakterologische Betrachtung gut beraten ist, wenn sie yon dieser Arbeit Nutzen zieht. Trotzdem h~ndelt es sich bei der Er.probung medizinisch-charakterologischer Erkenntnisse am Wesen Geniale~ um eine Versuchung, die grol~e Gefahren in sich tr-~gt. Vorerst tr~gt Arch. f. l~sych,u~Zeitschr. Neur. Bd. 180. 9,0
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M. BLEOLER:
sie die Gefahr der L~teherliehkeit in sich; das Genie und seine Leistung lfaben wohl physiologische, hirnanatomische und allgemein psych 0logische Voraussetzungen, aber ihr Wesen ist aus diesen Voraus~ setzungen niemals zu erkl~ren, es liegt jenseits unserer heutigen rein naturwissensehaftliehen Betraehtungsweise. ])as Geniale kommt iiberpersSnlich zustande; es liegt in der Harmoni,e zwischen den Bestrebungen, Begabungen, Tr~Lumen, Hoffnungen und Leistungen eines Menschen mit den Bediirfhissen seiner Kulturepoche. Selbst wenu die iirztlieh-wissensehaftliehe Betraehtung unseren Erkenntnishunger fiber Charakter und Begabung lSschen kSnnte, so h~tte sie uns der Problematik des Genies nicht n~hergeffihrt, die erst beim Verh~ltnis zwisehen dem einzelnen und seiner Zeitepoehe beginnt: Ls ist es aber, mit Maitst~ben und Betrachtungswe~sen an Aufgaben heranzutreten, die damit nicht zu beurteilen sind. Der Natur kommt maI~ gewil~ nahe, wenn man sie mit Schmetterlingsnetz uncl Botanisiertrommel erforscht, aber ihre GrSBe und SchSnheit liegt jenseits solcher Forschungsmethod e n ; die s naturwissensehaftliehe Betraehtung und in ihrem Rahmen die endokrinologisehe und konstitutionspathologisehe kann gewisse Voraussetzungen der gesunden und pers5nliehen Konstitution kl~ren, die Problematik des Genies wird sie aber so wenig einfangen, wie alas Schmetterlingsnetz die Bl~ue des Himme]s und die Weite der Welt. Wohl werde ich reich deshalb hiiten, irgend etwas wie einen Erkl~rungsversuch einer genialen Leistung aus der Endokrinopathie eines genialen Mensehen schSpfen zu wollen. Es soll einzig und beseheiden versucht werden, die Auswirkung unserer Kenntnisse und Vermutungen fiber Zusammenh~nge zwischen PersSnliehkeit und Endokrinopathie bei einem Genialen zu untersuehen. Das Genie Francois-Marie Arouet de Voltaires 1694--1778, dem die vorliegende Betraehtung gilt, ist ein vielseitiges : vorerst bi]dete er eine Art Brennpunkt. der Mensehheitsentwicklung seines. Jahrhunderts; er sammelte in sich die Erkenntnisse und Bestrebungen verschiedener Li~nder, um sie der ganzen zivilisierten Mensehheit bekannt zu machen. Namentlieh vermittelte er zwischen franzSsiseher, englischer und deutscher Kultur und dehnte deren EinfluB weir fiber ihre bisherig.en Grenzen aus, z . B . durch Katharina die Gro2e a u f Rui~land. Sodann k~mpfte er f fir die Anerkennung des Adels yon Wissensehaft und Menschlichkeit, die er auf gleicher Stufe sehen wollte wie den traditionellen A~el. Die Gegens~tzlichkeiten zwischen der alten Welt der Traditionen und einer neuen, dutch geistige Arbeit zu erschaffenden Welt erlebte er mit besonderer Inbrunst und Deutliehkeit und liel~ die Zeitgenossefi lebendigen Anteil an diesem Erleben nehmen, so dal3 er in ihnen neue ]~ntwicl~lungen reifen lieB. E r war ein Bahnbreeher darin,
Untersuchungen zwischen Psychopathologie und Endokrinologie.
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die Vernunft und I)uldsamkeit an Stelle yon starren Traditionen im sozialen Leben m/ichtig werden zu lassen. Mit allen diesen geniale~ Leistungen hat abet diese Studie nichts zu schaffen. Sie hat die mannigfachen und grol~en Werke Voltaires im einzelnen nieht einmal zn erw~hnen. Sie geht nur yon der Feststellung ~us, da~ Voltaires ~kromegaloide KSrperkonstitution auf eine
A b b . 1. u
in F e r n e y , vo]i G a r n e r e y .
endokrine GleiehgewichtsstSrung schlieBen l~Bt und sie will priifen, ob unsere klinisehen Vermutungen fiber die Zusammenh/inge zwischen PersSnlichkeit und Akromegaloid aueh bei einem Voltaire ihre Giiltigkeit haben. Auf die Vermutung, daft Voltaire ein zlk, romegaloider ist, stieB ich beim Durchb]/ittern von Johann Kasp, ar Lavaters Physiognomik. Sie enth/ilt die Bitder Voltaires yon der H a n d des bekannten Genfer Zeichhers J e a n Huber. Das Gesicht Voltaires ist auf diesen Bildern dureh eine unfSrmige, riesige -Nase und durch ein ebenso unfSrmiges , knochiges Kinn gekennzeichnet und verunstaltet. Es 1/tl~t Prognathie vermuten. Ez handelt sich um eine Darstellung akromega]oider oder akromegaler 20*
306
M. ~nEV~R:
Gesichtskonfigurationen, wie sie kaum charakteristischer ausfallen kSnnte. Auf einer Skizze ttubers finden sich aueh die 'eharakteristischen riesigen Hi~nde. Gerade durch den Gegensatz zwischen dem akromegaloiden, an einen Athleten erinnernden Skelet und den durehgeistigten Gesiehtsziiger/sowie den klugen Augen ergibt sieh der Eindruck einer aul~erordentlichen Perssnlichkeit (Abb. 2 und 3).
A b b . 2. V o l t a i r e i n F e r n e y ,
nach
Skizze von lIeinrich
I:s
Es fr~gt sich zungchst~ ob es sieh bei ttubers Skizze um eine karikaturistisehe ~bertreibung oder nm eine wirklichkeitsnahe Darstellung handelt. Kuber wird nun aber yon den Zeitgenossen als Zeichner gesohildert, der die ~ a t u r iiberaus genau wiedergibt und keineswegs als iibertreibenden Karikaturisten. Marmontel, ein Freund Voltaireg, schreibt fiber seinen Besuch in Genf 1760: ..Huber avait un talent . . . amusant e~ tr~s-curieux dans sa futilitY. L'on efit dit qu'il avait des yeux au bout des doigts. Les mains derriere le dos, il dgcoupaft en profil un portrait aussi ressemblant et plus ressemblant mgme qu'il ne l'aurait fair au crayon. I1 avait la figure de Voltaire si vivement emempreinte ,darts l'imagination, qu'absent comme pr6sent, ses eiseaux le reprgsentaient rgvant, gerivant, agissant, et darts ~outes ses atti~tudes. ''~ Desnoiresterres schreibt in seiner Biographie tiber Urteile yon Zeitgenossen: ,,On cite & cet ggard des ehoses ineroyables. I1
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donnait ~ mordre ~ son chien . . , une tranche de fromage, et en l~ retirant des dents de l'animal par des soubres~uts calculus, il arrivait faire reproduire ~ cet artiste d'n~l nouveau genre les traits osseux
A b b . 3. V o l t a i r e in F e r n e y , n a c h Skizze y o n H e i n r i e h I t u b e r .
de l'auteur de la Fienriade, auquel ce talent si incongrfiment appliqu6 donnait de l'humeur." Baron Grimm nannte ttuber ,,un homme plein de gdnie et d ' u n talent unique." Es existieren aber aueh eine groBe Menge yon Portraits aus anderer H a n d yon Voltaire. Auf der Mehrzah] yon ihnen sind die akromega]oiden
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M. B~EVLER:
Gesichtszfige beinahe so deutlich wie auf den Skizzen t t u b e r s , so z. B. auf einem Jugendbildnis mit 24 3~ahren yon Largilli~re, auf einem Bildnis yon La Tour in reifem Alter und ganz besonders auf einem Altersbi]dnis yon Vincent. Auf iiicsem letzteren zeigt sich auBer der akromegaloiden Nase, dem Unterkiefer und den Baekenknochen ein ganz ungewShnlich groBes und unfSrmiges Ohr. Eine klassische akr0megaloide ~wenn nicht akromegale) KSrperkonstitution zeigt auch das Altersbild , L ' h o m m e unique ~ tout ~ge", das sich unter anderem im Werke yon Bellessort findet, Auf diesem Bilde ist nicht nur das akromegaloide Gesieht deutlich, sondern aueh wieder eine riesige, unfSrmige Hand. Dieses Bi]d ist n~cht, wie man gerne vermuten, mSehte, ebenfalls .von J e a n lCIuber gezeiehnet. Aus den Memoiren yon Voltaires Sekret~r Wagni~re w[ssen wit, dab es in der letzten Lebenszeit Voltaires, w~ihrend seiner Pariser Triumphzeit, gezeichnet .wurde, und dab es naturgetreu ist. Beim Durchb|~ttern der graphisehen Samm]ung der Ziireher Zentra]bibliothek, die ein groBes Bfldmaterial fiber Voltaire enth~lt, wird die Vermutung, da[t es sieh bei ihm um ein Akromegaloid, wenn nicht um eine Akromegalie handelt, best~tigt. Auf Bi]dern yon Garnerey z. B., die er der Adoptivtoehter Voltaires widmet, sind die akromegaloiden Gesichtszfige (Backenknochen, Nase, Unterkiefer) klassiseh (Abb. 1/. ~ b e r die I-Ignde ist es sehwieriger, sich ein genaues Bild zu machen. Versehiedene Skizzen widerspreehen sich. Immerhin ergeben die meisten und besten Bilder den Eindruck einer hageren, knochigen und groBen H a n d (z. B. Bi]d'von Bar~t 1774, Bild yon Mr. B . . . . 1765}. Aueh die bekleideten FfiBe erscheinen auf vielen Bildern groB zu sein, doeh ist in dieser I-Iinsicht der Naturwahrhaftigkeit der Zeiehnungen nicht zu trauen. Die graphische Sainmlung zeigt deuili~h, dab sich die akromegaloiden Zfige im Laufe des Lebens verst~rken. Man kSnnte versueht sein, die Statue des nackten Voltaire yon Pigalle aus dem Jal~re 1776 in erster" Linie zur Beurteilung seiner KSrperkonstitution heranzuziehen. Sie befindet sieh heute noch im Institut de France in Paris. Das ganze Gesicht (Nase, Kinn, Ohren) ist daraiff deutlich akromegaloid geformt. Nieht fibertrieben groB, aber lang und knochig sind die H~nde Die FiiBe erseheinen groB, wenn ihre GrSBe auch weniger disproportioniert ist wie diejenige yon Ngse und Unterkiefer. Die Genitalien sind bedeekt. Man mul~ aber bei der Beurteilung dieser Statue beaehten, dub sich Voltaire nicht nackt d e m Kiinstler gezeigt hat. Vielmehr hat dieser nut die unbekleideten Teile Voltaires naehgebildet, w~thrend "er als Modell fiir den naekten K S r p e r einen ulten Soldaten ausw~hlte, yon dem ec vermutete, er gleiche Voltaire (Desnoiresterres). Genaue und ersch6pfende Beschreibungen der K6rperkonstitution habe ich in 'einer umfangreichen Voltaire-Literatur nicht gefunden.
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T r o t z d e m lassen sieh zahlreiehe Einzelbemerkungen zusammenstellen, die alle sieher zeigen, d a b er yon einer ganz auBerordentliehen KSrperkonstitution gewesen ist und zusammen b e t r a e h t e t ihrerseits wenigstens darauf hindeuten, dab das AuBerordentliehe im Sinne des Akromegaloiden lag. Als Voltaire 16j~hrig war, bemerkte der Schriftsteller J e a n - B a p t i s t e Rousseau anl~Blieh einer Preisverteilung fiber Voltaire: ,,Jeune ~colier . . . . d'assez mauvaise physionomie, mais d'un regard vif et ~veiI15". In den Polizeiakten fiber den jugendliehen Voltaire heigt es: ,,Arouet de Vottaire est grand, sec et a Fair d'un s a t i r e " . Mit 22 J a h r e n sagte Voltaire yon sieh selbst, er sei ,,maigre, long, sec et d@harn~". Mit 28 J a h r e n nen~t ihn ein Genfer Staatsrat ,,un jeune homme fort maigre". Seine hagere Gestalt ,Mrd dauernd hervorgehoben. Mit 59 J a h r e n besehreibt ihn der F r a n k f u r t e r Polizeioffizier, der sein Gepack naeh den Handsehriften Friedriehs des Grogen zu durehsuehen hatte: ~,I1 a d'ailleurs tout Fair d'un squelette". Der Abb6 Bettinelli gibt vom 64jahrigen eine anschauliehe Besehreibung : , , . . . sa singuligre et grotesque figure fit sur moi une impression ~ laquelle je n'6tais pas pr6par~. Sous un bonnet de re]ours noir qui lui deseendait jusque sur les yeue, on voyait une grosse perruque qui eouvrait les troisq u a r t de son visage, ce qui rendait son nez et son menton encore plus saillants qu'ils ne sont. dans ses portraits. I1 avait le corps envelopp6 d ' u n e pelisse de la tgte aux pieds. Son regards et son sourire 6taient plein d'expression." Mit 78 Jahren sagt Gaberel yon ihm: ,,Toutes les traces de Ia eadueit6 sont empreintes sur son visage. Ses joues sont eaves et rid@s, son nez prolong6 . . ." In emer Beschreibung fiber den 82jahrigen ist hervorgehoben: , , . . . . le visage tout rid6 et rendu plus volontaire par la perte desflents, son grand nez et son menton ~aillants, la voix 6elatante , les yeux per~ants, mais parfois d'une doueeur velout~e . . .". Seine Gestalt war, wie es viele Bekannte bezeugen, im Alter stark gebeugt, was natiirlieh in keiner Weise fiir das Akromegaloid charakteristiseh ist, abet immerhin bei Akrofnegaloid besonders h~ufig v o r k o m m t . Endlieh ist sicher bezeugt , dab seine Stimme, wie bei vielen Endokrinopathien, eine auBerordentliehe war. Madame de Genlis, Marmontel, sprechen in seinem Alter yon einer ,,voix s@ulerale". D e r kteine Sohn yon Madame de Fr6nilly ersehrak, als er Voltaire gratulieren sollte, weft er sich seheinbar ,,einem groBen Skelet" gegenfiberfand. In einer Hinsieht linden s i c h klare, in der Literatur sieh immer wiederholende Angaben darfiber,, dab seine H~nde dutch i h r e n knochigen Ba~ auffielen. Ein besonderer l-Iinweis auf eine endokrine St6rung bei Voltaire liegt noeh darin, dab er siehhicht rasieren mugte. I n einem anonymen Briefe v o m 4.11. 1776 heigt es unter anderem: . . . . . Als ich Ihnen fiber den
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M. BLEVL~ :
KSrperbau Voltaires sprach, vergaB ich eine Besonderheit zu erw~hnen, die alle Welt h~tte bemerken k5nnen, die aber soviel ieh weil~, bisher niemand erwghnt hat. Er hat keinen Bartwuehs, wenigstens ist derSelbe so geringgradig, dab er sieh hie rasieren lgBt. Auf seinem Kaminsims liegen 3 oder 4 kleine Pinzetten zur Epilation, mit denen er spielt und sieh von Zeit zu Zeit einige I-Iaare ausreil~t, w~hrend er mit dem einen oder andern spricht . . . . " Man kSnnte an der Glaubwiirdigkeit dies er anonymen Mitteilung zweifeln, immerhJn hat sie der Sekretgr Voltaires, Wagni~re, in seinen kritischen Bemerkungen zu den anonymen Schriften nieht dementiert. Es linden sieh aber aueh andere Beweise daftir, daB. sich Voltaire Imindehtens im Alter} nicht rasieren muBte, sondern nut mit Epilatorien ]=Iaare auszupfte. So hat Voltaire in seinen Briefen Freunde beauftragt, ihm solche EpiIatorien anzusehaffen. E r sehrieb dabei: ,,Ich bin wie ein Einwohner der KOlonien, der sich nicht m e h r zu helfen weiB, wenn er aus E u r o p a Nadeln nnd K g m m e erwartet. Solche kleine Gesehenke fSrdern die Freundschaft. Ich wgre Ihnen ftir Ihre Gtite (gemeint ist, ihm die E pilatorien zu versehaffenl sehr verbunden." (Voltaire, Oeuvres eomt~tes. Beuehot, Vo]. 63, p. 459, Lettre de Voltaire ~ Mme. de Villette, 1. 12~ ]776.) Mangelhalter Bartwuchs k o m m t bei den verschiedensten endokrinen St5rungen vor; mangels anderer Endokrinopathien bei Voltaire daft er mit dem Akromegaloid in Zusammenhang gebracht werden. Alles in allem kSnnen wit sicher annehmen, daft Voltaire kSrperlieh dysplastiseh war. Das Gesicht kann sieher als akromegaloid angesehen werden. Dazu paint eine grofie hagere Gestalt. N u t aus Einzelbildern ist zu vermuten, dab aueh seine Itgnde und PiiBe dem Akromegaloid entsprochen haben. Die Stimme war rauh. Die an sieh hgl~liehe Gestalt war aber verklgrt dureh den vergelstlgten Bhck. Aus den Bildern Voltaires ergibt sieh weiter deutlich, dal~ sich das Akromegaloid im Laufe des Lebens verstgrkte, wie das gewShnlich der Fall ist. Um den nachfolgend~n Beschreibungen seines Wesens den notwendigen t~ahmen zu geben, .sei vorerst die.~iul~ere Lebensgeschichte Voltaires kurz umrissen. Er wurde 1694 ,,ch@tif et mdlingre" als Sohn eines Magistraten geboren. Mit 10 J a h r e n t r a t er in das Jesuitenkollegium ein, wo er ffir die Zukunft wichtige Beziehungen anknfipfte. Mit 16 J a h r e n begann er das Rechtsstudium, das ihn aber bald abstie~. Er wurde nun durch seinen" P a t e n in eine freidenkerische und lasterhafte, aber geistreiehe Gese]]sehaft eingeffihrt, in der er eine Zeitlang aufging. E r machte Schulden und arbeitete nicht mehr ernsthaft. Mit 19 Jahren sehiekte ihn der beunruhigte Vater als Page des Gesandten nach den Niederlanden, urn ihn auf rechte Wege zuriiekzufiihren. Dort khiipfte er ein Verhgltnis mit der Tochter eines hugenottischen Fliiehtlings an, deren Mutter ein abenteuerliehes Leben fiihrte. Er !
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dachte an eine Entffihrung, so dab ihn der franzSsische Gesandte nach Paris zurfickschickte. E r unternahm hier nun auBerordentliche Schritte, um die Geliebte zu sich rufen zu kSnnen, doch unterdessen war sie ihm bereits untreu geworden; darfiber schien er sieh raseh zu trSsten. In dieser Zeit wurde er yore Vater a l s ein derartiger iNichtsnutz beurteilt, dab seine Gef/~ngnisversorgung oder Verbannung in Frage gezogen wurde. S t a t t dessen fand sich aber doch ffir ihn die Arb~it eines Schreibers. E r wurde bei einer Bewerbung um einen Preis der FranzSsischen Akademie abgewiesen, was ihn zu literarisehen Angriffen gegen den GSnner seines siegreiehen K o n k u r r e n t e n veranlaBte. Sie verursaeh~en einen derartigen Skandal, dab er Paris verlassen muSte und in der Provinz bei einem Bekannten des Vaters Zuflucht nahm. In der Folgezeit, nach dem Tode Louis XIV. im J a h r e 1715, fiihrte Voltaire i n Paris ein freies Leben, misehte sich in die groSe Gesehschaft, wo er sich durch sein geistreiehes und sehmeiche]ndes Wesen beliebt machte und entfaltete seine schriftstellerischen Talente. Er stiirzte sich in Spekulationen; die ihm allm~hlieh die Mittel zu einem luxuriSsen Leben versehafften. 1716 wurde .er wegen Angriffen auf den tterzog yon Orldans einige Monate aus Paris v e r b a n n t . I m folgenden J a h r e w u r d e er aus demselben Grunde 11 Monate in der Bastille eingesperrt. I m Gef/~ngnis beendete er sein erstes groBes tragisches Werk. E r erhielt nun hohe Auszeichnungen und eine gr58ere Pension. E r n a h m darauf an Stel]e des bfirgerliehe~ Namens Frangois Marie Arouet den ade]igen N a m e n Monsieur de Voltaire an. W/~hrend er nun einerseits als Sehriftsteller i m m e r gr58ere Anerkennung fand, verwickelte er s~eh andererseits in erbitterte Streitigkeiten, die seine Ste]]ung zu erschiittern drohten. Mit 30 J a h r e n wurde er am ttofe zugelassen. Mit 31 J a h r e n begann eine wfiste Streitaff/ire m i t einem Adeligen, die ihm die Gefangensehaft in der Bastille und die Yerbanhung einbrachte. Er floh nach England, kam aber vorfibergehend heimlich nach Frankreieh zuriiek, um seinem Gegner welter zuzusetzen. Naehher blieb er zwei Jahre, bis 1729, in London. In dieser Zeit t r a t er in engste Verbindui~g m ~ der adeligen, literarischen und wissenschaftlichen Gesellschaft Englands, durch die er in seiner sehriftstellerischen T/~tigkeit stark beeinflul~t wurde. Kurz" naeh der l%fickkehr naeh Paris muftte er erneut fliiehten, weil er wegen seiner literarischen T~tigkeit gegen die l%egierungsform u n d die Kirche von neuem v e r b a n n t worden war. Er zog sieh auf ein LandsehloB in Cirey zurfiek. Es entspann sieh dort ein Liebesverh/~lthis mit der SehloSherrin, der Gr/~fin du Chs Sie h a t t e starke wissenschaftliche Interessen, vor allem an Physik und Mathematik, fiir die sie auch Voltaire begeistecte. Zu gleieher Zeit aber geriet Voltaire i n neue Ehrenh/s schwerer Art. Von 1739 an wurde sein
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M. B L E ~ R :
Leben noeh unruhiger als gewShnlich. :Er unternahm die verschiedensten Reisen zu den verschiedensten Zwecken. Schliefilieh wurde er dank der Grgfin und einflul~reiehen Freunden wieder am kSniglichen I-Iofe angenommen und erhielt Titel und Xmter. 1746 wurde er naeh einer Reihe von Intriguen und Sehwierigkeiten Mitglied der Akadeinie. 1749 starb seine langj~hrige Freundin, die Gr~fin du Chs an einer Geburt. (Die Schwgngerung war, obschon sie neben ihrein Manne Voltaire als Freund hatte, dureh einen Dritten erfolgt.) E r liel~ sieh nun vorerst in Paris nieder, verlor aber dort bald die Gunst des ttofes. Dein K6nig fehlten literarische Interess.en und die K6nig!n war zu sehr der Kirche ergeben, urn ihin viel R a u m zu gewi~hren. 1750--1753 lebte er, yon Frankreieh enttguscht, a m Hofe Friedrichs des Grogen. I m Zusaminenhang mit neuen Intriguen und Streitigkeiten verlieg e r Friedrieh und fiihrte zwei J a h r e lang ein Wanderleben. D e r franzSsische I-Iof blieb ihm versehlossen, weft man ihm seinen Aufenthalt in Preul~en und seine Gesehichtsschreibung iibelnahm. 1755 lieB er sieh endlich in der franzSsisehen Schweiz nieder. Wo er i m m e r war, war er rastlos Schriftstellerisch', dramatisch und gesellsehaftlich ti~tig. Von 1760 an lebte er gewShnlieh in Ferney auf franzSsisehem Boden, abet dicht an der Grenze Genfs. Er fiihrte ein iiberaus ga'stfreundliehes I-Iaus und zog einen Strom von beriihinten Besuchern aus der ganzer~ Welt an. Er kfimInerte sich auch als Seigneur yon Ferney um die BevSlkerung und fiihrte Init grol~ein Erfolg industrielle T~tigkeit und neue landwirtschaft.liche Methoden ein. Sein Haush~lt wurde vi)n einer Nichte gefiihrt. Drei Monate vor seinem Tode reiste er noch nach Paris, wo er triumphal gefeiert wurde. Er starb in Paris mit 84 Jahren an einer Erkrankung der oI-Iarnwege, verinutlich einem Prostatacareinom. Der Tod soll naeh der Meinung seiner ~ r z t e dureh seine rastlose Ti~tigkeit in Paris, den KaffeegenuB, der ihm dieselbe erinSgliehen sollte und den Gebraueh yon Opium gegen die Sehlaflosigkeit beschleunigt worden sein. In diesen i~uBeren R a h i n e n sollen nun einige kennzeichnende A n gaben fiber seine Pers6nlichlcelt eingefiigt werden: Es existleren, dariiber viele Bi~nde und jeder der im folgenden gekennzeichneten Ziige lieBe sich aueh an vielen andern Episeden und Urtei]en als den zitierten weiter belegen. Schon in d e r Sehule, einem Jesuiten-Colleg~, gl~nzte er dureh seine Begabung: E r war auch uneriniidlieh iin Fragen naeh neuem Wissen und benntzte z. B. die Pausen~ urn Init den Lehrern zu konversieren , statt mit den Kaineraden zu spielen. I m Gegensatz zu diesein wissenschaftlichen Feuereifer fiel er auf durch kleine Streiehe und durch Schineicheleien den Lehrern gegeniiber. E r lieg sieh in keiner Weise geistig binden. ,,Je voudrais bie~ pouvoir le brider" sagte einer seiner Lehrer. Seine Unstete spfirte er sel,bst sehon i n d e r
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Jugend und guBerte: ,,Je connais ma port6e, je ne suis pas fait pour habiter longtemps le m~me lieu." Der Vater sagte "con seinen beiden SShnen : ,,J'ai pour fils deux fons, l'un en prose, l'autre en vers", wobei mit dem letzteren Voltaire mit seiilem extravaganten Leben gcmeint war. Er erschien damals in maneher I-Iinsieht als besonders ktihn-, in anderer aber als sehr feige. Ein Freund sagte yon ihm: ,,I1 a dans l'~me un courage digne de Turenne, de Moise, de G u s t a v e A d o l p h e , il voit de haut, il entreprend, il ne s'dtonne de rich, mais il craint les moiudres.danger s pour son corps e t e s t poltron avdr6." Sehon in der Jugend zeigte siqh seine tIypoehrondrie. Auf die Frage, wie es ihm gehe, "~ugerte er: ,,Toujours allant et souffrant". Man sagte ibm nach, drei Viertel seines Lebens babe er mit Leiden verbraeht und mit dem Gesehrei, er werde sterben. E r k o n n t e einem galante~n Brief an eine Grafin als 25j~hriger hinzuffigen, sic solle ihm ein Pilaster ffir eine Sehwellung am Auge schicken. E r nahm best~ndig diese oder jene Medikamente ,,wie kleine Miidehen SfiBigkeiten sehleeken". Er pflegte aueh sonst seine Gesundheit auf jede Art und Weise, dutch Di~t, Bewegung, B~ider mit Eselinnenmilch, grSBte Zurfickhaltung im Essen und Trinken. In einem Brief yon Madame de Graffigny anno 1739 heiBt es , , . . . . et pnis il se eroit ~ la mort. I1 se drogue sans eesse: il s ' e s t fourr6 dans la tgte qu'il ne fallait pas manger et il m e u r t de faim". In einem andern Brief x-on ihr heigt e s : , , . . . . sa maladie n'est autre chose que des vapeurs . . . t a n t qu'il est dissip~, i] se porte bien, d~s qu'on le eontrarie, il est malade . . .". Bezeichnend fiir seine hemmungslose I-Iypochondrie ist auch ein Satz, den er viel sp~iter, 1749, an Friedrieh den Grogen sehrieb, noeh bevor er ihm persSnlieh in Berlin n/ihergekommen war: , . . . Pourquoi ne me gu~ririez= vous pas ? . . . Je supplie votre Majest6 de daigner m ' e n v o y e r une livre de vraies pillules de Sthal." Sein Genfer Arzt Tronehin sagte yon Voltaire in den 60er Jahren: ,,Une bile toujours irritante et des nerfs tonjours irrit6s ont 6t6, sont e t seront la cause 6ternelle de ses m a u x . " K u r z vor seinem Tode sehrieb Tronchin im I-Iinblick auf den Gegensatz yon gesundhcitliehen Klagen nnd Unruhe nnd Tatendrang: , , . . . votre vieux voisin fair iei un tapage affreux, et malgr6 d'ineroy-. ables fatigues, il se porte bien . . . J ' a i vu bien des fous en ma vie, mais je n'en ai jemais vu de plus fous que lui: il compte vivre au moins cent ans." Sehr ansehaulieh k o m m t seine I-[ypoehondrie in einem anonymen Brief vom 1.7. 1769 znm Ausdruek (Les m6moires secrets pour servir & l'histoire de la r6publique des lettres, London, 1784.) E r lautet in leieht gekfirzter l]bersetzung: ,,Sie fragen reich naeh Neuigkeiten fiber den Meister ? Es handelt sieh um einen Mann, der in jeder Beziehung eharmant ist, aber unzug~nglieh i m Punkte seiner Gesundheit. E r wird wfitend, wenn man ihm sagt, es gehe ihm gut.
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M. B ~ E w ~ :
Wie sie wissen, hat er seit 40 J a h r e n die fixe Idee, er sei krank. Sie verst~rkt sich noeh mit dem Alter. E r behauptet, yon allen Geit~eln des Alters getroffen zu sein. E r h~lt sich ffir taub, blind und giehtbefallen. I-ISren Sie aber darfiber das folgende: Am Tage meiner Ankunft brachte er mir seine iiblichen Klagen vor und schilderte mir seine Krankheiten im Detail. Ich lieI~ ihn klagen, aber, um seine Klagen nachznpriifen, Sprach i c h . . , ganz leise zu ihn/, so leise und untert&nig, wie man zum Pfarrer spricht und zu hSchsten Respektpersonen. Ieh Stellte sein gutes GehSr lest : N a e h h e r . . . begann er fiber seinen G~trtner zu schimpfen; w~hrend er schimpfte, zog er yon Zeit zu Zeit kleines Unkraut aus, dus unter seinen Tulpen" versteekt war und das ieh selbst k a u m sehen konnte. Ieh mul~te daraus sehlieBen, dal~ er noch sehr gute Augen hat. Und aus der Leiehtigkeit, mit der er sich btickte und wieder aufrichtete . . . st_ellte ich, aueh lest, dal3 er nieht giehtisch sein kann. Es ist unbegreiflich, wie ein so entsehlo~ssener n n d philosophischer Mann in bezug auf seine Gesundheit l~eherliehe ~ n g s t e wie ein kleines Weibsbild hegen kann. Wenn er das geringste spiirt, purgiert er s i c h . . . Das sonderbarste ist, daB' er sehon als jiingerer Mann so geworden i s t . . . " D i e I-Iypochondrie Voitaires bezog sieh auf die verschiedensten Funktionen, bei weitem a m dauerhaftesten aber auf seine Verdauung. In seinen Brie{en heil~t es oft: ,,ieh verdaue schleeht" oder ,,ieh hoffe sehr, Ihre Verdaunng sei in Ordnung". Auf einer Reise fiir Friedrich den GroBen wurden dem KSnig alle paar Tage Betri~ge f fir Einl~ufe an Voltaire anf die l~eehnung gesetzt. Einer der ffir die Umgebung hervorsteehendsten Ziige war die emotionelle Inkontinenz Voltaires. I n den Briefen yon Madame de Graffigny z . B . hat es vielerlei eindrueksvolle Zeugnisse, wie hemmungslos er sieh seiner l~fihrung hingab: ,,Je l'ai fair pleurer ehaudes larmes . . . il n ' e n t e n d jamais parler d'une belle action sans attendrissement." Als sie ihr nnglficktiches Leben erz~hlte, lachte Frau du Chs , u m ihre l~fihrnng zu verbergen, Voltaire aber, ,,der menschliche Voltaire", zerfloB in Tri~nen, ,,denn er sch~mt sich nicht, seine Empfindsamkeit zn zeigen". In dieser Zeit stand Voltaire in den 40er Jahren. Die besondere Aufmerksamkeit, die seine Rfihrseligkeit erregte, zeigt, dab sie sich-nieht etwa: im l~ahmen der damals gewShnlichen gese]lschaftliehen Sentimentalit~t hielt, sondern weit darfiber hinausging. Beim dram~tisehen l~ezitieren lie] sieh Voltaire ganz yon seinen Geffihlen hinreil~en. Er h~tte aul~erordentliche schauspielerische F~ihigkeiten gehabt, wenn ihm die Selbstbeherrschung gelungen w~re nnd er sieh nicht durch seine l~fihrseligkeit h~tte treiben lassen. Sein Sekret~r Wagni~re schreibt: ,,A u n e repr@sentation de Za~re . . . au moment de la reconnaissance de ses enfants, il fondait
Untersucbungen zwisehen Psych0pathologie und Endokrinologie.
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si fort en larmes qu'il oublia ee qu'il devait dire . . ." Als seine l~reundin, Frau du Chg~telet 1749 starb, verlor er jede Fassung. Er selbst driickte seinen Schmerz in den schSnen Worten aus: ,,ge n'ai point perdu une maitresse, j'ai perdu la moitid de moi-m6me, une gme pour @ i la mienne dtait faite." LTber sein damaliges Verhalten beriehtete sein Sekret/~r Longehamp, dab er nachts dureh die Wohnung irrte, als ob er ein Gespenst gewesen w/~re, den Namen der Verstorbenen immer wiederholte und sehlieBlieh ohnm~chtig zusammenbraeh und ins Bert getragen werden muBte. Aber selbst in der damaligen Verzweiflung trat seine emotionelle Weehselhaftigkeit an den Tag. Se~n Frennd. Marmontel beriehtet ein Zwiegespr/~ch mit Voltaire, das bezeichnend ist. Voltaire sagte: ,,Venez . . . partager ma douleur. J'ai perdu mon illustre amie, je suis a u d6sespoir, je suis inconsolable." Marmontel f/~hrt fort: ,,Moi s qui il avait dit souvent, qu'elle dtait comme une furie attaehde ~ ses pas, et qui savais, qu'ils avaient dt6 plus d'une lois duns leurs querelles g eouteaux tirds Fun eontre l'autre, je le laissai pleurer et je paras m'affliger avec lui . . . Je lui demandai de quoi elle dtait morte." Voltaire antwortete: ,,De quoi, vous ne le savez pas ~. Ah, m o n ami, il me l'a rude le brutal. I1 lui a fait un enf a n t ! " Marmontel ffigt tiinzu: ,,et le voils me faisant l'61oge de eette femme incomparable et redoublant de plenrs et de sanglots. Dans ce moment arrive l'intendant Chauvelin qui lui fait, je ne sais quel eonte assez plaisant, et Voltaire de rire aux @lats avec lui. Je ris aussi en m'en allant, de voir duns ee grand homme la facilit~ d'un enfant passer d'un extreme s l'autre duns les passions qui l'agitaient." Zu drolligen Vorf~llen ffihrte seine emotionelle Mitgerissenheit versehiedentlieh bei Aufftihrungen seiner TragSdien. Dabei ver]or e r v o r Begeisterung ganz die Fassung, ersehien Versekiedentlieh plStzlieh hingerissen auf der Bfihrie nnter den Sehauspielern und stSrte so die Aufftihrung. Uber eine Vorstel!un ~ seiner Semiramis anno ]772 beriehtete ein Genfer Pfarrer: ,,Nieht den kleinsten Teil der Vorffihrung babe Voltaire selbst gegeben: Vor der ersten Kulisse sitzend, in Sieht aller Zusehauer, habe er wie ein Besessener applandiert, bald indem er mit seinem Stoeke auf den Boden sehlug, bald mit Ausrufen wie: ,,Besser w~re unmSglich! Mein Gott, wie ist das herrlieh!" Dann zeigte er seine eigene Rfihrung, indem er sich ohne Ende mit d e m T a s e h e n t u e h die Augen wisehte . . . So wenig habe er seinen Enthusiasmus und seine Bewunderung verbergen kSnnen, dab er bei einem ttShepunkt des Sttickes auf die Bfihne geeilt sei und den Sehauspieler an den I-I~nden genommen habe, ohne sieh durum zu kfimmern dab sein Verhalten den Zusehauern die dramatisehen Illusionen raubte . " John Moore berichtet fiber das Verhalten Voltaires bei den Auffiihrungen seiner TragSdien in derselben Zeit: ,,I1 entre duns la passion avec l'6motion
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M. BLEVL~:
la plus marquee, il v a m~me j u s q u ' ~ verser de v~ritables larmes, et il parait aussi touch4 qu'une j e u n e fille qui assiste pour la premiere fois de sa vie ~ la reprSsentation d'une trag~die. Je me suis souvent mis ~, cSt~ de l u i e t y suis rest~ pendant toute la piece, ~tonnd de voir un pareil degr~ de sensibilitd ~ un oct0gdnaire." Seine Emotionaliti~t zeigte sieh abel- nieht nur in solcher Rfihrseligkeit, sondern auch in einer hemmungslosen Zornmfitigkeit und in wilden I:[aBausbrfichen. Uber seine Streit- und Prozessiersucht liege sich endlos erz~hlen. Als er in seiner Jugend berfihmt geworden War, als er eine kSnigliche Pension erhalten hatte, w/~hrend man ihn feierte und begliickwiinschte, konnte er sich mit einem KomSdianten streiten, his ihn dieser mit dem Stocke bedrohte. Voltaire setzte darauf alles ein, damit sein Gegner eingesperrt wtirde. Wenig sp~ter hatte er Streit mit einem Offizier, der ihn tats~tchlich zfichtigte. Voltaire wurde wiiterld und k a m in eine rasende Aktivit/~t hinein, bis er es erreichte, dab auch dieser Gegnex.eingesperrt wurde. 1725, als Voltaire Zugang zum Hole hattel und ihm die Gunst der K6nigin hold war, liel3 er sieh in einen Wortwechsel mit einem heruntergekommenen Ritter yon Rohan ein, der ihm schlieglich Prfigel zukommen lieg. Der Raehedurst Voltaires erschien nun derart unbez~hmbar, dug man diesmal ihn selbst einsperrte und ~/erbannte, u m der Sicherheit seines Opfers Genfige zu tun. Wi~hrend seines Aufenthaltes in Cirey verlieB ihn, trotz des m~Bigenden Einflusses yon Madame du Chg~telet, die ProzeBwut nicht: Prozesse gegen Schriftsteller, gegen den Abb6 Desfontaines, gegen Verleger .... Madame du Chgtelet schrieb darfiber: ,,I1 faut tout m o m e n t le sauver de lui-m~me, et j'emploie plus de politique pour le conduire que tout le vatican n'en emploie de re~enir la chr6tient6 duns ses fers. :' 1723 z. B. begann eine fiir Voltaire typische Aff~re mit einem frfiheren Jesuiten Desfontaines. Voltaire hatte denselben, der wegen eines Sittlichkeitsdeliktes in Bicgtre interniert war, mit gro[~er Mfihe befreit, obschon e r ihn k a u m gekannt hatte. Desfontaines erwies sich aber wenig dankbar und wagte es, Voltaire literarisch anzhgreifen. Das AusmaB der W u t Voltaires steigerte sich w~hrend Jahren. E s kam zu jahrelangen leidenschaftlichen literarisehen Kontroversen und Prozessen. Voltaire selbsI /~u3erte sieh dazu: ,,Je demanderai ]ustie~ des calomnies de Desfontaines jusqu'au dernier soupir." Kein Mittel lieB er im Dienste seiner Rache unversucht. Madame de Graffigny schrieb 1739: ,,C'est une chose terrible que le fanatisme de cet h o m m e sur l'abb~ Desfontaines et Rousseau . . . Je sors d'une conversation terrible l~-dessus, oh nous avons essay6 de le persuader de les mdpriser, Oh faiblesse humaine! I1 n ' a ni rime ni raison quand il en parle. C'es~ lui qui fair faire les estampes, et qui fait les vers qui sont au bus . . . Quelle faiblesse! et quel ridicule cela v a lui donner.! R~ellement le
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eoeur m ' e n saign e, car je l'aime, oui je l'aime, et il a t a n t de bonnes qualitds que c'est une piti6 de lui voir des faiblesses si misdrables." In ~hnliehe verbissen e Feindschaften verwickelte er sieh w/~hrend seines ganzen L e b e n s immer wieder . . . ebenso wie er sieh immer wieder ganz fremder Leute i n fiberaus selbstaufopfernder Art annahm. J e /~lter er wurde, um so hartn~ekiger wurde er in seinen K g m p f e n ffir und gegen andere. Selbst wenn er recht hatte, setzte er sich oft durch seine leidenschaftliehe Kampfweise gegen andere vor der 0ffentliehkeit ins Unreeht. 1746 wurde seine Antrittsvorlesung v o r der Akademie mit Ironie kritisiert. Voltaire fiihlte sich gedemfitigt und verfolgte m i t ' , W u t die Verbreiter d er Streitsehriften gegen ihn. E r trieb die P01izei zu IIausdurehsuehungen u n d e r selbst patroullierte w~hrend derselben auf der Strage. Als man bei einem Violonisten 3 Exemplare eines Pamphletes land, begann Voltaire einen Proze$, der 16 Monate lang dauern sollte. 1748 erfuhr er, dab ein kleiries Boulevardtheater eine Parodie einer seiner TragSdien spielen wollte; in Verzweiflung sehrieb er an die KSnigin und an die Ma,rquise de Pompadour, um um jeden Preis diesen harmlosen Scherz zu unterdrficken. Sehon 4 Monate naeh seiner Ankunft in Berlin begannen die Streitigkeiten: so verlangte er u n d etreichte er die sofortige Entfernnng eines jungen Sehriftstellers vom ttofe, nur weft er dessen Wichtigtuerisches Wesen nieht ausstehen konnte. Etwas sp~ter setzte die berfihmte Fehde gegen d e n Pr/s der Berliner Akademie, Maupertuis, ein. Friedrich schieb seinem Sekret/ir in Paris fiber Voltaire: ,,Je ne m'dtonne pas qu'on parle chez vous de la querelle de nos beaux esprits. Voltaire est le plus mgehant f0u que j'aie eonnu de m a vie: il n ' e s t bon qu's lire. V o u s ne sauriez imaginer l e s duplicitds, les fourberies et les infamies qu'il a faites iei: je suis indign6 que rant d ' e s p r i t et rant de eonnaissanees ne rendent pas les hommes meiIleurs " in .Fernev wurde y o l t a i r e Ms t~first der Wissensch~ften und Kfinste gefeiert und er erhielt Besuehe Intellektueiler aus ganz Europa. Seine Streitsueht milderte sieh aber keineswegs: er k~mpfte gegen Genf und seine Pfarr[herren, gegen J. J. ROusseau, gegen den Bischof yon Anneey a n d viele andere. E r bek~Lmpfte seine vie len Gegner aueh unerbittlieh und mitleidlos mit anonymen Schriften, welehe heimlich vertrieben wurden und die in Paris in die I-I/~nde aller Leute kamen. Eine einzige Bemerkung gegen die Enzyklopadisten in einer Rede vor d e r Akademie konnte geniigen, um die m/ichtige Feder Voltaires in Gang zu setze n und seinen vermeintliehen Gegner so 1/s zu m~ehen, dal3 dieser in Paris unmSglich u n d seine Existenz sehwer bedroht wurde. Vieie seiner Gegner verfo]gte er ~uch fiber ihren Tod hinaus. D'Alembert, ein ffihrender Encyklopadist, war von Friedrich
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dem Grol3en beauftragt worden, Voltaire in seinen Angriffen ,,auf Lebende und Tote" zur M~l~igung zu bringen (1771). U b e r den Mi$: erfolg seiner Bemfihungen sehreibt d'Alembert: ,,I! sera . . . encore plus diffieile de crier effieaeement 6eonomie ~ n o s d6pr6dateurs, que de crier moddration ~ Voltaire et de. le persuader. Je ne lui 6eris gubre sans l'exhorter /r mdpriser ]es chenilles qu'il derase, e~ g m6nager les hommes de m6rite qu'il villipende . . . " Sein K a m p f gegen die Kirche, der so sehr zu seiner Beriihmtheit und seiner Bedeutung beigetragen hat, ~rug immer wieder deutlich den Stempel seiner UnversShnliehkeit, j a seines ttasses und seiner Wut. Auffallend ist die Gegens~tzlichkeit zwischen lang dauerndem erbi~tertem H a g und Kampfeinstellung und gMegentlieher P15tzliehkeit, mit der er eine Feindschaft beenden konnte. ManehmM genfigte efn freundliches, entschuldigendes Wort, um Voltaire eine schwere Beleldigung, die ihm angetan worden war, vergessen zu lassen; andere Male abet veranlaBten ihn Kleinigkeiten zu jahrelangen hM~erfiillten Fehden. Abgesel~en yon den K/~mpfen, die er gegen Fremde ausfocht, h a t t e er auch im Kreise seiner intimen Lebenskameraden oft plStzliche Zornausbrfiche furchtbaren Ausma$es. S'ie pflegten nur kurz zu dauern. Mme. de Graffigny schrieb w/~hrend ihres Aufenthaltes in Cirey 1739: . . . . . C'est un vrM fou . . . Le jour oh je t ' a i 6erit que nous allions jouer la eom6die, tout le monde dtMt pr6t ~ commencer; la poste arrive, il regoit des lettres qui ne lui plMsent pas ~ iI fMt des eris affreux de c o n v u l s i o n s . . . Mon Dieu! qu'il est et tombe dans des especes ' b~te, lui qui a t a n t d'esprit !" Trotz seiner Liebe und Anh~ngliehkeit zur Marquise du Ch~telet setzte es zwischen beiden manchmal Szenen ab, die zu GewMtt/s fiihrten. So bedrohte er die Gr/~fin einmal mit dem Messer und schr~e sic an: , N e me regarde pas rant a v e c tes yeux hagards et louches!!" Dieser Wutausbrueh ereignete sich zudem n oeh in grol~er Gesellschaft. Oft schmollte er auch oder zog sich auf sein Z i ~ m e r zu~fiek,, nnd zwar ~egen 1/ieherlicher Kleinigkeiten So z . B . , wenn er gebeten worde n war, sein Kleid zu weehseln. Auch Longchamp, sein Sekret~r, erz~hlt yon seinen p!Stzlichen Stimmungswechseln. Als er sieh einmM yon seinem Freund verraten glaubte, rib er wutentbrannt das Bild desselben a u s dem Rahmen, Zerstampfte es und waft ~ s ins Feuer. Es daft v e r m u t e t werden, dal3 die Tics VoltMres m i t seiner allgemeinen emotionellen Unruhe zusammenhingen. JedenfMls traten sic besonders auf; w e n n er sich ruhig hMten und MMern und Bildhauern Modetl sitzen sollte. PigMle braehte er damit fast zur Verzwefflung. Die Tics bestanden in Pusten mit aufgeblaseneu Backen (,,souffler des pois") und in anderen Grimassen.
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Ein weiterer Charakterzug, der sich wie ein roter Faden durch die Besehreibungen Voltaires dureh seine Zeitgenossen zieht, betrifft seine leidenschaftliehe Eitelkeit und Geltungssueht. Als Student kaufte er sich bei einer Versteigerung eine vornehme Karosse, Pferde und vornehme Kleider: Entzilckt fiber die Verkleidung fuhr er einen Tag lang wie ein Graf in der Stadt herum und zeigte sieh seinenFreunden. Als er mit 20 J a h r e n in der h6ehsten Gesel]sehaft Fug gefagt hatte, berauschte er sieh ganz in Glanz, der auf ihn ausstrahlte. Sein Biog r a p h LA~so~ sagt darfiber: ,,I1 se cou]e comme une anguille dans t o u s l e s endroits-oh la vanit6 et le plaisir trouvent leur compte." Er war i m m e r besonders gut gekleidet und parfiimiert. 1718, naeh den ersten Erfolgen, warf er seinen bfirgerliehen N a m e n ab und nannte sieh Monsieur de Voltaire. An einem B a n k e t t mit hohen Herren rief er aus: ,,Sommes nous iei tous princes ou tous po6tes ?" Charakteristisch ist in dieser Beziehung auch der Geschmaek, mit dem er die yon ibm bewohnten R~tume ausstattete. E r hatte z. B. seiner Freundin und ihrem Mann, du Chs Geld zur Ausstattung ihres Schlosses znr Verfiigung gestellt. Daraus wurde sein eigenes A p p a r t e m e n t und das seiner Freundin mit iibertriebenem Luxus ausgestattet, w~hrend das fibrige Sehlog, auch die Zimmer der Freunde in j~mmerliehem Z u s t a n d blieben, so dag nicht einmal den kalten Winden der Zutritt verwehrt war. Mine. de Graffigny beschreibt sein dama]iges Zimmer: ,,Sa chambre est tapiss6e de velours cramoisi, une niche do mgme avec des franges d'or . . . I1 y a beaucoup de lambris, dans lesquels sont encadr6s des tableaux charmants, des glaces, des laques admirables, des poreelaines, une pendule soutenue par des marabouts d'une forme singuli6re, des choses infinies dans ce gofit-lg, ch6res, reeherch6es, et snrtont d'une propret6 ~ baiser le parquet . . . une cassette oh i l y a une vaisselle d'argent . . . et quel. argent! quel travail! . . . enfis tout est d'un gofit extr~mement reeherch6 . . . " W~hrend der Maht:zeiten in Cirey durfte sein Bedienter seinen Platz hinter seinem Stuhl nieht ver]assen. Er hielt darauf, dab er in derselben Art bedient wurde wie die Hofleute des K6nigs. I m m e r wieder zog ihn der ~iuBere Glanz des Holes und die Gesellschaft der hohen adeligen Wiirdentri~ger an, auch abgesehen yon den rein geistigen Beziehungen, die der Hof .vermittelte. Wie sehr er sieh daran berausehte, kann man aus seinen folgenden Ausfiihrungen v e r m u t e n : ,,Je vais, je viens. J e soupe au bout de la villa, pour souper le ]endemain ~ l'autre. D'une soci6t6 de trois ou quatre intimes amis, il faut voler ~ t'Op6ra, ~ ]a Com6die, voir des curiosit6s comme un 6tranger, embrasser cent personnes en un j our, faire et recevoir cent protestations. P a s un instant ~ sol, pas le temps d'@rire, de penser, ni de dormir. Je suis comme cet ancien qui m o u r u t aecabl6 sous les fleurs qu'on ]ui jetait". Sein Gegner Piron Arch. f. P s y c h . u. Zeitschr. N e u r . Bd. 180.
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fund ihn in der Hofgesellsehaft: , r o u i a n t comme un petit pois v e r t travers les riots de courtisans." I n ~hnlieher Art schmeiehelten ihm vorerst die Verhaltnisse am Berliner I-Iof. E r sehrieb dur/iber: ,,cent cinquante mille so]dats vietorieux, point de procureurs, opera, com~die, philosophie, poOsie, un h6ros phi]osophe et poOte, grandeur et graces, grenadiers et muses, t r o m p e t t e s et violons, repas de Platen, soci~tO et libertY!" Wenn bei seinem Eintritt ins Theater die Zusehauer ,,Voltaire! Voltaire!" schrien, m a l t e sich die Freude auf seinem Gesicht. Auch in seinem Besitztum l%rney lieB er sich yon der BevS]kerung bei manehen Anl~issen wie ein KSnig feiern. ]~r schien aueh erfreut fiber den Vorsehlag, die Ortsbezeiehnung Ferney-Voltaire einzufiihren. :Noeh bei seiner letzten Reise n a c h Paris ergriff ihn der triumphale Empfung so sehr, dab er b e m e r k t e : ,,Vous voulez done me faire mourir de b o n h e u r ! " Selbst damals zeigte sich noch seine Freude am ~tuBeren Glanz in vielen ~ul]erliehkeiten: seine Kutsehe war azurblau mit goldenen Sternen iibers~t; er trug ein Kleid yon purpurrotem Samt, das mit einem wunderbaren Zobelpelz gefiittert und eingefaBt war; er h a t t e lunge, mit Spitzen gezierte Manschetten, yon denen er sehon friiher gesagt hatte, sie bewirkten ein besonders vornehmes Aussehen. I m Vergleich zu den Feindschaften nnd den Freundschaften Voltaires, zu seinen K~mpfen fiir Seine LTberzeugungen und ffir seine Schiitzlinge, erscheint sein Liebesleben erheblieh ruhiger und weniger leidensehaftlieh. Seine Jugendgeliebte, Pimpette, vergaB er sehr raseh, als sie ihm untre u geworden war. Den Sitten der Zeit entsprechend butte er in der Jugend Maitressen, yon denen ihn einige betrogen. E r machte dazu den Vers: ,,... EL j'aulais pu m'en courroucer, !Vi~is je s~is qu'il f~ut se passer Des b~gatel]es d~ns ]~ v i e . . . " Voltaire betonte oft, dab die Freundschaft und das intellektuelle Leben wichtiger sei als die Liebe. Zweifellos verfocht er seine persSnlichen und kulturellen K/~mpfe mit ungleich grSBerer Leidensehaft als seine Liebesverh~ltnisse. Beispielsweise heiBt es in einem Brief an eine Freundin 1719: ,,Vous me faites sentir que l'amiti~ est, d'un prix plus estimable mille lois que l'amour. I1 me semble m~me que ]e ne suis point fait pour les passions . . ." Der 39j~hrige Voltaire schrieb an einen Freund die Verse: ,,Men coeur mSme ~ l'amour quelquefois s'abandonne; J'ai bien peu de temp6ramen?a; Mais ma mai~resse me pardonne, Et je l'aime plus tendrement." Aueh die Liebe zu seiner n~tehsten Freundin, der Gr/~fin du Ch~telet, war nie yon besonderer Leidenschaft nnd wandelte sich mehr u n d
Untersucb.ungen zwiscb.en Psychopathologie trod Endokrinologie.
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mehr zu bloger Freundschaft. Auf Reisen vergaf] er oft ihr zu sehreiben oder warf ihr nur eilig einige Zeilen hin. Uber den Briefwechsel mit der Grafin bemerkte der Abb6 de Voisenon, der Vertraute der Grafin: ,,On n'imaginerait pas que dans des lettres d'amour on s'oecups d'une autre divinit6 que de celle dont on a l e coeur plein, et qu'on f~t plus d'dpigrammes contre la religion que de madrigaux pour sa mal~resse. Voils eependant ce qui arrivait ~ Voltaire." Voltaire war auch stolz darauf, dab er TragSdien ohne Liebesepisoden (Oedipe, M6rope, Oreste), ja sogar ohne Frauen (Jules Cdsar) gesehrieben hat. In den fibrigen TragSdien kommen zwar charmante, weiche Frauen vor, die sich passiv der Liebe hingeben, jedoeh fehlt es an der Beschreibung yon leidenschaftlicher Liebe und breiter ausgefiihrten Liebesgeschichten. Nach dem Tode der Gr/~fin du Chatelet h6ren alle Beriehte fiber Liebesbeziehungen zu Frauen auf, obschon Voltaire im Scheinwerferliehg der 5ffentliehen Beobachtungen stand und st~ndig den Mittelpunkt einer groi3en, geschw~tzigen und neugierigen Gesellschaft bildete. Es tauchen hSehstens sporadische und unglaubhafte Gerfiehte in dieser Hinsicht auf. Von homQsexuellen Tendenzen ist bei Voltaire keine Rede. Die Zeitgenosse~ Voltaires ersehienen darin einig, dag er neben seinen genialen Begabungen, neben seiner augerordentlichen Gfite und Mensehlichkeit, neben seiner Emotionalit/it, seiner Verbissenheit im Streite und seiner Eitelkeit, auch eigentlie h b6sartige und unmor~lisehe Charakterzfige zeigte. Vor allem hielt er sieh nicht an die Wahrheit gebunden und war oft geradezu lfigenhaft; in vielen Situationen war er anmaBend, unbescheiden, ja flegelhaft; es fehlte ibm der Sinn fiir einen verinnerliehten Ehrbegriff und die Wfirde des Herzens. Es lieBen sich zahllose Episoden anffihren, die diese Charakterzfige nahe]egen, yon denen nur einzelne herausgegriffen werden sollen: In seiner Jugend war er in der Bastille interniert gewesen, well er beleidigende Pamphlete gegen den l%egenten gesehrieben hatte. ~Nach seiner Freilassung hatte er in dieser Beziehung niehts mehr zu ffirehten und Notliigen erfibrigten sieh. Trotzdem schrieb er nun dem Polizeikommiss/tr einen Brief, in dem er ihn ,,,bei seinem I-Iaupte" versicherte, dab er nicht der Autor der ,,furchtbaren" Schreibereien sei, urn derentwillen man ihn beschuldigt hatte. Der Polizeikommiss/~r hatte a]lerdings in seiner Sehublade die Spitzelrapporte, welche das Gegenteil bewiesen. - - Am Tage nach einer Auffiihrung des Oedipus erhielt Voltaire yon einem Prinzen einen Brief, der sich fiberaus liebenswfirdig, ja sehmeiehelhaft fiber das Stfick ~tuf3erte. Voltaire antwortete mit beispielloser Impertinenz : ,,Monseigneur, vous serez un grand porte : il faut que je vous fasse donner une pension par le ioi." Im Alter land er selbst, es babe sieh dabei um eine Jugendsfinde gehandelt, beging aber/ihnliche Sfinden immer wieder. Nach dem Tode des Kardinals 21"
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de lVleury, im Jahre 17~3, hatte Voltaire ein starkes Gelfiste, zu dessen ~qachfolger in der Akademie ernannt zu werden. Es stand aber der Umstand hindernd im Wege, dal~ er als Gegner der Religion bekannt war. Man konnte sich unter anderem nicht vorstellen, wie er der Pflieht h~tte geniigen kSnnen, in der Akademie, wie es fiblich war, die Verdienste seines Vorg~ngers, eines Kardina]s, zu beschreiben. U m zum Ziel zu kommen, scheute Voltaire nicht vor den weitgehendsten Lfigen zuriiek. So schrieb er ans Ministerium: ,,Un honn~te homme lveut '~ la v6rit6 se d6fendre, il le doit lui-m~me, non pour la vaine s~tisfaction d'imposer silence, mais pour rendre gloire s la v6rit6. J e veux donc dire devant Dieu qui m'6coute, que je s.uis bon citoyen et vrM catholique, e t ] e le dis uniquement paree que je ]'ai toujours 6t6 dans le eoeur. Je n'M pas 6crit une page qu! ne respire l'humanit6, et j'en M 6crit beaueoup qui sont sanctifiges par la religion . . . " Trotzdem fiel Voltaire bei der W a h l in die Akademie dureh. ]~r setzte nun eine Menge yon kompetenten PersSnlichkeiten in Bewegung, um sich das Wohlwo]len des Papstes zu erwerben. Sparer widmete er dem Papste seine TragSdie Mahomet. Naehdem er" in Ungnade der franzSsischen Regierung gefalten war und ihn sein Mil~erfolg bM der Bewerbung zur Akademie schwer bectrtickte, entschloI~ er sich Friedrich den Grol~en zu besuchen, mit dem sieh ein Briefweehsel yon ~uBerster Herzlichkeit angekniipft hatte. Zum Beispiel sehrieb ihm Friedrich: . . . . . et venez dans un pays oh l'on vous aime et oh l'on n'est point bigot". Trotz seiner fiberaus freundsehaRlichen Beziehungen zum KSnig n a h m er den vertraulichen Auftrag der franzSsischen Regierung an, fiber die Absichten des KSnigs Berichte zu erstatten. Offenbar yon der Begierde getrieben, eine politisehe t~olle zu spielen, scheute er vor einem derart zweifelhaften Auftrag nicht zurfick, der den Geffihlen echter Freundschaft einem KSnig gegenfiber, der ihn liebte und bewunderte, ins Gesicht schlug. Zum voraus verlangte er fiir seine ~Nachrichten an die franzSsische l%egierung Vergiinstigungen ffir seine ~amilie. Naehher nfitzte er seine Stellung am Ho~e Friedriehs, an dem er zum K ~ m m e r e r ernannt worden war und an dem er eine Pension yon 28000 Francs erhie]t, rticksiehtslos zu seinem eigenen Vorteil aus: E r betrieb Spekulationen, die der KSnig verboten hatte. Bald darauf glaubte sich Voltaire yon seinem Spekulationspartner betrogen und ling einen lauten Proze~ mit ihm an, den er zwar gewann, der ihm aber Unehre eintrug. Entgegen seinem sehriftlich gegebenen Versprechen griff er Maupertuis auf das lebhafteste an. Dureh raffinierte Ma~nahmen setzte er die Drueklegung dieser verbotenen Angriffe dutch (unter anderem ffigte er sie einem anderen zum Orucke gegebenen Werke bei, so da~ der Drucker sie fibersah). Als der KSnig yon der Saehe erfuhr, leugnete Voltaire: ,,Ah, mon Dieu, Sire, dans l'6tat oh je suis!
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Je vous jure encore sur ma vie t~ laquelle je renonce sans peine, que c'est une calomnie affreuse . . . " Ein typischer Zug Vo]taires bestand darin, seine eigenen Schriften zu verleugnen und zu versichern, dab er nicht der Autor yon ,,derartigen Dummheiten" sein kSnne. So sehrieb er 1762: , , . . . Je ~/'ai pas m~me fair la Pucelle; maitre Joly de Fleury aura beau faire un r6quisitoire, je lui dirai qu'il est un calomniateur, que c'est lui qui a fair ]a Pueelle qu'i] veut m6chamment mettre sur mon eompte." Auch seine ganze Einste]lung als Kritiker wiehtigster Einriehtungen seiner Zeitepoehe konnte er kurzerhand abstreiten. S0 sehrieb er 1760: ,,Je ne sais pas pourqu0i on me fourre dans routes ees querelles, moi laboureur, moi berger, moi rag retir6 du monde dans un fromage de Suisse. Je me eontente de ricaner, sans me m6]er de rien, il est vrai que.je ricane beaucoup; cela fair du bien et soutient son homme dans la vieillesse." Ubrigens erkannte Voltaire seine Schw~chen manchmal selbst. So schrieb er 1762: ,,Je deviens plus insolent ~ mesure que j'avance en g~ge. La canaille dira que je suis un malin vieillard." Typisch fiir Voltaire ist es aneh, dab er his ins Alter hinein (,,le vieil enfant" nannte ihn Grimm) zu eigentlichen Lausbubenstreichen aufgelegt blieb. An Ostern ]768 begab er sich in pompSsem Aufzug und in Begleitung zweier bewaffneter Jagdaufseher in die Kirc'he yon Ferney und begann nach der Kommunion zu der Gemeinde zu sprechen. Als sich der empSrte Pfarrer gegen den Altar stiirzte, begriil;te ihn Voltaire noeh mit schmeichelhaften Worten, bevor er sich zuriickzog. Ein Zeitgenosse sagte darfiber: ,,A Paris, cette action n'a point du tout r6nssi, et les d6vots, et les philosophes, et les tens du monde en ont 6t6 6galement seandalis6s. '~ Nach diesem Vorfall wurde er vom Bischof yon Annecy vom Abendmahl ausgeschlossen. An den n~chsten Ostern setzte er sich in den Kopf, entgegen diesem Verbot zu beichten und zu kommunizieren: , , . . . cela pourra gtre fort plaisant, et nous verrons qui, de ]'6vgque ou de moi, ]'emportera". Er wandte nun die lt~eherlichsten Mitre] an um zu seineln Ziel zu kommen, namentlich simulierte er im Sterben zu liegen. Es gelang ihm schlieBlich einen armen Kapuziner, der dabei vor Angst zitterte, zu tiberlisten. Dieses Verha]ten verursachtg erneut einen groBen Skandal. Dr. Tronchin schrieb: , , . . . I1 faut qu'il ait tdute honte bue . . . Le voilg r6duit, pour se mettre en sfiret6 aux plus vils, aux plus ridicules exp6dients':. - Voltaire ~irgerte sich aueh wie ein Kind, wenn er im Spiel ver]or. Wiederholt spielte er in ~erney mit einem Jesuitenpater Schach. Wenn sich das Spiel zusehends zu seinen Ungunsten entwickelte, summte er vorerst drohend eine Melodic vor sieh hin. LieB sich abet der Spielgegner dadurch nicht beirren und setzte er ihm welter zu, warf ibm Voltaire im Zorn das Schachbrett mit allen Figuren in die Periicke.
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M.B~v~a:
Sein Partner mul~te dann das Zimmer fltiehtend verlassen: - - Bei einem Gastmahl im L~ndhaus DSlices trat Voltaire hinter eine Dame und kr6nte sie mit einer I-Iand mit einem Lorbeerkranz, w~hrend er i h r mit der ~ndern t[and eine lange N a s e maehte und die Zunge weir her~usstreekte, all das vor 20 G~sten. Eine der Eingeladenen ~ufierte sich emp5rt dariiber, dab der gr51~te Dichter Frankreichs die Gastfreundseh~ft derart verletze. Wit haben um Voltaires Unausgegliehenheit, E m o t i o n a l i t ~ t , Leidensehaftlichkeit und Unbeherrsehtheit her~nszuheben, bisher fast nur Ziige besohrieben, welehe nnsympathisch wirken: seine Prozefisucht, seine Rache- und I-Ial~gef~ihl.e unbez~hmbarer Art, seine Eitelkeit, sein mange]nder Sinn fiir Wahrhei~ und Treue, denen man noeh viele ~hnliche anreihen kSnnte. Das Wesentliche der PersSnliehkeit Voltaires liegt nun abet darin, dab man ebensowohl genau'die gegenteiligen Ziige ~n ihm herausheben k5nnte : eine manehmul iibe~'mensehlieh wirkende F.riedfertigkeit und VersShnungsbereitschaft, eine str~hlende Menschlichkeit und N~Chstenliebe, einen F~natismus ffir die Wahrheitl Voltaire ist yeller Gegens~tze. Trotz Fehlern, trotz Zornmiitigkeit, trotz Neigung zum Naehtragen, trotz seinem Intrigantenturn, trotz seinem Eigennutz, war er gfitig, grol~ziigig, ritterlich und uneige~miitzig. Derselbe Mann, der wegen kleinen Beleidigungen seine Gegner unversShnlich anf~llt und verfolgt, verzeiht groBmtitig Undankbarkeit und Verrut seiner schw~ehen ]~reunde, die auf seine Kosten leben. Seine Geduld solehen Freunden zu helfen, ihnen trotz ~llem zu verzeihen und sie lieb zu huben, erscheint unersehSpflieh ,,il leur ouvre son coeur, sa botirse et tousles tr~sors de son a r t . " Naehdem Thieriot mit einem seiner bestgehal~ten Feinde gegen ihn konspiriert hatte, konnte Voltaire noeh bemerken: , J e cesserai plut6t d'Stre porte que d'@tre l'ami de Thieriot." Rfihrend ist immer seine Fiirsorge fiir arme Menschen. W~hrend seines Aufenthaltes in Berlin, als er ira Glunze des I-Iofes yon KSnigen und K6niginnen umgeben w~r, vers.~umte er es nicht fiir einen in Spandau eingekerkerten Landsmann sich beim KSnig einzusetzen. Voll Grol~ziigigkeit adoptierte er Corneilles Gro~nichte, er selbst gab ihr Gr~mm~tikstunden. Sp~ter versehaffte er ihr eine Aussteuer and verheiratete sie. E r adol~tierte aueh ein underes M~dehen, das sein Mitleid erregt bathe, well es bus ~rmer Adelsfumilie stammte und yon Geburt auf zum I(loster bestimmt gewesen war, damit das Erbe ungeteilt ihren Briidern zufallen konnte. (Dieser ,,Belle-et-Bonne" , wie er sie nannte, ist das obenstehende Portrait Voltaires gewidmet worden, Abb. 1.) Dauernd hatte er in Ferney Fremde zu Gast. l%iihrend ist Voltaires Mitgefiihl fiir die Opfer des Erdbebens yon Lissabon anne 1755. E r h~tte kaum mehr ersehfittert sein kSnnen,
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wenn er n~ehste AngehSrige in der K a t a s t r o p h e verloren h~ttte. Das hinderte ihn aber nicht, dab er im Candide in einer sehr sarkastischen und geffihlskalten Art, ohne sichtbare mensehliche Regungen, fiber die allgemeine Bedeutnng des Unglficks diskutierte. Sehr auffgllig ist aueh, wie Voltaire zwisehen Geiz und Versehwendungssuch~ hin und her schwankte. E r pflegte seine SchlSsser mit groBem Luxus, verwendete groBe Summen ffir andere, gab groge Gastmahler (in Ferney lud er z. ]3. nach den dramatisehen Vorfiihrungen zwischen 60--80 Zuschauer zum Nachtessen ein), kleidete sich elegant und teuer usw. Dabei war er seines Geizes wegen berfihmt. Wegen des Preises yon etwas I-Iolz z . B . liel3 er es zu einem ]angen Streit und einem ProzeB kommen. Als er in F r a n k f u r t bei seiner Rfiekreise v o m Ber]iner I-tof verhaftet wurde, sehrieb der verhaftende Offizier in sein Tagebueh: ,,Der Wirt zum Goldenen L6wen wolite Voltaire nieht mehr in seinem Itause haben, weft er so unglaublieh geizig ist ; so mugte ieh ihn beim Ratsherrn Schmid absetzen." In seinen Werken f~llt auf, wie extrem er zwischen einem ironischen, kritisehen und realistisehen Stil und einer fiberschw~ngliehen Sentimentalit~t wechselt: I n seinen TragSdien ist die Spraehe pompSs, der Inhalt oR exaltiert und an unwahrscheinliche Knalleffekte geknfipft. Demgegeniiber steht seine bahnbrechende Klarheit nnd Sachliehkeit als Historiker oder seine beiBende Ironie in seinen K a m p f sehriften und Erzs der nichts mehr heilig scheint. I n seinem ,,Essai sur Voltaire" schreibt ]3]~LL]~SS0nr fiber die Erz~hlungen Voltaires: ,,Mais ee qu'on ne peut pas attendre de lui, ce qui ne d@end d ' a u c u n art, e'est l'Smotion du coeur . . . Quoi, tous ees maux, routes ces injustices, e t pas un instant de tristesse, pas un m o u v e m e n t de piti@! Toujonrs la raillerie! Toujours le sareasme! . . ." Und L.a~sosr sehreib~ in seiner Biographie, fiber das Theater Voltaires: ,,I1 est assez eurieux que ce grand maitre du rire sarcastique n'ait %ussi au th6s . . . que par la sensibi]it6." Den kleinlichen, selbstsfichtigen, yon mal31osem tIal3 beherrschten Yehden, die Voltaire ffihrte, stehen groBe K~mpfe ffir Gerechtigkeit und Mensehliehkeit gegeniiber, die klar, sachlich und mit unermtidliehem Altruismus nnd Schwung geffihrt werden. So erschien Voltaires Rolle z. ]3. im Prozel3 yon Calas eine beinahe fibermenschliche. In die sem ProzeB war ein Vater aus weltanschau]ichen Motiven f~lschlich des Mordes an seinem eigenen Sohne bezichtigt worden, der in Wirkliehkeit Selbstmord begangen hatte. Dieser ProzeB ging Voltaire persSnlieh niehts an. Das hinderte ihn aber nicht, 3 J a h r e fang unermfidlieh ffir die gehabilitierung Calas zu k~mpfen. E r ver6ffentliehte den Fall, setzte sich mit den Anw~lten in Verbindung, leitete alle juristischen Unternehmungen und fiberwand schlieBlich alle tIindernisse
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M.B~Ew~R:
gegen eilie ProzeI~revision auf Seite hoher Magistraten und kirclllieher Wfirdentr~ger, der 5ffentlichen Meinung ulid des I-tofes. E r leitete auch persSnlich die soziale Fiirsorge ffir die AngehSi'igen des Hingerichteten. Sp~ter fibernahm er die Verteidigung eines anderen I-Iugenotten, der f/~lschlich angeklagt worden war, seine Tochter umgebracht zu haben. Naeh 9j/~hrigem K a m p f erreiehte er seili Ziel. Bahnbreehend in seiner Zeit war auch seine soziale Ffirsorge ffir die kleine Landschaft Gex. E r befreite sie yon der Salzsteuer, verbesserte die landwirtschaftliehen Methoden, ffihrte zur ttebung des Wohlstandes Uhren- ulid Seidenindustrie ein usw. E r kfimmerte sich selbst um den Vertrieb der industriellen Pr0dukte seiner Schtitzlinge und.bot z. 13. deren Uhren Katharin~ der Grol~en nachI~ul~land zum Kaufe an. W~hrend einer I-Iungersnot kaufte er in Sizilien teures Getreide, um es IIachher billig weiter zu verkaufen. Mme. de Genlis, ergriffen yon seiner Gtite im Kolit r a s t zu seiner Bosheit, schrieb darfiber : ,,I1 est plus grand l& que dans ses ]lyres, car on y voit partout une ing@nicuse bontS, et l'on ne peut se persuader que la m~me main q u i 6erivit rant d'impi@t6s, de fausset6s et de m6ehaneet6s, air fair des choses si nobles, si sages et si utiles." Sehr schSn drfiekt sich auch Mine. de Choiseul fiber die Gegens~tzliehkeiten Voltaires aus. Sie sehreibt darfiber: , , . . . I1 a toujours 6t6 poltron sans danger, insolent sans motifs, et bas sans obje~. Tous cela n'emp6ehe pas qu'il ne soit le plus bel esprit de son si~cle, qu'il ne faille admirer son talent, savoir par coeur ses ouvrages, s'6elairer de sa philosophie, se nourrir de sa morale; il faut l'encenser et ]e m6priser; e'est le sort de presque tous les objets du eulte." Die verschiedelisten Biographen beurteilen den Gesamteharakter Voltaires in einer recht/~hnlichcn Art. So schreibt LAwsoN: ,,Voltaire est un caract~re composite, par la vari6t6 naturelle de ses inclinations, mais alissi par l'influence du temps eonfus oh il vit et des milieux divers qu'il a travers6s. I1 n'est pas m6chant, plut6t ben et humain, capable d'61ans g6n6reux, haissant l'injustice, mais enfi6vr6 d ' a m o u r propre, avide de toutes les jouissanees, de la jouissanee surtout de se sentir 6tre et agir, fastlieux, tapageur, impressionnab]e, irascible, raneunier, enthousiaste, mobile, curieux, insolent, malin, gamin, enfant gAt@." WILL DVl~A~T schildert ihn: ,,AbstoBend, h~l~lich, eitel, geschw~tzig, obszSn, gewissenlos, manehmal sogar unehrlich - - war Voltaire ein Mann, der fast ausliahmslos alle l%hler seiner Zeit und seiner Umgebung besal~. Und doch erwies sich derselbe Voltaire a]s unermfidlich gtitig rficksichtsvoll, freigebig in Arbeitskraft und Geld und ebensosehr bemiilit, seine Freunde zu fSrdern wie seine Feinde zu vernichten; er verstand mit einem Federstrich zu tSten und ]icl~ sich doch schon durch den ersten versShnlichen Schritt deg Gegners entwaffnen - - so yeller Widersprfiche ist der Mensch".
Untersuchungen zwischen Psychop~thologieund Endol~'inologie.
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Hiingt die PersSnlichkeitseigenart Voltaires mit seinem Alcromega~oid zusammen? Es ist offensichtlich, dal~ die Frage auf Grund unseres heutigen Wissens nicht mit Sicherheit zu beantworten ist. Wir kennen ja keine charakterlichen Besonderheiten innerhalb der Norm, die ffir irgendeine endokrine StSrnng irgendwie spezifisch w~ren und Voltaires PersSnlichkeit zeigt keine deutlich krankhaften Zfige. N~mentlich fehlen bei Voltaire jene psychop~tholdgisehen Zfige, die ffir eine Erkrankung yon I-Iypophyse nnd Stammhirn besonders charakteristisch wi~ren: allgemeine Antriebsverarmung, periodisch einschiel]ende elementare Triebe, wie periodische Schlaf-Wander-Trink-Fr~l~sucht, periodische, nur yon innen kommende, kurzdauernde, dysphorische Verstimmungen u. a. Wenn wir aber die Psyehopathien kennen, die sich im allgemeinen bei Akromegaloiden und ihren Verwandten h~ufen, so kommen wir nicht um die Feststellung herum, dul~ ihnen Wesensziige Voltaires verwandt erscheinen und da~ wit desh~lb ihren Zusammenhang mit seinem Akromegaloid bei weitem nicht beweisen, aber doch vermuten k6nnen. Diese grunds~tzliche ~hnlichkeit zwischen der Psychopathie beim Akromeguloid unserer fibrigen Untersuchungen und der PersSnlichkeit .Voltaires ist eine derart deutliche, d~i~ sie die Vermutnngen fiber den Zusammenhang zwischen seinem Akromegaloid und seinem charakter erhe]Slich wahrseheinlicher maehen, als es sich nut ans der allgemeinen Feststellung ergi~be, dab hypophys~ren Gleichgewiehtsst6rungen ein EinfluB sowohl anf die K6rperkonstitution wie auf den Ch~rakter zuzusprechen ist. Was bei Voltaire an die Akromegaloiden unserer Untersuchungen erinnert, ist einmal die ~emmungslosigkeit, mit der einzelne Triebe nnd Interessen ihn pl6tzlich anpacken und vSllig beherrschen kSnnen, w~ihrend andere, einem differenzierten 5~[enschen im allgemeinen eigene Triebe und .Interessen wie ausgeschaltet scheinen. Eitelkeit, l~che, I-LI~, I-Iabsueht, Geiz, Verschwendungssucht, kleinliche Angst, beherrschen in vielen Situationen sein Tun ebenso ~ie in andern selbstlose 1VIenschenliebe, Gfite, Grol]zfigigkeit, Edelmut und ~ing~be. Wenn ein Trieb oder eine Interessenrichtung ihn ausffillt, so seheinen Gegentriebe und Hemmungen, z. B. solche des Anst~ndes ausgesehalte~, so stark sie zn andern Zeiten in Erseheinung treten. Seine Lausbubenstreiehe kSnnten einem a n . Fehltritte yon Postenceph~litikern erinnern, bei denen ein moralisch veranlagter 5~ensch plStzlich ganz der Bosheit und I-Ieimtficke anheimgegeben erscheint. Wie Voltaire Einzeltrieben rficksichtslos hingegeben ist, so oft auch Einzelstimmungen, zornigen, rfihrseligen, ~tngstlichh)Tochondrischen, ironisehen u.a. Wi~hrend sehr viele Triebe und Interessenrichtungen plStzlich einschieI~en und in bezug ~uf gewisse Zeiten oder Situationen seine ganze PersSnlichkeit dominieren, kann
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M. BLEULER:
man doch nicht yon einer trielJhaften und leidenschaftliehen PersSnlichkeit sehlechthin sprechen. Im Gegenteil scheinen bedeutsame elementare Triebe bei Voltaire eher unterentwickelt, so namentlich die Erotik und Sexualit~t, vielleicht auch der Heimtrieb und im ZuSammenhang mit ibm die Bindungsf~higkeit an das Hergebrachte und Gewohnte. Die ~emmungslosigkeit und Wechs]haftigkeit der I-Iingabe an Einzeltriebe, -interes~en, -emotionen und -stimmungen, d~s unerwartete Zurfiektreten yon andern menschlichen Regungen, geben seiner ganzen PersSnlichkeit etwas Unberechenbares, Unstetes, Spukund Koboldhaftes und Gemfitsloses, trotzdem ihr alles Mensoh]iche, Ubermenschliche und Allzumenschliche in Einzeleinstellungen in reiehem MaI~e zukommt. So pai]t die PersSnlichkeitseigenart Voltaires vSllig zu den PersSnlichkeitstypen, wie wir sic auch sonst bei Akromegaloid linden - - wie gesagt ist aber daraus noch nicht der Schlu~ erlaubt, da~ es sich sicher um eine PersSnlichkeitsbesonderheit handle, die biologisoh mit dem Akromegaloid zusammenhi~ngen wfirde. Die Vermutungen fiber die ZugehSrigkeit vieler Ziige Voltaires zu PersSnliehkeitsbesonderheiten, wie sie duroh Unausgeg]ichenheiten der Hypophysenfunktion zustande kommen, werden noch bekri~ftigt, wenn wir uns vergegenw~rtigen, da$ Voltaire eigentlich in andere bekannte Typen yon PersSnlichkeitseigenarten kaum hineinp~Bt. Ant ehesten kSnnte man ihn als hypomanischen ~enschen aufzufassen versuohen. Es wiirde sich aber um einen unglficklichen Versuch handeln, zu vieles an ihm stimmt nicht mit einem einfachen hypomanischen Wesen fiberein: yon einer einheitlichen Verstimmung ist bei ihm keine Rede, am wenigsten yon einer euphorischen Dauerverstimmung; in bezug auf gewisse Triebe ist er antriebsarm und gleiohgfiltig; es fehlt die d~uernde Vielseitigkeit und Ablenkb~rkei~ der Interessen und Affekte, die dem I-Iypomaniker zukommen, start dessen verbohrt er sich immer wieder start und unablenkbar in~Einzeleinstellungen; Yon cycloiden Zfigen finder sich nichts. Als epileptoiden oder schizoiden Menschen k~nn man Voltaire schon gar .nicht auffassen. Ebensowenig k~men wir zu einer befriedigenden Deutung yon Voltaires Wesen, wenn wir ihn nach irgendeinem der andern gebri~uchliehen Schemen der PersSnlichkeitseigenarten qualifizieren wollten, so z. B. nach demjenigen yon Kurt Schneider: Am ehesten wiirde e~ Zfige eines ~yperthymikers tragen, doch p~l~t er aus ~hnlichen Grfinden, die ihn nicht einfach als ~ypomaniker kennzeichnen lassen, nicht ganz in den Typus desselben hinein. A]s einen ~ n u t i k e r kann man ihn nicht kennzeichnen, dazu zeigt er zu viel Selbstkritik, Selbstironie und kluge Beschri~nkung bei ~llem Fanatismus in einzelnen Verhaltensweisen. Eine gewisse Stimmungslabilit~t kommt ibm zweifellos zu, jedoch beherrscht sic sein Wesen nicht, vielmehr fiberdauern zahlreiche Einzel-
Untersuchungen zwischen Psychopathologie und Endokrinologie.
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strebungen alle seine Stimmungen. Auch das Geltungsbediirfnis kommt Voltaire in hohem Mal3e zu, kennzeichnet aber wiederum nut einen seiner Ziige und bei weitem nicht seine ganze Perstinlichkeitseigertart. Die Gemtitslosigkeit ergibt sich aus seiner Gesamthaltung, doeh widersprieht ein reiehes gemiitliches Empfinden in Einzelsituationen dem gew6hnlichen Bild der Gemiitslosen. Asthenische Ziige treten in seiner t~ypochondrie an den Tag, in vielen andern Verhaltensweisen ist er aber ausgesprochen hyperstheniseh. In gewissen Situationen wurde er als willenlos gesehildert, in andern aber zeigt er eine iiberragende Willenskraft. Explosible Bereitsehaften kommen ihm gewil3 zu, sie treten aber nur sporadiseh auf und in vielen Zeiten und Situationen ist er im Gegenteil yon besonderer Ktihle, Ironie und l~uhe. A u / ~i]~nliche Verhiiltnisse stSfit man, mit welchem PersSnlichkeitstypus Schneider8, Kahns oder anderer man Voltaire in Beziehung bringen will: von'~edem hat er vieles und doch pafit er zu Iceinem. Harmonisch /iigt er sich nut in den Typus ~ener PersSn~ichlceit, wie sie h~iu/ig Akromega. loiden zulcommt und wie wit ihn spiiter als Ausdruck einer Gleichgewichts. stSrung im Hypophysenzwischenhirnsystem ansprechen werden. Wie seine K~rperkonstitution nut als hypophys~re richtig verstanden werden kann, so tr-~gt auch seine PersSnlichkeit die Ziige des Hypophys~ren. In allen diesen Feststellungen liegt freilich noch ]ange kein sicherer Beweis, dug diesePersSnlichkeit tats~chlich durchUnausgeglichenheiten der I-Iypophysenfunktion gepr~gt wi~re und mit dem Akromegaloid in innerem Zusammenhang sti~nde, sondem eben nur ein unsicherer Hinweis. Sowohl das Akromegaloid Voltaires wie seine Pers6nlichkeitseigenarten, die als hypophys~re imponieren, haben im Laufe seines Lebens langsam und stetig zugenommen. Auch in dieser i'3bereinstimmung der zeitliehen Entwicklung yon kSrperlieher un4 charakterlicher Stigmatisiernng wird man aber noch keinen Beweis ffir ihre innere Verbundenheit sehen diirfen: ~ r i r wissen aus unsel~n andern Untersuchnngen, dal~ das Akromegaloid gewShnlich langsam w~hrend des erwachsenen Lebens zunimmt; auch kommt es ganz gewShnlich vor, dal~ sieh die Pers~inlichkeitseigenarten eines 1Vienschen gegen das Alter langsam verst~rken. Die zeitliehe Verbundenheit zwischen .Akro"megaloid und PersSnlichkeitseigenart kSnnte also aueh zufftllig sein. So wenig wie wires erwartet haben, so wenig gibt uns das Studium des Charakters Voltaires einen Schltissel tfir das Verst~ndnis seines Genies. Dieses ]iegt in der I-Iarmonie seiner Aktiviti~t zu der Problematik seiner Zeit. Es h~ngt zusammen mit seinem scharfen Verstand und seinem kfinstlerischen KSnnen. Wir wi~sen nicht einmal, ob die als hypophys~r vermuteten Eigenschaften die Genialit~t Voltaires eher gef(irdert oder gehemmt haben: man kSnnte eine F~irderung vermuten,
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g . BL~w~R:
w e n n m a n d a r a n d e n k t , wie sehr ihn seine t I e m m u n g s l o s i g k e i t , R i i e k siehtslosigkeit, sein D r a u f g g n g e r t u m u n d seine B e g e i s t e r u n g s f g h i g k e i t a u e h b e i seinen elooehemaehenden k u l t u r e l l e n T a t e n erliillte. M a n k S n n t e a b e r ebensowohl eine B e e i n t r g c h t i g u n g seines Genies d u r e h d i e hypophysgre I)ersSnlichkeitsstigmatisierung vermuten, wenn man denk-t, was V o l t a i r e v i e l l e i e h t d e r W e l t h g t t e ,sein kSnnen, w e n n er i n n e r l i e h ruhiger, w e n i g e r geltungsstiehtig, w e n i g e r e m o t i o n e l l , w e n i g e r m i t l%~nkiinen g e l a d e n gewesen w~re. W e n n wir so d e n Beweis ffir den Z u s a m m e n h a n g d e r a k r o m e g a l o f d e n u n d d e r e h a r a k t e r l i e h e n E i g e n a r t VoltMres b e i w e i t e m n i e h t e r b r i n g e n k o n n t e n , so h g b e n wir doeh w e n i g s t e n s gesehen, d a g er erseheinungsbildlieh einem hypophysgr stigmutisierten Chgrakter entspreehen k S n n t e . E s w i r d sieh in Z u k u n f t die A u f g a b e stellen, n o e h m e h r a k r o m e g a l o i d e Geniale zu u n t e r s u e h e n , m n zu priifen, ob j e n e K o r r e l a t i o n Zwisehen A k r o m e g a l o i d u n d b e s t i m m t e r P e r s S n l i e h k e i t , d i e uns b e i V o l t a i r e e n t g e g e n t r i t t , gesetzmgBig v o r k o m m t . Auf was filr eine sehwierige, vorlgufig unlSsbare Problematik, abet auch auf wie reiche Anregung man st5Bt, wenn man historisehe PersSnlichkeigen mit akromegaloider Konstitution betraehtet, sell noch kurz an einer Gegeniiberstellung Voltaires mit einem andern bedeutenden AkromegMoiden gezeigt werden: Johann Albrecht tgengel, ,,der fromme Gelehrte", wie ihn seine Schiller nannten, der yon 1687--1752 in Schwaben lebte, war den erhaltenen Bildnissen hack sieher ein AkromegMoider. (Von diesen Bildnissen ,,sagte ~ ~ nactl Bengel selbst - ,,jedermann, er sei getroffen".) Bengel kann vielleicht nicht gerade Ms geniMer betraehtet werden, sieher war er abet eine in der Geistesgesehiehte seiner Zeit hervorragende Gestalt. Er war tlleologiseher und philologiseher Lehrer. Er steuerte einen besondern, in seiner Zeit tapferen und persgnlich gefgrbten Kurs der Theologie zwisehen dem Pietismus mit seinem Wunsehe, das Chr~stentum lebendig zu gestalten und seiner yon Sturm und Drang erffillten Gefilhlsseligkeit einerseit.s, der glteren, formalistiseh-verknSeherten Theologie andererseits. Er sagte selbst unter anderem d~riiber: ,,Es gibt Lente, die viel Gefillll haben . . . . hingegen aueh solche, die grebe Literatur h a b e n . . . Von mittlerer Gattung bin ieh, sitze abet gleiehsam zwisehen zwei Stilhlen nieder. Jene halten reich ftir einen blogen Gelehrten, diese fiir einen iVIystiker und Fauatiker." Wgs seinen wissensehaftlichen Arbeiten die besondere Bedeutung und Anziehungskrgft gab, lag in der Harmonic zwisehen seinen Lehren und seiner Lebensfiihrung. Nan kann vorerst feststellen, dab Bengel die meisten jener Wesenszilge, die bei VoltMre mit dem Akromeg~loid zusammenzuk~ingen seheinen, nicht hatte. Er war im gewissen Sinne yon gegensgtzliehem Wesen zu Voltaire: guBerst. stetig in seiner Lebensfilhrung, seinen Ansichten, seinen Freundschaften, leidensehaftslos, demiitig, bescheiden, niiehtern und skrupelhaft. Man kann yon diesem Gesichtspunkt aUS feststellen, dab die Betrachtung Bengels die Vermutungen der hypophysgren Mitbedingtheit der Pel sSnliehkeit des Akromegaloiden nieht stiitzen kann - - wobei allerdings sehon auf Grand der Befunde an unseren Patienten keine absolute Korrelation zw'isehen kSrperlichen und eharakterlichen hypophysi~ren VerSmderungen erw~rtet werden durfte. Man k~nn aber au.eh hervorheben, dag sieh die PersSnlichkeit BengAs in maneherlei tIinsieht dureh Antriebslosigkeit, Gleichgilltigkeit und Gefiihlsmangel
U n t e r s u e h n n g e n zwisehen Psyehopatholegie u n d Endokrinologie.
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auszeiehnet. E r sehien oft der E m p f i n d n n g e n zu ermangeln, we sie mensehlieh zu e r w a r t e n gewesen wgren. So wirkg es g r a u s a m u n d kalt, w e n n er mig 35 J a h r e n fiber den Todeskampf seines eigenen Kindehens a n seine E l t e r n sehreiben k a n n : ,,Ich muBte viel a n die gSggliehe Gereel~tigkeit . . . gedenken, dab m i r das erbarmliehe S e b n a p p e n u n d Zueken kein weiteres B e d a u e r n b r a e h t e . " E i n Miga r b e i t e r bemerkge, dab ,,sein resolut Gemfith w o h ! b e k a n n t sei . . . " E r selbst setzte sieh m i t dem Vorwurf der Gemfitskalge a u s e i n a n d e r u n d anerkannge i h n teilweise. E r besehreibt aueh ansehaulieh S t i m m u n g e n der sagten Gleiehgfilgigkeit, die i h m selbsg als etwas Besonderes v o r k a m e n : ,,Ieh weig nieht, wie ieh diese Tage fiber so besonders in m e i n e m Gemfith eonstituierg bin. Es ist keine Tr/igheit, keine F u r e h t noeh tIoffnung, keine Freude noeh Leid, es ist m i r n i e h t wohl u n d n i e h t weh. O, was i s t es u m einen M e n s e h e n ! . . . " N i t 57 Jahre'n sehrieb or: ,,Iel~ bin des mensehliehen Thuns r e e h t fiberdrfissig . . . ieh h~be We!tehre u n d W e l t s e h m a e h genug." N i t 62 J a k r e n : ,,Ieh b i n der gelehrten Welt so satg, dab ieh aueh das, was sein muB, aber eben doeh eitel ist, fast n u t u n g e r n r u e . " Kurz vor seinem Tode sekrieb er riiekbliekend auf sein Leben besonders ergceifend: ,,Hat dieh G 0 t t lieb gehabt, so ha~ es dir a n Trfibsal niehg fehlen k6nnen. U n d d a r a n h a t es n i e h t gefehlt. D a r i n reehne ieh n i e h t eigentlieh die K r a n k h e i t e n . . . n i e h t die Trauerfalle . . . n i e h t die u n v e r d i e n t e Sehmaeh . . . Mein Leid war m e i s t geistlieh n n d verborgen, saehte n n d a n h a l t e n d ; u n d sonderlieh gab m i r bisweilen einen gesehwinden Stieh die Ewigkeit, die der l~{enseh vor sieh h a t : da olme pein!iehe F u r e h t vor dem Web, ohne wirkliehe Freude auf das Wohl, die Ewigkeit a n sieh selbst m i t ihrer grogen Wiehtigkeit mein I n n e r s t e s durehdrang u n d seharfer durehlauterte, als keine Widerw/~rtigkeig zu t u n v e r m a g . " Derartige Besehreibungen waren yon g'eringer Bedeutung, wenn es sieh u m einzelne vorfibergehende Sgimmungen gehandelt h a t t e . Es handelg sieh aber u m mehr. Die Weltabgewandgheit seiner E m o t i o n M i t a t durehdringt sein ganzes Leben. Sie ist eins mig seiner FrSmmigkeit, die i h n fiber die Leiden u n d F r e u d e n des Alltags weir hinaushebg in eine Welt der nfiehternen Stege, Ordnung n n d Folgeriehtigkeit. W e n n m a n die Polarit~it zwisehen u n v e r m i t t e l t u n d in fibertriebenem M a t e einsehieBenden A n t r i e b e n einerseits, einer A n t r i e b s a r m u t andererseits als ffir das hypophys~r-dieneephale Psyehosyndrom eharakteristiseh b e t r a e h t e t , so kSnnte m a n also sehr wohl eine mig dem AkromegMoid Bengels in Z u s a m m e n h a n g stehende Angriebsarmut bei i b m a n n e h m e n . Man k6nnge v o n diesem Gesiehtsp u n k t aus a u e h - - wenigsgens in seinem subj ektiven E r l e b e n - - Ans~tze yon plStzlieher Triebhaftigkeit finden. So sehreibt er yon seiner Jugend, dal3 es a n ,,leidigen, plStzliehen, u n b e s o n n e n e n Ausbrfiehen" n i e h t gefehlt hatge. Oder er n o t i e r t sieh, dab er sieh in a e h t zu n e h m e n habe ur..ter a u d e r e m gegen: ,,pl6gzliehe WiBbegierde, die den Z u s a m m e n h a n g zu zerreigen drohg". Vor allem k a m e n ihm aueh Z u s t a n d e yon grundloser Angst u n d Zagheit. ,,Gegen t6riehte F u r e h t s a m keit a n k g m p f e n " s t a n d u n t e r a n d e r e m in seinem Notizkalender. Des w e i t e r e n k 6 n n t e im Sinne der V e r m u t u n g yon h y p o p h y s a r e n Einflfissen auf seine Emogionalitat erwfihng werden, dab sieh in seinem E m p f i n d e n m a n e h m a l eine ganz leiehte Note des A n a n k a s t i s e h e n aufzudrangen sehien: s u b j e k t i v grundlose Skrupelhafgigkeit, als fremd empfundene Angste u n d Beffirehtungen usw. Es ware, wenn m a n Bengel sorgf/~ltig zu v e r s t e h e n versuehg, alles in allem durehaus m6glieh, dieselben hypophys~iren Einflfisse in seiner Pers6nliehkeit zu sehen, die sein Akromegaloid v e r u r s a e h t e n ; noeh weniger als bei Voltaire l~Bt sieh beweisen, d a b dem wirklieh so ware. Die Pers6nliehkeig eines auBerordentlichen Mensehen ist eben etwas Einmaliges; vor dieser Einmaligkeig versagt das
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It. K. KNoEFFEL:
erfah1~ungsgebundene biologische Denken. Es kann uns wohl zeigen, da$ diese oder ]ene Merkm~le, insbesondere krankhafte Merknlale, im Durchsctmitt auf diese oder jene Ursache zuriickgehen. Die innere Gestalt des Menschen aber ist fiir unser Denken in keine Schabione zu fassen, in jeder Individualit/it tritt sie uns in einer neuen, unerwarteten Art entgegen. So k~innen wir aul~erhalb der Psychopathologie nut selten entscheiden, ob eine solche Gestalt in ihrem Werde: gang a~n erkennb~re Einzelursachen (wie an eine hypophys~'e GleichgewichtsstSrung) gebunden oder wie eine andere Individualit~t fiberraschend und unabh~ngig yon solchen entstanden ist. - - Trotzdem aber scheint es nicht miil3ig, mit der notwendigen Vorsicht und Ehrfurcht jenen Einfliissen endokriner Art bei hervorragenden YersSnlichkeiten nachzugehen, die wir an krankhaften l~{en: schen kennengelernt haben. Wenn wit auch daraus niemals bestimmte Schliisse auf den Werdegang der gesunden EinzelpersSnlichkeit werden ziehen kOrmen, so doch auf Einfiiisse, die im Durchschnitt bei PersOnlichkeiten mit gewissen Merkmalen (z. B. akromegaloiden) wirksam sind.
4. Kasuistik: Fiin~ akromegaloide Schizophrene und P s y e h o p a t h e n m i t ihren Familien. von
H. K. KNOEPFEL. Mit 3 Textabbildungen,
Einleitung. 1942 hat M. BLEULE~ in einer programmati~chen Arbeit die Notwendigkeit der Kl~rung der Zusammenh/~nge Zwischen schizophrenem Krankheitsgeschehen und Endok_inium festgestellt. N a m e n t l i c h besch/~ftigte ihn die folgende Fragestellung: 1. l~andelt es sich bei den endokriL, gestsrten Schizophrenen u m echte Schizophrene oder um K r a n k e m i t StSrungen besonderer Pathogenese ? 2. Wenu es sich um ech~e Schizophrene ha,udelt: bilden die endokrinen StSrungen etwa Symptome der lange gcsuchten, noch so mystischen ,,schizophrenen Somatose" ? 3. I t a b e n die endokrinen StSrungen (und ihre Therapie) eventuell einen Einflul~ auf den Verlauf der schizophrenen oder schi:zophrenie/~hnlichen Psychosen ? Der Zweck meiner Unsevsuchu~gen liegt da~in, die t(~suistik, die zur LSsung dieser und zahlreicher ebenso wichtiger verwandter Fragen gesammelt werden mu.~, zu vermehren. Dabei halte ich reich zur Hauptsache an die yon ~I. BLEULER eingefiihrte Technik der kli, nischen Konstitutionsanalyse:. Es werden vorerst die Probanden, die gleichzeitig psychisch und endokrin gestSrt sind, k5rperlich und psychisch genau durchuntersucht, sodann wird der Verlauf der endokrinen und tier kSrperlichen StSrung erforscht und d~ie beiden Verlaufskurveu werden verglichen. ~ Dann werden Systematisch die Yerwandten nach
Untersuchtmgen zwischen Psychopathologieund Endokrinologie.
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endokrinen und psychischen St6rungen hin erforscht. Es ergibt sich auf diese Art vorerst, ob bei den Probanden bestimmte endokrine StOrungen mit bestimmten Formen oder F~rbungen yon GeistesstSrungen h/s kor'reliert sind; es ergibt sich weiter, ob endokrine und psychische St6rungen zeitlich unabh~ngig oder abhangig yoneinander verlaufen und es ergibt sich drittens, ob unter den Verwandten die endokrinen und die psychischen St6rungen wieder zusammen vorkommen oder nicht. In der vosliegenden Arbeit beschr~nke ich reich auf akromegaloide Probanden. Ich betone, dal~ es sich nur um eine akromegaloide Stigmatisation und keineswegs um eine echte Akromegalie bei ihnen handelt. I n Erweiterung der urspriinglichen Eragestellung interessierte reich besonders auch der Erbgang der akromeg~loiden KSrperkonstitution und die Zusammenha.nge der akromegaloiden KSrperkonstitution mit den k6rperlichen Konstitutionstypen yon K~TSC~I~ER. Dagegen liegt die Zusammenfassung meines Kzankengutes mit demjenigen der anderen Bearbeiter desselben Gebietes an unserer Klinik nicht im Rahmen dieser Arbeit und ist der folgenden Untersuchung vorbehalten. Die Sammlung n~einer Probanden mit akromegaloider K6rperkonstitution konnte nicht in unserer eigenen Klinik erfolgen; ihr Krankengut ist n/imlich in dieser Hinsicht bereits durch die Voruntersucher bearbeitet women und akromegaloide Anstaltsaufnahmen sind nicht so zahlreich, als daf~ seit Abschlul~ der letzten Arbeiten neue hinzugekommen w~ren. So suchte ich um die Erlaubnis nach, in den befreundeten psychiatrischen Anstalten der Umge~ung von Zfirich nach Akromegaloiden zu snchen. Ich dunke an dieser Stelle den Direktionen dieser Anstalten herzlich ftir die Gewghrung dieser Erlaubnis und ihre FSrderung meiner Untersuchungen. Dank ihnen konnte ich insgesamt fund 1000 Patienten in folgenden Anstalten danach erforschen, ob sie akromegaloid seien: Breitenau-Schaffhausen (Dir. MOSE~), Franziskusheim Oberwil (Dir. Prof. MAssing), Hohenegg~eilen (Dr. v. OmsLni), SchlSl~li-Oetwil (Dir. BI~U~ER). Unter den 1000 daraufhin gepriiften Patienten fanden sich 8 Aksomegaloide, yon denen 5 zu den Probanden dieser Arbeit wurden. Bei 3 yon ihnen handelt es sich um Schizophrene, bei 2 um Psychopathen. Die Beurteilun9 des KSrperbaues in bezug au/ akromegaloide Stigmatisierung erfolgte vorerst nach dem blol3en Auge, indem ich besonders beachtete : a) die GrSl]e yon }t~nden und Ffil~en; b) die Gesichtsbfldung: vorstehende Orbital- und Jochbogen, lange groSe Nase, grobes, breites und vorstehendes Kinu, Prognathie sowie auffallend groBe Ohren;
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g . K . KS!OEPFEL:
e) groBe KSrperl~nge. Als ,,groBe KSrperlinge" betraehtete ich eine solche yon fiber 180 em. Ffir die Beurteilung der Hand- und HuBlgngen, die ich immer mit dem Mel~zirkel kontrollierte, n a h m ich die folgenden Mittelmal~e ffit" normale KSrperproportionen an: L~nge des rechten FuBes ffir beide Geschlechter : 15,4% der KSrper] ~tnge, L~nge def rechten Hand ffir M~nner: 1],7% der KSrpedinge, L~tnge der rechten Hand fiir Hrauen: 11,4% der K5rperlinge. Diess Zs,hlen sind gewonnen aus der Messurg yon 50 wohlproportionierten Mgnnern durch D~LIA WOLF und yon 50 wohlproportiohies'ten ]~rauen durch mich. (D~nIA Won~ hat diese Werte in ihrer Arbeit bereits mit denen der Literatur verglichen.) S~mtliche Probanden wurden nicht nur gemessen, sondern aueh photographiert, um den KSrperbau festzuhalten. Was die Untersuchung der Sipioscha/ten dieser 5 akromegaloiden Probanden betrifft, so setzte ich mir ursprfinglich als Ziel, s~mtliehe ~Nachkommen a]]er 4 QroBdtern der Probanden zu erforschen. Diese Erforschung sollte, wenn mSglieh, durch persSnliche Untersuchung erfolgen, bei verstorbenen oder unerreichbaren Personen durch Befragung mehrerer ihrer Verwandten und durch Einsicht in Photographien yon ihnen. Bei ~ der 5 Probanden lieg sich dieses Ziel erreichen; beim 5, einer Probandin dagegen muBte ich auf die Untersuchung der v~tterlichen Seite verzichten, da ich im L~ufe meiner Erhebungen nachweisen konnte, dab die Probandin in einem ehebrecherischen Verh~ltnis ihrer Mutter erzeugt worden war und der tatsgchliche Vater nicht mit Sicherheir eruiert werde~ konnte. Dagegen gelang es bei 3 Probanden, noch andere AbkSmmlinge der Urgrogeltern des Probanden zu, erfassen als die AbkSmmlinge der Groge!tern. Insgesamt konnte ich .451 Verwandte unserer 5 Probanden in meine Untersuchungen einbeziehen. Davon waren im Zeitpunkt der Erfassung 56 unter und 400 fiber 20 Jahre alt. 352 der erfaBten Verwandten sind AbkSmmlinge der Groge]tern der Probanden und 104 derselben sind andere AbkSmmlinge der UrgroBeltern der Probanden. 177 der erfagten 451 Verwandten, also knapp i/.~ derselben, konnte ich persSnlich unLersuchen. In bezug auf die TJbrigea zog ich so vielerlei Auskiinfte als mSglich yon ihren Verwandten und Bek&nnten ein and sammelte Krankengeschichten, behSrdliche Akten und Photographien. Insgesamt beruhen meine Untersuchungen auf 1128 Protokotlen yon Befragungen fiber bestimmt~ Verwandte, 35 zugezogene Krankengeschichten, 30 zugezogene behSrdliche Akten nnd 48 uns iiberlassene Pho~ographien. R/~atiirlich bot namentlich die Beurteilung der KSrperkonstitution bei :den nicht selbst untersuchten VeIw~ndten grolie Schwicrigkeiten. Immerhin halfen
Untersuelmngen zwisehen Psychopathologic und Endokd-inologie.
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mir in manchen Fgllen die Photographien erheblich. Konstitutionsbeurteilungen ohne persSnliche Untersuchung und ohne zugezoge~e Bilder wurden nur da~n uls einigermallen zuverl~issig angesehen und verwendet, wenn sich mindestens zwei Ausknnftspersonen bestimmt und unabMngig voneinander ira gleichen Sinne dariiber augerten. Bei akromegaloider Konstitution suchte ich immer nm die Erlanbnis nach, den betreffenden Verwandten messen zu diirfen. Unter den 33 Verwandten unserer Probanden, die wieder akromegaloid stigmatisie~t waren, konnte ieh bei 17 pers6nlich 1Kessungen vornehmen. - - Der Grad der akromegaloiden Stigmatisierung wurde grob zu erfassen versucht, indem ich unterschied z~dschen ,,angedeutete ~', ,,leichte" und ,,deutliche" Ausbildung des Akromegaloides. Natarlich ist diese Skala in bezug auf manche Grenzfiille subjektiven Wertm'teilen unterworfen. Als ,,angedeutet akromegaloid" bezeichnete ich Personen, die nur eines tier drei herausgehobenen akromegaloiden Zeichen und dieses in leichterem Mal~e an sich hatten; racist handelte as sich um akromegaloide Gesiehtsziig~ ,,Leieht akromegaloid" bezeiehnete ich Personen, bei denen entweder mehrere akromegaloide Symptome leiSht oder eines stark ausgepr~gt waren. ,,Deutlich akromegaloid~ w~iren dana Personen, dis sowohl ausgesprochene akromegaloide Gesichtszfige zeigten, als auch in ~{gssen ausdriickbare VergrSgerung yon Hiinden nnd Ftigen aufwiesen. Die Befragung nach Fettsucht, k6rperlicher Infantilit~it, heterosexueller Stigmatisierung, Kastratentypen usw. erwies sieh nieht gls fmchtbur. Die Auskunftspersonen gabon dartiber eine gllzu schwankende und nnsichere Antwert. Dagegen hoffe ich wenigstens unt,er den endokiinen Erkrankungen den Diabetes regelm~igig auch unter den Verwandten erfagt zu haben. Fii~.' die psychische Beurteilung der Verwandten, die ich nicht selbst untersuchen konnte, geniigte natiirlich eine Beschreibung durch die Auskunftspersonen allein nicht. Aufschlugreicher war oft die Erhebung einer Lebensgeschichte, die besser als abstrakte Fragen psychische StSrungen erkennen lieg. Psychisch a u f . f~llige Personen wurden niemals blol~ nach einer einzigen Auskunftsperson, sondern 1miner nur nach mehreren beurtei!t. Wir fanden insgesamt in den Sippschaften unserer Probanden 76 psychisch auff~illige PersSnlichkeiten. Bei tier Befragung nach psychisehen S~Srungen erknndigte ich reich systematisch nach mSglichen Zwischenhirnsymptomen: nach Dipsomanie, periodischem tIeilL hunger, plStzlicher, unbegrandeter Ubererregbarkeit, Poriomanie und nach Perioden yon Antriebslosigkeit. Far die Sehlul3folgerungen aus diesen Untersuchungen ist as wesentlieh, d~/? tiber psyehiseh Auff~llige und psychiseh Unauffgllige gleich sorgfgl~ig Inforlnationen eingesammelt wurden. Namentlich h/~tte es die SehluBfolgerungen griindlieh verfglscht, wenn etwa die psyehiseh Auff~.lligen sorgf/~ltiger auf akromegaloide Zeiehen untersuehg worden wgren als die psyehiseh Unauff~lligen. Eine Mlfitllige Korrelation zwisehen p@chiseher Auffglligkcit nnd Akromegaloid unter den Verwandten der Probanden w/~re ja dann ein bloges Xunstprodukg gewesen. Umgekehrt mul~ten aus demselben Grunde die N'ieht-Akromegaloiden genau so griindlieh anf psyehisehe Anfffi~lligkeiten nntersueht werden wie die Akromegaloiden. So habe ieh aueh die psyehiseh Unauff/~lligen nieht etwa bloB nach den Angaben einer einzigen Auskunftsperson beurteilt, sondern wenn irgend mSglieh, naeh den Angaben mehrerer Auskunftspersonen oder naeh einer pers6nlichen Untersuehung nnd den Angaben einer Auskunftsperson. (Ansnahmen betreffen einzelne Leute nnter 20 Jahren.) Die erworbenen psyehoorganisehen ~tSrungen sind bei den Naehforschungen nach einer allfglligen Korrei~tion zwisehen psyehiseher AuffglHgkeit und Akromegaloid nieh~ mi~gezghlt worden, d~ sic mit der Xonstitution aller WahrseheinIiehkeit naeh keinen oder nut einen Josen Zusammenhang haben. Arch. f. Psych. u. Zeitschr. Xeur. Bd. 180.
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H . K . KSOErF~T :
I e h verzichte darauf, in dieser mehr s t a t i s t i s c h e n A r b e i t die g e s a m t e X a s u i s t i k in allen E i n z e l h e i t e n zu beschreiben. Es ist dies j~ sehon i n den gleichsinnigen U n t e r s u e h u n g e n y o n Su~_zEa u n d WA~Ds,~ geschehen. A u e h ich habe meine E r h e b u n g e n in ghnlioher A r t z u s ~ m m e n gestel]t, w e n n ich auch n u r L'bersichten auf G r u n d dieser e i n g e h e n d e n Z u s a m m e n s t e l l u n g e n verTffent]iehe. Die g e n ~ u e n B e s o h r e i b u n g e n m e i n e r B e f u n d e sind a n u n s e r e r K l i n i k a r c h i v i e r t u n d stehen I n t e r essenten j e d e r z e i t zur Verftigung.
Proband 1 und seine Familie. Der ]885 geborene, m~nnliche Proband war yon jung auf furchtsam und zurtickgezogen, ohna dal] er dadarch aber in seiner normalen Entwicldung gehindert word~n w~re. In dar Schule war er ttichtig. Er war stark religi5s. Er ~rbeitete nach der Schule beim Vater auf dessen landwirtschaftliehem G u t . Seine Geisteskrankheit begann mit 20 Jahren, indem er schwarmfitig wnrde. Er lief nun oft van zu ttause weg, um dann wieder wochenlang im Bette zu bleiben. Er ffirehtete, er komme in die ttSlle, hatta Gesichtar und hSrte Stimmen. Mit 22 Jahren trat akut ein erregter Zustand auf, der eigentlich bls hettte, d. h. 38 Jahre lang fortdaUerte, mit einer einzlgen Remission yon 12 Monaten im 23. Altersjaar. (In dieser Zeit war er vortibergehend winder arbeitsf~hig, blieb aber schon der Umgebung sichtbar geisteskrank.) Im fibrigen hielt sich der Proband vom 20. Jahr an bis heute in derselben Anstalt auf, und zwar fast immer auf ainer unruhigen Abteilung. Heute erweist sich der Proband wie seit Jatn'en heftig erregt, so da~ er oft im Bade gehalten wird, weft er sonst umherstfirmt, die Batten auseinanderraiBt nnd t~t]ich wird. Auch in den ruhigen Tagan wirkt er dement. Ein gaordnetes Gespr~eh ist nie mit ihm mSglieh; wenn man versuaht, sich mit ihm in Beziehung zu setzen, beginnt er zhsammenhanglos zu schimpfen a n d poltern. Die Diagnose lautet auf eine typische schizophrene Demenz. Der Praband ist deutlich akromegaloid stigmatisiert und dazu leptosom. ~ b e r die Entwicklung der akromegaloiden Eigenarten kann leider nichts ausgesagt werden, da van ihm (wie bei allen akromegaloid Stigmatisierten dieser Familie) keine Jugendbilder vorhanden sind und die Verwandten nichb auf die entsprechendenMe kmale achteten. J:Ieute hat er grol3e Ohren, eine l~nge (allerdings schmale) Nase, sowie ein breites und groBes Kinn mit einer leiehten Prognathie. Seine KSrper]/inge f~llt mit 176 cm nicht besonders auf. Seine rachte ttand miBt 21,8 cm, das sind 12,4% der KSrperlange (Mittel bei Mannern 11,7%). Sein reehter FuB ist 28,3 cm lang, das sind 16,1% der KSrperl~nge (Mittel 15,4%). Id~nde und FiiBe sind also im Vergleich zur KSrpergrSBe zu lang. Was die allgemeine Charakteristik der Familie betri]]t, so stammt sie aus l~ndlichen Verh~ltnissen und auch der gr5~ere Tell der jungan Generation lebt heute noch auf dem Lande. Meist sind es freundliche, fleil3ige und gesellige Lettte. Ein guter Tell sind Bauern auf eigenera Hof, andere wohnen noch auf dem Lande, arbeiten aber in der Industrie. Gewerbetreibende kammen in der Familie nnr vereinzelt vor. i n die Stadt gezogen ist ein einziger Zweig, der yon einem Onkel Vs abstammt. Dieser stadtische Zweig ist charakterlich anders geartet. Es sind stille und versch]ossene Arbeiter und Arbeiterfrauen, nur zwei yon ihnen erreichten eine etwas gahobenere saziale Stellung. (Bankprokurist und Telephanistin.) Die meisten Familienglieder, die l~ncIliehen wie die st~dtisehen, besuahten nur die Primarschule.
Unterst!chungen zwisehen PSychopathologic und Endokrinologie.
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Zwei Geschwister des Probanden, drei Gesehwister der Eltern, sechs Vettern und Basen sind naeh Amerika ausgewandert. Das sind 17,5 % der fiber 20 Jahre a]ten N'achkommen der GroBeltern des Probanden. Was den Um]ang meiner 2Familien.untersuchung betrifft, so umfafit sie insgesamt 92 personen (einschliel~lich Proband selbst). Diese 92 Personen sind Naehkommen der 4 Grolteltern unseres Probanden, weitere Verwandte sind nicht in die Un~ersuehung einbezogen worden. Die Untersuehung erfal~te s~mtliehe Naehkomraen
Abb. 1. Proband Nr. 21, 67j~hrig. der Grol~eltern, die fiber 20 Jahre alt wurden. Dagegen verziehte~e ieh auf eine vollst~ndige Erfassung der unter 20 Jahre alten Nachkommen der Grolteltern, da diese ja sowohl in bezug a.uf die Schizophrenie wie auf das Akromegaloid nur wenig aufsehluBreieh gewesen w~ren. So setzen sieh die 92 Erfal3ten aus 78 fiber 20 Jahre alte~ und nur ]4 unle: 20 Jahre alten zusammen. 64 der Erfal~ten leben zur Zeit meiner Erhebungen noch, 28 sJnd gestorben. Von den erfal3ten 92 Personen habe ich 32 selbs~ gesehen und exploriert, 4 davon auch gemessen. Die Beurteilung der ganzen Familie beruht insgesamt auf 216 Angaben yon 36 Referen~en tiber einzelne Familienglieder und zwei zugezogenen Krankengesehiehten. Auf diese Weise wurden mir 81 Personert genfigend gut bekarmt, dal~ damit gezechnet werden kann, dab ihre psychischen und kSrperbauliehen Hauptmerkmale erfa/~t sind. Bei 11 Personen ergaben meine Naehforschungen nut ungenfigende Ergebnisse. 22*
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H.K. K ~ o ~ :
Ich wende reich zuerst der Betrachtung des KSrperbaues unserer ~amilie zu, wobe~ das Akromegaloid in erster Linie zu berficksiehtigen ist: I n 4ieser Familie finden sich (einschliel~lich Proband) im ganzen under 78 fiber 20 Jahre atten Personen 8 odor 10% Akromegaloide. (Unter den Jugendlichen und Kind~rn, die ich ja nur unvollst~ndig erforschte und die das Akromeg~loid nur Selten schon deu~lich zeigen, sind keine Akromeg~loiden beob~chtet worden.) Von den Akromeg~loiden sJnd 3 psyehiseh un~uff~llig, 5 psyehisch auff~llig, worauf ich sparer noeh eingehend zurfiekkommen werde. Das Akromegaloid ist in 2 F~l]en nur angedeutet, in 5 F~llen leieh~, in 1 Fall (dem Probanden selbst !) deutlieh. AndeIe kSrperbauliehe StSiungen und andere endokrine Erscheinungeu als d~s Akromegaloid warden nicht gefunden. Ieh gebe vorerst eine kurze Ubersicht fiber die 3 psyehisch nicht auff~lligon Akromegaloiden dieser Familie, w~hrend die 5 psychisch Auff~lligen bei der Betrachthng der Korrelat~on zwischen akromegaloider und psyehischel" StSrung n~her beschrieben sir,d: 1. I-Llbbruder des Prob~nden, 69j~hrig (unehelicher Sohn seiner ~utter). I, eicht akromegaloid: ]82 cm ]ang, lange Nase, gro/~e Ohren, grol~e H~nde und Ffil~e. Athletisch. GemeindefSrster und Bauer, arbeitete immer t iichtig. 2. Sohn eines v~terlichenVetters desProbanden, 50.j~hrig. Leichtakromegaloid: 182 cm ]ang, ]ange Nase, grol~es Kinn, auffal]end gro~e tt~nde. Leptosom. Ttiehtiger und fleil~iger Chauffeur in g?ater Dauerstellnng. 3. Vetter vi~terlicherseits des P.robanden, 40j~hrig. Lsicht akromegaloid: 163 em lang, vorstehende Augenbrauen- und Joehbogen, l~nge Nase, grobes and l~nges Kinn mit ]eichter Prognathie und gro~e Ffil~e. (Auch seine Mutter, die aber ~us einer andern Familie stammt und mit dem Probanden nicht blutsverwandt ist, ist deutlich akromegaloid, leptosom und psychisch unauff~llig.) Un~uff~l]iger, flei~iger Fabrikspengler. Athletisch. Uber den Verlau] der akromegaloiden Stigmatisierung k~nn ich in dieser Familie nur wenige und unsichere Angaben machen. Die ~kromegaloide Stigmatisierung der sehizopbrenen Base vgter]ieherseits beg~nn sicher naeh dem 25. Altersj~h~e. Sie is~ heute mit 65 Jahren ~ngedeutet ~usgebildet. Die akromeg~loide Stigm~tisierung des psychisch innerh~lb der Norm auff~lligen Halbbruders begann sieher nach dem 30. Altersj~hre und war mit 50 Jahren leicht ~usgebildet. Zum Vererbungsmodus der akromegaloiden Stigmatisierung stelle ich fest, dal~ 7 der 8 Akromegaloiden dieser Familie yon je 2 nicht gkromegaloiden E]tern abstammen. (Prob~nd, 2 H~lbbrfider, 2 Basen, 1 Vetter und 1 Sohn eines Vetters.) Der ~kromega]oide Sohn des ~ltesten H~lbbruders des Probanden st~mmt yon einer gkromegaloiden Mutter ~b, die wie gesagt nicht unserer Familie angehSrt. Zur Frage der Korrelation in der Vererbung einzelner akromega~oider Me@male mug bemerk~ werden, d ~ nut die selbst gesehenen Personen berficksichtigt werden konnten, d~ man tt~nde und FiiBe ~uf Pho~ogr~phien nicht sicher nach ihrer GrSl~e beurteilen kunn. Bei den 7 selbst gesehenen Famitien'g]iedern mit akromeguloider S~igm~Cisierung finden sich folgende Merkmale: 7real eine auffallend lange Nase, 5real ein gro~es Ki~m, 4m~l eine Prognathie, 4m~l grol~e Fiil~e, 3real grol~e H~nde, 3m~l g~o~e Ohren, 2mal K5rperl~nge fiber 180 em und lmal vorstehende Augen- und Joehbogen. Vier Personen zeigen die Tri~s yon gro~er Nase mit gro~em Kinn und mit Prognathie. Bei zwelen d~von linden wir gleichzeitig noch auff~llend grol~e H~nde und Fii~e. Es scheinen sieh in dieser F~milie des Prob~nden Nr. 1 die Merkmale der langen Nase, mit grol]em Xinn und m i t Progngthie korre]iert zu vererben.
Untersuchungen zwischen Psyehopathologie u n d Endokz'inologie.
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I e h verglich ferner die Konstitution sgmtlicher ~kromegaloid stigmatisierten l%rsonen der Familie Nr. 1 m i t der ganzen Familie.. Es w u r d e n dabei n u r die drei H a u p t t y p e n n a c h K~TSC~)IEn berfieksichtigt, wobei Mischtypen aus zwei H a u p t t y p e n 2mal gez~hlt wurden.
Tabelle 1.
Leptosome Ziige bei . . . Pyknische Ztige bei . . . Athletische Zfige bei . . .
Ganze Familie 92 Personen
I 9 ]
A kromeg~lo] d stigmatisiert 8 Personen
4:1 eder 44% 22 ,, 24% 36 ,, 39%
! i I
3 oder 38% 2 ,, 25% 5 ,, 62%
E s l i n d e n sich also u n t e r den akromegaloid Stigmatisierten m e h r athletische K o n s t i t u t i o n s z % e als in der Gesamtfamilie. Dagegen linden sich etwa gleich viele P y k n i k e r u n d Leptosome. N a c h der U n t e r s u c h u n g des KSrperbaues sollen n u n ale psychischen Besonderheiten unserer Familie 1 b e t r a c h t e t werden. U n t e r den 78 fiber 20 J a h r e a l t e n Familieng'liedern sind im ganzen 16 (21%) irgendwie psychisch auff~llig oder krank. I n dieser Zahl ist der P r o b a n d selbst inbegriffen. 11 der psychisch auff~lligen oder k r a n k e n Familienglieder sind in keiner W e i s s akromegaloid stigmatisiert, 5 (einschlieBlich Proband) sind akromegaloid. - - I c h beschreibe im folgenden kurz die psychisch auff~lligen, n i c h t akromegaloiden Familienglieder: 1. Sohn sines v~terlichen Vetters des Probanden, 35j~hrig, athletischer I-Iabitus, h a t in seinem 34. J a h r e sine n i c h t genau b e k a n n t e Geisteskrankheit durchgemacht. Nach seinen Briefen - - er befindet sich in Sfidamerika - - kSnnte es sich a m wahrscheinlichsten u m einen schizophrenen Schub h a n d e l n . Pr~psychotisch b u t t e er berufliche Schwierigkeiten. E r fand als Schreiner keine Stelle u n d glaubte sich beeintr~chtigt u n d schikaniert. I n seiner E r k r a n k u n g zeigte er vor allem sine depressive Gemfitslage a n d k r a n k h a f t e s Mil~tl~auen. Athletisch. 2. V~terliche Base des Probanden, jung v e r s t o r b e n , war schwachsinnig. K a m in 8 S c h u l j a h r e n n u r in die 6. Klasse, hie imstande, einen Brief zu scbreibsn. V e r t r u g sich g u t m i t den FamilienangehSrigen, half i m elterlichen Haushalt. ]~eptosom. 3. Viiterliehe T a n t e des P r o b a n d e n , M u t t e r der obigen, gestorben im Alter, streng u n d resolut m i t den Stiefkindern, bSse u n d ,,giftig", zurfickgezogen, aber tfichtige I t a u s f r a u : sis ist allem nach als nicht schizoid au//iillig innerhalb der Norm zu bezeichnen. Leptosom-pyknischer Habitus. 4. Vgterliche Bags, 65j~hrig, n i e h t besonders ttiehtige Hausfrau, die unaufhSrlieh fiber ihre Leiden u n d ihr eheliches E l e n d j a m m e r t . (Sis ist die M u t t e r des j u n g e n Mannes, der in Sfidamerika sine Psychose d u r e h g e m a c h t hat.) Wir ffihrtefi sieals nicht schizoid; svndern deprsssiv au/#illig innerhalb des Norm. Leptosom-athletisch. 5. V~terlicher Vetter, i m Alter gestorben, arbeitete lebenslgnglieh ~fichtig als F u h r m a n n , ffihrte dabei ein unstetes L e b e n u n d lief verschiedentlich yon zu H a u s e weg, ohne sieh weiter a m die Familie zu bekiimmern. Wir ffihrten i h n als nicht schizoid au//~illig innerhalb der Norm. Pykniseh. 6. Basev~terlicherseits, 37j~hrig, sehonals j u n g a u f f a l l e n d r e l i g i 5 s undzurfickgezogen, arbeitete aber i m m e r tiichtig u n d ist heute die t r e i b e n d e K r a f t i m B a u e m b e t r i e b e ihres wenig energisehen Mannes. Aueh h e u t e noch versch]ossen,
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H.K. K_~o~Pr~L:
zurfickgezogen, ld~gt gerne fiber ihre Nerven, macht aber dabei keinen geistesk r a n k e n Eindluck. Wulde als schizoid au[/~llig innerhalb der ,u gefiihrt. Pyknischer ttabitus. 7. Vater des Probanden, in den 60er Jahren verstorben, tfichtiger Bauer, daneben noeh Geraeindeweibel, niitzte die Gelegenheit zum Trinken, die sich dabei ergab, gerne aus. Wurde ira Alter zura Trinket und Dorforiginal. Leptosora. 8. Halbbrudor v~terlicherseits, mit 71 Jahren vers~orben, arbeitete 30 Jabr~ tfichtig a]s Magaziner an der gleichen Stelle. Trinket, der atlerdings fiir seine Farailie noch gut sorgte. Leptosora-athletisch. 9. Onkel v~terlicherseits, im Alter verstorben, fleil~iger Bauer, der nebenbei noeh ffir andere Bauern schlachtete. Trank ebenfalls. AthletisetL 10. Neffe, 28j~hrig, Bauer, hatte in der Priraarschule Mfihe und beneidete die besseren Schiller. In den 20er Jahren wurde er langsara reizbar und j~hzornig. Er stritt um Kieinigk~iten und konnte, wie ich selbst beobaehtete, seinera Vater wegen einer v6llig begrfinde ten und freundlich vorgebraehten Kritik sebr heeh und ungehSrig, ia roh antworten. Er begalm in Perioden yon einera bis wenigen Tagen, ira Abstand yon Tagen his Wochen vSllig unbeherrseht al]es zu essen, was auf dem Tische stand und aueh in diesen Zeiten sehr viel nichtalkoholisehe Getr~nke zu sich zu nehmen. Andere ZwisehenhirnstSrungen zeigte er nicht. Icb bezeichnete ihn als ge]i~hlslcalten, i2bererregbaren und distanzlosen JPsychopathen rait raSgliehen Zwischenhirnst6rungen. Ira Gegensatz zu den periodiseben ZwisehenhirnstSrungen im Essen und Trinken war seine iibrige psychische Ver~nderung dauernd dieselbe. Leptosora. 11. Base v~terlicherseits, starb in hSherem Alter. Es konnten nur sehr ungenfigende Angaben fiber sie erh~ltlich geraaeht werden. Sie war naeh dem 45, Altersjahr in Araerika raehrere Jahre lang in einer Nervenheilanstalt interniert. Zusararaengefaitt finden sieh also unter den 78 Farailiengliedern zwei unbekannte, vielleioht schizophrene Psychosen (3 % ), eine Oligophrenie (1% ), eharakterliehe Auffalligkeiten innerhalb der Norm nieht schizoider Natur 31hal (4%), 3 Trinker (4%), lmal deutlieh sehizoide charakterliche Auffalligkeiten innerhalb der Norra (1%) und lraal raSgliche ZwisehenhirnstSrungen (1%). Wir koramen zu den Familiengliedern, die gleichzeitig a]cromegaloid sind und-psyehisehe Auj[iilligkeiten oder St6rungen au/weisen. Es handelt sich um den Probanden selbst und 4 seiner Verwandten. Letztere seien ira folgenden zusaramenfassend besehrieben: I. Viiterliche Base des Probanden, 1880 geboren, als Kind herrschsiichtig, sp~iter hatte sie fortw~hrend andere Krankheiten. 50]~ihrig wurde eine Hysterie diagnostiziert und 52jahrig erkrankte sie akut an einera Paranoid. Sie hat ganz absurde Wahnideen, sprieht z.B. unter anderem davon, dal~ sie einen Fuehs irn Bauche babe, dessen Schwanz- und KSrperlange sie auf Zentimeter genau angibt, dab sie die Frau eines KSnigs oder des Arztes ist, sie glaubt, sie werde verstfickett, ffihlt sich vergiftet u . a . Ihr Gedankengang ist stark zerfahren, aueh wenn sachliche Themen Zur Diskussion stehen. Affektiv ist ihre Pers6nlichkeit noch einigermaBen erhalten. Sie arbeitet nichts. Sie ist auf der unruhigen Abteilung einer psychiatrisehen Anstalt. Der Zustand ist seit 13 Jahren stabil geblieben, Mit 25 Jahren war sie sicher noeh nicht akromegaloid, heute mit 65 Jahren ist sie angedeutet akromegaloid. (Lange Nase, grobes Kinn rait leichter Prognathie, I-Iiinde, FfiBe und KSrperl~inge normal.) Leptosom-pyknisch. 2. Base vaterlicherseits, geb. 1880, war nach unauffalliger Jugend eine tfichtige ]=[ausfrau und Gattin. Vom 37. bis 39. Jahr lift sie an einer endogenen Depression, yon de2 sie sich vSllig wieder erholte. Es traten keine Rfickfalle auf. Sit arbeitet heute fleiBig als Bauernfrau und maeht affektiv einen ausgeglichenen.
Untersuehungen zwischen Psychopathologie und Endokrinologie.
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Eindruck. - - Sie ist leicht akromegaloid stigmatisiert. (Gro•es breites Kinn mit Prognathie, grobknochiger Ban, normale It~nde; Ffil]e und KSrper]~nge.) Beginn des Akromegaloids nich~ festzustellen. LepLosom-athletisch. 3. Ha]bbruder v~terlicherseits des Probanden, geb. 1881, maehte Schwie~igkeiten in der Erziehung, gehorchte nicht, stahl, war zu unstet ffir eine Berufslehre. Man spedierte ihn deshalb nach Amerika, woes ihm nach langen Jahren mit haufigem Ste]lenwechsel gelang, eine kleine Farm zu erwerben. Wit ffihren ihn als anders als schizoid au//iillig inncrhalb der Norm..--- Mit 30 Jahren war er sicher nichtakromegaloid, ein Bild mit 50 Jabren zeigte aber leicht akromegaloide Stigmatisierung. (Groge Ohren, groge breite Nase, breites Kinn, H~nde, Ffil3e und KSrperl/inge nieht bekannt.) Pyknisch. 4. Vetter v~terlieherseits, 65j~hrig, @rbeitete viele Jahre MsFuhrmannimmer an derselben Stelle. Er galt immer als unangenehmer, grober und nSrgleriseher Mensch. Heute ist er ein langj~hriger, sehwerer Trinlcer. - - Er ist angedeutet akromegaloid. (Groge Ohren, gro/3e und breite Nase, sonst keine akromegaloiden Merkmale.) Ich mugte ihn in einer Wirtschaft aufsuchen, wo er mir keine Jugendbilder zur Verffigung stellen konnte. 5. Proband selbst. Zusammen/assend linden sich also unter den 78 fiber 20 Jahre alten Familiengliedern zwei akromegaloid stigmatisierte Schizophrene (darunter der Proband selbst), d: h. 3 %, eine akromegaloid stigmatisierte m~niseh Depressive, ein akromegaloid Stigmatisierter mit nieht sehizoiden Charakterauffalligkeiten innerhalb der Norm und ein akromegaloid stigmatisierter Trinke~ (je 1%). Wir fragen ans zuerst, ob mit der ak~romcgaloiden KSrperkonstitution in unserer Familie psychisehe StSrungen bestimmter Diagnose gekoppelt seien. Die Frage ist mit Entschiede~heit zu verneinen: Der Proband lift an einem schizophrenen Erregungszustand mit Stimmen und Halluzinationen, die Base vaterlicherseits an paranoiden Ideen, die andere Base v~terlieherseits an einer endogenen Depression, der Ha]bbruder v~ter]icherseits ist ein unsteter Charakter und der Vetter vaterlieherseits ein grober und unangenehmer NSrgler. Aueh der Verlauf der fragliehen Psychosen ist gar kein einheitlicher: Die beiden Schizophrenien bei Akromegaloiden verlaufen zwar beide akat zu Demenz, die des Probanden aber mit einer einmaligen Teilremission, die der Base in einer einzigen akuten Entwieklung. Die Depression ging nach 2 Jahren in endgfiltige tIeilung aus. Wenn sieh also kein Vorherrschen einer bestimmten psychopathologisehen Symptomatologie unter den akromegaloiden, psychisch gestSrten Familiengliedern auffinden lieB, so 1M?t sich dagegen eine loekere t~orrelation zwischen psychischer StSrung ]eder Art und Akromegaloid ]eststellen. Unter den akromegaloiden Verwandten kommen psychische StSrungen h~afiger vor als unter den nieht. akromegaloiden Verwandten, und unter den psychisch gestSrten Verwandten kommt das Akromegaloid h~ufiger vor a]s unter den psyehisch unauffalligen Verwandten. ttervorzuheben ist noch, dab unter den Akromegaloiden keine psychischen Auff~lligkeiten festgestellt wurden, die sich als bloge ZwisehenhirnstOrung auffassen lieBen; der einzige an wahrseheinliehen Zwisehenhirnst6rungen leidende Verwandte unseres Probanden ist nicht akromegaloid.
Proband _Nr. 21 und seine Familie. Der 1874 geborene, m/innliche Proband war schon als Kind recht sehwierig zu erziehen. Er durchlief eine Berufslehre als Bau- und Maschinenschlosser, nahm einen Kurs iiir Schiffsheizer und fuhr dann jahrelang als solcher zur See.
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Zwischen dem 21. und dem 23. Lebensjahre muBte er 4mal mit Gef~ngnis bestraft werden. 2@ihrig g i n g e r zur Fremdenlegion, wo er es aber aueh nicht aushielt, sondern nach 30 Monaten Dienst durchbrannte, weil man ihm eine Versetzung yon Nordafrika nach Madagaskar verweigerte. Er trieb sich nun in Italien herum und wurde bald nach seiner R/iekkehr in die Schweiz wegen eines Diebstahles mit 6 Monaten Arbeitshaus bestraft. Er trank, versuehte einmal ein Kind zu miBbrauchen. Er heiratete mit 30 Jahren. Dann wanderte er nach Brasilien aus, wo er einige Jahre lang viel Geld ve~diente und aueh alles wieder ausgab, bis er vSllig verwahrlost in die Schweiz zurfickkehrte. Er trank wiederum, hatte endlose Abenteuer mit Frauen und war sexuell frech und Zudringlich. Mit 66 Jahren h6rte er auf zu arbeiten und verjubelte regelm~Big seine Unterstfitzung. E r bekam deshalb mit der Fiirsorge dauernde Differenzen und betrug sicb dabei so aufdringlich, bel/~stigend nnd frech, dab man ihn in eine Heilanstalt einweisen muBte. Bis heute (72. Altersjahr) konnte er nicht mehr ffir 1/~nger entlassen werden. I n der Anstalt fiel vor allem seine ungeheure Renommiersucht auf. E r wollth turnerische GroBleistungen produzieren und Vortr/~ge zur Belehrung der Mitpatienten halten. {)fters brannte er durch and mehrmals hatte er Perioden yon auffaliender Betriebsamkeit. Man stellte in den ersten Jahren seines Anstaltsaufenthaltes die Diagnose von schubweisen maniformen Erregungszust~nden bei Psychopathie. Ein Versueh, ihn im 71. Altersjahr probeweise in eine G/irtnerei zur Arbeit zu placieren, miBlang, da er nichts tat, daffir aber seine Werkzeuge verkaufte und den Erl6s vertrank. Er renommierte wieder aufs beftigste und zeigte seither immer bald antriebsarme, bald manisch verstimmte Perioden, die jeweils einige Monate andauerten. Ieh charakterisiere ihn als triebha[ten und unsteten Psychopathen. Die periodisch wechselnden, bald antriebsarmen, bald manischen Verstimmungen betrachte ich a]s St6rungen, die mSolicherweise dutch
das Zwischenhirn bedingt sind. Der Pr0band ist heute mit 72 Jahren deutlich akromegaloid stigmatisiert und yon athletischem KSrperbau. Eine Photographie aus seinem 30. Lebensjahro zeigt eine Andeutung der akromegaloiden Stigmatisierung. GleichfSrmig zunehmend bildete sich his heute (71 Jahre) die deutliche akromegaloide Stigmatisierung aus. Er hat jetzt grol3e Ohren, stark vorstehende Knochenwiilste fiber den Augen, eine lange und breite Nase, ein grobes, langes Kinn mit einer leichten Prognathie. Bei seiner nur geringen G~6i]e yon 154,9 cm hat seine reehte Hand eine L~nge yon 20,0 cm oder 12,9 % der KSrioerl~nge (Mittel f/Jr M~nner ] 1,7 %), sein rechter FuB eine L~inge yon 26,2 cm oder 16,9% der K6rperlgnge (Mittel 15,4%). tt~nde und FiiBe sind also fiir seine Gr61]e deutlich zu lang. Was die allgemeine Chara]cterisierung der iVamilie betri]/t, so stammt sie ursprfinglich yore Lande, wo aber heute nur noch wenige Familienglieder ans/issig sind. Der Vater des Probanden und die einzige Schwester des Vaters sind in die Stadt gezogen, wo die Nachkommen dieser Tante noch heute tells als Hilfsarbeiter, tells als ge]ernte Arbeiter tgtig sind. Die meisten yon ihnen besuchten nur die Primarschule. Andere Verwandte v/~terlicherseits, als die der erw~hnten Schwester des Vaters des Probanden, existieren nieht. Auf der mfitterliehen Seite zog sebon der GroBvater in die Stadt. Unter seinen Nachkommen finden sich k aufm~nnische Angestellte~ Bahnangestellte, gelernte und ungelernte Arbeiter. W/~hrend die ~lteren Familienglieder, die Altersgenossen des Probanden,. meist nur die Primarschule besuchten, genol~ ein groBer TeiI der jfingeren Sekundar-. schulbildung. Niemand aus der vaterliehen oder mfitterlichen Familie ist endgiiltig nach l~bersee ausgewandert.
Untersuchungen zwisehen Psyehspathologie und Endokrinologie.
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Was den Um/ang meiner JFamilienuntersuchung betri//t, so umfaBt sie insgesamt 74 Personen (einsehlieBlich Proband). Diese 74 Personen sind Nachkommen der 4 GroBeltern unseres Probanden. Weitere Verwandte sind nicht in die Untersuchung einbezogen worden. Es sind dies nahezu s~imtliche fiber 20 Jahre alten Nachkommen der GroBeltern. Lediglich bei einem vagabundierenden Onkel mfitterlicherseits und beim nnehelichen Sohne einer I-[albschwester mfitterlieherseits des Probanden ist es ungewiB geblieben, ob Kinder existieren. Aus den schon erw~hnten Grfinden verzichte ich auf eine vollstandige Erfassung der unter 20 Jahre alten Familienglieder. So setzen sich die 74 ErfaBten aus 63 fiber 20 Jahre alten und nur 11 unter 20 Jahre alten zusammen. 58 der ErfaBten leben zur Zeit meiner Erhebungen noch, 16 sind gestorbem Von den erfaBt en Personen habe ich 34 selbst gesehen und exploriert, 2 davon aueh gemessen. Die Beurteilung der ganzen Familie beruht auf insgesamt 185 An~gaben yon 36 l%eferenten fiber einzelne Familienglieder, 9 zugezogene Krankengesehichten, 12 Aktenstficken yon Gerichten und 15 Aktenstficken nnd Berichten anderer Beh6rden. Auf diese Weise wurden mir 67 Personen so gut bekann~, dab damit gerechnet werden kann, dab ihre psychischen und kSrperbaulichen I-[auptmerkmu]e erfaBt sind. Bei 7 Personen ergaben meine Nachforschungeu nur ungenfige~ie Ergebnisse. Ich wende reich nun zuerst der Betrachtung des KSrperbaues der Famiiie Nr. 21 zu, wobei das Alc~'omegaloid in erster Linie zu berficksichtigen ist: In dieser Familie ficden sich (einschlieBiich Proband) im ganzen unter 63 fiber 20 ,Iahre alten Personen 4 oder 6 % Akromegaloide. (Unter den Jugendlichen und Kindern, die ich nur unvollstandig erforschte, da sie das Akromegaloid nnr selt.en zeigen, sind keine Akromegaloiden beobachtet worden.) Von den 4 akromegaloid Stigmatisierten ist nur ein einziger psychiseh unauffallig, die andern drei dagegen psychisch auffallig, worauf ich noch eingehender zurfickkommen werde. Das Akromegaloid ist in einem Fal]e nur angedentet, in einem Falle leieht und in zweien deutlich ausgebildet. Welter fand ich eine niehtakromegaloide Frau, die an einem Diabetes mellitus leidet. Andere k6rperbauliche St6rungen und endokrine Erscheinungen habe ich nieht gefunden. Ich besehreibe zuerst kurz den psychisch nicht auffalligen Akromegaloiden und di6 weder akromegaloide noch psyehisch auff~llige I)iabetika unserer Familie, w~hrend die 3 psyehischen auffalligen Akromegaloiden bei der Betrachtung der Korrelation zwischen akromegaloider nnd psychischer St6rung n~her besehrieben sind. 1. Kalbschwester des Probanden (Tochter der Mutter aus 2. Ehe), 56j~hrig gestorben. Angedeutet al~romegaloid, breites Kinn, groBe iLIi~ndeund Ffii3e. FleiBige Fabrikarbeiterin, sorgte gut ffir uneheliches Kind, starb an Eneephalorrhagie. Pyknisch. 2. Base mfitterlicherseits, 69j~hrig. Nicht akr0megaloid, unauffailige fleiBige Arbeiterfrau, seit 48. Lebensjahre leichter Diabetes, der kein Insulin benStig~. Pykniseh. IJ~ber Beginn und Verlau] der alcromegaloiden Stigmatisierung bin ich nut beim Probanden orientiert. Sie begann sicher vor dem 30. Lebensjahre nnd nahm gleichf6rmig zu bis zur deu~liehen Ausbildung. Zum Vererbungsmodus der akromegaloiden Stigmatlsierung stelle ich lest, dab alle 4 akromegaloid Stigmatisierten yon je 2 nichtakromegaloiden Eltern abstammen. Ieh untersuehte die H~Lufigkeit des Auftretens einzelner akromegaloider Merkmale und eine anff/fllige Korrelation derselben in der Vererbung. Bei den drei
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selbst gesehenen Personen fand ieh 3real groBe Nasen mit einem groflen Kinn, groBe FtiBe kamen 2real vor. Die beiden Merkmale, groBe Nase mit groBem Kinn, kamen bei allen Personen gleichzeitig vor, sie scheinen sich in dieser Familie korreliert zu vererben. Ich verglich ferner die hervorstechenden Konstitutionszi~ge der gesamten Familie mit denen der akromegaloid stigmatisierten Verwandten:
Tabelle 2.
Leptosome Ziige bei . . . Pyknische Ziige bei . . . Ath]etische Zfige bei . . .
Ganze Familie 74 Personen
A.kromegaloi d stigmatisiert Personen
20 oder 28% 47 ,, 6 4 % 19 ,, 26%
1 oder 25% ] 25% 2 ',: 50%
Die Zahlen sind zu klein, Uln allein verwertet zu werden.
Psychische Besonderheiten der Familie Nr. 21. Unter den 63 fiber 20 Jahre alten Familiengliedern finden sich im ganzen (einschliel~lich Proband) l~ irgendwie psychisch Auff~llige oder Kranke. 3 der psychisch Auff~lligen, darunter der Proband selbst, sind akromegaloid stigmatisiert. 15 der fiber 20 Jahre alten, sowie eine 18j~hrige (daher nicht mitgez~hlt) Enkelin eines Onkels mfitterlieherseits sind psychiseh auff~llig ohne irgendwelche Merkmale yon akromegaloider Stigmatisation zu zeigen. Ich beschreibe nun kurz die psychisch auff~lligen, nicht akromegaloiden Familienglieder. 1. Vetter v~terlicherseits, 57j~hrig, pr~psychotisch rauh und bSse, walzte unstet dutch ganz Europa. 25j~hrig akuter schizophrcner Schub, Heilung mit Defekt nach 11/2 Monaten Anstaltsaufenthalt, seither noch unsteter und zurfickgezogener. Pyknisch. 2. Tochter eines Vetters vgterlicherseits (Halbnichte des Obigen), 42j~hrig~ Bettn~ssen und auffallendes Schwindeln im Schulalter, 20-, 23- und 29j~hrig je ein ljiihriger schizophrener Schub, nachher seit 13 Jahren andauernde soziale Heilung. Leptosom. 3. Onkel mfitterlicherseits, tfichtiger Bahnangestellter, 65j~hrig an po.stapople~tischer Demenz gestorben. Pyknisch:leptosom. 4. Vetter vi~terlieherseits, 71ji~hrig, t~chtig,~r Eisenbahnschlosser, ]eider an beglnncnder seniler Demenz. Leptosom. 5. Sohn einer Base miitterlicherseits, 45j~hrig, schizoider, doch lebenstfichtiger und phantasievoller Charakter, 35j~hrig Psychose yore a~uten exogenen Realctionstyp bei 2Vephritis und Hypertonie, seither erfolgreicher Kaufmann und Erfinder. Athletiseh. 6. Vater des Probanden, starb mit 74 Jahren an einer senilen Demenz. F u h r viel auf Sehiffen in der Welt herum, hielt es nirgends aus, hatte fiberall Streit und trank sein Leben lang. Unsteter, reizbarer explosiver Psychopath. Pyknisch. 7. Sohn eines Vetters vs 33j~hrig, ungehorsam als Kind, 17j~hrig erste Untersehlagung, bis zum 29. Jahre 13 Strafen bis zu 3 J a h r e n Zuchthaus. Viel]ach lcrimineller, haltloser und unsteter Psychopath. Pyknisch. 8. Onkel miitterlicherseits; unsteter und arbeitsscheuer Psychopath, sonst leider nichts bekannt. 9. Sohn einer Base mfitterlicherseits, 43j~hrig, ungehorsam mit 17 Jahren, trieb sich herum, Gelegenheitsarbeiter, 25ji~hrig ruinierte er gutgehendes Gesch~ft durch Autofahrten und Weibergeschichten, ziindete Werkstiitte an, urn sich mit
Untersuchungen zwiscl~en Psychopathologie and Endokrinologie.
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Versieherungssumlne zu sanieren, 43j~hrig depressive Re~ktion, seit einigen J~hren zufriedenstellende Arbeit in einer Fabrik als Meister. Sensitiver, geltungs-
si~chtiger, mi[3trauischer und mora~isch de/ekter Psychopath yon geringer Intelligenz. Leptosom. 10. Eine 37j~hrige Sehwester des soeben erwi~hnten Sohnes einer Base miitter]ieherseits war a]s Kind faul, sparer vernachl~ssigte sie Kinder and Haushatt derart, dab Vormundschaftsbeh6rde Kinder wegnahm, wenig intelligente, gleichgiiltige, nachliissige und arbeitsseheue Psychopathin. Leptosom-pyknisch. 11. Nichte der soeben Erw~hnten. also Enkelin einer Base mfitterlicherseits, 20]~hrig, #i~hrei#, sexuell haltlose und ]aule Psychopathin. Pyknisch. 12. Weiterer Sohn aus dieser Fami]ie, also ebenfalls Sohn einer Base mfitterlicherseits, 32j~hrig, Erziehungsschwierigkeiten, 17j~ln'ig wegen Untersehlagung in Erziehungsanstalt, seither ordentlich bis auf Strafe wegen K6rperverletzung, wenig intelligenter, mifitrauischer und geltungssi~chtiger Psychopath. Athletischleptosom. 13. Mutter des Yrobanden, gestorbvn im Alter, streitsiichtiger verlogener Charal~ter innerhalb der Norm. Pykniseh. 14. Sohn einer Base mfi~terlieherseits (weiterer Bruder der unter 9, 10 und 12 Erw~hnten), gestorben mit etwa 20 Jahren, lief aus der Lehre und txieb sich herum, Besserung nach Freiheitsstrafe wegen Einbruchs, verschlossener, eigenwilliger und sehr berechnendcr Ghara]cter innerhalb der Norm. Athletisch. 15. Weitere Tochter der soeben erw~hnten Familie, also Toehter einer Base miitterlicherseits, 39]~hrig, gleichgi~ltiger, nachliissiger Gharakter innerhalb derNorm. Leptosom. Mutter der frfihreifen und haltlosen Psyehopathin (Nr. 11) und der unter 16 beschriebenen Toehter. 16. Enkelkind der Base mfitterlicherseits, 18j~hrig, nasehte und stahl in der Pubert~t, schlechte Erziehung, heute schwieriger Ghara]cter innerhalb der Norm (nieht in die Bereehnungen aufgenommen, da noeh nieht 20 Jahre alt). Zusammengefagt linden wir unter den 63 fiber 20 Jahre alten Familiengliedern 2 schizophrene Psyehosen (3%), 3 organisehe Psychosen (5%), 7 nieht schizoide Psyehopathien ( l l %) und 3 lnnerhalb der Norm auff~llige Charaktere (5%). Dazu kommt noeh eine erst 18j~hrige, in der Norm auffg!lige Enkelin einer Base miitterlicherseits. Wir komme~ nun za den Familiengliedern, die gleichzeitig akromegaloid sind und psychische Au]]iillig]ceiten oder StSrungen au/weisen. Es handelt sich um den Probanden selbst und 2 seiner Verwandten. Letztere seien bier kurz zusammengefal3~ beschrieben: 1. Neffe des Probanden, 39ji~hrig, als Kind znrfickgezogen, als junger Mann unbeliebt und geltungssfichtig, zuriiclcgezogener, ]contaktarmer und gdtungssi~chtiger Psychopath. Deutlich a]cromegaloid (fiber 180 cm, grol~es und breites Kinn mit Prognathie, asymmetrisches Gesicht mit Asymmetrien in der Zahnstellung). Verlauf des Akromegaloids unbekannt. Athletisch. 2. Tochter einer Base mfi~terlicherseits, 47j~hrig, in der'Jugend faul, Perioden yon Hell'hunger und auffallendem Durst, sparer arbeitsscheu und sexuell haltlos.
Sexuell haltlose, arbeitsscheue Psychopathin mit St6rungen, die m6glicherweise yore Zwischenhirn herrfihren. Leicht alcromegaloid stigmatisiert (groBe Nase, breites Kinn, grol3e Fii/~e). Ver]auf des Akromegaloides nieht bekannt. Leptosom. 3. 1Droband selbst. Zusammen/assend linden sieh also unter den 63 fiber 20 Jahre alten Familiengliedern 3 akromegaloid stigmatisierte nicht sehizoide Psyehopathen (5%), yon denen 2 StS~ungen zeigen, die mSglicherweise yore Zwischenhirn abh~ngig sind.
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Wir fragen uns zuerst, ob mis dem akromegaloiden K6rperbau in dieserFamilie psychische St6rungen bestimmter Art gekoppelt seien. Von den 3 Akromegaloiden zeigen 2 St6rungen, die m6glieherweise vom Zwisehenhirn herriihren. Der Proband wechselt in Abstanden yon Monaten zwischen Antriebsarmut and maniseher Verstimmung, eine Tochter einer Base litt in der Jugend an Perioden yon Freflsueht und auffallendem Durste. Bei Nichtakromegaloiden dieser Familie land ieh keine Personen mit wahrseheinliehen ZwisehenhirnstSrungen. In diesel. Familie sind also Akromegaloid and m5glicherweise yore Zwischenhirn verursachte StSrangen gekoppelt. Vgeiter finder sieh eine Korrelation zwischen Akromegaloid and psychischer StSrung jeder Art. Unter den akromegaloiden Verwandten kommen psychisehe StSrungen haufiger vor als unter den nicht akromegaloiden Verwandten und unter den psyehisch gestSrten Verwandten finder sieh das Akromegaloid h~ufiger als unter den 1osychiseh unauffElligen Verwandten.
Probandin 3It. 41 und ihre Familie. Die 1899 geborene Probandin war als Kind derart still und zuriiekgezogen und mied den Umgang mit Freundinnen, so dab sie als schizoider Charakter innerha]b der Norm betracbtet werden mu$. Sie maehte solehe Schwierigkeiten, wenn sie yon zu Hause ffir l~tnger weggehen sollte, dab man sie nieht an eine Lehrstelle geben konnte. t~iiekblickend kann man vermuten, dab sie wohl rhit 17 Jahren ihren ersten schizophrenen Schub durehgemaeht hat. Sie begann damals yon zu Hause wegzulaufen und sich nk-ht mehr mit Mutter und Geschwis%ern zu vertragen. Sie wollte unbedingt zu einer Sehwester in die Westschweiz, dort angekommen, wollte sie gleich wieder nach I-Iause und zeigte sich dabei jeder Zaspraehe v611ig unzugs Wiederum zu Hause, dr/~ngte sie attfs neue in die Westschweiz. In den folgenden Jahren fiihrte sie einer berufsts Schwester den Haushalt, war aber derar% wechselnd in Leistungen und Stimmungen, dug groBe Riicksieht auf sie nStig wal. 30jahrig lift sie an einem zweiten sehizopbrenen Sehub. Entgegen ihren seit Jahren gehegten Pl~nen'wollte sie nun plStzlich ihren Verlobten nieht heiraten, ohne einen Grand angeben zu kSnnen. Sie schloB Sieh yon den Mitmenschen ab k]agte fiber Denkst6rungen und war zu keiner Arbeit zu bewegen. Bald spraeh sie mit Liebe, bald mit Abscheu yon ihrem Br~tutigam, machte abet dabei auf ihre Schwestern einen v51lig unbeteiligten Eindruck.. Einige Jahre ging es dann wieder recht gut. Sie hatte geheiratet, ein Kind bekommen nnd sorgte ordentlich fiir Mann und TSchterchen. 33jahrig versuchte sie sich mit Gas umzubringen und kam deswegen in unsere Klinik, wo man eine Schizophrenie feststellte und sie naeh 10 Monaten gebessert entlassen konnte. Allerdings war eine Bevormundung wegen Geisteskrankheit notwendig, die dann 4 J~hre sparer wieder aufgehoben wurde, als keine krankl~aften Symptome mehr festgestellt werden konnten. Sie besorgte nun tiichtig ihren I-Ianshalt, bis si~ im 45. Lebensjahr an einer sehizophrenen Depression erkrankte. Sie ist nun seit knapp 1 J a h r e anstaltsbediirftig. Eine geordnete Unterhaltung ist mit ihr nieht mehr mSglich. Meist sitzt sie antriebslos herum, dann will sie wieder weglaufen. Sie klagt mit weinerlieher Stimme and gleichgiiltigem, affektiv nicht bewegtem Gesiehte, ihr Kopf sei ganz steif, sie habe kein Ged~iehtnis mehr (was objektiv nieht zutrifft), sie babe keine Liebe mehr zu ihrem Kinde. Sie anl3ert Suieiddrohungen and sitzt ruhig an einem offenen Fenster, ohne zu versuchen, sieh hinabzusttirzen. Bald spricht sie einfiihlbar, bald zerfahren vor sieh hin, ohne sieh datum zu kiimmern, ob jemand zuhSrt. Die Diagnose lautet auf eine
Nchizophrenie.
Untersucl~ungen zwiscben Psychopathologie und Endokrinologie.
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Die Probandin ist deutlich akromegaloicl 8tigmatisiert tmd dazu athletisch mi~ leptosomen Zfigen. Die akromegaloide Stigmatisierung begann zwischeu dem 15. und dem 17. Lebensjahre und nahm gleichfSrmig zu bis zur deutlichen Ausbildung. Der Beginn der akromegaloiden StigmatisieIung liegt also kurz vor dem ersten, allerdings nieht ganz sicheren sehizophrenen Schub im 17. Lebensjahre. Vet dem letzten Schttb, der mit 45 Jahren begonnen hat und heute noch andauert, sind I-Ignde nnd l~fiBe auffallend gewachsen, so dab ihr die Schuhe ztt klein wurden. Heute hat Sie stark vorstehende Knochenwfilste fiber den Augen, eine lange, wenn auch nieht beso~ders breite Nase, ein langes, spitzes und vorstehendes Kinn mit Prognathie. Ihre KSrperlgnge miBt 161,1 cm, die Hgnde haben eine L/inge yon 20,9 cm oder 12,9% der KSrperlgnge (~ittel fiir Frauen 11,4%), die FfiBe yon 25,0 em oder 16,1% der KSrperlgnge (Mittel 15,4%). Hgnde und FfiBe sind also ftir ihre Or5Be ztt lang.
Was die allgemeine Charakteristik d~r Familie betri/]t, so stammt der miitterliche Tell, weleher allein erfaBt werden konnte, veto Lande, we auch hetlte noch etwa die H~tlfte der Familie lebt. Unter den Onkeln und Tanten findet man lauter freundliche, lebenstiichtige und fleiBige Leute, die zum Teil als Kleinbauern einen eigenen Betrieb fii*hren oder dann bei Geschwistern und Vet~ern in der Landwirtschaft mithelAbb. 2. Probandin Nr. 41, 33j~ihrig. fen. Verschiedene unter ihnen haben ganz klein angefangen und den Nachkommen einen ordentlichen Her hinterlassen. Atlch die in die Stadt abgewanderten Familienglieder zeigten sich als lebenstfichtig. Tells machten sie erfolgreich eine Berufslehre und tells haben oder hatten sie Dauerstellen bei Post, Bahn, StraBenbahn uncI Banken. Es sind meist ruhige und friedliche Kloinbti~'ger, die zum Teil ein eigenes IzIiiuschen besitzen und mi~ der Familie in gu~em Einvernehmen s~ehen. W~hrend die Onkel und Tanten miitterlicherseits fast ausnahmslos nur die Primarsehule besuchten, linden sich unter ihren Nachkomm~11, den Basen und Vettern miitterlicherseits, etliche Personen mit Sekundarschulbildung. Die jfingsten Nachkommen der in die Stadt gezogenen Familienglieder besuchten mehrheitlich die Sekundarschule, zum Tell sogar Mittelschnlen. Im ganzen gesehen, handelt es sich um eine lebenstiichtige, im Aufstieg begriffene Familie. Drei Geschwister und drei Basen oder Vettern sind nach Amerika ausgewandert. Das sind 3,5% der fiber 20 Jahre alten Familienglieder. Was den Umjang meiner _Familienuntersuchung betri//t, so umfal3t sie insgesamt93 Personen(einschlieBlichProbandhlselbst). 81 davonsindNachkommen
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der GroBeltern mfitterlicherseits, wahrend 12 yon einer Schwester der Gro~mutter mfitterlicherseits abstammen. Die vateriiche Familie konnte leider nicht erfal3t werden, da die Probandirf aus einem Ehebrueh hervorgegangen ist. Die Zweifel, die ich im Laufe der Untersuchung fiber die Vaterschaf~ geschSpft hatte, lieI3en sich schliel31ichsieher bestatigen. Ihr leiblieher Vater kan.n zwar mit Wahrscheinlichkeit vermutet, ~ber doch nichf mit Sieherheit fes~gestellt werden. Es wurden yon der Untersuehung s~mttiche Nachkommen tier mfittertichen Grol3eltern, die fiber 20 Jahre a]~ wurden, erfal3~. Dagegen verzichtete ich auf eine vollst~ndige Erfassung der unter 20 Jahre alten Naehkor~men. So setzen sich die 93 erfaBten Personen aus 85 fiber 20 Jahre ~lten und nffr 8 under 20 Jahre allen zusammen. 69 der Erfa/3ten leben nooh zur Zeit meiner Untersuchungen, 24 sind ges~orben. Von den erfal3ten 93 Personen habe ieh 43 selbst gesehen und exploriert, 6 davon aueh gemessen. Die Beurteilung der ganzen Familie beruht insgesamt auf 304 Angaben yon 54 Auskunftspersonen fiber einzelne Farailienglieder, 7 zugezogenen Krankengeschichten und 2 behSrdlichenAktenstficken. Auf diese Weise wurden mir 84 Personen genfigend bekgnnt, dal~ damit gereehnet werden kann, dab ihre psychischen und kSrperbauliehen Hauptmerkmale erfaf~t sind. Bei 9 Personen ergaben meine Naehforschungen nur ungeniigende Ergebnisse. Ich wende mich zuerst der Betraehtung des Kgrperbaues dieser Familie zu, wobei das Akromegcdoid in.ers~er Linie zu berfieksichtigen is~. I n der Familie Nr. 41 linden sieh (einschlieBtich Proband) im ganzen 6 oder 7% Akromegaloide, 5 davon unter den 85 fiber 20 Jahre alten Familiengliedernund einer, ein 17jahriger psychisch unanffalliger leicht akromegaloid Stigmatisierter unter den nur nnvollst~indig erforschten Jugendlichen und Kindern. Von d!esen 6 Akromegaloiden sind 2 psychisch unanff~llig und 4 psychisch auff~tlig, worauf ieh sp~ter noch eingehend zurfickkommen werde. Das Akromegaloid ist in einem Falle nnr angedeutet, in 4 Fallen leicht und in einem (Probandin) deutlich ausgebildet. Eine leicht akromegaloide, sensible, unstete und leicht debile Psyehopathin, eine Base mfitter]icherseits der Probandin, zeigt neben diesen StSrungen noch eine Strum~ nodosa. Sonst konnte ieh weder andere kSrperbautiehe noeh w:~'itere endokrine StSrungen feststellen. Ieh gebe vorerst eine kurze Ubersicht fiber die beiden psychiseh unauffalligen Akromegaloiden unserer Familie: 1. 25jghriger Enkel einer Base miitterlicherseits, angedsutet akromegaloid: 178 cm, grebes, breites Kinn, Hande und Ffil3e an der oberen Grenze der Norm. A~hletisch. Tfich~iger kaufmannischer AngesteUter. 2. 17jEhriger Bruder des Soeben Erw~hnten, leicht akromegaloid: 183 era, grol3e Ohren, mittellange, aber breite Nase, grebes Kinn. Lept0som. Tfiehtiger Feinraeehanikerlehrling. Anhangsweise will ich bier auch das allerdings erst 13 Jahre aloe TSchterchen der Probandin anffihren, das den Eindruck maeht, als ob sich gewisse akromegaloide Ziige abzuzeichnen beg~nnen. '.Es hat bei t56 cm Lgnge (Dtu-ehsehnitt 153 era) ein etwas breites Xinn und zu grnl3e Ffi$e. Wegen des noeh nicht vollendeten Wachstums verzichte ich darauf, sie unter die Akromegaloiden aufzunehmen. Es wurden lediglich Messungen und Photos ffir eine eventuelle sp~tere Nachkontrolle gemacht. ~ber den Verlau] der akromegaloiden Stigmatisierung kann ieh mit Bestimmtheir sagen, da/~ sie bei dor Probandin in tier Pubert/~t (kurz vor Ausbruch der Sehizophrenie) begonnen h~t. Bei den beiden Brfidern, Enkel einer Base mfitterlicherseits tier Probandin, ist der Beginn der akromegaloiden Stigmatisierung hSchst wahrschein]ich in der Pubertat, wahrend ich yon den 3 fibrigen Akromegaloiden der Familie nut sagen kann, dab die Stigmatisierung mit Sicherheit
Untersuchungen zwisehen Psyebopathologie und Endol~'inologie.
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vor dem 30. Lebensjahre begonnen hat, ohne abet genau zu wissen wann. Uber die Verlaufsweise kann ieh bei den l~eiden jungen Enkeln einer Base miitterlieherseits noeh nichts aussagen, da sie erst 17 und 2.5 Jahre alt sind. Bei den 4 restlichen Akromegaloiden der Familie land ieh ein gleiehf6rmiges Zunehmen des Akromegaloides. Bei der Probandin selbst kam es bis zur deutliehen Ausbildung, bei 3 restliehen Verwanclten nur bis zu einem leiehten Akromegaloid. Zum Vererbungsmodus der akromegaloiden Ntigmatisierung stelle ieh lest, dab 5 der 6 Akromegaloiden yon je 2 nieht akromegaloiden Eltern abstammen (Mutter der Probandin, 2 Basen mfitterlicherseits, 2 Enkel einer weiteren Base mfitterlieherseits der lVrebandin). Ein akromegaloider Enkel des mutmaBlichen Vaters der Probandin stammt ebenfalls yon 2 nicht akromegaloiden Eltern ab. Da abet seine Verwandtsehaft mit der Probandin nichV vSllig feststeht, wurde er nicht in die Arbeit aufgenommen, sondern nur ~nhangsweise erw~hnt. Die Probandin selbst stammt yon einer akromegaloiden Mu~ter ab. Sollte sieh das TSehterehen der Probandin sparer m i t Sieherheit als akromegaloid erweisen, wa.s ieh heute ffir mSglieh halte, so wfirde es nieht nur eine akromegaloide Mutter, sondern aueh eine akromegaloide GroBmutter haben. Dei 3 ~4kromegaloiden, die yon j e 2 nieht akromegaloiden Eltern abstammen, erhebt sieh der Verdaeht auf Blutsverwandtsehaft der Vorfahreu (gleieher Gesehleehtsname in einem kleinen Dorfe mit seghafter BevStkerung). Aueh der mutmaBliehe Vater der Probandin nennt sieh gleieh wie ihre ~ u t t e r als ledig rind s t a m m t ebenfalls aus demselben kleinen Dorfe. Ich untersuehte ferner die tt/~ufigkeit des Auftretens der einzelnen akromegaloiden Merkmale sowie ihre allf~llige Korrelation untereinander in der Vererbung. 5real fund sieh ein lunges Kinn, 4real gro/]e Ohren und 3real auffallend groP0e FiiBe. Die Kombination yon groBen Ohren mit einem groflen Kinn und mit grogen FfiBen finder sieh 3real. Die KombinatAon v~n groBen Ohren mit grol3em Kirm finder sieh soggr 4mal. Ieh verglieh die Konstitution der gesamten Familie Nr. 41 mit der Konstitution s~m~lieher akromegaloid stigmatisierter Familienglieder. Es wurde dabei gepr/ift, bei wieviel Personen die Ziige der drei Konstitutionstypen naeh Km~TSeH~ER vorkommen. Dabei wurden Misehtypen 2real gereehnet.
Tabe~le 3. Ganze F~mi]ie 93 Personen Leptosome Zfige bei . . . Pyknisehe Zage bei . . . Athletische Ziige bei . . . .
61 oder 66% 27 ,, 29% 33 ,, 35%
! i I
Akrom~'galoid stigmatisier te 6 Personen
[
5 oder 84% O ,, 0% 2 ,, 33%
Bei den akromegaloiclen F~miliengliedern finden sich weniger pyk~isehe Xonstitutionsziige als bei der gesamten Familie. Dagegen sind die Unterschiede in tier Zahl der athletischen und let)tosomen Konstitutionszfige noeh innerhalb der Grenzen der ZufMlsschwankungen. Nach der Untersuehung des KSrperbaues sollen nun die psychischen Besonderheiten der Familie Nr. 41 betraehtet werden. Unter den 85 fiber 20 Jahre altert Familiengliedern sind im ganzen 12 (15%) irgendwie psyehisch auff~llig oder krank, in dieser Zah] ist die Probandin selbst inbegriffen. Acht der psychisch Auff/illigen oder Kranken sind in keiner Weise akromegaloid stigmatisiert, 4 (elm schliei3]ich Prob~ndin) sind akromegMoid. Ieh besehreibe nun kurz die psychiseh auff~lligen, nicht akromegaloiden Familienglieder: 1. Neffe der Grol]mutter mfitterlicherseits, ttichtiger Bahnangestellter, 75j/ihrig an arteriosklerotischer Demenz gestorhen. Leptosom.
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H.K. K~o~eF~: 2. Onke] miitterlicherseits, tfichtiger Bahnarbeiter, gestorben im Alter, post-
traumatische Encephalose. Leptosom-athletisch. 3. Binder der Probandirr, 63j~hrig, zu unstet ffir Berufslehre, Alkoholschmuggler in USA., dann Soldat yon 1914--1918, verjubelte naehher St~ndig seine Rente, vagabundierte herum, j~hzornig. Haltloser und triebha]ter Psychopath. Pyknisch-leptosom. 4. Sohn eines Vetters mfitterlicherseits, 47j~hrig, verschrobener Psychopath. Leptosom-athletisch, 5. Schwester der Probandin, gestorben im Alter in Amerika. Reizbarer, wenig arbeits]reudiger Charakter innerhalb der Norm. Leptosom-pyknisch. 6. Enkelin einer Schwester der Grol~mutter, 54j~hrig gestorben. Viele M~nnerbekanntschaften als junges M~dchen, Heirat wegen Gravidit~t, flei~ige Bauernfrau, doch roh, reizbar und lieblos mit den Kindern, haltloser und ge]i~hls. kalter Charakter innerhalb der Norm. Pykniseh-athletisch. 7. Toehter der unter 6. Erw~hnten, 26j~hrig, unfo]gsam als Kind, lief yon zu I-Iause fort, Mfihe in der Schule, yon der Familie wegen ihres b5sen und verlogenen Maules gemieden. Wenig intelligenter und nicht wahrheitsliebender Cha. ralcter innerhalb der Norm. Pyknisch-leptosom. 8. Sohn der unter 6. erw~hnten Enkelin einer" Schwester dcr Grol~mutter der Probandin, 23j~hrig, frech, streitsfichtig und verschwenderisch naeh der Pubert~t, brannte zu Hause dureh, so dab man seit Jahren nicht mehr ,weil], we er ist.
Frecher, streitsi~ehtiger, verschwenderischer und gemi~tskalter Charakter innerhalb der Norm, vielleicht sogar Psychopath, was bei Fehlen yon neueren Nachrichten fiber ihn nicht genau bestimmt werden kann. Pyknisch-athletisch. ZusammengefaBt finden sich also unter den 85 fiber 20 Jahre alien Familiengliedern 2 organisehe Psychosen (2 %), 2 nicht schizoide Psychopathen (2%) und 4 nicht schizoid innerhalb der Norm auffgllige Charaktere (5%). Ieh komme nun zu den Famfiiengtiedern, die g[eichzeitig akromegaloid si~d und psychische Au//gilliglseiten oder StSrungen zeigen. Es handelt sieh um die Probandin selbs~ nnd am 3 ihrer Verwandten. 1 . Base" mfitterlicherseits, 67jghrig, zurfickgezogen im Schulalter, etwa 30jghrig begann eine sehleiehend verIau#nde Schizophrenie mit konfusen religiSsen Ideen, Fureht "/or Vergiftung und unsinnigen Geldausgaben. Sie konnte jedoch immer in ihrem Hause auf dem Lande wohnen und mufite hie in eine Nervenheilanstalt, der Umgebung erseheint sic geisteskrank. Geordnete Unterredung mSglich, doch zeitweise zerfahrener Gedankengang, wenig affektive Aul~erungen, gleichfSrmiges, btSdes nnd der Situation nicht immer angepal~tes L~cheln. Leicht alcromegaloid (lunges Kinn, grol~e Ohren, grol~e H~nde und Ffil~e). 30j~hrig nur angedeutet akromegaloid, sonst fiber Verlauf des Akromegaloides nichts bekannt. Leptosom. 2. Base mfi~terlicherseits, 59j~hrig, unauff~llig als Kind, doch bald versehwen~ deriseh, geltungssfiehtig und unehrlich, 2 Eheseheidungen aus beidseitigem Ver~ scbulden, 43j~hrig 6 Monate in einer Nervenheilanstalt wegen einer psyehoreakriven Depression, heute yon der Familie gemieden wegen ihres Lfigens, zieht viel herum und schwatzt. Unstete, sensible und leicht debile Psychopathin. Leicht akromegaloid (lunges Kinn, gre~e Ohren,grol~e H~nde). Struma nodosa. 30j~hrig nut angedeutetes Akromegaloid, sonst fiber Verlauf nichts bekannt. Leptosom. 3. Mutter der Probandin, gestorben im hohen Alter, sexuell haltlose Psychopathin (unter anderem wurde die Probandin ira Ehebrueh gezeugt), dabei aber lebenstfichtige und fleil~ige Bauernfrau, die den wenig energischen Mann lenkte und neben der Land- und Hauswirtschaft noch Handel trieb. Leieht alcromegaloid mit 70 Jahren (l~nge, doeh schmale Nase, grol~e Ohren, grebes Kinn). 30jghi%
Untersuehungen zwischen Psychopathologic und Endokrinologie.
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nur angedeutet akromegaloid, gleiehm/tl3ige Zunahme bis zur Ieichten Ausbildung. Leptosom. 4. Probandin selber. Anhangsweise will ich noch einen Enkel des mutmaBlichen Vaters der Probandin anfiihren. 24j~hrig, kr/inklich und nervhs als Kind, fiillt durch Vergeglichkeit, langsame l~eaktion, Gleichgfiltigkeit und abnorme Sch]afsucht anf. Rekrntenschule ers~ rnit 24 Jahren, st5/3t deft fiberal/an. M6glicherweise sin~ diese St6rungen dutch das Zwischenhifn bedingt. Deutlich akromegaloid (greBe Ohren, grofle Joch- und Augenbogen, grebes Kinn, Prognathie, gro/~e Zunge, gro6e Hande and Fiil3e). 14j~hrig noch nicht akromegaloid. ZusammengefaBt finden sich also unter den 85 fiber 20 Jahre alt'en Familieng]iedern 4 gleichzeitig akromegaloid Stigmatisierte nnd psychisch Auffgllige oder Kranke (5%). Davon sind 2 schizophren (2%) und 2 nicht schizoid psychopathisch (2 % ). Dazn komm~ noeh ein akromegaloider EnkeI des mutmai~liehvn Vaters der l~robandin mit St6rungen, die m6g]icherweise veto Zwisehenhirn herrtihren. Wir fragen uns zuerst, ob rnit akromegaloidem Khrperbau in dieser Fatailie psychische St6rungen bestimmter Art gekoppelt seien. Diese Frage ist mit Bestimmtheit zu verneinen. Die Probandin war pr~ipsychotisch sclfizoid in der Norm, zeigte zuers~ Eigenwilligkeit nnd Trotz, lift dann an depressiven Ideon nnd machte einen Suicidversueh. Die schizophrene Cousine war pr/~psychotisch nnauff/illig und lift nachher an schleichend zunehmenden Ideen yon Vergiftung und Beeintrachtigung, dann abwegig religihse Beziehungsideen. Die Mutter war sexuell' haltlos, die Base ist debil, sensibel und unstet. Arteh der Verlauf der beiden Schizophrenien ist gar kein einheitlieher: Die der Probandin begann wie das Akromegaloid kurz nach der Pubert/~t und verlief in vier Schfiben, wobei der vierte seit iib~r einem Jahre andauert und keinerlei Tendenz zum Abklingen zeigt. Die Sehizophrenie der Base begann nach der akromegaloiden Stigmatisierung und ver]ief gleichfhrmig zunehmend bis zu einem deutlichen s chizophrenen D d e k t . Wenn sich also kein Vorherrschen einer bestimmten psychopathologischen Symptomatologig unter den akromegaloid psychiseh ges~hrten Verwandten auflinden 1/iBt, so kann sich dagegen eine Korreiation zwischen irgendweleher psychi*chef St6rung und Akfomegaloid ]esistellen ]assen. Unter den akromegaloiden Verwandten kommen psychische Sthrungen hiiufigm' vor als unter den nich~ akromegaloiden Verwandten, und unter den psychisch gesthrten Verwandten kommt das Akromegaloid h~ufiger vor als unter den psyehisch unauff~lligen Verwandten. ttervorzuheben ist noch, dab weder unter den akromegaloiden noch nnter den khrperlich Unauff/illigen der miitterlichen Verwandtschaft der Probandin psychisehe Auff~,lligkeiten festgestellt werden, konnten, die sieh als bloBe Zwischenhirnst6rungen auffassen lieflen. Dagegen zeigt ein deutlich akromegaloider Enkel des mutmaBlichen Vaters der Probandin wahrscheinliche Zwischenhirnst6~'ungen.
Proband Nr. 81 und seine 2'amilie. Beim Probanden handelt es sich um einen akromegaloiden Schizophrenen. Er und seine :Familie sind in derselben Art nn~ersneh?G und zusammenfassend dargestellt worden wie die vorhergehenden Probanden mit itu'en Familien. Um die Kasuistik nieht allzusehr anwachsen zu lassen, wird aber die Darstellung dieses Probanden und seiner Familie im Druck wcggelassen. Sie wird natih'lich Arch. f. Psych. u. Zcitschr. Neur. Bd. 180. 23
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H.K. K ~ o ~ r ~ :
bei der Zusammenfassung unseres Untersuchungsgutes genau wie die fibrigen Familiendarstellungen berficksiehtigt. AuBerdem ist sie in unserer Klinik archiviert und steht' Interessenten zur Verffigung.
Proband _Nr. 61 und seine Familie. Wie ich weiter unten genauer ausffihren werde, mu~ ctamit gerechnet werden, dab das Akromegaloid dieses Probanclen nicht erbbedingt, sondern dureh eine frfihkindliche Hirnverletzung vernrsacht sein kSnnte. Doshalb mug ich diese Familie aug dem Rahmen meiner Untersuehungen herausnehmen und kann sie nur anhangsweise als Einzelbeobachtung anffihren. Der 1895 geborene mannliche Proband mul3te als 7 Monate alto l~rfihgeburt mit der Zange entbunden werden. Er war sehr lebensschwach und konnte nur mit gro~er Miihe am Leben erhalten werdeu. Als Kleinkind im Stubenwagen wackelte er unanfhSrlich Init dem Kopf nach vorn und hinten und konnte deshalb nie in die Nahe einer Wand gestellt werden, da er sonst mit dem Kopfe dagegen sehlug. E r hatte auch die englisehe Krankheit. Sch~)n im Primarschulalter zeigten sich seine fiblen Charaktereigenschaften. Er war unartig, freeh, naschte und stah]. In der Schule kam er nur mit Mtihe mit, da er zu seiner geringen Intelligenz noch faul war. Trotzdem mul3te er nie eine Klasse wiederholen. Von zwei Lehrstellen wurde er fortgejagt un4 an verschiedenen Pli~tzen, wo er als tIandianger arbeiten sol]to, hatte man aueh keine ]~ng'ere Verwendung fiir ihn. Er beging verschiedene Diebereien und bedrohte seinen Vater, mit dem er 5frets Differenzen hatte, mit einer Schugwaffe. Deswegen kara er mit 19 Jahren zum erstenmal in eine psyehiatrisehe Anstalt, ~ o man die Diagnose einer Imbezillits stellte und ihn naeh einem Monate wieder entlie~. 1914--1918 trieb er sich in Deutschland herum, kam mit den Gesetzen in Konflikt, erwarb sich Gonorrhi e und Lues und wurde ausgewiesen, Er b]ieb welterbin unstet, trieb sich herum, arbeitete wenig und trank. Er heiratete, mii~handelte abet seine junge Frau schon auf der Hoehzeitsreise un4 verkaufte seines Vaters MSbel ohne dessen Einwilligung und Kenntnis, was zu seiner zweiten Elm weisung in eine psychiatrische Anstalt fiihrte. Man bezeichnete ihn dort als schwachsinnig und moralisch minderwertig. 2 Monate sp~ter w~rcte er wiederum entlassen und fiihrte seinen unsteten uncl liederlichen Lebenswandel wie bisher, drangsalierte seine Eltern un4 betrog seine Gattin. Er machte mit gutem Erfolg eine Malariaknr wegen seiner im A~lsland erworbenen Lues durch (.Liquor vSllig saniert ). Im Januar 1937, also 43j~hrig, wurde er nachts unruhig, ranate in seinem Zimmer hernm, fluehte und schalt. Als ihn sein Vater yon neuem in eine psychiatrische Anstalt einweisen lassen wollte, lauerte er diesem auf und ersehog itm na.ch einem kurzen Wortwechsel. Ein 4araufhin abgegebenes psychiatrisehes Gutachten schilderte ihn a]s schwer mo~alisch defekten, boshaften Psychopathen, dem unethische Handlungen einen gewissen Lustgewinn be4euteten. 1940 und[ 1941 lift er an einer reaktiven ttaftpsychose. 1942 wurde er wegen einer dritten Haftreaktion aus dem Zuehthause in eine psychiatrisehe Anstalt verlegt, wo er bls heute bleiben mu~te. Er klagt jetzt fiber DenkstSrungen, Gedankenstillstand und zunehmende Anpassungsunfahigkeit. Er sonder~ sich immer mehr ab un4 klagt fiber fremde Beemflussung. Er gilt als debiler, triebha/ter, gemi~tsarmer und 9 i~beremp/indlicher Psychopath. Es b e s t e h t Verdacht auf eine Schizophrenie. Zeitweise iI3t und trinkt er unsinnig viel, was mSglicherweise dutch St6rungen im Zwischenhirngebiete verursacht ist, Der Proband ist deutlich akroqnegaloid stigmatisiert und dazu leptosom. 16j~hrig war er noeh nicht akromegaloid stigmatisiert. Wie er 25j~hz'ig aus
Untersuchungen zwischen Psychopathologie and Endokrinologie.
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Deutschland zurfickkehrte, fiel seiner Familie auf, dab er sich vSllig vcr/~ndert hatte. Sein Kinn sei grob und brutal geworden, seine Nase habe sich stark ver1/~ngert und fiberhaupt habe er so ausgesehen wie heute. 30j/~hrig zeigt ein gild angedeutete akromegaloide Merkmale. Wie auf versehiedenen Bildern zu sehen ist, nahm die akromegaloide Stigmatisierung gleiehmggig zu bis zur heutigen de}ltliehen Ausbildung. Er ist nun mit 50 Jahren 175 cm lung, also nieht besonders grog. Er hat groge Ohren, vorstehende Knochenwfilste fiber den Augen, vorspringende Backenknoehen, eine lange lind breite Nase, und ein grobes, lunges und breites Xinn. Seine reehte Hand hat eino L/~nge yon 22,6 em oder 12,9 % der Kfrperlgnge (Mittel bed M/irmern 11,7 %), sein reehter FuB eine solche yon 28,5 em oder 16,3% der K6rperl/tnge (Mittel 15,4%). Hand und FuB sind also ftir seine KSrperl~nge zu grog. Was die allgemeine Charakterisierung der •amilie betriJ]t, so stammt sie ursprfinglich aus l/~ndliehenVerhgltnissen. Doch sehondieAltersgenossender Grogeltern des' Probanden zogen zum Teil in die Stadt. Die Verwandten mfitterlieherseits sind noeh heute vorwiegend als einfaehe Arbeiter oder Itandlanger t/~tig, wghrend es die v/~terliehen Verwandten in der Mehrheit zur Stellung yon qualifizierten Faeharbeitern gebracht haben. Es linden sich darunter .verschiedene Werkmeister in Dauerstellungen, welter ein Grfinder einer grogen Fabrik, ein Direktor und drei.Lehrer. W/~hrend die glteren Familienglieder nur zum Teil die Sekundarsehule besuchten, gingen die jfingeren mehrheit]ich in diese Sehule. 9 % der erfagten Personcn sind naeh Amerika ausgewandert. Interessanterweise stammen alle Auswanderer aus der v/tterliehen Familie. Was den Um/ang meiner Familienuntersuchung betriHt , so umfagt sie insgesamt 112 Personen (einschlieglich Proband). 46 davon sind Nachkommen seiner GroBeltern, 66 davon sind Geschwister der Grogmutter mfitterlicherseits des Probanden und Naehkommen dieser Gesehwister. Es wurden yon der Untersuchung sgmtliche fiber 20 Jahre alten Nachkommeu aller 4 Grogeltern erfagt. Dagegen verzichtete ich auf eine vollst~ndige Erfassung der unter 20 Jahre alten Familienglieder, da diese ja weder ffir die Untersuchung des Akromega]0ides noch der Schizophrenie aufschlugreich sind. So setzen sich die 112 erfagten l%rsonen au~ 109 fiber 20 Jahre alten und nur 3 unter 20 Jahre alten zusammen. 75 der Erfagten leben noch zur Zeit der Untersuchung, 37 sind gestorben. Von den erfagten Personen habe ich 28 selbst gesehen und exploriert und eine einzige, nfimlich den Probanden, auch gemessen. Die Beurteilung der ganzen Fami]ie beruht insgesamt auf 262 Angaben yon 30 Auskunftspersonen fiber einzelne Familienglieder, 8 zugezogenen Krankengeschichten und Akten eines Strafprozesses. Auf diese Weise wurden mir 103 Personen genfigend bekannt, dab damit gerechnet werden kann, dab ihre psychischen und kSrperbauliehen Iffauptmerkmale erfaBt sind. Bed 9 Personen ergaben meine Nachforschungen keine genfigenden Ergebnisse. Zuerst wende ich reich der Betrachtung des KSrperbaues der Familie de, Probanden Nr. 61 zu, wobei das Akromegaloid in erster Linie zu berfieksiehtigen ist. I n dieser Familie linden inch ira ganzen 5 oder 5 % Akromegaloide unter 109 fiber 20 Jahre al~en Familiengliedern. (Unter den nur unvollstgndigerforsehten Jugendlichen babe ieh keine Akromegaloiden festgestellt.) Von den Akromegaloiden sind 4 psychisch unauff/~llig, w/~hrend einzig der Proband psychiseh auff~llig und akromegaloid ist. Die 4 psychisch Unauffglligen zeigen lediglich eine Andeutung yon akromegaloider Stigmatisierung, der Proband dagegen ist deutlich stigmatisiert. Andere kSrperbauliehe StSrungen und endokrine Erseheinungen als das Akromegaloid konnte ich nicht, feststellen. 23*
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tL K. K ~ o ~ P ~ :
Ich gebe nun eine kurze Ubersieht fiber die 4 psychisch unaUffi~lligen AkrolnegMoiden: 1. Neffe der Grogmutter v~terlicherseits, 68j'~hrig, angedeutet al~romegaloid, ]eptosom, lungenkrank, flei~iger Kranffihrer in Dauerstellung, guter FamilienYa~er.
2. Sehwester der Grol3mut~er v~terlicherseits, gestorben im Alter, angedeutet
akromegaloid, pykniseh, nnauff~llige, fleigige Bauernfrau. 3. Enkel einer Schwester der Grogmutter miitterlicherseits, 34j/~hrig, angedeutet a]~romegaloid, lep~osom, tiichtiger Roghaarspinner, seit 14 Jahren an der gleichen Stelle. 4. Base mfitterlicherseits des Probanden, 42jahrig, angedeutet akromegaloid, pykn.isch, tfichtige Verki~uferin und gute I-Iausfrau. Uber den Verlaul der akromegaloiden Stigmatisierunq bin ieh nur beim Probanden orientiert. Sie begann sicher nach dem 16. und vor dem 25. Altersjahre und nahm gleichf6rmig zu bis zur deutliehen Ausbildung. Zum Vererbungsmodus der akromegaloiden Stigmatisierung stelle ich lest, dab Mle 5 Akromegaloiden dieser Familie von je 2 nicht akromegaloiden Eltern abstammen. Da ich nur den Probanden selbst gesehen habe, kann ich nicht feststellen, ob sich die einzelnen Merkmale in dieser Familie korreliert vererben. Dabei lasse ich often, ob man fiberhaupt yon einer Vererbnng des Aka'omegaloides in dieser Familie sprechen kann, da ich auf 112 erfaBte Personen auger dem Probanden nur noch 4 weitere Akromegaloide gefunden babe, die zudem nur angedeutet akromegaloid sind und lediglich nach Bildern beurteilt werden muBten. Die Konstitution der akromegaloid Stigmatisierten ist beim Probanden und 2 Verwandten leptosom, bei den beiden restliehen akromegaloiden Verwandten pyknisch. In der gesam~en Familie wiegt der pyknische Habitus vor. Nach 'den Untersuehungen des KSrperbaues sollen nun die psychischen Besonderheiten der Familie Nr. 61 betrachtet werden. Unter den 109 fiber 20 Jahre alten ]?amiliengliedern sind im ganzen 18 (16%) irgendwie psyehiseh auff/illig. I n dieser Zahl ist der Proband selbst inbegriffen. Einzig der Proband ist gleichzeitig psychisch auff~llig und akromega]oid stigmatisiert, 17 Pamilienglieder sind psychisch auffgllig oder krank ohne irgendwelche Zeichen akromegaloider Stigmatisierungzu zeigen. Ich besehreibe nun kurz die psyehiseh auff~lligen, nieht akromegaloiden Familienglieder. ]. Grol3tante v/~terlieherseits, 73j~hrig, als Kind nicht sehizoide Psychopathin, 19j/ihrig akut beginnender schizophrener Schub, der mit eine.r Remission yon knapp einem Jahre bis zum 24. Lebensjahre andauerte. Dann soziale Heilung bis auf einen neuen Schub vom 56. his zam 57. Altersjahre, nachher wieder sozial geheilt. Pyknisch. 2. Grofltante mfitterlicherseits, geboren 1848, im Alter gestorben, pr~psychotiseh merkwfirdig, Unfrieden mit Nachbarn, geizig, 51j~hrig lift sie an einer 1 Monat dauernden Involutionspsychose, die einen Misehtypus yon endogener und sehizophrener Depression darstellte. Sonst niehts bekannt. 3. Mutter des Probanden; gestorben im Alter, bSse mit dem Gatten, verwShnte sie den migratenen Probanden, herrschsfichtig und egoistiseh, absonderliehe religi6se Ideen. Ieh beurteile sic als schizoide Psychofathin. Pykniseh-leptosomathletiseher Misehtypus. 4. Niehte der Grol3mutter v~terlieherseits, 70ighrig, prapsychotisch unauff~llig und lebenstiiehtig, 68jghrig erkrankte sie an seniler Demenz, heute anstalts= bedfifftig. Pykniseh. 5. Neffe tier GroBmutt.er v/~terlicherseits, pr~psyehotiseh lebenstfiehtiger Auswanderer, im Alter geistesgestSrt und in USA. anstaltsbediifftig, dort gestorben. Leptosom. Sonss niehts bekannt.
Untersuchungen zwiSchen Psyehopathologie und Endo~Jnologie.
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6. Neffe der Grol3mutter ~Tiiter]ieherseits, 58j~hrig gestorben, sehr tiichtig, arbeitete sich herauf yore Reisenden zum Grfinder einer grol3en Maschinenfabrik, starb an einer arteriosklerotischen Demenz. Pyknisch. 7. Sohneines Neffen der Grol3mutter v~terlieherseits, 28j/~hrig, aufgeregter, verschlossener Und unangenehmer Epileptiker, besserte sich so in einer Anstalt, dab er erfo]greieh den Sehreinerberuf ausfiben kann. Leptosom. 8. Sohn des enter 6. angefiihrten Neffen der v/~terliehen Grol3mutter, im mittleren Alter in den Tropen ges~orben, verburamelter Student, leiehtsinnig und verzogen, endlose Franengesehiehten, hatte einen unehelichen Sohn. Halt. loser Psychopath. Pyknisch. 9. Schwester der GroBmutter v~terlicherseits des Probanden ira mittleren Alter yore alkoholischen Gatten ermordet, sexuell locker in der Jugend (ein oder gar zwei uneheliche Kinder), nicht raehr in der Ehe, daneben aber tiichtige und gesch/~tzte Schneiderin. Ich bezeiehnete sie als sexuelt haltosen Charakter innerhalb der ~Vorm. Pyknisch. 10. Bruder der Gro/3mutter ~qiterlicherseits, gestorben im Alter, fleiBiger Bauarbeiter, aber Trinket. Pykniseh. 11. Neffe der GroBmutter V~t'erlieherseits, Sohn des unter 10. Erw/~hnten, ebenfalls im Alter gestorben, fieigiger Maurerpolier, Trinket. Pyknisch. 12. Grogvater miitterlicherseits, ira hohen Alter gestorben, fleJBiger Schreiner, doch Trinket. Pykniseh. 13. ()nkel raiitterlicherseits, Sohn des unter ]2. Aufgefiihrten, 81jithrig,. frfiher fleiBiger Giel~er, ist heute als chronischer Alkoholi~er mit einem leichten psychoorganischen Nyndrom auf der Krankenabteilung eines Altersheimes. Leptosom-pyknisch. 14. Neffe der Grogmutter vaterlicherseits, im Alter gestorben, fleigiger Killer nnd Wirt, der trunksfichtig wurde und eventuell raehrmMs ein Delirium tremens erlit~. Angaben sind leider ungenan. Pykniseh. 15. Base v~terlicberseits, 49jiihrig, tSdlieh verungliiekt, litt seit ihrem 39. Lebensjahre an einer sehweren Hysterie, die sich in endlosen nicht objektivierbaren Krankheiten iiuBerte. Pykniseh-athletisch. 16. Neffe der GroBmutter v/~terlieherseits, gestorben, n~Bte bis zum Sehuleintritt das Bert, 29j~hrig Unzueht mit Kuh, 40--50j~hrig wurde er Trinker end tried sehr wahrseheinlieh Blutsehande mit seiner ~lteren Tochter. Wegen Unzueht mig seiner jfingeren Toehter, begangen im Rausche, verurgeilt. Ich stellte naeh den Geriehtsakten die Diagnose einer Nexualperversion mit Trunksucht. Pyknisch. 17. Bruder des Probanden, mit etwa 50 Jahren gestorben. Fleigiger Bildhauer, kara dureh die Gartenwirtschaft seiner Gattin ins Trinken. Trank regelra~flig, h~tte aber in Abst~inden yon einigen Wochen Perioden yon auffallender Fregsueht, die yon einer einzigen Mahlzeit bis zu wenigen T~gen arldauerten. Ich bezeichne ihn als Trinket mit gleichzeitigen St6rungen, wie s~e m6gliche~weise yore Zwischenhirn verursacht werden kSmaen. Er war in keiner Weise akromegaloid stigmatisiert. Leptosora-athletisch. Zusamraengefagt Iinden sich also unter den 109 fiber 20 Jahre alten Familiengliedern t Fall yon Sehizophrenie, 1 Fall einer sehizophrenen endogenen ~ischdepression des Involutionsalters, 3 F~ille yon psyehoorganischem Syndrom, 1 Fall yon genuiner Epilepsie, 1 Fall yon schizoider und 1 Fall yon nicht schizoider :Psychop~thie, 1 Fall yon Auff~.lligkeit itmerhalb tier Norm, 5 Fglle y o n Trunksueht und 2 Fglle yon Neurosen. Bei einera weiteren Trinket finden sich StSrungen (periodisehe Frel3sucht), die mSglicherweise veto Zwisehenhirn herrfihren kSnnten:
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H . g . K~oEPr~L:
Ich k~me nun zu den~Namiliengliedern, die gleichzeitig alcromegaloid sind und psychiscl~e AuJJiilligkeiten oder St6rungen zeigen und mug sagen, dab ieh auBer dem Probanden, der ja wegen des gleichzeitigen Vorkommens yon Akromegaloid und psychischer St6rung ausgewi~hlt wurde, keine solche linden konnte. Dabei erfal3te ieh sgmtliche 46 Nachkommen seiner GroBeltern and dazu noch 66 Nachkommen der Urgro/?eltern mfitterlicherseits. Diese Beobachtnng steht im krassen Gegensatz zu den bei den 4 anderen Familien festgestellten Tatsachen.
Zusammen]assung unserer Be/und e. Das Studium der Krankengeschiehten unserer Probanden zeigt zuni~ehst, dag der Proband Nr. 61 nieht mit den fibrigen 4 Probanden zusammengeworfen und statistiseh gleiehzeitig betraehtet werden sollte. W~hrend sieh n/~mlich bei den iibrigen P r o b a n d e n keine Griinde daffir fanden, das Akromegaloid auf eine erworbene tIirnverlet~ung zuriiekzufiihren, so li~gt sieh beim Proband Nr. 61 mit einer erhebliehen Wahrseheinliehkeit vermuten, dab er hirngeseh~digt ist und sowohl die KSrperban- wie die PersSnliehkeitsstSrung mit dieser I-Iirnseh~digung zusammenh~tngt: Proi~and Nr. 61 war eine sehwere Zangengeburt, eine Frfihgeburt im 7. N o n a t und war naeh tier Geburt in hohem Mage lebenssohwaeh. Augerdem zeigte er Ms Kleinkind ein augerordentlieh starkes Kopfwaekeln, so stark, dab sein Stubenwagen nieht an die Wand gestellt werden konnte, wenn Yerletzungen vermieden werden sollten. Ein weiterer I-Iinweis f fir eine I-Iirnseh~digung liegt aueh darin, dag er Ms einziger einer grogen Familie (112 Mitglieder) sehwaehsinnig ist. Es wird bei der negativen Familienanamnese auf Sehwaehsinn ein erworbener Sehwaehsinn nahegelegt. Die Vermutung hat also viel ffir sieh, dab es sieh bei Proband Nr. 61 um eine I-Iirnl/~sion bei der Geburt handelt, auf die Akromegaioid, frfihkindlieher Waekelkopf, Sehwaehsinn a n d Psyehopathie zurfiekzuffihren sind. In der Tat linden sieh aueh in der L i t e r a t u r F/~lle yon hirntraumatiseh bedingter akromegaloider Stigmatisierung (WInKLe.R). I m folgenden fassen wir aus diesem Grunde die Probanden 1, 21, 41 und 81 mit wahrseheinlieh konstitutionellem Akromegaloid Mlein zusammen, ohne sie mit dem wahrseheinlieh erworbenen ~2kromegaloid bei P r o b a n d e n Nr. 61 zusammenzuwerfen. u w e n d e i e h reich der Betraehtung I des KSrperbaues der 4 Familien zu. U n t e r den 291 fiber 20 J a h r e alten Familiengliedern der 4 Familien finden sieh im ganzen 26 akromegaloid Stigmatisierte (9%).. l)azu kommen noeh 2 jugendliehe AkromegMoide yon 16 und 17 Jahren. Es erhebt sieh nun die Frage, ob wit vor einer Iamiligren tI~ufung des Akromegaloides s~ehen oder ob sieh aueh unter der Normalbev61kerung 9% AkromegMoide linden. Da keine Zahlen fiber di e H~ufigkeit des AkromegMoides in der Normalbev61kerung existieren, kann ieh hier
Unterstlchlmgen zwischen Psychojpatlaologieand Endokrinologie.
357
nut eine grobe Schatzung zur Priifung dieser Frage anfiihren. Eindrueksgemi~B wfirde man, wenn man stark a u f das Akromegaloid achtet, allerdings der eDtschiedenen Meinung sein, dab in der Durehl sehnittsbev61kerung weir unter 9% ~aller Personen akromegaloid eharakterisiert sind, wenn man den Begriff in der gleiehen Weise faBt, wie wir das getan haben. Einen bestimmten Anhaltspunkt in dieser l~iehtung ergibt aber folgendes: Unter etwa I000 Anstaltsinsassen, die ich mir auf akromegaloide Merkmale hill ansah, fand ich nur 8 Akromegaloide, also knapp 1%. Es besteht also sicher ein /amilidires Vorkommen des Akromegaloides, wenn sieh in den Familien Akromegaloider etwa 10ram mehr AkromegMoide linden Ms unter si~mtlichen 1000 Insassen yon vier Ans~aIten. Was den Grad der akromegaloidet3 Stigmatisieru.ng bei den 28 AkromegMoiden (einschlieBlich der beiden Jugendlichen) betrifft, so ist 12real das Akromegaloid angedeutet, llmal leicht und 5real (darunter bei den 4 Probanden) stark ausgepr/~gt. Die Untersuchung fiber den Beginn der akromegaloiden Stigmatisierung ffihrte nur in 12 F/illen zum Erfolg. Bei 4 Familiengliedern zeigten sich die ersten akromegaloiden MerkmMe mit Sicherheit in der Pubert/~t, bei einem mit etwa 20 Jahren, bei 4 weiteren sicher vor dem 30. Jahre, wobei aber der genaue Zeitpunkt nicht bekannt ist, also eventuell ebenfalls in der Pubert/~t. Einzig bei 3 Akromegaloiden zeigte sich die endokrine Stigmatisierung erst nach dem 30. Lebensjahre. Die akromegaloide Stigmatisierung beginnt also mehrheitlich in den Jahren der Pubert~it, doc$ gibt es 8icher auch erst spditer au/tretende Fiille von Akromegaloid. Die Untersuehungen fiber den Verlau/ der akromegaloiden Stigmatisierung ergaben ebenfalls nur in 12 ~'/illen zur Beurteilung der Verlaufsweise genfigende Ergebni~se. In 10 F~llen liegt sicher and in 2 l~llen wahrseheinlich eirl gleiehfOrmig zunehmender Verlauf fiber Jahrzehnte vor. Im weiteren versuehte ieh mir ein Bild fiber die Art der erblie~eu Obertragung der akromega]oiden Stigmatisierung zu maehen. 25 Akromegaloide stammen yon je 2 nicht akromegaloiden Eltern ab; w~hrend 3 Akr6megaloide ein ebenfMls akromegaloides Elternteil haben. Unsere ~Probgnden haben insgesamt 4 Geschwister, yon de~en keines akromegaloid ist. Auffallend ist aber, dab nnter nut 4 Probanden bereits 3 akromegatoide I-Ialbgeschwister (total 15 itMbgesehwister) vorkommen. Ferner findet sich in unseren 4 Familien einmal (41)Ubertragung dutch 3 Generationen, wobei freilieh das AkromegMoid naturgem~.B bei einem Kinde noch nicht vSllig sicher beurteilt werden kann. Zur l~rage "der Korrelation einzelner akromegaloider MerkmMe im Erbgang f/illt auf, dab sich bestimmte akromegaloide Merkmale in einer ffir die einzelne l%milie t3~pischen Weise hi~ufen. In der Familie
358
H.K. K ~ O ~ L :
Nr. 1 hgufen sich die Einzelmerkmale der grogen Nase, des grogen Kinnes und der Prognathie. In Familie Nr. 21 grol3e Nase und groges Kinn; in Familie Nr. 41 groge Ohren, groges Kinn und groge ~fiBe und endlich in Familie Nr. 81 ~rol3e Nase. In 3 der 4 Familien finden sich. somit auch typische Kombinationen von Einzelmerkmalem Ich verglieh ferner die Konstitution sgmtlicher akromegaloid stigmatisierten Glieder der 4 Familien mit dem KSrperbau der gesamten Familien:
Tabelle 4. Familien Nr. 1, 21, 41, 81. Alle 291 Familienglieder fiber 20 Jahre. Akromegaloide 26
i~ittlerer Fehler
Leptosome Ziige . .
127 oder 44% (~:2,9)
13 oder 50%
(•
Pyknische Ziige . . Athletische Zfige . .
119 ,, 41% (~:2,9) 103 ,, 35% (~2,8)
5 15
(~7,7) (~:9,7)
,, ,,
19% 58%
(In dieser Tabelle sind 26 Akromegaloide, da die beiden Jugendlichen yon 16 und 17 Jahren hier nicht mitgerechnet wurden, d~ die Ausbildung des endgiiltigen Konstitu~ionstypus eine gewisse l~eifezeit erfordert. Wie wir schon erw~hnt haben, sind bei dieser Ubersicht die gemischten Typen doppelt gezahlt, so dag die Summe der Prozente fiber 100 betrggt.) Die Differenz zwischen den Personen mit pyknischen und athletischen Typenzfigen ist den mittleren ~'ehlern nach nicht sicher bewiesen , abet doch wahrscheinlich stichhaltig. Wit di~r]en also mit
Wahrscheinlichkeit vermuten, daft sich unter den Al~romegaloiden deutlich mehr athletische und deutlich weniger pyknische Konstitutionsziige als unter siimtlichen i~ber 20 Jahre alten Familiengliedern /inden. Ferner wurden die KSrpertypen, der psychisch auff~lligen Akromegaloiden mit denjenigen tier psychisch unauff~lligen und gleichzeitig akromegaloid Stigmatisierten verglichen. Es fanden sich dabei bei den beiden Gruppen yon Akromegaloiden, psychiseh auff~lligen und unauff~]ligen, eine ana!oge Verteilung yon Leptosomen, Athleten und Pyknikern. In Hinsicht au/ den K6rperbautypus sind also Tsychisch au//iillige und unau//~iltige Akromegaloide einheitlieh: Was die psychischen Besonderheiten der zusammengestellten 4 Familien be~rifft, so !assen sie sich summarisch wie fo]gt fibersehen: Unter den 291 fiber 20 J~hre alten ~'amiliengliedern finden sich' im ganzen 56 irgendwie psychisch Auff~]lige und Kranke. Dazu kommen noch eine 18j~hrige nicht schizoid innerh~lb der Norm Auffi~llige und ein 10j~hriges neurotisches M~dchen (schwere Bettn~sserin). Unter den 56 psychisch abwegigen Erw~ehsenen sind; 10 Schizophrene (dav0n 3 Probanden), 1 m~nisch Depressiver 7 Psychoorganiker,
UnteIsuchungen zwischen Psycb,opathologie und Endokrinologie.
359
20ligophrene, 15 andere als schizoide Psychopathien (davon 1 Proband), 15 psy@isch ~nders als schizoid Auff~llige innerhalb der Norm, 1 schizoid Auff/illiger innerhalb d~r Norm unct 3 Trinker, dazu kommen noch 2 unbekannte, vielleicht schizophrene Psychosen. Von diesen zeigen 1 Sehizophrener (Proband) und 4 Psyehopathen Zfige, die auf eine Zwischenhirngenese stark verd~ehtig sind. Dazu kommt noch ein nicht sicher, ~ber doch wahrscheinlich Verwandter eines Probanden mit solchen St5rungen. Dieses bunte Bi]d yon psychisch Abwegigen in so wenigen Familien ]agt sich statistisch' nicht welter verwenden. Wichtig ist nun ~ber die Frage nach der Kuppelung zwischen psychischen St6rungen und Akromegaloid. Von den 22 erw~chsenen Akromegaloiden unter den Verwandten der Probanden sind 12 psyehisch auff~llig oder krank, unter den 265 niehtakromegal0iden Verwandten der Probanden sind hingegen nur 40 losychisch auff~llig oder krank. Wir batten also unter den Akromegaloiden 55% psychiseh Auff~llige oder Kranke, unter den nichtakromegaloiden Verwandten dagegen nur 15%. Auch bei urtseren kleinen Zahlen ist der Untersehied, der mehr als das Dreifaehe betr~gt, als bedeutsam anzusehen. L/~fit man die nur angedeutet Akromegaloiden, die in der Norm Auff/i]]igen und die Trinket weg, da diese Gruppen nicht immer scharf abgegrenzt werden kSnnen, so sind die Akromegaloiden gar 6,Smal mehr yon losychisehen Abnormit~ten befallen Ms alle 291 Personen fiber 20 Jahre der Familien Nr. l, 2], 41 und 81. Eine Korrelation zwischen 1)sychischer StSrung ]eder Art und Akromegaloid ist in unserem Untersuchungsgut als wahrscheinlich anzunehmen. Sobald man abet die vorliegenden Zahlen unterteilen Will und die Frage zu 15sen versueht, welehe psyehischen StSrungen mit dem ~kromegaloid korreliert ersctieinen, erveeist sich unser Material als zu klein. Summarisch soll nut folgendes bemerkt werden: Von den 7 schizophrenen Verw~ndten sind 2 gleichzeitig akromegaloid, rein zahlenm~Big relativ mehr ~ls unter den nieht schizophrenen, wobei aber der Untersehied der kleinen Zahl wegen vSllig belanglos ist. Was auf eine Zwisehenhirnloka]isation hindeutende psyehische St5rungen betriffb, so kommen sie nnter den 26 :akromegaloiden t~amiliengliedern 3mal, unter den 265 nicht akromega]oiden Familiengliedern abet nur lmal vor. Auch diese Zahlen mfiBten noch grSBer sein, mu die Korrelation zwischen Akromegaloid und psychopathologisehen Zwisehenhirnerseheinungen sieher zu beweisen. Sie bedfirfen dringend der l~ber prfifung am erweiterten Untersuchungsgut. Ich bin mir bewuBt, dub durch ungleichm~gige Intensit~tt der Untersucl/ung eine Korrelation zwisehen Akromegaloid und psyciaischer
360
H.K. KNO:~PFEL:
Auff~lligkeit leicht vorget~uscht werden kSnn~e. Wiirde m a n allein die Akromegaloiden, die ja sofort auffallen, sorgfi~ltig psychisch untertIIIl
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1 teben~ahe
A b b . 3. V e r l a u f s k u r v e n der akromegMoiden Schizophrenien. Verlauf des Akromegaloids ; Verlauf der Psychose. fJbe~'sicht i~bzr der~ Krar~I~heitsve~qauA D i e A b s z i s s e e n D s p r i c h ~ d e m ~ e b e n s M t e r , d i e O r d i n a t e soll tier S c h w e r e d e r N : r a n k h e i t u n g e f a h r e n t s p r e c h e n . (Blol~e C h a r a k t e r ~er~nder~ngen ohne lasychotische Symptome ~nd ohne schwere Beeinfl~ssung der A r b e i t s f ~ , h i g k e i t w e r d e ~ a U f d e r ] ~ u r v e ~aicht e i n g e t r a g e n , w e d e r w e n n s i c d e m A ~ s b r u c h der,)Psychose vorangehen noch wenn sie einem Schube folgen. Der erste Grad der S c h w e r e d e r t g : r a n k h e i t soll u n g e f ~ h r e i n e m Z u s t a n d e n t s p r e c h e n , b e i d e m k e i n e P f l e g e b e d f i r f ~ i g k e i t b e s t e h t , die A r b e i t s f / ~ h i g k e i t w e i t g e h e n d e r h a l ~ e n i s t , i m U m g a n g m i t dem Kranken die Psychose nicht yon vornherein deutlich wird. Der dritte Grad entspricht groBor Pflegebediirftigkeit, Unf/~hjgkeit zn wirklich niitzlicher Arbeit, und bei dem dieiBez~ehungen zur UmweI~ sohon in eznfachs~en Si~uationen durch die Psyehose g r o b g e s t S r t sind:} .
.
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suchea, s i c h aber bei den anscheinend Unauffi~lligen mi~ einer wenig fundierten Schnelldi~gnose zufriedengeben, so miiBten sich under den
Untersachungen zwisehen Psychopa~laologie und Endokxinologie.
361
Akromegaloiden mehr psychisch Abnorme finden Ms unter den gesamten Fami]ien. Ich hfitete reich vor dieser Ti~uschungsm5glichkeit und versuchte daher yon jeder erfaBten Person, sei sie nun v611ig unauffi~llig oder irgendwie a'uff~llig, eine kurze Lebensgesehichte mit soziMer Lage, Stellung in der Gemeinsehaft und Lebensbewghrung zu erha]ten. Dabei verglich ich die Angaben verschiedener Referenten miteinander oder kontrollierte meine eigenen Eindrficke an Hand yon Angaben yon Verwandten. Ieh bin der Ansicht, dab es so gelungen ist, diese T~uschung zu vermeiden und dab eine positive Korrelation zwischen A]cromegatoid und psychischer Au//iilliglceit wirl~lich vorliegt.
5. Zusammenfassung: Statistische Verarbeitung yon 23 F~illen bereits beschriebener akromegaloider Schizophrener und Psychopathen und ihrer Familien. Von H. K. KNOEPFEL
Rahmen der Untersuchung. Neben anderen endokrin gestSrten Schizophrenen wurden an unserer Klinik auch akromegaloid stigmatisierte Schizophrene, Psychopathen und psychisch Unauffi~llige, sowie ein Akromegaler, saint ihren l%milien untersucht. Die vorliegende Arbeit will nun die Beobaehtungen der verschiedenen Untersueher fiber das AkromegMoid und geistige StSrungen nach einheitlichen Grundsgtzen auswerten und statistisch zusammenstellen. Das Material besteht im ganzen aus 23 akromegaloid stigmatisierten Probanden und 822 ihrer Verwandten. Es stammt aus den Jahren 1943--1946 und wurde yon SULZ]~R, M ~ G~IT WANDER-Vo]~G~Ln~, DELIA WOLF, SORG und mir selbst ver5ffentlicht. Ich stellte mir in bezug auf die akromegal0iden Schizophrenen folgende Fragen : ].. Unterscheiden sich akromegMoid stigmatisierte Sehizophrene in bezug auf pri~psyehotischen Charakter, Symptomatologie, Erkrankungsalter, Verlaufskurve der Krankheit, Belastung der Verwandten und Endzustand yon anderen Schizophrenen ? 2. Zeigt die famili~re Ubertragung der Schizophrenie bei akromegaloid Stigmatisierten Besonderheiten ~. 3. Finden sich zeitliche Beziehungen zwisehen Verlauf Schizophrener Erkrankung und akromegaloider Stigmatisierung ? .l. Finden sich Schizophrenie und andere geis~ige StSrungen hi~ufiger nnter den akromegMoiden als unter allen AngehSrigen der Probandenfamilien ?
362
H.K. KNOEPF]~L:
In i~hnlicher Weise wurden dann die akromegaloid s~igmatisierten Psychopathen und ihre Verwandtsehaft bearbeitet. Wir versuchten dabei folgende Fragen zu kli~ren: l. Finder sieh eine f fir die akromegaloiden Psyehopathen typische Symptomatologie .~ Sin4 eventueli psychisehe St5rungen, die vom Zwisehenhirn herriihren, typiseh fiir die akromegaloiden Psychopathen ? 2. l~inden sieh unter den Akr0megaloiden der Probandenfamilien mehr Psychopathen (eventuell mit ZwischenhirnstSrungen) als in den Gesamtfami]ien ? 3. Vererben sieh Psychopathien mit akromegaloider Stigmatisierung und ]i~I3t sieh ein bestimmter Erbmodus feststellen ? Im weiteren versueh~e ich Beziehungen zwischen psychiseher Auff~]ligkeit jeder Ar~ und Akromeg~loid festzustellen, wobei vor allem folgende beiden ~ragen im u standen: ]. l~inden sich unter den Akromeg~loiden mehr psyehiseh irgendwie Auff~]]ige als unter den nicht akromegaloiden Verwundten der Probanden ? 2. Sind die deutlich Akromegaloiden im Durehschnitt sti~rker psyehisch auff~llig als die leieht oder nur angedeutet akromegaloid Stigmatisierten ? Sodann untersuchte ieh noeh die Vererbung des Akromeg~loides ffir sieh allein, d.h. ohne ~ticksieht darauf, ob die Trigger der akromegaloiden Stigmatisierung psychisch auffMlig oder unauff&]lig waren. Anh~ngsweise werden dann Beob~chtungen fiber Zusammenh~nge zwisehen Konstitution und Akromegaloid und die Ergebnisse der Untersuehung der Familie eines sehw~chsinn:igen Akromegalen (nicht nur Akromegaloiden / angeffihrt.
Untersuchungen an akromegaloiden Schizophrenen. Prdpsychotischer Charakter der akromegaloiden Schizophrenen. M. BLEVLE~ hat gezeigt, dal~ sich die pri~psychotischen Charaktere Sehizophrener wesentlich anders verteilen, je nachdem ob man yon Anstaltsinsassen oder yon Anstaltsaufnahmen ausgeht. (Die Anstaltsinsassen sind durchschnittlich die schwerer verlaufenden FMle Ms die Anstaltsaufnahmen und zwisehen dem Krankheitsverlauf und dem pri~psychotischen Charakter bestehen enge Beziehungen.) ~eine F~lle sind zum Tell aus dem Bestande der Anstalten ausgelesen, zu einem kleineren Tell aber auch aus den Aufnahmen. Genaue Vergleiehe mit den Tal~ellen fiber die: pr~psycho~ische PersSnlichkeit sin4 also gar nicht m5glich~ Ich werde deshalb melne Zahlen fiber die pr~psychotische PersSnlichkeit akromegaloider Schizophrener vorsichtig sowohl
363
Untersuchungen zwischen Psychopathologie und Endokrinologie.
Tabelle ]. Priipsychotischer Charakter der akromegaloiden Schizo vhrenen.
Prttl0sychotischer Charakter
Anzahl der Schizophrenen Probanden mit Akromegaloid
Anzahl ihrer schizophrenen Verwandten mit AkromegMoid
Gros der schizo-
Total der ersten beiden Kolonnen
phrenen Anstaltsinsassen ohne Akroraegaloid nach
%
Gros d e r
I schizo-
!ohrenen i Anstalts , aufnahmen ohne Akroraega]oi4 ~ach
M. B L E U L E R M. BLErJLER % %
7=28 (--9) 16,8 Unauff/illige 6=24 (~: 8,5) 24,8 Schizoid Auffi~llige in der Norm 5,0 &nders Auffallige 2 ~ 8 (:~5,4) in der Norm 46,6 Schizoide Psyeho4=16 (~= 7,3) pathen 6=24 (~ 8,5) 6,8 Andere Psychopathen 17 25 Insgesamt Sichere und wahrscheinliche Schizo3hrenien beriicksichtigt. (:~) mittlere Fehler.
30,0 32,6 7, 4 24,7 5,3
mit denjenigen fiber die lor~psychotische Pers6nlichkeit yon nicht akromegaloiden Anstaltsinsassen wie yon" nichtakromegMoiden Anstaltsaufnahmen vergleichen. Schlfisse werde ich nur ziehen, soweit sie aus beiden Vergleiehen iibereinstimmend gezogen werden k6nnen. Die Umschreibung der Begriffe ,,unauff~llig", ,,schizoid auffiillig innerhMb der Norm", ,,anders auff~llig innerh~lb der Norm", ,,schizoide Psychopathie" und ,,andere Psychopathien", in die ich meine prfipsychotischen Pers6nlichkeiten aufteile, ist yon M. :BLEULER gegeben worden und sie entsprechen den seinen. Ebenso sind die Vergleichszahlen der Tabelle 20 seines Buches fiber I(runkheitsver]auf, Pers6nlichkeit und Verwandtschaft Schizophrener entnommen. Dieser Vergleich der pr~tpsychotischen Charaktere ~kromegaloider und nicht akromegaloider Schizophrener (T~bel]e 1) ergibt: Unter den a]cromegaloiden Schizophrenen hat es viel mehr andere als schizoide Psychopathien als unter den nicht alcromegaloiden Schizophrenen; nmgekehrt ist die Zahl der Sehizoiden (Summe yon Sehizoiden innerh~lb der Norm nnd schizoiden Psyehopathen) bei den ~kromegaloiden Schizophrenen kleiner Ms bei den nicht akromeg~loiden. Meine Zuhlen sind zwar zu klein, als dab sie statistis6h v611ig gesiehert gelten kSnnten; sie sind aber grog genug, um mit Wahrscheinlichkeit einer Gesetzm/igigkei~ z u ehtsprechen. Von den 17 gleichzeitig schizophrenen und akromegaloiden Probanden zeigten vier pr~losychotisch Symptome, die allem Anschein
364
tLK. K ~ o ~ , ~ :
naeh auf eine psychisehe ZwischenhirnstSrung zuriickgefiihrt werden k6nnten: zwei litten an Dipsomanie, einer an auffMlender Sehlafsucht ia der gugend und einer an periodischem l=IeiBhunger. Zwei derselben zusammen mit zwei weiteren dieser Probanden, die sparer schizophren wurden, waren pri~psychotisch typisehe LandstreieherpersSnlichkeiten mi~ Neigung zu Kleinkriminalit~t. Dieses soziale Entgleisen ist oftensiehtlieh nieht ein spezifisches psychisehes Zwisehenhirnsyndrom; dal3 es aber als Ausdruek einer ,,hypophys/~ren Verstimmung" im Sinne yon F~A~KL-tIoC~W~T vorkommen kann, ist sieher. Dagegen fanden sieh unter den aeht ~kromegaloiden und Sehizophrenen Nerwandten der Probanden keine F~lle yon erkennbaren ZwisehenhirnstSrungen, wohl abet unter den sparer noeh zu bespreehenden niehtsehizopl~renen akromegaloiden Verwandten. Meines Erachtens sind diese Zahlen zu klein, um ein bestimmtes pr~psyehotisehes VerhMten der akromegaloiden Sehizophrenien sielier oder doeh beinahe sieher zu beweisen. Wir kSnnen lediglieh vermuten, dug psychisehe St6rungen, die Vielleiehb Zwischenhirnsymptome sind, bei den Schizophrenen mit akromega]oider Stigmatisierung pr~psyehotiseh h~ufig ~orkommen.
Symptomatologie der Schizolghrenie Akromegaloider. Die Symptomatologie" der Schizophrenic Akromegaloider unterscheidet sich, soweit unsere Unterlag~n erkennen lassen (17 Probanden uncl 8 Verw.andte), nieht yon derjenigen beim Gros der Sehizophrenen. Wir linden die ganze Mannigfaltigkeit yon schizophrenen Grundst6rungen and Sekund~rsymptomen, ohne dag sich bestimmte Symptome auffMlend h~ufen wfirden. Auch das Verhalten in den le~zten Jahren vor der Erkl"ankung, we sich bei den meisten erfaBten akromeg~loiden Sehizophrenien gewisse Ver~nderungen des Ch~rakters abzeichneten, ist nich~ statistiseh faflbar verschieden yon dem Gros der Schizophrenen. 1/5 war, kurz beret die Schizophrenie erkannt wurde, neurastheniseh oder hypoehondrisch, 1/a unstet oder vagabundierend.
Erkrankungsalter akromegaloider Schizophrener. Es sell weiter untersucht werden, ob die Sehizophrenie bei Akromegaloiden durehschnittlich im gleichen Lebensalter ausbricht wie bei Nicht-AkromegMoiden. Ich vergleiche zu c~iesem Zweeke d~s .Erkrankungs~lter unserer akromegaloiden Sehizophrenen mit demjenigen der nicht akromegaloiden Sehizophrenen. Die Zahlen ffir das letztere entnehme ich TabeIle 42 yon 5[. BLEVL~, die seine eigenen Befunde an 459 Schizophrenen mit denjenigen -con K~AEeWLI~r SCH~EID~ und SCHVLZvergleicht. Ich halte reich in bezug ~uf die Umsehreibung
Untersuchungen zwischen Psychopathologie und Endokrinologie.
365
Tabelle 2. Erkrankungsalter akromegaloider Schizophrene~. Akromegaloide Erkrankungsalter
!i
B
A
~ber 40 Jahre Probanden und ihre Verwandten
2 4 (~=8,5)
20-3~
I
[
10--20 Jahre Probanden und ihre Verwandten 20--30 Jahre Probanden und ihre Verwandten 30--40 Jahre Probanden und ihre Verwandten
B
Prozentzahlen
absolute Zahlen
A
eros der Sehizophrenen %
Schizophrene
4
6
20 (•
4
7
20 (/=8,9)
28 (~=9,0)
44---50
lO
10
50 (-911,2)
40 (=~9,8)
18--24
2'
2
10 (/=6,7)
8 (• 5,~)
6--15
I
Insges~mt 100 100 A = nut sichere Schizophrenien beriicksichtigt. B ----sichere und wahrscheinliche Schizophrenien berficksichtigt. Sichere Schizophrenien: 20 (15 Probanden, 5 Verw~ndte derselben). Wahrscheinliche Schizophrenien: 5 (2 Probanden, 3 Verwandte derselben). des Begriffes ,,Erkrankungsalter" wiederum an die Definition yon M. BLEULE~. Ein Blick auf meine Tabelle 2 zeigt, daft 8ich das Er-
krankungsalter akromegaloider Sc/~izophre~er vom Erkran]cungsalter nicht akromegaloider Schizophrener inso/ern unterscheidet, als die Alcro. megaloiden im Durchschnitt etwas spgter an Schizophrenie erkranf~en als die Nicht.Akromegaloiden. Der Untersehied k o m m t dadurch zustande, dab sich bei Akromegaloiden ira 3. Lebensjahrzehnt weniger, im vierten um so mehr Erkrankungen finden als bei Nicht-Akromegaloiden. Der Untersehied h~lt den zweifaehen mittleren Fehler aus, er ist statistiseh wahrsehein]ich, abet nicht gesichert. I m iibrigen unterscheidet sich das Erkrankungsalter der Akromegaloiden an Schizophrenie nicht yon demjenigen der Nieht-Akromegaloiden. Der hervorgehobene Unterschied in bezug auf das Erkrankungsalter Akromeg~loider und Nieht-Akromegaloider an Sehizophrenie erscheint iibrigens noch deutlicher als a u s Tabelle 2 hervorgeht, wenn m a n bedenkt, dab meine Akromegaloiden vornehmlieh aus Anstaltsinsassen herausgenommen wurden, ws das Erkrankungsulter an Schizophrenie ffir Anstaltsaufnahmen bestimmt wurde. I m Durehschnitt stSl~t man ja, wenn man yon Anstaltsinsassen ausgeht, ~uf schwerere Fs , als wenn m a n yon Anstaltsaufnahmen ausgeht; das durehschnittliche Erkrankungsalter ist aber bei den ersteren nach M. BLEtTLE~ niedriger als bei den letzteren.
366
II. K. KNOEPF]~L
:
Die Tats~ehe, d a b sich d s s d u r e h s c h n i t t l i c h e E r k r a n k u n g s a l t e r an Schizophrenie bei Akromegaloiden gon demjenigen bei Nicht-Akrom e g a ] o i d e n m~te;scheidet, i s t ein Hinweis, d a b S c h i z o p h r e n i e u n 4 A k r o megaloid nicht vonein~nder unubh~ngig und unbeeinfluBt zusammen vorkommen. Tabelle 3. Beginn des Akromegaloids bei akromegaloiden Schizophrenen. Beginn dos Akromega]oids
Prozentzahlen
Absolate Zahlen
A
I
6 (• 0--10 Jahre 1 2 10---20 Jahre 6 7 37 (• 20--30 .Jahre 5 5 31 (• 30--40 Jahre 4 4 25 ( • lo,s) ~oer 40 Jahre . . . 0 0 0 Insgesamt . . . . . . 100 16 I 18 A = nut sichere Schizophrenien (16). B ~ sichere und wahrscheinliche Schizophrenien (18).
]3
: 11 !39 28 22 r
(!7,3) ( i 11,5) ( ~ 10,6) (i9,7)
0 100
~ b e r d a s Alter, in dem das Akromegaloid b e i u n s e r e n s c h i z o p h r e n e n A k r o m e g a l o i d e n deutlich geworden ist, g i b t T a b e l l e 3 A u s k u n f t : a m h~ufigsten (in fiber 1/a d e r Y~lle) b e g i n n t d a s A k r o m e g a l o i d zwischen 10 uncl 20 J a h r e n d e u t l i c h zu werden, in 2/a d e r Fi~lle zwischen 10 his 30 J a h t e n , in k e i n e m F a l l e j e d o c h na.ch d e m 40~ L e b e n s j a h r . Tabelle 4.
Zeits,panne zwischen dem Ausbruch des Akromegaloids und der Schizophrenie. Jahre zwischen ]3eginn dos A k r o m e g u l o l d s und der Schizophrenia
A b s o l u t e Zahle'n
A
]3
1 (~ber 30 Jahre 1 25--30 Jahre 1 1 20--25 Jahre 1 1 1 15--20 Jahre 1 1 10--15 Jahre 1 2 5--10 Jahre 2 1--5 Jahre 4 4 5 Im gleichen Jahre ~ . . . . . 4 16 Insgesamt . . . . . . . . 15 A ~ nur sichere Schizophrenien (15). B ~ sichere unc! wahrsoheinliche Schizophrenien (16).
Prozentzahlen
x
7 7 7 7 7 13 27 27
[
:B
6 6 6 6 6 12 25 31
Die a k r o m e g a l o i d e S r b e g i n n t also i m D u r c h s c h n i t t e r h e b l i c h frfiher als die Schizophreniel ~ b e r die Z e i t s p a n n e zwischen d e m I ) e u t l i c h w e r d e n des A k r o m e g a l o i d e s u n d d e r E r k r a n k u n g a n S c h i z o p h r e n i e b e i ein u n d d e m s e l b e n K r a n k e n g i b t T a b e l l e 4 A u s k u n f t . Sie e n t h ~ l t 16 l ~ l l e y o n S c h i z o p h r e n i e b e i A k r o m e g a l o i 4 , b e i d e n e a sowohl d e r Z e i t p u n k t des A u f t r e t e n s d e r S c h i z o p h r e n i e wie d e r j e n i g e
Untersuchungen zwischen Psyehopathologie und Endokrinologic.
367
des Deutlichwerdens der ~kroinegaloidml Stigmatisierung beka,nnt ist. Bemerkenswert ist vorerst, daft das Akromegaloid in allen F~illen vor der Schizophrenie au/getreten ist. Es k~nn also nicht etw~, wie schon v e r m u t e t worden ist, bloB ein S y m p t o m oder eine Folge der Schizophrenie sein. Die Zeitspanne zwisehen A u f t r e t e n des Akromegaloids u n d Erkra, n k u n g an Schizophrenie ist sehr versohieden. Sie k~nn J a h r zehnte betr~gen, ~m hgufigsten ist sie aber doch nur Monate oder wenige aahre. Bei fiber der Hglfte unserer akromegaloiden Schizophrenen b e g a n n ngmlich die Schizophrenie sehon in den ersten 5 J~hren nach A u f t r e t e n des AkromegMoids. Die Tatsache, dM~ die Schizophrenie i m m e r n a c h dem AkromegMoid a u f t r i t t - - und hgufig kurz nach demseIben - - IieBe daran denken, dM~ d~s AkromegMoid zum A u s b r u c h tier Schizophrenie irgendwie priidisponiert.
Krankheitsverlau/ bei akromegaloiden Schizophrenen. I m Sinne der Begriffsumgrenzungen y o n M. BLEVLER teile ich den Endzustand, in den die Schizophrenie a,uslguft, ein in: VerblSdung, schwerer Defekt, leichter Defekt, Heilung. I c h unterscheide bei nleinen Aufstellungen z~dschen den F/illen, in denen ein und derselbe E n d zustund schon tiber 5 J~hre gedauert h~t, yon solchen, bei denen er schon fiber 10 J a h r e l~ng d~uerte. Tubelle 5 gibt die Ubersicht der E n d z u s t g n d e der akromegMoiden Schizophrenen. I h r e D e u t u n g ist schwierig: die Verteilung der EndTabelle 5. Endzustiinde der a]cromegaloiden Schizophrenien. Prozentzahlen
Absolute Zahlen
Endzustand
Schwere V~rbI6dung mehr Ms 10 Jahre beobachtet . mehr Ms 5 Jahre beobachtet Schwerer Defekt mehr Ms 10 Jahre beobachtet . mehr Ms 5 Jahre beobachtet
A
A
20 (~: 12,6) 27 (~: 11,4)
18 ( • 1],6) 25 (• 10,8)
30 20
27 19
Leichter Defekt
4 mehr Ms I0 Je&re beobaohtet . 40 ( i 15,5) 7 46 (=~ ~2,9) mehr als 5 Jahre beobachtet Heihng mehr als 10 Jahre beobachtet . l0 (~= 9,5) mehr Ms 5 Jahre beobachtet V (16,6) Mehr als 10 Jahre lange Beobgchtung der Endzustgnde: l0 nur sichere Schizophrenicn gezghlt = A. II sichere und wahrscheintiche Schizophrenien gezghtt = Mehr als 5 Jahre lange Beobachtung der Endzustgnde: 15 nur sichere Schizophrenien gezghlt = A. 16 sichere und wahrscheinliche Schizophrenien gezghlt = Arch. f. Psych. u. Zeitschr. Neur. Bd. 180.
46 ( • I5,0) 50 ( • 12,.5) 9 (• 8,6) 6 (• B. B. 24:
368
I% K . I~NOEPFEL :
zust~nde Sehizophrener ist VSllig davon abh/~ngig, wie das Krankengut gewonnen wurde, aus dem sie errechnet wird. Untersucht man katamnestiseh die Ausg~tnge yon erstmals in eine Anstalt aufgenommenen Schizophrenen, so erh~lt man Zahlen, die (mit einigen Vorbehalten) tats/~chlieh ffir den Verlauf der Sehizophrenie (yon einem gewissen Sehweregrad an) kennzeichnend sind. Anders wenn man yon Anstaltsinsassen ausgeht, die mindestens 5 Jahre oder gar 10 Jahre lang einen Endzustand erreicht haben. Die Art ihres Endzustandes h~tngt nur wenig yon der allgemeinen, biologisehen Verlaufsform der Schizophrenie ab, wohl abet in der ttauptsache yon den Verh/iltnissen der Anstalt: das private Pflegeheim wird fast nur leieht defekte Schizophrene unter seinen Insassen z/~hien, die staatliehe Pflegeanstalt unter unseren Verh~ltnissen vorwiegencl Verbl6dete und sehwer Defekte, w~thrend Geheilte unter den Anstaltsinsassen natiirlieh fehlen. Die Schwierigkeit ffir die Deutung der Verteiluug der Endzust/~nde unserer akromegaloider Schizophrener liegt nun wieder darin, alas sie zum Tell aus Anstaltsaufnahmen herausgegriffen worden sind, zum Tell aus Anstaltsinsassen herausgesucht wurden und zwar noch aus Insassen verschiedener Anstalten. Immerhin weil~ ieh, dab der welt grSftere Teil meines Krankengutes aus dem Bestande yon versehiedenen staatlichen Anstalten stammt, der sieh mehrheitlich aus chronischen sehwersten F~llen zusammensetzt. Deshalb l~13t sieh die Bedeutung der Zahlen yon Tabelle 5 doch einigermal~en abseh~ttzen. Es f~llt auf, dal~ unter den akromegaloiden Sehizophrenen unseres Krankengutes eher etwas weniger sehwer defekte und verblSdete Endzust~tnde zu z/~hlen sind als unter den schizophrenen Anstaltsaufnahmen. (Unter den Anstaltsaufnahmen verschiedenster Anstalten in der Schweiz und in Amerika fand M. BLEULE~ katamnestisch folgende Endzust~nde : schwere,Verb15dung 25--35 %, sehwerer Defekt 20--35 %, leichter Elefekt 15--25 %, i-Ieilung 20--30 %.) Die H~tufung yon leichten Defektzust~nden unter den Ausg~ngen tier akromegaloiden Sehizophrenerr ist urn so eindrucksvoller, als ja die Aufstellung der Endzust~tnde bei den Akromegaloiden yon Anstaltsinsassen ausging und nicht -con den durehschnittlich viel leichter verlaufenden'Anstaltsaufnahmen, die den Vergleiehszahlen zugrunde liegen. Aueh wenn ieh die Zahlen yon Tabelle 5 nicht mit tier allgemeinen Statistik fiber die Endzast~nde der Schizophrenie an Anstaltsaufnahmen bereehnet vergleiehe, sondern nut mit dem Krankengut de r Anstalten, dem meine Ausgangsf~lle entnonamen sind, so komme ieh zum selben Schlul~: unter den akromegaloiden Sehizophrenen sind deutlich mehr leiehte Defektzustande als unter der GesamtbevSlkerung der betreffenden Anstalten. Ieh gelange also zur Annahme, daft unter den akromegaloiden Schizophrenen mehr in leichten
Untersuchungen zwischen Psychop~thologie und Endokrinologie.
369
Tabelle 6. Verlau]skurven der alcromegaloiden Schizophrenien. Akromegalolde Sehizophrene (gr6Btenteils Anstaltsinsassen) absolute Zahl
Prozentzahlen
Nieht akromegaloide Sehizophrene (Anstaltsalffnahm.en y o n M.
BnEvz~u) %
1. 2. 3. 4.
I. Einfache Verl/iufe: Akut zu Verbl6dung . . . . Chronisch zu Verbl6dung . . Akut zu Defekt . . . . . . ChroniscZ zu Defekt . . . .
II. Wellenf6rmige Verl~ule: 5. Wellenf6rmig zu Verbl6dung 6. WellenfSrmig zu D e t e k t . . . 7. Wetlerd6rmig zu tIeilung . .
~'1 0 I
1
4
5
1 2
2o (+s,o)
5--15 10--20 5 5--10
20 (• 16 (_ 7,3) 40 ( • i0,9', 40 (i 9,8) 10 (• 16 (~_ 7,3)
5 30--40 25--35
5 o 5
20 ( • 8,9)
4 0 4
I[I. Andere Verli~ufe: . . . 0 0 0 A = nur sichere Sehizophrenien mitgezfiMt. B = sichere und wahrscheinliche Scbizophrenien mitgezs Siehere Schizophrenien 20 (15 Probanden, 5 Verwandte). Wahrscheinliehe. Sehizophrenien 5 (2 Probanden, 3 Verwandte).
De[elct und weniger in schwere Verbl6dung und schweren De/elct auslau/en als unter den nicht alcromegaloiden Schizophrenen. D~gegen l> sich fiber d i e I-I~ufigkeit d e r t t e i l u n g n a c h s c h i z o p h r e n e n Schiiben b e i A k r o m e g a l o i d e n aus u n s e r e r U n t e r s u c h u n g n i c h t s aussagen, d a geh e i l t e a k r o m e g a l o i d e S e h i z o p h r e n e aus Auslesegr~inden n n r v e r e i n z e l t in u n s e r K r a n k e n g u t g e l a n g e n k o n n t e n . Die Verlau/,skurven sollen n a e h d e n s e l b e n B e g r i f f s u m g r e n z u n g e n wie bei M. ]3LEULEa e i n g e t e i l t werden i n : einfache Verl/~ufe, n~tmlich a k u t zu V e r b l 6 d u n g , ehroniseh zu VerblOdung, akug zu D e f e k t , ehroniseh zu D e f e k t . W e l l e n f 6 r m i g e Verl~iufe, n~mlieh wellenf6rmig zu VerblOdung, zu I ) e f e k t u n d zu I-Ieilung. T a b e l l e 6 s t e l l t die v e r s e h i e d e n e n Verlaufskurven yon 25akromegaloiden Sehizophrenen zusammem B e i i h r e r B e u r t e i l u n g sgehen w i t v o r d e n s e l b e n S e h w i e r i g k e i t e n wie b e i d e r ]3eurteilung d e r E n d z u s t g n d e . E s e r g i b t sieh, d a b u n t e r d e n a k r o m e g a l o i d e n S e h i z o p h r e n e n k e i n einziger ist, dessert S c h i z o p h r e n i a chroniseh zu VerblOdung g e f i i h r t h a t . Sehon u n t e r den e r s t m a l s aufg e n o m m e n e n , n i e h t a k r o m e g a l o i d e n S e h i z o p h r e n e n h a t es a b e r 10 bis 20 % e h r o n i s c h in sehwere VerblOdung a u s l a u f e n d e . U n t e r d e n sehizop h r e n e n A n s t a l t s i n s a s s e n d e r A n s t a l t e n , aus denen m e i n K r a n k e n g u t s t a m m t , i s t d e r A n t e i l chroniseh p r o g r e s s i v V e r b l S d e n d e r n o c h erheblieh grOBer. I e h gelange also zur F e s t s t e l l u n g , daft die akromegaloiden
Schizophrenen weniger zu chronisch schwerem Verlau/ neigen als die 24*
370
H. K, KNOEPFEL:
nicht akromegaloiden Schizophrenen. Dafiir neigen sie mehr zu chronischen Ausgi~ngen in bloBen Defekt. Ich kenne die Verlau/skurve des Akromegaloids von 13 schizophrenen Probanden und yon 4 ihrer schizophrenen Verwandten. A]le 4 Untersucher fanden in s~mtlichen F~llen ein langsames und gleichmiifliges Zunehmen der akromegaloiden Stigmatisierung w/~hrend mehrerer Jahre. D~ abet die vier verschiedenen Untersucher die Endzust/~nde des Akromegaloids nicht in einheitlicher Art und Weise beurteilten, k~nn ich nich~ sagen, wie oft sich d~s Akromegaloid fortwghrend welter verstgrkt und wie ofg es einen s~bilen Endzustand seiner Ausbildung erreicht. Untersuehungen an den Verwandten akromegaloider Sehizophrener.
Schizophrenic und Psychopathie bei Eltern und Geschwistern yon akromegaloiden Schizophrenen. I n Tabelle 7 wird die Bezugsziffer in iiblicher Weise erreclmet : ~lle Eltern bzw. Geschwister fiber 40 Jahren und die H~lfte dieser Verwandten zwischen 16 und 40 Jahren ergeben zusammen die Bezugsziffer. Tabelle 7. ~gchizophrenie und Psychopathie be~ EILern und Geschwistern
yon akromegaloiden Schizo ~hrenen. Absolute gBeugsZahl ~iffer
Schizoide Andere Sehizophrene Psychopathen Psyehopathen % % % !
Eltern Gros der Schizophrenen nach M. BLEULER Geschwister Gros der Schizophrenen nach M, BLEULER
33
58
33
45
3
9 (=[=5) 6,1
1 = 2 (• 12,5
0 16,5 4=9 9,7
6=18
(=[=6,7)
12,5 5 = 11 (• 7,4
Tabelle 7 zeigt dreierlei: vorerst hat es unter den Gesehwistern akromegaloider Schizophrener weniger Schizophrene als unter den Gesehwistern nicht akromegaloider Schizophrener. Dieser Unterschied h/ilt den dreifachen mittleren Fehler aus. (Ira Gegensatz dazu hat es unter den Eltern akromegaloider Schizophrener gleich viel oder etwas mehr Schizophrene'als unter denjenigen nicht akromegaloider Schizophrener.) Sodunn sind unter den Eltern der akromegaloiden Schizophrenen viel weniger schizoide Psychopathen Ms unter den Eltern der nieht akromegaloiden Sehizophrenen. Drittens hat es daffir unter Eltern und Gesehwistern der akromega]oiden Sehizophrenen n~ehr andere a]s schizoide Psyehopathen ~ls unter den Eltern der nicht
Untersuchungen zwisehen Psyehop~thologieand Endokrinologie.
371
akromegMoiden Sohizophrenen. Man ]r
also sagen, daft die ]amiliiire Belastung akromegaloider Schizophrener we~iger spezijisch die Schizophrenie und das Schizoid betri//t als die/amiligre Belastung nicht akromegaloider Schizophrener. Vererbungsmodus der Schizophrenie bei Akromegaloid. Nut 5 der 23 akromegaloiden schizophrenen Probanden haben wieder akromegaloide Sehizophrene in ihrer Familie. In einer der 5Probandenfamilien kommt nut direkte Vererbung yon akromegMoider Sehizophrenie vor. iMutter des Probanden, Proband und Sehwester des Probanden.) In einer weiteren Familie finden wir sowohl direkte, Ms aueh indirekte Vererbung. (Vater des Prob~nden Proband - - Base des Probanden.) In den drei tibrigen Familien linden wir nur indirekte Vererbung der akromegaloiden Sehizophrenie. (Proband - - Vettern oder Basen des Probanden.) Im ganzen stammen drei akromegaloide Schizophrene yon einem ebenfalls akromegMoiden und sehizophrenen Elternteil ab, w~hrend bei 10 akromegaloiden Sehizophrenen weder Vater noeh Mutter gleiehzeitig akromegaloid und sehizophren sind. Trotz der kleinen Zahlen ist dieser Befund reeht aulf~llig: unter dem Gros der Schizophrenien kommt ja direkte Ubertragung yon einer Generation zur anderen viel seltener vor. Wenn sich meine Befunde a~ gr6Beren Zahlen best~ttigen wtirden, so wiirden sie beweisen, dag der Sehizophrenie bei Akromegaloiden eine andere erbpathologisehe Stellung zukommt als dem Gros der Schizophrenien.
Korrelation von Alcromegaloid und Schizophrenie in der Verwandtscha/t alcromegaloider Schizophrener. Ich versuchte festzustellen, ob die AkromegMoiden unter den Verwandten meiner schizophrenen Probanden hfiufiger yon der Schizophrenie befallen sind Ms s~mtliche Verwandte. Da die schizophrenen und akromega]oiden Probanden gerade wegen des gemeins~men Vorkommens dieser beiden Merkmale ausgesucht wurden, darf ich sie natiirlich bei der Frage nach einer eventuell vorh~ndenen Korrelation zwischen Akromegaloid und Sehizophrenie nicht mitz~hlen. I e h berechne die Korre]ation einmM unter Mitberiicksiehtigung der wahrscheinliehen Schizophrenien und einmM, indem ich reich nur auf die sicheren Schizophrenien beschrs Mit beiden Reehnungsarten finde ich unter den akromegaloiden Verwandten 3ma] mehr Schizophrene ~ls unter s~mtlichen Verwandten der Probanden. (Die absoluten Zuhlen fiir die Berechnung unter Einbez{ehung der wahrsehein]ichen Schizophrenieu ]auten : Erf~Bt wird eine Population yon 433 KSpfen, darunter sind: 16 Sehizophrene und 66 Akromegaloide. In 8 Fallen treffen Akromegaloid und Sehizophrenie tatsfieh]ieh zusammen, wahrend das
372
H . K . K]gOEPFEL:
der grSl]ten Wahrscheinlichkeit nach bei Ua~bhangigkeit zwischen Schizophrenie und Akromegaloid 66 • 16:433 = 2,4mal vorkommen sollte.) D~ meine eigenen Untersuchungen allein 2/3 der erfalRen Personen in sich schliel~en, will ich diese Verh~ltniszahl der Hgufigkeit der schizophrenen Erkrankung noch auf eine andere Art berechnen. Um n~m]ich zu vermeiden, dab meine eigenen Zahlen eventuell yon ihnen verschiedene Werte der anderen Untersucher iiberdecken, berechne ich nun dieses Zahlenverhgltnis, indem ich einfach das grithmetische Mittel der Z~hlen der einze]nen UnteI:sucher nehme, ohne reich d~rum zu kfimraern, wieviele erfalRe Personen der jeweiligen Untersuchung zugrunde liegen. Auch mit dieser Berechnungsart finde ich unter den akromegaloiden Verwandten dreimal mehr Schizophrene als unter allen Verwandten unserer akromegaloiden Schizophrenen. N~ch den Untersuchungen, die bis jetzt an der Ztircher psychiatrischen Universit~tsklinik gemacht wurden, besteht also eine deutliche, positive Korreiation zwischen Alcromegaloid und Schizophrenie in der V.erwandtschaft yon schizophrenen Akromegaloiden.
Untersuchungen an psychopathischen Akromegaloiden. Symptomatologie der Psychopathie bei Alcromegaloiden. In den Arbeiten yon SuILzmL MARGRITWAI~DER-VoEGELIN~ DELIA WOLF, SOl~G und in meinen eigenen Untersuchungen linden sich im ganzen 31 psychopathische Akromegaloide.und 20 innerhalb der Norm psychisch auffi~llige Akromegaloide. Vier der psychopathischen Akromegaloiden sind Probanden. Die iibrigen psychopathischen Akromegaloiden sowie die nur innerha]b der Norm psychisch auff~lligen Akromegaloiden sind Verwandte entweder dieser vier psychopathischen und gleichzeitig akromegaloiden Probanden oder der 17 schizophrenen und gleichzeitig akromegaloiden Probanden der erw~hnten Arbeiten. Ich verzichte d~rauf, die Unterformen. der Psychopathien unserer Akromegaloiden in fest umrissenen Gruppen zu differenzieren, da das nut mit I-Iilfe einer gewaRt~tigen Schematisierung m6glich gewesen w~re. Ich begniige reich vielmehr damit, die vorherrschenden Symptome der psychop~thischen Akromegaloiden zu beschreiben. Es ist schon bei den ersten Untersuchungen unserer Klinik aufgefallen, daft unter den psychopathischen St6rungen Alcromegaloider solche vorherrschen, die dem heutigen Stande unserer Kenntnis nach als Zwischenhirnsymptome gedeutet werden kSnnen. Freilich gibt es keine Einze]symptome, die ftir eine StSrung im Zwischenhirn beweisend w.i~ren und die nicht mit grSl~erer oder geringerer Wahrscheinlichkeit auch anders erkl~rt werden kSnnten. Sicher ist vorerst nicht, dal~ die fraglichen Symptome Zwischenhimsymptome sind, sicher ist nur, dal3 solche
Untersuchungen zwischen Psychopathologie und Endokrinologie.
373
Symptome durch ZwischenhirnstSrungen zustande kommen kSnnen. Die mSgliehen ZWischenhirnsymptome b e i unseren 31 psychopathisehen Akromegaloiden sind : Periodische, kurzdauernde Verstimmungen ohne iiu•eren GruncI (reizbar, euphorisch, depressiv oder apathisch) . 9mal Dipsomanie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 ,, Poriomanie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 ,, Periodischer I-Iei~hunger . . . . . . . . . . . . . . . . 1 ,,.
Knapp die H~il/te aller meiner psychopathischen Alcromegaloiden (15 yon 31) zeigen eines oder zwei dieser Symptome, die sich als St6rungen des Hypophysen-Zwischenhirnsystems deuten lassen. Die andere I-I~lfte der losychopathischen Akromega]oiden sind Unstete, Haltlose, Moral schwache, die oft asozial wurden. Es handelt sich um Charakterschwiichen, deren Zusammenhang mit dem Zwischenhirnsystem Zwar nicht ausgeschlossen werden kann; eine grol~e Wahrscheinliehkeit ffir einen solchen Zusammenhang besteht aber nicht, indem diese StSrungen sehr uneharakteristisch sind und zweifelsohne gewShnlich bei intaktem Zwisehenhirn-Hypophysensystem gefunden werden. Vererbungsmodus der Psychopathie bei A kromegaloid. Es /indet sich sowohl direlcte als auch indirelcte Vererbung. Von den 31 akromegaloiden Psychopat.hen unserer Arbeit stammen 12 yon einem ebenfalls akromegaloiden und gleiehzeitig psyehopathisehen Elternteil ab, w~ihrend bei 19 keiner der Eltern gleichzeitig akromega]oid und psychopathiseh war. Die m6glichen ZwischenhirnstSrungen unter diesen Psychopathen vererben sich vorwiegend indirelct, abet auch h(~u/ig direlct. Von den 15 akromegaloiden Psyehopathen mi~ mSgliehen ZwisehenhirnstSrungen, die unserer Arbeit zugrunde liegen, stammen fiinf yon einem Elternteil ab, das akromega]oid ist und gleichzeitig m5gliche Zwischenhirnst5rungen zeigt. Zehn haben bei ihren Eltern kein gleichzeitiges Vorkommen yon Akromegaloid und m6gliehen ZwisehenhirnstSrungen. Ich betraehte weiter den Vererbungsmodus der blo6en psychischen Auff~tlligkeit innerhalb tier Norm bei Akromegaloiden (wie ieh soeben denjenigen der eigent]iehen Psychopathie bei Akromegaloiden betrachtet habe): unter den 21Familien k~on Probanden, die gleichzeitig akromegaloid und psyehopathisch oder sehizophren waren, kommen in 18 ]%milien Personen vor, die gleichzeitig akromegaloid und psychisch auff~l]ig innerhalb der Norm sind. Im ganzen handel~ es sich um 58 soleher psYchiseh auff~lliger Akromegaloider in diesen 21 Familien, die zusammen 457 Personen mufassen. Auch diese psychisehe Au//iilliglceit bei Akromegaloid ist also hochgradig /amiliiir. 'Sie iibertr~gt sich in ungef~hr der H~lfte der F~lle direk~ yon den Eltern auf die Kinder.
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H.K. K~o~PFEz:
Korrelation yon Akromegaloid und Psychopathie. Ich versuchte festzustellen, ob die Akromegaloiden in den Familien meiner akr0megaloiden Probanden h~ufiger yon Psychopathien befallen sind~ als alle erfal]ten Personen. Natiirlich lasse ich die Probanden weg, die gleichzeitig akromegaloid und psychopathisch sind, da sie j~ gerade wegen dieser Korrelation als Probanden aufgenommen warden. Ich "[inde unter den Akromegaloiden dreimal mehr Psychopath~n aIs unter allen e~]afiten Verwandten. (Die ~bso~u~en Zah]en lauten: erfaBt wird eine Population yon 527 K0pfen, darunter 91 psychisch Auff~llige innerhalb der Norm und Psychopathen und 103 Akromegaloide. In 48 F~llen kommen Akromegaloid und psychische Auff~lligkeit tats~chlich zusammen vor, wi~hrend das der grSl~ten Wahrscheinlichkeit naeh bei Unabh~tngigkeit zwischen Akromegaloid und psychischer Auffi~lligkeit 9] • 103:527 ~ 17,8m~1 vorkommen sollte.) Dabei ist es ohne Bedeutung fiir die Gr6ite dieses Z~hlenverh~ltnisses, ob wir nut die Psychopathen, oder auch die in der Norm AuffMligen mitz~hlen. Um den iiberwiegenden EinfluB meiner eigenen Untersuchungen, die die H&lf'te der erfal3ten Personen stellen, zu reduzieren, will ich diese Zahlenbeziehung auch wieder berechnen, indem ich einfach das arithmetisehe Mittel der Quotienten der einzelaen Untersucher nehme, ohne reich darum zu bekiimmern, wieviele F~tlle ihren Untersuchungen zugrunde liegen. Ieh vermeide damit, dab meine eigenen Untersuchungen die eventuel] davon verschiedenen Ergebnisse der anderen Arbeiten v6rdecken kSnnten. Auf diese Weise finde ieh unter den Akromegaloiden 2,4real mehr Psychopathen als unter a]len erfaBten Verwandten und nicht psychopathischen, akromegaloiden Probanden. Auch bei dieser Berechnungsart /indern sieh die Ergebnisse nicht, ob ieh die in der Norm Auff~lligen mitz~hle oder reich nm" auf die sicheren Psyehopathien beschr'Xnke. Ich kann also sagen, daft sich unter den Akromegaloiden etwa 21/2--3mal mehr Psychopathen /inden a~s unt~r allen er]afiten Verwandten unserer akromegatoiden PrObanden. Ieh untersuchte weiteG ob die AkromegMoiden h~ufiger yon w~hrseheinlichen ZwischenhirnstSrungen psyehischer Art befallen sind ~ls die Nicht-Akromegaloiden. Ich besehr~nke reich dabei ~uf die Psychopathien~ da es mir nicht mSglich war, eine Gruppe yon innerhalb der Norm Auff~lligen mit mSglichen ZwischenhirnstSrungen genauer abzugrenzen. Ich zahlte alle akromegal0iden und psychopathischen Probanden mit; es ist dies fiir diese Aufstellung statthaft, da j~ keiner yon diesen wegen des gleichzei~igen Vorkommens yon Al:romeg~loid und psychisehen ZwischenhirnstSru~gen ausgelesen Wurde.
Untersuchungen zwischen Psyehop~thologieund Endokrinologie.
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Ich /inde unter den Akromegaloiden deutlich mehr Psychopathen mit wahrscheinlichen Zwisehenhirnst6rungen psychiseher Art als unter allen er/aflten Personen. (Die Zahlen ]a.uten: erfaBt wird eine Population yon 531 K5pfen, darunter 20Fiille, die ~ls ZwischenhirnstSrungen deutbar sind, und 107 AkromegMoide. In 15 ~ l l e n kommen Akromegaloid und Zwischenhirnst6rungen tats~ehlich zusammen vor, w~hrend dos der grSBten Wahrschelnlichkeit nach bei Unabhi~ngigkeit zwischen Akromegaloid und psyehischen Zwisehenhirnst6rungen 20 • 107:531 = 4,0ram vorkommen sollte.) Diese positive Korrelati0n ergibt sich in allen fiinf zugrunde liegenden Arbeiten de utlich und einwandfrei. Graduell schwankt sie freilich in den verschiedenen Untersuchungen, indem in dense]ben zwischen 2-, 4- und 7m~l mehr wahrscheinliche psychische Zwischenhirnst5rungen bei akromeg~ioiden Psyehopathen vorkommen als bei alien erfaBtert Personen. Im Sinne der BegriffsumsehreibunN yon M. BLEULEt~ in seinem bereits zitierten Buehe unterscheide ich wieder zwischen eigentlichen Psychopathien und bloBen psychisehen Auff/~lligkeiten innerhalb der Norm. Die letzteren h~be ich noeh zu betraehten. Ich finde unter den Akromegaloiden gut dreimM mehr psyehiseh Auffi~llige als .untek s/imtlichen erfaBten Verwandten unserer akromegaloiden und gleiehzeitig psychiseh auffs Probanden. Es besteht also auch eine deutliehe positive Korrelation zwischen Akromegaloid und psyehischer Au//iilligkeit innerhalb der Norm. (D,ie absoluten Zahlen fiir die Bereehnung lauten : ErfaBt ist eine Population yon 489 KSpfen, darunter 94 Fiille yon psyehisch irgendwie Abwegigen und 89 Akromegaloiden. In 58 F~illen kommen Akromegaloid und psychische Abwegigkeit tats~chlieh zusammen vor, w~hrend dos der grSBten Wahrscheinliehkeit nach bei Unabh~ngigkeit zwisehen Akromeg~loid und psyehiseher Abwegigkeit 94 • 89:489 = 17,41real vorkommen sollte.) Ich will welter untersuehen, ob die deutlieh AkromegMoiden im Durchschnitt starker psyehiseh auff~llig sind Ms die leicht oder nur angedeutet Akromegaloiden. N~tfirlieh diirfen hier die Prob~nden nieht mitgez~hlt werden, da ja nut dentlieh ~kromegaloide und offensichtlich psyehiseh Auff~llige ~(Anstaltsins~ssen) als Probanden angenommen Wurden. Bei der Untersuehung der 50 ukromegaloiden und psyehisch auff~lligen psyehopathisehen nnd geisteskranken Verwandten, bei de~en ich gleichzeitig die St~rke der akromegaloiden Stigma tisatio n und die Sehwere der psychisehen Auff~lligkeit beurteilen konnte, zeigte sich keine statistisch nachweisbare quantitative Beziehung zwischen Stiirke der akromegaloiden Stigmatisation und Schwere der psychischen Au//iilliglceit. So waren die deutlieh Akromegaloiden im Durchsehnitt nicht starker psychiseh abwegig Ms die
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H.K. K~-o~e~n:
nur angedeutet Akromegaloiden und die Psychotischen zeigten durchschnittlich keine stiirkere ukromeg~loide Stigmatisierung ~ls die nut innerh~lb der ~qorm Auff~illigen.
Untersuchungen tiber die Erbpathologie der akromegaloiden Kiirperkonstitution. Beginn und Verlau/ der al~romegaloiden Stigmatisierung. Ich kiimmere reich bei dieser :Frage nicht durum, ob der Tr~ger des Akromegaloids psychisch auffi~llig oder unauff~illig ist. (Der Beginn des Akromegaloids bei den psychisch ver~nderten Akromegaloiden allein wurde gesondert betrachtet.) Der Beginn des Akromeg~loids l~l~t sich wegen dessen l~ngsamer und gleichfSrmiger Zunahme nur mit Schwierigkeiten feststellen. Dazu kommen noch Unterschiede in der Beurteilung der einzelnen Untersucher. Aus diesen Grfinden sind die Zahlen vorsichtig zu deuten. Bei 20 Akromeg~loiden bin ich fiber den Beginn der dyskrir;en Stigm~tisierung orientiert. 18m~l begann sie zwischen i0 und 30 J~hren (90%)und 2real nach dem 30. J~hr. (~ber den Verl~uf des Akromegaloids bin ich bei ]8 Akromeg~loiden ungef~thr orientiert. Alle verliefen gleichfSrmig zunehmend. Doch kann ich nicht s~gen, ob sie einen stabilen Endzustand erreichten oder dauernd welter zun~hmen. Vererbung des Akromegaloides. In den Familien yon 22 akromegaloiden Prob~nden (einer duvon psychisch unuuffs und ihren 93 ~kromeg~loiden Verw~ndten kommt dus Akromegaloid geh~uft vor. Es h~uft sich nicht nur in den Probandenf~milien in auffallender Weise, sondern zeigt eindrucksmi~I~ig auch noch einen bestimmten F~miliencharakter, indem fiir jede einzelne F~milie bestimmte Merkmu]e oder Kombinationen yon zwei oder g~r drei ~kromeg~loiden Merkm~len typisch sind. Zur sicheren Beurteilung der Frage, ob das Akromeg~loid t~s~chlich Fumilieneigen~iimlichkeiten uufweist, miil~ten ~ber ulle Akromegaloiden in vSllig fibereinstimmender Art und Weise beurteilt worden sein, was bier bei den verschiedenen 'Untersuchern nicht vSllig zutrifft. Die verschiedenen atcromegaloiden Merkmale (Veri~nderungen des Gesichtes, des KSrperbaues und der Extremit~ten) vererben sich teilweise einzeln und teilweise kor,'eliert. I)~ es nicht mSglich ist, alle Akromeguloiden (vor ullem auch die Verstorbenen) mit der gleichen Genuuigkeit zu beschreiben, kann ich leider nicht mit Sicherheit sugen, wie oft nur einzelne akromegaloide Zeichen vorkommen, und wie oft sowohl Gesicht als ~uch KSrperb~u und Extremit~ten im Sinne des Akromegaloids veri~ndert sind.
Untersuchungen zwischen Psychopathologieund Endokz'inologie.
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Der Erbgang des Alcromegaloids ist etwa zur Hgil/te dire]or von den Eltern au/ die Kinder und zur H~il/te indirelct. 46 Akromegaloide haben ein akromegaloides Elternteil, dagegen stammen 55 Akromegaloide yon nieht akromegaloiden Eltern ab; wahrend ich bei 14 Akromegaloiden die E]tern nieht genfigend kenne, um sie zu beurteilen. Besonders typisch ffir die direkte Vererbung sind 19 Fi~lle, in denen' sich das Akromegaloid in direkter Linie yon einem Akromegaloiden der Grol~eltern fiber ein akromegaloides E]ternteil auf einen akromegaloiden Enkel vererbte. Welter haben zwei akromegaloide Frauen yon je zwei versehiedenen nieht akromegaloiden G~tten akromegaloide Kinder erhalten, w~s ebenfalls ein anschauliches Beispiel direkter Vererbung darstell~. A ]cromegaloid und ]cSrperlicher Konstitutionstypus. In meinen, eigenen Untersuchungen konnte ich an 344 Personea, darunter 33 Akromega]oiden, zeigen, dal~ unter den alcromegaloiden Probanden und ihren alcromegaloiden Verwandten deutlich weniger Pylcnilcer und deutlich mehr athletische Konstitutionstypen vorlcommen Ms unter allen erfal~ten Personen. Leider konnte ich diese Beobachtungen nicht an Hand der Arbeiten der anderen Untersucher kontrollieren, da in den anderen Arbeiten die Konstitution nieht immer angegeben wurde. Akromegaloid und Alcromegalie. SORG untersuchte einen Fall yon eehter Akromegalie, a~so nicht yon blower ~kromegaloider Stigmatisierung. Er land ffir die Akromegalie vS1]ig andere Verh~ltnisse als beim Akromegaloid. So fehlten beispielsweise psychische StSrungen in der Verwandtschaft vSllig. Er land ~uch keine famili~re Verankerung der Akromegalie. Wir kSnnen bier zufiigen, d ~ in allen untersuchten l%milien yon Akromegaloiden (bei 822 erfal3ten Personen, darunter 115 Akromegaloiden) kein einziger 1%]] von echter Akromegalie gefunden wurde. Diese Beobaehtungen er]~uben zusammen den wahrseheinliehen SchluB, daft sich A]cromegaloid und echte Alcromegalie in ihrer Pathogenese deutlich unterscheiden und erbpathologiseh kaum etwas ndteinander zu tun haben. Zusammen/assung. In der vorliegenden Arbeit wird das Beobachtungsgut yon ffinf kasuistischen Darste]]ungen unserer Klinik fiber Akromegaloide and ihre Familie'n statistiseh zusammengefai~t. Die Zus~mmenfassung betrifft 23 ~kromegaloide Prob~nden, die schizophren oder psychopathiseh waren und 822 ihrer Verwandten. a) Es l~tl~t sich naehweisen, daft sich die al~romegaloiden Schizophrenen unserer Untersuchung naeh pr~ipsychotischem Charal~ter und
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~I. EL.ELNOEI~
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nach Verlau]s/orm vom Durehsehnitt der nicht akromefa~oiden Sehizophrenen unterseheiden: Pr~tiosychotiseh kommen unter ~kromegMoiden Schizophrenen mehr andcre als schizoide Psychopathen und weniger schizoide Pers6nlichkeitsformen vor Ms unter den Schizophrenien im Mlgemeinen. Ferner dr/~ngt sich die Vermutung auf, dM~ psychische St6rungen, die vielleicht Zwischenhirnsymptome sind, bei akromegMoiden Schizophrenen h~ufig vorkommen. Unter den Schizophrenien bei AkromegMoiden kommen mehr Ausg~nge in leichten Defekt vor Ms unter dem Gros der Schizophrenien, w~hrend der Ausgang in vStlige VerblSdung und in schweren Defekt seltener ist. Namentlich neigen akromegMoide Schizophrene weniger zu chronisch-progressivem schwerem Verlauf Ms nicht a,kromegMoide Schizophrene. Das ErkrankungsMter akromegMoider Schizophrener unterscheidet sich yore ErkrankungsMter nicht ~kromegMoider Schizophrener. insofern, Ms die ~kromegMoiden im Durchschnitt etwas sparer an Schizophrenie erkr~nken Ms die nicht akromegMoiden. b) Bei Menschen, die sowohl akromegaloid Ms schizophren sind, p/legt sich die akromegaloide Stigmatisierung vor der Schizophrenie deutlich zu machen. Die Zeitsp~nne zwisehen ~kromegMoider Stigmat.isierung und Ausbruch der Schizophrenie kann viele J~hre betragen, in fiber der t~]fte der ~ l l e ist sie aber weniger Ms 5 Jahre, in etwa 1/r der F~lle weniger Ms 1 Jahr. c) Die famili~re Belastung akromegMoider Schizophrener scheint weniger spezifisch die Schizophrenie und das Schizoid zu betreffen Ms die famili~re Bel~stung nicht akromegaloider Schizophrener. Direkte D-bertragung der schizophrenen Psychose yon Eltern zu Kindern seheint im Verh~ltnis zu indirekter Ubertragung bei AkromegMoiden h~ufiger Ms bei Nicht-AkromegMoiden. I n der Verwandtscha/t vou akromegaloideu Sehizophrendn besteht eine deutliche, aber nieht absolute Korrelation zwischeu Akromegaloid und Schizophrenie. d) In der psychisehen Symptomatologie akromegMoider Psychop~then herrschen Symptome vor, die delu heutigen Stand unserer Kenntnis nach Ms Zwischenhirnsymptome gedeutet werden kSnnen. e) Die Kombination yon Akromegaloid und Psychopathie (vor Mlem durch psychische Zwischenhirnsymptome gekennzeichnete Psychop~thie) tritt ausgesproehen /amiliiir auf; sie fibertri~gt sich vorwiegend indirek~, h~ufig uber auch direkt yon den Eltern auf die Kinder. In der Verwandtscha/t yon akromegaloiden Sehizophrenen und Psychopathen besteht eine deutliche, nicht absolute Korrelation zwischen Akromegaloid und Psychopathie, ebenso zwischen Akromegaloid und wahr. scheinlichen psychischen ZwischenhirnstSrungen. f) Die verschiedenen akromegMoiden MerkmMe vererben sich teilweise einzeln, teilweise untereinander korreliert. Die akromegMoide
Untersnchungen zwischen Psychop~thologieund Endokrinologie.
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Stigm~tisierung beginnt sieh in der tiberw~tltigenden Mehrheit der F~lle im Alter zwischen 10--30 J~hren auszubilden. Die akromegaloide K6rperkonstitution tritt hochgradig /amili~ir au/. Die ~kromegMoide XSrperkonstitution erweist sieh in etwi~ der tI~lfte der F~lle Ms direkt yon den Eltern ~uf die Kinder tibertr~gen, bei etwa der H~lfte der AkromegMoiden hingegen ist keines der Eltern ukromegMoid. Das AkromegMoid scheint eine konstitutionelle positive Korrelation zum athletisehen und negative Korrelation zmn pyknisohen KSrperbau
~ufzuweisen. ]Die Feststellungen a--f gelten vorerst ffirdas Beob~chtungsgut der zus~mmengef~Bten Einzel~rbeiten. Inwieweit k6nnen sie Ms pa.thologische Gesetzm'~Bigkeiten verMlgemeinert werden? Vor Mlem kommen unerwfinsehte Auslesewirkungen in Betraeht, welehe eine derartige VerMlgemeinerung unmSglieh m~ehen wfirden. Es wurde bei jeder einzelnen Problemstellung sorgf~ltig iiberpriift,ob Auslesewirkungen die Schliissigkeit unseres M~teriMs beeintr~ehtigen. Im Mlgemeinen ist das nicht der t~all. Heimttiekisehe Auslesewirkungen lassen sieh immerhin keineswegs sieher aussehliegen. Eine gewisse Sieherung dagegen gibt zwar sehon die Vielseitigkeit meines Beobachtungsgutes. Sodann sind die Befunde an meinem Beobaehtungsgut dan~oh zu prfifen, ob sic deutlicher sind Ms ZufMlsschwankungen entsprechen k6nnen. Ieh babe, um mir ein Bitd dariiber zu maehen, vorerst die mittleren Fehler unserer Statistiken betraehtet. Um meine Darstellung nicht mit Zahlen zu iiberlasten, habe ieh sie im Text nur den besonders wiehtigen Zahlen beigeffigt (und nur meinen Prozentziffern, nicht denjenigen-der Vergleichs-Prozentziffern und nieht den Differenzen). Ieh mSehte abet noeh hervorheben, dab ineine Sehliisse einen ganz erheblich grSBeren Wahrseheinlichkeitswert haben, Ms d~s aus meinen Tubellen hervorgeht, weil die Ergebnisse der einze]nen Arbeiten, auf die sieh die Smmnelst~tistik aufbaut, meist in derselben Riehtung weisen. (T~tbest~nde, bei denen dies nicht der 1%11 war, wurden nieht in unsere :Polgernngen ~ufgenommen.) ~renn ieh den Wahrseheinliehkeifsgrad, mit dem meine Befunde verallgemeinert werden kSnnen, summariseh in Worten ausdriieken wollte, hgtte ieh unter Bezeiehnungen wie etwa den folgenden zu wghlen: sieher erwiesen, beinahe sieher erwiesen, sehr wahrseheinlieh, wahrseheinlieh, ziemlieh wahrseheinlieh, gut mSglieh nsw. Eine sorgf~ltige Uberpriifung der Unterlagen fiihrt reich dazu, den unter a ~ /
zusammenge/afiten Sehlu/3/olgerungen ~it ,,ziemlicher Wahr.scheinlichkeit" eine allgemeinpathologische Bedeutung zuzusprechen, soweit sie nicht unterstrichen sin& Den unterstrichenen Feststellungen hingegen ist mit ,grofler Wahr.~cheinlichkeit" eine alIgemeinpathologisehe Bedeutung zuzuschrr und ihre Bedingtheit durch ZufM]s- und Auslese-
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W . A . STOOL:
w i r k u n g e n unseres B e o b a c h t u n g s g u t e s ist sehr u n w a h r s c h e i n l i e h . Sicher bewiesen s i n d a b e r a u c h sie nieht. Die a]lgemeine B e d e u t u n g m e i n e r E r g e b n i s s e i s t z u m Tei] schon in den E i n z e l a r b e i t e n , d i e ihnen z u g r u n d e liegen, g e n a u e r d i s k u t i e r t . E i n e w e i t e r e W f i r d i g u n g w i r d sie in d e r z u s a m m e n f a s s e n d e n D ~ r s t e l l u n g y o n M. BLEULER erfahren. E s soll d e s h a l b i m R a h m e n dieser st~tistischen Z u s ~ m m e n s t e l l u n g n o c h n i e h t ~uf sie eingegangen werden.
III. Morbus-Cushing-artige Konstitution. Zwei weitere F~ille p s y c h i s c h e r Stiirungen bei M o r b u s - C u s h i n g - a r t i g e r
Konstitution. Von
W. A. STOOL. W i e in d e r aus u n s e r e r K l i n i k stamn~enden A r b e i t y o n DELIA WOLF h a n d e l t es sich i m f01genden u m zwei weibliche K r ~ n k e , d e r e n K o n s t i t u t i o n s t a r k ~n einen M o r b u s Cushing erinn~rt u n d die gleich.. zeitig auff~llige p s y c h o p a t h o l o g i s c h e S t S r u n g e n zeigen. Die eine k a m E n d e 1946, die a n d e r e a n f a n g s 1947 in unsere B e o b ~ c h t u n g . W i t verweisen ~usdrficklich auf die A r b e i t y o n DELIA WOLF, die auf die sich e r h e b e n d e n F r a g e n u n d a u c h auf die L i t e r a t u r n a h e r e i n t r i t t , als es hier b e ~ b s i c h t i g t ist. .Fall 1. Fanni B., 48j~hrig, ]=[ausangestellte. Die Angaben fiber die F~milie ~r stammen vor allem yon der Probandin se]bst. Von den Grol~eltern kann sie nichts berichten. Der Vater, ein Spengler, sei beruflich tiichtig, aber ein ,,Lebemensch" ge~esen. Er wanderte aus, a]s die Probandin 4j~hrig war. Eine Photographie l~l~t einen vollblfitigen Pykniker erkennen. Laut Familiensehein starb er 13 Jahre nach der Auswanderung 47j~hrig in Neuseeland. Die Mutter starb 35j~.hrig, als die Probandin 9j~hrig war, in de~ Heimatgemeinde des Mannes, ~ach Angabe der Probandin im Armenhaus. In Almeuh~usern habe die Mutter grol]e Tefle ihres Lebens zugebracht. Sie sei an einem ,,Herz- und Ll/ngenleiden" viel krank gelegen und yon ,,bSsem" Charakter gewesen. Angaben fiber den ESrperbau der Mutter fehlen, l'Jber die Verwandten miitterlicherseits ergaben objektive Erkundigungen, dal~ eine Tante an Lungentuberkulose starb und der Grol~vater ein Ttinker gewesen sein soll. Die ganze Famflie scheint sich in einfachen und armen Verh~ltnissen (Hand!anger, Korbflicker) meist nut mit Miihe durchgebracht zu haben. Geh~ufte Psychopathien und eine Sehizophrenie wurden nur bei Enke]n eines Ururgrol~vaters mfitterlicherseits in Nebenlinie bekannt. Hinweise auf eine Belastung miitterlicherseits mit Fettsucht ]iegen ffir die Probandin nicht vor. - - Vier Geschwister der Probandin starben vor Erreichung des Schulalters. Heute hut sie nur noch eine 40j~hrige, angeblich deutlich magere Halbschwester, die in der Schule immer grol~e Mfihe gehabt babe. Seit vie]en Jahren sei sie Kfichenangestellte in einem Kloster. Die iiuflere Lebensgeschichte der Probandin ist bunt und doch leicht fiberbliekbar. Aufgewachsen ist sie in Waisen- und Armenhauseln und bei Pflegef~milien. Wegen hi~ufigen Versetzungen babe sie die Schule bald da, bald dort besucht.
Untersuchungen zwischen Psychopatho]ogie und Endokrinolcgie.
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Manchmal sei es gut, manchmal sehr schlecht gegangen. Vom 14.--20. Jahr mul]te sie in Fabriken arbeiten. Dann war sie in meist b~uerlichen Betrieben HaushSlterin, DienstmSdehen, KSchin u. dgl. Zuerst seien es mehrj~hrige Stellen gewesen; dann habe sie es jeweils nur einige Monate ausgehalten. Es babe sie einfaeh immer fortgetrieben; ,,e~ hat immer etwas gehen mfissen". Seit vielen Jahren ist die Probandin weitgehend unstet, halt sich in allerlei Zafluchtsheimen auf; finder sie eine neue Stelle, zieht sie bald wieder welter. Ihre Effekten lagert sie da und dort ein und erleidet dadurch Verluste. I)och babe sie sich immer selber durchgebracht; nie sei sie etwas schuldig geblieben. Von der k6rperlichen Entwicklung der Probandin wissen wit, da$ sie seit je adipSs gewesen ist. Eine Photographie der 8jahrigen zeigt ein normal groBes Kind mit eher mageren Armen, aber stark entwickeltem Abdomen. Im Vergleich zu ihren AltersgenoSsinnen haben sich ihre Brfiste friih entwickelt. Lange habe sie sich bemiiht, dies zu verbergen. Trotz der kSrperlich stlengen Arbeit und obschon sie bei armen Lenten in Pflege und die Kost kriegsbedingt knapp gewesen sei, babe man die Pflegeeltern wiedelholt gefragt, ob sie die Probandin eigentlich masteten. Naeh einer Krankengeschiehte wog die 38jahrige Probandin 76 kg. Mit 46 Jahren war sie zu einer Eutfettungskur hospitalisiert. Mit U~ER-DiSt und tterztherapie (wegen Myodegeneratio und Insufficientia eordis} fiel das Gewicht yon 91 auf 82 kg. Naehher babe sie raseh wieder zugenommen. Mit 17 Jahren seien ihre tIaare ergraut. Ungefahr in demselben Zeitpunkt babe sich eine deutliehe Kinnbehaarung ausgebildet. Von einem Bekannten sei sie gelegentlieh rasiert worden. Seit etwa 5 Jahren nehme die Gesiehtsbehaarung wieder etwas zm - - Mit 46 Jahren, zur Zeit der Entfettungskur, seien ihr viele Kopfhaare ausgefallen, so dab es zu .einer starken Liehtung gekommen sei. In die Entwickluhgsjahre datiert die Probandin das erstmalige Auftreten yon rheumatisehen Besehwerden. Sie babe damals einige Monate nicht gehen kSmlen. Seither habe sie, wie aueh aus arztlichen Angaben hervorgeht, immer etwa Sehmerzen im Rficken und in den Gliedern und Gelenken verspiirt. Im 46. Lebensjahr wurde eine Spondylarthrosis deformans festgestellt. 47j~hrig lift die Probandin nach ihren Angaben an sehr unangenehmen, etwa viertelstunden9 langen ,,Anf~llen". Ein Schmerz in der Magengegend habe sich fiber die Brust naeh hinten gezogen, so dab sie laut aufheulen mu~te. Die Menarche sei mit 12 Jahren eingetreten. Der Zyklus sei friiher regelm~Big 4wSehig gewesen, babe etwa 4 [rage gedauert. Sparer sei die Blutung aber nut noch gering und kurz gewesen. Oft babe sie sie kaum beachtet, babe nieht gewuBt, ob Blur oder nur Schleim abgehe. Seit mehr als 10 Jahren sei die Periode oft ffir l~inger ganz ausgeblieben. - - Die ersten sexuellen Beziehungen will die Probandin anfangs ihrer Zwanziger Jahre mit einem Arbeitgeber gehabt haben. Vom 30. Jahre an habe sie zahlreiche M~nnerbekanntschaften gehabt, auch sehr fliiehtige. Sie habe irnmer ,,einen haben,i miissen. Bei fehlender Gelegenheit babe sie inseriert. I)ie Kranke nahm den Wechsel ihrer Beziehungen meist schwer. Der sexaelle Verkehr sei ihr ein starkes Bedfirfnis gewesen, obsehon er sie immer traurig gemacht und zum Weinen gebracht habe. Oft sei es zu Heiratsplanen gekommen. Sobald diese abet bestimmter geworden seien, babe sie sich zuriick. gezogen. Sie habe geglaubt, einer Ehe nie gewachsen zu sein, habe gedacht, ihre Kinder wiirden ihren ,,Kopf", ihren Charakter erben und ungliicklieh sein wie sie selbst. - - 38j~hrig lag sie einige Wochen wegen Abortus incompletus mens. I I I - - I V in der Ziircher Frauenklinik; selber habe sie yon der Schwangersehaft nichts gewuBt. Zur 19sychlschen Entwicklung befragt, g i b t die Probandin an, dab sie sebon als Kind ,,difficil" gewesen sei. lVIan habe ihr oft das Armenhaus vorgeworfen,
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W.A. S~o~L:
was ihr immer sehr weh getan babe. Hgufig babe sie unbestimmte Angstzust~nde gehabt, ohne zu wissen, wovor sie sich eigentlich fiirchte. ,,Ich habe einfach immer eine Angst gehabt, aber nicht vor etwas . . . . . . " Einsame ni~chtliche Gange z. B. hatten ihr nichts ausgemacht. Auch sparer babe sie immer wieder an Angsten gclitten, an ,,Depressionen". In Gescllschaft babe sie laut lachen und schwatzen k6nnen. Dabei aber habe sie sich sehr zusalnmennehmen mfissen, sei allein ge]assen sofort traurig geworden. Sic habe kein Selbstvertrauen und Minderwertigkeitsgeffihle gehabt, habe gefiirchtet, sie kSnne sich nicht durchbringen, sie komme noch ins Irrenhaus. Sic habe immer stuC[ieren mfissen, ,,Angst vor der Angst" gehabt. Es babe sie auf einsame Spazierg~nge getrieben; sic habe ,,etwas sehen" miissen, ,,und wenn es nur tt~user waren". Auch Reisen im ganzen Land herum babe sic aus solehem Trieb heraus unternommen. Sic habe sich nie getraut, zu radfahren, weft sie ,,die Toten im voraus gesehen', habe. Manchmal habe sie gedacht, sic werde jemanden vergifter/. Sie habe einen anbez~hmbaren Drang gehabt, sich in den Ohren zu stochern, obschon sie immer wieder gemahnt worden sei. Sie war davon iiberzeugt, schlafmittelsfichtig zu werden, obsehon sie objektiv nur geringe Mengen verbrauchte. Schon als Kind sei sic yon religi6sen Zweifeln geplagt gewesen. Sic habe sich immer mehr yon der Kirche zuriiekgezogen, obschon sie ,,am Glauben interessiert" sei. Aber wenn sic richtig mitmache, ,,iiberkeie" sie fast, meint die Probandin, ohne sich genauer auszudrficken. Meist sei es der Probandin einige Wochen psychisch gut gegangen, besonders auch w~hrend der rheumatischen Beschwerden. Aber dann sei es immer wieder schlimmer geworden. Sic habe ihre sexue.llen Beziehungen abgebrochen, die Stelle gewechselt und sich in ~rztliche Behandlung begeben. Oft babe sic fiir viel Geld den Kurpfuscher aufgesueht. 33j~hrig war die Probandin 2 Wochen in einer psychiatrischen Klinik, nachdem sie wieder einmal h~tte heiraten sollen. Man stellte eine psychotherapeutisch gut zug~ngliche Depression aus dem manischdepressiven Kreis lest. Vom 34. Jahr bis heute konsultierte die Probandin sehr h~ufig unsere Poliklinik. Einzelne Untersucher daehten an Schizophrenic, legten sich aber wegen des guten affektiven Rapportes nicht darauf fest. Neben der I)epressivit~t der Probandin fie] eine starke Betriebsamkeit und Logorrhoe auf. ]Vian sprach Yon ,,me]ancholischer Manie". In einer anderen psychiatrischen Poliklinik wnrde bei der 44j~hrigen Probandin eine llebephrenie vermutet. Man glaubte auch, paranoide Verfolgungsideen zli bemerken, wurde aber nicht klug aus den Angaben der Probandin. Sic selber berichtet noch, wie sie zeitweise ,,tobsiichtig ~ werde und beispielsweisa wiederholt den Meister verpriigelt babe. Ferner erggnzt sie, dab sic sich viol mit I-Ioroskopen abgegeben und auch ,,psychologische" Kurse besucht babe. In einer ihrer zahlreichen triebhaften Depressionen suchte die d8]iihrlge Probandin ]reiwillig unsere Klinik auf. g i e r ist sie vSllig orientiert und geordnet. Anhaltspunkte fiir ein amnestisch.es Psychosyndrom fehlen. Bei dauernd g u t e m affektivem Rapport ist die Probandin meist depressiv, aber keineswegs suicidal. Sie ist ausgesprochen affektlabil. Rabch kommen ihr die Tr~nen; handkehrum kann sie etwas Lustiges erzahlen. Voriibergehend wirkt sic sogar hypomaniseh. Sie meint, innerlich sei sie immer traurig; sie kSnne sich aber nach aul3en gut zusammennehmen. Ihr Wesen ist gesch~ftig, eilfertig; trotz ihrer Adipositas geht sic sehr rasch dureh die G~2ge. Sie schwatzt drauflos, schweift gem vom Thema ab, ohne dab der Gedankengang zerfahren ware. Oft unterbricht sie sich mit sehmerzlichem Augenaufschlag, der bei stark ausgepri~gten V~RAGVTHschen Falten ausgesprochen theatra]iseh wirkt. Die Klagen der Probandin in der Anstalt sind dieselben wie in der Vorgeschichte. Sie babe Angst, ohne genau sagen zu k6nnen weshalb; Angst vor
Untersuchungen zwiscl~en Psychopathologic and Endokrinologie.
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allem, was sic unternehmen Sollte; Angst, sic stelle etwas a n ; A n g s t vor dem zu Bert gehen. ,,Ich habe Angst, dab es iiberhaupt eine Welt gibt und dab man darauf ist." Sic f/ihle sich unfrei; es drange sic, hinzusitzen und zu studieren, ,,ich kann nieht ganz so riehtig sagen was". Nach Geh6rshalluzinationen befragt, meint die Probandin unklar und hysteriform-geheimnisvoll, sic h5re etwa lhren Namen und sic rede oft mit anderen, wenn sic allein sei. ,,In der Phantasie" sehe sic diese Gesprachspartner auch. Intellektuell ist die Probandin unterbegabt. Sic selber halt sich fiir durum, betont aber gleichzeitig ihre Scblauheit, mit der sic immer iiberall durchgekommen sei. Ihre Zukunft sieht die Probandin als Fortsetzung der bisherigen Lebensweise. Es werde eben weite~gehen. Sic werde irgendwo sein, bis sic wieder ringsum Kmnmer und Sorgen sehe and bis es sic wieder forttreibe. Im Lebenslanf schrieb sic unter anderem: ,,Ich bin den ma/3gebenden Artzten u. Verwaltung sehr dankbar in einem kritischen Moment in Ziirch. Anstalt Aufnahme gefunden zu haben doeh weil~ ich, dab ich Hier keine bleibende State gewillt war zu suchen u. keine sein k5nte." Ein anderer Absehnitt tSnt zuversichtlieher; gleiehzeitig ist e~ ehl Beispiel fiir die abschweifende Schwatzhaftigkeit der Probandin: ,,Ich werde reich nachste Woehe urn eine Stelle bewerben Ich werden reich dttrchkampfen miissen. Selbst Bemittleidung hat keinen wert, die meisten Mensehen haben irgendeinen Kummer, ein Leid zu tragen u. miissen sich such dttrchsetzten Wenn alle Menschen nicht mehr Energi u. Ausdauer batten als ich, dann waren die Mitre] zum Krieg nicht erfunden worden man miiste wie Adam u. Eva nocht naekt umherlaufen, man h~tte keine Kfiche brauchte man nicht maim wiirde nur noch aus Kr~tltern leben, (ich ~vare dabei schlank geblieben) u. die Psichiater wiirden Ihren Beruf bald aufgeben hatten keine Geduld soviete Kranken-Gesehichten abzuhSren." K6rperlich. Die Probandin ist 150 cm groB und wiegt heute 98 kg. Die Adipositas betrifft den Stamm, etwas schwacher die Extremit~ten. Es besteht ein ausgepragtes Nackenpolster. Am Abdomen zeichnen sich deutliehe Striae ab, obsehon die Probandin nie geboren hat. Das Gesicht erinnert stark an ein Vollmondgesicht; es ist meist rosig, kann sich aber auch blaulich.kongestioniert verfarben. Die Probandin hat typische VEI~AGt~T~rsche Falten, die allen Untersnchern aufgefallen sind. Die Pupillen sind seitengleich und reagieren auf Lieht und Konvergenz. - - Die Kopfhaare sind ergraut und stehen zur Zeit dieht. An Kinn und Oberliiope finden sieh so viele einzelstehende, bis 2 cm lange I-Iaare, dab man yon Hirsutismlls splechen kann. Die KSrperbeh~arung ist sparlich und yore femininen Typ. Das Genitale ist unauff~llig. Eine frfihere RSntgenkontrolle des Schadels ergab bei ~ter damals 46jahrigen Probandin ein normaldiekes Schadeldach, etwas vertiefte Impressiones digitatae, eine normalgroBe Sella yon 12/8 ram. Die Blust- und Lendenwirbelsaule war nicht osteoporotisch; dagegen fand sich besonders thorakal eine Spondylosis deformans. Die klinische Untersuehung der inneren Organe ist bis auf den Herzbefund nnauffallig. Das I-Ierz ist naeh beiden Seiten etwas vergr51?ert und quergestellt. Bei einem fraglichen systolischen Gerausch an der Spitze ist der zweite Aortenton akzentuiert. I)er Blutdruck betragt 155/125 mm Itg. Besonders abends bestehen starke Kn/iche15deme. Die Probandin leidet an einer ungemein penetranten Ausdfinstnng. Keine Struma. Es findet sich ein grober Fingertremor, wahrend das Reflexbild nicht krankhaft verandert isL. Das differenzierte wei~e Blutbild ist normal; das rote zeigt eine schwache Polyglobulie (gb. corr. 108 %, 5.250 000 Erythrocyten). Blutwassermama, EiweiB und Zucker im Urin sind negativ. Die STxl:Bsche DoppelzuckerArch. f. Psych. u. Zeitschr. ]ggur. Bd. 180.
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belastung ergibt einen normalen Ausgangswert yon 104 mg- %. Naeh dem ersten Blutzuckeranstieg setzt eine Erholung ein; die zweite Zacke erhebt sieh aber pathologisch zur H5he der ersten. Nach total 3 Stunden steht der Blutzucker wieder tier, auf 93 rag-%. - - Der Giundumsatz i st mit +13 und -~25% an der oberen Grenze der Norm. Ein therapeutischer Versuch mit ttypophysenvorderlappenhormon ist eingeleitet, ]afit sich abet noch nieht beurteilen. Zusammen/assung. Der pyknisch gebaute Vater der 48j~hrigen Fanny B. ist ein ,Lebemensch" und Auswanderer gewesen. Mii~terlicherseits stammt sie aus einer sieh nut kfimmerlieh durehbringenden Familie. Die Mutter starb friih im Armenhaus, offenbar an TL~berkulose wie eine Tante m~tterlieherseits. Eine unehe]iche Halbschwester der Probandin scheint schwaehsinnig zu sein. Ober endokrine Stbrungen in der Verwandtschaft ist nichts zu erfahren. Um so zahlreicher sind die endokrinen Anomalien der Probandin selber. Sehon als Kind war sie auffallig adipbs. Die heutige schwere Fettsuc[lt (98 kg bei 150 cm GrOi~e), die seit Jahren das tterz in Mitleidensehaft gezogen hat, bevorzugt den Stamm, der abdominal deutliche Striae aufweist. Die Haare der Probandin sind in der Jugend ergraut; mit 46 Jahren litt sie an I-Iaarausfall. Die Probandin hat ein Vollmondgesicht mit Hirsutismus und einem ausgepr~gten •ackenpolster. Nach rechtzeitiger Menarcbe bestand fast immer eine ttypo-, oft auch eine Oligomenorrhoe. - - Bei normaler Sella ist der I~Iirndruck vermutlich leieht erh6ht (verstarkte Impressiones digitatae). Seit Jahrzehnten leidet die Probandin an Arthritiden. Es besteht eine leichte tIypertonie und eine leichte Polyglobtdie. Der STAUBsehe Versueh sprieht ffir eine Sehwaehe tier ]~lutzuckerregulierung. Die endokrinen Stbrungen erinnern in ihrer Entwieklung und in ihrem Nebeneinander stalk an das Cvs~I~Gsche Syndrem. Die kbrperlich abnorme Probandin ist auch psychiseh auffallig. In ungfinstigen Verhaltnissen aufgewachsen, bringt sie sich in Haushaltstellen zwar durch. Sie wechselt aber h~ufig; zeitweise ist si~ unstet. Seit ihrel Kindheit leidet sie an unbestimmten Angstzustanden, an Angst, zu versagen, etwas anzustel]en usf. In ihren Depressionen wurde die Probandin auf Wanderungen and Reisen, in ambulante und klinisehe Behandlung getrieben. Sie erholte sieh jeweils raseh, wurde aber bald rfickfallig. - - Auch sexuell suchte sie dranghaft den Wechsel, ~Ieiratspl~ne stfirzten sie in Skrupel; sie wurde depressiv und konnte sich in in~antiler Weise n~ebt binden. Sie fiihlte einen uawiderstehliehen Zwang, immer wieder zu ,,studieren", ohne Zu wissen worfiber und ohne an ein Ende zu kommen. Sie berichtet von gelegentliehen heftigen zornmfitigen Entladungen. Die unterdurchsehnittlich begabte Probandin ist affektlabil, trotz der vorherrschenden Depressivit~t oft betriebsam, gesehw~tzig und anschlu~bediirftig. Sie neig~ zu hysterisehen Halluzinationen und hat in ihrem Wesen etwas Tneatralisehes.
Bei Fanny B. besteht neben einem (konstitutionellen) teilweise ausgeprggten CUSHINGsehen Syndrom eine anan]castisehe Psyehopathie ~nit Depressionen, Zwangs~ingsten, Zwangsgri~beln, hysterisehen Z~dgen und hysterisehen Sinnest~iuschungen. .Fall 2. Elise W., 46jabrig, Blumenverk~iuferin. Aus der Familiengeschichte der Probandin ist yon ihr selber zu erfahren, dai~ ihr Vater, ein Schlossermeister, angeblich wegen ungliicklicher Bfirgschaften ins Trinken gekommen war und 45jahrig einer ,,chronischen t~auchfellentzfindung" erlag, als die Probandin 6jahrig war. Da der Vater unehelich geboren sei, kann die Probandin fiber die Grol~eltern v~terlicherseits nichts berichten. Die .Mutter der Elise W. heiratete nach dem Tode des ersten Mannes wieder einen Trinker. Sie ist ]etzt 74jiihrig, klein gewaehsen, nieht adipbs, sichtlich senildement. Nach frfiheren Angaben Unserer Krankengeschichte machte sic vor 20 Jahren einen hoehdebilen Eindruck.
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Auch von den Eltern der Mutter und fiber die Muttersgeschwister wissen wit nichts Naheres. - - Von 11 Geschwistern sei die Probandin das zweitjiingste. 5 sind gestorben; davon 4 im Sauglingsalter, der alteste Bruder 40jahrig vor 8 Jahren. Er scheint sieh sozial nicht durchgese~zt zu haben. Frfiher habe er auf einem Bfiro gearbeitet, sparer ,,etwas gesehuhmuchert". Offenbar war er Alkoholiker; er starb an einem Herz- und Leberleiden. Ein weiterer Bruder, frtiher ,,schw~chlich", war Metzger , jetzt hausiere er. Er u n d v i er zur Zeit verheiratete Schwestern sollen sieh scblecht und recht durchs Leben bringen. Die Beziehungen innerhalb der Familie sind sehr lose. Zw:i Sehwestern seien adip6s und grSBer als die Probandin, die zw i anderen und der Bruder eher schlank. Naeh dem Tode des Vaters wuchs die Probandin mit anderen Pflegekindern bei einer b~uerlichen Pflegefamilie auf. Die Verb~]tnisse scheinen hart und in jeder Beziehung ungfinstig gewesen zu sein. Die Probandin habe in zerrissenen Kleidern helumlaufen miissen und sei yon den Pflegeeltern zum Lfigen und Stehlen angehalten wolden. In der Schule hatte die Probandin grol3e Mfihe. Sie scheint 3real repetiert zu haben und wurde in der 5. Klasse scbnlfrei. Vom 16. Jahr an arbeitete die Probandin in einer Fabrik, sparer Ms Ktiehenm~dchen und Hausangestel]te, yore 21. Jahr an in Zfirich und Umgebung wieder in Fabriken. Mit etwa 30 Jahren begann sie zu hausieren, zuerst mit Zeitschriftenabonnements und Kurzwaren. Sp/tter verlegte sie sich auf den Handel mit OkkusionsmSbeln und schlieglich wurde sie Blumenverkauferin. Seit vielen Jahren bringt sie sich auf diese Weise mit ordentliehem Einkommen durch. Tagsfiber hall sie an einer belebten Stral~e fell; abends besucht sie die Wirtsehaften. Zur k6rperlichenAnamnese berichtet die Probandin, daft sie erst rail 3 Jahren gehen lernte. Mit, 4 und 5 Jahren hab~ sie eine Lungenentz~ndung und eine Brustfellentziinddng durchgemacht, 6jahrig nochmals eine Lungen- nnd Brustfellentziindung sowie eine Hirnhautentzfindung. Eine Pr~zisierung der Diagnosen war nieht mSglich. In der Schulzeit soll die Probandin an Diphtherie und Btutarmut ge]itten haben, ferner an ,,Bauchtuberkeln". Mit etwa 25 Jahren will sie wieder wegen Lungen- und Brustfellentzfindung und auch wegen Magengesehwiir in einem Spital gewesen sein. Abgesehen yon nicht genauer umsehriebenen rhcumathischen StSrungen babe die Probandin sparer an keinen schwereren k6rperlichen Krankheiten gelitten. Mit ]7 Jahren seien ihr am Kopf herdf6rmig die Haare ausgegangen. Am KSrper habe sie etwas Ahnliches hie bemerkt. Ob die heutigen dyskrinen Symptome schon immer bestanden haben oder ob sie sieh erst in sp~teren Jahren einstellten, kann die Probandin niehL angeben. Unsere frfihere Krankengesehichte (s. unten) erwahnt den KOrperstatus der 26js Kranken nur kursoriseh. Die Menarehe setzt die Probandin auf ihr 16. Jahr an. Die Pexiode sei regelmaBig 4wSehig gewesen, offenbar weder auffs stark noeh sehwach. Wiederholt will die Probandin einige Monate ohne Sehwangerschaft amenorrhoiseh gewesen sein. Seit kurzem steht Sie in der Klimax. Elise W. Sehildert sehr ausf/ihrlieh, wie sie vom 7.--20. Jahr bestgndig den sehwersten sexuellen Angriffen des Pflegevaters ausgesetzt gewesen sei. Eine Schwangersehaft mit 17 Jahren habe ein Arzt unterbrochen. Sparer muB die Probandin einen dirnenhaften Lebenswandel gefiihrt haben. 36jghrig wurde sie wegen wiederholter ,,Sehmusdiebstahle" geriehtlich verarteilt. Mit 36 und 39 Jahren gebar die Probandin je einen uneheliehen Sohn, deren Vs unbekannt geblieben sind. Abgesehen v0n der sexuellen tIMtlosigkeit, die in den letzten Jahren naturgemaB geschwunden zu sein Seheint, war die Probandin auch sonst in maneherlei Beziehungl)sychischau]/iillig. Aus ihrer Jugendberichte~sie vonhs zustanden, die vor allem dureh die Fureht vor Sehlagen bedingt gewesen seien. 25*
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Sie sei ein vergelstertes und verdrossenes Kind gewesen. Des Versagen in der Schule wurde sehon erw/~hnt. Mit 26 Jahren war die Probandin 2 Wochen lang in unserer Klinik. Der Einweisungsgrund lag in eigenttimlichen ,,Anfgllen", die auf etwa 2 Jahre zuriickgingen. Mit zunehmender tt/~ufigkeit wurde die Probandin ,,t0bsiiehtig". Fluehend zerschlug sie Geschirr, zertriimmerte Bilder und Fenster, griff die Umgebung an, rannte mit Ertrgnkungsabsichten hinaus in die Nacht. Die Probandin selber sprach yon ,,Umnachtungen", in denen sie sich in der tt611e glaubte und sich -con Feuern und Teufeln umgeben sah. Die Teufel seien mit Werkzeugen auf sie zugekommen und hgtten sie gesehlagen. I n der Klinik konnten solche Zustgnde nieht beobachtet w e r d e n . Es wurden ,,Di~mmerzust~nds vielleicht hys~erischer Natur" angenommen; a~l~erdemwurde eine Debilitiit festgestellt. An Epilepsie wurde gedacht, ohne dab man n/~here Anhaltspunkte gefunden h/~tte. Ahnliche Paroxismen seheinen sparer nicht mehr aufgetreten zu sein, wenn man yon d e n in den le~zten Jahren oft beobachteten pathologischen Riiuschen absieht. MSglieherweise spielte der Alkohol schon darnels eine Rolle; Angaben unserer Krankengesehichte spreehen daflir, dab die Probandin sich in jenen Jahren oft betrank. Ausgesprochen trunksfichtig scheint die Probandin abet erst nm ihr 40.Jahr herum geworden zu sein. Sic gibt an, wie sie alle pear W0chen und stets aus innerem Xrger heraus Wein trinke und eben kaum einen RSmer ertrage. Sie lande fast regelm~f~ig auf dem Polizeiposten. Zahlreiehe Rappoit~ beriehten vom Larmen and Randalieren der Probandin, yon Angriffen auf die Umgebung, von Suicidabsichten der Betrunl4enen, yon ihrer Brutalit~t dem einen Kind gegenfiber, des sie wiederholt in die Wirtschaften mitsehleppte. Die Trunksueht der Probandin zog h~ufig BuBen nach sieh. Solche warden auch wegen vieler Verst61~e gegen die Hausiervorschriften, wegen Widersetzlichkeit usw. ausgesprochen. Gerichtlieh wurde die Probandin aul]er wegen der schon erwahnten ,,Schmusdiebst~hle" 32jahrig wegen wiederholten einfachen Betruges bestraft. Mit eigenartigen Selbstbeschuldigungen velschaffte sie sich kleinere Geldbetrage: sie erz~hlte den Geschadigten Geschichten yon angeblich ausw~rts begangenen Verbrechen, z. B. yon einem Raubmord. Aus Gewissensqualen wolle sie sich den BehSrden stellen, habe aber kein Reisegeld. Ein Teil der Geldgeber waren Sektenprediger. Schon seit je nnterhiel~ die Probandin rege Beziehungen zu religiSsen Gemeinsehaften. Jahrzehntelang lieB sie sich auch yon der I-Ieilsarmee betreuen. Seit etwa l0 Jahren steht sie unter dem standigen Einflul~ eines alteren, freien ,,Seelsorgers", bei dem es sich wahrsebeialich um einen religiSs Paranoiden handelt. Seit langem wohnt die Probandin mit ihren Kindern bei ihm; Trotz anerkennenswerter gttter Absieht und andauernde.r Bemfihungen gelingt es jenem ~ber nicht, die Probandii~ fi~r I~ngere Zeit auf einem sozial reibungsfreien Weg zu halten. Die unehelichen Geburten nnd die vielen PolizeibuBen bl achten die Probandin in Kontakt mit der Vormundschaftsbeh6rde, bei der sich umfangreiche Akten sammelten. Sie sind angeffillt mit Reknrsen, Querelen und Drohungen tier Probandin und ihres Seelscrgers gegen die Vormiinder der Kinder, gegen die Nicht~ibertragung der elterlichen Gewalt, gegen eine beh61dliehe Verw~/rnung tier 40jghrigen Probandin, fiir deren Rtiekzug sie erfolgreich den ganzen Instanzenweg durchlief. Nach eiher ausfiihrliehen Begutachtung in nnserer Klinik kam es nun doch zur Verwarnung der Probandin. Es wurde ihr die Versorgung angedroht, wenn sie nicht alkoholabstinent lebe und sich nieht stgndiger psychiatrischer Kontrolle unterziehe. Bei tier kfirzl]chen klinischen Begutachtung konnte die Probandin eingehend untersucht welden. Psychisch besteht ein abnorm lebhafter affektiver Rapport bei starker Labilit~t der Stimmung in depressiver wie enphoriseher Riehtung.
Untersuelmngen zwisehen Psyehopathologie und Endokrinologie.
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Ein amnestisehes Psyehosyndrom ist nieht naehweisbar. Orientierung, Merkf/ihigkeit, Ged~ehtnis sind unauffgllig, soweit sie nieht dureh eine deutliehe Debilitiit beeintr~ehtigt sind. Die formelle Intelligenzpriifung n~eh BINET-SllUoN-TERMAN ergab einen Quotienten yon 0,77. Unter anderem im Jv•osehen Assoziationsexperiment zeigt sieh eine starke Egozentrizit/it der Probandin. Sekund/~re psyehisehe S}anptome wie tIalluzinationen oder W~hnideen beobaehteten wir nieht. In eharakterlieher Beziehung war die Prob~ndin w~hrend ihres mehrwSehigen Klinikaufenthaltes um einen guten Eindruek bemiiht. Sie war willig und h6flieh, verspraeh in hSehsten T6nen Besserung. Aus der Vorgesehiehte wissen wit, dag die Probandin sich sehr ullflgtig auffiihren und sehroff und querulatoriseh vorgehen kann. KSrperbaulich erinnert die gedrungene Probandin an den kretinoiden Typ. Die I-I~nde sind auff~llig kurz. Die Itaut ist sehr troeken. Am ttals findet sieh zeitweise, naeh Angabe der Probandin bei Aufregung, eine Urticaria. Mit 70,5 kg bei 147 em K6rpergrSge ist Elise W. stark fibergewiehtig. Die Fettsucht erstreekt sieh vorwiegend auf den Stamm, weniger auf die Extremit~ten. Es finder sieh ein deutliehes Naekenpolster. Die abdominMen Striae sind bei der II-Para kein abnormer Befund. Das Gesieht ist roll und ger6tet, yon wenig differenzierten Ztigen, im ganzen vom Typus des Vollrrtondgesiehtes. Es besteht eine leiehte SchwerhSrigkeit. Die Pupillen reagieren auf Lieht und Konvergenz und sind seitengleieh. Die Behaarung dos Kopfes ist ausgesprochen sehfitter. Eine Gesiehtsbehaarung fehlt und habe aueh nie bestanden. Die Stammbehaarung entsprieht dem Geschleeht der Probandin. Die ~uBeren Genitalien sind unauff/illig. Die kiirzliehe RSntgenkontrolle ergab ein normal diekes Sehiideldaet) mit deutlieh vertieften Impressiones digitatae, etwas vergr6Berter Sella (14 mm breit, 8 mm tier, erweiterter Sellaeingang). Die Brust- und Lendenwirbel sind bei norreal hohen Bandseheiben nieht osteoporotiseh. Die mittleren Brustwirbel tragen 2--3 mm breite spondylotisehe Randwtilste. Eine Struma fehlt, tIerz und Lungen sind bei der klinisehen Untersuehung unauffgllig. Der Blutdruek betri~gt 150~90mm tIg. Die untere Lebergrenze steht am Rippenbogen; das Organ ist nieht palpabel. Die Reaktion nach TakataAra ist negativ. Die gespreizten Finger zittern mittelsehl/igig; die gesehlossenen Lider Ilattern. Der Tremor zeigt sieh aueh in der Sehrift. Die Waden sind wohl im Sinne einer alkoholisehen Neuritis etwas druekempfindlieh. Das l~eflexbild ist unauffgllig. Das differenzierte Blutbild zeigt leiehte Polyglobulie, ist sonst abet nieht abnorm ver~ndert (Hb. corr. 103%, 5250000 Erythrocyten). Die Wa.R. im Blut ist neg~tiv. Im Urin fand sieh eine Spur Eiweil3 bei zahlre~ehen Leukocyten; der Urinzueker ist negativ. Der Blutzueker ist mit 92mg-% im Bereich der Norm. Die STAv~sehe Doppelzuekerbelastung konnte nieht durchgefiihrt werden. Der Grundumsatz war einmal mit ~-27 % an der oberen Grenze, ein andermal mit -~9% innerhalb der Norm. Zusammen/assung. Die heute 46jghrige Elise W. stammt aus einer Trinkerfamilie. Die Mutter ist debil. Von den zahlreiehen Gesehwistern haben mehrere sozial versagt. Eine dyskrine Belastung der Familie ist nieht erkennbar. Als Kind und Jugendliehe maehte die Probandin offenbar tuberkulOse Sehiibe dutch, ferner mit 6 Jahren eine tIirnhautentzfindung. Mii~ 17 Jahren fielen ihr fleckfSrmig die Kopfhaare aus. Bei e~was sparer Menarehe will sie gelegentlieh oligomenorrhoiseh gewesen sein. Zeitweise bestanden rhenmatisehe Besehwerden. Vermutlieh war die Prob~ndin seit je fettsiiehtig. Heute ist die Kranke, die in manehem an den kretinoiden Typ erinnert, 147 em groB und 70,5 kg sehwer. Die Adipositas bevorzugt den Stamm. Die Probandin hat ein Vollmondgesicht mit Naekenpolster. Die abdominalen Stxiae sind selbstversti~ndlieh (Geburten). Die Kopfbehaarung ist sehfitter. RSntgenologiseh linden sieh Zeichen einer Hirndrueksteigerung mit mgBig sekundgr erweiterter Sella. Die Brustwirbel tragerL
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zum Tell spondylotische Randwiilste. Es besteht eine leichte Polyglobulie. Blutzucker und Grundumsatz sind unauff~llig. Der Blutdruck steht an der oberen Grenze der Norm. Tremor und Druckempfindlichkeit der Waden mSgen alkoholisch bedingt sein. Zweife]losist die Probandin dyskrin stigmatisiert. Vor allem besteht ein Cushing,artiges Syndvom, ohne dab alle Kriterien vorhanden w~ren. Aus dem RSntgenbefund ist eine Hypophysenvergr51~erung zu vermuten. Es bleibt often, ob es sich um eine ttypertrophie oder um einen langsam wachsenden Tumor handelt. Zu den somatischen Ver~nderungen gesellen sich osychische. Die Probandin war Verdingkind, dann Hausangestellte und Fabrikarbeiterin. Bald wurde sie H~usiererin. Seit Jahren ist sie Blumenverk~u~erin. Als Kind wurde sie jahrelang yore Pflegevater sexuell mil~braucht. Sparer war sie zeitweise Prostituierte. S.ie hat 2mal unehelich geboren, tIeute besteht eine intermittierende Trunksucht mit schweren pathologischen R~uschen. Aul~erwegen zahlreichen kleinkriminellen VerstSl~en muBte die Probandin wegen Betriigereien und Diebst~hlen bestraft werden. In selbstanklagerischer Bulge- und Reinigungstendenz fiihlte sich die Probandin seit ]e zu Sekten hingezogen. In jungen Jahren war sie wegen vermutlich hysterischer D~mmerzust~nde, in denen sie lebhaf~ halluzinierte, kurz in unserer Klinik. Die Probandin ist deutlich debil und in jeder Beziehung primitiv und roh. Aul~erdem ist die alkoholische Wesensver~nderung erkennbar. Bei Elise W. besteht neben deutlichen dyskrinen StSrungen im Sinne eines teilweise ausgepriigten CusmN~schen Syndroms eine ausgesprochene Psychopathie, die sich durch Haltlosigkeit, Triebhaftigkeit, Geltungssucht und Gemfitsk~lte umschreiben l~[tt. In der Jugend bestanden hysteriforme D~mmerzust~nde mit Gesiehts- und KSrperha]luzinationen. D~nIA WOLF hat fiir ihre beiden Cushing-artig Erkrankten den psych0pathol0gischen Befund mit dem Zwisehenhirnsyndrom verg]iehen, wie es yon STE~Z, STAS~]~L~ u. a. herausgehoben worden ist. Sie finder eine weitgehende (~bereinstimmung. An ihren heiden F~tl]ea zeigt die Autorin, dal~ ,,sieh die psychischen StSrungen in der Hauptsache auf Stimmung und Triebhaftigkeit besehri~nken". Beide Probanden seien ,,habituell unselbst~ndig, hilfebediirftig, ziellos , ohne Halt und Selbstdisziplin". Bei beiden ist yon ,,kurzdauernden erregten und apathischen Episoden" zu beriehten , ,,die sieh bis zu Dgmme~zust~nden steigern kSnnen". Neuerdings hat 0LD]~?CBmCGeinen entsprechenden Fall beschrieben. A u c h e r gel~ngt zur Vermutung, die psyehisehen StSrungen beim Cushing-Syndrom als wesensgleich mit postencephalitisehen Charakterver~nderungen ~nzusprechen. Er geht sogar soweit zu vermuten, dab ein groBer Teil der Cushing-Syndrome ohne t t y p o p h y s e n t u m o r ~tiologisdh l~tent verlaufenen Eneeph~litiden entspr~chen. Auch unsere Probandinnen imponieren vo~' allem ~rls abnorm triebhafte und unbeherrsehte Naturen. Beide fiihren ein bewegtes, wenig gesichertes Leben. Fanni B. zieht unstet yon Stelle zu Stelle; Elise W. ist Hausiererin. Beide waren sexuell haltlos; Elise W. ist augerdem Alkoholiea und war in versehiedener Hinsicht kriminell. Beide sind betriebsam und innerlieh unausgeglichen, voller Gegens/~tzlichkeiten, fiberbordend in ihren Stimmungen. Elise W., yon rohem, primitivem
Untersuchungen zwischen Psychop~thologieund Endokrinologie.
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Temperament, neigt zu sektiereriseher Religiositat. Fanni B. hat episodiseh immer wieder Depressionen, die sie in Beh~ndlung treiben. ])ann wieder ist sie deutlioh hypomaniseh, kann sieh aueh ,,tobsiiehtig" mit der Umgebung auseinandersetzen. Elise W. betrinkt sieh bei Vetstimmungen und reagiert dabei mit heftigen pathologisohen l~ausehen. Friiher hatte sie hysteriforme ])ammerzustande, in denen sie sehr erregt war und stark halluzinierte. Auoh Fanni B. beriehtet - - weniger deutlioh - - yon halluzinatorischen Erlebnissen. Bei ihr finder sieh ferner die als typisch dJeneephal geltende leere, grundlose Angst. Im iibrigen ist Fanni B. eine ausgesproehen anankastisohe PersSnliehkeit. DaB abnorm heRige Triebe sieh dem Kranken als mannigfaohe ZWange darbieten, ist unter anderem aus den Beobaehtungen yon Stammhirnkranken wohlbekannt. Aueh das anankastisohe Moment kann zum Stammhirnsyndrom geh6ren. Die Beziehung anderer h~qoophysarer Syndrome zum seelisehen Krankheitsgesehehen hat" unsere Klinik beim Al~romegaloideingehend untersueht. K~OS,PFE~, hat unsere Beobaehtungen i n diesem Bands zusammengefalR. Danaeh ist aueh d~s Akromegaloid haufig yon psyehischen Symptomen im Sinne des Zwisehenhirnsyndroms begleitet. Die psyehopathologisohen Veranderungen der zwei Cushingkranken yon D~LIAWOLF und die zwei vorstehend hesehriebenen erreiehen mit ihren starken TriebstOrungen, ihren heftigen Stimmungssohwankungen und den episodenhaft wiederholten ]ammerzustanden einen eigentlieh psyehotisehen Grad, ohne dab eine Sohizophrenie festzustellen ware. Beim Akromegaloid dagegen kommt es zu psyehotischefl Bildern vor allem bei akromegatoiden Sohizophrenen. In unserem Krankengnt sind Psyehosen nieht schizophrener Nutur bei Akromegaloiden selten. (In ihrer umfassenden Literaturiibersioht fiber ,,sehizophrenes und endokrines Krankheitsgesehehen" erwahnt J. IV[vELr,~R manisehdepressive Bilder und eine organisehe Psyohose bei Akromegalen.) Andererseits beobaehtete unsere Klinik bei ergiebigen Erfahrungen ~n Akromegaloiden bisher keine sehizophrenen Cushingpatienten. In der Literatur (J. MuELL]m) hinwiederum findet sioh die Beschreibung yon 4 Kranken im ersten sehizophrenen Sehub mit einem CuslzINGsehen Syndrom, das bald nach dem AuRrefen der Psyehose abklang (Voss, 1939).
Zusammen[assung. 1. Die Untersuohung yon zwei weiteren Probandinnen mit endokrinen StOrungen, die weitgehend an die C~rsHISrOscheKrankheit n erinnern, hat wiederum ergeben, dab ihre psyehisehen Anomalieh dem dieneephalen Psyohosyndrom entspreehen. 2. Die psyehopathologisehen Erfahrungen bei Morbus Cushing werden mit denen beim Akromegaloid kurz vergliohen.
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H. BA~R:
der Frau. 1. K a s u i s t i k : M a s k u l i n s t i g m a t i s i e r t e s e h i z o p h r e n e Frauen unter Einflull yon Sexual- und Hypophysenvorderlappenhormonen. IV. Maskuline
Stigmatisierung
Von
H. BAEIt. t m J a h r e 1943 u n t e r s u c h t e KALWMA~:N ]0 d y s k r i n e , heterosexltell stigmatisierte u n d gleichzeitig schizophrene F r a u e n (9 aus u n s e r e r u n d 1 aus der Baslec p s y c h i a t r i s c h e n K l i n i k ) m i t s a m t ihrer n/~heren Verw a n d t s c h a f t in bezug auf d e n Z u s a m m e n h a n g ihrer schizophrenen u n d d y s k r i n e n E r k r a n k u n g E r erhob i m w e s e n t l i c h e n folgende Befunde : Bei allen heterosexue11 stigmatisierten Frauen is't die Schizophrenie besonders sehwer verlanfen. Sie zeichnet sich durch einen einfaehen, chronischen, yon l~emissionen nicht unterbrochenen Verlauf aus, dot bei jeder tier Patientinnen schon zu einem Endzustand sehizophrener Demenz geftihrt hat, der kliniseh noch besonders gekennzeichnet ist durch eine atttistisehe, abweisende und ne~ativistische Haltung. Alle 10 Probandinnen haben ausgesproehenen Schnurrbartund Kinnbartwuehs. Bei 6 davon ist dieser Wuchs fiir eine Frau grotesk stark und n/~her~ sieh dem Typus eines normalen Mannes, so da$ sic wSchentlich rasie~t werden mtlssen. Ferner weisen alle 10 Frauen grebe miinnliche Zfige sowohl des Gesichtes wie auch in don KSrperformen auf. Drei yon ihnen haben auch ausgesprochen mSnnllche Ziige in ihrer I:faltung und Mogorik. Einige zeigen ferner deutliehe maskuline Veriinderungen tier Stimme mit auffallend langen Stimmlippen. Andere wiederum zeigen m/~nnliehe KSrperbehaarnng. Auffallend ist, dal~ im Gegensatz zu den stark maskulinen allgemeinkSrper!iehen Ziigen die Genitalien tier Probandinnen kaum Anomalien aufweisen. Die i~uSeren Genitalien sind bei keiner einzigen unterentwiekelt odor sonst an0rmal; a11erdings ist tier Uterus bei dreienhypoplastiseh. Bei 4 Patientilmen traten die Menses relativ sp/~t auf und bei einer yon diesen ist der Zyklus immer unregelm~Big gewesen. Nur eine einzige unserer Probandinnen ist bereits Matrone. Die Menopause erfolgte bei ihr im 52. Lebensjahr und ohne Besonderheiten. Die Brfiste unserer Pl'obandinnen sind in allen F~llen normal ausgebildet. Auf direkte ]:[ormonuntersuchungen muSte verziehtet werden. Von den 10 Patientinnen wiesen 7 eine ErhShung des Grundumsatzes zwischen + 6% und ~- 47 % auf, ein Befund, auf den wir keinen groSen Wert legen, 4a die Patientinnen nieht zu einer kSrperliehen und psyehischen Entspannung bei den Untersuchungen zu bringen waren. Bei allen begann die Virilisierung in einer engumschriebenen Zeitstrecke tier Sp~tpubert/~t, niimlich zwischen dem 17. und 18. Altersjahr und ist - - was sehr wesentlich ist - - seither bei den einen mehr, bei den andern weniger, bei allen abet fortsehreiten4 "zzriaufen. Bei keiner unserer Probandinnen scheint der Ausbruch tier schizophrenen Psyr irgendwie direkt auf den Prozel3 des endokrinen Krankheitsgeschehens eingewirkt zu haben, soweit dies aus einem zeitliehen Ve~g~eich d3r Verlaufsformen zwisehen endokrinen und kSrperlichen StSrungen erschlossen werden karm.
Untersuehungen zwisehen Psychepathologie and Endokrinologie.
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Interessant ist ferner noch der Befund, daft sich unter den 139 weiblichen Verwandten unserer Probandinnen 18 befinden, die gleichfalls an einer maskulinen Stigmatisierung leiden, die aber nieht schizophren sind. Auch bei ihnen liegt, der Beginn der endokrinen StSrung bzw. ihr M~nifestwerden in der gleichen Zeitsp~nne, wie bei unsorn Patientinnen. Im Gegensatz zu ihnen ist jedoeh bei diesen die St5rung stationer geblieben, naehdem sie einmal ein gewisses Mag erreieht hatte. Ferner fanden sich unter den 283 Verwandten unserer Probandinnen 9 Schizophrenien, yon denen 8 ebenso schwer und einfSrmig verliefen, wie bei unseren Kranken. Niema]s zeigten sieh aber bei den Verwandten gleiehzeitig dyskrine und schizophrene Symptome.
Aus diesen Be/unden Iieflen sich nun /olgende Schlffsse ziehe~: Die Schizophrenie kana - - in den Fallen ]~AUFMANNs - - weder ein blol~es Symptom der Dyskrinie, noch diese ein bloges Symptom der Schizophrenie sein. Beweisend hierffir ist. w~r allem das fehlende Zusammentreffen yon Dyskrinie und Schizophrenie bei den Verw~ndten der Prob~ndinnen. Die Frage nun, ob sich Schizophrenie und Db'skrinie in ihrem Verlauf und in ihrer Symptomatologie gegenseitig beeinflussen, gla.ubt KAU~MAN~ verneinen zu k6nnen, da auch die Schizophrenien der nieht dyskrinen Verw~ndten unserer Probandinnen besonders schwer verlaufen. - - Anderseits ist as aber doch merkwiirdig, dal~ bei unseren schizophrenen Kranken die Dyskrinie yon der Pubert~it weg w~hrend ihrem ganzen Leben langsam progressiv verl~uft. D~gegen scheint die dyskrine Erkrankung bei ihren nieht sehizophrenen Verw~ndten, naehdem sie beim AbschluB der Pubertat ein ge,visses Nai~ e~Teicht hat, ftirderhin stille zu s t e h e n . - - - I n t e r e s s a n t ist feraez, daf3 sieh die heterosexuelle Stigmatisierung nur bei sehwer verlaufenden Schizophtenien land, obgleieh man naeh den Befunden an den Verwandten unserer Probandinnen keinen direkten EinfluB der Dyskrinie auf die Sehizophrenie annehmen kann.
Zusammen]assend kann gesagt werden, dab die Arbei~ yon KAtJFM~N~- wohl gezeigt ha~, dab beim Zusamment~'effen einer sehizophrenen und einer dyskrinen Erkrankung beim gleiehen Individuum beide Krankheiten besonders sehwer verlaufen. Es gelang ihm hingegen nicht, die Frage zu beantworten, ob zwisehen beiden Erkrankungen innere Zusammenh/~nge bestehen und welcher Natur diese sind. Der Gedanke lag nun nahe, das eingangs gestellte Problem an Hand unserer heterosexuell stigmatisierten Kranlcen einmal yon einer ganz andern Seite her anzupaclcen, n~imlich v o n d e r therapeutisch-pharmaI~ologischen. Gel~nge es n~imlich durch medik~mentSse Einwirkung (Substitutionstherupie) die dyskrine Erkrankung zu heilen und wfirde sich dabei gleichzeitig eine Ver/tnderung der schizophrenen Symptome zeigen, so w~re damit der Beweis ffir einen Znsammenhang beider
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H. BAER:
Erkrunkungen erbrueh~; allerdings nur i~ der Riehtung, uls die Dys. krinie uuf die Sehizophrenie einwirkt. Bei einem Versa.gen des Versuehes bestiinde noeh immer die M6glichkeit, dub die Sehizophrenie ffir die Sehwere der endokrinen St6rung verantwortlieh ist und dab somit ein Zusummenha~g in Riehtung Sehizophrenie-Dyskrinie besteht. Solehe Versuehe wurden denn uuch an unserer Klinik durehgeftihrt u n d sollen in dieser Arbeit referiert ~erden. Es ist zwur nicht das erstemul, dub versueht wurde, Schizophrene m i t Hormonen zu beeinflussen. M. BLEULE~ beriehte~ durfiber in seiner Arbeit fiber die spgtsehizophrenen Krankheitsbilder. Er k o m m t zum SehluB, dab nieht eine einzige eingehende Beschreibung einer fiberzeugenden tteilwirkung einer hormonulen Behundlnng auf ein sp~tsehizophrenes Krankheitsbild existiere. Allerdings h~ttten nur wenige Arzte gewissenhgfte therupeutisehe Versuehe m i t H o r m o n e n an einer grSBeren Anzuhl yon Sp~tsehizophrenen durehgeffihrt; wo dies uber gesehehen sei, habe die Behandlung keinen oder nur geringffigigen und vorfibergehenden Erf01g uuf die schizophrenen S y m p t o m e gezeitigt, w~thrend sieh rein depressive St6rungen gut beeinflussen lieBen. Ein hormonthergpeutiseher, systemutiseher Versueh an den yon KAUFMAN~ untersuehten heterosexuell stigmutisierten Frauen sehien besonders gereehtfertigt : wenn fiberhuupt in der Krunkhe itsgruppe dex Sehizophrenien, so wgre bei ihnen eine Wirkung zu erwarten gewesen. Solehe Versuehe sind fibrigens nicht nut yore Standpunkt des sehiz0phrenen Krankheitsgesehehens uus interessunt, sondern auch yore endokrinologisehen und phurmakologischen. Sie werden uns j a aueh lehren, wie weir es m6glieh ist, dus endokrine Gesehehen mit den uns heute zur Verffigung stehenden I-Iormonprgpgraten zu beeinflussen.
Die Versuche (November 1943 bis Juni 1945). Wenn man maskulin stigmatisierte Frauen einer hormonalon Behandiung unterziehen will, die ein Verschwinden der Stigmata zur Folge l~aben soll, so denkt man naheliegenderweise zuerst an eine mangelhafte Funktion ihrer Ovarien bzw. an eine ungenfigende Produktion yon Sexualhormonen und man wird versucht sein, diesen postulierten Mangel durch kfinstliche Zufuhr yon solchen Hot- ' monen zu beheben. Obwohl es sick bei der heterosexuellenStigmatisation sehr wahrseheinlich nicht um eine mono- sondern um eine polyglandul~re StSrung handelt, beg~nnen wir unsere Experimente nicht mit einer Hormonkombination, sondern, um durchsichtige Versuchsbedingungen beibehalten zu kSnnen, mit einem Hormbnp~ar, n~mlich den Oestrushormonen Ovocyclin (Oestradiol) und Lutocyclin (Progesteran), welehe uns die CIBA in verdankenswerter Weise zur Verfilgung stellte. Beide sind keine Drfisenextrakte, sondern synthetische Reinhormone und bieten gegeniiber der ersteren den Vorteil, ihrer chemischen Struktur nach wohlbekannte und daher gewichtsm~tl]ig genau dosierbare KSrper zu sein.
Untersuehnngen zwischen 1)sychopathologie und Endokrinotogie.
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E r s te Yer suehsreihe.
A. Durch/i~hrunff. Fro dos] wurden jeweilen 5 mg ( = 1 cm s L6sung) in die laterale Portion de, Quadriceps femons iajiziert. Im Verlaufe eines Menstluationszyklus erhielt jede Plobandin je 20 mg Ovocyelin und 10--20 mg L~ttoeyclin, und zwar so, dalB auf die Zeitspanne zwisehen Mensesende und errechneter Ovulation 6 Injektionen j ~ 5 mg Ovoeyc]in und auf die Zeitspanne zwisehen errechnetem Ovulationstermin und errechnetem Mensesbeginn 4 Injektionen j~ 5 mg Lutocyclin fie]en, welche fiber den beziiglichen Zeitraum glcichmal3ig verteilt wurden. Well die Rechnung aas Grtinden, die welter unten noch anzuffihren sbld, nicht ]miner stimmte, erhielten nieht alle Patientinnen j edesmal die vorgesehenen 20 mg Lntocye]in, da mit den Injektionen in dem Momente aufgehSrt wurde, sobald die Menses eintraten. - Die zeitliche Dauer der Versuche betIug durehschnittlich 6--5 Monate. - - Begonnen wurde irgend einmal nach einer spontanen Menstruation, nachdem der Zyklus vorher w~hiend mindestens 2 Monaten beobachtet worden war. Zum Tell erstreckten sich die Beobaehtungen abet vie] welter zurfick, die an der hiesigen Klinik, wenn immer m6glich, Menstruationskalender gefiihrt werden. Immerhin gibt es gera.de unter unseren Probandinnen solehe, die es ]tamer wieder trotz der klinischen Uberwaehung verstanden haben, ihre Menses zu verheimlichen. - - So wurde festgestellt, dalB yon den 9 Probandinnen 7 regelmiilBig und in normalen Zeitri~nmen menstruierten. Eine Patientin dagegen menstruierte ganz u lregelm~Big und der Zyklus dauerte be] ihr jeweils 2--3 Monate oder noch ]Anger. Eine letzte Patientin endlich, geb. 1885, befand sich bereits seit 7 Jahren in der Menopause.
B. Ergebnisse. In somatischer Hinsicht. Die Probandin, die bereits ins Klimukterium eingetreten war, begann wieder zu menstruieren. Sic wurde behandelt, als ob sie einen Zyklus yon 4w6chent!icher Dauer hatte. Schon nach den ersten 4 Wochen, nachdem sie 20 mg Ovocyciin und 20 mg Lutoeyc]in erhalr hatte, trat eine wenn aueh.etwas schwache Msnstruation auf. Dies blieb wghrend der ganzen 5monatigen Dauer des Versuches so. Jene Patientin hfngegen, die bis anhin unregelmalBig trod selten menstt:uiert butte, bekam it]re Regelblutungen nun h~ufiger, abet keineswegs in regelm~Bigen Intel wllen. Die Blutung wurde auch intensiver und nahm einmal sogar den Charakter einer Menorrhagie an.. Auf keine Weise gelang es hingegen, den Zyklus zu regularisieren. Bald dauerte er 5, dann 4 oder auch nur 3 Wochen. Be] den fibrigen Probandinnen mit normalem Zyk]us zeigte sich entweder gar keine Ver~nderung im Ablauf desselben (Zyklusdauer, Intensit~t und Dauer der Menses) oder aber der Zyklus wurde einfach verkiirzt (z. B. yon 4 auf 3 Wochen), ws Dauer und I n te n s i t~ der Menstruation unbeeinf]ul~t blieben. AulBer diesen eben beschriebenen Einwirkungen der Oestrushormone auf den Menstruationszyklus der Probandinnen liel3 sich naeh durchschnittlieh 5mouatiger Behandlungsdauer keine irgendwelche each nur leiseste Beeinflussung der heterosexuellen Stigmatisierung festste!len. A]le Symptome der endokrinen Erkrankung bestanden nach wie vor in gleieher St~rke. In psychiacher Hinsicht. Die schizophrene Erkrankung der Probandinnen wfirde (rued des fiberrascht um so wen]get, als es ja auch nieht gelang, die dyskrine Erkranknng zu beeinflussen) in gar keiner Weise beeinflulBt. Das psychische Verha]ten der Kranken war w~hiend der Behandlung und nach derselben genau gleieh wie x~orher.
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H. BArR:
Zweite u Nachdem die eben beschriebenen Untersuchungen die UnmSglichkeit einer Beeinflussung sowohl der maskulinen Stigmatisation als auch der Schizophreni~ unserer Probandinnen mit den angewandten Mitteln gezeigt hatten, stellte sich die Frage, ob es vielleicht m6glich sei, mi~ einem Gesamtdriisenextrakt des Ovars bessere Resultate zu erhalten. Es mui~ als durchaus mSglich betrachtet wercten, dab das Ovar neben den eigentlichen Oestrnshormonen noch afldere WirkstoHe produziert, die viAleicht mehr als jene fiir die Auspr~igung cter sekund~ren Gesch]echtsmerkmale verantwortlich gemacht werden mfissen. Diese Wirkstoffe sollten slch, dies ist anzunehmen, in einem Gesamtextrakt der Drfise linden. Ein derartiges Pr~parat. ist das ,,Oestroglandol forte" yon F. I-IcHmann-La Roche & Co., A.G., welches uns die genannte Firma in verdankenswerter Weise zur Verfiigung stellte. ES enth/ilt in 1 cma 61iger L6sung 2 mg GesamtkITstallisat der oestrogen wirkenden weiblichen Sexualhormone.
A. Durch]i~hrung. Von den 10 Probandinnen der ersten Versuchsreihe wurden vier regelm~l~ig menstruierende ausgew~hlt. Diese erhielten in gleichen Zeitabst~nden verteilt auf die erste H~lfte ihre s Zyklus (bis zum mutmal~liehen Ovulationstermin) 4 Injektionen zu 1 cma Oestroglandol forte. Eine weitere Probandin, mit schwerer maskuliner Stigmatisation und ebenso schwerer Katatonie, die seit langem amenorrh6isch war, wurde behandelt als ob sic einen 4w6chentlichen Zyklus h~tte, d. h. sic bekam in den ersten 14 Tagen des angenommenen Zyklus wie die andern ]Probandinnen 4 Injektionen. I n der zweiten I:[~lfte des Zyklus erfolgte keineMedikation. Diese Behandlung wurde 6Monatelang fortgesetzt. --Zwisc~aen der ersten uncl der zweiten Versuchsreihe besteht eine Zeitspanne yon 7 Monaten.
B. Ergebnisse. In k6rperlicher Hinsicht. Bei keiner Probandin war es mSg]ich, w/ihrend oder nach der Behandlung eine irgendwie geartete Beeipflussung der maskulinen Stigmatisation nachzuweisen. - - Bei den vi+r regelm~iBig menst~uierenffen Probandinnen blieb die Liinge des Zyklus unbeeinflui~t, ebenso war bei dreien yon ihnen die L~inge der Menses gleich wie vor der Behandlung, w/~hrenctbei der vierten sich diese von 3--4 attf 4--5 Tage verl/ingerten. Die ffinfte Probandin endlich, die vor tier Behandlung amenorrhoisch gewesen war, menstruierte w~hrend der 6monatigen Behandlung 2real leicht, naehher War sic wiederum dauernd amenorrhoisch. In psychischer Hinsicht. Eine der Pr0bandinnen, welche auch schon der ersten Versuchsreihe angeh5rt hatte, zeigte eine Besserung im Sinne einer Beruhigung ihres Erregungszustandes, so dal~ sic zuerst auf eine Abteilung ffir ruhige Patientinnen versetzt und sehliei~lich sogar in eine Pflegefamilie entlassen werden konnte. Dabei handelt es sich allerdings nicht u m eine Besserung der eigentlichen schizophrenen Erkrankung, sondern nut um ein Abklingen des begleitenden Erregungs= zustandes, was kaum auf den Einflu~ der Horraonmedikation zurfickgefiihrt werden kann, sondern als eine spontane Ver/~nderung des Krankheitsbildes angesehen werden mu8. Die andern 4 .Probandinnen bli~ben hinsichtlich ihrer psychischen Krankheitserscheinungen vS]lig unbeeinflul3t. Dritte Versuchsreihe. Die beiden Versuchsreihen mit Sexualhormonen haben gezeigt, dal3 eine Beeinflussung weder der maskulinenStigmatlsation noch der Schizophrenic unserer
Untersuehungen zwischen Psychepathologie und Endokrinologie.
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Probandinnen auf diese Weise m6glieh war. Ein Versueh mit irgendwelchen andern Hormonen, auger denjenigen des Hypophysenvorderlappens, ersehien naeh den bisherigen Erfahrungen wenig aussiehtsreieh. Dagegen durfte man yon den Wirkstoffen des Hypophysenvorderlappens erwarten, dab sie einerseits das ganze endokrine System anregen und anderseits - - sollfen dessen einzelne Funktionen in ihrer Korrelation gest6rt sein - - diese wieder koordinioren w/irden. Aus dieser l)berlegung heraus ersehien ein derartiger Versueh gereehtfertigt. (Immerhin mugte aueh in Betraeht gezogen werden, dab m6glicherweise der aus einer solehen Behandlung mit Hypophysenvorderlappenhormonenhervorgehende Effekt gerade das Gegenteil des Erwarteten, n/imlich sine Verst/irkung der maskulinen St!gmata sein w/irde; dies well es ungewig war, ob die zugefiihrten Hypophysenvorderlappenhormone, die die heterosexuelle Stigmatisation bedhlgenden Faktoren in positivem oder negativem Sinne beeinflussen wiirden.) Als Pr/~parat kam das ,,P~ a?glandol" inFrage, das uns dis Firma F. I-IoffmannLa Roche & Co, A.G., in freundlieher Weise zur Verffigung stellte. Dieses soll naeh den Angaben der I-Ierstelleifirma die gesamten spezifiseh wirksamen Be~standteile des Hypophysenvorderlappens enthalten und ist hinsichtlleh seiner gonadotropen und thyreotropen Wirksamkeit standardisiert. Eme Ampulle I (sehwaeh) entsprieht 1,5 gonadotropen Ratteneinheiten und 45 thyreotropen Meersehweineheneinheiten. Nine Ampulle I I (stark) entsprieht 5 gonadotroloen Ratteneinheiten und 150 thyreotropen MeerSehweineheneinheiten.
A. Durch]iihrung. Die Untersuehungen wurden an 5 Probandinnen durehgeffihrt, n/s an vi Jr .aus der zweiten Versuehsreihe, yon denen drei auch schon der ersten angeh6rt hatten~ und einer weiteren Probandin der ersten Versuehsreihe. Sie erhielten wahrend 3 Woehen wSchentlich 2 Ampullen Praeglandol I u n d dann w'&hrend weiterer 3 Wochen w5chentlieh 2 Ampullen Praeglandol II. Im Verlaufe yon 6 Wochen mhielt also jede Probandin 39 gonadotrope Ratteneinheitert und 1170 thyreotrope Meerschweincheneinheiten, nebst unbestimmten Mengen anderer ttypophysenvorderlappenhormone. Die Injektionen erfolgten wie bei den vorangehenden Versuehsreihen in die latera]e Portion des Quadrieeps femoris, bei sehr guter Vertrfi.g]iehkeit.
B. E~gebnisse. Diese sind, was die maskuline Stigmatisie~ung und die Sehizophrenie anbetrifft, sowohl in kSrperlicher als auch in poyehiseher Hinsicht vollst/~ndig negativ. Untersuchungen fiber andere mSgliehe Wirkungen der ttypophysenvorder]appenhmmone wurden nieht vorge~ommen, da es sich als unm6glich erwies, unsere Probandinnen unter so konstante Versucbsbedingungen zu bringen, die es erlaubt h~tten, Beobacbtungen des Fett-, Zueker- und Mineralstoffweehsels sowie des Grundums~tzes mit der nStigen Genauigkeit durchzufiihren.
Schlufl/olgerungen. Z u s a m m e n f a s s e n d ]agt sich als R e s u l t a t der b e s c h r i e b e n e n U n t e r s u c h u n g e n feststellen : Die 5 m o n a t i g e i n t e n s i v e B e h a n d l u n g y o n n e u n m a s k u l i n stigmatis i e r t e n s c h i z o p h r e n e n F r a u e n m i t den s y n t h e t i s c h e n O e s t r u s h o r m o n e n O e s t r a d i o l u n d P r o g e s t e r c n , wie auch die 6monatige 5hnlich i n t e n s i v e
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H. B_,E~:
Behandlung yon ffinf maskulin.stigmatisierten sehizophrenen Frauen mit Oestroglandol forte, einem Gesamtextrakt des Ovars und schlieglieh die 6wSchige Behandlung yon fiinf maskulin stigmatisierten sehizophrenen Frauen mit den I-Iypophysenvorderlappenpr/~paraten Praeglandol I und II liegen sowohl die maskuline Stigmatisation als aueh die sehizophrene Psyehose der Probandinnen g~nzlieh unbeeinfluBt, auBer einer gewissen Einwirkung auf den Menstruationszyklus bei der ersten und zweiten Versuchsreihe. Fiir die UnbeeinfluBbarkeit der maskulinen Stigmatisation ]iegen versehiedene Erkl~rungsmSgliehkeiten auf der Hand: einmal mug damit gereehnet werden, dab dutch die frfihen StSrungen der Funkti0n des endokrinen Systems in der Pubert~t irreparable Seh~tdigungen gesetzt wurden, die heute - - viele Jahre nach Beginn der Erkrankung-einer Substitutionstherapie nieht mehr zug~tnglieh sin& Ferner ist zu bedenken, dag es sieh bei der maskulinen Stigmatisation vielleieht gar nieht um einen dyskrinen Vorgang handelt, sondern um eine vom hormonalen Gesehehen (naeh heutiger Auffa.ssung) unabh~ngige Ausprs abnormer Konstitutionsmerkmale. Endlieh kSnnte es sieh aueh um Neoplasmen der Nebennierenrinde, die meist ma!igne shad, oder um Arrhenoblast0me handeln; beide fiihrer/., zu einer heterosexuellen Stigmatisation der betroffenen Individuen. Das sehon lunge Bestehen der genannten Stigmata, s.owohl bei unseren sehizophrenen Patientinnen Ms auch bei deren nichtschizophrenen Verwandten und das v611ige Fehlen anderer Symptome; die auf solehe Gesehwiilste hinweisen wiirden, machen eine solehe Genese der dyskrinen Erseheinungen, wie sie die yon uns untersuchten Kranken aufweisen, aber ~.uBerst unwahrseheinlieh. SchlieBlieh beweisen abet die negativen Versuehsresultate ~ielleieht niehts anderes Ms die diesbeziigliehe therapeutisehe Unzul~ngliehkeit unserer derzeitigen ttormonpr~parate. Es erseheint durehaus mSglieh, dal~ die heutigen I-Iormonlor/~parate diejenigen Wirkstoffe, welehe die Auspr~gung der sekund~ren Geschleehtsmerkmale bewirken, nicht oder in unzureiehenden Mengen enthMten. Da die yon uns versuehte hormonale Therapie die somatische maskuline Stigmatisation nieht beeinflugte, tragen aueh ihre Ergebnisse niehts Wiehtiges zur Frage der Beziehungen zwisehen maskuliner Stigmatisation und Sehizophrenie bei. Veto Standpunkt der Erforsehung der therapeutisehen Angriffsfl~ehen der Sehizophrenie'hingegen kann soviel gesagt werden: Wenn die Hormonbehandlung der Sehizophrenie bei besonderen klinisehen Sehizophreniegruppen besenders aussiehtsreieh ersehienen war, so bestanden diese Gruppen einerseits in den klimakterisehen, anderseits in den dyskrinen Sehizophrenen. Unter den ]etzteren wurden die maskulin stigmatisierten
Untersuchungen zwischen Psychop~thologie und Endokrinologie.
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Frauen unseres Wissens yon uns erstmalig systematisch mit Ovarialund ttypophysenvorderlappenhormone/~ behandelt, so dab die E r kenntnis ihrer Behandlungsresistenz der Erw~hnung weft ist.
Anhang. K~6PFEL beg~nn welter Versuche d e r Behandlung akromegal0ider Schizophrener mit Follikelhormonen. E r behandelte d e n akromegaloiden, schwer sehizophrenen Prob~nden Konrad F. aus der Arbeit y o n ~/[ARGRIT WAlgDER-VSGELI~ 7 Wochen lang. Er erhielt alle 2 Tage 5 mg Ovocyclin P, eine Gesamtdosis yon 120 mg. Es traten keinerlei Ver/indernngen des psychischen und des k6rperlichen Zustandsbildes ahf.
2. Z u s a m m e n f a s s u n g : Statistische Verarbeitung yon 32 F~illen
bereits besehriebener m a s k u l i n stigmatisierter sehizophrener F r a u e ~ und ihrer Familien. - - Hinweise auf Literatur. Von DELIA WOLF.
I m R a h m e n der Untersuehungen fiber dyskrines nnd schizophrenes Kra.nkheitsgeschehen, die ;r 5 J~hren in unserer Klinik begonnen wurden, sind bis heute 32 F'~lle masknlin stigmatisierter schizophrener l~rauen und 557 ihrer Angehi~rigen untersucht word en. 25 dieser Untersuchungen wurden im einzelnen in den folgenden drei Arbeiten ver6ffentlicht : KXUFMAIr J. : ,,Zur Frage der Beziehung zwischen dyskrinem und schizo phrenem I(rankheitsgeschehen. Maskulin stigmatisierte schizophrene Frauen und ihre ni~chste Verwandtschaft." Arch. Klaus-Stiftg, Ziirich 18, H. 3/4 (1943). (10 Probandinnen aus der Anstalt Burgh61zli, Zfirich.) STOeKMAIr MAlaIA: ,,Zur Frage der Beziehungen zwischen dyskrinem und schizophrenem Krankheitsgeschehen. Weitere maskulin stigmatisierte schizophrene Frauen und ihre Verwandtschaft." Arch. Klaus-Stiftg, Ziirich 21, H. 1/2 (1946). (5 Probandinnen aus der Anstalt BurghSlzli, Zfirich.) WOLF, DELIA: ,,Zur Frage der Beziehungen zwischen dyskrinem und schizophrenem Krankheitsgeschehen." Uberprtifung der bisherigen Untersuchungen an gr6Berem Material. Arch. Klaus-Stiftg, Ziirieh 21, l-I, 1/2 (1916). (10 Probandinnen aus den Anstalten KSnigsfelden und Wil.) D~zu verwendete ich weitere sieben maskuline schizophrene Fr~nen und ihre l%milien aus der I-Ieil- und Pflegeanstalt ]~heinau, die ich zur Erweiterung dieser Statistik noch perstin]ich neu untersucht habe. Die einzelnen Resultate der drei genannten Untersuchnngen sollerz in der vorliegenden Arbeit r/ach einheitlicben Gesichtspunkten statistisch zusammengetragen und zusammengefaBt werden. Gleiehzeitig soil die Literatur zu unseren Fragestellungen eingehender als bisher
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Drama WO~F:
berticksichtigt werden, n a m e n t l i c h auch die dermutologische u n d endokrinologische Aus der Literatur fiber Virilismus, Hirsutismus und Hypertnchose geht hervor, dages einen sog. ,,normalen, hype~'trichotischen Frauentyp" gibt. GALANT,der ihn als erster beschrieben hat, stellte sogar fest, dag etwa 50 % der Frauen zu diesem Typ geh0ren. Seine Z~bl fiberstelgt die anderer Autoren, die sich mit dem gleichen Thema befafit haben. JACKSON und McMuRTRY sahen unter 350 F~llen.ihrer Praxis in 41% weibliehe ITberbebaarung. Die Entwickhng der weiblichen ~berbehaarung tritt ngch diesen Autoren zu 75 % hauptsgchlich zwischen dem 20. und 40. Altersjahr tier Frau uuf. Nach DANFO~T:~sollen 20--30 % :Frauen eine Behaarung der Oberlippe aufweisen. Dcrr~Y und DUFLOS maehten Beobachtungen an fiber 1000 Frauen und stellten fiir geistesgesunde Frauen in 38 % eine Uberbehaarung lest ohne Unterschied, ob es sieh um Frauen unter oder fiber 50 Jahren handelt ;bei geisteskranken Frauen stellten sie eine i)berbehaarung yon 38,7 % fest ffir so]the unter 50 Jahren, eine yon 48,8 % ffir solche fiber 50 Jahren. Die endokrinen Wirkungen auf das Wachstum der Haare gehen aus yon der Nebennierenrinde, den Keimdrfisen, der Hypophyse und der Schilddrfise. Die grfgte in der Literatur vertretene Gruppe yon I-Iypertrichose hat Dys]unlctionen oder Tumoren der Nebennierenrinde als Ursache. Bei den Tumoren handelt es sich vorwiegend um Adenome oder Aden0eareinome der Nebennierenrinde. Sie bewirken bei Kindern Hirsutismus und sexuelle Frfihreife, bei Madchen dazu noch Verm~innlichung. Zum Beispiel beschrieb u.a. CLeMeNT 1942 den Fall eines 41/.,i~,hrigen M~dehens mit Adenom der Nebennierenrinde, des~en GrfBe der eines 7]~hrigen Kindes entspraeh; Vagina ~nd L~hia m~]ora waren vergr6gert, das Aussehen des M~dchens war ein m~nnliches. Einen weite~-en Fall yon sexueller Frfihreife und Hy-pertrichose bei einem 21/2jghrigen Knaben mit malignem Tumor der Nebennierenrinde hatte u . a . sehon 1931 J. M. MAOE~A besehrieben. (Die vorzeitige Entwieklung der sekund~ren Gesehleehtsmerkmale gehen bei ms Kindern meist in isosexueller Riehtung.) MAEAR und FALCOZ hatten ebenfalls 193i den Fall eines 7j~lirigen M~dchens, welches sich his zum genannten Alter physiseh und psychiseh normal entwiekelt hatte, besehrieben. Naeh einer dolopelseitigen Par0titis bedeekte sieh sein ganzer K6rper mit Flaumh~aren, Oberlippe und Kinn mit sChwarzem, struppigem ttaar. Das Aussehen des Kindes wnrde ~ltlieh und zwerghaft. Auffallend dabei waren gleiehzeitig auftretende psyehisehe Veri~nderungen. Das Kind wurde abnorm ernst, unkindiich und arbeitete geistig nieht mehr gerne. Auf RSntgenbestrahlung der Nebennieren trat Haarausfall ein und psyehisehe Besse~ung. Dicser :~all war ffir uns wegen tier bei der endokr~nen StSrung vorhandenen psyehischen StSlung von besonderem Interesse. Es sind uns sonst in der einge~ehenen Liter~tur nur ganz veieinze!te Fhlle yon dyskrinen StSrungen im Sinne einer Hypertriehose, eines Hirsutismus oder Virilismus verbunden mit psyehisehen St6rffngen begegnet. So publizierte auger M ~ , E. GINSBE:gG i930 2 Fs yon viriler Vergnderung bei Frauen mit nieht r~her besehriebenen Symptomen yon Hysteroneurasthenie und neuropathiseher tIeredit~t. Eine siehere Kombination yon Intersexualitat, Viritismus und Schizophrenie bei einem weibliehen Indi~iduum fanden wit in der gesamten Literatur vor Erseheinen der Arbeiten unserer Klinik nur einmal dureh BOSS~LN~ besehrieben. A.uf die Klinik seines Falles yon Sehizophrenie ist der Autor dabei nieht n~her eingegangen. Wie ei~gangs sehon erw~hnt, kann ein weiterer G~und ffir tIypertriehose und Virilismus in einer ovariellen Dys/unktion liegen (z. B. zufolge yon Tumoren des Ovo,rs), eft vergesellsehaftet mit allgemeiaem HypogenitMismus. Es beschrieb
Untersuehungen zwischen Psychopathologic und Endokrinologie.
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z. B. E. GI~S~,~G 2 Falle yon typischer Virihsation bei Frauen mit genitaler Hypoplasie, bei welehen Anzeichen einer Nebennierenaffektion v611ig gefehlt haben sollem I n einem yon KovAcs publizierten Fall trat bei einer 48j~hrigen Frau, der mit 40 Jahren beide Ovarien entfernt und der Uterus amputiert worden war, ausgepragtes marmliches Aussehen auf, Eine interessante Beeb~chtung machte T~OICKIZ, tier bei einer 22jahrigen, vorher vSllig gesunden Russin pl6tz]iches Auftreten eines ausgesprochenen Bartes sah~ gleichzeitig wurde die Stimme m~nnlich tier, die Brustdrtisen verkleinerteu sich, das Gesicht nahm mannliche Z/ige an, Nach einer Entfernung eine~ tIypernephroms des linkan Ovars soil der waibliche Typ wieder yell hergestellt wordaa se[n, ]=lyper~richosen/~ei StS*'u'~,~en im Bsrsict~ der Hy~ophyse k~mmea - - abgesehsn yon den FMlen bairn C~sgI~Gschen und Mo~AGN~schen Syndrom - - meist vergesel]schaftet mit AkromegMie vor. Nach vielen Autoren wird die endokrine Funktion der Nebenniere yon der Hypephyse aus gasteuert; dar Virilismus, a,ls Folge einer Ubarpreduktion des andregenen Hermons der Nebenniere, sell letztlich durch eine Dysfunktien der Hypophyse zustande kommen. Ubar Hormontherapie bei Hypertrichose und Virilismus existieren in der yon uns eingesehenen Literatur nut ganz vereinzelte Publikationen. DeiFy berichtete 1940 fiber 8 F~lle yon Hirsutismus bei Frauen, die er tails mit oestrogenhMtiger SMbe, tells mit Oestroninjektionen, tails mlt subcutaner Verabfolgung yon Emenin (das aus Schwangerenharn gewonnen wird) behande]t hat. Die Therapie wurde fiber mahrere Monate ausgeffihrt. Es kam dabei zum Teil zu HaarausfalI; es wurde auch nach langer Medikation eia waiblicheres Aussehen und Gehabe beobachte~ and vor ~llem wurden die mitvorhaudeaea Menstru~tionsst6ruagea k~rrigier~. Die geringsten Erf~ge erraich~e m~n dahei mit der percut~nen u abreichung des Hormons. V ~ r z ~ berichtete 1939 v~n Frauen mit mannlich~m Beh~arungstyp, bei welchen er interferometriseh einen Nebennierenabbaufestgestellt h~tte. Er versuehte bei diesen Frauen eine Ther~pie mit Cortdyn und konnte beobaehten, dag die ttaare zwar nicht ausfielen, sich gber leich~er ausziehen liegen und an rasierten Stellen langsamer n~chwnchsen. Einen Tierversueh mit ~hnliehem Resultat machte GAI~DNER,indem er bei Hunden und Hfindinnen tiber Monate hoha Dosen yon Oestradiolbenzoat oder Oestradielbenzoat nnd Testosteronioropion~t verabreichte. Das gaarwachstum an geschorenen Stellen hSrte auf. Ein Haarwechsel fand nicht start, Die vorhandenan Haare wurden im Laufe der Behandlung diinner, die HaarfolIikel blieben erhMten, abenso die Haarstummdn an den geschorenen Stellem I m iibrigen f a n d sich i n der gro[~en derm~tologiscben u n d endok r m o l o g i s c h e n Li~erg~ur~ die ich ges~ch~e~ h~he, ks~um etw~s, d~s m i t u n s e r e n ~ ' r a g e s t e l l u n g e n e i n e n direk~en Z u s ~ m m e n h g n g h~itte. D~s E r g e b n i s der L i t e r a t u r d u r c h s i e h t far unsere A r b e i t l ~ t sieh d~hin zusammenfassen : 1. Die m a s k n l i n e Stigma t i s i e r u n g der t~rau, besonders der I-Iirsutismus, k a n n d u r e h e n d o k r i n e S t 6 r u n g e n beding~ sein. Die Frag~, ob ~ede F o r m des I-Iirsutismus bei der F r a u e n d o k r i n b e d i n g t ware, s t e h t a b e t often. U b e r h a u p t ist die e n d o k r i n e U r s a c h e n u r bei E i n z e l f ~ l l e n y o n I-Iirsutismus genau gekl~rt, bei der Mehrzahl der F/~lle y o n IIirsui~ismus wissen wir n i e h t e i n m a l sieher, ob sie endok r i n b e d i n g t sind u n d noeh weniger, welehe e n d o k r i n e S t 6 r u n g i h n e n z u g r u n d e I~ge, Arcl~.L Psych. u. Zeitsehr.Neut. Bd. 18t~.
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2. Psychische StSrungen und PersSnlichkeitsbesonderheiten bei maskulinen Frauen sind bisher vorwiegend an Einzelf/s beschrieben women; gruhds/~tzliche Erkenntnisse dari~ber ergeben sich aus der Literatur noch nicht. 3. Ebenso ist famili/~res Auftreten mask.uliner Stigmatisierung der Frau erst an Einzelf/~llen beschrieben worden. Ein systematisch durchgearbeitetes, grSl~eres Untersuchungsgut fehlt auch in bezug auf deren Erbg~ng. Wir gehen zur Besprechung der Untersuchungen an unseren eigenen 32 maskulin stigmatisierten schizophrenen Frauen fiber. Die 32 Aus. gangspatientinnen der hier zusammengefal~ter~ drei Arbeiten sind dem Krankenbestand der Anstalten BurghSlzli-Ziirieh, KSnigsfelden-Brugg, Rheinau (Zfirich) und Wil (St. Gallen) entnommen. Es handelt sieh in allen 32 F~llen um Frauen, die eindrucksm~l~ig deutliche Zeichea einer endokrinen StSrung im Sinne e i n e r maskulinen Stigmatisation aufweisen. Wir reehnen zu diesen maskulinen Stigmata : virile Gesiehtsziige, virile KSrperformen, viriler Typus der Gesiehts- und KSrperbeha~rung, tiefe Stimme, maskuline Motorik. Alle Probandinnen weisen mehrere dieser genannten Stigmata auf, ausgenommen zwei Frauen mit sehr ausgesprochenem Bart u n d Schnurrbart allein. Unter den 32 Frauen weisen 25 m~nnliehe Gesiehtsziige auf, 28 eine deutliche m~nnliche Gesichtsbehaarung, l0 zeigen m/~nnliche KSr~performen, 13 eine KSrperbeha~rung yon m~tnnlichem Typus, 15 haben eine m~nnlieh tiefe Stimme, l 0 muten in ihren Bewegungen m~n~licl~ an. Die Briiste zeigen i n der Mehrzahl eine gute Entwicklung yon weiblichem Typus. Von 32 Prob~ndinnen h~ben 21 eine durchaus weibliehe Brust, in den restlichen ]1 F~llen ist die Brust sehlech~ entwiekelt. Soweit es n15glich war, wurden die Probandinnen aueh gyn~ko]ogiseh untersueht. Wegen der sehizophrenen l~enitenz der Probandinnen konnte diese Untersuehung nur in 14 yon 32 Fi~llen durchgefiihrt werden. Pathol0giseh wesentliehe Befunde wurden dabei nieht erhoben. Zweimal fand man einefl unterentwickelten, infantilen Uterus, dreimal stellte man Lageanomalien des Uterus lest, einmal land man ein l e i e h t ve.rgr6Bertes Ovar. Wir versuehten, weiter, so gut es mSg!ieh war, den Zeitpunkt der ~enarehe und d e n Verlauf des Zyklus bei den Probandinnen festzustellen. Es gelang uns riiekbliekend nur 13real den Zeitpunkt der Menarehe zu erfahren. Unter diesen 13 F~llen traten 2 Probandinnen mit 12 Jahren, 4 mit 13 Jahren, 1 mit 14 Jahren, i mit 15 Jahren, 3 mit 16 Jahren und 2 mit 17 Jahren in die Menarche. Uber den Verlauf des Zyklus erhielten wir in 18 F~llen Auskunft. Er war in diesen 18 F/s 15real regelmi~l~ig und nur 3ma] war er ganz
Untersuchungen zwiscl~en Psychcpathologie und Endokrinologie.
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unregelmgl~ig. DysmenorrhSische Beschwerden konnten wir nur einmal unter d e n 18 l~illen finden. Von den.32 Probandinnen haben 8 normal geboren. Einmal kam eine Totgeburt vor, einma] wegen Schwangerschaftsneiohropathie eine Entbindung durch Sectio. i18 unverheiratete und ~ verheiratete Probandinnen haben hie geboren. Genitale, Genita]zyklus und l~ortpflanzung unterscheiden sich also, soweit sich bei unserer kleinen Gruppe erkennen l~il~t, bei unseren maskulin stigmatisierten ]~rauen nicht durchgreifend yon der Norm. In dieser statistischen Verarbeitung beriicksichtigen wir weiter den
pr~ipsychotischen Charakter, den Verlau/stypus der Paychosen und den Endzustand der Psychosen unserer Probandinnen, um die erhaltenen t~esultate mit den entsprechenden ftir das Gros der Schizophrenen zu vergleichen. (Die Vergleichszahlen fiir das Gros der Schizophrenen siehe bei M. BLEULE~I.) Wir mSchten sodann festhalten, zu welchem Zeiti~unkt sich ~vorwiegend bei diesen dyskrin gestOrten, sohizophrenen Frauen die Dyskrinie entwickelt hat und ob ein Zusammenhang zu /inden ist zwischen dem Au/treten der Psychose und der Dyskrinie. Was den priipsychotischen Chara]~ter unserer Probandinnen betrifft, waren 16 unter ihnen pr~psychotisch sohizoide Psychopathinnen, die Igglfte als0. Die yon M. BLEULE~ festgestel]te Zahl ftir das Gros der Schizophrenen betrggt 1/~. M. BLEULE~ hat aber weiter gezeigt, dal3 die Anzahl der schizoiden Psychopathen unter den spgteren Schizophrenen recht verschieden ist, je nachdem, ob man bei den Untersuchungen yon Anstaltsaufnahmen oder yon Anst/fltsinsassen ausgeht (well sich unter den Anstaltsinsassen die schwereren F~lle h~ufen und der Verlauf der Schizophrenie m i t der pr~ipsychotischen PersSnlichkeit zusammenh~ingt). Unsere Probandinnen sind nun fast ausschlielL ]ich dadurch zu Probandinnen geworden, da{~ unter dem Bestand yon schizophrenen Anstaltspatienten nach maskuliner Stigmatisierung gesucht wurde. Wir haben sie also mit den Statistiken zu vergleichen, die sich auf Insassen entsprechender Anstalten stiitzen und nicht yon den Aufnahmen ausgehen. M. BLEULE~ stellte fest, d a ] unter den schizophrenen Anstaltsinsassen 47 % prgpsychotisoh schizophrene Psychopathen waren. Mit dieser Zahl stimmt die unsere iiberein, so dal~ wir feststellen: unter unseren maskulinen schizophrenen Frauen, die als Anstaltsinsassen gefunden wurden, sind pr~psychotisch ebensoviele schizoide Psych0pathinnen gewesen wie unter schizophrenen, nicht maskulinen Ansta]tsinsassinnen. - - 1/t der 32 Probandinnen wies pr~psychotisch schizoide Au/fiilligkeiten auf; diese Zahl deckt sich 1 BL]~TJLE~, M.: Xrankheitsverlauf, PersSnlichkeit und Verwandtschaft Schizophrener und ihre gegenseitigen Beziehungen. Leipzig: Georg Thieme 1941. 26*
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wieder genau mit der fiir alas Gros der Sohizophrenen Anstaltsinsassen "con M. BLEIILEI~ erreehneten. Probandinnen, die pr/~psychotiseh in ihrem Charakter unauff~llig gewesen sind, finden sieh .in unserem Krankengut nur 1/s. Abet uuch diese Zahl entspricht (innerhalb der Grenzen der Zufallsschwankung) derjenigen, die M. BI~EU~EI~an schizolohrenen Anstaltsinsassen errechnet hat (17 %). - - Diese Feststellungen lassen sich dahin zusammenfassen, daft die Verteilung versehiedener pr~psychotischer Pers6nlichkeiten bei unseren maskulinen schizophrenen Anstaltsinsassinne~ dieselbe ist wie bei Anstaltsinsassinnen im allgemeinen. ~ u r wenn man f/~lschlich die pr~psychotische Pers6nlichkeit unserer maskulinen Schizophrenen mit derjenigen Sehizophrener, die als Anstaltsaufnahmen Probanden wurdan, vergliche, k~me man zum SchluI~, daS sich unter masknlinen schizophrenen F~'auen pr/tpsychotiseh mehr schizoide Psychopathinnen un4 weniger Unauff~llige finden ~!s beim Gros der Schizophrenen. Bei der Betraohtung des pr~Llosyehotisehen Charakters der Probandinnen beriioksieqltigten wir des weiteren besonders di e Frage, ob die Probandinnen auff~llende m/innliche Charakterziige und gar homosexuelle Tendenzen aufwiesen. Unter den 32 Fgllen wurden 5 Probandinnen pr/~psychotiseh mit m~tnnlichen Charakterziigen besehrieben. Zweimal nannten die AngehSrigen die Probandinnen spontan einen ,,miSratenen Buben". In den andern 3 Fgllen war es ein besonders starker Wille, m/~nnhehe Energie, Brutalitgt, despotisches Auftreten, was die Probandinnen in ihrem prgpsychotisehen Charakter mgnnlich erscheinen lieS. H0mosexuelle Tendenzen fanden wir in unseren 32 Fgllen 4mal. Sie bestanden in allen ~ Y[alen in schw/~rmeriseher Zuneigung der Probandinnen zu anderen Frauen, waren somit nicht sehr ausgesjgrochen. Wit linden also zusammen/assend unter unseren 32 Probandinnen prdpsychotisch nicht deutlich mehr mdinnliehe Charakterziige und ho~nosexuelle Tendenzen als unter nichtmaskulinen Schizophrenen in der pr~ipsyehotischen Zeit gelunden werden di~r/ten. Zur Charakterisierung der Krankheitsverl~ufe halten wir uns wiedec an die dutch M. BLEULEI~ festgesetzten Verlaufstypen. Darnach finden wit [fir unsere Gruploe yon Probandinnen ~orwiegend Krankheitsverl/iufe, die dem Typus I, I I und IV naeh dec Bezeichnung M. BI~EI:LEI~s entsprechen wfirden, d. h. vorwiegend al~uter Verlauf zu VerblSdung (Typus I), chroniseh ztl VerblSdung (II) und chroniseh zu Defekt (IV). Unter den letzteren h/iufen sich sehwere Defekte, die einer VerblSdung nahestehen. Die Prozentzahlen lauten: unter den 32 sehizophrenen maskulinen Frauen sind 31% akut zu vSlliger VerblSdung verlaufen, 25% chronisch zu vSlliger VerblSdung und 22% chronisch zu Defekt.
Untersuehtmgen zwischen Psychopathologie und Endokrinologie.
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Diesen 78 % einf6rmig schwer verlaufenden F~llen stehen nur 22 % wellenfSrmig verlaufende F~lle gegeniiber. (In absoluten Zahlen 25:7.) l / n t e r den letzteren verNiuft die gute tt[%lfte in Wellen zu einem Defekt (4), nur 3 in Wellen zur VerblSdung und bei keiner konnte naeh versehiedenen Krankheitssehiiben Ausgang in Heilung festgestellt werden. Wevm man diese Verteilung der u mit den durehschnitt]ichen Ver]aufsformen der Sehizophrenie vergleicbt, wie sie Fi. BL~trL~R erreehnete, so zeigt sich eindrticklich, dab sieb unter den Sehizophrenien nnserer Probandinnen einf~Jrmigeund schwere Verlgufe h/~ufen, wfi.hrend die wellenf6rmig-gfinstigen viel seltener sin& Nunmehr sind aber selbstverst~tndlieh die Zahlen fiber die Krankheitsverl~ufe der Schizophrenie im allgemeinen an Patienten erreehnet, die als Anstaltsanfnahmen Prob~nden wurden und nieht als Anstaltsinsassen: (Unter letzteren k6nnen ja nur vereinzelte geheilte vorkommen!) Wie oben betont, wurden aber unsere Prob~ndinnen vor~degend als Anstaltsinsassinnen a.usgew~hlt. Man daft aus unseren Zahlen deshdb nieht sehlieBen, dab die Sehizophrenie bei maskulin stigmatisierten Frauen einf6rmiger und sehwerer verlaufen wfirde als beim Gros der Sehizophrenien. Freilich ergibt sieh der Eindruck, dab die Sehizophrenien unserer Probandinnen im Durehsehnitt aueh etwas sehwerer nnd einf6rmiger -verl~ufen ~ls selbst der Durehsetmitt Mler Schizophrenien aus dem Bestand der in Frage stehenden Anstalten. Dieser Untersehied ist aber nur unwesentlieh .und nieht statistiseh bewiesen. Entspreehend den sehweren Krankheitsverl~iufen sind die End~ zustiinde i n unseren 32 F/illen ebenfalls vorwiegend schwere. (Von einem Endzustand sprechen wir dann, wenn die Krankheit mehr als 10 Jahre lang stabil geblieben ist.) In unseren 32 Fgl]en k6nnen wit im genannten Sinn 24real yon einem Endzustand sprechen, in den restlichen 8 Malen ist die Krankheit noeh nicht fiber ]0 Jahre lang in einem stabilen Zustand beobaehtet worden. Unter diesen 24 Endzustanden linden wir 1,Sma! den Zustand einer vollst~ndigen sehizophrenen Verbl6dung, 8real einen sehweren und lmal einen leiehten sehizophrenen Defektzustand. In den 8 F~tllen, in denen man die ,Krankheit noeh nieht fiber 10 Jahre beobaehtet hat, linden wir 4mal eine sehizophrene VerblSdung, 3mal einen sehweren und 2mal einen leiehten sehizo. lohrenen ])efektzustand. Vorwiegend ]iihrt die Krankheit unaerer Probandinne~ also zu VerblSdung oder z~t schwerem De/elct. Heilung ist in keinem der F~ille beob. achtet worden. Wenn urisere Probandinnen als Anstaltsaufnahmen zu Probandinnen geworden w~ren, wfirde d~s beweisen, dab die Schizophrenie bei maskulinen Frauen im Durehschnitt zu viel schwereren Endzustgnden fiihrt als bei nicht maskulin Stigmatisierten. Da aber
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unsere Probandinnen gr68tenteils als Anstals zur Beobachtung kamen, ist dieser SchlUB nicht zu ziehen. Immerhin sind die Endzusti~nde unserer Probandinnen auch eher schwerer als diejenigen der Anstaltsinsassen im Durchsehnitt, aber aueh dieser Unterschied ist stutistisch nicht gesichert. Die Art der schizophrenen Verbl6dung ist unter unsereu Probandinne1~ in der Mehrzahl der Falle eine recht typische: die Probandinnen sind sehr negativistisch, abweisend, meist schroff, geladen, meist auch stark aggressiv. In dieser negati%stisehen Verb16dung kommt eine gewisse mgnnIiche Note zum Ausdruck, die mit der Art der Dyskrinie im Einklang steht. Besonders berfieksiehtigt haben wir die Erage des zeitliehen Au/tretens der Dyskrinie. Wir konnten feststellen: die Dyskrinie beg~nn in 20 F~]len in der Pubert~t, 9real trat sie zwischen Pubert~t und K]imakterium auf, 2mal trat sie im Klimakterium auf, lmal konnte der Zeitpunkt ihres ]3eginns nieht festges~ellt werden. Verglichen mit dem Beginn der Psychose trat die Dyskrinie 16real un.abh~ngig vom Beginn der Psychose vor dieser auf, 2real unmittelbar vor Beginn der Psyehose, 4m~l gleichzeitig mit der Psyehose und 9mal im Verlauf der Psychose selbst. Es i~berwiegt also das Au]treten der Dyslcrini'e in der Pubertgit, unabhgngig vom Ausbruch der Psychose. Die weitere wichtige Frage nach dem Verlau] der Dyslcrinie konnten wir in .den wenlgsten l~llen abkli~ren. Die fiber Jahre geisteskranken Frauen sind verst~ndlicherweise yon' ihrer Umgebung beziiglich der Entwicklung der Dyskrinie nicht besonders sorgf~ltig beobachtet worden. In 16 F~llen, in denen die Dyskrinie ganz unabh~ngig yon der Psychose mehrere Jahre vor de ren Beginn auftrat, entwiekelte sich erstere wahrseheintieh langsam und stetig; aueh in beiden F~llen, in denen die Dyskrinie sehr kurz vor Beginn tier Psychose auftrat, entwickelte sie sieh langsam un4 stetig. Dasselbe ist ~ueh flit weitere 3 F~lle anzunehmen, in denen die Dyskrinie gleichzeitig mit der Psychose au~trat. Sieher konnten wir nut in 3 Fi~llen eine rasche und starke Entwicklung der Dyskrinie festste]len ganz parallel einer rasch zunehmenden geistigen Verbl6dung, in Fi~lien, in denen die Dyskrinie im Verlauf der Psychose aufgetieten war. In weiteren 6 l~/~llen, in denen die Dyskrinie im Verlaufe der Psychose auftrat, entwickelte sie sich wiederum Iangsam und stetig. Wir entnehmen aus diesem Versuch, riickblickend den Verlauf der Dyskrinie festzuste]len, mit einer gewisse.n Wahrseheinlichkeit: vorwiegend entwickelt sich die Dyskrinie langsam und stetig, zeitlich weir. gehend unabhgngig vora Verlaqz[ der Psychose. Daneben stellten wit in
Untersuchungen zwisehen Psyehopathologie und Endokrinologie.
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wenigen aber eindrfiekliehen F/~llen eine foudroyante Entwieklung der Dyskrinie gauz parallel einer rasehen geistigen Verbl6dung fest. Im folgenden verwerten wir die Resultate, die wir erhielten bei der Untersuchung der 557 AngehSrigen unserer Probandinnen: Die Probandeneltern wurden vollstgndig erfaBt, es sind demnaeh ihrer 64; ebenso erfaBten wir die Probandengesehwister vollst~ndig: 123. Es befinden sieh unter diesen 123 Gesehwistern 52 m/~nnliehe und 71 weibliehe Personen. (Z~illinge kommen unter d e n 123 Geschwistern und den 32 Probandinnen 3real voc.) Es finden sieh unter den 64 Eltern 3 F~lle yon Schizophrenie. Demnaeh betr~g~ die in iiblieher Weise erreehnete Zahl fiir die Erlcrant~ungs. wahrscheinlichkeit an Schizophrenie unter den Eltern der Probandinnen bei einer Bezugsziffer yon 61,5 5% und entsprieht der fiir das Gros der Sehizophrenen erreehneten Zahl (5,6%). Die Erkrankungswahr. scheinlicM~eit unter den 123 Gesehwistern bei 7 Sehizoptarenien und einer Bezugsziffer yon 93 betr~gt 7,5% und entsprieht ebenfalls der ftir das Gros der Sehizophrenen erreehneten Zahl innerhMb der Grenzen der ZufMlssehwankung (12,5 % _~ 2,1). Besonders wiehtig ist beim Betraehten der famili~ren Belastung dieser Gruppe yon Sehizophrenen die Frage, ob die an Schizophrenie erlcranlcten Eltern und Geschwister gleich den Probandinnen endolcrine StSrunge~ au[weisen. Unter den drei an Sehizophrenie erkrankten Eltera (2 V~ter, I Mutter) weist keines eine endokrine St6rung auf. Unter den 7 sehizophrenen Gesehwistern (1 Bruder, 6 Sehwestern) weisen 2 Sehwestern eine leiehte maskuline Stigmatisierung auf, Sie ist bedeutencl leiehter als bei den Probandinnen selbst. Sie besteht in einem Fall in einer maskulinen Gesiehtsbehaarung und in maskulinen Gesiehtsz~gen, im anderen Fall in einer maskulinen Gesiehtsbehaarung, einer etwas tiefen Stimme und einem ziemlieh grobknochigen und dadutch m~nnlieh wirkenden K6rperbau. Wie wit sparer sehen werden, verhalten sieh die maskulinen zu den niehtmaskulinen Sehwestern unserer Probandinnen beinahe wie 1 : 3 (genau 18:53). Wenn also unter d e n sehizophrenen Sehwestern der Probandinnen nur 1/a (2 yon 6)' masknlin stigmatisiert sind, so ergibt sieh gewil3 noeh Icein Grund ]iir die Annahme, daft unter den Verwandten maslculiner weiblicher Schizophrener eine Korrelation zwisehen 8chizo. phrener Psychose und masl~uliner Stigmatisation bestehen lcSnnte. (Fiir eine solehe Annahme sin(i die Zahlen entschieden zu klein.) Im selben Sinne sprieht der Umstand, dab aueh die einzige sehizophrene Mutter einer Probandin nieht maskulin ist. (Unter den 32 Miittern sind 9 maskulin.) Vergleieht man den Verlau[styp der Sehizophrenien bei den Eltern und ~Gesehwistern einerseits und den Probandinnen anderseits, so
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beobachtet man, d~8 sich die Krankheitsverl~ufe insofern decken, Ms die rneisten der Sehizophrenien bei Eltern nnd Geschwistern ebenso sehwer und einf5rmig verlaufen und in schweren Defekt oder in Verbl6dung ~usgehen, wie es bei den Probandinnen selbst der I~M1 ist. Wir fanden unter den 10 Sehizolohrenien , die die Eltern und Geseh.wister der Probandinnen treffen, zahlenm~Big 3ma] den Verlaufstyp I (akuter ¥erlauf zu Verbl6dung), 2mM den Ver]aufstyp I I (chronischer Verlanf zu Verbl5dung), 2ram den Yerlaufstyp IV (chronischer Verlanf zu Defekt), 2mM den Typ VI (we]lenfSrmiger Ver]auf zu Defekt) u n d lmal den Typ VII (tIeihmg nach wellenfSrmigem Verlauf). Die Feststellung eines besonders schweren Verlaufes der Sehizophrenien bei Eltern und Geschwistern unserer Probandinnen ist bedeutungsvoll; sie wirft Licht auf die Frage, ob der Verlauf der Psychose der Probandinnen etwa deshMb besonders schwer sei, weft sie dureh die inaskuline Stigmatisierung (oder vielmehr die der maskulinen Stigmatisierung zugrunde liegende endokrine oder. konstitutionelle Ursache) verschlimmert wfirde. Diese Frage mul~te angesich~s unserer ersten ]3efunde yon KAVFMA~N ernsth~ft aufgeworfen werden. Die Feststellung, dab die schiz0phrenen Mfitter und Sehwestern der Probandinnen, obschon sie grSl~tenteils nicht maskulin stigmatisiert sind, aueh an schweren Formen der Schizophrenie leiden, 1/~Bt derartige Vermutungen fiber einen ungfinstigen Einflul3 der maskulinen KSrperkonstitution auf die Schizophrenie an W~hrscheinliehkeit verlieren. Abgesehen yon den 10 Schizophrenien, :die auf die Eltern und Geschwister der Probandinnen fallen, fanden wit in den 32 ~amilien, in denen wir auger den Eltern und den Geschwistern 370 weitere Verwandte erfaBten (180 m/innliche Verwandte, 190 weibliehe Verwandte) 16 F~lle yon Schizophrenie, die sich auf 12 weibliche und 4 m/~nnliche Verwandte Verteilen. Wichtig war wiederum festzustellen, ob unter diesen 16 an Schizophrenie erkrankten Verw.and~en sich so!che befinden, die dyskrin gestSrt w~tren. Unter den 12 sehizophrenen Frauen finden sieh 2, also 1/6, mit leiehter maskuliner Stigmatisation. Der maskuline Zug bei diesen 2 schizophrenen Verwandten - - es handelt sieli um eine Tante und eine GroBtante yon Probandinnen - - besteht in einer leichten m/~nn]ichen Gesichtsbehaarung. In beiden F~lten ist die Dyskrinie sehw/~eher ausgepr~gt als bei den Probandinnen selbst. Die restlichen 10 l~.~lle yon sehizophrenen verwandten l~rauen und die 4 F~tlle yon sehizophrenen verwandten M~/nnern zeigen keine dyskrine StSrung. Unter den schizophrenen Frauen in der weiteren Verwandtschaft unserer Probandinnen findet sieh also 1/6 mit maskuliner Stigmatislerung (2 y o n 12). W i e w i r noch sehen werden, betr~tgt d e r e n t . spreehende Anteil unter allen Frauen in der weiteren Verwandtsehaft
Untersuchungen zwischen Psychop~thologieund Endola'inologie.
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unserer Probandinnen 1/10 (18 von !90). Der Untersehied liegt offensichtlieh welt innerhalb der ZufMlsschwankungen. (Es miil]te ja zufi~llig nut einen einzigen Fall weniger masku]ine unter den schizolohrenen Yerwandten haben - - und sehon w~re der Anteil der Maskn]inen unter den Schizophrenen kleiner Ms nnter den Nichtschizophrenen.) Eine Korrelation zwischen maskuliner K6rperlconstitution und Schizophrenie l~ifit sich also in der weiteren Verwandtscha/t unserer Probandinnen ebensowenig wie in der engeren [eststellen. Auch in d~esen 16 Izg~llen yon Schizophrenie in clef weiterev ~Zerwandtsch~ft haben wir darauf geachtet, ob die Psychose gleicL oder i~hnlich verl~uft wie bei den Probandinnen selbst. In der Mehrzahl der F~lle (10) verl~uft sie einf6rmig und sehwer, gleich wie bei den Probandinnen. Zah]enm~tl~ig verteilen sich die ]6 Sehizophrenien auf folgende Typen des Ver]aufs: 7real kommt Typ I vor (akuter Verlauf zu VerblSdung), 5ram koramt Typ IV vor (chronischer Verluuf zu Defekt), 2mM linden wir Typ VI (wellenf6rmiger Verlauf zu Defekt), lmM ist Typ I I I vertreten (akuter Verlauf zu Defekt), ]malist Typ V vertreten (wel]enf6rmiger Verlauf zu VerblSdung). Derselbe Sehlu[t, der sieh aus der Betrachtung des Verlaufs der Schizophrenien in der engeren Yerwa~ndtsch~it der Probandinnen ziehen ]Jell, ergibt sieh also &itch 3AISdenselben AufstelIungen in der weiteren Verwund~schaft: auch die Sehizophrenien in der weiteren Verwandtsehaft der Probandinnen verlaui'en iiberdurchsehnittlich schwer, obsehon sie in der Mehrzahl der l~-~lle keine m~skulinen Frauen treffen. Die Untersuchungen fiber die Beziehung yon schizolohrenem und endokrinem Krankheitsgeschehen haben wir auch au/ die in diesen Sippscha/ten vorkommenden schizoiden Psyehopathien und schizoiden Au][~illigkeiten ausgedehnt und festgestellt, in we]chem Zusammenhung diese Charakteranomalien mit den in den Sippsehuften gefundenen Dyskrinien stehen. Zun/~chst unsere Restiltate fiir die Eltern und Geschwister: unter den 64 ]~ltern funden wir 4 schizoide Psyc'hopathien. Bei einer Bezugsziffer yon 61,5 bedeutet es eine Erkrankungswahrscheinliehkeit yon 6,5%, eine Zahl, die niederer ist Ms die entspreehende ftir das Gros der Sehizophrenen (16,5% ~ 2,6). Der Unterschied h~lt a b e t den dreifaehen mittleren Feh]er nicht aus. Bei deh Geschwistern fanden wir 8 schizoide Psychopa~hien, was bei einer Bezugsziffer yon 111 eine ]~rkrankungswahrscheinlichkeit yon 7,2% bedeutet. Diese Zahl ist gleieh der entspreehenden ft!r das. Gros der Schizophrenen (9,7 % ~ 1,5). An Dyskrinien fanden wit unter den Eltern und Gesehwistern 35 F~lle (33 weibliche und 2 m~nnliche)- 19%. Darunter sind
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DEL~AWOLF:
27 F~lle yon masku]iner Stigmatisation bei weiblichen Verwandten, 3 Fi~lle yon Fettdysplasie, 2 F~llc yon IKypothyreose, 1 Fall yon Basedow, 1 Fall yon Diabetes mellitus und 1 weiterer Fall yon Diabetes mcllitus vcrbunden mit Fettdysplasie. Es soll an den Schwestcrn und Miittern zusammen gepriift werden, ob eine Korrelation zwischen maskuliner Stigmatisation einerseits, schizoiden Chs anderseits (leichtercn und psychopathischen Grades) besteht: Unter den 103 Schwestern und Miittern kommen 27 m~skutin Stigmatisierte vor. :Bei Unabh~ngigkeit zwischen Schiz0id und m~skulincr Stigmatisierung w~ren demnaeh unter den 10 schizoiden Miittern und Schwestern maskulin Stigmatisierte in derselben Proportion wie 27:]03 zu crwarten, n~mlich 2,6. Wir finden il{ Tat und Wahrhcit 6; Die ErhShung der beobachteten F~lle im Verglcich zu den erwarteten F~llen schcint deutlich, liegt aber noch stark innerhalb der Zufaltssch}vankungen. Wenn sie nicht zuf~llig, sondern gesetzm~l~ig wi~re, w~re zu vermuten, da~ sie noch deutlicher ausfiele, wenn wir nur die schizoiden Psychopathien (ohne die ]eichteren Schizoidien) ber~icksichtigen. Das ist abet nicht der F~]l, im Gegenteil verteilen sich die Maskulincn unter den schizoid psychopathischen SchWestern und Mfittern fast genau wic unter alien Schwestern und Mfittern. (Die Zahlen tauten: schizoid psychop~thische Schwestern und Mfitter 5, maskuline Schwestern und Miitter 27, Schwestern and Miitter insgesamt 103.~ Bei einer blo2 zufi~lligen Kombination yon schizoider Psychopathic und maskuliner Stigmatisierung w~ren demnach 1,3 Mfitter und Schwcstern zu erwarten, welche sowohl schizoid psychopathisch wie maskulin w~ren. Tats~chlich beobachteten wir zwei solcher.)Unter den Mi~ttern und Schwestern unserer Probandinnen l~[3t sich also keine Korrelation zwischen Schizoid und maskuliner Stigmatisierung bewcisen. Fiir die weiteren Verwandten aulter den Eltern und Geschwistern ergaben die Beobachtungen zur selben Frage : unter den 370 Verwandten (180 m~nn]iche, 190 weibliche) linden wit 18 schizdde Psychoputhien und schizoide Auff'~liigkeiten (I0 m~,nnliche und 8 weibIiche), :also 4,9% psychische St6rungen einerseits und 20 Dyskrinien anderseits (~usschlicl~lich weiblichc Verw~ndte) ~- 5,4% dyskrine StSrungen. Es fallen daruntcr 18 maskuline Stigmatisutionen, 1 Infantilismus, l Diabetes mellitu's. Nut in 1 Fall trifft die schizoide Auffalligkcit mit elmer maskulinen Stigmatisierung zusammen. Die iibrigen 17 schizoiden 15sychopathien und sChizoiden Auff~lligkeiten gchea nicht mit einer dyskrinen StSrung einher und umgekehrt sind 19 Dyskrinien nicht mit einer psychischen StSrung. verbunden. Auch unter den weiteren Verwandten der Probandinncn /inden wit also lceine Korrelation zwlschen Schizoid und Dyslcrinie.
Untersuehungen zwisehen Psyehop~thologie und Endokrinologie.
409
Als letztes stellten wir uns noeh einige Fragen zur Vererbung der maskulinen Stigmatisation. Vorerst geht sehon aus den obengenanlnten Zahlen hervor, 'daft die maskuline Stigmatisation /amiliiir ist. Wenn man freilieh annehmenl wollte, dab 50% aller Frauen maskulin stigmatisiert sind, w i e e s die eingangs erw~Lhnte Arbeit vonl GAI~A~T tat, SO wiirden unsere Befunde bei Mfittern und Sehwestern nut der N o r m enltspreehen unld nieht a u f eine famili~re I{/~ufung der maskulinlen Stigmatisierung in unserenl Probandinnlenfamilien sloreehen. Sehon die allt~gliehe klinisehe Beobaehtung maeht es nun aber sieher, dag nieht 50% der Frauenl in dem Grade maskulinl sind, wie wir es verlangen, um einle ~ r a u im Slime unserer Arbeit zu den Maskulinen znl zfihlen. Sieher ist Maskulinit/~t im Sinne nlnlserer Arbeiten im BevSlkerungsdurehsehnitt yon Frauen viel seltener als 50% und 25%. Wenn wit also unter den 32 Mfitternl 9 unld unter den 71 Sehwestern 18 maskulinl Stigmatisierte finden, dtirfen wir getrost yon einer famili~renl t{~ufung sprechen. Diese Beobaehtunlg wird aueh dadureh gestfitzt, dab wit uniter 180 weiblietlen weiterenl Verwanldten immer noeh 18 Maskulinle findenl, eine Zahl, die zwar noeh betr~eht!ieh erseheint, abet doeh erheblieh niedriger ist Ms die Zahlenl ffir Mfitter unld Sehwestern. Wir versuehtenl weiter Iestzustellen, ob die maskuline Stigmatisierunl~ sieh vorwiegenld yon der Mutter auf die Toehter fibertr~gt oder ob sie aueh yon seiten des Vaters her vererbt wird: unter den 325 erfal3tenl l~rauenl - - die 32 Probandinnlenl inlbegriffen - - landen wir 77mal eine maskuline Stigmatisati0n. 25real wurde dabei die Dyskrinie direkt Yon der Mutter auf die Toehter fibertragen, l m a l nieht dutch die Mutter selbst, aber doeh wohl dureh die mfitterliehe Familie, 2mal ist die I)yskrinie sowohl auf der mfitterliehen wie auf der v/~terlichen Se{te nlaehweisbar (diese beiden F/~lle zeigen direkte Ubertragung x~onl Mutter auf Tochter nlnd sind in den obigenl 25 F~llen inlbegriffen), 2mal auf der v~terliohen Seite Mlein (bei Mutter und Sehwester des Vaters). I n 41 Malenl konnten wir weder in der mfitterliehen nloeh in der v~Lterlidhenl Aszendenz dieselbe Dyskrinlie findenl; w i r mfissenl dabei allerdings betonlenl, dag die Aszenldenz nlur mangelhaft erfagt werden konnlte, da wir die Familien der Probanldinnlen in den wenigsten ~tllen zuverl~ssig fiber die Generation der Eltern hinaus verfolgen konnten. Adhtmal war der Saehverhalt inl jeder ilinsieht ungentigenld abkl~rbar. Wit stellten zur ~'rage naeh Dominlanz oder Rezessivit~t lest, dab yon 77 Maskulinen - - die 32 Probanldinnleu inbegriffei1 - - 25 eine maskuline Mutter haben. 44ram ist die Mutter nlieht maskulin stigmatisiert, 8mal war der Saehverhalt nietlt zuverl/~ssig abkl~rbar. Zweitenls fanden wir, dag 45 Maskulinle - - die 32 Probanldinnen nieht inbegriffen 28 maskulin und 31 niehtmaskulltl stigmatisierte Sehwestern haben.
41 0
D~L~A Wox~:
E n d l i c h v e r s u c h t e n wir zu priifen, ob sich verschiedene m a s k u l i n e Stigmata einzeln oder korreliert vererben. Die maskuline Stigmatisation bei den betroffenen weiblichen Verwandten unserer Probandinhen liegt in der ~ehrzahl der F~l]e in einer Gesichtsbehgarung yon m~nn]ichem Typus. Nur vereinzelt fanden wit auch tiefe Stimme, mgnn]iche Gesichtszfige und m~nnlichen K5rperbau. Diese letztgen a n n t e n S t i g m a t a t r e t e n n i c h t e i n z e l n b e i v e r s c h i e d e n e n F r a u e n uuf, sondern jeweils korreliert bei der gleichen Frau mit dem ~irsutismus. J e d e n f ~ l l s w ~ r e n sie n u t bei m a s k u l i n b e h ~ a r t e n F r a u e n d e r a r t a u f fiil]ig, d a B sie e r f a B t w u r d e n . Tabelle 1. Ubersicht i~ber die 32 maskulin stigmatisierten schizophrenen Probandin Geboren E r k r a n k t m i t Jahren
]1901119051191411899 I 1908 I 18941 190811893
Pr&'psychotische PersSnlichI~eit Unauffi~llig . . . . . . . Schizoide Auff~illigkeiten innerhalb der N o r m . . Schizoide Psychopathie . .
Beginn und Verlau] der Psycho~e. Typ I . . ....... Typ I I . . . . . . . . . nI ........ Typ Typ Typ Typ
IV . . . . . . . . . V .... . . . . . VI . . . . . . . . VII . . . . . . . .
I 1
.W.I E.Z. 900 1885 1877 1883 1900 I 30 52 39 50 38
I I
I
1
1
1
1
1
'depressiv 1
1 1
] ]
1 .
Endzustand der Schizophrenle Leichter Defekt . . . . . Schwerer Defekt . . . . . Verbl6dung . . . . . . . MasIculine MerIcmale. Virile Gesichtszfige . . . . Virile Gesichtsbehaarung . Viriler KSrperbau . . . . Virile KSrperbehaarung . . Tiefe Stimme . . . . . . Maskuline Motorik . . . -. Beginn der masIculinen Stigmatisierung. ]nder Pubert~t . . ; . . Kurz v o r der Psychose . . Gleichzeitig m i t der Psychose I n der Psychose . . . . .
1
:5
•
i
1
1
1
1
1 1
1
1
1
1
1 1
1 1
1 i
1
411
Untersuchungen zwischen Psychopzthologie und Endokrinologie.
Zusammenfassung der St~tistik fiber die in unserer Klinik bearbeiteten }~-&lle yon m~sku]in stigm~tisierten schizophrenen Frauen: 1. Die maskulinen Merkm~le jener sehizophrener l~r~uen, die als um meiston maskulin auffullen, bestehen am hgufigsten i~ miinnticher Gesichtsbehaarung, mgnnliohen Gesiohtszfigen , mgnnlieher SOimme, m~nnlicher K5rperbeh~arung, mgrmlicher KSrperform und mgnnlioher Motorik (in dot Reihenfolge der tigufigkeit ~ufgezghlt). Mit diesem Symptomenkomplex erseheinen Untereutwieklung der Genitaljen und der Brfiste sowie psyehosexuelle M~sku]init/it im allgemeinen nicht gekoppelt. Probandinnen des Anstalten Burgh61zli, Rheinau, Wil und I~6nigs/elden. IF, IK. K, L. B . L . E . 1r R.M~. K . O . A . P . A . I ~ . I~r I,l.S.K.S.A.T.'!IK.T.H.W.O.K~ El, ,Y g . t ( , 1~.8. 1877 1871 1904 1895 1885 1878 1921 1899 1908 1.891 1902 1894 1893[ 1883 11908 190~ 1898 1904
I~~
221~0
~1
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30/20183125[~7{2~
~,~ 2 2
39
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o. 8. ~
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1
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1
1 ii6295
412
D~I~rh WOLF:
2. D i e p r ~ p s y c h o t i s c h e P e r s S n l i c h k e i t d e r u n t e r s u c h t e n m a s k u l i n e n schizophrenen Frauen entspricht im Durchseknitt derjenigen nichtm a s k u l i n e r S c h i z o p h r e n e r . B e i u n s e r e r A r t d e r A u s l e s e s i n d die Schizop h r e n i e n m a s k u l i n e r F r a u e n a u f f a l l e n 4 oft b e s o n d e r s s e h w e r e P s y chosen, die a k u t z u D e m e n z v e r l a u f e n . W e l l e n f 6 r m i g e u n d g u t a r t i g e V e r l ~ u f e s i n d sehr s e l t e n . E s ]~Bt sick n e c k a i c h t sicher e n t s c h e i d e n , ob es sick u m eine bloJ]e A u s l e s e w i r k u n g h a n d e l t oder ob die m a s kuline Stigmatisierung zu besonders schwerem schizophrenem Verlauf pr~clisponiert. B e s t i m m t v e r l a u f e n die S c h i z o p h r e n i e n b e i m a s k u l i n e r S t i g m ~ t i s i e r u n g (ira G e g e n s a t z z u r a k r o m e g a l o i d e n S t i g m a t i s i e r u n g ) TabeIIe 2. Die Eltern und Geschwister der maskulin ~tigmatisierten 32 Probaudinnen aus dem BurghSlzli, J~heinau, Wil und KSnigs]elden. 2dter
0--tgJahre
Lebend/to~
iebend
Geschlecht
m.[w.
tot
lebend I tot
m lw.
m w qml
Unter allen Probandeneltern waren F~lle yon: Schizophrenie. Nichtasylierte Depressionen Andere Psyehosen ~chizoide Psychopathien. ~chizoide Auff&lligkeiten innerhalb der Norm rrinker _~ndere Auff/flligkeiten irmerh~lb der Norm ~askuline Frauen ~ehizoide maskuline ~rauen Es starben an Tuberkulose Unauffgllig . . . . . . . . . . . . . . total
2
Norm
Total , leben4 i tot m.] w. ]m. w.
I
1 1
2
1
3
]
1 4 3
1
1
7
1
3 9
4
2
7 8
~
i
I
] 2
. . . . . . . . . . . . .
ii
4
. . . . . . . . . . . . .
3 7
3 12
3 5~ 8
A
1 5 20 64
3
2
7
3 1
2 3
2
7
3 1
2
2
5 13
I
I
Trinker . . . . . . . . . . . . . . Andere AuffElligkeiten innerhalb der Maskuline Frauen . . . . . . . . . . Schizoide maskuline l~rauen . . . . . Es starben an Tuberkulose . . . . 9 Unauffi~llig . . . . . . . . . . - 9 9 ' total
Uber 40 Jahrr
2
Unter allen Probandengeschwistern waren F~Ile yon: Schizophrenic . . . . . . . . . . . . Nichtasylierte Depressionen . . . . . Andere Psychosen . . . . . . . . . Schizoide Psychopathien . . . . . . . Sehizoide Auff~lligkeiten innerhalb "der Norm
20--39 Jahre
6
1
1
9 3
1
]
12 1
iii 1
4
1
4
7
b4
3L7
1", 10 27 38 3
56 123 7 I
Untersuchungen zwischen Psychopathologic und Endokrinologie.
413
nicht leichter als der DurchschDitt der Sehizophrenien., In bezug auf die Ph~nomenologie der schizophrenen Psyehosen zeigt sieh in der Mehrzahl der F~l]e yon maskulinen Frauen eine gewisse masku]ine Note. 3. Die maskuline Stigmatisierung bei den Probandinnen tritt vorwiegend wahrend der Pubertat auf, unabh~ngig yore Ausbrueh der Psychose. Immerhin wurde in etwa einem Drittel der F~ille auch ein Auftreten der maskulinen Stigmatisierung in engerem zeit]ichen Zusammenhang mit der Psyehose beobaehtet. - - Die maskuline Stigmatisierung neigt dazu, sich yon der Pubert~t an i m Verlaufe des Lebens langsam und stetig, wenn 'auch nut in leichtem MaSe, zu verdeutlichen. 4. Das l%milienbild maskuliner schizophrener Frauen in bezug auf Sehizophrenie und sehizoide Psychopathie weicht nieht wesentlich und naehweisbar yore Familienbild aller Schizophrenien ab. Bei unseren Probandinnen ver]aufen die Psychosen der schizophrenen Verwanctten im Durehschnitt schwerer als bei Verwandten yon Niehtmaskuii~en. (Vermutlich zufolge Auslesewirkungen bei der Probandinnenauswahl.) 5. Unter den Verwandten yon maskulinen schizophrenen Frauen l~$t sieh in unserem Material keine deutliche Xorrelation zwischen Schizophreuie und sehizoider Psychopathie einerseits und maskuliner Stigmatisation an.derseits naehweisen. 6. Die maskuline Stigmatisierung yon Frauen erweist sich als hochgradig familiar.
V. Fettdysplasie. Statistische Verarbeitung yon 40 F~illen fettdysplastischer Schizophrener und ihrer F~milien. Von GIo~ CO~DRAV. Mit 2 Text~bbildungen.
Einleitung. Das h~ufige Vorkommen dysphstischer KSrperbauformen bei Schizophrenen und deren Sonderste]lung in klinischer und nosologischer tIinsicht wurde y o n ~ETSCKlWER, GAUPP und MAVz erstmals arbeitshypothetisch verwertet. MAcZ fand bei vorwiegend fettstichtigen Dysplastischen schwerste jugendliehe VerblSdungspsychosen, ,,die sich in frfiher Kindheit aus der Psyche des eben Pubertierenden meist gleiChzeitig mit dem Einsetzcn schwerer endokriner Umw~lzungen
4i4
GIo~ Co~DaAv:
entwickeln". ,Gekennzeichnet dutch einen deletaren und torpiden Yerlauf, clurch ein auffa]lend grebes Kolorit ohne feine Schattierung ~nd Nuancierung, so]len sich im familii~ren Gesamtbi]d nieht selten eine t{~ufung sehwerer Zeffallspsychosen und deutliche Zeichen kSrperlieher und geistiger Entwicklungshemmungen nachweisen lassen. M. BLEULER 1930, und nach ihm HAFFTER 1945, befal~ten sich eingehender mit den Beziehungen dysplastischer Verfettung und Schizophrenie. Bei seinen Vererbungsuntersuchungen an 100 Schizophrenen fund BLEUL]Sa 6 F~lle schwer verblSdeter unbelasteter Schizophrener, yon denen 5 ausgesproehen fettdysplastiseh waren. Ihnen gemeinsam war die Schwere und die Art der Demenz, indem mit ihnen, abweichend yon den meisten schizophrenen VerblSdeten, ein affektiver Rapport wie mit Idioten mSglich war und sie sieh in Mimik und Haltung schlaff, stumpf und wenig moduliert zeigten. Alle erkrankten in jugendlichem Alter, aber nach der Pubert~t. HA]CFTERuntersuchte 15 dysplastisch verfettete Schizophrene daraufhin, wie sie sich hinsiehtlich erblicher Belastung, pr~psychotiseher PersSnliehkeit, Intel]igenz, Verlauf der Psychose und besonderer l%rmen der VerblSdung verhielten. Die Analyse seiner 15 Fi~lle ergab, daft sich alle durch einen besonderen Beginn und Verlauf auszeiehneten and dal~ mit Wahrseheinlichkeit in den untersuehten Familien voneinander unabh~nglg einerseits eine erbliehe Belastung mit Schizophrenie und Sehizoidie, andererseits eine solehe mit Fettsueht vorlag. Die Frage, ob der Eintritt und der Verlauf dysplastiseher Verfettung dutch eine beim gleichen Individuum bestehende Sehizophrenie beeinfluftt werde, wird often gelassen. I-Iingegen wird vermutet, daft dieselbe dyskrine Konstitution, die sich in dysplastiseher Verfettung auftertl die gleiehzeitig oder sehon vorher einsetzende Sehizophrenie in ungfinstigem Sinne beeinfluftL Wir haben uns die Aufgabe gestellt, die bisherigen Forschungsergebnisse fiber die Sonderstellung der iettdysplastischen Sehizophrenen zusammenfassend auszuwerten und dutch eigene Beobaehtungen zu erg~nzen. Als Ausgangsmaterial stehen uns die 5 l~alle yon M. BL]~ULER zur Verffigung, ferner die bereits publizierten 15 Fglle HAFFT~s, 1 Fall (mit besonders eingehender Familienuntersuchung) yon EDI,Tg OTT-SO~AVB, 7 Fglle aus der Anstalt Rheinau yon VosEI~ und 12 Falle eigener Untersuehung (es handelt sieh urn Probanden aus dem Bestand unserer Klinik, welehe ihrer Fettsueht wegen aufgefallen sind), insgesamt also gO Probanden rail ihren Familien. Von unserer Untersuchung wurden total 583 Personen erfaBt. Da jedoch die Angaben besonders hinsichtlieh dyskriner StSrungen in der weiteren Verwandtsehaft ungeniigend und wissensehaftlieh in den meisten
Untersuchungen zwischen Psychopathologie und Endokrinologie.
415
F~llen nieht verwertbar And, besehri~nkten wit uns auf die systematisehe Erfassung der Eltern, Geschwister und Kinder der Probanden. Damit reduziert sich die Zah] der er/a[3ten Personen au/259. Sie verteilen sieh wie folgt auf die verschiedenen Verwandtsehaftsg r a d e (s. Tabelle 1). Unser gesumtes MateriM untersuehten wir gemi~B der Mlgemeinen Fragestellung nnserer Klinik und nach den Beziehungen zwischen pyskrinem und schizophrenem Krankheitsgeschehen hinsichtlich prs PersSnliehkeit, Verlauf und Endzustand der Psychose, erblicher Belastung und kSrperlich endokriner Entwicklung. Dabei interessierten uns vor a]lem Tabelle 1. aueh die ]3eziehungen zwi~ i n n l i c h i ~Veiblich Total schen Sehizophrenie und Verfettung bei den Pro- Probanden . . . 11 29 40 banden und ihren Ver- Eltern . . . . . 39 39 78 57 63 Geschwister . . 120 wandten. Kinder . . . . . 9 ]2 21 Auf die Untersuchungs116 143 259 totM teehnik gehen wir hier nicht n~her ein. Wir haben uns grunds'~tzlich ,an das in der Arbeit HAFFTERs beschriebene Vorgehen gehMten. Eine gesamth~fte Verarbeitung des Materials wurde ja nur dadurch ermSglicht, dab Mle Autoren yon gleichen Auswahlkriterien ausgingen. Prapsychotischer Charakter, Inte]ligenz, Verlgufe und Endstadien wurden in Anlehnung an die Definition in M. BLEULERs ,,Krankheitsverlauf, PersSnlichkeit und Verwandtschaft Schizophrener und ihre gegen.seitigen Beziehungen" besehrieben. Weniger sichere Kriterien liegen ffir den Begriff der Fettdysplasie vor. Quantitative Gesichtspunkte h~ben sich, besonders in Grenzfgllen, als ungenfigend erwiesen. Wir versuchten KSrpermessungen vorzunehmen, VergleiehsmaBe ffir KSrperumfgnge aufzustellen, ohne jedoeh einen begrifflichen Nutzen zu ziehen. Hingegen zeigten fast alle unsere Fg]le ganz betrgehtiiche Gewichtssteigerungen fiber die Norm hinaus. Als mM~gebend ffir den Begrfff der dysplastischen Verfettung schienen uns jedoch vor Mlem qualitative Gesichtspunkte. Wir beurteilen eine Verfettung dann Ms dysplastisch, wenn sie ungleichmg~ig am K6rper verteilt ist, in Wfilsten und Klumpen an den Hfiften, Sehenkeln, am Rfieken oder am Baueh (Spitzbaueh). Im Gegensatz dazu bleiben andere K6rperpartien (z. B. der Hals, die Extremitaten) ganz frei. Wie HAFFTEI~ riehtig bemerkt, kommt es letzten Endes auf ein asthetisehes Urteil an (Abb. 1 und 2). Die Tabelle 2, die wir - - mit einigen Anderungen - - naeh derjenigen HAFFTE~S geordnet haben, gibt eine sehematisehe Zusammenstel]ung nnserer Ergebnisse. Arch. f. 9sych. u. Zeitschr. ~eur. Bd. 180.
27
416
GIO~ CONDRAV: T a b e l l e 2.
:ij
Zusammeustellu~g der Ergebnisse.
T o t a1
Probanden. Prdpsychotisch : Schizoide Psychopathie . . . . . . . . . Andere Psychopathien . . . . . . . . Schizoid innerha]b der Norm . . . . . A n d e r s auffi~llig i n n e r h a l b d e r N o r m Schwachsinn . . . . . . . . . . . . Psychisch un~uff~illig . . . . . . . . .
6
9
3
1
9
2 2 4 5
1 3
6
I
,8
4
3
2
6 1 2
1
4 5 17
1
28 11 14 20
Verlau] : Beginn schleichend . . . . . . . . . . ]~eginn akut . . . . . . . . . . . . . Chronisch zu Defekt . . . . . . . . . Chronisch zu Demenz . . . . . . . . . Wellenf6rmig zu Defekt . . . . . . . . Wellenf6rmig zu Demenz . . . . . . Andore Verl~ufe Affektive Rapportf~higkeit . . . . . .
5 .
1
3 2 1 25
8
Beginn der Ver]ettung: Parallel zur Psychose . . . . . . . . . Nach Psychose . . . . . . . . . . . Vor Psychose . . . . . . . . . . . .
12
I 6
2
8
2
1
.5 3 (4)
2 1
1
4 (5)
5
1
3
1
5 27 3
Besonderes: Genitalhypoplasie . . . . . . . . . . Sellaver~nderungen . . . . . . ,. . . . StoffwechselstSrungen . . . . . . . .
7 5 (6) lO (ll)
Eltern. Schizophrenie . . . . . . . . . . . . Andere Psychosen . . . . . . . . . . Schizoide Psychop~thie . . . . . . . . Andere Psychopathien . . . . . . . . Schizoid innerha]b der Norm . . . . . Anders auff~llig innerhalb der Norm Schwachsinn ....... .... . . Psychisch unauff~llig . . . . . . . . . Fettsucht . . . . . . . . . . . . . .
10
4 1
1 2
2
2 4
1 2
1
4 1
3
3 9
1
1
1
21 4
7 i
18 4
4 4 3 2 4
2 2 1
1
4 56 9
Geschwister. Schizophrenie . . . . . . . . . . . . Andere Psychosen . . . . . . . . . . Schizoide Psychopathie . . . . . . . . Andere Psychopathien . . . . . . . . . Schizoid innerhalb der Norm . . . . . Anders auffiillig innerhalb der Norm Schwachsinn . . . . . . . . . . . . Psychisch unauff~llig . . , i . . . . . Fettsucht . . . . . . . . . . . . . . Bezugsziffer fiir Psychopathie .... Bezugsziffer fiir Schizophrenie ....
12 .
11 3,5
2 3 24 5 53 44
2 1
5
I 3 1 13 4 20 17,5
1
1
7
2 1 6 5
6 9,
8 6 3 4 7 4 98 10 136 109,5
Untersuchungen zwischen Psychopathologic und Endokrinologie.
417
Pr~psychotischer Charakter der Probanden. Bei nnseren 40 Probanden handelt es sich grSl~teateils um Anstaltsinsassen (nur 2 der 40 F/ille k a m e n a]s Anstaltsaufn~hmen zur Beobachtung). Somit sind wir berechtigt, als Vergleichszahlen ffir das Gros der Schizophrenen diejenigen der schizophrenen Anstaltsinsassenvon M. BLEVL~:I~ heranzu.ziehen. 17 Probanden unseres 1V[~teria]s waren pr~psychotisch unauff/illig, 9 schizoid auff~Lllig innerha]b der Norm, 4 anders auff/fllig innerhalb der Norm. Neun l~robanden waren schizoide Psyehopathen, 1 Probandin nicht schizoid psychopathisch. Bei 5 yon unseren Probanden bestand prKpsychotisch Schwaehsinn (sic wurden beim Z/~hlen zu den charakterlieh Unauffiilligen gerechnet). Bei Vergleichung der Prozentzahlen f/~llt sofort ~uf: d~B unsere fettdysplastischen Schizophrenen weir mehr pr~Lpsychotisch Unauff/~llige (42,5 %) aufweisen als das Gros der schizolohrenen Anstaltsinsassen (16,8%). Der Unterschied ist zweimal gr6Ber als der mittlere l%hler. Unsere Zah]en sind sogar gr6f3er als die Prozentziffern der pr/~psychotisch unauff/illigen Anstaltsaufnahmen (30%), mit denen sic abet wie gesagt nicht zu vergleichen sind. Die Werte der Auff~L1]igen und Psychopathischen sind kleiner oder innerhalb der Zufallsschw~nkungen gleieh wie beim Gros der schizophrenen Anstaltsinsassen. So finden wir in unserem Material ebenf~lls 1/~ schizoid Auff/~lliger innerhalb der Norm, hingegen nur die H/~lfte pr/ipsychotisch schizoider Psychoioathen des Gros der schizophrenen Anstaltsinsassen. s ]etztere Unterschied ist bedeutend grSBer als der einfache mittlere Fehler. Die Zah ! d e r pr~L1osychotisch anders als schizoid Auff/~lligen innerhalb der N o r m is$ bei unseren Probanden doppel~ so groB wie bei den iibrigen Sehizophrenen, die der nichtsehizoiden Psychopathen betr~gt die H/ilfte, liegt aber innerhalb der ~ehlergrenze tier Durchschnittszah]. Tabelle 3. PraepsychotischerCharakter der ]ettdysplastisvhen Schizphorenen. Pr~psychobischer Charakter
Schizoide Psychopathen . . . . . . . . Andere Psychopathen . . . . . . . . . Schizoid Auff/fllige innerhalb der Norm Anders Auff/illige innerhalb der Nprm . Pr/~psychotisch Unauff/illige . . . . . .
[Probanden Mittlerer 40 Fehler % % 9:22,5
~=6,6
1 =2,5
=k2,4
9 = 22,5 4 ~ 10,0 17 ~- 42,5
6,6 • 6,7 -4-7,8
Gros der schizophrenen Anstaltsinsassen nach M. BLEULER
%
46,6 6,8 24,8 5 ]6,8
Zusammenfassend l'~Bt sich sagen, daft unter den /ettdysplastischen Schizophrenen prdipsychotisch mehr psychisch Unau//dllige vo@ommen, als beim Gros der schizophrenen Anstaltsiusassen. Dies ist e i n Befund, 27*
418
GION CONDRAU:
der yon den Ergebnissen be• anderen dyskrinen Sehizophrenen wesent]ieh abweieht. Prapsychotiseh fettsiichtig waren 3 Probandinnen unseres Materials. Von ihnen waren zwei gleichzeitig nicht schizoid auffallig innerhalb der Norm, eine Probandin psychisch unauffallig.
Erkrankungsalter, Verlau/s/orm und Endzustand. Bereits die Untersuehungen HAFF~V~RS ergaben bezfiglich des Erkrankungsalters der fettdysplastischen Schizophrenen Ergebnisse, die yon denjenigen frfiherer Autoren deutlich abweichen. Wahrend GAvP]~ und MAuz yon Erkrankungen ,,in frfiher K i n d h e i t " sprechen, land BLEULER den Krankheitsbeginn zwischen der P u b e r t a t und dem 26. Lebensjahr. Be• den Fallen HAFFT]ms Variiert er yon der Vorpubertat bis zum 30. Lebensjahr. In unserem gcsamten Material • uns in 39 Fallen das Erkrankungsalter bekannt. Ein einziger Fail HAFFTE~S geht au~ die Pubertat zurfick: eine Patientin erkrankte mit 16 Jahren. 5 Falle (darunter 3 Falie BL]~ULWl~s) erkrankten mit 17 Jahren, 4 mit 18 Jahren, 2 mit 19 Jahren, 6 mit 20 Jahren, 2 mit 22 Jahren, 3 mit 23 Jahren und 5 mit 24 Jahren, Be• je 1 Pall lag das Erkrankungsalter im 26. und 28. Lebens]ahr, be• 3 Fallen im 30, Lebensjahr und be• je 1 Pall i m 35., 36., 38., 42., und 45. Lebensjahr. Das hSchste Erkrankungsalter erreichte einer unserer eigenen Falle mit 51 Jahren. Die zum Vergleich mit den absoluten Zahlen beim Gros der Schizophrenen errechneten Prozentzahlen sind auf der folgenden Tabelle zusammengestellt. Tabelle 4. Erkrankungsalter der/ettdysplastischen Schizophrenen Erkrankungsalter
Gros der Schizophrenen
Fettdysplastische Schizophrene Prozentzah]en
10--19 Jahre . . . . 20--29 Jahre . . . 30~39 Jahre . . . . Uber 40 J a h r e . . .
30,8 (• ~6,1 (~:8) 15,4 (• 7,7 ( • 4,2) (• mittlere Fehler.) 20--34 d[4 50 18--24 6--15
absolute Zahlen
12 18 6 3
Wir ersehen aus der Tabelle 4, dal~ .das Erkrankungsalter der fettdysp]astlschen Schizophrenie be• Beriicksichtigung des mittleren Fehlers durchaus nicht yon demjenigen des Gros der Schizophrenien abweicht. Das haufigste Erkrankungsalter liegt nicht, wie nach den Angaben friiherer Autoren anzunehmen ware, im frfihjugendlichen Alter, SSndern zwischen 20 und 30 Jahren. Die Zahl der in dieser Zeit
419
Untersuchungen zwischen 1)sychopathologie und Endokrinologie.
erkrankten fettdysplgstischen Schizophrenen betriigt fas~ die H~lfte unseres gesamten Materials. Beziiglich der Verlau/s/ormen der fet{dysplastischen Schizophrenien land HAFFTER bei allen yon ihm untersuchten l~gllen eine auffallende (Tbereinst.immung yon Beginn und Verlauf der Psychose. Der Krankheitsbegim~ ist bei 14 seiner Fglle schleichend und nut in einem F~ll
Tabelle 5.
1"r
[
Schematische
Darstellung der Verliiu/e der 40 ]ettdysplastischen ~chizophrenen Probanden.
~
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13. ~82g
1/0
30
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50
4"0e8
50
~0
30
~
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30
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70
20
30
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70
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30
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30
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50
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20
30
gO
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70
77 2g
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70
77 2023
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~0
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420
Gzo~ C o ~ . a ~ :
(Fortse~zung.)
Tabelle 5
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P~ychose 6'ew/cht~kurve
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10
20?,2
30 ,Yq
gO
be/den Probanden :~indII m#nn/ichen G'e,~chlochf~
0-5~ 18-2g ~ ) und 29 welb/ichen ~eschlock/~
subakut (in unserer Arbeit z.~hlen wir diesen ~'all zu den akut beginnenden). Der Verlauf W~r immer einfach progredient, ohne deutliche t~emissionen. Ergibt nun die f3berpriifung dieser Resultate an einem grSBeren Material die gleichen Befunde, oder sind unsere F~lle auch in dieser Hinsieht yon den anderen Schizophrenen nicht unterscheidbar ~. Die vorstehenden Tabellen geben eine schematisehe Dars~ellung der Verl~ufe. W{r ersehen ~us T~be]le 5, d~6 yon einer ~bsoluten fJbereinstimmung bei der Verlaufsform der fettdysplastischen Sehizophrenien nicht gesprochen werden kunn. D e r Krankheitsbeginn ist in 27 Y~llen schleichend, in 11 Fgl]en akut. Elei 35 Beobachtungen linden wir einfache Verlaufskurven, in 5 Fallen wellenf6rmige Verl/~ufe. Von den ersteren 35 F~llen ftihren 18 chronisch Zu VerblSdung, 12 chronisch zu Defekt, 4 gkut zu VerblSdung und 1 Fgll ukut zu Defekt. Von den wellenfSrmigen Ver]~ufen f/ihrt 1 Fall zu Demenz, 4 l ~ l l e endigen in Defekt. Wenn man zum Vergleieh fglschlicherweise die Durchschnitts-
Untersuchungen zwischen Psychopzthologie und Endokrinologie.
421
zahlen an schizophrenen Anstaltsaufnahmen heranziehen wiirde, so erg~be sich eine sehr starke H/tufung chroniseher Verl~Lufe bei den fettdysplastisehen Sehizophrenen (45 gegen 10--20%). Vergleieht man korrekterweise mit den schizophrenen Anstaltsinsassen, so ist immer noeh eine gewisse tI/~ufung der ehronisehen Verlgufe bei den fett. clysplastisehen Sehizophreneu anzunehmen, wenn aueh nieht eine solehe wesentliehen Magesi Sehr ausgesproehen ist dagegen das Zurtiektreten der wellenf6rmigen Verl/~ufe unter den fettdysplasgisehen Sehizophrenen zugunsten der einfaehen Verl/~ufe: sehon unter sehizophrenen Anstaltsaufnahmen zghlen sieh an die 5% wellenfSrmig zu Verbl6dung verlaufene tPormen, unter den sehizophrenen Anstaltsinsassen sind es erheblieh mehr, unter unseren feLtdysplastisehen Sehizophrenen aber nut 2,5% (1 Fall). Unter allen sehizophrenen Anstaltsaufnahmen Me Anstaltsinsassen sind 30--40% soleher, die wellenfSrmig zu einem sehizophrenen Defekt geftihrt haben, unter unseren fettdysplastisehen Sehizophrenen dagegen sind es nut 10% (4Fglle). Insgesamt haben M r unter unseren fettdysplastisehen Sehizophrenen nur 12,5% wellenf6rmige Verlfi.ufe, w/~hrend sie unter dem Gros der sehizophrenen AnsLal~saufnahmen in 60--80%, unter dem Gros der sehizophrenen Anstaltsinsassen in etwa der H.~lfte vorkommen. Somit stimmen unsere Befunde im wesentliehen mit den Resultaten HAFFTERs und ~BLEULERS,sowie mit denjenigen yon GAuPP und ~A~ZZ iiberein. Letztere Autoren spraehen yon einem deletfiren und torpiden Verlauf; naeh H A F r T ~ seheint es ffir die Gruppe der fettsiichtigen Sehizophrenen typiseh zu sein, dag der Endzustand, ob Defekt oder Verb]Sdung, nach schleiehendem Beginn chronisch-einfSrmig erreieht wird. In dieser ausschlieBliehen l%rm darf naeh unseren Erfahrungen allerdings nieht yon einem ,,sehleiehenden Beginn" gesproeben werden, kommt doeh eine akut zu VerblSdung fiihrende Verlaufsform in 12,5% des Gesamtmaterials vor. Doch diirfen wit ~ wohl als Untersuehj~ngsergebnis festhalten, daft die /e#dysplastischen
Schizophrenen im allgemeinen eher zv einem ungiinstigen, schleichenden Verlau] neigen als das Gros der Schizophrenen: Remittierende Verldiu]e lcommen bei ]ettdysplastischen Schizophrenen Seltener vor als beim Gro8 der Schizophrenen. HAFFTER warf die Frage auf, ob bei einem Tell der t~lle ftir den ungtinstigen Verlauf auger der endokrinen Sgigmatisierung noeh die Oligophrenie tier Probanden mitbes~immend sein kSnnte. Von seinen 15 Probanden sind t debil. In unserem Gesamtmaterial linden wit 5 Debile (die 4 Schwaehsinnigen ItAF~$ERS mitgereehnet). Ist nun die Oligophrenie unter unseren l~/~llen h/~ufiger als in der DurehsehnittsbevSlkerung, so unterseheidet sie sieh nieht wesentlieh -gon den
422
G~o~ CO~.aAC:
Angaben BLEUL~Rs bei der Gesamtheit der Schizophrenen. Unter den PfMerser nnd B~sler Schizophrenen fand M. B L E U L ~ 9,4% Debile und ],4% Imbezille. In unserem Material finden wir insgesamt ]2% Debile (mit einem mittleren ~ehler yon ~ 14,5). Diese Pfropfschizophrenien zeichnen sich ]r weder im M~terial HASFTE~S noch in unserem durch einen besonders schweren Verlauf aus : 3 werden dement, 2 defekt, Die [Prage, ob im einen oder anderen dieser F~lle yon Pfropfschizophrenien der Schwaehsinn ffir den schweren Verlauf der Psyehose yon Bedeutung ist und wie weir die wechselseitigen Beziehungen yon Fettsucht und Oligophrenie das Untersuchungsergebnis beeinflussen, mul~ offengelassen werden. Wir kSnnen lediglich bemerken, dab die Untersuchung an grSl~erem Krankenmaterial die lgesultate HASFTERS, wonach eine st~rkere Belastung mit Schwachsinn als der Erwartung entsprechen wfirde, bisher nicht best~tigt wurden. Was dieEndzusti~nde betrifft, so laufen die schizophrenen Psychosen unserer 40 fetfdysplastischer Probanden 23real in VerblSdung, 24real in schweren, 3real in leichten Defekt und nicma]s in Heilung aus. Da die meisten der Probanden unter Anstaltsins~ssen gewghlt worc~en sind, ist es selbstverst~ndlich, dal~ diese Endzustgnde viel schwerer sind als den Statistiken fiber die Ausg~nge der Schizop'hrenie bei Anst~ltsaufnahmen entspricht. Unsere /ettdysplastischen Schizo~ghrenen zeigen aber auch ungi~nstigere Endzustiinde a~s die schizophrenen Anstaltsinsassen im Durchschnitt: unter dem Bestand Schizophrener der Anstalten, in denen sie ausgelesen wurden, sind viel mehr als blol~ 7,5% leichte Defekte wie unter unseren Probanden (3 yon 4 0 ) . In diesem Bestand sind auch nicht fiber die H~lfte der ~ l l e im Sinne unserer Begriffsumschreibung vollkommen verblSdet. M: BLEULER wies, wie bereits eingangs erwahnt, darauf bin, dal~ sich die fettdysplastischen Schizophrenien seines Materials .dureh eine besonc~ere Form der Verbl5dung auszeichneten. In ihrem affektiven Rapport muteten sie ausgesprochen schwachsinnig an. HAi~FT~lZland bei seinen Fgllen 8real eine gute affektive Kontgktf~higkeit, die zur Schwere der VerblSdung kontrastierte. Wir fanden in 25 F~llen diese besondere affektive Ansprechbarkeit, 15 Fglle sind kontaktunfithig. Drei der schwachsinnigen Patienten zeigen diese Affektanspreehbarkeit, bei den zwei anderen O!igophrenen fehlt sic. Somit scheint die K0mplikation der Psychose mit angeborenem Schwachsinn hierbei nieht eine entscheidende t~o]le zu spielen. Auch soll der pr~psyehotisehe Charakter der Probanden dabei nicht yon entscheidendem EinfluB sein, wie bereits s bemerkt. Die affektive Kontaktf~higkeit findet sich beispielsweise in unserem Gesamtmaterial bei 13 Patienten, die pr~tpsyehotisch schizoid (6 davon schizoide Psychopathen) waren. Es ist wahrscheinlich, da~ hier konstitutionelle Momente bei der
Untersuchungen zwischen Psychcpathologie und Endokrinologie.
423
besonderen Farbung der Psychose eine Rolle spielen. Im fibrigen sticht die Symptomatologie der fettdysplastischen Schizophrenie nicht wesentlich yon der ffir das Gros der Sehizophrenen bekannten ab. Es ware hSchstens zu erwahnen, dag wir in der MannigfMtigkeit y o n schizophrenen GrundstSrungen und Sekundi~rsymptomen auffMlend viel farbige und megalomane Wahnsysteme linden. Doeh kann diese Angabe nicht f fir die ganze Gruppe verMlgemeinert werden. Als Untersuchungsergebnis stellen wit /est, daft es sich beim /ettsiichtigen Schizophrenen vorwiegend um einen stump/-gutmiitigen Patienten mit erhaltener Rapport]iihiglceit handelt.
Die Ver[ettung der Probanden. In 3 unserer ~'alle setzte eine abnorm st~rkeVerfettung bereits vor der Erkr~nkung ein (]mal 1--5, 2ram 5--10 Jahre vor derselben). ]~finfmal entwickelte sieh die Verfettung parallel zur Psychose, in 27 Fallen im spateren Verl~uf. (Unter den 20 Fallen, bei denen sich die zeit]iche Verspatung der Verfettung im Vergleich zum Beginn der Psychose genauer bestimmen laBt, betragt. sie: l l m M fiber 10 Jahre, 4ram 5--10 Jahre, 5real 1--5 Jahre.) :Bei den 5 Ffillen ]~LEULE~Sfehlen 3-bb. 1. uns die Angaben fiber Beginn und Fc~dyspl~stischeProbandin, 661/~j~hrig. Ver]auf der Verfettung. Oas Alter I in welehem die Verfettung einsetzte, schwankt yore KindesMter bis nach dem 50. Lebensjahr. Im Mlgemeinen kann m~n also sagen, daft Ver]ettung und Erkrankung an Schizophrenie in gro[3en Abst~inden er/olgen und die Ver]ettung
424
Gio~ CO~DRA~:
in einem erheblich sp~iteren Lebensalter einsetzt als die Schizophrenie. Nur in einer kleinen Minderzuhl der l~lle besteht eine enge zeitliche Bindung im Verlauf yon Verfettung und Sehizophrenie. Bei den Beobaehtungen VosE•s handelt es sich durchwegs um Pyknika, die vor einigen Jahren stark an Gewicht zugenommen hatten und damals zu dysplastiseher Verfettung neigten. Dies ist auch bei einem groBen Teil unseres eigenen Materials der Full. Nur in wenigen Beobachtungen entwickelte sieh eine dysplastische Verfettung bei frfiher schlanken und mageren Probanden.: Es handelt sieh bei unseren ~gllen allerdings fast durehwegs u m Anstaltsinsassen und die rrage ist bereehtigt, ob die ungewShnliehe Fettzunahme nieht mit dem Anstaltsaufenthalt, der dadureh bedingten kSrperlichen Bewegungseinschrgnkung bei gleichzeiti'ger calorienreicher Ernghrung in Zusammenhang steht. Demist jedochentgegenzuhalten, dab die fettdysplastischen Sehizophrenen in unseren Anstalteu nut einen verschwindend kleinen Teil uller Insussen darstellen und dub Ierner ein Tell derse]ben schon vor ihrem Eintritt deut]ich fettsfichtige VergnderAbb. 2. ungen aufwiesen I ~ A F r T E R v e r Fettdysplastische Prob~ndin, 661/~j~thrig. zeichnete in einzelnen seiner Beobachtungen eine besondere EBgier. Diese wurde yon den anderen Untersuehern nieht speziell vermerkt. EBgier finder sieh auch bei nieht fettsiiehtigen Sehizophrenen hgufig und wie HAr~TER richtig bemerkt, werden bei weitem nicht alle als ~usgesproehen gefraBig bekannten Dementen fettsfichtig.
Untersachungen zwischen Psychop~thologieund Endokrinologie.
425
Seit ungef~hr 1940 zeigte ein betr~chtlieher Teil unserer Probanden deutliche Gewiehtsabnahmen. Ob man hierin eine gewisse Abh.angigkeit des Ern~hrungszustandes yon ~u~eren Faktoren erblicken duff, ist fraglieh. Wohl war der Umfang der t~ationen in der Kriegszeit beschri~nkter als frfiher, aueh dfirften bei der Verfettung qualitative Momente in der Nahrungsuufnahme (Fett nsw.) eine Rolle spielen, doch mtissen wir darauf hinweisen, dal~ starke Gewichtsschwankungen bei Geisteskranken hgufig ohne gufierlieh erklarbure Ursachen auftreten. Daftir da.B bei der Verfettung nicht nut gu~ere Umstgnde maf3gebend sind, sprechen aueh die hgufigen underen Symptome endokriner StSrungen wie I-Iypoplusie der Genitalien, Sellavergnderungen, CrundumsatzstSrungen nnd atypische Verlgufe tier Stoffwechselkurven. Einzelne unserer Fglle wiesen neben tier dysplastischen Verfettung aueh eine maskuline Stigmatisiernng auf. In einem Fall bestanden kretinoide Ztige. Fettsucht bei den Verwandten. Die teitweiso Un~bh~.ngigkeit tier Fettsucht von S,ui~eren Ursachel~ wie Anstaltsleben und die damit verbundene Untatigkeit, Ei~gier usw. geht aueh daratts hervor, dal~ wir die Fettdysplasie auch bei Eltern und Geschwistern der Probanden vorfinden. Im Untersuehungsmaterial I-IAFF~nS erweist sich die Fettsucht als h~tufigeres und konstanteres famili~res Merkmal ale die Schizophrenie. Vosnl~ bemerkt, dab alle seine F~lle ~us Familien stammen, bei denen die pyknischen KSrperbauformen vorwiegen, bei denen auch in vereinzelten F~tlen dysplastische Verfettung vorkommt. - - In unserem Gesamtmaterial fanden sieh 9 Falle ausgesprochener l%ttsueht bei den Eltern der 40 Probanden und l0 tO~]le unter den Geschwistern. In einem Fall war die Tochter einer unserer Probandinnen fettdysplastiseh und schizophren. Schizophrenie und Psychopathie bei den Verwandten. Wir besehri~nken uns mangels zuverl~ssiger Angaben tiber alle entfernteren Verwandten auf die Erfassung der Eltern und Geschwister. Die Bezugsziffern ffir Schizophrenie und Psychopathie berechneten wit gema[t den Angaben FL BLEULERS in ,,Kr~nkheitsverla~f, PersSnlichkeit und Verwundtschuft Schizophrener und ihre gegenseitigen Beziehungen", Bei den Eltern unserer 40 Probanden fanden sich 4 F/~lle yon Schizophrenie, dazu eine~wahrscheinlieh endogene Depression. Bei 4 der Eltern bestand eine schizoide Psyehopathie, 1 Elter war ein nichtschizoider Psychopath. Drei w a r e n schizoid auff~llig innerhalb der Norm und 9 unders auff~tllig innerh~lb der Norm. Viermul bestund Sehwuchsinn.
Gio~ CO.PRAY:
426
U n t e r d e n G e s c h w i s t e r n l i n d e n wir 8 F ~ l l e y o n S c h i z o p h r e n i e u n d 6Erkrankungen an ~ n d e r e n P s y c h o s e n ( d a v o n eine I n v o l u t i o n s psychose, fragliche S c h i z o p h r e n i e aus dera M~teriM I=IAFFTE~S, 2 E p i lepsien u n d 1 Melancholie; f e r n e r 2 Fi~lle y o n seniler D e m e n z in d e n B e o b u c h t u n g e n VOSE~s). I n d e n y o n uns selbst u n t e r s u c h t e n 13 F ~ l l e n f a n d e n w i t u n t e r d e n G e s c h w i s t e r n w e d e r S c h i z o p h r e n i e noch ~ndere P s y c h o s e n , d a g e g e n 5 schizoide P s y c h o p a t h i e n , 3 a n d e r s Ms schizoide P s y c h o p g t h i e n , 4 schizoid AuffMlige u n d 7 ~nders Ms schizoid Anf.fMlige i n n e r h M b d e r N o r m . S c h w a c h s i n n f a n d sich u n t e r d e n Ges e h w i s t e r n 4mM. TabelIe 6. Die Hgiu/igkeit von Schizophrenie und Psychopathie bei den Eltern und
Geschw{stern ]ettsi~chtiger Probanden. Eltern" Probanden . .
Absolute Zahten . . . Bezugsziffern . . . . Schizophrenie . . . .
Geschwister
@ros der Schizophrenec nach ~VL ] ~ L E U L E R
4
78 78 5,1%
6,! %
5,1%
16,5%
!,2%
9,7%
(• Schizoide Psychopa*hie
4 (•
Andere l~,syehopathie .
Probanden
! (• (+
Gros der Sehizophrenennach ~. BLEULER
120 109,5 8 6,6% (• 5 4,1% (• 3 2,5% (•
!2,5% 9,7% 7,4%
-- mittlere l%hler.
Bei der Auswertung der Tabelle 6 miissen wir uns v o r Augen halten, dal~ unter den 40 Probanden, die ihr zugrunde liegen, die 5 F~lle BL~UL~RS durchwegs aus unbelasteten Familien stammen; man mug sieh also fragen, ob sie eine Auslese darstellen. Wir haben sie jedoch deshalb bei der Berechnung mitgezahlt, well M. BLEULER bei seinen Vererbungsuntersuchungen unter den belasteten Schizophrenen keine fettdysplastischen beschrieben hat. Sie bedeuten also urspriinglich keine Auslese fettdysplastischer Schizophrener nach einer Minderbelastung und dCirfen bei der Bestimmung der familiaren Belastung fettdyspla.stischer Schizophrener unbedenklich mitgezahlt werden. Bei Weglassung der Falle BL~UL~RS erha]ten wit iibrigens fast dasselbe Bild wie beim Mitzahlen derselben; Eltern: absolute Zahlen 68, Bezugsziffer fiir Sehizophrenie 68. Belastung mit Schizophrenie 5,8 (statt 5,1%), mit sehizoider Psychopathie ebenfalls 5,8 (start 5,1%) und mit anderen Psychopathien 1,4 (statt 1,2 %). Bei den Geschwistern verhalten sich die Ziffern ohne die Falle BLEUn~RS folgendermal~en: absolute Zahlen ]08, Bezugsziffer fiir Sehizophrenie 106. Belastung mit Schizophrenie 7,1 (start 6,6%), mit schizoider Psychopathie 4,4 (start 4,1%) und anderen Psyehopathien 2,6 (start 2,5%), E i n B l i c k auf T a b e l l e 6 zeigt sofort, daft die ]ettdysplastischen
Schizophrenen nicht etwa mehr mit "Schizophrenie und Psychopathie belastet Bind al8 das Gros der Schizophrenen. I m G e g e n t e i l ist die E r k r a n k u n g s w a h r s c h e i n l i e h k e i t i h r e r E l t e r n u n d G e s c h w i s t e r an Schizo-
Untersuchungen zwischen Psychop~Shologieund Endokrinologie.
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phrenie, schizoider Psychopathie und anderer als sehizoider Psychopathie erheblich geringer als beim Gros der Schizophrenen. Freilieh sind die Untersehiede der einzelnen Vergleichszahlen im Vergleich zu den mittleren Fehlern so geringffigig, dab jeder einzelne dieser Unterschiede sehr wohl einer Znfallsschwanknng entspreehen kSnnte. Zu beachten ist aber, dab die Tendenz bei allen 6 Einzelvergleiehen, die sich aus Tabelle 6 ergeben, einheitlich dieselbe ist; sie geht einheitlich im Sinne einer Minderbelastung der fettdysplastisehen Sehizophrenen gegenfiber dem Gros der Schizophrenen. Zahlt man die Erkrs.nkungswahrscheinliehkeiten an Schizophrenie und den verschiedenen Psychopathien zusammen, so zeigt sich das eindringlieh: Wir erhalten-dann eine Gesamterkrankungswahrseheinlichkeit an Schizophrenie und Psychopathie bei den Eltern yon fettdysplastisehen Schizophrenen yon nur 11,4 %, bei den Eltern yon unausgelesenen Schizophrenen aber yon 32,3 %. Diese Gesamterkrankungswahrseheinliehkeit bei den Geschwistern yon fettdysplastischen Schizophrenen betragt nur 13,2% gegenfiber 2916% bei den Eltern des Gros der Sehizophrenen. Es erscheint deshalb deutlich, daft die Gesamtbelastung mit Schizophrenie und Psychopathie bei /ettdysplastischen Schizopl~renen geringer ist als bei Schizophrenen im a[[gemeinen. Dieser Befund kann nieht dadurch erkl~trt werden, dab die fettdysplastisehen Sehizophrenen zu sehwereren Verlaufsformen neigen als die Schizophrenen im allgemeinen. Wohl hat lV[.BLEVLs,g gezeigt, dab die sehwer verlaufenden Sehizophrenen durehsehnittlich ein anderes 1%milienbild zeigen als die gfinstig verlaufenden. Im allgemeinen abet zeigen die schwer verlaufenden 1%rmen eine st/~rkere ]3elastung mit Psychopathie als die leieht verlaufenden (und h6chstens eine nnbetr~ehtliehe, sehr geringfiigige Minderbelastung mit Schizophrenien). Wenn man dies beriicksichtigt, so muff man mit um so grSfterer Wahrscheinlichkeit annehmen, daft. tatsiichlich den/ettdysplastischen Schizophrenen ein etwas anderes Familienbild und somit eine etwas andere Iconstitutionelle Grundlage zuzusehreiben ist als dem Gros der Schizophrenen. Beinahe ebenso stark wie die Belastung mit Schizophrenie ist die Belastung mit anderen Psychosen. Es ergibt sieh daraus das Bild einer gewissen polymorphen Belastung mit verschiedenen Psychosen, wie I-IA~FTER bereits festhielt, unter denen aber die Schizophrenie doch dentiich dominiert. Nur drei nnserer Probandinnen haben/ettsiiehtige Schizophrene in der _Familie. Bei 4 Probanden finden wir psychisch unauffitllige, fetts~ichtige Eltern, auch sind 6 fettsiichtige Geschwister in unserem Material psychisch unauff~llig. Fettsucht und schizoide Auff~lligkeit innerhalb der Norm kommt unter den ]~ltern 1real vor, bei den
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G~o~ CO~D~AV:
Geschwistern 2mal, F e t t s u c h t verbunden rnit sehizoider Psychopathie bei den Eltern lmal, Fettsucht und Melaneholie bei den Geschwistern lrnal. Nichtsehizoide Auffiilligkeit innerhalb der Norm und nichtschizoide Psyohopathie bei g]eiehzeitiger dysplastiseher Verfettung komrnen ebenfalls je lrna] vor. Wir ha,ben zu prtifen, ob in der Verwandtschaft fettdyspl~stischer Schizophrener :Fettsueht und Schizophrenie korreliert oder unabh';ingig voneinander vorkomrnen. Wir z~hlen insgesamt 198 Mitglieder der engeren Farnilie unserer Probanden (Gesehwister un4 Eltern zusarnrnen), darunter 12 Sehizophrene und 19 Fettdysplastisehe. Wenn Pettsucht und Sehizophrenie keine innere Bindung untereinander h~tten ~md sioh nur nach den Gese~zen des Zufalls untereinander kombinierten oder nicht kornbinierten, rniiBten wir (12 X 19) :198 ~-- 1,1 Verwandte finden, die gleiehzeitig schizophren und fe~tsiiehtig w~iren. Tats~ehlich linden wir deren 2. Unter den insgesarn~ 198 Mitgliedern der engeren Farnilie sind weiter 9 schizoide I)syehopathen. Wenn Fcttsucht und schizoide Psychopathie keine innere Bindung untereinander h~tten, so miiBten wir 0,9 Verwandte ~inden, die gleichzeitig fettsiichtig und schizoid psychopathisch .sin& Tats~chlieh finden wit auch einen solehen yerwandten. Innerhalb der Grenzen der Zufallsschwankungen' entspreehen also die gefundenen Zahlen yon Kornbination sehizophrener (bzw. schizoider) StSrungen und Fettsuch~ den fiir den Fall der inneren Unabh~ngigkeit beider StSrungen erwarteten.
Eine Korrelation zwischen 2'ettsucht einerseits, Schizophrenie und Schizoid andererseits besteht in den Probanden[amilien nicht. In einern der beiden l~lle, bei denen Schizophrenie und l%ttsucht kornbiniert vorkomrnen, handelt es sich urn den Vater unserer Probandin Nr. 37, einer steif rnanirierten, zerfahrenen und unruhigen, l~ppischen Hebephrenen. Der Beginn ihrer Erkranknng war schleichend, rnit 23 Jahren. Pr/~psyehotiseh war sie eine sehizoide Psychopathin. Die Verfettung verlief parallel zur Psyehose. D e r Verlanf der Krankheit bei der Probandin ist einfach ehroniseh zu Demenz. Bei ihrern pr/~psyehotisch unauffglligen Vater verlief die Psyehose in Schiiben zu Defekt. E r erkrankte rnit 29 Jghren akut an Verwirrtheitsznst/~nden rnit Depressionen und wgr 1 J a h r lang im BurghSlzli. Nach d e r Entlassung soil er irnrner eigentiirnlich gewesen sein. Mit 60 Jahren traten wieder Wahnideen auf, er muBte nochrnals interniert werden. ~ Uber seine kSrperliehe ]~ntwicklung wissen wir nur, dab e r sehr fettsiichtig war und his zu 104 kg wog. - - In dieser Farnilie linden sich noch rnehr Geisteskranke. Irn 2. ~all handel~ es sieh urn die Toch~er unserer Probandin l~r. 32. Sie selbst war pr/~psyehotiseh unauff~llig. Irn AnschlnB an eine Zwillingsgeburt rnit 20 Jahren entwiekelten sieh psychisehe Veranderungen
Untersucllungen zwisehen Psyehopzthologieand Endokrinologie.
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mit Erregungszust~Lnden, Gewaltt~ttigkeiten und I-Ialluzinationen. Die damalige Diagnose lautete: Puerperalpsyehose mit Ausgang in Dementia praecox. Naeh einer 1/~nger dauernden, aber unvollkommenen lZemission entwiekelte sieh bei ihr mit 37 Jahren eine schwere Katatonie, die progredient zur -eSlligen sehizophrenen Demenz ffihrte. Affektiv sehr steif, zerfahren, mit Neigung zu stereotypen l~edewendungen. In ihrem Wahnsystem deutlich megaloman. Die Probandin war immer yon festeln I-Iabitus.' Beginn der starken Yerfettung mit 40 Jahren. Die Tochter der Probandin machte mit 23 Jahren einen akuten, kurzdauernden sehizophrenen Schub dureh, so dag sie voriibergehend in einer Anstalt interniert werden mul3te. Seither ist sie gesund. - - Seit der Pubert~Lt fester geworden, macht sie heute einen leieht fettdysplastisehen Eindruck. In der Familie sind noeh weitere Psychosen: ein Sohn der Probandin (Zwillingsbruder der fettsiiehtigen Toehter) ~nul3te wegen eines akuten Paranoids im BurghSlzli behande]t werden, ist jetzt gesund. Nicht Iettdysplastisch. Die Grol3mutter v~terlieher. seits sei eine exzentrische.Frau gewesen. Der Vater der Probandin, yon kleinem und rundliehem, nieht eigentlich fettdysplastischem tiabitus, war Potator, ebenfalls ein Bruder desselben. Die beiden F~Lllezeigen, dal3 z~ischen den fettsfichtigen Probanden nnd ihren fettsiichtigen schizophrenen Verwandten hinsichtlieh Verl~uf und Endzustand der Psychose und Verfettung keiner]ei Ubereinstimmung zu heiTschen brauch~. I-IX]r~'TERhingegen beschreibt einen Fall, in dem eine weitgehende Xorrelation der Krankheitsverl~iufe zweier fettdysplastischer Gesehwister mit Sehizophrenie vorliegt. Auffallend war die ~bereinstimmung in Beginn, Verlauf und Endznstand der Psychose. Beim Bruder der Probandin kam es hingegen nut vorfibergehend zur Verfet~tung.
Zusammen/assung und Schlu/3/olgeru'ngen. Unsere eigenen Untersuchungen betreffen 12 fettdysplastische Schizophrene aus der Klinik BurghSlzli und ihre Eltern und Gesehwister. Auf deren Beschreibung wurde im einzelnen verzichtet, da die Untersuchung in derselben Art erfolgte, wie bei den Parallelarbeiten unserer Klinik zur Frage der Zusamnlenh~nge zwischen endokrinen und losychischen StSrungen, sowie der Arbeit yon I-IAFFT]~I~ fiber fettdysplastische Sehizo]ohrene. Ziel unserer Untersuehungen war, unsere Befunde mit den bisher naeh den gleichen Methoden erhobenen u HAFFTEI~, [EDITH OTTSc~IAII~ und u zusammenfassend statistisch zu verarbeiten. Unser auf diese Weise gewonnenes ]3eobaehtungsgut umfafit 40 Probanden, die gleichzeitig sehizophren und fettdysplastisch sind und deren 219 Eltern, Geschwister und Kinder.
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G~o~ COND~V:
Der besseren Vergleichbarkeit wegen gruppieren wit die Ergebnisse im folge'nden in der gleichen Reihenfolge wie ~IAI~FTEt~ 8~n glib5 dreim~l kleinerem Kr~nkengut und stel]en gleichzeitig Vergleiche mit seinen Befunden an: l. Die fettdysplastischen Schizophrenen unseres Beobachtungsgutes verlaufen im Durchschnitt h~ufiger einfSrmig und schwer und seltener wellenfSrmig und guturtig a]s das Gros der Schizophrenien. (Dieser Befund ]iegt in der Richtung der Feststellungen tt~FTERs, doch l~I~t er sich am grSl~eren Beobachtungsgut nicht mehr derart ausschlie$1ich formu]ieren wie an HAFFT]~S kleinerem Krankengut.) Die dementen und schwerdefekten Endzust~nde der fettdysplastischen Schizophrenen zeichnen'sich oft durch eine stumpfe Gutmiltigkeit und weitgehencl erhal~ene affektive Rapportf~higkeit gegeniiber den Endzust~nden anderer Schizophrener aus. I)iese Feststellung gilt freilich bei weitem nicht fiir alle fettdysplastischen Schizophrenen. (Sie entspricht ttAFrT]~Rs Befunden.) Der Beginn der Schizophrenie verteilt" sich bei fettdysplastischen Schizophrenen in g]eicher Weise auf die verschiedenen Lebensalter wie bei Schizophrenen im a]]gemeinen. (War sch0n nach }tAFFTER ZU vertauten.) Unsere fettdysplastischen Schizophrenen sind mit Schizophrenie und schizoider Psychopathie zusammengerechnet deutlich weniger belastet als die Schizophrenen im ~llgemeinen, wenn auch noch viel mehr ~ls die DurohschnittsbevSlkerung. (Entslorechend I-IAFFTERs Befunden.) Die yon I-IAFFTE~ vermutete polym0rphe Bel~stung fcttdysplastischer Schizophrener ]~l~t sich am grSBeren Beob~chtungsgutimmer noch nicht beweisen, wenn auch nicht ausschliel~en. Unter unseren" fettdyspl~stischen Schizophrenen kommen mehr prapsychotisoh Un~uff~llige und weniger pr~psychotisch Auff~llige und Psychopathische vor ~]s beim Gros Schizophrener. (Konnte ~n I-IAFFT]~S Beobachtungsgut nich~ nachgewiesen werden.) 2. Fettsucht einerseits, Schizophrenie und schizoide Psychop~thie " andererseits treten zw~r f~mili~r uuf, sind ~ber in den l%milien vSllig unabh~ngig voneinander. Sie kombinieren sich nicht mehr Ms dem Zuf~ll entsprioht. Ebensowenig besteht eine sichtbare zeitliche Bindung zwischen dem Verl~uf der Schizophrenie und der Fettsucht. (Beide Feststellungen entsprechen denjenigen I-I~FFTE~ZS.) Uberb]icken wir unsere Befunde und suchen wit daraus Vermutungen ~uf die inneren Zusammenh~nge zwischen Fettclysplasie und Schizophrenie abzuleiten, so stol~en wir ~uf Schwierigkeiten: einerseits unterscheiden sich die fettdyspl~stischen Schizophrenen
Untersuchungen z~ischen Psychopathologieund Endokrinologie.
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durch Verlauf, Endzustand, pr~psychotischen Charakter und psychopathische fami]i~tre Belastung yore Gros der Schizophrenen; andererseits abet erweisen sich Fettdysplasie und Schizophrenie in ihrem Verlauf unabhgngig voneinander und zeigen in den Familien der Probanden keine Korrelation. Das scheint vorerst ein Widerspruch. Die Sachverhulte wgren genetisch ~iberaus einfach zu deuten, wenn die Schizophrenien bei Fettdysplasie sieh klinisch und konstitutionsunalytisch vom Gros der Sehizophrenien abhSben und gleiehzeitig eine familiare Korrelation zwisehen Fettdysplusie und Schizophrenie zu linden were. Dann k5nnte man vermuten, einer biologisch teilweise selbst~ndigen, besonderen Form yon endokriner Erkrankung mit psyehischen Fotgewirkungen uuf die Spur gekommen zu sein. Ebenso einfach wgre die Deutung, wenn die Schizophrenien bei Fettdysplastischen k]inisch nnd konstitutionsanalytisch gleich w~iren wie das Gros der Sehizophrenien und sich keine familigre Korrelation zwischen Schizophrenie und Fettdysplasie nachweisen lieBe. Dann miiBte man einfach annehmen, dab Fettdysplasie und Sehizophrenie eine rein zufgllige Kombination darstellen und keine inneren Beziehungen zueinunder aufweisen. Es gibt eine groBe Zahl von MSgliehkeiten, die den scheinbaren Widerspruch kl~tren kSnnten. V0r allem muB man daran denlCen, dab tiiekisehe Auslesewirkungen biologisehe Eigenheitent~uschend nachEffen kSnnen. Denken wir daran, dab die Verfettung Sehizophrener und Gesunder im allgemeinen in einem sp~teren Lebensa]ter erfolgt. Unter den Kranken, die als Probanden ausgelesen werden, weft sie gleiehzeitig fett und schizophren sind, werden sich also ~ltere Anstal~sinsassen hgufen. Unter den ~lteren Anstaltsinsassen befindet sich ein groBer Tell, der in der Anstalt alt geworden ist, weft er besonders schwere EndzustEnde zeigt. KSnnte diese Auslesewirkung den besonders schweren Verlanf der Psyehose bei Fettdysplastisehen erkl~ren ? Zu sehwierig zu deutenden und auf den ersten Bliek widerspreehenden Ergebnissen miiBten wit auch kommen, wenn in der Gesamtgruppe der fettdysplastischen Schizophrenen biologiseh verschiedenwertige Krankheitsgrnppen versteekt w~ren. Dies w~re sehr wohl mSglich. Vielleicht sind Fettdysplasien, die in jungen Jahren bei Schizophrenen auftreten, biologisch anders zu werten als die sp~ten Verfettungen. Vielleieht ist die Verfettung bei pykniseher Konstitution bei Schizophrenen biologisch etwas anderes als die Verfettung bei allerlei Kiimmerkonstitutionen usw. Endlieh waren nnsere Ergebnisse auch mSglich, wenn sieh Fettdysplasie und Schizophrenie zwar nur nach Zufallswirkung kombinierten, abet gegenseitig einen Einflul~ auf den Verlauf ausiibten. Arch, f. Psych. u. Zeitschr. l%ur. ]3d. 180.
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]~AVID ISIDOI% JACOBS:
Es hat keinen Sinn, heute schon das Fiir und Wider dieser und anderer solcher MSgliehkeiten,gegeneinander abzuw/~gen. Wir miissen uns eingestehen, dab sich diese Fragen anhand des dargestellten Beobachtungsgutes und anhand unserer heutigen Kenntnisse im ganzen noch nicht 15sen lassen. Zn ihrer LSsung - - die freilich yon ganz aullerordentlicher Bedeutung w'~re - - braucht es eine Vermehrung des Beobachtungsgutes, das unter mSglichst vielseitigen Gesichtspunkten zu sammeln sein wird.
VI. Infantilismus. 1. Kasuistik: Weitere infantil stigmatisierte Schizophrene und ihre Verwandten. Von DAVID ISlDOR JACOBS, Amsterdam. In den meisten ])arstellungen der Schizophrenien wird erwiihnt, dM~ sich neben anderen dysplastischen Kiimmefformen bei Schizolohrenen auch Infantilismus finder. Ob das Vorkommen yon Infantilismus bei Schizophrenen h~ufiger ist als bei Nichtschizophrenen, li~Bt sich freilieh kaum entscheiden; der Begriff des Infantilismus ist so unbestimmt, dab sich seine H~ufigkeit nicht z a h l e n m ~ i g genau erfassen l ~ t . Trotzdem bietet die Kl~rung der Zusammenhi~nge zwischen Infantilismus und Sehizophrenie ein nach LSsung dr~ingendes klinisches Problem. Wie beeinfluSt der Infantilismus die sehizophrene Psyehose in ihrem Zustandsbild und ihrer Verlaufsform ? Haben die Psychose u n d der Inf/mtilismus irgend eine genetische Beziehung oder handelt es sieh um zuf~llige Kombinationen ? ])as Ziel dieser Arbeit kann nieht in der endgfiltigen LSsung dieser Fragen liegen, welehe au8erordentlich schwierig zu beurteilen sind. Vielmehr liegt der Zweck meiner Untersuchungen einzig darin, einen ganz kleinen Baustein zur Kasuistik beizutragen, an H a n d weleher spiiter endgfiltige Schlul~fo]gerungen fiber die Beziehungen zwischen Infantilismus und Psyehose gezogen werden k6nnen. Vor kurzem hat DORIS BARICK an unserer Klinik zum Problem an Hand der Untersuchung yon 3 Familien Stellung genommen. Sie erfaBte'41 Verwandte ihrer 3 infantilen Schizophrenen. In ihren 1%milien ergab sich keine Korrelation zwischen Schizophrenie und Infantilismus; ebenso fehlte ein zeitlicher Zusammenhang im Verlauf der infantilen Wesensztige nnd der Psyehose. ])agegen land sich eine konstitutionelle Beziehung zum Schwachsinn. ])efinitive Sehliisse konnten aber aus ihrem Material noeh nicht erhoben werden. Es gilt deshalb, das Untersuchungsgut nach denselben Gesichtspunkten z~ vermehren.
Untersuchungen zwischen Psychopathologie und Endokrillologie.
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Die Sehwierigkeit der. M a t e r i a l s a m m l u n g liegt darin, dal3 sich der I n f a n t i l i s m u s o b j e k t i v ~ u ~ e r s t sehwierig erfassen lgBt. R e i n eindrucksgemifl~ h a t m a n bei vielen P a t i e n t e n d e n b e s t i m m t e n E i n d r u e k des I n fantilistischen. Die o b j e k t i v e n Merkmale des I n f a n t i l i s m u s aber sind e n t w e d e r v i e l d e u t i g (wie kSrper]iche K l e i n h e i t , Menstrua~ionsstSrungen) oder q u a n t i t a t i v schwer zu erfassen a n d s u b j e k t i v e m E r m e s s e n allzusehr u n t e r w o r f e n (wie i n f a n t i l e Gesichtsziige, i n f a n t i l e F e t t v e r t e i l u n g usw.). Aul~erdem ist der I n f a n t i l i s m u s s t a r k e n zeitliehen Schwank u n g e n u n t e r w o r f e n u n 4 k a n n sich n o c h im Laufe des E r w a e h s e n e n alters w e i t g e h e n d zurfickbilden. K a t a m n e s t i s e h l~13t sich sein Vorlieger~ d e s h a l b oft schwer b e u r t e i l e n . Diese u n d a n d e r e Schwierigkeitea !assen sich n u t i i b e r w i n d e n , w e n n das 12ntersuehungsraateriat y o n F a l l zu F a l l n a e h bester M6glichkeit g e s a m m e l t wird. Gerade die Lfickenh~.ftigkeit der einze]nen U n t e r s u e h n n g s b e f n n d e m a e h t eine gro6e n n d vielseitige K a s u i s t i k notwendig.
Die 1)robandin Beatrice Beaulieu und ihre Familie. Probandiu Beatrice Beaulieu. Lebensge~chichte bib zur Erkra~kung. Die im Jahre 1919 geborene Probandin ist im Elternhaus aufgewaehsen. Die Primarsehule besnchte sic als mhl~ige bis gate Schfilerin; die Sekundarsehule bereitete ihr einige Schwierigkeiten, besonders in den F~ehern Geschichte and Geographic, jedoch ist sie nie sitzen geb]ieben. Nach den Angaben der Mutter war sic als Kind frShlich, sogar fibernatfirlich hstig, vet allem wenn Besueh kam. Sie selbst sagt, sie babe schon als Kind alles schwer genommen. Besondere erzieherisehe Sehwierigkeiten machte sie keine. Naeh der Sehu]e blieb die Probandin 2 Jahre zu I~ause, arbeitete im Haushalt und besuehte Fort]~ildungs- und Haushaltungskurse: Sie erschien zu jener Zei~ sehr entschlu~unf~hig, wul~te nieht, was sic beruflich wollte. Sie war unselbst5ndig im Arbeiten; man mu~te sie dazu anhalten. Schon damals klagte sie, sie werde in der Schule mfide. Der Versueh mit einer leichten Stelle in einer Fabrik scheiterte wegen Schwgche und Mfidigkeit; itierauf verlieB sie das Elternhaus, we es auch mit den Eltern zu Reibereien gekommen war. Wie die Mutter angibt, War sie sehr empfind]ich und erregte sieh wegen Kleinigkeiten his zum Zittern. In den folgenden Jahren arbeitete Beatrice B. als Dienstm~dehen, wechselte aber bestSndig die Stellen. Als sie im Alter yon 20--24 Jahreal vorfibergehend zu Hause war, begann die Mutt,er an ihrer geistigen Gesundheit zu zweifeln. ]~s kam vet, daI~ sie ihr grundlos die Kartoffeln aus den ttSnden schlug octet einfach im Bert liegen blieb, ohne zu arbeiten. Sie hatte auek Wntanf~lle und schhg dabei die Tfiren zu. Nur einmal - - im Alter yon 22 Jahren - - hatte die Probandin ein Verh~ltnis mit el_nero Bursehen. Es kam vereinzelte Male zu sexuel]en Beziehangea, bei denen sie normal empfand. D~s Verh~ltnis 16ste sieh wegen Differenzen fiber Bagatellen. Sonst war sie solid; die Mutter staun~e, wie friih sie ins Bert ging. Verla~t] der P~ychose. Im Alter yon 24 Jahren war die erste Anstaltsaufnahme no~wendig. Die Probandin hatte zu Hause best~ndig so~derbare Klagen vorgebracht (eigenartiges Gefiibl im Kopf, fibertriebenes Bedfirfnis nach Ruhe) und 28*
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DAVID ISIDOR JACOBS:
deshalb nicht mehr gearbeitet. Dazu war sie manchmal grob gegen die AngehSrigen, schlug die Tfiren zu usw. Bei der Unterscchung wirkte sie damals unruhig und lappisch, lachte wegen Kleinigkeiten, auch ganz inadaquat, und war stark stimmungslabil. Sie klagte fiber eine innere Zerrissenheit; es wohnten zwei Seelen in ihrer Brust; ,,ich habe immer gemischte Geffihle, ich bin so lebencIig rod". Sie empfand auch den Zwang, best~ndig fiber ihre (einzige) Liebsehaft nachzudenken, die damals bereits 4 Jahre zurficklag. Sie entwickelte Beziehungsideen dem friiheren Geliebten gegeniiber: ,,Der Kerl hat reich so angesehaut... - grauenhaft. Er hat einen gro6en Geist, er hat HSlleI~gewalt. Sein Geist iiberragt den ganzen K5rper. Der Mensch ist nar Geist. Manchmal bin ich froh, dal3 ich yon diesem Unikum abgekommen bin." Sie glaubte auch, er wfirde sie beeinflussen und sie durch BeeinflussungentSten. Ihre Griibe]sucht fiber den Geliebten betrachtete sie selbst als krankhaft. Sie zeigte keinerlel Ausdauer, vernachl~ssigte ihre Kleidung und woll~e nieht a r b e i t e n . Seither hat sich der psychisehe Zustand der Probandin im wesentliehen nicht ge~ndert. Eine Insulinkur brachte keinen Erfolg. Die Probandin wurde wiederholt versuchsweise wieder entlassen, mul3te abet .insgesamt 6real wLeder in Anstalten aufgenommen werden, so dab sie seit beinahe 4 Jahren den gr61~eren Tell derZeitinAnstaltenverbrachthat. Aul3erhalb derAnstaltenmachtesie Schwierigkeiten durch ihre Upstetheit. Sie wollte nie jene Arbeit ausfiihren, die sie sich selbst gew~Mt hatte, so dal3 sie praktisch nichts tat und nichts verdiente. Sie klagte bestandig unanschaulich aber heftig fiber gesundheitliche StSrungen, ohne dal3 m a n sieh fiber die Art dieser StSrungen ein Bild machen konnte. Sie land fiberall, dal3 sie schlecht behandelt und geplagt werde und ffihrte ihr Versagen auf a]It~gliche Reibereien zurfick. Wiederholt beschuldigte sie in vager Art auch M~rmer sexueller Anzfiglichkeiten, ohne dal3 sich ihre Klagen fal3bar machen liel3en. An einem Pflegeort, in dem zuf~llig Truppen einquartiert waren, haste sie das Geffihl, sie sei in ,,etwas wie einem Harem" und man kSnnte sie mit schlechten AbsichLen gerade dorthin plaziert haben. Jetziger psychischer Status. Die Probandin wirkt schon eindrucksm~ig dureh ihre verschrobene und kindische Motorik und ihr l~ppisehes, teilnahmsloses Lachen a]s geisteskrank. Sie neigt dazu, ihren Kopf auf die Seite zu schlagen, das Gesieht mit den Handen zu verdecken, sonderbar zu zwinkern und f[ach oben zu seh~n und geht oft gebfickt und sehief. Irgend ein verstiindlicher Affekt ist bei ihr kaum wachzurufen. En~weder ist das Gesieht maskenhaft gleiehgfiltig oder dann lacht sie merkwfirdig ausdruckslos und oft laut. Dieses Gel~chter taucht auch bei Gesp~chsthemen immer wieder auf, die ffir den gesund Ffihlenden nichts an sich haben, das zum Lachen reizen k6nnte. Nut auf ganz ~uBerliche und einfache Fragen bekommt man normale Antworten yon der Probandin. Ein ilie]3endes Gespr~ch kommt mit ihr nieht in Gang. Sie driickt sich oft unk]ar und verschroben aus. Auffallend ist auch, wie sie sich immer wieder grob widerspricht. So z. B. antwortet sie auf die Frage, woher die Limmat komme; die durch ihren unterhalb des Zfirichsees liegenden Wohnort flieBt, die Limmat fliei3e in den Zfirichsee. Oder: Der Rhein komme yon der Quelle und dann fliel3e er ins Meer; zuletzt werde ein See daraus. Die Patientin hat den Eindruck, dai3 sich ihr best~ndig Gedanken fiber die Vergangenheit aufdrangen und da~l sie sich dieser Gedanken nicht erwehren kSnne. Es gingen yon Gedanken Einflfisse auf sie aus, die sie an einer normalen T~tigkeit hindern. Sie sei aueh fiberempfindsam und ertrage die Mi~gunst anderer Menschen, die sie best~ndig fiihle~ nicht. Bei diesen und ~hnlichen Klagen tritt die groteske Neigung an den Tag, zuerst etwas zu behaupten, nachher das Gegentell zu sagen und auf Vorhalte hin den Gegensatz mit einer ganz unlogischen
Untersuehungen zwisehen Psyehcpathologie und Endokrinologie.
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Begriffsverschiebung zu iiberbriicken. Zum Beispie] behauptete sie selbst, sie leide unter ihrer Krankheit. Im selben Atemzug aber gibt sie an, sich nieht krank zu fiihlen. Auf den Gegensatz aufmerksam gemaeht, wollte sie ihn wie folgt ,,erkl~ren": ,,Ich bin so in einer Unruhe, ieh bin immer an einem anderen err, dem kann man auch krank sagen." Auger dem Gedankendr~tngen, den yagen Beeinflussungs- und Verfolgungsgeffihlen sind bei der Probandin keine deutlichen halluzinatorischen und wahnhaften Erlebnisse festzustellen. Auf der Abteilung macht sie durch ihren Autismus grebe Schwierigkeiten. Sie hat immer einen ]achend vorgebrachten, sonderbaren, kaum verst~tndliehen Grund, um nicht zu arbeiten oder sich zu beklagen. Oft (offensichtlich aus einem Beeinflussungswahnheraus) ist sie pl5tzlich gereizt mid streitsfichtig. Dann wieder ~ngert sie unvermittelte, sonderbar begrtindete Einf~lle (z. B. erkl~irte sie einmal plStzlich, sie miisse jetzt ins Ausland reisen, well sie schon 27 Jahre alt sei). Im ganzen findet sie die Anstaltspflege in Ordnung und stellt sieh zn neuen Entlassungsversuchen negativ ein. Sie hat bestandig das Bedfirfnis, sieb auszuspreehen und sieh mit Leuten zu umgeben, die sie st~fitzen. Sie sagt selbst, sie k6nne nur kleinere Arbeiten selber verrichten. Sie leide unter der zu ]eichten BeeinfluBbarkeit in jeder Hinsicht, ebenso wie unter Unsicherheitsgefiihlen und darunter, dag sie selbst nicht wisse, was sie eigentlich wolle. - - Die mnestischen Funktionen sind normal und die Probandin zeigt auch eine normale durchsehnittliche Intelligenz. K6rperliche Entwiclclung. Als Kind entwiekelte sich die Probandin versp~tet. ; bis zum 8. Monat hatte sie Ve~d~uungsbeschwerden und blieb im Gewicht zuriiek. Erste Zs mit 1 Jahr, Gehen mit 14 Monaten, Spreehen zu gleieher Zeit. Bisher hat sie keine schweren kSrperliehen Kmnkheiten durchgemaeht. Die Men~rche trat im 14. Jahr ein. Die Menses sind regelmggig, yon normaler Dauer lind St~irke, wenn aueh manchmal mit starken Bauehkr~mpfen verbunden. K6rperlicher Be]und. Beatrice B. wirkt auf den ersten Brick iufantil, man wfirdesie5--10 Jahre jiinger sch~tzen. Derinfantile Eindruekist vorerst bedingt dureh die geringe K6rpergr6ge (159 era) ; Gesieht und H~nde sind wenig moduliert und kindlieh. Vor allem ergibt sieh aber der Infantilismus aus der Motorik, der Art zu ls verschgmt den Kopf einzuziehen und zurtiekzuwerfen, aus dem sehlenkernden, ausfahrenden, kindlieh-patsehigen Gehen und Laufen. Aueh die Stimme ist deutlieh infantil. Werm aueh die Fettverteilung feminin ist, so ist im gesamten die K6rperform doeh reeht undifferenziert. KSrperbehaarung normal feminin. Briiste mittel entwiekelt. Genitalien o.B. Uterus eher klein, retroflektiert. Kein krankhafter Organbefund. Vater der Probandin, William B., 66js normale Alltagssehulbildung und tlandwerkerlehre. Mit20 JahrenvonzuItauseweggelaufen. Arbeiteteseinganzes Leben lang stetig, meist langjghrig in Fabriken. Tiiehtiger, fleigiger Arbeiter, seit 2 J~hren pensioniert. Char~kterlich vSllig unanff~illig. Wirkt im Gesprs ruhig, gesetzt, verst~ndig. K6rperlieh nieht infantil, 168 em hoeh, o~stheniseh. Mgnnliehe Gesiehtszfige, ms H/inde, tiefe mgnnliehe Stimme, m/innliehe Behaarung. Mutter der Probandin, Charlotte Bi, 66j~hrig, normale Alltagsschulbildung, nie sitzen geblieben. Naeh der Sehule Haush~ltarbeiten, Heirat mit 29 Jahren. Gute. Hausfrau, zeigt aber im Charakter deutlieh infantile Ziige: Beeinflugbarkeit dureh andere, braueht Leute, um sieh auszusprechen, verliert bei Sehwierigkeiten raseh den Mut, erregbs~r, kann aufhrausen, naehher reut es sie wieder. Gutmfitig, leieht verstimmbar. In traurigen Verstimmungen Geffihl, sie kSnne nieht mehr denken. (Solehe traurigen Verstimmungen kommen im Jahr einoder zweimal vor und dauern einige Woehen, jedoeh karm s~:e dabei welter
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arbeiten.) ~Tirkt trotz ihres Alters bei der Unteisuchung ausgesproehen kindlich: iibertrieben lebbaft und vorlaut, hat einen immer zu unterbrechen und etwas anderes zu fragen. Hastig und erregbar. Sehr beeinfluBbar, iiberberelt ,,ja, ja natiirlieh" Zu sagen. - - KSrperlieh: Zwergwuchs, 144 cm hoch, mager und blaB. Mit 23 Jahren operiert wegen kindskopfgroBer, diiimwandiger Ovarialeyste reehts. Dabei wurde festgestellt, dab der Uterus klein und nach links verlagert sei. Im ~ibrigen warde darnels kein kSrperlieher Befund yon Belang erhoben. Sie gab an, dab die Menarche mit 16 Jahren erfolgt, dab die Periode unregelmaBig 4---6wSchentlich und der Blutabgang sehr gering gewesen sei. - Trotz grauer Haare und Furchen im Gesieht sieht das Gesieht noch merkwiirdig jugendlich aus. Kleine Kinderhgnde. Eckige, hastige Motorik wie ein Kind. Hohe Kinderstimme. Gesehwister der Probandin. 1. Ottilie, gebl 1910. Als Kind etwas einsam und unlustig. Primer- und Sekundarschulbildung, mittlere Schiilerm. Bett~ssen bis zum 20. Jahr. Bis zum 23. Jahr in Fabriken und ttaushMtung Stellen oft gewechselt, fiihlte sich schwgchlich. Keine Beziehungen mit Burschen, bevor sie den sp~teren Mann kennen lernte. Heirat mit 23 Jahren. Mann Potator, verlor deshalb bald seinen Hof. Im gleichen Jatir Eklampsie und Totgeburt. Zwei Jahre sp~iter hintereinander in zwei psyehiatrischen Anstalten wegen Angst, Aufregling, 8elbstmorddrohungen, Schlaflosigkeit. Die Diagnose der ersten Ansta]t lautete: ,,Angsthysterie bei einer Infantilen". Freilieh ergab sieh aueh Verdacht ~uf eine ttebephrenie. Es heiBt z. B. in der Krankengeschichte: ,,Benimmt sich liippiseh, manisch, sehwatzt allerlei blSdes Zeug und fallt der Arztin um den Hals, oft stSrend laut." In der zweiten Anstalt traten deutliehe psychotisehe Symptome hinzu: sie halluzinierte Musik und zeigte die Wahnidee, der Mann wolle sie vergiften. Die Diagnose lautete nun auf eine Hebephrenie. I n den naehsten Jahren bald beim Mann, bald bei den Eltern, immer labil, erregbar, Sehwaehegefiihle. Mit 29 Jahcen erneut psychiatrische Anstaltsbeh~ndlung. Jetzt waren keine psyehotischen Zeichen mehr nachweisbar, die Patientin wirkte abet verbittert und passiv. Kein Sehwachsinn aber geringe Intelligenz. Vier Jahre sp~iter mit 33 Jahren erneut in einer weiteren psychiatrischen Anstalt. Im Vordergrund standen darnels neurasf~henische Klagen. Die Diagnose ]autete: ,,Infantile Psychopathin mit hysterischen Ziigen, starker Verdacht auf Hebephrenie." Seither wieder zu Hause, zeitweise erregt, aufbrausend und sehwernehmeriseh. Ubertriebenes Ausspraehsbediirfnis, hat Angst unter die Leute zu gehen. Mutlosigkeit nach teichten Riicksehli~gen. Bei der Untersuehung macht sie einen unruhigen, nelvSsen Eindluck, spielt fortwahrend mit den tIanden nnd macht andere unruhige Bewegungen. Verangstigter Blick. Affektiv undurchdringlieh und verschroben. Normale Intel!igenz. Nach Angaben der Mutter giinstige frfihzeitige kindliehe Entwicklung. Spraeh und ging schon vor dem ers~n Jahr. Erste Z~ihne mit 9 Monaten. Menarche mit 16 Jahren. - - KSrperlich: 161 em groB, maeht leieht infantilen Eindruek. Dem ganzen KSrperbau naeh sehon !eieht infantih wenig weibliche Formen, mehr undifferenzierter, kindlieher KSrperbau. In der Mb~orik ~hnlich wie die Probandin ausgesproehen infantil, eekig. Stimme nicht infantil. Briiste normal entwickelt. - - K i n d e r : Ein 12ji~hriges Mgdchen, normale Entwicklung, mittelmal~ige Schfilerin. Ein 5jahriger Knabe, normale Entwick!ung, aber noeh heute Bettn~sser. Zwei Totgeburten. 2. Herald, geb. 1911. In Kindheit normale Entwiekhmg, eher zuriiekgezogen. Primer- und Sekundarsehulbildung ohne Schwierigkeiten. Eine kaufm~nnisehe Lehre verlieI~ er rasch wieder I machte abet dann eine Handwerkerlehre durch. Arbeitete dann als Modellsehreiner. Psyehische Erkrankung mit 23 Jahren:
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setzte die Arbeit aus, Gefilhl, er sei iibrig, man necke ihn; manipulierte gef~hrlieh mit den Maschinen seines Be~riebes, griffMitarbeiter an, onanierte halbSffentlich, wurde schliel~lich im Betrieb entlassen. Auch zn Hause wurde er gegen die Eltern grob und bel~stigte aus wahnhaften Grilnden Fremde. Er kam in eine Anstalt, wo er deutlich zerfahrene Briefe schrieb. Periodische Erregungen. Die Diagnose lautete auf Hebephrenie. Seit nunmehr 12 Jahren auSerhalb der Anstalt, arbeit~et aber nur noch in untergeordneten Stellungen. •ach Angaben der Eltern hat er ,,Defekte": hat Erregungszust~nde, dann wieder ist er gesehlagen. ~uSerlich f~llt er durch seine nervSse, rasche und schwerverst~ndliche Art zu sprechen auf, zeigt abet keine Symptome mehr, welche die friihere Psychose erkennen lie~en. - KSrperlich: 167 em groin, kr~ftig, macht keinen infantilen Eindruck. M~nnliche Stimme. M~nnliche Behaarung. Gro~e, krMtige H~nde. Als Kind kSrperlich der st~rkste der Geschwister. Mit 14 Monaten Gehen, mit 18 Monaten Sprechen. Erste Z~hne mit etwa 1 Jahr. 3. Arnold, geb. 1914. Normale kindliche Entwicklung. Besuehte ohne sitzen zu bleiben Primar- und Sekundarschule, lustiges aufgesch]ossenes Kind. Naeh der Schule Ausl~ufer, dann Schreinerlehre. Knrz darnaeh eigenes Geseh~ft gegriindet, das er seither erfolgreieh betreibt. 1946 verheiratet. Geordnete Ehe. - - Wird charakterlich als erregbar und j~hzornig geschildert, ~ber in normalem Rahmen. Sehr flefl]ig und tiichtig, kommt mit Umgebung gut aus. - - Bei der psychischen Untersuehnng ruhig, geordnet, intelligent~ unauff~llig. - - KSrperlich: 170cm gro~, keine infantilen Merkm~le. Wirk~ sieher, m~nnlich. KSrper]ieh krs Milit~risch wegen Augenunfall beim Hilfsdienst. - - Schon mit 41/2 ~onaten erste Z~hne (sic), Gehen mit 1 Jahr, ebenso Spreehen. 4. A1]red, geb. 1917. Normale kindliche Entwieklung. Als Kind unauff~llig, guter Schiller, Sekundarschule absolviert, sparer Lehre als Sehriftsetzer, seither stgndig als Schriftsetzer gearbeitet. Lebt seit 4 Jahren in geordneter Ehe. Charakterlich gilt er als arbeitsam, hilfsbereit, gutmiltig. Er ist recht sehwernehmerisch, abet nicht in einem krankhaften Grade. Nach der Mutter ist er ,,irmerlieh nervSs". Er geht yon andern sofort fort, wenn er an einer Kleinigkeit Anstol~ nimmt. Der Bericht seines Truppenarztes lautet weniger gfinstig: Er habe eine hypochondrisehe Einstellung gezeigt, babe die soldatische H~rte vermissen lassen und sei ein miihsamer, bestandiger Krankenzimmerg~nger gewesen. Aul]erdem sei er ilbererregbar. - - Bei Bespreehung aufgeschlossen, unauff~llig. - KSrperlich- 171 cm grolt, astheniseh. Naeh den Gesichtszilgen zu urteilen, ware er etwas jilnger als seinem Alter entspreehend. Zeigt im fibrigen aber keine infantilen Zfige. - - Zwei Kinder: Ein 3j~hriges Madehen, normal, ein lj~hriger Knabe, normal. Groflvater viiterlieherseits der Probandin. Richard B., 1845--1920. Kam schon in der Schule kaum naeh, galt ~uch sparer alsbeschr~nkt~ war Analphabet: Er arbeitete in einer Fabrik als TSpfer, aber nur in untergeordneter Stellung bei ungenilgendem Verdienst. Erregbar, aufbrausend, eigensinnig trod sehr egoistiseh. Dem Sehicks~l der AngehSrigen gegenilber gleiehgilltig. - - KSrperlich war er offenbar infantil, erreiehte 150 em nieht, galt als schw~chlich und sol] wegen seiner kSrperlichen Zartheit yore Milit~rdienst befreit worden sein. Sah immer jfinger aus, als dem Alter entsprach, ttatte hohe Kinderstimme, die Leute sagten, sie h6rten ihn gerne reden. Groflmutter viiterlicherseits der Probandin. Christine B., 1852-- 1916. War in der Sehnle gut, sparer als Dienstm~dehen gearbeitet. War in bezug auf Intelligenz und Tilchtigkeit ihrem Manne ilberlegen. Besorgte neben dem Haushalt noch eine Landwirtschaft. Gutmiltig, fr5hlich, selbst~ndig. Erst nach den 50er Jahren erschien sie abgeplagt, wurde kurzatmig und miBmutig. - - KSrperli ch klein (etwa 160 cm) und fest. Von infantilen Merkmalen nichts bek~nnt.
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Gesehwister des Vaters und deren Kinder. 1. Christine, geb, 1879. War eine gute Schfilerin. Wanderte mit 21 Jahren nach (Jbersee aus, heiratete dort und betrieb mit ihrem Mann effolgreich eine Farm. Gilt als tiichtige, energische Hausfrau, ausgeglichen, in jeder Beziehung unauff~llig, ruhig, die mit der Urngehung gut auskommt. - - KSrperlich: etwa 160 cm groin, korpulent. Den AngehSrigen sind keine infantilen Zilge in Erinnerung. - - Ein Kind s~arb aas unbekannter Ursache mit 1/2 Jahr. 2. V~ter der Proba~din. 3. Hans, geb. 1885. ~ersuchte in die Sekundarschule zu gehen; seine Intelligenz reichte jedoch nicht aus. I n der Primarschule war er ein mittlerer Schiller ge~wesen. Von Beruf I{afner. Seine Arbeit gilt als reeht. Tat Dienst als Soldat. - KSrper]ich gesund, etwa 165 cm groB, v0n zartem KSrperbau, nicht deutlieh infantil. - - Kinder: a) Max, geb. 1912. War ein guter, intelligenter Schiller. Ledig. Von Beruf Ve:r~aessungs~ecl~liker. - - KSrper]ich gesund, etwa 165 cm groB, keine infantilen ~ierkmale, keine endokrinen StSrungen. Psychiseh ~ollkommen normal, b) Walter, geb: 1914. War ebenfalls gut in der Schule. Ledig. Ist ein guter, tiichtiger Mechaniker. - - KSrperlich gesund, etwa 160 cm groin, keine infantilen Merkmale, keine endokrinen StSrungen. Psychisch vollkommen normal, c)Hed. w/g, geb. 1922. War in der Schule weniger gut. Ledig. Ist jetzt eine tiichtige Zu. schneiderin. - - KSrperlich gesnnd, GrSi~e etwa 165 cm. Keine infantilen ~[erkmale, keine endokrinen StSrungen. Menstruation normal. Psychisch vollkommen normal. 4. Mathilde, geb. 1893. Kam in der Schule eben noch nach, ist aber nich~ intelligent. Ging nach der Schule in die Fabrik. Frilh (1920) verwitwe~, h~lt sich seither fiir sich. Gilt als egoistisch und unbeliebt, leicht beeinflu]bar, arbeitete als Haush~lterin und Spetterin, wird aber als gleichgiiltig und langsam taxiert. Nach dem Tode des Mannes uneheliches Kind. - - KSrperlich etwa 160 em grol3, gesund, infantile Merkmale werden nicht beschrieben. - - Kinder: a) Gott/ried, geb. 1922. Mi~tlerer Schiller, G~rtner, will Missionar werden. Macht Mitit~rdienst. Psychisch unauff~llig. - - KSrperlich gesund, etwa 170 cm groin, keine auffallenden infantilen Merkmale. b) Hansrudi, geb. 1930. Psychisch unauff~llig, durchschnittliche GrSl~e. 5. Ernst, geb. 1899. Kam in der Schu!e ordentlich dilrch. Arbeitete nachher in Fabrik. Wanderte 19j~hrig nach ~bersee aus, dort Fabrikarbeiter. I n geordneter Ehe. Tiichtig, arbeitsliebend, gesellig, b e l i e b t . - KSrperlich mittelgrofl, etwa 170 era, eher zart. Keine deutlichen infantilen Merkmale bekannt. - drei Kinder, yon denen nichts bekannt ist. Schiller. Nachher in Fabrik gearbeitet, 6. Rudol], geb. i901. Mit~]mi~ltiger ~ ~ mit 19 Jahren hack Obersee ausgewandert, kam aber mit 29 Jahren arbeitslos zurilck. Seither Gelegenheitsarbeiter. Ledig, keine Kinder. N u r hilfsdienstpflichtig. Zuruckgezogen, mcht geselllg, elgensmnlg. KSrperlich klein and fest. Groflvater mi~ttertiche~'seits der Probandin. Karl M., 1847-1912. Mittlerer Schiller, sparer Landwirt, dann FSrster. Beliebt, gutmiitig, dienstfertig, arbeitSam, ~ilchtig und ruhig. Etwa vom 40. Jahr an Gemiitsdepressionen: ungef~hr zweimal im Jahr wahrend einiger Wochen depressiv, hat dann nieht gearbeitet, nicht gegessen, nicht geschlafen und sehr schleeht ~usgesehen. (Nie in Anstalt.) Im Laufe der Jahre Steigerung der Depressionen, bis er sich mit 64 Jahren in einer solchen erschofl. - - KSrperlieh war er diensttauglich und gesund, mittelgrol~, 168 cm groB, keine deuflichen infanVilen Merkmale, auch auf seiner Photographie nicht. Groflmutter mi~tterlieherseits der Probandin. Sophie M., 1847--1912. Normaler Alltagsschulgang. Nachher Dienstm/~dchen. War eine selbst/~ndige Schafferin,
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energisch und intelligent, als PersOnlichkcit starker als ihr Mann. Energiseh. Gut an die Umgebnng angepal3t, in jeder Beziehung unauff~llig. - - KSrperlich friiher gesund, im hOheren Alter viel I-Iusten, starb an ,,Lungenverschleimung". Etwa 155 em grol3, kleiner Kropf, hatte eine helle Kinderstimme, sah aber dem Alter entspreehend aus. Gescluwister der Mutter und deren Kinder. 1. Jalcob, gob. 1879. Guter Schiller, sehr gewissenhafter Schaffer, Biirochef. Als PersOnlichkeit ruhig, gleichm~13ig, pal3t sieh gut an, aufgeschlossen. - - KSrperlich mitte]gro• (165 era), normale Behaarung und normale m~nnliche Stimlne. Niehts Auff~lliges bekannt geworden. - - Verhciratet, 2 SShne a) Har~, geb. 1906. Sekundarsehulbildung, Werkmeister, verheiratet, nnauff~llJg. KSrperlich eher klein (160 cm), keine infantilen Merkmale, 3 gesunde Kinder. b) Robert, geb. 1908, Sekundarschulbildung, Buehhalter, verheiratet, unauff~llig. Eher klein (160 era), dick, keine infantilen Merkmale. 2. Hans, 1884--1945. Sekundarsehulbildung, guter Schiller, kaufm~nnische Lehre, arbeitete sieh zum Fabrikdirektor empor. War energisch, tilehtig, intelligent. Kam mit Umgebung gut aus, war beliebt, yon gleichm~l~iger Stimmung. K5rperlich gesund bis kurz vor dem Ted. Ted an Schrumpfniere. War grol~ und fcst, keine infantilen Merkmale. - - Verheiratet. Kinder: a) Paul 1913--1939, vollendete sein I-Iochschulstudium, war unauff~tlig, starb an einer Brustfellentzilndung, sonst kOrperlieh gesund, eher klein (162 cm), keine infantilen Merkmale bekannt, b) Margareta, geb. 1913 (Zwillingsschwester des Paul). AbgeschlosseneMittelsehulbildung, in geordnetenVerh~ltnissen verheiratet, psychisch .unauff~llig, tilchtig und intelligent. - - KSrperIich gesund, etwa 160 cm groJ3, keine infantilen Merkmale. c) Susanne, geb. 1915, Mittelschulbildung, geordnet verheiratet, psychisch nnauff~llig, kOrperlich gesund, etwa 160 em grol3, keine infantilen Merkmale. 3, Emma, 1885--1919. Primarschulbildlmg, gute Schillerin. Dalm in Fabrik, lebte in geordneter Ehe. Galt als tilchtige Hausfrau, energisch, intelligent und selbsti~ndig. Keine Depressionen. Wurde als eingebildet, als eine IIerrschernatur mit starkem I3berlegenheitsge~ilhl und als egoistiseh taxiert. - - KSrperlieh klein (155 cm grol3), starb an einem Uteruscareinom. Infantile Merkmale aus den Beschreibungen und vorliegender Photographie nich~ erkcnntlich. - - Kinder: a) Erwin, geb. 1909. Sekundarschulbildung, guter Schiller, gelernter Handwerker, geordnet verheiratet, unauff~llig. KSrperlieh gesund, 168cm grol3, keine infantilenMerkmale. Ein gesundes Kind. b) Oskar, geb. 1911. Sekundarsehulbildung, guter Schiller, jetzt Zeitungsredakteur, in geordneter Ehe. K5rperlich gesund, 170 cm groin, keine infantilen Merkmale. 4. Eduard, geb. ]889. Primarschulbildung, wmde FSrster, indeni er seinen Beruf in der Praxis erlernte. Tfichtig, energisch, arbeitsam. Immerhin wird er als nervSs und erregbar geschildert, jage sein Personal viel auf, schr gewissenhaft. KSrperlich gesund, etwa 160 cm groB, keine infantilen Merkmale bekannt. Verheiratet, i Kind: Rosa, geb. 1920. Sprachfehler. Milhe in Prhnarschule, gilt aber nicht als sehwachsinnig. KSrperlich schw~chlieh, 158 cm grol]. Weitere Verwandte der Probandin mi~tterlicherseits. Eine Kusine der Mlltter (Tochter der Sehwester der miltterlichen GroBmutter), 1872--1941. Lift seib 1905 an immer wiederkehrenden Schiiben manisch-depressiven Irreseins leichten Grades. Fast jeden Sommer hatte sic Depressionen. I)azwisehen aueh manische Episoden. Sie starb in einer Anstalt an Lungenembolie. ~ l e r ihren kSrperlichen Habitus ist in der Krankengeschichte leider niehts vermerkt. Eine Kusine der Probandin (Tochter einer Schwester der Mutter), die eventuell infantil sein dilrftc, verwcigerte cinen Besuch zur n~Lhelen Untersuchung.
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Zusarn men] assung. Probandin. 27jahrig. Pr~psyehotisch iiberempfindsam,, unselbst~ndig, unstet. Chronischer Beginn der Psychose im Alter yon 22--24 Jahren mit unberechenbarer Reizbarkeit, Hypochondrie, l~ppischem Wesen. Psyehose d~uert seither an, klassisehe, aber nur leichte Hebephrenie. K6rperlich stark inf~ntfl. Vater: k6rperlich und geistig unauff~llig. Mutter: kSrperlieb st~rk inf~ntil, geistigbeeinfluBbar, erregbar, verstimmbar, gutmiitig. Geschwister. Schwester, 36jiihrig. Pr•psychotisch einsam, unlustig, bis zum 20. Jahr Enuresis. Psychose subakut mit 25 Jahren unter dem Bride yon Angsthysterie begonnen~ bald deutlich hebephren. In den folgenden 11 Jahren mit geringen Schwankungen ein neurasthenisch-verschrobenes Zust~ndsbild ~nit zeitweisen deutlichen hebephrenen Zfigen. K6rperlich infantil. Bruder, 35j~hrig. Prapsychotisch unauffallig. Mit 23 Jahren akuter hebephrener Schub, seither Defektzustand. KSrperlich nieht infantil. Bruder, 32j~hrig. Geistig and k6rperlich unauff~llig. Bruder, 29j~hrig. Etwas schwernehmerisch und hypochondrisch. I~antile Zfige k6rperlich nur angedeutet. Vgterlicher Groflvater: geistig besehr~nkt, erregbar, eigensinnig. K6rperlich infant/]. Vdterlid~e Gro/3mutter: geistig und kSrperlich unauffgl]ig. Ge~chwister de8 Vaters. S'chwester: geistig und k6rperlich unauff~llig. Bruder: ebenso. Seine 3 erwachsenen Kinder ebenso. Schwester: geistig beschr/~nkt, beeinflul~bar, egoistisch, k6rperlich nicht infantiL Ihre 2 Kinder kSrpertich und geistig unauff/~llig. Bruder: k6rperlieh und geistig unauff~llig. Bruder: eigensinnig, ungesellig, k6rperlich unauffiillig. M~terlicher Groflvater: pr~psychotiseh unauffi~llig. Vom 40.~47. J~hr Depressionen. Suicid. K6rperlich unauff~llig. Mi~tterliche Groflmutter: geistig unauffallig, k6rperlich leicht inf~ntfl. Geschwister der Mutter. Bruder: k6rperlieh und geistig unauff~llig, seine 2 Kinder ebenso. Bruder: kSrperlich und geistig unauff~llig, seine 3 Kinder ebenso. Schwester: eingebildet, tyrannisch, kSrperlieh unauff~llig, ihre 2 Kinder unauffallig. Bruder: iibererregb~r, iibergewissenhaft, k6rperlich unaufffillig, 1 Kind intel]ektubllbesehr~nkt, Spraehfehler, vielleicht infafitil ? Eine Nichte der mi~tterlichen Grofimutter : munisch-depressiv. Die Probandin Gerda Schmid und ihre Familie. Die Probandin Gerdh Schmid. .Lebenslau/bis zur Erkrankung. Die 1912 geborene Patientin wttchs im E1ternhaus auf und besuchte yon dort aus die Primarschule. Als sie .12 Jahre alt War, starb die Mutter, worauf sie wegen einer Lungenl~rankheit 10 Monate lung in einem H6henkurort verweilen mul~te. Von dort aus wurde sie in geheiltem Zustande zu einer T~nte entlassen und absolvierte noch den Rest der Primarsehulzeit. Sie war eine mittelm~Bige Schiilerin und blieb aber nie sitzen. Nach der Schulentlassung war sie zunachst 4 ~l~hre lung als Dienstm~dehen t~tig~ Die folgenden 51/2 Jahre arbeitete sie in zwei Kinderheimen.
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Im Jahre 1936 15ste sieh eine im Jahr vorher eingegangene Verlobung auf. INachher nahm sie dann wieder Dienstm~dchei~stellen an, blieb abet hie mchr l~nger als 6 Monate an der gleichen Stelle. Oft mu~te ihr wegen ihrer Frechheit gekfindigt werden; oft hie!t sie es einfach nicht langer am selben Oft aus. Als Kind lift Gerda sehr unter dem Atkoholismus des Vaters. Da die Mutter gezwungen war, einem Erwerb nachzugehen, waren'die Probandin und ihr Bruder oft sich selbst fiberlassen. Gerda war sehr nervSs und konnte oft nicht schlafen, wobei die Angst vor dem Vater auch eine gewisse Ro!le spielte. Sie war sehr lebhaft, temperamentvoll, kam'mit der Umgebung gut aus, spielte gern mit anderen Kindern und war mcht schfichtern. Als junges M~dchen war sm eher ein wenig zuriickgezogen. Mit einem ehemaligen Schulkame#aden blieb sie st~ndig befreundet. Mit ihm kam es auch 1935 zur Verlobung. Der Freund habe sie zum Geschlechtsverkehr gezwungen, nachher sei sie ihm verleid'et gewesen, so dM~ das Verh~ltnis wieder auseinander ging. Diese AuflSsung der Verlobung setzte der Probandin sehr zu, so da~ sie yon da an eharakterlich ganz ver~ndert war. Sie wurde unstet in ihrer Arbeit, hSrte nicht mehr auf die Ratschl~ge des Bruders, wurde ihm und vor allem seiner Frau gegenfiber, auf die sie eifersfiehtig war, freeh, Sie schlol~ sich dann mit Leib und Seele einer Sekte an, deren Versammlungen sie w6chent]ich zweimM besuehte. Auch wollte sie andere Leute bekehren. Zweimal muJ]te sie ihr Bruder aus dem Hause weisen, well sie immer wieder versuchte, ihn und seine Frau auseinander zu bringen. Ihre ,,Religiosit~t" hinderte sie aber nicht daran, nun mit verschiedenen M~nnern, auch ~rerheirate~en, zu verkehren. Beginn und Ferlau] der Psychose. Nach einer Streitigkeit mit der Schw~,gerin, ungef~ihr mit 28 Jahren, ~uf~erte sie die Idee, vergiftet zu werden. Ihre damalige Aufregung legte sich aber im Laufe eines halben Tages wieder. Die Probandin befand sich bei der ersten Ansta]tsaufnahme mit 31 Jahren seit 4 Monaten an einer HausdienststeHe, an welcher sie vorerst nicht als krank aufgefMlen war, obwohl sie immer Mnen merkwiirdig starren, mi~trauischen Blick gehabt babe. Ihre Arbeit habe sie nicht gerade gut, im gro~en ganzen abet doch ncch befriedigend gemacht. Sie war immer wie abwesend; Mle ihre Arbeit muBte naehgesehen werden. Sie besuchte haufig die Sektenversammlungen und sang viele Kirchenlieder. Ihr Mi~trauen nahm dann kurze Zeit vor der Anstaltseinweisung zu, so dab sie ihr Zimmer absehlofL Nach einem Mittagessen mit Fischen behauptete sie, der Fisch habe einen merkwfirdigen Geschmack gehabt, es sei ihr schlecht geworden davon, er sei sicher vergiftet gewesen. Abends besehuldigte sie die Hatmfrau, die Kartoffeln vergiftet zu haben. Nachdem sie dann ruhig zu Bett gegangen war, ling sie nach 9 Uhr plStzlich an ]aut zu Schreien, ril3 die Fenster auf und machte Mnen gro]en L~rm. Sie klagte fiber Bauchweh, vertangte, da~ sofort ein Arz~ geholt werde und wollte yon einer fremden Wohnung aus einem solchen selbst telephonieren. Da Me auf keine Weise zu beruhigen war, mu~te sie am 16.1.43 mitten in der Nacht in unsere AnstMt eingewiesen werden. Bei der Aufnahme war sie ruhig, 6rt]ich, zeitlich und[ autopsychisch orientiert, wiederholte ~ber ihre Ve~giftungsideen. Tagsfiber stieg sie dann st~ndig aus dem Bert, lief zie!los im SaM herum, sang ununterbrochen das gleiche Lied, wirkte steif, ratlos, stuporSs mit deutlichen Sperrungen. In den folgenden Tagen war sie weiterhin sehr betriebsam, maniform, ein wenig l~ppisch. Auf denkbar ungeschickte und distanz]ose Art, indem ~ie ihnen yon ihren religiSsen Ideen sprach, wollte sie den anderen Patientinnen helfen. Mit der Pflegerin zusammen wollte sie wachen, damit den andern nichts passiere: Vor jedem Essen betete sie ein langes, selbstgemachtes Tischgebet. Auf das Gift, das sie anf~nglich in der Anstalt auch gespiirt habe, achte sie nicht mehr, seitdem sie wisse, dal~ sie in Gott
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geborgen sei und ihr das st/s Gift nichts mehr anhaben kOnne. Sie habe Gott hie reden gehSrt, aber sie habe plStzlich einmal einfach ein inneres Gefahl und die GewiBheit bekommen, dab es so sei, Seither sei sie gliicklich, kSnne immer singen und masse den anderen helfen. Die Mutter habe ihr einmal erz/~hlt, dab sie als kleines Kind einen giftigen Knochen gegessen habe, ohne dal3 es ihr etwas gemaeht habe. Das bedente, dab sie einen ganz besonderen Schutzengel habe. Sie selbst sei auch ein Schutzengel und dafiir da, um hier die anderen Kranken zu beschiitzen und za heilen. Ihre Mutter sei aueh bier, als Pflegerin. Dberhaupt habe sie bier viele alte Bekannte, zum Tell Leute, die schon lange gestorben seien, getroffen. Datum sei sie so sicher u n d frShlieh. Stimmen und fremde Gedanken verneinte sie; jedoch verspfire sie auBer dem Giftgesehmack auch noch im KSrper Ver~nderungen, ,,Wankungen", zusammen mit einem Sehw/~chegeffihl. Dberall sehe sie Dinge, die etwas Besonderes bedeuteten. Auf dem Bild einer Landschaft 1hit einem Teich and wolkigem Himmel z. B. sah sie unten einen Totenkopf. Sie muBte dabei an RuBland denken und daran, dab sie auch diesen Leuten den Frieden bringen masse usw. Im Gedankengang war die Probandin ideenfliichtig und gleiehzeitig leicht zerfahren. Die Stimmung war euphorisch. Ein gewisser affektiver Rapport war leicht herzustellen wit ihr. Im Verlaufe einer Insulinkur besserte sich der Zustand stark. Sie fand eine Stelle als Hausmadchen in einer Privatklinik nnd konnte nach 2monatiger Anstaltsbehandlung dorthfn entlassen werden. 15 Monate lang arbeitete sie auf der Lingerie dieser Klinik zur Zufriedenheit ihrer Vorgesetzten. Aufgefallen war allerdings, dab sie tibermgBig fromm war und sieh naeh wie vor eifrig an den Sektenversammlungenbeteiligte. Dem Bruder fie1 auf, dal~ sie unruhiger war als frfiher. Auch vermutete er, dab sie einmal Beziehungen gehabt babe mit einem geschiedenen Mann. Die neuen St5rungen begannen mit Nahrungsverweigerung, Verwirrung und da die Probandin aus dem Fenster springen wollte, muBte sie am 8.7.44 zum zweiten Mal in unserer Klinik aufgenommen weiden. Bei der Aufnahme war sie motoriseh unruhig, ausgesprochen l~ppisch und zerfahren, dabei aber 5rtlich nnd zeitlieh orientiert. Sie erkannte die an der Aufnahme beteiligten Personen, schwatzte und lachte bestgndigl klopfte mit den H/inden auf die Stuhlkante und meinte, sie masse die Welt erlSsen, alle Menschen seien Briider usw. Ihre Unruhe hielt an, so dab sie auf einer Uilruhigenabteilung gehalten und zufolge ihrer Erregungszustgnde zeitweise sogar isoliert werden mu$te. Im Bett deckte sie sich ab, zog sieh vSllig nackt aus und sehien erotisch ziemlich stark erregt. Einige Elektroschocks zeitigten keinen Erfolg und auBerdem muBte darauf verziehtet welden, da sie bei einem solchen ein~=bedenklieh lang' andauernde Apnoe erlitt. E~fneSehlafkur konnte nut mit dauernden Unterbreehungen durehgeftihrt weiden, da sie immer wieder Temperatursteigerungen zeigte und dazu noch andauernd sondiert welden mul]te, da sie die rectal zugefahrte Flassigkeit nieht behielt. Ein wesentliches Resultat wurde durch die Schlafkur nicht erreieht. Immerhin wurde die Probandin ruhiger und freundlieher und ag wieder. In einer klinischen Vorstellung zeigte sie das deutliche Bild einer katatonen Erregung mit zerfahrenem, sprunghaften Gedankengang, KlangassoziaCionen, Sperrungen, Neologismen, Kunstsprache. Reaktionen aber rasch, unmittelbar und schlagartig. Jeder affektive Rapport fehlte. Die Affektivitat war undurehsiehtig und wechselte zwisehen gezwungener, theatraliseher Heiterkeit, Zorn, Ablehnung, Zuwendung und Wurstigkeit. Eine Insulinkur brachte guten Erfolg. Nach einer Mastkur erh01te sich die Probandin so girt, dab sie far 2 Woehen in ein Erholungshaus verlegt wurde, u m dann nachher wieder eine Stelle anzutreten.
Untersuchungen zwischen Psyehopathologie und Ef~d01~rinologie. 443 Wahrend beinahe 2 Jahren arbeitete die Probandin dann wieder als Hausm~dchen in einer Klinik. Ein neuer Schub begann mit 34 Jahren mit Vergiftungswahn und Nahrungsverweigerung. ~Tach Schwankungen des Befindens steigerte er sich wieder in einen schweren kataton-maniformen Erregungszustand, der aber nach wenigen Monaten abklang. - - KSrperlieh: Menarehe mit 17 Jahren, Periode jeweilen 8tagig, sonst ohne Besonderheiten. KSrpergrSBe 148 cm, Gewicht 48 kg. Sieht ungef~hr 10 Jahre jfinger aus, als dem Alter entspricht. Ausgesprochen kindliehe Mimik und Motorik, vor allem ein kindliches L~cheln, Kopfsenken und -heben. tI~nde wenig differenziert, kSnnten ~uch einem Knaben angehSren. I-Iohe kindliqhe~ Stimme. Vater der Probandin. Starb plStzlieh beim Baden im See. War gelernter ]=Iandwerker und hatte ein gutes Gesch~ft, intelligent. Begann zu trinken, k~m herunter, wurde zum Vagabunden. - - Knapp mittlere KSrpergrS~e, unauff~lliger KSrperbau, m~innliche Stimme, keine infantilen Merkmale bekannt. Mutter der Probandin. I n der Schule nie sitzen geblieben, gute Hausfrau, soll ihrem Alter entsprechend ausgesehen haben. - - KSrperlich klein, etwa 150 cm, schw~ehlicher KSrperbau, infantile Zfige nicht n~her bekannt. Einziger Bruder der Probandin. 36j~hrig, Sekundarschulbildung, gelernter ]:[andwerker, seit 13 Jahren dieselbe Stelle. Verheiratet, in geordneter Ehe. - KSrper]ich unauff~llig, leicht untersetzter Athlet mit m~innlichem, nicht infantilem Aussehen. Groflvater mi~tterlicherseits. Starb in den 70er Jahren, war Schneider, tfichtig, geistig unauff~llig, kSrperlich klein, unter 150 cm gro~, hohe Stimme. Gro/3mutter mi~tterlicherseits. Recht gute Hausfrau, nicht fiber 150 em groin, Stimme unauff~llig, keine infantilen Merkmale in der Erinnerung der AngehSrigen. Geschwister der Mutter. Die mfitterliche Grol~mntter der Probandhl gebar im ganzen 15 Kinder, yon denen 10 noch leben. Die fibrigen 5 sind tells bei der Geburt, tells kurz nachher gestorben. Die ~lteste Schwester der Mutter der Probandin, eine heute 63j~hrige Frau, die ffir ihr Alter noch erstaunlieh frisch aussieht~ berichtet, dal] alle Geschwis~er mit Ausnahme eines Bruders verheiratet seien und gesunde, begabte Kinder h~tten. Ein Bruder ffihrt die Schneiderei des Gro~vaters der Probandin welter, sein Sohn betreibt dazu noch ein Coiffeurgeseh~ift. Ein weiterer Bruder sei Maler. Die fibrigen Brfider arbeiten als Hand!anger, tIeizer, Magaziner seit Jahren in den gleichen Stelhmgen. Eine Berufs]ehre war ihnen nicht mSg]ich, da die Familie in eher ~rmlichen Verh~ltnissen lebte und auf raschmSglichsten Erwerb der Kinder angewiesen war. KSrperlich seien alle Geschwister klein und zart, jedoch sehr gesund. Auch geistig sei weder einer der Brfider noeh eine der Schwestern irgendwie auff~llig; Trunksucht komme in der ganzen Familie nieht vor. Eine weitere Erforschung der viiterliehen Linie war aus ~uSeren Griinden nicht m5glich.
Zusammen[assung. Probandin, 35j~hrig, pr'~psychotisch wenig a~fff~llig, erregb~r, ~ngstlieh. Schleichende PersSnlichkeitsver~nderung seit dem 28. Jahr. Vom 31.--35. Jahr mehrfache ~kute schizophrene Schfibe mit starker, zerfahrener Erregung. KSrperlich stark infantil. Vater: frank, nicht infantil. Mutter: geistig unauff~llig, kSrperlich klein, schw~chlich. Einziger Bruder: psychisch und kSrperlich nnauff~llig. Mi~tterllcher Gro[3vater: psychisch unauff~llig, klein, hohe Stimme. Mi~tterliche Grofimutter: psychiseh unanff~llig, klein, sonst kSrperlich unauff~llig.
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])AVID ISIDO]~ ~ACOBS:
Geschwister der Mutter (9) : psychisch ohne Befund, kSrperlich klein und zart. Die Probandin zeigt also keine psyehiatrisehen Sekund~rf~lle in der Familie. Kleine, zarte K51~perkonstitLition van miitterlicher Seite vererbt.
Die Probandin Erika Miiller und ihre Familie. Probandin E r i k a Mi~tler. Lebensgeschichte bis zur Erlcrankung. Die 1900 geborene Probandin war bei der rechtzeitigen Geburt 4 Pfund schwer. Von Geburt an w a r sie kleiner Ms andere Kinder. Im Alter yon 4 Jahren erkrankte sie an einer schweren Diphtherie, die eine .Traeheotomie notwendig maehte. Die fibrige Entwicklung zeigte keine StSrungen: sie bekam die ersten Z~hne, lernte gehen und sprechen zu normaler Zeit und n ~ t e nicht l~nger als andere Kinder ein. A]s kleines K~nd war Erika lustig, lebhaft, aufgeweekt. Mit anderen sei es gut ausgekommen. Insofern habe die Prbbandin a b e r immer eigen gewirkt, als sie fiberexakt gewesen sei. Alles habe genau so sein miissen, wie sie es gewollt habe. Sie wurde ,,Tfipflischie~er" genannt. Sie absolvierte 6 Ja.hre Primar-, 3 Jaln-e Sekundar-und 21/2 Jahre Hundelsschule, war eine mittlere Schfi]erin, blieb nie sitzen. Sie hatte viel Interesse iiir Sprachen. Mi~ den Kameradirmen kam sie gut aus. Kinder hatte sie gerne, auch war sie gesel]ig, gemfitlich, nich~ zuriickgezogen, galt nicht als launisch und nachtr~gerisch. Immer besonders hilfsbereit and gutmiitig, wollte allen anderen Leuten helfen und dachte mehr an andere als an sich. Trat kurz vor Schulbeendigung troflz guter Leisfiungen aus der Hande]sschUle aus, well sie sich vor der Abschlul~prtifung ffirehtete. • jahrelang zum Tell als Biirolistin, zum Tell Ms Kinderfr~ulein ti~tig. t t a t recht viel die Stellen gewechselt; immerhin blieb sie 7 Jahre lang an einer Stelle. Meist verdiente sie weniger als auf dem Arbeitsmarkt gebr~uchlich war. Sie hat das Geflihl, dal~ man hShere Anforderungen an sie stellte und ihren ~u schen weniger entsprach, well sie nicht babe energisch auftreten kOnnen und ein bescheidenes PersSneheu sei. In der Mitte der 20er Jahre lie~ sie sich yon einer Schulfreundin, einer gef~hrlichen Hoehstaplerin, u~ter erlogenen Versprechungen veranlassen, ihr das gesamte Ersp~rte herzugeben und sogar noeh Geld der Gesehwister auszu]iefern. Sie verlor dabei insgesamt Ft. 23 000. ---. Uber das verlorene Geid und den Proze~ babe sie jahrelang studiert. Nach dem Geldverlust hat die Probandin lange niehts gegessen und kam kSrperlich sehr herunter. Sie schildert ihre Lebensfiihrung als recht zuriickgezogen. Sie spazierte viel mit der Mutter und hafite wenig Verkehr mit Freundinnen. Sie lift viel unfier Minderwertigkeitsgefiihlen und fiih]te sich wegen ihrer Kleinheifl dutch Mifiangeste]lte geplag~. Mit einem Manne kam es ein einziges Mal zu Beziehungen. Es handelte sich am eine Bekanntsehaft mit einem etwa 10 Jahre ~lteren Kfinsfiler. Es kam einmal zu einem Geschlechtsverkehr, bei dem sie normal empfand. Daraufhin erkannte sie, dal~ er auch mit anderen M~dchen ging und ]Sste das Verh~ltnis. Sonsfl niemals Beziehungen zu M~nnern. Als sie eflwa 38 Jahre alt war, nahm sie .das Kind eines Bruders zu sich und pflegte und besorgte es rfihrend. Mit 30 Jahren war sie wegen Verdaehfi auf Lungenfiuberkutose voriibergehend in einem Sanatorium. Ein objektiver Befund wurde nieht erhoben. Seither i~ulterte sie h~ufig hypoch0ndrische K]agen fiber Sehlaflosigkeit. Beginn und Verlau] der Psyehose. Der Ausbruch der Psychose mit 43 Jahren schloi] sich an einen Vortrag fiber Krebs an. Nachher glaubte sie, selbst Krebs
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zu haben und suchte versehiedene Arzte anti Als nichts gefunden wurde, behauptete sie, die ~rzte sagten ihr nicht die Wahrheit. Allm~hlich sprach sie daraber immer erregter und konnte vor Angst nieht mehr schlafen. Sehliel]lich klagte sie, alle Leute wfirden sie anlagen, niemand sage ihr die Wahrhei~. In ihren Erregungszust~nden wurde sie t~tlieh gegen ihre Umgebung. Sie wurde deshalb im Februar 1944 zum ersten Mel in eine psychiatrische Anstalt ein~ewiesen. Deft war sie zeitweise erregt, zeitweise ganz unbeweglich und steif, Sie muBte oft kfins~lich ern~hrt werden, konnte manchmel die einfachsten Fragen nicht beantworten; dann wieder vermeinte sie Stimmen zu hSren oder glaubte es seien lauter Leiehen im Zimmer und sie selber sei auch eine Leiche. Zuweflen wollte sie sieh nicht ankleiden und legte sich auf den Boden mit der Bemerkung, sie sei noch made. Denn wieder polterte sie an alle Taren. Wahrend der Necht ging sie aus dem Bert und woll~e Schabernack treiben, war zuweilen sehr aufgeregt und laut. Es kern vet, dab sie der Pflegerin, die ihr das Essen eingeben mulite, ins Gesicht spuckte. Gleieh wie der einweisende Arzt stellSe auch die Anstalt die Diagnose auf Sehizophrenie. Die AngehSrigen der Petientin wollten nicht'reeht einsehen, dal~ sie krank war, da sie zuweilen beim Besueh ganz verniin~tig spreehen konnte. Sie holten sie nach etwas mehr als einm0natigem Anstaltsaufenth~lt auf eigene Verantwortung wieder nach Heuse. Schon nach 3 Wochen m a t t e sie abet erneut in eine Anstalt eingewiesen werden. Siewar dort sounruhig, de~ mansiein denersten TagenineinemEinzelzimmer isolieren mu~te. Atff der iuhigen Abteilung ging es gar nicht und auf der umuhigen Abteilung zeigte die Prebandin ein recht wechse89 Verhalten. Sie konnte tageweise reeht nett and freundlieh sein, dann wieder aufgeregt and verwirrt werden. Vielfaeh weinte sie den ganzen Tag, machte allen Leuten Vorwiirfe, kl~gte fiber kSrperliche Beschwerden und wulde sogar ts gegen Mitpatientinnen. Eine Elek~roschockkur and eine SchIafkur brachten nur sehr vortibergehende Erfolge. Trotzdem wurde die Probandin gegen ~rztlichen Rat dureh die AngehSrigen arts der Ans~al~ genommen. In der Folgezeit seheiterten mehrere Versuche in offenen Pflegeheimen. Die Probandin widersprach jeder Anordnnng, w~r unver~r~tg!ich, erklgrte aber, die anderen warden sie nicht verstehen und ]iefen fort, wenn sie sie nur erblickten. Am 12.3.45 wurde Erike M. erstmels in unsere Klinik eingewiesen. Bei der Aufn~hme weinte und schimpfte sie unanfhSrlich und in den ersten Tagen zeigte sieh, dab sie sehr anspruchsvoll war in bezug auf Pflege und Bedienung und sieh mit den enderen Petientinnen nicht gut ver~rng. Am liebsten lag sie im Bert, lieB sieh pflegen und klagte fiber allerlei Besehwerden, far die eine objektive Ursaehe nicht zu finden war. Wenn sie aufstend, pflegte sie die anderen Patientinnen zu necken und zu reizen, indem sie ihnen die Nadeln wegnahm, sie stieB und schob oder mit den Fingern auf sie zeigte. Dadurch konnte sie versehiedene Patientinnen so aufregen, dab es zu Streitigkeiten kam. Nachts sehrie sie zuweHen leut und muBte Beruhigungsmittel haben. Bei allen Angaben, die sie machte, fie] Ungenauigkeit und Zerfahrenheit auf. Oft antwortete sie fiberhaupt nieht und war siehtlich mit ihren Gedanken ganz abwesend. Sie konnte stundenlang herumsitzen and -stehen nnd niches tun. Dies erweckte won Anfang an den Verdaeht, dab sie Gesichts- oder GehSrshalluzinationen habe und mit diesen besehgftigt sei. Doch versuehte sie, dies zun~chst abzustreiten. Sie behauptete, sie hSre nur die Stimme~ der Petientinnen aus dem ~nderen Zimmer. Doch glaubte sie z.B., man traehte ihr nach dem Leben und sie miisse sich wehren. Von ihren Angriffshandlungen und Neckereien gegen andere Patientinnen beh~uptete sie jeweils sehon naeh wenigen Standen, sie wisse nichts devon. Am Morgen naeh einer unluhigen [N-acht war sie immer
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hSchst erstaunt, wenn sie nach dem Grand ihrer Aufregung gefragt wurde. ~qicht sie habe gel~rmt, sondern die andern. SchlieBlich gab sie eines Tages doch zu, dab sie sehr oft Stimmen hSre and yon ihnen geplagt werde. Seitdem sprach sie ganz ungeniert dariiber and teilte mit, was die Stimmen sagen: ,,Ich hSre immer Stimmen. die rttfen, ich bin keine Schweizerin, ich bin eineLiignerinund Betriigerin und alles mSgliche." Man rufe ihr auch wfiste SchimpfwSrter zu, den ganzen Ta~ plage man sie. Sie habe auch das Gefiihl, dab die Mitpatientinnenfiber sie redeten; durum sei sie am liebsten ganz allein. Die Probandin machte auf allen Abteilangen groBe Schwierigkeiten, haupts~chlich darttm, weft die anderen sich fiber sie aufregten. Es wurde versucht, sie auf einer Abteilang ffir ganz rahige Patientinnen zu halten, wo alle anderen auf sie Rficksicht nahmen and sich ilm ihr eigenartiges Gehaben nieht kfimmerten. Sie wurde dort als die Kleinste and Schw~ehste sehr verwShnt und fiihlte sich wohl dabei. Za irgend einer Arbeit war sie nicht zu bringen. Meist stand sie unt~tig herum and sah zu, wie die anderen ~rbeiteten. Wenn sie an einem Tage 2 Paar Strfimpfe geflickt hatte, war sie 'am:Abend sehr stolz aaf diese Leistung. Ein Versuch, sie auf einer offenen Abteilung zu h~Iten, scheiterte zun~tchst, da sie die dabei gew~hrten Freiheiten miBbrauchte. Nachdem sie sich dann eine Zeitlung in der geschlossenen Ab~eilung wieder gut gehalten hatte, bemfihte sie sieh aaeh aaf der offenen, da sie wuBte, dab ihre Entlassung yon ihrem Wohlverhalten abhing. Naeh 41/2monatiger Anstaltsbehandlung konnte sie - - allerdings mit sehr unsicherer Prognose - - naeh Hause entlassen welden. Nach der Entlassung aus der Klinik am 1.8.45 hielt sie sich beinahe 11[2Jahre lung zu tIause. Sie zeigte keine psychotischen Symptome mehr, die den AngehSrigen erkenntlich gewesen wi~ren. Sie leistete als Bfirolistin Aashilfsarbeiten und zwar zeitweise in gut bezahlten Stellungen. Sie war vSllig wie frfiher. Mitte J a n u a r 1947 wurde sie gedrfickt, anfangs Februar bekam sie n~ehtliche Erregungszust~nde, in denen sie um Hilfe schrie, weft man ihr etwas antun wolle. Tagsfiber manchmal wieder geordnet. Wiedereinweisang in unsere Klinik am 17.2.47. Bei der Anstaltsaufnahme behauptete sie ,,sie werde yon fiberM1 her verfolgt, man wolle ihr iibel". Sie war im Gedankengang vSllig zerfahren, sprach unter anderem fiber die Periode und die Keuschheit dareheinander; sie babe die Periode selber gemacht. Sie 5ffnete das Fenster, weft sie frische Luft hereinlassen mfisse, du sie schwarz hereingekommen sei. Von sich sprach sie oft in der dritten Person. Sie behauptete, Gottes Wort rede aus ihr. Auch sprach sie mit ihren Stimmen, z. B. : ,,Segen kommt yon oben, nieht yon unten" und ,,du bist scbwarz, kommst yon unten, deswegen hat man dich tot hier hereingetragen". Nach einem knappen Monat Abklingen der Erregung. K6rperlicher Be/und. 141 cm groB, 38,3 kg sehwer, deutlich infantiler ttabitus. XSrperform nicht weiblich, sondern undifferenziert kindlich, namentlich auctl die Fettverteilung. Gesicht ebenfalls wenig differenzieIt und kindlich. Leichter Schnurrbartwuch~. Hande wirken ganz leicht kretinoid, sehr zart und ohne weib/ liche Fettverteilung. Keine Struma (~arbe am tIals yon Tracheotomie). Axillen nnd Schamgegend normal behaart. Schambehaarung yon weiblichem Typns. Defloriert. Uterus retroflektiert und sehr klein. ~Jammae stark entwickelt. Menarche mi~ 181/2 Jahren. Menopause mit 45 Jahren. Dauer der Menses 6 bis 10 bis 12 Tage, immer starke Blutungen, in der Jugend sehr starke Krampfe im Unterleib. - - Keine normale, volle weibliche Stimme. Stimme erinnert an diejenige eines Knaben im Stimmbrnch. Vater der Probandin. Herbert M., 1867--1925. Primarschulbesdch als ~ t e r Schiller. lqach einj~hriger kaufmannischer Lehre wieder Mithflfe in der elterlichen Landwirtsehaft, dann Metzgerlehre bei einem Binder. ]=[eirat 1894. KSrperlich
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krs stark mannlicher Typ, Schnauz, mannliche Stimme, etwa 170 cm grog, im Milit~rdienst Korporal. Hat lebenst~nglich schwer gearbeitet und gut ffir die Familie gesorgt, ohne ]e kSrperlich oder geistig k r a n k gewesen zu sein, bis er 58j/~hrig einer Magenblutung erlag, m Psychisch gutmiitig, zeitweise aber auch aufbrausend, energisch, arbeitseifrig, gesellig, etwas egoistisch und geizig, aher nieht launiseh and empfindlieh. Intelligent und selbst/~ndig, ein Streber, der nieht so rasch den Mut verlor. Mutter der Proband~n. Irma M.-N., geb. 1872. Xltestes yon 6 Kindern. Gute Sehtilerin, :nach 8 J~hren Primarschule im elterliehen Heimwesen t~tig. Menarche mit 16 Jahren, Menses regelm~gig und ohne Beschwerden. Guter und komplikationsloser Verlauf der Geburten. Heute ist sic 165 cm grog, gesund, wirkt nichg infantil, hat markante Ziige und ist psychisch unauffi~llig. In der Erinnerung der Probandin lebt sie als tiberaus tfiehtige ttausfrau und Mutter, die trotz aller Arbeit immer n'och Zeit fiir die Kinder gefunden habe. Gesehwister der Probandin. 1. Mina ~r., 1889--1944. Halbschwester mfitterlicherseits. Normale kindliche Entwicklung. Primarschulbildung, Lernte Weign~herin a n d / i b t e ihren Beruf aus. Heirat mit 28 Jahren, geordnete E h e , verwitwet mit 39 Jahren. S~ither als Vertreterin gearbeitet. Starb a n G e b ~ r mntterkrebs. Psychiseh als tmattffi~llig beschrieben, tiichtig, energisch, intelligentj beliebt. KSrperlich mittelgrog (170 cm), stark, jedoch nieht dick, volles weibliches Aussehen, schSne F r a u . An infantile 1Vferkmale crinnern sich die AngehSrigen nieht. - - 1 M/~dchen, geb. 1922. 2. Heinrivh M., 1895--1931. Rechtzeitige Geburt, normale Entwieklung lebhaftes Kind. Primar- und Sekundarschulbesnch ohne Schwierigkeiten beliebt bei vielen Kameraden. ~Metzger'.ehre, tro~z geringer Eignung dafiir, l~aeh Migerfolg im Gesehgft Sohiffskooh. Leistete 5Iilit/irdienst b e i der Verpflegung. KSrperlich etwa 165 cm grog, l~r/~ftig, m/~nnticller l~artwuchs, manntiche ~timme. Charakterlich etwas leichtgl/~ubig, geistig gesund, intelligent. Gestorben an den Folgen eines Unfalles mit irmeren Verletzungen. - - Verheiratet, 1 Kind. 3. G'ret M., geb. 1903. Kleine Geburtsgr6ge, normale Entwieklung. Friihzeitig Gehen und Sprechen gelernt. Primar- und Sekundarschulbesuch als mittlere Sch/ilerin. Viel Freundinnen und Freude an Gemiitliehkeit und Betriebsamkeit. Nach der Schule ]~Iithilfe im elterlichen Betrieb, sp/~ter (bis heute) tiiehtige, selbstandige Verk/~uferin. tteirat mit 23 Jahren, jedoch bereits nach 1/~ Jahr wieder gesehieden, da der Mann nur Geld yon ihr wollte. - - KSrper!ich ist Gret M. nach anf~nglieher Korpulenz bis zum 20. Lebensjahr heute schlank, mittelgrol], kr~ftig gebaut, wirkt trotz hoher stimme nicht infantil; Menses ohne St6rungen. Auch psyehiseh ist an ihr niehts Auff/illiges zu bemerken. 4. Martin M., 1905--1925. Normale Entwicklung nach normaler Geburt. Naeh Primar- und Sekundarsehule Absolvierung einer kaufm/innisehen Lehre mit gleiehzeitigem Besuch der Handelsschule. Pflichtbewugt und pein]ich genau in allen seinen Arbeiten, jedoch ohne dab ibm darans Schwierigkeiten erwuehsen. Flotter Charakter. Keine nervSsen StSrungen. - - K6rperlich stark, m~nnlicher Typ (Mitglfed des Turnvereins), etwa 170 em grog. 19j~hrig Erkranknng an sehwerster Lungen- und Darmtuberkulose mit tSdliehem Ausgang. 5. Armin M., 1906--1912. Normal entwickeltes Kind miitlerer GrSge. Starb an den Folgen einer Verbrennung mit kochendem Wasser. 6. Willi M., geb. 1908. Reehtzeitige Geburt und normale kindliche Entwicklung. Primar- und Sekundarsehulbesueh, guter Schiller. Metzgerlehre im Welsehland, Freude am Berufi K6rperlieh typiseher Pykniker, m~nnlieher Typ, gut gebaut, m/~nnliche Stimme, etwa 169 cm grog. Milit/irdienst als Kor. poral. Charakterlieh witzig, lustig and fr6hlich, alles eher yon der leichten Seite Arch. f. Psych. u. Zeitschr. lqeur. Bd. 180. 29
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nehmend; nieht sehr durchhaltend und rasch entmutigt, iibera]l beliebt. - - Verheiratet, zwei gesunde, 9- und 2j~hrige Buben. 7. Maria M., geb. 1910. Rechtzeitige Geburt und normale kindliche Entwickhmg. Nur Prim~rschulbesuch, da sic zu lebhaft geweuen sei und nicht gem gelern~ habe, obwohl es nicht an der Intelligenz gefehlt habe. Zahlreiche Freundirmen. Beyufslehre, iibte abet den Beruf nicht aus, sondern betiitigte sich als Verk~uferin and spi~ter - - bis beute - - als Vertreterin. - - K5rperlich dick, 162 cm gro•, leichter Hirsutismns im Gesicht, der leicht an Cushing erinnert. Mi~nnliche Stimme. Charakterllch gutherzig, altruistisch, besonders wenn dieser Altruismns anerkannt wird. Geltungstrieb. Energisch, selbstlindig, mit festem Willen, llei~ige, tfichtige Gesch~ftsfrau. V~iterlicher Groflvater der Probandin. Grol~er, magerer Landwirt, tiichtig, gesellig, nichts Auff~Higes bekannt. Lift an M~gengeschwiir und starb etwa 60j~hrig. V~erliehe Groflmulter der Probandin. Kleiue magere Frau, die an .Magenblutungen starb. KSrperlich nicht stark, aber normaler V erlauf aller 5 Geburten. Exakte und geschickte Weifln~herin. Intelligent, energisch, aber b6se, launisch und erregbar. Eher egoistisch und nicht gesellig. Geschwister des Vaters der Probandin. Ein l~ruder voff normaler Gr6Be und mannlichem Aussehen, tiichHger Berufsmann, 58j~hrig an einem N{agenleiden gestorben. ~ Verheiratet, 9 gesunde Kinder. Eine Nchwester starb 18ji~hrig aus unbekannter Ursache. Ein JBruder yon kleiner und magerer Statur, starb etwa 65j~hrig. War Bauer~*aber nicht tiiehtig, Trunksiichtig, riicksichtslos, energielos. Trotz sehwi~chlicher and nicht widerstandsfiihiger Konstitution aber nicht krank. Ein Bruder starb als 12j~hriger Knabe an den Fo]gen eines Unfalls. Mii~terlieher Groflvater der Probandin. Landwirt und Viehhiindler, mittelgroB, tiiehtiger, ruhiger u~d gutherziger Mensch. 42j~hrig gestorben an Schlagan fall. 9Mlgtterliche Groflmutter der l%obandin. 168 cm groBe, weiblich gebaute, k0rpulente Frau, die naeh dem friihen Tod des Mannes fiir die Erziehung der 6 Kinder aufkommen muBte. Geistig volll~omme n gesund, fr6hliche Natur, die viel mit den Kindern sang. Gestorben im Alter yon 85 Jahren an Altersschw~che. Geschwister der Mutter der Probandin. Eine Sehwester, heute 72j~hrig, etwa 173 cm groB, normal weiblich gebaut, kSrperlich und geistig gesund. War mit einem Architekten verheiratet. Eine Schwester,. heut~ verwitwet, keine Kinder. Mitte!groB, fest, gesund. M_~chte Hauspflegeh and arbeitete in den Reben. Eine Sehwezter s~s an einem Riiekenleiden. War ziemtich groB, schlank, nicht kindlich gebaut. Verheiratet, 5 Kinder. Ein Bruder, yon Beruf I~ndwirt, starb an einem Magenleiden. 9Eine Schwester, lest, gr0B, tiiehtige Haus- m~d Gesch~iftsfrau. - - Verheiratet, 3 Kinder. Zusammen/assung. Probandin, 46ji~hrig. PrEpsychotisch intelligent, lebhaft, gutmiitig, iiber. exakt. Vom 43.--45. Jahr zwei akute hebephren-katatone Schiibe, bald mit Stupor, bald mit hebephrener, zerfahrencr Erregung. X6rperlich stark infantil. Valet: psychisch und k6rperlich unanfffi]lig. Mutter: ebenso. Geschwister: vier erwnchsene kSrperiich und psychiseh unauff~llig, ein erwachsenes Andeutung yon Cushingsyndrom, psychisch unauffiillig; eincs k6rperlich und psychisch unauff~llig, starb als Kind.
Untersuehungen zwischen Psychopathologie und Endokrinologie.
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Viiterlicher Gro/3vater: psychiseh" und k6rperlich gesund. Vgterliehe Groflmutter: klein, ranger, schwach, b6se, lanniseh, erregbar, ungesellig.
Geschwister des Vaters: zwei starben jung, eines erwaehsen, kSrperlieh und geistig unauffNlig; ein Bruder klein, ranger, schw~ehlich, riicksiehtslos, energielos, trunksiichtig. M~terliehe Grofleltern: kSrperlieh und psyehisch unauff~llig. Gesehwister der Mutter: ffinf erwachsene, kSrperlieh nnd geistig gesund. Halbschwester der Probandin miitterlieherseits: k5rperlich und psychisch unauffi~llig.
Der Proband Hails Hiirlimann und seine Familie. Der Proband H a n s Hi~rlimann, geb. 1920. Die Eltern des Probanden liegen sich scheiden, als er 2 Jahre alt war. Er wurde in guten Verh~Lltnissen yon der Mutter, die einem grogen Landwirtschaftsbetrieb vorstand, erzogen. Die kSrperliche und geistige Entwicklung war yon Anfang an stark verzSgert. Feststellen ls sich noch, dab el' erst mit 3 Jahren gehen lernte. Die ersten Worte sprach er erst mit 4 Jahren. Zus~mmenh~ngende Ss sprach er erst mit 16 oder 17 Jahren. Bis znm 5. Jahr war er tagsiiber mit Kot unrein. Trotzdem er 1 Jahr versp~tet mit 7 Jahren in die SchuIe geschickt wurde, mugte er die 1. Klasse wiederholen und konnte auch nach dieser Wiederholung nicht in die 2. Klasse promovieren. Er erhielt 1 Jahr Privatstunden, rfickte dann, indem er noch 3real eine Klasse repetieren mugte, bis zur 5. Klasse auf. In dieser Zeit war er dem schulpflichtigen Alter entwachsen. Er w~Lrenie yon sich aug in die Schule gegangen, sondern mltBte immer yon den AngehSrigen hinbegleitet werden. Zu Hause war er in der Kindheit sehr still und sehr bray, anh~nglich und lieb. Er machte daheim keine besondere Mfihe. Nach der Schule blieb er auf dem miitterlicheI~ Gut. Er konnte nur einfachste landwirtschaftliche Hilfsarbeiten besorgen und brauchte auch dazu best/~ndig Anleitung. In d3r Freizeit zeichnete er, klebte Albums zusamnmn nnd beschiiftigte sich mit Laubs/~gen, alleS i n der Art eines Kindes. Er war sehr zurfickgezogen. Er verkehrte nut mit den n~Lehsten AngehSrigen. Vor anderen ]3urschen ffirchtete er sich. An M~dchen zeigte er nie das geringSte Interesse oder die geringste Ansch]ugtendenz. Nachdem er schon seit Monaten in mancher ~insicht eigenartiger geworden war, brach die Geisteskrankheit im Alter yon 23 Jahren akut aus. Er weinte n/~chtelang, klagte fiber seine Dnmmheit, seine Nutzlosigkeit, rezitierte Bibelsprfiche, versicherte, er geh6re ins Fener geworfen. Dazwischen Iedete el' in sonderbaren Kunstsprachen, die AngehSHgen meinten, ,,wie in einer nralten fremden Sprache". Oft pfiff er mitten in der Depression leichtsinnig und stundenlang. Dauer der ersten psychotischen Episode einige Monate. Dann wieder 3 Jahre lang das frfihere Befinden. Neuer aknter Beginn mit 26 Jahren: nachdem er wegen einer Bagatellangelegenheit getadelt worden war, kam er in eine Erregung. Anl/iBlieh eines Mordfalles in der Umgebung (der ihn direkt nieht berfihrte) steigerte sich diese Ei'regung. Er sagte, er Sei kein reehtel Menseh. In den 5 Monaten seither dauernder Weehsel yon schwerer psyehotiseher Erregung und schwerem psychotischem Stupoi' mit knrzdauernden guten Perioden. In der Erregung sagte er, er sei kein Christ, niemand k6rme ihm helfen, sein Baueh sei roll Wfirmer. Er wollte mangelhaft bekleidet ins l~reie tmd wurde gewaltt;4tig, wenn man ihn abhalten wollte. Ohne ersiehtliehen Grund griff er die alte Mutter an, indem er ihr Gegenstande anwarf. 29*
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DAVID ISIDOR JACOBS:
Bei uas bis zur Uuverst~ndlichkeit im G~dunkengang zerfahr~n.- Oft stuporSs und auf keine Fragen eingehend. Affektiv vSllig undurchdringlich. Manchmal Paramimie in groteskem AusmaB, indem er lachend etwas Trauriges oder weinend etwas Lustiges sag~e. Deutlicher Verfolgungswahn vSllig vager Art. Hypochondrische Wahnideen (Bunch mit Wiirmern attsgeffillt, die er sich bewegen fiiblt, sie fressen seinen KSrper auf). Zeitweise ganz stupor(is, z. B. trat ein Stupor w~hrend~ler Morgentoilette auf, als er die Z~hne putzen wollte. Er blieb nun mit der Zahnbiirste im Mund uubeweglich in katatoner ttaltung stehen und muBte gewaltsam weggetragen werden. K6rperlich. MittelgroB (176 cm), schm~chtig gebaut (60,7 kg), Gesichtsziige ausgesproehen knabenhaft, so dab mira ihu am mehrere Jahre jiinger einsch~tzt. Z~rte Gliedmul~en, muskelschwach wie ein Kind, hohe kindliche Stimme, schwacher Bartwuchs und sehwache Rumpf- und Extremit~tenbehaaIung, dagegen maskuline Genitalbeha~rung and normal gebildete Genitalien. Mutter. 61Jabre alt, kSrperlieh klein (160 em), dabei jetzt sehr adipSs (74 kg), zartgliedrig gebaut, wurde w~hrend ihres ganzen Lebens erheblieh j finger gehalten, als der Wirklichkeit entsprach. Bei der gyn~kologischen U~tersuchung auger kleinem Uterus o.B. Obschon sie aus guter Familie war, intelligent, affektiv aufgeschlossen und verst~ndig schien, ebenso wie sie moraliseh hohe Begriffe hatte, war sie in gesehlechtsreifem Alter sexuell sebr haltlos: hatte uneheliches Kind, in der ersten Ehe butte sie intime Beziehungen mit mehreren anderen M~nnern, wurde gesehieden. Aueh in der zweiten Ehe ist sie wieder geschieden wordem Hat den Probanden in der Ehe aul~erehelieh erzeugt. Jetzt benimmt sie sich naeh Angaben ihrer AngehSrigen trotz ihres Alters noch wie ein Kind, manchmal folgsam und ,,artig '~ ffigt sieh dann den TSchtern, erkl~rt ihnen selbst, sie sei dumm und maehe viele Fehler; dann wieder Trotzen und Schimpfen, vSllig unselbst~ndig, fiirchtet sich allein auf Amtsstellen zu geben. I~uten gegeniiber sehr aufgesehlossen und anschluBbediirftig, aber aueh sehr abh~ngig yon ihnen. Bekommt mit Leuten unter ihrem Niveau oft Streit wegen ihres anmaBendenWesens, w~hrenddem sie Leute, die fiber ihr stehen, anerkennt. R~seh yon ~nderen l~Ienschen bsgeistert, schl~gt sparer diese Begeisteiung ins Gegenteil urn, so dab sie nur noch ihre schlechten Seiten sehen kann. Trotz ihrer sexuellen Haltlosigkeit, iarer Unselbst~ndigkeit, ihrer Emotionalit~t im Umgang mit anderen arbeitet sie aber in einem l~ndwirtschaftlichen Betrieb sehr gut und braehte ihn zur Blii~e. Mi~tterliche Halbschwester. Anna, 33j~hrig, kSrperlich klein (162 cm), schlank, feinknochig, aber keine deutliehen infantilen Ziige. Menarche mit 14 Jahren. Periode regelm~Big. Psyehiseh verschlossen, unzuganglich, aber energiseh und zielsieher. Erfolgreich bervfstatig in leitender kau~m~nnischer Stetlung, geht ganz in ihrem Beruf auf, keine anderen Inte~essen. Neben dem Be~uf h~uslich. Mdtterliehe Halbsehwester (anderer Vater als obige). Lina B., 43j~hrig. KSrper]ich ausgesprochen ~nfantil. Man wiirde sie 10 15 Jahre jiinger sch~tzen, als dem Alter entsprieht. Zarte, kindliche Gesichtsziige, scbm~ehtiger, kindlicher K(irperbau, kindlich unbeStimmte Motorik, hohe kindliche Stimme, 162 em groB. Menarehe mit 12 Jahren. Periode regelm~Big. Psyehisch wirkt sie iiberaus schfichtern, kleinlaut, unselbst~ndig, fibertrieben hSflich. Ihre Schiiehternheit und Aufopferangsbereitschaft ~uBern sich aueh in der ganzen Lebensgesehichte, sie blieb zu tIause und opferte sich vSllig der Pflege der alten Mutter und des kranken Bruders. Kennt keine Vergnfigungen, besucht nur eine Sekte. Dabei ist sie intelligent und geistig regsam. Mi~tterlicher (Troflvater. KSrperlich uuauffi~llig, tfichtiger Landwirt, ausgegliehen, still, m~Big, tfichtig und gesehiekt. /qie psychische StSrungen. Hat die Familie zum Wohlstand gebracht. Starb 80j~hrig an Altersschw~che.
Untersuehungen zwisehen Psychopathologie und Endokrinologie.
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Mi~tterliche Groflmutter. KSrperlich gesuad und unauff~llig, hatte aber einen strei~siichtigen Charakter. Die Streitsucht trat periodisch auf; die AngehSrigen sprechen yon ,,T~ubeli"-Anf~llen, die etwa einmM im Monat, zur Zeit der MenStruation, eingesetzt h~tten. In diesen Zeiten habe sie mit jedernmnn gestritten und zwar wegen vSllig belanglosen Angelegenheiten. Sie rannte im ~nfM1 mit fiber 70 Jahren noch wie ein Kind helum, schloB hastig die Sehlanke auf und zu, so dal~ man sie in diesem Zustand ffirchtete uud ftir besessen hielt. Die Mutter hatte nut einen einzigen Bruder, der mit 30 Jahren an Grippe starb. Er war Landwirt, kSrperlich und geistig unauff~llig. Der erste Ehemann der Mutter des Probanden gibt m]s bestimmt und glaubhaft an, dab die Mutter zur Zeit der Konzeption des Probanden mit mehreren anderen M~nnern Gsschtechtsverkehr gehabt babe und dab er nicht der Vater des ehelich geborenen Probanden sei. Der uneheliche Vater ist unsicher und nicht mehr zu verfo]gen. Die vgterlicheFamilie kann in diesem Falle nicht studiert "we~'deIl. Zusammen]assung. Proband, 27j~hrig. Prapsychotisch: gutmfitiger Schwachsinniger. Beginn der sehizophrenen Psyehose mit 23 Jahren, verl~iuft seither in vielen kurzdauernden Schtiben yon ~ngstlichen Halluzinationen, Gereiztheit, Ambivalenz und Zerfahrenheit. Dazwischen erreieht er be~nahe wieder den frfihelen Stand der Pers6nliehkeit. ,K5rperlich ausgesprochen infantil. Vater: ince~tus. (h;aeh vertra.uliehen Angaben in der Ehe auBerehelich erzeugt.) Mutter: intelligent, aber hyperagil, geistig infantil, k51"perlich infanti]. Halbschwester mi~tterlicherseits: kSrperlich und geistig unaufffi.ltig. Halbschwester mi~tterlieherseit~. (anderer Vater uls obige): intelligent, abet geistig und k6~perlich stark infantil. Mi~tterlicher Groflvater und mi~tterlicher Onkel: k6rperlich und geistig unauffMlig. Mi~tterliche Gro[dmutter: kSrperlieh unauffallig. Anfalle leiehter Erregm~g und Streitlust, besonders menstruell. Um den kasuistisehen Teil nieht allzu lang werden zu lassen, wird eine weilere FamiIie unter dem Pseudonym Weber im Druck weggelassen. Sie besteht aus der Probandin Hanna W., ihren beiden Eltern, ihren beiden Gescl{wistern, ihren 4 GroBeltern s a d den 5 Gesehwistern der Eltem. In der Zusammenfassung wird sie mitber fieksichtigt. Zusammen/assung u,zl Disku,ssion der Be/unde. A. Zu Probanden u n s e r e r A r b e i t w u r d e n 5 K r a n k e ~us d e m ~ e s t a n d unserer K l i n i k , die zugleich schizophren u n d a u s g e s p r o c h e n k S r p e r lich infanti] waren. Es h a n d e l t sich u m einen m ~ n n l i c h e n u n d v i e r weibliche K r a n k e . Die A u s w a h l effolgte einzig u n t e r d e m Gesichtsp u n k t , die a m d e u t l i c h s t e n i n f a n t i l s t i g m a t i s i e r t e n S c h i z o p h r e n e n d e r K l i n i k ffir g e n a u e r e U n t e r s u c h u n g e n zu beriicksichtigen. Sowei~ es m i r mSglich w a r (meine U n t e r s u c h u n g e n w m d e n d u r c h die B e s e h r ~ n k t h e i t meines S c h w e i z e r a u f e n t h a l t e s s t a r k b e e i n t r i i c h t i g t ) , w u r d e n a u c h die V e r w a n d t e n der P r o b a n d e n erfa~t, zu einem k l e i n e r e n Tei]~ i n d e m ich sie persSnlich a u f s u c h t e u n d untersuchte~ zu einem
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DAVID ~SIDO:~ JA.COBS:
grSl~eren, indem ich mich durch die persSnlich besuchten AngehSrigen fiber sie unterrichten lie•. Auf diese Weise wurden n~her bekannt: 4 V~ter; 5 Mfitter, 13 Geschwister, 3 Halbgeschwister, 33 0nkel und Tanten,,16 Gro•eltern, 13 Vettern und Basen, 1 entferntere Verwandte ~ insgesamt 88 Verwandte. B. Was den In]antilismus der 5 Probanden betri~ft, so fielen sie vorerst allesamt durch kindliche Gesichtszi~ge und wenig differenzierte, kindliche H~inde aUf, H~nde und GeSichtszfige waren bei den Frauen nicht typisch weiblich, sondern wirkten eher etwas knabenhaft, beim Mann nicht m~nnlich, sondern z a v $ ~ e i allen war die Motorik ausgesprobhen und ~uf den ersten Blick kindlich. Zum Teil ~u~erte sich das dureh eine scheue: sehl~ffe Haltung, zum Teil dureh eine kindliche I~[oketterie mit Kopfneigen, s chlenkerndem Gang usw. Bei den 4 weibliehen l~robandinnen kam dazu Kleinwuchs. Sie maven 159, 151, 148 und 141 era. Der Mann war durchschnittlich grol~ (176 era). Bei allen Probanden war die Stimme ausgesproehen kindlieh, hoeh unc[ rein. Bei einer weibliehen Probandin dazu noeh heiser, ~hn]ich wie bei einem Knaben w~hrend des Stimmbruches (seit Jahrzehnten). Was die weiblichen Genitalien betrifft, so konnten sie nur bei 3 der 4 Probandinnen untersueht werden; in einem Fail bestand ein Uterustoyota, das zu Uterusamput~tionen ffihrte; bei der Operation wurde eine kleineystische Degeneration bei den Ovarien beobachtet. In den beiden anderen F~llen war der Uterus sehr deutlieh verkleinert und retroflektiert. Die ~ul~eren Genitalien waren normal. Die Menarche erfo]gte im Durchsehnitt der 4Probandinnen etwas sp~t: mit 131/~, ' 14, 15 und 17 Jahren. In 3 der 4 F~lle waren die Menses gestSrt : einmal durch starl~e Kr~mpfe und versp~teten Eintritt, einmal dureh dauernde sehr starke und lange Blutungen (12 Tage), einmal dureh starke Kr~mpfe allein. Psychosexue]t war yon den 4 Probandinnen eine vSllig unanspreehbar. Sie hatte nie irgendwelehe Hinneigung zum anderen Gesehleeht gezeigt. Dagegen kam in der Psyehose ein Schuldgeffihl wegen Masturbation an den Tag. Die anderen 3 Probandinnen waren psyehosexuell zweifellos unterentwiekelt und zeigten relativ wenig Zuneigung zu M~tnnern. Alle batten zwar einmal ein Verh~ltnis gehabt, das zum Coitus geffihrt h~tte. Bei allen kam es aber aus niehtigen Grfinden bald zur AuflSsung dieses Verh~ltnisses, bei zweien schon nach einem einmaligea Coitus. ~rigidit~t hatte dabei nicht bestanden. Eine Probandin zeigte ]eichte Neigung zu sexuellen Pseudologien. Der m~nnliche Kranke schien vollkommen asexuell. E r hatte niemals die geringste Neigung zu ~ d e h e n gezeigt und seine (sehr g u t beobaehtenden) AngehSrigen hatten nie eine sexuelle Regung irgendeiner Art beobachtet.
Untersuchungen zwischen Psychopathologie und Endokrinologie.
Chara]aerlich zeigten sich bei allen 5 Probanden
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wenn auch in verschiedenem Grade und in verschiedener Mischung starke infantile Zfige: vo~ allem Unselbst~indigkeit, Selbstunsicherheit, Schfichternheit, Unbest~ndigkeit, Erregbarkeit, Verstimmbarkeit, Beeinflul~bar: keit. S i e waren alle meist gutmfitig, aber auch reizbar. Oft waren sie ermfidbar. C. Was die schizophrene Psychose der Probanden betrifft, so ist der Beginn versehieden und fallt in verschiedene Lebensjahre: schleichend Ende der 20er Jahre; schleichend mit 28 Jahren; akut mit 43 Jahren; sc]~leicliend mit 22 Jahren; akut mit 23 Jahren. In 2 ~Mlen fehlten eigentliche akute Schfibe; es handelt sich um einen Dauerzustand nach schleichendem Beginn. In 2 F~llen war der Verlauf der Psychose durch scharf umschriebene, akute schwere Schiibe gekennzeichnet: Im ganzen wurden in einem dieser F~lle zwei, im anderen viele ganz kurze Schfibe durchlaufen. In einem weiteren Fall endlich ist der Beginn schleichend, nach Jahren aber pfropften sich mehrere schwere, akute Schfibe auf, die wieder abklangen. Die Psychose ging, soweit bisher festgeste]lt werden kann, dreimal in leichten Defekt aus, zweimal in soziale Heilung. Die Dauer der Psychose zur Zeit der Beobachtung betrug 3, 4, 5, 7 und 19 Jahre. Die Begriffe Krankheitsbeginn, chronisch, akut, leichter und schwerer Defekt, Demenz, Schub, entsprechen denjenigen, die M. BL~ULER definiert hat. Naoh seiner Unterscheidung yon 7 Verlaufstypen wfirde es sich zweimal um Verlaufstypus IV (chronisch zu Defekt), zweimal um Verlaufstypus VII (in Wellen zu Heilung) und einmal um eine Kombination yon Typus IV und VI (in Wellen zu Defekt) handeln. Der Charakter der schizophrenen Psychose war bei allen 5 Probanden ausgesprochen hebephren. Die Psychose wir~ yon kindisch]~ppischem Wesen, ZUst~nden yon Zorn, Angst, Schmollen und gereizter Ablehnung, Verstimmungen usw. beherrscht. Dazu tre~en freilich katatone S~lp~ome wie Negativismus,, vSlliger Stupor, starke motorische Erregung. In den chronischen Zusts sind ErschSpfbarkeit, Hypochondrie, Ubererregbarkeit im Vordergrund. Zu diesen Symp~omen kommen abet in allen F~llen ~ypisch schizophrene Denkund Geffihlsst5rungen, Sinnest~iuschungen und Wahnideen. D. Was die urspri~ngliche Intelligenz der 5 Prol~anden betrifft, so sind zwei yon ihnen ausgesprochen schwachsinnig, an der Grenze zwischen Debilit~t und Imbezillit~t. Zwei Probandinnen zeigen eine durchschnittliche und eine eher ~iberdurchschnittliche Intelligenz. Die pr(ipsychotische Pem6nlichkei~ ist in allen F~]len durch die schon erw~hnten infantilen Z~ige gekennzeichnet. Die beiden Schwach~innigen waren pr~psychotisch ausgesprochen gutmfitig, welch und
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DAVID !SIDOR JACOBS:
sehiichtern. In ] Falle erreiehten die infantilen Ziige schon pr~psychotisch einen psyehoputhischen Grad. Sieher huben die kSrperliehen und psychischen infantilen Zfige bei allen Probunden schon vqr der sehizophrenen Psychose bestanden. Sie sind nieht etwa nur Ausdruck der Hebephrenie. E. Was den ln/antilismus bei den Verwandten betrifft, so besteht in der l%railie B. eine ausgesprochene famfli~re H~ufung und direkte lJbertrugung dureh 3 Generutionen. (Probandin und eine Schwester stark, ein Bruder ungedeutet infantil, Mutter stark infuntil, deren Mutter leieht infuntil, eine rafitterliche Kusine ]eicht infantil. Duzu war uber uueh noch cler v~terliche GroBvuter infuntil.) Ausgesprochene Heredit~t rait direkter, dorainanter Vererbung des Infantflismus findet sich auch im Falle H. : Proband, Mutter un4 raiitterliehe Hulbsehwester sturk infuntil. In der Fumilie W. s]nd die beiden Briider infantfl, beide Eltern klein, der rafitterliche Grol~vuter wuhrscheinlieh infantil, eine miitterliche Tante infuntil. Keine st~rkere fumili~re H~ufung yon sehwerem Infuntilisraus besteht in den underen zwei Probandenfarailien; imraerhin linden sich in beiden bei Verwundten wenigstens infantile Ziige wieder: in der F urailie M. ist die v~terliche GroBrautter und ein vfi~terlieher Onkel auff~llig klein und rauger. I n der Farailie Seh. ist die Mutter klein und schw~ehlieh. Ihre 9 Geschwister sind ebenfulls klein und z~rt, ihre beiden Eltern klein, dazu hut ihr Vater noch eine uuffullencl hohe Stirarae. Sehr zu betonen -ist bei clieser Aufstellung, dub lunge nieht alle Verwundten persSnlich untersucht werden konnten. Bei den niehtuntersuchten ist es sehr wohl ra5glich, dub infantile Merkraule der Aufraerksurakeit der Auskunftspersonen entgungen sin& Es ' hundelt sieh also bei dieser I)arstellung um ein Minimum yon Infantilisraen in den Farailien der Probanden. F. Andere endolcrine St6rungen uls Infantilismus bei den Probanden und ihren l%railien waren nieht h~ufig. Bei einer Sehwester der Probundin M. besteht eine Adiposit~t rait deutlicher, wenn ~ueh nicht sehwerer Muskulinisierung (tiefe Stirarae, Hirsutisraus ira Gesieht). (~brigens weist uuch die Probandin M. selbst einen deutlichen Hirsutisraus ira Gesieht auf und gleiehzeitig eine kr~chzende Stimme wie bei einem I i n a b e p ira "Stimrabrueh. Die Maskulinismen bei l%uuen sind ulso auf 2 Schwestern beschr~nkt. G. Psychosen in den Probanden/amilien. Weitere F~lle yon Psychosen ~ls bei den Probunden selbst finHen sich nur in einer der 5 Probundenf~milien: Beatrice B. hut Zwei schizophrene Geschwister. Es handelt sieh bei beiden um typi~che Hebephrenien; bei der Schwester ist der v e r l a u f der Krunkheit wie bei der Probandin chronisch und bland (Verlaufstypus IV,), b e i m Bruder handelt es sich urn einen
Untersuchungen zwischen Psychopathologie und Endokrinologie.
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einmMigen al~uten hebephrenen Sehub, der einen Defekt zuriieklieg (Typus VI). Der Endzustand ist bei allen 3 Gesehwistern ein leiehter Defekt; die Probandin selbst ist am schwersten veri~ndert. In derselben Familie kommt abet aueh maniseh-.depressives Irresein vor. Der mtitterliehe Grogvater hatte vom mittleren LebensMter an periodisehe Depressionen und endete an Suieid; bei einer Niehte der mfitterliehen Grogmutter (nicht blutsverwandt mit GroBvater) wurde kliniseh manisch-depressives Irresein diagnostiziert:
H. Schwachsinn und Psychopathie in den Probanden/amilien. Schwachsinn h~ufte sich in der l~milie der schwuchsinnigen Probandin W. Die Debilit~t wird durch 3 Generationen beobachtet, n~imlich bei tier v~,terlichen GroBmutter, beim Yater and bei den 2 Brtidern der Probandin. Ferner War dec miitterliehe GroBvater beschra.nkt. In der Familie des anderen schwaehsinnigen Probanden (It.) kommt kein Schwachsinn vor; jedoeh ist der Vater und seine Familie unbekannt. Sehwachsinn kommt aueh in der Familie der nichtschwachsinnigen Probandin B. vor; der v/~terliche Grogvater war debil, eine vgterliehe Tante besehrgnkt. Ferner ist eine mfitterliche Base besehr/~nkt. In den zwei restliehen Probandenfamilien, die allerdings klein sincl, ist kein Schwaehsinn bekannt geworden. Psychopathien linden sich in unseren Probandenfamilien geMuft. Familie B.: Mutter infantile Psychopathin, ebenso pr~psychotiseh eine Sehwester, ein Bruder sehwernehmerisch-hypochondrisch. Der debile v~terliche Grogvater ist erregbar, eigensinnig, eine seiner TSchter beschr~nkt, beeinflugbar, egoistisch and einer seiner SShne eigensinnig und ungesellig. Ferner ist die beschr~nkte Kusine miitterlicherseits mit einem Spraehfehler behaftet. Eine Schwester der Mutter ist auffi~llig eingebildet und tyrannisch, ein Bruder erregbar ur:d iibergewissenhaft. - - Fs~milie M.: Die v~terliche Grogmutter wird Ms bSse, launisch, erregbar and ungesellig gesehildert und ~hnlieh ein Sohn yon ihr, der auch trank. - - l~amilie Seh. : Vater trunk. - Familie W. : Der besehr~nkte Vater trunk, ebenso wie die zwei beschrgnkten Brtider der Probandin. Mutter neidisch, launiseh, verbittert. - Familie H. (nur mfitterliehe Seite bekannt): Mutter und miitterliehe HMbschwester infantile Psychopathen, m~tterliehe GroBmutter mit kurzen erregten Verstimmungen. Im ganzen fi~llt auf, dab sieh in den Probandenfamilien an geistigen Besonderheiten vor Mlem leichte Oligophrenie und In/antilismus wiederfinden.
I. Beziehungen zwischen lcSrperlichem In/antilismus und psychischen StSrungen in den Probanden/amilien. Was zungchst die Schizophrenie betrifft, so ist im FMle der Schwester der Probandin B. die Psychose mit e i n e m ~usgesprochenen kSrperlichen Infantilismus kombiniert,
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DXu
ISlDOR JACOBS:
nicht abet bei ihreln Bruder. Der manisch-depressive Grol~vater 4erselben Probandin war nicht infantil; bei der manisch-depressiven Kusine 4er Probandin ist die KSrperkonstitution unbekannt. Wie oben aufgezahlt, kommen in allen Probandenfamilien zusammen 8 Schwachsinnige und Beschrankte vor. Davon sind 1 sicher, 3 wahrscheinlieh kSrperlich infanti!; bei dreien ist kSrperlicher Infantilismus durch einzelne Zfige (besondere Kleinheit) wenigstens angedeutet. Nur bei einem besteht keine Angabe fiber kSrperliche Infantilismem Eine erbpathologische Beziehung zwisehen Intdlligenzmangel und kSrperliehem Infantilismus ist also in unserem Untersuchungsgut zu bejahen.. W e n n man die Schwachsinnigen nicht mitzahlt, kommen in allen Probandenfamilien zusammen 13 Personen mit ausgesprochen psychopathischen Zfigen aller Art vor. Davon sind 4 deutlieh kSrperlieh infantil, 4 fraglich oder in Einzelmerkmalen (besonders Kleinwuc.hs) infantil und 5 nicht kSrper]ich infantil. Von den erw~hnten 13 Psychopathen, sind 6 v0rwiegend infantil-psychopathiseh (mitgezi~hlt die pri~psyehotisehe psychopathisehe Pers5nliehkeit einer sp~teren Hebephrenen). Davon sind 4.deutlich kSrperlieh infantil,. 1 angedeutet kSrperlieh infantil und 1 nicht kSrperlieh infantil. Nach dieser Aufstellung darfiber, ob kSrperliche Infantiliti~t bei den psyehisch krankhaften PersSnlichkeiten unserer Probandenfamilien vorkommt, sei diese]be Frage umgekehrt noch betraehtet: Wie ist der geistige Zustand der kSrperlieh infantilen unserer Probandenfamilien ? (Die Probanden se]bst fallen dabei natiirlich weg. Sie sind j a naeh dem gleichzeitigen Vorliegen yon Sehizophrenie und Infantilismus ausgelesen und kSnnen deshalb nieht wie'ihre infantilen Verwandten zur Frage der biologisehen Beziehungen zwisehen Infantilismus und psychisehen StSrungen beitragen.) Es finden sieh unter den 88 Verwandten unserer Probanden 6 ~tlle yon ansgesprochenem k6rperlichen Infantilismus und 13 Falle yon wahrscheinlichem k6rperliehem Infantilismus oder einzelnen infantilistisehen Zfigen (ohne Beriicksichtigung der neun ,,kleinen und z~rten" Geschwister der Mutter Sch.). Wie gesagt handelt es sieh hier um Minimalzahlen, weil lange nicht alle Verwandten genfigend erfal~t wurden, um einen allfglligen Infantflismus bekannt werden zu lassen. Von den seehs kSrperlich infantilen Verwandten sind vier normal intel!igente, aber psychisch stark infantile Psyehopathen (darunter die Sehwester mit spaterer' ttebephrenie), einer ist oligophren und nur einer ist geistig unauffallig. Von den 13 Verwandten mit angedeutetem kSrperliehen Infantilismus sind 4 psyehopathisch, 4 oligophren und 5 geistig Unauff~llig. Die wiehtigen Befunde meiner Untersuchungen scheinen mir zu-. sammengefal~t im folgenden zu liegen: In unseren Probandenfamilien erweist sich der Infantilismus im ganzen gesehen familiar gehauft;
Untersuchungen zwischen Psychopathologieund Endokrinologie. 457 es kommt sowohl direkte wie indirekte Ubertragung vor. Es besteht eine konstituti0nspathologisehe Koppelung zwisehen kSrperliehem Infantilismus einerseits, psychisehem Infantilismus und Oligophrenie andererseits. Allgemeine Gesetzm~gigkeiten ]assen sieh aus diesen Befunden nieht ersehliel~en; dazu ist das Untersuehungsgut zu klein. Erst aus der Ubersicht fiber die vorliegende Untersuehung und andere gleiehsinnige werden slch allgemeine Gesetzm~Bigkeiten erkennen lassen.
2. {3bersicht der bisherigen Befunde an infantilen Schizophrenen. Von M. BLEULER.
Der Infantilismus gehSrt zu den Kfimmerwuehsformen, yon denen man einerseits vermuten kann, dab sie oft endokrin mitbedingt sind, anderseits, dal} sie sich bei Sehizophrenie h~ufen und verursachende, aus]Ssende oder krankheitsgestaltende Einflfisse auf diese Psychose haben. Der Infantilismus war deshalb in unsere Untersuehungen einzubeziehen. Vorerst sollten sie die Frage kl~ren, welche Merkmale im einzelnen es am h/~ufigsten sind, die den auff~lligen Eindruck des Infantilismus bedingen. Dann sollte festgestellt werden, ob sieh dieser Infantilismus familiar h~uft und bejahendenf~lls, wie stark und in weleher Art. Weiter war zu prfifen, ob die Schizophrenie, die sieh auf Infantilismus aufpfropft, gegentiber dem Gros der Sehizophrenien eine besondere Verlaufs{orm und Symptomatologie zeigt. Eine der wiehtigsten Aufgaben liegt abet darin, dutch Familienuntersuchungen festzustellen, ob die Kombination yon Infantilismus und Schizophrenie bei den Probanden eine zuf~llige ist oder ob erbpathologisehe Beziehungen zwisehen dieser k6rperlichen Kfimmerform und der Schizophrenie oder andern geistigen StSxungen bestehen. Sch]ieBlieh sollte aueh die l~rage der erbpathologisehen Bezi.ehungen zwisehen InfantilisInns und andern Endokrinopathien geprfift werden. Diese Aufgaben erwiesen sich als sehwierig, weil der Infantilismus theoretisch und praktiseh ein sehillernder, unsteter, ja gef/~hrlicher Begriff ist, der sich unter den versehiedensten Gesichtspunkten anfassen 1/~Bt und einem oft unter den Augen zu versehwinden drohg. Unsere den Infantilismus betreffenden Studien waren deshalb ungleieh mfihsamer und unfruchtbarer als diejenigen, die sieh auf das Akromega]oid oder die Heterosexuali~/~t" bei Frauen beziehen. Was einmal die theoretische Vorstellnng des Infantilismus angeht, so steht sieh die Auffassung yon erworbener EntwieklungsstSrung derjenigen yon vererbtem Kfimmerwuehs gegentiber. Zwisehen diesen Anffassungen lassen sieh die mannigfachs~en {)berg-~nge denken. Damit
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M. B L E ~ :
muBte zum vornherein gerechnet werden, dab es erw~)rbenen und vererbten Infantilismus gibt und dab sowohl der erworbene wie der vererbte durchaus nichts Einheitliches zu sein braucht (prim~re St6rung in Psyche, Endokrinium, in einzelnen Organen cder Funktionssystemen ?). Den erworbenen Infantilismus kennen wir vor Mlem aus psychotherapeutischen Erfahrungen heraus, Wir wissen, wie all, gemein und tiefwirkend das Phiinomen der Regressibn sein kann und wie sehr es in einen Mlgemeinen Infantilismus iibergehen kann. Es ist auch keineswegs ausgeschlossen, dab ein solcher psychiseher Infantilismus kSrperliche l~achwirkungen hat, wenn sieh das auch schwer beweisen li~Bt. So ist u . a . anzunehmen, dab sieh psychische GleichgewichtsstSrungen auf den ~enstruationszyklus mit der Follikelreifung auswirken und dab dadureh auch die Morphologie des Uterus und einzelner sekund~rer Geschlechtsmerkmale mitbeeinfluBt we~den k5nnen, ebenso wie das ganz e endokrine System. Aueh die psychisch bedingten Nahrungsgewohnheiten, z . B . neurotisch bedingte Appetitlosigkeit oder neurotisch bedingte FreBsucht miissen sieh auf das Endokrinium zum Tell auch in Beziehung zu einem Infantilismus auswirken. Derartige Vorg~nge lassen sich ja - - wenigstens liegt es nahe, dies zu v e r m u t e n - vor allem bei der puberMen Magersueht beobaehten, wo der krankhafte Wille, ein Kind zu bleiben , die Scheu vor der Sinnliehkeit und vor der Reifung in unzertrennbarer Einheit beobaehtet werden mit MenstruationsstSrungen und kSrperlich infantili, stischen MerkmMen. Ein extremer Fall yon erworbenem Infantilis. mus ist der klassisehe yon KAsP~I~ HAusE~, der 1828 mit etwa 17 Jahren aufgefunden wur~de, nachdem er bisher dauernd yon jeder menschlichen Gesellsch~ft isoliert in einem dunklen l~afig gehalten worden war. Freilich li~Bt sich aueh bei ibm nicht abschatzen, wieviel die kSrperlichen Entbehrungen und wieviel der unerhSrte Mangel an geistiger Anregung zum Infantilismus beitrugen. JedenfMls blieb er trotz guter Intelligenz in s.einer BeeinfluBbarkeit, Unselbst~ndigkeit, AsexuMit~t usw. l~is zu seiner Ermordung ]833 stark infantilistisch. Umgekehrt ist es eine Mlt~gliche Beobaehtung, dab sich Infantilismus familii~r h~iuft und diese Beobaehtung hat auch in die Literatur Eingang gefunden z. B. in den Arbeiten yon BORCHARDT. Unsere Untersuehungen sollten empirisch und unabh~ngig vo~ der ungel5sten Problematik des Infantilismus erfolgen. Wir gingen yon solchen schizophrenen Prob~nden aus, welche rein eindrucksmaBig inf~ntilistiseh waren find ve~suehten dann nachtr~iglich festzustellen', ~us welchen' I~erkmMen sich d e r Eindruel~ des Infantilismus ergeben hatte. Nach denselben MerkmMen suchten wir dann auch bei den Verwandten tier Probanden. Selbst vor dieser theoretisch ~einfaehen Aufg~be tfirmten Sich aber die praktischen Schwierigkeiten. Es h~adelt
Untersuchungen zwiscllen Psyeholaathologie und Endol~'inologie.
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sich beim Infantilismus um eine Summe von Merkmalen, die objektiv und quantitativ kaum genauer zu erfassen sind, wie infantile Gesichtsziige und H~nde, infantile Fettverteilung, Motorik usw. Sddann lieBen sieh vdichtige infantile Merkmale in einem Gespr/~eh nieht erkennen und machten eine genitale Untersuchung notwendig, die man nut den wenigsten VerwandLen der Probanden zumuten konnte. Schon gar erwies es sieh n u r zu einem kleinen Tell m6glich, das Vorliegen yon Infantilismus bei nicht selbst gesehenen Pers6nliehkeiten zu erfragen, da clie infantilistisehen Merkmale dem Laien oft unbemerkt bleiben und yon demselben /iuBerst verschieden und unzuverl/issig beurteilt werden. Alle diese Verh/~ltnisse l~gen viel ungiinstiger als etwa bei den Akromegaloiden, deren Konstitution meist leieht in einem Gespr~eh, aus Photographien, aus den Besehreibungen Angeh6riger bestimmt werden konnte. Dazu kommt aber auch die zeitliehe Ver/~nderlichkeit des Infantilismus. Noch viel weniger als die andern untersuchten Endokrinopathien bildet er etwas Dauerhaftes. E r ist in verschiedenen Lebensaltern verschieden leieht zu erkennen und verschieden ausgepr/~gt. Wiehtiger als die t~rage, ob in einem gegebenen Augenblick Infantilismus besteht, w/ire diejenige, wie sich zeitlich die infantilistischen Merkmale entwiekeln, verst/~rken, abschw/~chen Und wieder versehwinden. DaB diese letztere ~rage aus den Berichten der I)robanden, ihrer Angeh6rigen und allf~tllig vorhandener Krankengeschiehten nicht gelSst, werden kann, ist einleuchtend. Es brauchte einen gewissen Mut, sich unter ciiesen Umst/~nden im Rahmen der fibrigen Untersuchungen fiber Endokrinopathologie und Psyehopathologie an den Infantilismus heranzuwagen. Der Hauptzweck der vorliegenden Untersuchungen liegt eigentlieh erst in der Feststellung, ob trotz dcr groBen Sehwierigkeiten iiberhaup~ weiterzukommen ist. Bisher sind zwei Arbeiten fiber den Infantilismus aus unserer Klinik fertiggestellt : diejenige yon DoRIs BAI~ICH aus dem Jahre 1943 und diejenige yon JACOBS im vorliegenden Sammelband. Leider lieBen sich die Untersuchungen JAco~s noch nicht mit derselben Griindliehkeit zu Ende ffihren, wie diejenigen y o n BARIClt, da sein Sehweizer Aufenthalt beschr~tnkt war. Trotzdem sollen die Hinweise, die sich aus beiden Arbeiten zusammen ergeben, vorl/iufig zusammengestellt werden. Die beiden Arbeiten zusammen umfassen 8 Probanden, die gleiehzeitig S.chizophrenie und Infantilismus aufweisen und 129 Verwandte d~rse]ben. ZU Proband~n wurden jene Sehizophrene unserer Klinik, die im Zeitpunkte dzr jeweiligen Untersuehungen eindrucksm/~Big als am stiirksten infantilistisch aufgefallen waren. Von den Probanden sind 7 weiblich, 1 m/~nnlich.
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M. B,.xWER:
Der infantile Eindruek, der zur Auslese gefiihrt hatte, bestand in allen F~llen in kindliehen, bei den Frauen fast knabenhaften, beim Mann m~dchenhaften Gesiehtszfigen, ebenso undifferenzierten tt~nden, dann vor allem in einer kindlichen, unpersSnlieh wirkenden l~otorik. Dazu gesellten sieh die psychischen Kennzeiohen des Infantilismus: Neigung zum Trotzen, Seheuen, Aufmuckeh, Verzagen, zum hellen, unbeschwerten Laehen, z u m lauten Weinen, ~lles ohne Nachhalt und Tiefe;' Unselbst~ndigkeit und Beeinflufbarkeit affektiver und intellektue]ler Art b e i jedem Gesprgeh; entweder etwas schw~rmerisehe, jugendliehe Interessen (ein Proband sah seinen Lebenszweck in ,,einer Reise naeh Afrika und Ame.rika") oder zur Sehau getragenen Wurstigkeit. (Diese Zfige gul~erten sieh iibrigens u . a . auch im Wortsehatz der Probanden, der dem-der Sehuljugend ghnlich war.) Es l~ft sieh nieht sagen, ob die kSrperliehen oder die seelisehen infantilen Stigmata bei de~ eindrucksm~figen Auswah] ffihrend gewesen waren. -=7 der 8 Probanden zeiehneten sich durch Kleinwuehs aus (141--159 em): Als auffg]lig konstantes Merkmal war bei 7 derS. Probanden aueh eine kindlich hohe Stimme vorhanden. Diese infantilen Merkmale, die zur Auslese der Probanden gefiihrt hatten, waren nun, wie sieh naehher zeigte, meist auch mit abnormen sexuellen Verh~ltnissen gekoppelt. Die Genitalien konnten bei den 7 Probandinnen ]mal nicht untersucht werden, 2mal waren sie normal, 3real war der Uterus (dazu ]mal aueh die guBer~n Genitalien) stark verkleinert, ]mal war wegen Myems bei kleincystiseher Ovarialdegeneration die Uterusampntation notwendig geworden. In 4 F~llen waren die Menses grob gestSrt, in 3 Fgllen nicht. Von den 7 Probandinnen waren 2 psyehosexuell M~nnern gegenfiber ganz unanspreehbar, 5 waren losychosexuell~weitgehend kalt und gleichgfiltig. Der m~nnliehe Proband war ganz asexuell. Weiblich wareh bei den Probandinnen dagegen im Durehschnitt die ' Briiste und die Behaarung. Auf den Umstand, dab die Entwicklung der Brfiste im Verg]eieh zur Gesamtkonstitution eine Sonderstellung einnimmt, sind wit u . a . schon bei der Besprechung der maskulinen ~rauen gestofen. Die Sehizophrenien unserer ProbancIen sind ausnahmslos ttebephrenien, freilich mit Zeitweisen katatonen Episoden. Wir dfirfen aber daraus nicht den Sehluf.ziehen, d a f die Hebephrenie die einzige oder bevorzugte schizophrene Auferungsform Infantiler bilde. Vielleieht verh~lt sich der Sachverhalt eher so, daft der Infantilismus im hebephrenen Zustand dem Auge deutlicher wird als in andern sehizophrenen Zust~nden. Wir .dfirfen nie vergessen, dal~ es sich bei der Auswahl nach Infantilismus um eine eindrueksm~tfige und nicht objektive Auswahl handelte. Es is t sieher, d a f eine katatone oder paranoide Schizophrenie den Eindruck des Infantilismus nicht so hervortreten l~ft wie
Untersuchungen zwischen Psychop~thologie und Endokrinologie.
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eine Hebephrenie. Ahnliches gilt ftir den Verlauf: alle unsere Fglle ver]iefen leieht, indem der Ausgang in soziale Heilung oder nut leiehten, schizophrenen Defekt erfolgte. Aber auch auf Grund dessen mSchte ieh keine Gesetzm~tl~igkeit vermuten. Vielmehr kann es blol~ so sein, dab ein leichter sehizophrener Defekt den Eindruck des Infantilen mehr hervorhebt als eine schizophrene VerblSdung 0der eine vSllige Heilung. Allen diesen l~ragen wird man erst ngher kommen, wenn das Untersuchungsgut einmal viele Schizophrenien in der Verwandtschaft der nach Infantilismus ausgelesenen Probanden aufweisen wird. Dann wird es sieh entscheiden, ob d e r Infantilismus zu einer besonderen Form der Sehizophrenie pradisponiert - - einer blanden hebephrenen - oder ob nur die leichte Hebephrenie einen vorbestandenen Infantilismus besonders deutlieh gemacht hat. Dagegen er]aubt schon das vorliegende Untersuchungsgut nie bedeutsame Feststellung, daft der kSrperliche In]antilismus ]amiliiir gehgu[t au/tritt. In 5 der untersuehten 7 Probandenfamilien fanden sieh wieder ausgesprochen infantile PersSnlichkeiten, in 2 wenigstens einzelne Infantilismen, Im ganzen fanden sieh unter den 129 Verwandten 9 ~ l l e yon einigermaBen deutlichem kSrperlichen Infantilismus und 27 l~lle yon angedeutetem Infantilismus - - gewi$ viel mehr als in d e s DurchschnittsbevSlkerung zu erwarten ist. Zwei weitere Feststellungen tiber die Vererbung der infantilen KSrperkonstitution sind aus unserem Untersuehungsgut mSglieh: des Infantilismus vererbt sieh vorwiegend, aber bei weitem nieht aussehliel]lich, nach einem dominanten Erbmodus. Dafiir spricht 8ie tt~ufigkeit der direkten Vererbung. (Von den 7 Probanden, d~eren Verwandtschaft erfa~t wurde, haben 2 stark infantile Miitter, 4 ein odes zwei angedeutet infantile Eltern mad nur 1 keine infantilen Eltern. Aul~erdem beobachten wir in unserem kleinen Material schon,zweimal das Vorkommen yon ausgespr6chenem Infantilismus bei Halbgeschwistern.) Sodann ist in bezug auf den Vererbungsmodus des Infantilismus festzustellen, dai~ er bald als Ganzes, bald in Teilen iibertragen wird. Typische Beispiele ffir eine famili~re Ubertragung yon schwerem kSrperliehem Infantilismus als solchem bilden die l~amilien tt. und B. des A r b e i t JAcoBs. ~Noeh hgufiger kommt es abet vor, dab sich bei Verwandten Infantfler nicht ein Infantilismus, sondern nut einzelne infantile Merkmale wiederfinden : vor allem l~leinheit ohne andere infantile Merkmale, dann aber aueh infantile Gesiehtszfige odes hohe Stimme ohne andere infantile Merkmale. Das Gesetz yon der bedingten Einheitlichkeit kons%itutioneller Merkmale im Erbgang bewghrt sieh also anch in bezug anf den kSrperlichen Infantilismus. Was die erbpathologischen Beziehungen des infantilismus zu anderen Endokrinopathien betrifft, so lassen sieh bei der Klei~heit unseres
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M. B~E.LE~:
Untersuchungsgutes lediglieh Vermutungen aufstellen : sie gehen dahin, dab eine erbpathologische Beziehung des Infantilismus zur maskulinen Stigmatisierung der ~rau besteht. Nieht nur zeigen mehrere Probandinnen Andeutungen yon Maskulinismus, sondern es kommen auch unter den Verwandten 2 ausgesproehene ~ l l e yon Maskulinismus bei Fcauen vor und zwar bei 2 Schwestern. (Diese Zahl ist betrKchtlich, wenn man bedenkt, dab die 7 ffir Familienuntersuchungen verwertbaren Probanden insgesamt nur 7 fiber 20 gahre alte Schwestern aufweisen und doch ist sie viel zu klein, um die Tficke des ZUf~lls auszusChlieBen:) Zum selben SchluB kommt WOLF in diesem Bande aus der Betrachtung der Literatur fiber Hirsutismus bei Frauen: es finden sich Beschreibungen yon Infantilismus bei ovariel] bedingter Virilisierung yon Frauen. Andere ausgesprochene Endokrinopathien auger einer tempor~ren Hyperthyreose w u r d e n in der gesamten Verwandtschaft nicht gefunden, was wohl die Annahme ausschlieBt, dab sehr enge erbpathologische Bind~angen zwischen Infantilismus und anderen h~ufigeren Endokrinopathien bestehen kSnnten. Was die familii~re Belastung unserer Probandinnen m~t Schizophrenie betrifft, so finden sieh lediglieh 2 Sekund'~rf~lle yon Schizophrenie bei einem Bruder und einer Schwester &~rselben Probandin. Es lassen sieh so natfirlich keine Krankheitserwartungen errechnen, da die Bezugsziffern viel zu ldein sind, z. B. ffir die Geschwister nut 11 betragen. Aus derart kleinen Zahlen geht nicht hervor, dab die Belastung infantiler Schizophrener mit Schizophrenie anders w~re als diejenige des Gros der Schizophrenen - - u nd k6nnte es aueh nicht hervorgehen, wenn dem so ware. Die Gesamtbelastung mit Psychopathie entspricht ungef~hr derjenigen beim Gros der Schizophrenien. Jedoch ist die Art dieser Psych0pathien eine andere als beim Gros der Sehizophrenien: es han4elt sich in erster Linie wieder um infantile Psychopathien und nicht um schizoide Psychopathien. Freilich ist es nicht in allen Fi~lten so leicht, eine Grenze zu ziehen zwischen infantiler Psychepathie und sehizoider Psychopathiel Namentlich gewisse heboide Schizoiden lassen sich yon Infantilismus nicht unterscheiden, 9 ohne dab man in guten Treuen versehienener Meinung fiber die Zuteilung sein kann. Ieh wage es also n!cht, in dieser Hinsicht zahten. mi~Bige Aufstellungen zu geben. Dagegen darf bei einer genauen I)urchsieht der besehriebenen ~amilien und bei unserem groBen Vergleichsmaterial an den F~milien nicht infantiler Schizophrener die Aussage erfolgen, daft die in/antilen Schizophrenen deutlich mehr mit 0
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in/antilen und weniger mit schizoiden Psychqpathien /amilidr beiastet sind als das Gros der Schizophrenien. Diese Beobachtungstatsache reiht sich in allgemeine psychopathologische Gesetzm~Bigkeiten ein, die ich friiher formuliert habe. Im Durchschnitt hiiufen sieh in den
Untersuchungen zwischen Psychopathologic und Endokrinologie.
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Falnilien Schizophrener jene psychopathischen Char~ktcreigensch~ften~ wolcho der Schizophrene selbst pr/~psychotisch aufwies, ganz gleichgtiltig, ob es sich dabei um sehizoide oder andere Eigensehaften handelt. Die Schizophrenic w-~chst also in verschieclenen Sippschaften aus verschiedenen eharakterologischen Anlagen heraus. In einer Hinsieht nnterseheidet sich das Famflienbild unserer infantilen Schizophrenen weiter sicher veto ~ m i l i e n b i l d des Gros der Schizophrenien: durch die H~ufung yon Schwachsinn. Freilieh muB auch bier wieder ~uf oine Auslesewirkung hingewiesen werden. Schw~chsinn ist zw~r bei weitem nicht dasselbe wie Infantilismus; aber es ist mSglich und wahrscheinlich, dab infantile Ztige auf Sehwttehsinn ~ufgepfropft aufffilliger werden Ms solche bei normal Intelligenten. Wenn deshMb unter unseren 8 Probanden 4 deutliche Schwachsinnige sind, so ist das kein Hinweis fiir eine biologische Bindung zwischen Infantilisruns und Schwachsinn. Ebensowenig l~13t sich die H~ufung yon Schwaehsinnigen in den t~amilien dieser 4 sehwachsinnigen schizophrenen Probanden im Sinne einer solchen Bindung deuten. Dagegen spricht~ftir eine konstitutionelle Bind~lng zwischen Infantilismus and Schw~chsinn der Umstand, dab wit auch unter den Verwandten der nicht schwachsinnigen infantilen Probanden auf geh~tuften Schw~chsinn stoBen. Die nicht schwachsinnige Probandin B. der Arbeit BA~IC~ hat nur 2 Geschwister, die nieht klein verstorben sind und beide sind schwachsinnig. Die nicht schwaehsinnige Probandin B. der Arbeit JAcoBs hat drei schwachsinnige crier beschr~nkte Verwandte. Nut in 2 l~amilien, in denen nut wenige Mitg]ieder bekannt sind, fehlt der Schwachsinn. Wir kommen zu den Feststellungen aus den vorliegenden Untersuchungen, welche die Frage betreffen, ob unter den Verwandtes, des Probanden der kSrperliche In/antilismus und geistige Stgrungen zu8ammen oder getrennt vorkommen. In bezug auf die Schizophrenic freilich kann die ~rage noch nieht beantwortet, werden, weft sic in dem kleinen Untersuehungsgut nut zweimal vorkommt. Dafiir h~ufen sieh Psychop~thien, vor Mlem infantile Psychopathien und Schwaehsinn unter unseren Verwandten, so d ag unser Untersuchungsgut grog genug ist, um die Frage der erbpathologischen Bindung zwischen kSrperlichem Infantilismus einerseits, infantiler Psyehopathie, Psychopathie fiberhaupt und Sehwaehsinn anderseits zu beantworten: yon den 9 am deutlichsten kSrperlich infantilen Pei'sSnliehkeiten unter unseren Verwandten war nur. e i n e einzige geistig unauff~llig. Von den iibrigen waren 4 normal inte]ligente aber infantilistische Psychopathen und 4 schw~chsinnig, wobei zum Tell wieder infantilistische Ziige mit dem Schwachsinn kombiniert waren. Auch unter den Verwandten mit fraglichen oder einzelnen infantilen Merkmalen hfiufen sieh infantile A r c h . f. P s y c h . u. Zeitschr. N e u t . t~d. 180.
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M. BnEwE~:
Psychopathen nnd Intelligenzschw/~che. Auf die Ausz/~hlung genauer Zahlen kann bier kein Weft gelegt werden, Weil besonders die leiehten infantilistischen Zfige nur willkfirlich erfaltt werden kOnnen. Eine weitgehende, aber nieht absolute Korrelation zwisehen kOrperlichem Infantilismus einerseits, infantiler Psyehopathie und Sehwaehsinn anderseits ergibt sich aber deutlieh aus unserem Untersuehungsgut. Zusammen/assend lassen die beiden bisherigen Arbeiten fiber infantile Sehizophrene und ihre Familien vorl~nfig folgende Feststellungen zu : 1. l~fir die eindrueksm~l~ige Feststellung des Infantilismus erwiesen sieh ffihrend: Gesichtszfige, H~nde, Kleinheit, Stimme und Motorik neben den rein psychisch infantilen Zfigen. Die nach diesen Merkmalen ausgew/~hlten Probandinnen zeigten in fiberdurchsehnittlicher H~ufigkeit auch infantile Merkmale der Genitalien, Zyklusst0rungen und psychosexuelle Unterentwieklung. Dagegen erwiesen sich ihre Brfiste als durehsehnittlich entwickelt. 2. Bei schizophrenen Kranken finder sieh grob auffallender Infantilismus vor allem bei leieht verlaufender Hebephrenie. Es ist aber noch ungekl~rt, ob Infantilismus zu leichter Hebephrenie pr~disponiert oder ob umgekehrt nur die I-Iebephrenie leichter Art den Infantilismus besonders auff~llig werden l~Bt. 3. Dureh unsere Probandenauslese wird eine Form des Infantilismus erfaBt, die ausgesproehen familiar geh~uft auftritt. Sie iibertr/~gt sich vorwiegend, abet nieht, aussehlieBlich, direkt yon Generation zu Generation. Der Infantilismus tritt unter Verwandten Infantiler bald als soleher und Ms Gauzes wieder auf, bald 10st. er sieh in vereinzelte Infantilismen auf. Es ist eine konstitutionelle Verwandtsehaft des Infantilismus zur maskulinen Stigmatisierung der ~rau zu vermuten, w/~hrend andere erhebliehe konstitutionelle Bindungen des Infantilismus zu endokrinen StOrungen nicht wahrscheinlich erscheinen. 4. Die infantilen Schizophrenen zeigen unter ihren Verwandten mehr infantile nnd weniger sehizoide Psychopathen als die nieht infantilen Sehizophrenen. 5. An der Verwandtschaft der Prol~anden zeigt sieh deutlieh, daB k0rperlicher Infantilismus und seeliseher Infantilismus gewShnlich (aber nicht immer) gemeinsam beobaehtet werden; ferner besteht eine deutliehe, aber bei weitem nicht absolute konstitutionelle Bindung zwisehen intellektueller Beschranktheit nnd Sehwaehsinn einerseits, Infantilismus anderseits.
Untersuchungen zwischen Psychopathologieund Endokrinologie. 465
VI!. Multiple Blutdriisensklerose. Psychische Stiirungen bei sog. multipler Blutdriisensklerose (Falta). Von
H. WIPL
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In die Vielfalt der bei endokrinen Erkrankungen auftretenden psyehisehen St6rungen ist noeh reeht wenig Lieht gefallen. Am einheitliehsten erscheinen sie uns bei Myx6dem, bei Morbus Basedow, Tetanie und Kastration, sie sind deft aueh am frtihesten aufgefallen und besehrieben worden. Psyehische Symptome bei Erkrankungen der Nebennieren nnd des Pankreas sind sehon weniger ausgeprggt und weniger bekannt. Bei hypophys~r-dieneephalen Erkrankungen endlich sind die psyehisehen Symptoine noeh unbestimmter, mannigfaltiger und dank den XombinagionsmSglichkeiten variabler; es liegt dies in der Natur der Sache, da hier ja das l~egulationszentrum des gesamten endokrinen Systems sitzt. Es wird uns erst mSglieh sein, in diesem Bereieh klarer zu sehen, wenn eine grol3e Anzahl gleiehartiger l~lle vorliegt , genau untersueht und gleiehsinnig bearbeitet , besonders mit gleiehzeitiger Beriieksiehtigung yon kSrperliehen und psychisehen Befunden nnd erbbiologisehen und konstitutionellen Faktoren. Die vorliegedne kleine .Arbeit sell eiri kasuistiseher Beitrag in dieser l~iehtung sein, wobei wir vet allem die Zustandsbilder, welehe die Patientin im Verlaufe der Krankheit in der Klinik bog und deren DeutungsmiSgliehkeiten aufzeigen wollen. Die beiden franz6sischen Autoren CLAUDs. und COVGSROTbesehrieben 1907 kliniseh und anatomiseh das Bild der ,,Insuffieienee pluriglandaire", ngmlieh das gleiehzeitige Auftreten yon Insuffizienzzeiehen mehrerer endokriner Driisen. FAnTA umril3 1912 nach eigenen Untersuehungen besonders das pathologiseh-anat0miseh'e ]3ild und pr/~gte den Begriff der ,,multiplen Blutdriisensklerose". Er versteht darunter ,,einen noeh nieht n~her definierbaren abet wahrseheinlieh immer entziindliehen KrankheitsprozeB, der mehrere Blutdrtisen gleiehzeitig ergreift nnd zu hoehgradiger sklerotiseher Atrophie und dadureh zu AnsfMlserseheinungen derselben fiihrt". FALTAbetont naehdriieklieh 9die primate, gleichzeitige und gleiehartige Erkrankung mehrerer Blutd rusen "" '* im Sinne einer entziindliehen Sklerose und Atrophie und will mit andern Autoren dieses pathologiseh-anatomische Bild streng veto rein klinisehen Degriff der pluriglandul~ren Insuffizienz untersehieden wissen. Dementspreehend dtirften wir also nur bei obduzierten F~llen yon multipler Blutdriisensklerose spreehen - - obsehon versehiedene A u ~ o r e n - selbst F A L T A - rein klinische F/~lle pluriglandul/~rer 30*
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H. WIPe:
Insuffizienz als multiple Blutdrtisensklerose in die Literatur eingehen liegen. ])ag diese Unterseheidung gewisse Bereehtigung haben mag, zeigt die Tatsaehe, dab es einerseits F~lle gibt, wo trotz der klinisehen Diagnose einer typisehen pluriglandul/~ren Insuffizienz keine entspreehende pathologiseh-anatomisehe Ver~nderungen an den inkretorisehen I)rtisen gefunden werden konnten unct anderseits hin und wieder reeht bedeutende Alterationen der inkretorisehen Organe keine kliniseh naehweisbaren FunktionsstSrungen zu maehen brauehen. Dadureh, dab der krankhafte ProzeB versehiedene Blutdriisen gleiehzeitig ergceift und die krankhaften t{eaktionen in den Drfisen gleiehartig und in gleieh starkem MaBe auftreten, soll es naeh FaLTA mSglieh sein, die primer multiple Blutdriisensklerose yon einer sekundSr pluriglandul~ren Insuffizienz abzutrennen. Beim klassisehen Bild der multiplen Blutdrtisensklerose naeh FALT_~ finden wir folgende pathologiseh-anatomisehen Ver~nderungen : Verkleinerung der Driisen mit hoehgradiger Atrophie des P/~renehyms und Sklerose (Bindegewebsvermehrung). Naeh den tabellarisehen Zusammenstellungen von LANDSTE1NER-EDELMANN und MEERWEIN ergreifen diese Ver~nderungen vor altem Nypophyse, Thyreoiden, 0varien bzw. Testes und Nebennieren, wShrend sich eine Sklerose des Panl~reas seltener findet, sehr selten eine soiehe der Epithelk5rperehen. IV[ehrereAutoren haben biglandul/~re Sklerosen beschrieben und LINDEMANN einen Fall, wo sich an Stelle der Sklerose eine sehr stark ausgepr~gte, reine Atrophie yon Hypophyse, Thyreoidea, Ovarien, Nebennieren, Pankreas und EpithelkSrperchen fan& Aueh hier bestanden .gleiehartige und gleiehndtl3ige Ver~inderungen und LINDEMANN benannte denn auch diesen einzigartigen Fall yon bloBem Parenehymsehwund ,,multiple Blutdrtisenatrophie". (Kliniseh ist der Fall eher sin Sp'~teunuchoidismus.) FAL'rAforclert also nach seiner Terminologie eine scharfe Abgrenzung der multiplen Blutdr'tisensklerose yon den komplexen Bildern, clie ja bekanntlieh sehr oft, wenn auch in versehieden starkem Grade, bei sog. ,,uniglandul~ren" StSrungen zu linden sind, well die andern Blutdriisen seknnd~ir in Mitleidensehaft gezogen werden. Er h~lt es ffir mSglieh, die multiple Blutdriisensklerose yon der SIMMONDssehen Krankheit abzutrennen, da bei dieser die prim~ir erkrankte Hypophyse kliniseh und pathologiseh-anatomiseh ganz im Vordergrund stehe. Wohl kSnnten bei ihrem Zugrundegehen die ausfallenden adenotropeff Hormone bewirken, dab eine oder mehrere Blutdrfisen atrophieren oder sklerosieren, aber die auftfilligen sekunds Ver/tnderungen (sie sind nieht obligat) seien immer weniger ausgepr/tgt als diejenigen am primer befMlenen Organ (Hypophyse). Ein anderes Moment, welches erlaube, dieses Krankheitsbild herauszuheben, liege in der Therapie begriindet :
Untersuehungen zwischen Psychopathologieund Endokrinologie.
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w~hrend beispielsweise bei Myx6dem mit sekund/tren Erscheinungen yon genitaler oder suprarenMer Hypofunktion alle Erseheinungen durch Thyreoidinmedikation sich verminderten oder verschwiinden, zeigten sich die F~ille yon multipler Blutdriisensklerose therapierefrakt~ir. 1)a unsere Arbeit hauptsfichlich der klinischen Betraehtung gewidmet ist, m6ehten wir im folgenden kurz die Symptomatologie der multiplen Blutdrtisensklerose skizzieren, wie sic F~tLTA uns gibt. In allen Y~illen findet er ausgesproehene Symptome des Sp~teunuchoidismus (hoehgradige Dystrophie der Keimdriisen, lgiickbildung der genitalen ttilfsapparate wie Penis, Scrotum, Prostata, grote Sehamlippen, Uterus und der sekund/~ren GesehleehtsmerkmMe wie Verlust der 9Barthaare, der Haare der Axillen, des Mons veneris, des I{umpfes und der Ex~remitfi.ten, Abnahme der Libido), mehr oder weniger stark ausgesproehene Symptome des ttypothyreoidismus, in manchen F'~llen sogar das typische Bild des Myx6dems (gedunsene troekene sehilfrige Haut, Sehiitterwerden der Kopfhaare, eventuell sogar deren fleckweiser AusfM1, Liehtung der Augenbrauen und Wimpern, Briiehigwerden der N~igel und Ausfallen der Z~hne, An/tmie, Untertemperaturen, Bradykardie und Erniedrigung des Grundumsatzes) und eine racist unaufhaltsam fortsehreitende Kaehexie, welche an die yon SIMMONDS besehriebene erinnert, mit vorzeitig greisenhaftem Aussehen, Adynamie und Apathie, Splanehnomikrie. In der Mehrzahl der F~lle entwiekeln sieh aueh Symptome yon seiten der Nebennieren, Wie Pigmentierungen der Haut an den belichteten Stellen, seltener Sehleimhautpigmentierungen, wie Adynamie, Hypotonie, fehlende AdrenMinreaktion, erniedrigter Blutzueker und leiehte Anemic. Symptome einer latenten oder gar manifesten Tetanie sollen sieh nur selten linden lassen. Die Ausbildung einer typisehen eunuchoiclefi Adipositas fehlt immer, nur in ganz vereinzelten l~/illen besteht anfangs ein vermehrter t~ettansatz, der sp~ter dann in die ffir das Krankheitsbild so charakteristische, hoehgradige Abmagerung fibergeht, die allen M~istungsversuehen widersteht. Andere Autoren fanden noeh ErhShung des Blutcholesterins, Aehylia gastriea und pancreatiea, den Blutzueker an der unteren Grenze der Norm und die spezifiseh dynamisehe Wirkung der Nahrung herabgesetzt. 1)as klinisehe Erseheinungsbild stimmt in den typisehen F/tllen mi~ dem pathologiseh-anatomisehen Befund iiberein : die sehwere Affekti0n versehiedener endokriner 1)riisen, die der Kliniker vermutet, finder ihre Best~itigung dutch den Pathologen, der sine sklerosierende Atrophic dieser Organe naehweist. Es ist his heute noeh ganz unklar, was als Ursache dieser Erkrankung angesproehen werden soll. Wir erw/ihnen bier nut summariseh die wiehtigsten der angesehuldigten Ursaehen: Altersver/~nderungen
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It. WIe~:
der Org~ne im Sinne des Senium praeeox, konstitutionelle Grundlagen (Blutdriisenschw~chlinge), Arteriosklerose, Alkohol, ein Toxin (es wird nicht fiber~ll n~her bestimmt, viele glauben an ein Tuberkulotoxin - es sind iibrigens verschiedene F~lle bei chroniseher Thl~erkulose beschrieben worden, wobei sieh aber tuberkulSse Vers nur teilweise in endokrinen Driisen und dann nieht in allen naehweisen ]iel~en), syphilitische Genese, andere chronische Infektionskrunkheiten, Schwangersch~ften bei konstitutioneller Schw~che des endokrinen Systems, postpuerperale Infektionen mit Embolien oder septische ~ekrosen in der Hypophyse - - nuch den jiingsten Ang~ben in der Literatur scheint die multiple Blutdrfisensklerose das weibliche Geschlecht viel hgufiger zu befallen Ms das mgnnliche (MEERWEIX). Auch die p~thogenetische Rolle des hypophys~r-dieneeph~len S y s t e m s wurde diskutiert, da man ihm eine zentrale Stellung im endokrinen System einri~umt. Es hat ja sehr enge Weehselbeziehungen zum vegetativen ~ervensystem, zum zentralen Nervensystem und zmn ges~mten endokrinen Apparat und wird yon einigen Autoren Ms Bindeglied zwischen Seele und KSrper betraehtet, weshalb es nieht verwunderlich ist, wenn man Selbst psyehische Insulte als Ursache der multiplen Blutdriisensklerose angenommen hat. Kasuistilc. L. M., weiblich, geb. 1889, uneheliches Kind. Vater und vaterliche Verwandte unbekannt. Mutter immer gesund, Tod mit 72 Jahren an Herzschlag. 4 Halbgeschwister, davon 1 Bruder mit 18 Jahren an Meningitis unbe]~annter Atiologie verstorben. Die fibrigen Ha!bgeschw~ster, 2 Schwestern und 1 Brnder sind kSrperlich and geistig gesund and yon guter Intelligenz; ebenso deren Kinder. Allerdings wurde 1945 eine 2tichte der Patientin mit damals 18 Jahren ffir kurze Zeit hospitalisiert. Mit 16 Jahren Pneumonie, naehher bis zum 18. Altersjahr Asthmaanf~lle. Stets sehrmager, asthenisch, untergewichtig und blab. Hospitalisierung wegen Ohnmachtsanf~llen und Druckgefiihl im Oberbauch, w~hrend etw~ 2 Wochen abendlieh subfebrile Temperaturen. Magensaft anazid. RSntgenologisch: Gastroptose, geringe Darmperistaltik, Zeichen einer abgeheilten h~matogenen Lungentuberkalose. Verdaehtsdi~gnose: Tuberculosis abdominalis ? Ent]assung nach 3 Woch~n; bis heute ist d~s M~dchen wegen ihres Sehw~chezustandes arbeitsunf~hig geblieben, kann aber n~chstens ihre Arbeit wieder aufnehmen, Heute: typisch asthenischer ttabitus. KSrperlich und psychisch deutliche Anzeichen eines leiehten Infantflismus. Wir glauben nieht fehl zu gehen, wenn wir annehmen, das M~dchen habe an einer postpaberalen Unterfunktion der Hypophyse gelitten. PersSnliche Vorgeschichte. Normale Entwicklung, recht 'gate !ntelligenz (Sekundarschule), maehte Sehneiderinnenlehre darch, tiichtige Schnelderin. Psyehisch ufiauffallig, stets aber etwas zuriickgezogen, wenig umg~nglich und still. I~6rperlich: 157 cm, leptosamer ttabitus, seit jeher mager, HSehstgewicbt 45 kg. Stets etwas schw~chlieh and yon blassem Aussehen, brauehte sie schon seit Jahren immer mehr Ferien als andere Lento, konnte sieh dann abet yon ihrer Miidigkeit und den Schw~chezust~nden soweit erholen ~, dal~ sie die Arbeit jeweils eine Saison lang aushielt. Menarche mit 14 Jahren, Menses immer normal,
Untersuchungen zwischen Psychopathologie und Endokrinologie.
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Menopause mit etwa 32 Jahren. Seit .A.nfahg des dritten Dezermiums langsamer Aus]all aller Seham- und Aehselhaare. Uber Libidoveranderungennichts eruierb~r. Frfihzeitiger totaler Zahnverlust. Seit einigen Jahren Langsrillung der Fingernagel. Krankheiten: 1940 u n d 1945 Grippe. Jetziges Leiden. Im August 1943 macht Patientin trotz ~orangegangener Ferien einen noeh abgemagerteren und heruntergekommeneren Eindruck als sonst. Sie ist sehr mager und mfide und klagt fiber Schwaehe yon vorher nicht gekanntem MaBe, versucht aber trotzdem noch eine Weile zu arbeiten. Beklemmungsgeffihle auf der Brust fiihren sie zum Arzte, der Herzmittel verschreibt. Bald nach dem Auftreten dieser Schwache - - Patientin selber gibt sie als Beginn ihrer schweren Erkrankung an - - treten dann die ersten psyehischen StOrungew auf: als sie sich am 23.8.43 das Nachtessen kocht, bricht in der Stube nebenan plStzlieh starker Larm los, yon dem sie gtaubt, ,,er werde ihr absichtlicli gemaeht". Sie hat den Eindruek einer ,,Katzenmusik", wie wenn man mit groBem Larm hernmtanze und zum Sport ihren Namen singe. Sie hSrt unfreundliche und fibelwollende Hausmitbewohner und Nachbarn, welche ihr wiiste Namen zurufen und Verschwendung Vorwerfen. Zum Beispiel ,,dab sie das und das esse" oder ,,dab sie sich erlaube, Zucker in den Kaffee zu tun" usw. Auf einem Balkon sieht sie eine Nachbarsfrau, welche in ihr Zimmer hereinschaut, sie verspottet und ver]acht. Dann wieder hSrt sie eine Menge Leute und glaubt, sie kamen, ihr die Wohnung auszuraumen. I n der Fo]ge hat sie standig solehe krankhaften Erlebnisse, die nachts besonders lebhaft und intensiv sind. Tagstiber ist sie oft ganz klar nnd zieht dann selber ihre nachtlichen halluzinatorischen Erlebnisse in Zweifel und halt sich fiir geistig nieht mehr n o r m a l Drei Tage halt sie diesen Zustand zu ttause aus und zieht dann zuihrer Schwester, wo sie die naehsten Naehte besser sehlafen kann. Die Stimmen, die sie iibrigens immer nur auf dem linken Ohr vernimmt, sagen ihr dort ,,freundlichere Sachen"; sie hSrt sie undeutlieher und weniger laut, eher so, wie wenn Schwester und Schwager sich im Nebenzimmer etwas erz~hlen. MSglieherweise trug eine kur'ze Percortenbehandlung wegen arterie]ler ttypotonie etwas zur vorfibergehenden Besserung des Zustandsbildes bei. KSrperlieh kommt abet Patientin immer mehr herunter, klagt fiber enorme Mfidigkeitl iBt fast nichts mehr, sehlaft sehr viel und wird schlieBlich mehr und mehr benommen. Anhaltender Sehlafzustand macht am 12.9.43 die l)berffihrung ins Schwesternhaus vom Roten Kreuz notwendig (Verdaehtsdiagnose: Forme /rnste des Morbus Addison). Die folgenden Angaben fiber die Befunde daselbst verdanken wir Herrn Pr_v.-Doz. Dr. G~ooI~. Der tiefe ScMafzustand ist durch niehts zu beeinflussen. Herz und Lunge normal. Hautfarbe wachsartig, Gesicht blab und alt, ausgesprochener genitaler Infantilismus, extreme ttypotonie der Musknlatur, Blutdruck 85/60 mm Hg. B h t z u c k e r 45 rag-%, Blur-Ca, -C1 und -K weisen normale Werte auf. Rest-N 52 rag-%, SR 87/115 ram, Puls 116, Temperatur 37---37,5 ~ Blutbild: tI~mo 100, Rote 4,96, FI. 1,0I, WeiBe 9600 (Stab 12, Segm 55,5, Eosin 2,5, Baso 0,5, Mono 8, Lympho 21,5), keine unreifen Zellen, Thrombocyten reichlich. Reflexbild normal. LP: erniedrigte Zueker- und Chloridwerte (9,0 bzw. 669,0 rag-%), sonst normal. U r i n : reiehlich Cylinder, kein EiweiB, kein Zucker. Augenbiritergrund normal. Diagnose: Verdaeht au/pluriglandul~:re Nt5rung. Unter Percorten- und Traubenzuckerbehandlung weitgehende Normalisierung yon Blutzucker, Blutdruek und Rest-N. Am 15.9.43 erstmals primitive LebensauBerungen wie Essen und Trinken, am 16.9. ggnzliches Erwachen. Viele Gesichts- und GehSrshalluzinationen. Steife Affektivitgt. Die Gedanken der Pat. drehen sieh haup~saehlich um ihre Familie, um Schwester u n d Nichte. (Sparer gibt sie uns a]lerdings an, diese lastigen Stimmen batten im Rotkreuzspital plStzlich aufgehSrt, und zwar
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g . WiPs:
sei das so gewesen, wie wenn in ih rem linken Ohr eine kleine, Iunde Uhrfeder aufgegangen und herausgeschnellt sei. ,,Dann war es fertig.") I n d e r n~chsten Nacht jedoch kann Pat. vor lauter Stimmen nicht schlafen, gas ganze klinische Erscheinungsbi!d gemahnt an einen schizophrenen Schub und man mu/] sie in unsere Klinik verlegefi. Austrittsdiagnose im Schwesternhaus : ttysterie ? Schizophrenie ? D/~mmerzustand. Hypoglykamisches, ~dynamisches, hypotones Zustandsbild unabgekl~rter Genese. Pluriglandul~re St6rung. Eintrittsstatus in unserer Klinik vom 17.9.43:157 cm, 39 kg, extreme B1/~sse, I{aut schla~f, Mundwinkel entziindlich gerStet; Zunge rot, atrophisch, br~unlich gefleekt. Fingern/~gel 1/ings gerillt und rauh, Zehennggel angedeutet l~ngsgerillt. Scham- und Achselbehaarung fehlend, Genitalien infantil. Extreme muskutgre Ad3~namie. SR 58/65 ram. Urin normal. Blutzucker 89 mg-%, NaC1 im Blur 470 rag-%. Blutbild: H/~mo 79, Rote 4,29, FI. 0,94, Weil]e 4800 (Stab 7,0, Segm 34,0, Eosin 6,0, Baso 0,5, Mono 6,5, Lympho 46). Sehnenreflexe fast nieht aus15sbar, Pupillenreflexe normal. Sensibilitgt normal. Psychisch ist die Pat. allseitig orientiert und zeigt kein amnestisches Syndrom. Sie hat die wahnhafte Idee, ein Mann hesse up~dverfolge sie und spueke ihr auf die T/irklinke, so dab sie sie nur mit gem Taschentueh anfassen kSnne. Sie hSrt F]tisterstimmen die ihr sagen, ihre Schwester sei gestorben; ihre Nichte babe sie im Spiral besuchen wollen und sich dabei ein Bein gebrochen. Christusvisionen. Sie glaubt sich yon elektrischem Strom durchflossen und beeinfluBt. Mimik und Affektivitgt steif, /~ngstlich. Man gewinnt schlechten Rapport. Zerfahrenheit ist nicht nachweisbar. Am 18.9.43 zweima]iger Kollaps mit Erbrechen und sehr schlechtem Puls. Haut aschfahl, kiihl und ]eicht zyan0tisch. Blutzucker 87 rag- %. Pat. ist ruhig, stark adynamisch und apathisCh und zeigt nur geringe Lebens/iuBerungen. Unter t/iglicher Medikation yon 5 mg Percorten i.m. und intensiver Stimulation erholt sie sich innerhalb yon 4 Tagen sehr gut. Die Hypotonie hat wesentliehen Anteil am Zustandsbild gehabt. Blutdruck am 22.9.43 95/55 mm Hg. KSrperlich ffihlt sich Pat. immer noch schwach, ist nun aber psychisch unauff/illig, vSllig geordnet und vor allem affektiv nett und aufgeschlossen und sehr dankbar ffir jede Hilfe und Pflege. Appetit und Schlaf sind zufriedenstellend. Bei der Untersuchung yore 25.9.43 ist Pat. immer noeh hinf~llig und die ausgesprochene muskul~re Adynamie geht fiber das hinaus, was man sonst all_gemein bei Schw/~ehezust/~nden sieht. Hochgradige B1/~sse bei nur geringer Angmie yon 79% H~mo. Subjektiv geht es ihr aber wesentlich besser, sie ftihlt sich kr/~ftiger, hat recht guten Appetit und vor allem keine Nausea und keinen Brechreiz mehr. Psychisch: Die Orientierun~ ist allseitig gut und des Ged~chtnis ungestSrt. Pat. finder sich zeitlich gut zurecht, kennt die Namen der Sehwestern und Xrzte und vermag sieh an die Vorggnge w/~hrend il~rer kranken Tage noeh gut zu erinnern. Die Merkfghigkeit scheint leicht abgeschwgeht. Naeh 1 Minute kann sie sechsstellige Zahlen noch iichtig reproduzieren, des Rechnen geht ordent]ich, nur bei Operationen mit grSl]eren Ziffern etwas mithsam. Die ,,Geschiehte vom Salzesel" wird nach einmaligem Lesen gut aufgefaBt und samt Moral sofort richtig wiedergegeben. Der Bildertest nach MEGGEN.DORI~EI~zeigt eine gerlnggradige Verlangsamung und Unsch/irfe der Auffassung auf. Das Denken ist klar und zusammenhgngend, Zerfahrenheit ist nicht zu bemerken. Die Intelllg~nz der Pat. ist durchschnittlich gut. Affektiv reagiert sie adgquat und ist unauff/~llig, Xontakt gut. Sttmmen und andere hal]uzinatorische oder wahnhafte Erscheinungen finden sich nicht mehr, nut noch ein unbestimmtes Angstgef/ihl. Als wahrscheinlich erachtete Diagnose: Delirien bei Addisonkrisen. Die Pat. erweist sich als psychiseh vollkommen genesen, macht einen normalen Eindruek und zeigt vSllige Einsich~ in das durchgemachte Delir. Eine postdeliriSse Schgdigung im Sinne eines psychoorganischen Syndroms ist nicht nachweisbar.
Untersuchungen zwischen Psychopathologie und Endok~.inologie.
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Nach einigen Tagen Wohlbefindens tritt am 30. 9. 43 trotz intensiver Stimulation und ti~glicher Gaben yon Percorten wieder eine 4 Tage lung dauernde, nicht sehr tiefe BewuBtlosigkeit yon weehselnder St~rke anf. Waehsbleiches Hautkolorit. Leichte (3deme a m ganzen KSrper. Blutzucker- und Blutcaiciumwerte an der unteren Grenze (87 bzw. 10,0 mg-%). Urin: vereinzelte Leukoeyten und granidierte Cylinder, Spur Eiweil3. Herz etwas nach links verbreitert, Puls 130, gut gefiillt, etwas gespannt, regelnagBig, nait gelegentliehen, Extrasystolen. Blutdruek 160/100 mm Kg. Mit Kochsalz- und Zuckereinlgufen, denen Cedilanid beigeffigt wird, erzielt man langsame Besserung. Pat. bekonamt Urotropin und wird stets katheterisiert. Allnaghliehes Erwachen aus dem konaat6sen Zustand am 3.10. 43. Oft Unruhe und Schreiem Nachts jeweils besonders ausgeprggte deliri6se Zustgnde mit optischen und akustischen Nalluzinationen und Veifolgungsideen. Affektiv ~ngstlich, li~Bt die Pat. sich aber dureh Zuspruch leieht beluhigen. Am 5.10. und 6.10.43 sind die Blutzuckerwerte niedrig, 62 bzw. 67 rag-%, abet es besteht weder Benonanaenheit noch Verwirrtheit oder sonst ein bedrohlieher Zustand. Naehts immer noch leichte Delirien mit Stimnaen und furchterregenden optischen Halluzinationen. Am 8.10.43 betr~gt der Blutzucker 96 rag-%, der Blutdruek 140 mm Hg und der Rest-N 18,8 rag-%. KSrperlich sehr sehwaeh, psychisch im ganzen unauffgllig. Die seit Ende September bemerkten feinen (3deme fiber dem ganzen K6rper bestehen weiterhin. Leber nieht palpabel. tterz leieht nach links vergr6Bert, T6ne sehr leise, Puls schwaeb, aber regelnagBig, Frequenz t~glieh wechselnd (70---120/Min.). Die yon Tag zu Tag sehr schwankenden Blutdluckwerte (i00--i80 tuna Hg als systolisches Maximum, meist aber um 150), an sich ffir Addison sehr nngewShnlieh, erwecken zusamnaen mit der Regulationsst6rung des Zuckerstoffwechsels erneut den Verdacht auf hormonale
StSrung der Hypophyse. 18.10.43. ZuckerbelastungslCurve (25 g Traubenzucker per os): Vom Ausgangs~vert 105 nag-% steigt der Blutzucker nach 60 Min. aufs Maximum yon 175 nag-%, smkt dann nach 120 Min. auf 105 nag-% und nach 180 Min. auf 80 nag- %. W~hrend t/~glieher Gabe yon Cedilanid (0,2 nag) und Ca-Diuretin (2 • 0,5) sind die 0deme nun verschwunden und Appetit sowie Allgemeinbefinden besser gewotden. Am 19.10.43 tritt aber wiederum langsana eine tiefe BewuBtseinsstSrung yon 6 Tagen Dauer auf. Beginn mit n~tchtlichen Vergiftangsideen und groBer Angstlichkeit. Sprache sehr !eise. Blntzucker 100 nag-%. Zur Zeit der tiefsten Bewul~tlosigkeit ausgesprochene Untertemperaturen v0n 35,3 ~ Pulsfreqnenz urn ]00/Min. Der Blutdruck schwankt wi~hrend dieser Tage zwischen 90 und 150 mm I-Ig als systolischer Maximaldruck. Beim Erwachen wiedelum Verfolgungsideen, Stinanaen, AngStvorstellungen. Appetit ordentlich, Pat. il~t selber. Der vom 1.10. bis 7. 11.43 kontrollierte Wasserhaushalt ergibt herabgesetztes Fliissigkeitsbedfirfnis und geringe Harnnaengen. Die spontane Trinkmenge sehwankte zwischen 30 und 900 cm 3, bewegte sich aber vornehmlich um 300 bis 400 cnas herum. I~arnausscheidung entsprechend gering, 250 und 800, meist aber 400--600. cm8. In den Zeiten vernaehrter ~Vasserzufuhren naittels Einl/~ufen (1.--5.10.43) und sp~ter unter der Wirkung yon Cedilanid und Ca-Diuretin stieg die I-Iarnnaenge 4naal fiber 1000 cna3 (Maximum 1250 cma). Trotz der geringen Urinausscheidung war das spezifische Gewicht benaerkenswert niedrig. Als Beispiele: 1012 bei 300, 1010 bei 700, 1002 bei 580 cnaa ]:[arnmenge. 8.11.43. Die RSntgenaufnahme des Sch~dels ergibt keine sicherenAnzeichen ffir raunabeengenden ProzeB (Sella nicht erweitert).
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~. W~r:
10.11.43. Eine dreiwSchige Behandlung mit Praephyson und Ovocyclin (in der ersten H~lfte t~glich je 1 Amp., sp~ger abwechselnd 1 Tag Praephyson, 1 Tag Ovocyclin) hat kSrperlich zu subjektiv etwas besserem Befinden gefiihrt. Auch psychisch ist eine leichte Besserung eingetreten: Pat. ist klar and besonnen, ohne tIalluzinationennnd affektiv gut ansprechbar. Trotz des noch vorhandenen Schw~chegefiihls kann sie etwas aufstehen. Um den 20.11.43 herum erneuteVerschlechterung: Erbrechen, Schwindelanf~lle, BewuBtseinstrfibung. Ffir etwa 24 Stnnden ger~t Pat. in einen komatSsen Zustand, zeigt sp~ter dann nurmehr geringe Somnolenz, daneben teichten Negativisnms trod ganz wenige optische Italluzinationen. Temperatur zwischen 35,5 and 36,5% Taehykardie yon 100--120/Min. Der Blutdruck schwankt zwisehen 125/80 und 70/20 ran1 Hg bei 3stiindlicher Kontrolle. Blatzucker immer um 75 rag-%. Leichte An~mie yon 70% Itamo. SR 53/68 ram. T~gliche Verabreiehung yon 15 mg Percorten bleibt ohneWirknng. Ein zeitweilig enorm starkes Erbrechen bewirkt so grol~epflegerische Schwierigkeiten, dab Pat. am 26.11.43 ins Schwesternhaus vom ~oten Kreuz zuriickver]egt wird. Blutbild: H~mo 80, Rote 4,39, FI. 0,91, WeiBe 5000 (Stab 11, Segm 52,5, Eosin 4, Baso 1, Mono 9, Lympho 22). SR 80/118 ram. Chem. Blutwerte: Zueker 52 nag- %, Chloride 585 rag-%, Kalium 20,8 nag-%, Calcium 8,91 rag-%. Pat. ist apathisch, somnolent, affektiv unzug~nglich und absolut negativisti~ch. Sie iBt fast gar nichts und mager~ zusehends ab. Sie ,,streikt" in jeder Beziehung, sagt automatiseh guten Tag and versinkt ([ann sofort wieder in ihr steifes Dahind~mmern, beobaehtet aber aries. Obschon sie ni:chts davon ~uBert, hat man den Eindruck, sie halluziniere uad beseh~ftige sich mit ihren Stimmen. Sp~ter kann man dann aus ihr herausbringen, dab sie hier dgs Gefiihl hatte, zwei ihr feindliehe Fraulein, deren Namen sie nicht nennen will, sagten ihr mit einem im Gang vor ihrem Zimmer aufgesteUten Apparat, ein Mann liege unter ihrem Bert und andere furchterregende Sachem Nach wenigen Tagen babe dies abet voltkommen aLffgehSrt. Mit ihren AngehSrigen spricht sie naeh den Angaben der Pflegerin normal. 4.12.43. Blutzueker 37 rag,'%. Urin: Urobilinogen schwach positiv, weder EiweiI~ noeh Zucker. Verdacht auf Inseladenom. Am Morgen des 11.12.43 starkes Erbrechen. Affektiv ist Pat. wieder steif und unzug~nglich, nachdem sie die Woche zuvor recht nett und aufgesehlossen gewesen war und ordentlich getrunken hat~e. Angsterregende Halluzinationen und Verfolgungsideen. Negativismus. Nahrungsverweigerung. Haut p a s t S s Verdacht auf 0dem. Am n~chsten Tage finder man einen Blutzuckerwert yon 70 rag-%. Ans ihrem wie immer eher depressiv anmutenden Zustand wechselt Pat. plStzlich in einen beinahe manisehen hiniiber. Sie h~lt sich ffir eine verheiratete Frau aus sehr gutem ttause mit 17j~hriger Tochter, wiinscht Wein aus ihrem Keller, nebst standesgem~l~em Essen und empf~ngt hohe Besuche. Innert wenigen Tagen flaut dieser manisch-wahnhafte Zustand langsam ab, Sie beginnt nun an der Nahrung zu nSrgeln, versteckt Speisen im Nachttischchen und weist alas Essen schliel31ich wegen Vergiftungsideen zuriick. Sie wird wieder absolut negativistiseh, unzug~nglich und undurchsiehtig. Iltt fast gar nichts. Blutzueker am 19.1.43 49 rag-%. Am 23.12.43 ist Pat. plStzlieh wieder aufgesehlossen und freundlich und am n~chsten Tag betr~gt der Blutzuckerwert 73 rag-%. I n der Folge haben wir wie bisher in unregelm~Bigen Wellen solche Ver~nderungen des psychischen Zustandsbildes. Die Perioden ausgesprochenen Negativisruns und starken Halluzinierens findet man bei besonders niedrigen Blutzuckerwerten, welche allerdings manchmal erst nach diesen Ausnahmezust~nden am niedrigsten sind. Eine wahrend 7 Woehen durchgefiihrte Injektionsbehandlung mit Percorten (t~glich 10 rag) und Ovocyclin (2t~glich 10 rag) hat bis Ende Januar 1944 weder
Untersuehungen zwischen Psyeholoathologie und Endokrinologie.
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kSrperlieh noeh psyehiseh fagbar bessernd gewirkt. Auf Wunseh der AngehSrigen wird sie am 28.1.44 nach Hagse entlassen. Sie ist dort ruhig, aber noeh sehr versehlossen, autistiseh und roller Wahnideen. Anfangs geht es zu Hause reeht ordentlieh, Pat. steht attf, spaziert und hag guten Appetit. Ihrer Umgebung erseheint sie zwar nie ganz normal, sie hat st~ndig in geringem Mage Wahnideen und Halluzinationen, die ab und zu etwas starker hervortreten. Zertweise leiehte Benommenheit, manehmal Breehreiz. Der Zus~and ver~ndert sieh allm~hlieh abet sehr stark und Pat. kommt mit ihren Angeh6rigen deswegen immer sehleehter aus. Sie wircI wieder steif, unzug/inglieh und starrkSpfig und hat in hohem MaBe akustisehe Halluzinationen und wahnhafte Vorstellungen: sie hSrt laufende Motoren und streitende Stimmen, glaubt, ihre Naehbarn seien eingesehlossen und h~lt sie fiir gef~brdet, da sie sie um Hilfe sehreien hSrt. Einmal geht sie mi~ einer Axt zu einer Naehbarin und tSittet diese, die Tfiren einzusehlagen, um die Gefangenen zu beffeien. Spgter alarmiert sie die Polizei, ruft gestikulierend zum Fenster hinaus um ttilfe und bringt so das ganze Wohnviertel in Aufruhr. I n ihrer Angst trggt sie all ihr Erspartes mit sieh herum. Am 21.4.44 muB man sie wieder in unsere Klinik einweisen. 2. Eintrittsstatus bei uns: Allgemeinzustand eher besser als Iriiher. Gewieht 37kg, Blutdruek 130/80mm Hg, Blutzueker 66mg-%, Urin normal. Subjektives Wohlbefinden. Psyehiseh: bei Bewugt~sein und allseitig orientiert. Sie sehimpft sehr fiber ihre Sehwggerin, glaubt sieh yon ihr sehikaniert und ungereeht behandelt und sehiebt ihr alle Sehuld ffir ihre Krankhei~ und die neuerliehe Einweisung zu, beruhig~ sieh aber bald. Wahnideen/~uBert sie sonst keine, ist wieder still und etwas versehlossen. Sie ist nieht ausgesproehen negativistiseh, zu Zeiten aber doeh sehr kalt und abweisend. Keine Zeffahrenheit. Trotz geniigender Nahrungszufuhr betr~gt der Blutzueker am 28.4.44 nur 32 rag- %. Der kSrperhehe Zustand ist relativ g u t . Pat. ist aber sehr interesselos, apathiseh und negativistiseh und jedes Gespr~eh versandet raseh, da sie nut ungern Antwort gibt und hinter jeder Frage irgend etwas Sehlimmes vermutet. W~hrend der ngehsten Tage bleibt der Zustand subjektiv und objektiv zuffiedenstellend und Pat. wird wieder etwas lebhatter. Die psyehisehe Untersuehung vom 4.5.44 ergibt, dab die Orientierung 5rtlieh und autopsyehiseh sehr gut ist, zeitlieh dagegen nieht, abet offenbar nur deshalb, da Pat. ffir niehts Interesse zeigt. Das Ged/~ehtnis ist ungest6rt, sofern sie fiber Dinge geffagt wird, die sie trotz ihrer kranken Perioden riehtig aufgefa/]f hat. Den letzten Aufenthalt in unserer Anstalt vermag sie genau zu sehildern. Die Auffassung ist gut, aber sehwierig zu prfifen, da Patientin vielfaeh in Gedanken abwesend ist uncl sieh bei Befragung sehr negativistiseh unct verstoekt zeigt. Viele l~ragen schneider sie mit der Bemerkung ab, sie sei ja gar nieht krank und dissimuliert oft sehr, Wenn ihr etwas nieht in den Kram pagt und man ihrem Willen nieht Folge leistet, so versehanzt sie sieh vSllig autist[seh hinter ihrem Negativismus. Ihr Denken ist geordne~, verst~ndlieh und einffihlbar, die Affektivitgt abet undurehsiehtig. I n der 1%Igezeit geht es der Pat. in Unregelm/~gigem Weehsel sehleehter und wieder besser. I n den sehleehten Phasen deliriert sie Bin wenig, besonders naehts, die BewuBtseinstrfibungen nehmen jedoeh nieht mehr den starken Grad yon frfiher an. Aueh der Blutzueker sinkt nieht mehr auf SO bedrohlieh tiefe Werte ab wie vordem. Auf die Vorbereitungen ffir eine neue R6ntgenuntersuehung (VercIaeht a u f Nebennierentumor) reagiert die Pat. gegen Ende 3/Iai 1944 mit starkem Verwirrtheitszustancl und vielen Wahnideen, so dab man auf die radiographisehe AbM~rnng verziehten muB. W/ihrend der nEehsten Monate ist sie stetsfort yon WahnMeen effO_llt (Beziehungsideen, Liebeswahn, sie hglt sieh fttr eine verheiratete
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H. WirF:
Frau mit Kind, Vergiftungsideen, daneben auch optische Italluzinationen). KSrper]ich meist Wohlbefinden. Sie kann hin und wieder aufstehen, verschiedentlich ist sie jedoch yon teilweise sehr starkem Erbrechen geplagt und schwach. Blutzuckerwerte zwischen 65 und 75 mg-%. Im Dezember 44 treten die Wahnideen farbiger h~rvor, und die Pat. bietet das Bild eines Paranoids, das jedoch wenig yon seinen Ideen ausdIiiekt. Sie b/ilt sich u. a. ffir die Mutter yon 12 Zwillingspaaren (24 Bu'ben) und spurt viele Egwaren bis zum Versehimmeln ffir sie auf. Bei FShnstimmung ist sie bes0nders negativistisch und yon Kopfweh geple~gt. Stimmung sehr weehse]nd: meist ist sie negativistiseh, yeller Widerspruehsgeist, sitzt aber an Tagen, we die Wahnideen nicht so hervortreten, sehr aufgeschlossen und zufrieden unter den andern Patienten. Blutzucker stets zwischen 70 und 75 mg%. I n den n~chsten Monaten vegetiert sie unauff/illig dahin und ffihrt nach auBen hin ein passives Schattendasein, innerlich erfiillt yon ihren wahnhaften Ideen, die sie aber nur selten preisgibt, obgleich sie sie sicher sehr besch/~ftigen. Sie ist reeht eigensinnig und starrk6pfig. Im Sommer 45 wird sie bei sch6nem Wetter ins Freie geffihrt und sie hilft sogar zeitweise etwas auf der Abteilung mit. Periodenweise ist sie aber so vaiide und so auff/~llig adynamisch, dab sie ffir Tage mit keinem Mittel zu bewegen ist, ihr Bert zu verlassen. Die Wahnideen treten im Alltagsleben immer mehr in den I-Iintergrund, man kann sie aber doch noeh aus ihr herausfragen. November/Dezember 45 Otitis media acuta rechts. Temperatur bis 39,0 ~ Langsames Abklingen auf entsprechende The/~apie. Pat. sch~tzt das Spfilen mit BorlSsung gar nieht und ergeht sich dabei in den unfl~tigsten Ausdriicken gegenfiber dem Pflegepersonal. Sie ist wieder yeller Wahnideen und macht zum erSten Mal einen etwas zerfahrenen Eindruck, wenn sie davon spricht. 23.3.46. Blutzucker 35 rag-%. Sehr erregt und miide. Auf Traubenzuckerinjektionen und Adrenalin leichte Besselung. 10.6.46. Otitis media - - 1%zidiv links mit starker fStider Sekretion. Befinden sehr schlecht. Tachykarder, kaum ffihlbarer l~uls. Stimulation mit Coramin und Coffein. 12.6.46. Das Zustandsbild versehlechtert sich zusehends. Pat. erbricht alles und verweigert schlieBlich Essen und Trinken. Puls nicht mehr ffihlbar. Blutdruck 90/50 mm Hg. 13.6.46. B]utbild: tt/imh 84, 1%re 4,02, FI. 1,0, Weil?e 11300 (Stab 5,5, Segm 66,5, Eosin 1, Base 0, Mono 6, Lympho 21), Granula etwas vergrSbert, Thromboeyten leicht vermehrt. 14.6.46. Blutzucker 132 rag-%. Pat. ist fast reaktionslos und atmet ganz oberfl/~chlich. 15.6.46. Trotz dauernder intensiver Stimulation tritt der Ted ein. Selction am 15.6.46 (Auszug aus Protokoll Nr. 801/24 des pathologischanatomisehen Institutes Zfirich, dessen Uberlassnng wir I-Ierin Pier. vo~ Mv,~C]~z;~tTr~Gvei danken) : Kleine weibliche Leiche in mittelm/~l~igem ]~rn~hIungszustand. Fettgewebe recht gut erhalten, besonders fiber Abdomen und Oberschenkeln. Gesicht auffallend greisenhaft, Kiefer zahnlos. Haut welk, trocken, gelbiicb-weiB; im Gesicht, an den Vorderarmen und fiber der vorderen ThoraxapeItur bis ]insengIoBe, briiunliehgra~a pigmentierte tIautbezirke, an Stirn-ttaargrenze Depigmentierungen. Haupthaar grauweig, gelichtet. Scham- und Achselhaare fehlen. N/igel deutlich gerillt. Augeres Genitale auffallend klein. Innere Organe allgemein atrophisch. An pathologischen Ver~inderungenfinden sich ein chronisch substantiel]es Lungenemphysem, verkalkte Bifurkationslymphknoten und beidseits SpitZenschwielen, leichte Dilatation beider tterzkammern
Untersuchungen zwischen Psychop~thologie und Endo~'inologie.
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und Atrophie yon Ztmgen-, 0sophagus- und Magenschleimhaut. Innere Genitalien ausgesprochen klein.
Inkretorische Organe: Thymus: nicht zu finden. Pankreas (8chnitt dtlrch Kopf): eher klein (35 g) mit auf Schnitt ziemlich groben, d~rben L~ppchen. Mikroskopiseh z~lgen sich kleine, scharf begrenzte durch Fettgewebe etwas a Ltseinanderged~'~ngte Drfisenl~ppchen. Die acin~ren Komplexe weisen polygonale Zellen mit rundlichen Kernen auf. ])as Bindegewebe ist einzig perivascul~r deutlich vermehrt. Die Ausffihrungsg~nge zeigen stark hyalin verdickte Wandungen. Die Inseln sind relativ vermehrt und absolut vergr5Bert. Gegen den DrfisenkSrper zu sind sie din'oh feines Bindegewebe abgegrenzt, zeigen grol~e Zellen mit deutlichen Kernen und hellem Cytoplasma und enthalten feine Capillaren. Das intrainsul~re Bindegewebe ist zart. Nebennieren: auff~llig l~lein und flach (3 g). Auf Schnitt 3schichtig. Histologisch: Kapset hochgradig fibrSs verdickt. Gegen das Zentrum zu ziehen feine, fibrillate Bindegewebsziige. Das loerivascul~re Bindegewebe ist im Zentrum vermehrt. Die Rindenschicht ist in ihrem Aufbau erhalten, ~enn auch schmal. Mark sehr sp~rlich vorhanden. Es linden sich nur kleinere Inseln aus chromaffinen Zellen. Ovarien: beidseits etwa mandelgroB, auf Schnitt weil31ich, derb. Tuaica albugiuea stellenweise deutlich hyalin verdickt. Rindenschicht auL fallend kernarm, sehr faserreich, vollkommen ohne Follikelbildung. Keimepithel fehlt. Es linden sich im Mark rtmdliche, bindegewebig begrenzte Bezirke mit halskrausen~rtig geb~nderten, leicht eosinophil getSnten Massen ohne Kerns~ruktur, stark verfettet, auf van-Gieson-Schnitt blalLrStlich, verquollen. In deutlic h kernreicherem Stroma liegen zwei zylindrische, grSl~ere Gebilde. Die eine Cyste ohne Inhalt, mit ein- bis mehrschichtigem, eher flachem, nicht verfettetem Epithel. Die andere mit wabig-schaumigen Massen, die tei]weise sehr gro~e, mehrkernige Zellen enthalten, deren Cytoplasma zum Teil verfettet ist. Das auskleidende Epithel ist meis~ einschichtig, stark verfettet und enth~lt einzelne Becherzellen. Die meist im Mark verlaufendea G e f ~ e zeigen hochgradig verdick~e, verfettete Wandungen, ihr Lumen ist dutch abgestoSene oder gewucherte Intima verlegt, blu~leer. ~ u r einzelne G e f ~ e mit schmalen, nicht verfetteten Wandungen und klaffenden, bluthaltigen Lumina. Im ganzen Ovar ist d~s Bindegewebe sehr stark vermehrt: Eindruck vSlliger Fibrose. Thyreoidea: klein (12,5 g), attf Schnitt ist das Gewebe derb, wei~lich. 1N~ur stellenweise ge!b gl~nzende L~ppchen. Mikroskopisch besteht sie aus kleineren, durch breite Bindegewebssepten getrennten Drfisenl~ppchen, die Septen aus brei~en, meist verquollenen, kernarmen, hya]inen Fasern. Die Gef~l~e weisen stellenweise verdickte und verfettete ~r und weite Lumina auf. Die L~ppchen zeigen eine kleinl~ppchenfSrmige Anordnung des Driisengewebes. Das Epithe] ist kubisch bis fiaeh-kubisch, das Cytoplasma zeigt kugelige sudanpositive Einschlfisse. Kolloid fehlt f~st fiberall. Das Drfisengewebe is~ recht oft mit diehten ]ymphplasmoey~ren Infiltraten durchsetzt, die Septen sind frei. G1. ~garathyreoideae: nicht uutersucht. Ep@hyse: 8 • 10 • 2 ram. Von normalem Bau. Leichte Bindegewebsvermehrung. Hypophyse: Es linden sich nurmehr ganz sp~rliche, mikroskopisc'h kleine, atrophische l%es~e,uud zwar des Vorder- uud ttinterlappens, haftend an der Dura des Diaphragmu sellae, des Boctens der Sella tt~rcica uncl am Hypophysenstiel (Serienschnit~e). Die an der Dura haftenden kleinen Zellschl~uche bes~ehen aus epithel~hnlichen Zellen mit ~ntncI~nKernen und hellem Plasma. Zuweilen legen sie sich zu Alveolen zusammen, die teilweise Kolloidtropfen enthalten. Hie und da
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]:[. W ~ :
erkennt man eosinophil getSnte Ze.llen, basophile sind nirgends zu erkennen. Feine Capillaren durehziehen dieses Gewebe, an einigen Stellen is~ es in loekeres Bindegewebe eingeschlossen. St~rkere Bir~ciegewebsvermehrtmg oder gar Sklerose ist nirgends zu erkennen. Im Hypophysenstiel finder sieh die fiir diesen Oft Spezifische Glia, daneben gewShnliche Gliazellen, ganz sp~rliehe Gang]ienzellen, sehr zahlreiehe CapillaI'em Auf der einen Seite des Stiels zeigt sich Drfisenparenchym, hie und da mit Ko]Ioid gefiillte Alveolen bildend. Einzelne Zellen sind eosinophil gef~rbt. Aber weder hier noch in den oben beschriebenen Hypophysenresten ist eine deutliche DifferenzieInng in die drei Zellarten mSglich. Him: 1250g. Windungen schmal, oberfl~chliehe GefaBe hyper~misch. Graue Substanz gut durchblutet, Ventrikel nicht erweitert. Stammganglien ziemlieh klein, Substantia nigra gut entwicke]t. Hirnrinde und subcorticale Zentren zeigen aul3er dem lateralsten, ventra]sten. Tuberkern mikroskopiseh keinerleiVer~nderungen. ]=[ierist ein Fremdstoffin die Ganglienzellen eingelagert, der sie aufbl~ht. Die Kerne sin4 verkleinert and h~ufig in die Ecke eines abgehenden Dendriten gedriick~, den sie wie ein Pfropfen verschlieBen. Pathologisch.anatomische Diagnose. ,,Pluriglandul~re Insuffizienz" laut klinischen Angaben. Atrophie der I-Iypophyse. Schwielige Verdicknng der basalen Leptomeninx. Atrophie der Nebennieren und der Thyxeoidea. Thyreoiditis interstitialis chronica. ISypoplasie cter Genitalorgane. Fibrose beider Ovarlen. Fehlen yon Seham- und Achselbehaarung. Senium praecox. Fleckige PigmentieInng unct Depigmentierung der Gesichtshaut. Allgemeine An~mie. Hoehgradige Atrophie der Zungen- and Magensehleimhaut. Allgemeine Atrophie der inneren Organe. Dilatatio cordis, braune Atrophie des Myokards, Endokardfibrose. Chronisch substantielles Lungenemphysem, Spitzenschwielen beidseits, verkalkte Bifn~kationslymphknoten. Geringgradige allgemeine ArterioskleIose. Ganz sp~rliche, mikroskopisch kleine atrophische Reste der IIypophyse, nnd zwar des Vorcter- und ]~interlappens, haftend an der ]:)nra des Diaphragma sellae, des Bodens der Sella turciea und am ttypophysenstiel.
Zusammen]assung. M . L . , geb. 1889, Schneiderin, war his 1943 nie ernstlich krankl Seit jeher war sie mager, untergewichtig, blaI~ und schwi~chlich, etwas zuriickgezogen, psychisch sonst abet unauff~llig. Menarche mit 14 Jahren, Menopause mit 32 Jahren. Seit ihrem '22. Altersjahr allm~hliches Ausfallen yon Scham- und Achselhaaren. Frfihzeitiger Zahnver]ust. Seit einigen J a h r e n Li~ngsrillung yon Finger- und Zehenn~geln. Vom Sommer 1943 a.n e~twickelte sich nun die Xrankheit plStzlieh in raschem Tempo und k]inisch wurde die plurig]anduli~re StSrung immer deutlicher faBbar, wobei nie die Symptome yon seiten einer einzelnen Driise ganz im Vordergrund standen. Zu Zeiten dominierten ausgesprochene psychische Ver~nderungen das Xrankheitsbild. l~Srperlich imponierten vor allem eine ungewShnliche muskul~tre Adynamie, verbunden mit starker Mfidigkeit und Apathie, d a n n aul~erordentlich stark sehwankende Blutdruekwerte (zwisehen 70 und 180 m m t t g aIs systolischem Maximum), meist zeigte sich jedoch eine ]-Iypotonie. Das ~liissigkeitsbediirfnis der Patientin war sehr gering, die ttarnmengen klein, wie man es bei Unterfunktionen tier H y p o p h y s e n
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meist sieht, ungewOhnlich war 'dagegen das trotzdem sehr niedrige spezifische Gewicht des Urins. UngewShnlich auch die sehr hohen Werte der Blutk6rperchensenkungsreaktion. Grundumsatz und spezifischdynamische Eiweil~wirkung konnten bei dem paranoid-miBtrauischen Zustand der Patientin leider hie bestimmt werden. Am auff~llig'sten waren abet die Blutzuckerwerte, welche sieh immer an der unteren Grenze der Norm bewegten und in unregelma$igen Abst/~nden fiir die Datmr yon mehreren Tagen sehr tier absinken konnten, zu dreien Malen his beinahe auf 30 rag-%. Der Liquorzucker erwies sich bei einer Untersuehung ebenfalls vermindert. Eng aber nicht vO11ig korrelier~ mit den hypog]ykamischen Zust/~nden traten akut vortibergehendo deliriOse Zustande mit Verwirrtheit, optisehen und akustischen I-Ialluzinationen, Beeinflussungsideen, Wahnideen, Somnolenz und mehrreals sogar Korea auf. Zu diesen Zeiten 6fters Erbrechen. Einige der' hypoglyk~tmischen Zustande zeigten nur den Charakter eines Kollapses' mit Tachykardie, kaum ftihlbarem Puls, blasser Cyanose, Schwitzen, ,Untertemperatur und starker arterieller Hypotonie. Interessanterweise war der Blutzueker mehrmals'erst beim Abklingen der Delirien am niedrigsten. Anfangs war Patientin zwisehen diesen Ausnahmezust~nden psychisch vollkommen normal wie vor der Erkrankung, seit Anfang 1944 aber wurde sie auch in den Zwischenzeiten zunehmend apathisch und negativistisch. Die Halluzinationen und Wahnideen blieben ungef~hr ab Mitre 1944 aueh in diesen Zwischenzeiten aeutlich undes entwickelte sich langsam das Bild eines Paranoids, wobei freilieh die Patientin yon ihre~ Wahnideen und Halluzinationen spontan meist nur s~hr wenig /s Ende 1945 machte sie eine Otitis media rechts durch, die auf entspreehende Therapie gut abheilte. Anfang Juni 1946 dann eine Otitis media~links. Der Kreislauf versagte sehr bald und sie starb Mitte Juni 1946 in ]eicht kaehektischem Zustand. Die Sektion ergab neben Sp]anchnomikrie, genita!e~' Hypoplasie und Atro]ghie der Schleimhaut des oberen Verdauungstraktes krankhafte Ver/tnderungen fast aller endokrinen Organe, h6ehstgradige Atrophie tier Hypophyse, sowohl des Vorder- als auch des Hinterlappens, Atrophie der Nebenniere mit leichter Vermehrung des Bindegewebes, eine ehronische interstitielle Entziindung der etwas' atrophischen Thyreoidea und Fibrose beider Ovarien. Diskussion des Falles. Klinisch wie pathologisch-anatomisch bietet sich also in unserem Falle in typiseher Weise das yon FALTA skizzierte ]3ild der multiplen Blutdriisensklerose. Es ist vielleicht hier am Platze, auf die Problematik des Begriffes der multiplen Blutdrfisensklerose hinzuweisen. Neben anderen Autoren
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H. WIPF:
halt z. B. MARX in seiner jiingsten, handbuchartigen Darstellung der endokrinen St6rungen die Frage der multiplen Blutdrfisensklerose ffir sehr umstritten. Die schwere, chr0nisehe Kachexie, welehe das Krankheitsbild eharakterisiert, glaubt er nieht sicher yon der hypophysaren Kaehexie unterscheiden zu k5nnen, ebenfalls ]ehnt ei' die Annahme ]~ALTAS ab, die Mitbeteiligung yon iNebenniere und Sehilddrfise stelle eine Besonderheit dar und babe ausgesprochenen differentialdiagnostisehen Wert; denn tIypotonie, Pigmentierung, niederer Grundumsatz unter anderen Zeichen seien auch als typische Symptome der reinen hypophysaren Kach@xie bekannt. Die therapeutische Wirl~ungslosigkeit yon Hypophysenvorderlappenpraparaten diirfe ebenfalls nicht zur Differentialdiagnose herangezogen werden, da sie aueh in Krankheitsfallen klarer hypophysarer Genese versagen kSnnen. Der Hypophysenvorderlappen hat mannigfaltige Aufgaben zu erffillen und ist zusammen hlit dem Hypothalamusgebiet als iibergeordnetes Inkretorgan tatig. Bei seinem Ausfa]l sinkt die Funktionstiichtigkeit der andern, durch ihn stimulierten BlutdrSsen - - sie kSnnen sogar atrophieren" - - und es entsteht das Bild der pluriglandularen Insuffizienz. ,,Die SI~MO~Dssehe Krankheit ist an und fiir sich eine pluriglandtilare Insuffizienz" (KYLIN). Beim Durehgehen des Schrifttums fiber die SIMMO~Dssehe Krankheir und die sog. multiple Blutdrtisensklerose bekommt man nieht den Eindruek, dat~ bei diesen letzteren Fallen klinisch ein Krankheitsbild sui generis vorliegen mfisse. Die Symptomatologie der multiplen Blutdrfisensk]erose ist so wenig einheitlich wie die der SIMMONDsschen Krankheit, wenn man bei dieser ihre verschiedenen Auspragungsgrade und ihre mSglichen Erscheinungsformen je nach dem Grad der Mitbeteiligung anderer Driisen neben der Hypophyse - - ins Auge faBt. Die multiple Blutdriisensklerose stellt nun zwar sicherlich ein besonderes pathologisch-anatomisches Bild dar, wenn man die hochgcadige VerSdung aller inkretorisehen Drfisen mit der Atrophie des spezifischen Parenehyms ins Auge faint. Aber ware es nieht trotz der durch den Patho]ogen festgestellten anscheinend gleiehzeitigen und gleichartigen Veranderungen in allen Blutdriisen erlaubt, die primate StSrung im Hypophyser/-Zwischenhirnsystem zu suchen und anzunehmen, dal~ bei sehr langer Dauer der Erkrankung (z. B. in unserem Fall) alle Blutdrfisen mit der Zeit eine ghnlich starke Veranderung wie die g y p o p h y s e aufwiesen ? Bei versehiedenen Fallen yon SIM~ONDsscher Krankheit - es ist ja dies eine sehr ehronische, sieh fiber Jahre hin erstreckende Erkrankung - - finder man die andern endokrinen Drfisen aueh verandert, teils sind sie atr.ophisch, tells sogar sklerotisch. Ein in der Betrachtung der S1MMO:~DSschen Krankheit meist weitgehend unbekannter F a k t o r ist die Zeit, dl h. Beginn und Dauer der Erkrankung und es l~l~t sich
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wohl denken, dab bei genfigend lange dauerndem Ausfall der ,,tropen Hormone" sieh niehg nut funktionelle St6rungen, sondern aueh starke, anatomiseh fagbare L/isionen der endokrinen Drtisen finden lassen. Im hypophys~tr-hypothalamisehen Regulationszentrum haben die Hormondrtisen den Sehnittpunkt ihrer Wirkungen und den Ausgangspunkt yon r~egulierenden Gegenwirkungen und bier wird ihre Korrelation, einmal untereinander, dana mit dem vegetativen und ferner dem zentralen Nervensystem am deutliehsten siehtbar. Es ist ja bekannt, dab jede pluriglandul~re St6rung den Verdaeht auf prim'~r hypophysare Genese lenken rout3. Halten wir, wie die meisten Au~oren, dafiir, d~t~ fiir das Entstehen der multiplen Blu~drtisensk]erose eine einzige Noxe angesehuldigt werden soil (Lues, Tuberkulose usw.), so glauben wir sie pathogenetisch am zwanglosesten damit erklaren zu k6nnen, dab sie das so ]ebenswichtige l%gulati~)nszentrum gesch~digt hat, wie es beim SI~IMONI)sschen Syndrom aueh der Fall ist. Ganz abgesehen davon, w/~re es merkwfirdig, dal3 eirj schadigendes Agens spezifisehe Affinitgt zu allen endokrinen Ddisen haben sollte, we]ehe strukturel] ja so auBerordentlich unterschiedlieh gebaut und entwieklungsgesehichtlich so verschiedener Herkunft sind. Wir finden aueh in der Literatur versehiedentlich die Tendenz, die Erkrankung der Hypophyse bei der multiplen Blutdriisensklerose als primum movens anzunehmen, alles fibrige ihr unterzuordnen und die Symptome yon seiten der andern Driisen auf den Ausfa]] der adenotropen Hormone der Hypophyse zurfickzuffihren, SIMMONDssehe Krankheit und multiple ]31utdriisensk]erose also pathogenetisch gleich zu werten. Streifen wir noch rasch Begriff und Symptomatologie der SIM~IONDssehen Krankheit, um zu erkennen, welch groBe l"V[iihees kostete, das klinische Erscheinungsbild der mu]tiplen B]utdriisensklerose yon ihr abzugrenzen. Als kurze, pragnante Skizzierung des ]3ildes wahlen wir diejenige yon W]~ISS und ENcI~ISIt. Sie fassen die SIMMONDssehe I
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H. Wn'~':
Nach MARx kSnnen wir zwei Verlaufsformen der SIMMO~Dsschen Krankheit unterscheiden. Die gutartige Form weist nur selten pathologisch-anatomisehe Ver-~nderungen auf (diese l~alle kommen allerdings auch selten zur Sektion !), vor allem l~ibrose des Hypophysenvorderlappens, gewShnlich vermutet er tiefgreifende, sehr lang andauernde funktionelle StSrungen des tIypophysenvorderlappens bei allen m5gliehen _Noxen, wie z. B. Infektionskrankheiten. Bei der bSsartigen, in langsamer Progredienz unaufhaltsamzur Kachexie und zum Tode fiihrenden Form finder man besonders h~ufig postpuerperale Thrombosen, viel weniger h~ufig auch Embolien, beide mit konsekutiver l~ekrose. Septische Embolien werden auch erwghnt, l%rner Gef~Bspasmen und ischihnische Infarkte, Blutungen, leukamische Infiltrate, prim~re und metastatische Gesehwiilste, nichtspezifisehe oder spezifisehe Entziindungen (Gummen, Tuberkel, Abseesse usw.), Parasiten, Sch~ide!traumen , einfaehe Atrophie (FAr,TA, MArx, KYLIN). 9In den meisten F~illen diirfte so die Ursaehe des klinischen Symptomenkomplexes ,,SIMMONDsscheKrankheit" auf einem organisehen Prozef~ in der Adenohypophyse beruhen. In einigen l~Mlen ist diese jedoch vollkommen intakt und man kann dann zerstSrende Prozesse im Hypophysenstiel oder im Boden des 3. Ventrikels linden. I)er die SIMMO~DSsche Krankh.eit erzeugende pathologiseh-anatomische Prozel~ tritt also irgendwo im gypophysen-Hypothalamusgebiet auf. In wieder andern Fi~llen vermil3t man iiberhaupt eine anatomiseh fal~bare L~sion nnd:darf vielleicht annehmen, dab die Erkranknng auf Verschiebungen des inkretorisehen Mechanismus beruhen kSnnte (KYLIN). Die Ursache der Erkrankung Unserer Patientin - - um wieder zu ihr zuriickzukehren - - liegt im ])unkeln. Es ist keine Lues und keine floride Tuberkulose naehweisbar, wie dies bei einigen andern sog. multiplen Blutdriisensklerosenf.allen beschrieben ist (CLAuDE-GOUGEROT, I-IIRSCH-BERBERICH, LINDEMANNU.a.). Anamnestisch sind weder Geburten, P uerpera]sepsis, noch andere ursi~chliche Erkrankungen zu eruieren. Wohl hat die Patientin wahrscheinlich eine Lungentuberkulose durchgemacht (verkalkte Bifurkationslymphknoten), aber weitere Streuungen oder gar aktive Herde lassen sieh nicht feststellen. Am ehesten, lassen sich konstitutionelle Ursaehen vermuten. Die Patientin war kSrperlieh immer schwaehlich, psyehisch immer still, beseheiden, zuriiekgezogen, antriebsarm, also psyehiseh wie kSrperlieh deutlich astheniseh und ware vielleicht schon vor der Erkrankung zu den ,,Blutdriisenschwi~ehlingen" ZU zahlen. Auf~erdem machte ihre Nichte einen Zustand durch, der auf hypophysare Magersucht sehr verdachtig ist. Im histologischen Pri~parat sieht man keine Hypophyse, nur sp~rliche, verstreute Parenchyminseln. Wir miissen hier einerseits auch mit der MSglichkeit rechnen, dal~ primer gar keine eigentliche
Untersuchungen zwischen Psychopathologieund Endokrinologie. 481 Hypophyse angelegt worden ist und andererseits, dab sie nach einer Embolie init Nekrose oder einer andern L~isioli fast vollkommen resorbiert worden ist, wobei die sp~rlichen Reste doch noch fiir ein ziemlich langes Leben ausgereicht haben. i),eli Beginn der Erlcrankung dtirfen wir wohl im 2. Dezelinium annehmen. Mit ungefi~hr 22 Jahren begalin ja der Ausfall der Schammid Achselhaare, mit 32 Jahren trat die Menopause ein ulid s~Lmtliche Z~Lhne verloren sich sehr frtih. Sehon seit jeher zeigte die Patientin asthenischen Wuchs und grol~e Schw~chlichkeit. Erst im Alter yon 54 Jahreli traten p]Stzlich IIeue, schwere Krankheitssymptome auf und yon da ab ging es zunehmelid schlechter. Immerhin dalierte es dann noeh 3 Jahre bis zum Tode. Wohl erw~hlit FALTA nnter den Symptomen der Inultiplen Blutdrtisensklerose Hypoglyk~imie, wie wir sie ausgesprochen beobachteten, abet in der weiteren entsprecheliden Literatur sind dariiber sehr wenig Angaben zu linden. Bei der SIMMONDSsehen Krankheit ctagegen ist die Erniedrigung des Blutzuekers ein sehr konstantes Symptom (I~ALTA, MAI~X, I~YLIN, V. BERGMANIq,MAI~QUAND-TOzER,WEIsS-ENGLISHu. a.). LUCKE und WILDEI~betonen die oft vorhandelie Insulinempfindlichkeit un,=l die Neigung zu Spontalihypoglykamien, bei welchen die vasomotorischen Erscheinungen immer stark ausgepragt zu scin pflegen: Der Zuckerbelastungsversuch zeigt sehr unterschied]iche tCesultate, es lassen sich keine Gesetzm~il3igkeiten erkennen. Man finder hi~ufig Kranke mit Ininimaler l%eaktion des Blutzuckers, solche mit normalem Aiistieg ulid verzSgerter l~fickkehr zum Ausgangswert, ancIere mit ausgepriigter hypoglyk~mischer Nachschwankung, dalin wieder Kralike mit iiberm~i~ig steilem Anstieg auf hohe Werte usw. Anderseits werden auch F~lle schwerster Kaehexie mit normaleli B]utzuckerwerten and normalem Verhalten des Kohlehydratstoffwechsels beobachtet (W. C. MEYEI~). Eineli interessanten Fall yon SIMMONDsseh.er KrankheiL, der in gewisser Beziehung an unsere Patielitin erinnert, besehreiben WADSWOI~TtI und MOKEON bei einer mit 51 Jahren verstorbenen Frau, bei der sich de]iriSse Erscheinungeli Init den hypoglyk~imischen Krisen verbanden. (Der Fall wirct weiter unten noch genauer referiert.) Wir h~ben zur Betrachtung der Psychose unserer Patientin tiberzugehen. Ihre psychischen StSrungen lassen sich zeitlich in drei ziemlich scharf voneinander abgesetzte Phasen gliedern: ~) Das prdpsychotische Stadium, cias erscheiliungsbildlich als Psychasthenie bezeichnet werden kann. Es l~13t sich bis in die Jugend zurtickverfolgen und bestand in ausgesprochenem Mal~e wiihrelic[ der ganzen ]Zeifejahre welter, nachdem zu Beginn der 20er Jahre d.ie ersten k5rperlichen endokrinen StSrungen eingesetzt hatten. 31"
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H. W~eF:
b) Die a/cute Phase yon rezidivierenden deliriSsen Zust~nden, Hand in Hand mit der erhebliehen kSrperlichen Versehlimmerung, welche mit 54 J~hren einsetzte und einige Monate dauerte. c) Die chronisch-psychotische Phase, die ffir sieh allein betraehtet einer chronischen loaranoiden Sehizophrenie glieh und die 21/2 J~ahre bis zum Tode weiterdauer~e. Ihrem Wesen n~eh am einf~chsten und klarsten zu deuten ist die a/cute Phase: es handelt sich hier z'weifellos um eine delJri5se Psyehose, welehe zum ~kuten exogenen Re~ktionstypus n~eh BONHSFFEE z u rechnen ist. Dem Verlauf nach ist sie gekennzeiehnet durch perakuten Beginn, kurze Dauer (mehrere Stunden bis wenige T~ge), rasehes Abk]ingen,'mehrf~ehe Wiederholung. Psychopathologiseh stehen mannigf~ehe Halluzin~tionen, vor allem akustisehe im u namentlich Stimmen, abet aueh elementare Erseheinungen (Katzenmusik). Sie vcerden auf das linke Ohr allein lokalisiert. Dazu visuelle (Gestalten) und som~tisehe (e]ektrischer Strom) Halluzinationen. Affekt ~ngstlieh, den Halluzinationen ads Sensorium meist erhalten, aber oft Ubergang in somnolente und soporSse Zust~nde. Diese Zust~.nde treten vorerst in engem, abet nicht oblig~torisehem Zusammenhang mit kSrperliehen Kollapszust~nden auf, gekennzeichnet dureh allgemeinen Zerfal], sehr sehleehten Puls, niedrigen Blutdruek, Hypoglyk~mie und werden so bedrohlieh, d~I~ manehmal stfindlieh der Tod beffirehtet wird. ~reilich muI~ bei der Deutung dieser psyehischen StSrung zugegeben werden, d~f3 sie insofern yon den gewShnlichsten deliriSsen Zusts versehieden sind, als die Ha]luzinationen oft be~ erh~ltenem Sensorium ab]aufen; es ist dies jedoeh etwas, das uns yon vielen ~kuten exogenen Delirien her bereits bekannt ist: yon der Alkoho]ha]luzinose0 yon vielen posttr~umatisehen Delirien, der yon STOLL besehriebenen LSD.-Vergiftuug usw. Es muB ferner zugegeben werden, dal] sehizophrene Delirien kurzdauernde H~lluzinosen setzen k5nnen, die den #orliegenden gleieh oder ~hnlieh sind; trotzdem wird sie niema~d ~ls sehizophren deuten wollen: ihre Symptom~tologie ist welt eh~rakteristischer ffir org~nische als ffir schizophrene Delirien, sie stehen in engem zeitlichen Zus~mmenh~ng mit Somnolenz, Sopor und schweren k5rperlichen Kollapserscheinungen. Aufierdem ist die P~t~entin in den Zeiten zwisehen den Delirien v511ig klar und ~ffektiv ~uBerordentlich zug~nglieh, ~nschlulL und hilfebedfirftig. Viel sehwieriger zu beurteilen ist die ehronisch-psychotisehe Phase unserer Kranken: wenn man bedenkt, dal~ sie s einer akuten org~nisehen Psyehose hervorgeht und dab sie sich ~uf eine tSdliehe kSrper. ]iche Kr~nkheit aufpfropft, wird m~n natfirlich yon vorneherein geneigt sein, sie ~ls or~anisehe Psyehose und nieht als Schizophrenie anzuspreeheu. So eindeutJg diese SchluBfo]gerung scheint, so wenig wird
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man die unbequeme Feststellung beiseite drangen diirfen, dab die Psychopathologic unserer Kranken, allein und unabh~ngig yon Verlauf und K6rperbefund betrachtet, einer chronischen paranoiden Schizophrenie zum Verwechseln ahnlich sieht. Es ist sehr wahrscheinlich, dab beinahe jeder Arzt, der die Vorgeschichte nicht gekannt and ein Skotom ffir den KSrperzustand gehabt h~itte, die Psychose tier Patientin im chronischen Stadium als Schizophrenic diagnostiziert haben wiirde, so sehr sic auf Grund des Ver]aufs, der kSrperlichen Begleitsymptome und tier Sektion a]s organische Psychose anzuspreehen ist. [m allgemeinen dtirfen wit feststellen, dab chronischen sehizophrenen Zustanden eine erkennbare k6rper]icheXtiologie nicht zukommt. Hier stehen wir einer Ausnahme yon dieser allgemeinen Regel gegenfiber und miissen uns fragen, inwieweit sie unsere tibliehe Diagnostik erschtittert. Vorerst ist festzustellen, dal~ die Psychosymptomatik unserer Kra.nken im Stadium der chronisehen Psychose zwar mit der Annahme einer ehronischen paranoiden Schizophrenic ~=ereinbar gewesen ware, dab sie abet irnmerhin fiir eine chronische Sehizophrenie nicht gerade charakteristisch war. Die Ha.lh~inationen, die Wahnideen, die Apathie und der Autismus der Patientin waren gleich wie bei einer chronischen Schizophrenic. Was aber ffir eine Schizophrenic nicht, typisch war, ist die Art der DenkstSrung. Die Patientin war meist wenig mitteilsam. Ihre Ansprtiche bezogen sich oft auf ihre halluzinatorischen and wahnhaften Erlebnisse and waren nur soweit verstandlich, als diese verst~ndlich waren. Was sic sagte, war im ganzen aber anschaulicb und t~lar. Die Zeichen der typisehen Zerfahrenheit fehlten, ebenfalls feh]te die ffir Schizophrenie typische AffektstSrung. Gewil3 waren ihre Verstimmung, ihr Negativismus, ihre Apathie und ihr Autisinus yon einer Art, wie sie 5fters auch bei Schizophrenen zur Beobachtung kommen, dagegen fehlten die Zeiehen der Ambiva]enz and der inadaquaten Affektivit~t, es fehlte das Leere, Thea~ralische, Affektierte, Gezierte der schizophrenen Affektaugerung. Auch das subjektive Erlebe~ der Psychose lieB eine typis:ch schizophrene Note vermissen: o die Patientin, die im akuten Stadium sich bald ganz den t]alluzinationcn hingegeben, bald volle Einsicht in dieselben gewonnen hatte, lebte im ehronischen Stadium vSllig ihren Wahnideen und Sinnest/~uschungen; ein Depersonalisationserlebnis im Zusammenhang damit licit sich nieht anfdecken. So werden wit sagen miissen, dab die chronische Psychose unserer I~ranken einer Schizophrenic zum Verwechseln ahnlich war, dab sie so aussah, wie viele Schizophrenien, die unnahbar sind, eben auch aussehen, dab es sieh abet nieht um eine chronische Psychose handelte, bei tier die schiz0phrenen Symptome voll nnd klassisch ausgebi]det gewesen w/tren.
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I-I. W ~ :
P~l~t umgekehrt alas psyehopathologische Bild der Patientin in die bekannten Bilder org~nischer ehronischer Psyehosen hinein ? Sieher ist, dal~ ein amnestisches Syndrom zur Hauptsache fehlte und nur angedeutet war. Die PersSnlichkeitsver~nderungen der Patientin fiigen sieh d~gegen voll und ganz in jenes Psychosyndrom ein, das als Zwischenhirnsyndrom bes~chrieben women ist und das wir in unserer Klinik auf Grund yon Untersuchtmgen, die erst zum kleinsten Teil publiziert sind, vorsichtig~r und allgemeiner als hirnlokales Psychosyndrom ansprechen. In der so schSnen Besehreibung des Zwischenhirnsyndroms yon STE~Z heiltt es: ,,Senkung des allgemeinen psyehischen Energieniveaus, welche sieh auf alle psychischen Leistungen auswirkt. Die an sich nicht gesch~digten Apparate des Hirnmantels werden nicht oder nur uavollkommen in T~ttigkeit gesetzt. Auf dem Gebiete des Denl~ens wirkt sich das ~ls eine Art Demenz, auf dem des Ged~chtnisses als ein Korsakow-ghnlicher Zustand aus. Auf dem Gebiete des Gefiihlslebens finder man bei durchschnittlieh fiacher Euphorie ein spontan und re~ktiv apathisches Verhalten, auf dem Willensgebiet fehlt jegliche Initiative, so dat~ es bis zu einer Art Stupor kommefi k a n n . " Wir wissen heute, dab den Zwischen- und Mittelhirnerkrankungen St6rungen des elementaren Affekt- und Trieblebens zugeordnet sind. Einers~its gesteigert e Ansprechbarkeit und VergrSberung der vitalen Affekte und Gefiihle (wie Frische, Gesundheitsgefiihl, Euphorie, eventuell sich steigernd und ~ortschreitend bis zur Enthemmung, zu manischem Verhalten und impu]siver Triebhaftigkeit), ~nderseits Zust/~nde, in denen diese Vitatgefiihle vermindert sind oder gar nicht mehr ansprechen (~fidigkeit, Apathie, Krankheitsgeffihl, Depression, inhaltlose Angst, im Extrem Indolenz, Passivit~t und Stupor (STA~HEt~I~). Zweifellos paBt die PersSnlichkeitsver~nderung unserer Kranken in ihrem chronischen psychotischen Stadium mit ihrer Apathie, ihrer 3/[iidigkeit, ihren Verstimmungen, ihrer Unansprechbarkeit in dieses Brig eines hirnlokalen Psychosyndroms hinein. Es ist denkbar, dab es mit den im Sektionsbefund beschriebenen degenerativen Veranderangen im Hirnstamm im Zusammenhang steht. Es l~tBt sieh abet aueh leicht allgemeiner erkl~iren und mit der ganzen Blutdriisenkrankheit in direkten Zusammenhang bringen: zwischen Dieneephalon und Hypophyse bestehen ja enge funktionelle WeehseLvirkungen. Die multiple Blutdriisensk]erose mug man deshalb zu den Erkrankungen z/ihlen, die sieh sehr wohl in den Rahmen der hirnlokalen Psyehosyndrome einfiigen kSnnten, selbst wenn sich keine anato'misch faBbaren tIerd]itsionen fi~nden. Wir mSehten an dieser Stelle auch auf die bekannten Arbeiten yon W. 1~. H]~ss verweisen, Ergebnisse yon Versuchen an Katzen, welehe
Untersuchungen zwischen Psychopathologicund Endokrinologie. 485 viele Parallelen zur Zwisehenhirnpathologie beim Menschen ergeben. Er vet alleln betont, dab es keine fokusartige Repr~tsentationen einzelner dieneephaler, speziell hypothalamisoher ~unktionen gibt, ganz im Gegensatz zu den motorischen Zonen des Cortex. Seine elektrisohen Reizversuohe ergeben, dal~ gewisse Herde im FIypothalamus zu stark vergndertem psyehisohen Gesamtverhalten der Tiere fiihren, z. B. im Sinne einer trophotropen-endophylaktisehen Reaktionslage: motorisehe Tr~igheit, Mangel an Spontaneit~t, Energielosigkeit, Sehlafsucht und ~aohlassen des ]~ein]iehkeitstriebes. Bei Reizung anderer Gebiete dagegen trat gegenteiliges Verhalten im Sinne einer ergotropen Reaktion auf. Den gesamten somM,is0hen und psychisehen Energieabfall kSnnen wir also bei unserer Patientin als St6rung im subthalamischen Gebiet deuten (wahrscheinlioh funktionell, da sieh keine 4eutlieh morphologiseh faBbaren StSrungen zeigten), abhgngig veto Ausfall des hormonMen Antriebs- und t~egulationszentrums, der I-Iypophyse Es ist nun freilieh das Gesamtbild der ehronisehen Psyehose unserer Patientin mit ihrer Einreihung in das hirnlokMe Psyehosyndrom nooh nieht gewiirdigt. Man fand ja nieht nut die ffir das hirnlokale Psychosyndrom charakteristischen Antriebs- und Stimnlungsst6rungen, sondern dazu eine dauernde Wahnbildung und dauernde oder sehr hgufige I-Ialluzin,~tionen. Wenn diese nicht zum gewShnlichen Bilde eines ohronisehen hirnlokalen Psychosyndroms gehSren, so stehen sie aber selbstverstgndlieh nieht mit der Annahme eines solehen in Widerspruch. Uber die Art ihres Zustandekommens'kSnnen zwar nur Vermutungen gegul~ert werden. Die am n~ehsten liegende geht davon aus, dal3 die Halluzinationen und die mit ihnen verkniipften affektgeladenen wahnhaften Vorstellungen anfangs vor allem im Zusammenhang mit sehwerstem Kollaps beobaehtet wurden, so dal~ sie wesensgleida ersehienen mit Inanitions- und Intoxikationsdelirien. E s haben sioh aueh iln ehronisohen Stadium der Psychose Stoffweehselkrisen gezeigt, "wenn aueh nieht so schwere wie zu Beginn. 7Es kann sich bei der Patiel~tin also um immer wiederholte akute und subakute deliriSse Erscheinungen handeln, die sehliel31ich einen Residualwahn zuriiekgelassen haben. Sehr oft ksnnen wit ja einen solchen n~eh vielfaohen akuten und subakuten deliriSsen Episoden feststellen, besonders wenn diese sioh bei einer ohroniseh geseh~digten PersSnliohkeit finden. (Zum Beispiel bei Alkoholhalluzinose, bei geh~uften Fieber- oder Inanitionsdelirien auf seniler Demenz, bei Kokainwahnsinn, bei wiederholten epileptischen Dgmmerzust~Lnden usw.) Es ist aber auoh mSglieh, dal~ die Halluzinationen und die Wahnstimmung direkter I-Iirnreizung dureh die St6rung des hypophysgr-diencelohalen Gleiohgewiehts zuzuschreiben sind. Jedenfall.s ist es keineswegs notwendig,
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It. WiPr:
die H a l l u z i n o s e u n d die W a h n b i l d u n g e t w a als K o m b i n a t i o n d e r o r g a n i s c h e n m i t einer s e h i z o p h r e n e n P s y c h o s e zu d e u t e n . W a s endlieh n o c h d a s prgpsychotische Vorstadium b e t r i f f t , so k o n n t e die V o r g e s e h i e h t e viel zu wenig g e n a u a u f g e n o m m e n w e r d e n , u m seinen g e n a u e n Z u s a m m e n h a n g m i t d e n e n d o k r i n e n S t S r u n g e n zu kl~ren. I m m e r h i n ist es, wie sehon erw/~hnt, a m n/iehstliegenden, es als P s y e h a s t h e n i e zu d e u t e n , die i h r e r s e i t s b e r e i t s die F o l g e d e r e n d o k r i n e n Sehw/iche war. W i e d a s e h r o n i s e h - p s y e h o t i s c h e S t a d i u m k a n n d a s pr/~psyehotisehe Ms eine v o m d i e n c e p h a l - h y p o p h y s S r e n S y s t e m ausg e h e n d e S c h a l t s t 6 r u n g a n g e s p r o e h e n werden.
. Zusammenge/aflt ist also die Psychose unserer Patientin, welche die multiple Blutdriisensklerose begleitet, als eine Mischung yon deliriSsen Zust~inden in den Kollapsphasen und einem chronischen Zwischenhirnsyndrom (oder allgemeiner und vorsichtiger ausgedriickt einem hirnlokalen Psychosyndrom) au/zu/assen. E s soil n u n diese A u f f a s s u n g an H a n d d e r in d e r Literatur beschriebenen Psychosen bei multip]er Blutdrtisensklerose und verwandten e n d o k r i n e n S t 5 r u n g e n iiberprfift u n d erg'~nzt werden. W i r erwi~hnen v o r e r s t eine y o n RICHTER b e s c h r i e b e n e t~rau: N~ch der 6. Geburt Puerperalfieber, Tod mit 62 Jahren. Ihre letzten ]1/2 Lebensjahre blieb sie vor Schwi~che fast immer im Bett. Ausgespr0chene Apathie und Teilnahmslosigkeit, nur gelegentlich yon kurzdauernden Erregungszust~nden unterbrochen. Sprache schleppend and langsam. Tagelang mutistiseh. Immer recht negativistisch. InteHigenz und Urteilsf~higkeit erheblich herabgesetzt. Von Zeit zu Zeit~ Bewagtseinstriibungen yon einigen Stunden Dauer, denen unvermittelt luzide Interva]le folgten, in denen Patientin angeblich keine Intelligenzdefekte aufwies. Sechs Tage vor dem Tode Zunahme der psychischen StSrungen, zeitweise starke Erregung .und Halluzinationen~ besonders auf optischem Gebiet. Sektion: Das iibliche Bild der multiplen Blutdriisensklerose mit starker Atrophie und Sklerose yon Hypophyse, Thyreoidea, Ovarien; Nebennierenrinde sehr atrophisch, Pankreas normal. In diesem Falle finder sich also eine Psychose, die derjenigen unserer Kranken sehr ghnlich ist und gmnds~tzlich gleich aufgefaBt werden kann. Einen klinisch auBerordentlich interessanten Fall teilt DELUZ mit: Im Adter yon 25 Jahren entwickelten sich bei seiner Pat. nach der 3. Geburt ]angsam die Symptome einer pluriglandul~ren Erkrankung, und zwar in 3 Stufen: Z u e r s t Erscheinungen einer Nebenniereninsuffizienz, dann deutliche hypothyreote, tells myx6dematSse Symptome, schlieglich Tod unter den typischen Zeichen des Morbus SIM~O~DS. Pat. wurde mit 25 Jahren wegen eines nicht n~her beschriebenen psychotischen" Schubes hospitalisiert, sp~ter fielen der starke Ged~chtnisschwund und die Apathie sehr auf. Mit 29 Jahren - - im Stadium des Myx5dems - - erneuter, pl6tzlieher psyehotiseher Sehub mit visuellen I-I~lluzinationen religi6sen Charakters. 0r~lieh and zeitlieh vollkommen desorientiert, apathiseh und negativistiseh, spraeh Pat. w//hrend dieser Zeit mit langsamer, monotoner Stimme nur Sehriftdeutseh. Auf Thyroxin und Pra~physon normalisierten sieh die k6rperlichen Symptome Mlmghlieh, der psyehotisehe Sehub klang raseh ab und sie wurde psyehisch ganz allgemein viel lebhafter und spontaner. Es ging ihr wieder so gut, dab man sie entlassen konnte, aber sie fiihrte zu tIause die
Untersuchungen zwisGhen Psychopathologie und Endokrinologie.
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Thyroxinrnedikation nicht lange durch, kam dann rapid immer rnehr heiunter, versank in enorrne Apathie und Torpor und s t a r b mit 31 Jahren. Die Sektion ergab den typischen Befund der multiplen Blutdrfisensklerose, wobel die Thyreoidea neben der Atrophie und Sklerose noch entzfindliche Zeichen aufwies. Auch dieser Fall fiigt sich v511ig nnserer Auffassnng. Er unterscheidet sich nur insofern vom unsrigen, als er attch arnnestische StSrungen nach und w/~hrend der Delirien aufweist. DaB organische Delirien, aueh endokrin bedingte (z. B. bei schwerster Tetanie, schwerstern Basedow), ein amnestisches Syndrorn zurficklassen kSnnen, ist ja allgernein bekannt. Auch ein Fall yon LI]~BE~S entspricht weitgehend dern unseren: Es handelt sieh urn eine mit 64 Jahren an einer multiplen Blutdrfisensklerose verstorbenen Frau. Mit 31 Jahren Ptterperalfieber, mit 45 Jahren, im Klirnaktel'inrn, plStzlich psychotisehe Erkrankung mit Verfo]gungsideen, Beeinflussungsgeffihlen, ttalluzinationen des GehSrs and des Allgemeingeffihls sowie Vergiftungsideen. Zerfabrenheir, Autisrntts und zu Zeiten ungeordnete motorische Erregung. Affekte welt-' gehend fehlend. Oft sehr renitent. Nachts oft iuhelos und besonders stark halluzinierend. Zeitweise dann wieder ganz geordnet. Bis zu ih~em Ende imrner ungef/~hr der gleiche Zustand. Leichte Gewichtsabnahrne. Tod an allgemeiner Schw~che. Sektion: Hypophyse atrophisch, fast ohne eosinophile Zellen, basophile und Hauptzellen in gleicher Anzahl vorhanden. Drfisenlappchen zum Tell stark atrophisch, Kapsel verdickt und interstitielles Bindegewebe stark vermehr~. Ovarien sehr atrophisch, hochgradig fibrosiert und ohne Follikel. Nebennieren sehr klein. Parenchym atrophisch, besonders das Mark; leichte Bindegewebsvermehrung. Thyreoidea atrophisch, derb; fast keine kolloidhaltigen Bl~schen, meist mtr lnmenlose Epithelzellhaufen. Interlob~res BindGgewebe stellenweise vermehrt, Parenchym stark yon Lymphocyten durchsetzt. Pankreas normal, Inselapparat erhalten. Im folgenden Fall yon HIRSC~ und JAFF~ sind wohl schwerere psychisGhe StSrungen erwahnt, welche jedoch nicht deutlich psychotischen Charakter trage)~. Es handelt sich urn einen mit 55 Jahrenverstorbenen Mann, der sich mit 33 Jahren eine Lues zugezogen hatte. Klinisch und pathologisch-anatomisch bot sich das ausgepr~gte Bild einer multiplen Blutdrfisenskleivse. In den letzten paar Jahren seines Lebens war Pat. im ganzen meist depressiv, resigniert und apathisch. Sehr affektlabi], wechselte er aus seiner rnutlosen, wGiner]ichen Stirnmung oft in einen ernpfindlichen und reizbaren Zustand hiniiber, wobei er zeitweise sehr stark erregt war und schimpfte. Er war ein sehr renitenter Pat. Irn Laufe der Zeit pragten sich Interesselosigkeit und Apathie immer deutlicher ans. ttalluzinationen und Wahnideen sind nicht erwahnt. Der yon Po-~FIcJ~ besehriebene Fall bot klinisch das Bild eines schweren MyxSderns, dem sich eine organische Dernenz zugese]lte, wig man das bei MyxSdern bin und wieder finder: Bei diesern Mamle traten dig ersten Krankheitszeichen mit 42 Jahren auf; Tod mit 47 Jahren. Autoptisch fand sich eine cystische Bildung in der entsprechend sehr atrophischen Itypophyse, eine enorme Atrophie der Ieicht sklerotischen Thyreoidea und eine ziemlich starke allgerneine At~ophie der R~ebemlieren. W~hrend des ganzen Krankheitsverlaufes war Pat. in zun~hrnendern MaBe apathisch, interesse]os und mtirrisch. Fortschreitende Dernenz. In den letzten Monaten vor dem Tode war er yon ,,mannigfachen irrigen Vorstelhmgen" erffillt, fiber die welter nichts ausgesagt wird. Nachts geisterte er verwirrt in Schlafs~len und Korridoren helum. Wenn wit welter die in der Literatur als multiple Blutdrfisensklelose etikettierten F~]le durchsehen, so stoBen wir abgesehen yon agonalen Delirien
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H. W ~ :
kaum mehr auf Psychosen, sondern nur auf leichtere Ver~inderungen yon Wesensart, Stimmungslage, psychischem Tempo und Aktivit~t. In den meisten F~llen finden wir Adynamie, Apathie, Negativismus, Neigung zu depressiver Stimmung und Verlust aller FIShlichkeit, Ged~ehtnisschwund, geistige Tr~gheit und Abnahme aller geistigen Fahigkeiten, K0pfdruck und SchlafstSrungen (FALTA, LII~IDF~MAN~,CLAUDE-GOUGEROTU.a.). Die meist stark mit depressiven Elementen vermischte Stumpfheit und Interesse]osigkeit kann sich bis zu stuporSsem Verhalten steigern (ttI~Sc~-BE~ERIC~) and es werden sogar ,,sehizophrenoide Zust~nde" erwi~hnt, ohne dab sie allerdings n~her eharakterisiert wiirden (MEE~aW~IN). Wir versuchten uns ein Bild fiber die ttgufigkeit yon, Psychosen bei multipler Blutdriisensklerose in der Literatur im ganzen zu machen. Soweit aus den inlgndischen Bibliotheken ersichtlieh ist, existieren etwa 32--34 in der Literatur beschriebene F~lle yon sieherer oder 'sehr wahrscheinlicher multipler Blutdrfisensklerose. Davon konnten wit 20 im Original erh~ltlich machen und durchstudieren ~ 8 weitere waren uns nur im Referat zuganglich. In den 20 Original~rbeiten sind psyehische StSrungen ]5mal erw~hnt, in 8 F~llen handelt es sich um schwerere StSrungen yon psychotischem Charakter. In 3 dieser F~l]e bestanden sie in pramortalen Delirien. Die andern 5 l~alle sind oben angefiihrt. In 7 weiteren Fallen sind nur leichtere StSrungen besehrieben, die hauptsachlich in Apathie u n d Interesse]osigkeit bestehen. (Unter den acht im Referat zuganglichen F~llen sind nur 3mal psyehische Besonderheiten erwahnt: eine pramortale Psychose, eine ]angere Psychose mit Verfolgun~sideen und ein Fall yon Apathie und Interesselosigkeit.) Ri~ckblickend ergibt sich also aus der Literatur i~ber psychische St6rungen bei multiplen Blutdri~senMclerosen grundsgtzlich dasselbe Bild, das unser Fall dargeboten hat: einerseits handelt es sich um deliri6se Zust~inde mit starker Halluzinose, anderseits um ein chronisches Zwischenhirn. syndrom verschiedener Schwere. (Nur in einem l%lle, bei dem ein sehweres, chronisches lYiyx5dem im Vordergrund stand, ~rut im L~ufe der Zeit eine offenbur org~nische Demenz dazu, wie dies bei MyxSdem ja langst bekunnt ist.)Bek~nnter und in der Li~er~tur ausfiihrlieher beschrieben und diskutiert als die Psychosen bei mnltiplen Blutdrfisensklerosen sind die Tsychischen St6rungen bei der S~Mo~Dsschen Erlcranlcung. Sie decken sieh wei~gehend mit den bei multipler Blutdriisensklerose gesehilderten Symptomen. Wir linden Apathie, Energielosigkei~ und Indo]enz, welehe ill ausgepragten Xrankheitsfa]len so hochgradig sein kSnnen, d a ] man den Eindruck einer Xatatonie bekommt. Das Denken der Xranken ist sehr erschwert und die ]eichte ErschSpfbarkeit bereitet oft Schwierigkeiten, adaquate and befriedigende Antworten zu geben. Den ganzen Zustand bezeichnet KYLI~ als ,,seelisehe Adynamie", in Anglogie zur kSrperlichen Adynamie. In allerschwersten Fallen und
U ntersuchungen zwischen Psychopathologie und Endokrinologie.
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besonders ante m o r t e m sind die Patienten oft kolnat6s. Bei vielen leichter K r a n k e n zeigen sich Depressionen; sie haben gewisse Krankheitseinsicht, noch ein mehr oder weniger starkes t{eaktionsverm6gen auf ihren Zustand und ~uBern in ihrer Verzweiflung hin a n d wieder Suicidgedanken. Die hSchstgradigen F~]le dagegen sind in ihrer Indolenz loraktisch reaktionslos. Solehe K r a n k e sollen 5frets in Irrenanstaiten enden, obsohon wirkliche Psychosen nicht regelm/~Big zum Krankheitsbilde gehSren und keine Sinnest~uschungen oder verwandte Ph~nomene festgestellt werden konnten (FALTA, KYLrs). Hin und wieder werden Verwirrtheitszust~nde beschrieben, in vereinzelten t~l]en auoh epileptische Anf~lle, Sehrift-, Geh- und SprachstSrungen. Uber scheinbare ,,hystdrischeKrampfanf~]le" ohne BewaBtlosigkeit, we]che bei einer ]aunenhaften und sehr schwierigen Patientin besonders Each kSrperlichen Anstrengungen und psychischer Erregung auftraten, berichtet uns KYLIN. Sie stel]ten sich allerdings als Spon~anhypoglyk~mien mit Blutzuckersenkungen bis auf 40 rag-% heraus. Eine ganz/~hnliche Psychose wie diejenige unserer Kranken beschrieben, wie schon erwghnt, WA])swo~T~ und McKEoN bei einer mit 51 Jahren verstorbenen Frau: Nach ihrem 23. Altersjahr zwei kurze depressive Sehiibe. Mit 38 Jahren leichte Puerperalinfektion, dann zunehmender Gewichtsverlust und extreme Schw~che, psychiseh deutlich alteriert, immer depressiver, fiberreligi6s, Versfindigungsideen, Wahnideen. In den ngehsten Jahren im wesentlichen rahig, depressiv, mit verminderter psyehomotorischer Aktivitgt und milden paranoiden Ideen ohne t~alluzinationen. Psychisehe Grundfunktionen intakt. Starke hypothyreote Symptome erfordern mit 48 Jahren Sehilddrfisentherapie. 3 Monate vor dem Tode plStzlich unrtthig, 1/~rmig, verwirrt, affektiv inkontinent. Nach 6 Stunden Korea mit sehwachem Puls, arterieller I-Iypotonie, engen Pupillen, steif extendiei'ten Extremit~ten, bilateralem FuBklonus, gesteigerten Reflexen und Babinski rechts. Rest-N 42,6 rag- %, Blutzucker unter 50 rag- %. Sehlagartige Besserung auf die intravenSse Gabe yon 100 emS 50%iger Glucose. Ein Monat sparer nochmals Spontanhypoglyk~mie, diesmal yon geringerer Stfirke. Ted mit 51 Jahren uuter den Zeichen einer akuten Enteritis. Sektion: uugewShnlieh kleine ttypophyse, Vorderlappen fast v61lig durch tockeres und straffes Bindegewebe ersetzt. Verschiedene frische H~morrhagien. Pars intermedia und tIinteEappcn nur wenig vergndert. K e i n e Thrombosen,. keine Arteriosklerose, dagegen in den Venensinus viele kleine, subendotheliale FibrinoidknStchen verschiedenster Entwieklungsstufen, teilweise schon organisiert. Die Thyreoidea grSgtenteils narbig umgewandelt, nur wenige Acini mit kubischem Epithe] und geringen Kolloidmengen, Bindegewebe und Parenchym sehr stark yon Lymphocygen durchsetzt. Nebenschilddriisen sind stark verfetter. Nebennieren mit stark atrophiseher Rinde. Pankreas zeigt viele und groge Inseln. Ovarien stark sklerosiert, mit wenigen kleinen Corpora atretica. Diagnose. S~ONDssehe Krankheit (gtiologisch wird die lPrage einer al]ergischen Nekrose diskutiert, wegen der vorgefundenen snbendothelialen Kn6tehen). Maaiseh depressives Irresein. Voriibergehende psychotisehe Zustgnde auf G~amd der Spontanhypoglyk~mie.
Zusammen]assend entslgrechen die Beschreibungen der Geistesst6rungen bei der S~N~oN])sschen Kranlcheit unge[iihr den]enigen bei der
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H. WIPF:
multiplen Blutdriisenslcler.ose. Bei der nahen Verwandtschaft oder Identit~t beider Krankheitsbilder in bezug auf die Somatopathologie ist dies ~uch nicht verwunderlich. Hier m5ehten wir noch kurz die akute Vorderlappennekrose der Hypophyse streifen, die man ja nicht zum SIMMONDSschen Syndrom rechnen kann, du gar keine Zeit vorhanden ist, fa[tbare endokrine StSrungen hervorzubringen. Wit kSnnen hier nur fiber puerperale Nekrosen berichten, welche zur Hauptsache durch Thrombosen der Hypophysengef~tl~e bedingt sind (S~]~.HA~, B~ow~-ED~). Bei t3berleben der L~sion narbige Reparation und allm~hlich Ausbildung des typischcn M0rbus Simmonds. Bei den akut zum Tode fiihrenden F~llen (innert 14 Stunden bis etwa 14 Tagen) sind nur in knapp 10% psychisehe Ver~nderungen erw~ihnt: Schw~tche und Abgeschlagenheit, somnolenter bis komatSser Zustand, nicht n~her bezeichnete Verwirrtheitszust~nde. Man d~rf sie ~ber nicht auf einen ~llf~lligen ttormonausfall beziehen, sondern sie gehen als symptomatische Erscheinungen eher auf Konto yon Puerper~lsepsis, terminaler Bronchopneumonie oder Kreislaufversagen. Es f~llt auf, dal~ die Psychosen bei der multiplen Blutdrfisensklerose und der SIM~ONDsschen Kachexie denjenigen bei morbus Cushing-~hnlichen Bildern verwandt sind, wie sie DELIA WOLF und W. STOLL im l~ahmen der Forschungen unserer Klinik beschrieben h~ben. Freilich nehmen bei den yon ihnen beschriebenen leichten F~llen yon morbusCushing-~hn]ichen StSrungen much die psyehischen Symptome nur leichtere Grade an. AuBerdem sind sie neben der Ap~thie auch dutch hyperthyme Zust~nde charakterisiert. Gegeniiber den StSrungeu, die in unserer Klinik bei A]~romegaloiden gefunden wurden, unterseheidcn sich die geistigen StSrungen bei multiplen Blutdriisensklerosen dureh die Delirien, die beim Akromegaloid Iehlen. Die chronischen StSrungen beim Akromegaloid entsprechen einem viel leichteren Zwischenhirnsyndrom als diejenigen bei multipler Blutdrfisensklerose. Eng umschriebene Zust~nde yon Poriomanie, Dipsomanie, Hypersexualit~t usw., wie sie beim Akromegaloid so auff~llig sind, sind bei der multip]en Blutdriisensk]erose nicht bekannt. Vielleicht spiege]t sich darin der Umstand wieder, dab es sich beim Akromegaloid haupts~chlich um eine Hyperfunktion, bei der multiplen Blutdrfisensklerose eindeutig um eine Unterfunktion der ttypophyse handelt. Die psychischen StSrungen bei multipler Blutdrfisensklerose sind recht verschieden yon denjenigen beim Gros der F~lle yon Pubert~itsmagersucht. Bei dieser findet sich ein (vielleicht hypophys~r-diencephal, vielleicht vorwiegend neurotisch bedingtes) schweres Darnicderliegen vielcr Vitaltriebe, des Hungers und der Sexualit~tt. Diese TriebstSrung wird eng eingebaut in eine neurotische Pers6nlichkeitsentwicklung, so da~ organische und neurotische Ziige nicht mehr voneinander zu trennen sind. Bei der multiplen Blutdrfisensklerose und der SIMMONnsschen
Untersuchungen zwischen Psychopathologieund Endokrinologie. 491 Krankheit brechen die psychischen StSrungen als etwas Neues und Fremdes fiber die PersSnlichkeit hinein und verschme]zen nicht mit ihr zu einer Einheit.
Zusammen]assung. 1. Es wird Begriff und Symptomatologie der multiplen Blutdrfisensk]erose kurz skizziert und die Krankengeschichte eines einsch]~igigen Falles mit besonderer Berficksichtigung der geistigen StSrungen und der histologisch feststellbaren Vergnderungen am endokrinen System und am Gehim wiedergegeben. 2. Es wird welter auf die Problematik des klinischen Krafikheitsbegriffes tier multiplen B]utdriisensklerose hingewiesen. Er ist weitgehend identisch mit demjenigen der SI~MONDSschen Krankheit. Deutlichere Unterschiede der beiden Krankheitsbilder bestehen nur pathologisch-anatomisch. 3. Die Psychose unserer Kranken mit multipler Blutdrfisensklerose begann mit deliriSsen Zust~nden, begleitet yon sehr lebhaften Halluzinationen. Sie waren anfgnglich zeit]ich mit kSrperlichen Kollapszustanden (Hypoglykgmie und niedriger Blntdruck) eng verknfipft. Sparer entwickelte sich eine chronische Psychose, gekennzeichnet durch Antriebslosigkeit, Verstimmnngen und Versch]ossenheit einerseits, durch das Festhalten der ursprfinglich nur in den akuten Stadien aufgetretenen Hal]uzinationen und Wahnideen anderseits. Diese chronische Psychose glich rein symptomato]ogisch betrachtet einer chronischen paranoiden Schizophrenie, wenn sie auch dafiir nicht typisch war. Schon ihre zeitliche Abh~tngigkeit yon schweren kSrperlichen StSrungen kennzeiehnet sie aber als organische Psychose. Sie ist aufzufassen als die Stimmungs- und AntriebsstSrung des psychopathologischen Zwischenhirnsyndroms (oder allgemeiner eines hirnlokalen Psychosyndroms). Dgzu kamen die Halluzinationen und Wahnideen, die als Residnalerscheinungen nach den vielfachen Delirien bei geschw~chter PersSnlichl~eit gedeutet werden kSnnen. 4. Eine Durchsicht der Literatur fiber psychische StSrungen bei multipler Blutdrfisensklerose ergibt, dab unsere Untersuchung einen wahrscheinlich typischen Fall erfa~t hat. Sie sind ganz allgemein gekennzeichnet als A n t r i e b s - u n d StimmungsstSrung im Rahmen eines psychopatt/ologischen Zwischenhirnsyndroms. Dazu kommen oft Delirien mit sehr lebha/ter Halluzinose, vor al]em bei schweren Stoffwechselkrisen. Wahnideen und Halluzinationen~kSnnen aber mit der Zeit chronisch werden und die reine trieb- und stimmungshafte StSrung derart komplizieren, da[3 schizophrenie~hnliche Bilder entstehen. 5. Das Bild der psychischen StSrungen bei der SIM~o~Dsschen Kachexie, wie es sich aus ei'ner Durchsicht tier Literatur ergibt, ist identisch mit demjenigen psychischer StSrungen bei der multiplen Blutdrfisensklerose.
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M. BLEULER:
VIII.
Uberbliek u n d D i s k u s s i o n u n s e r e r bisherigenGesamtergebnisse. Von
M~ BLEULEI'~. Die ]~inzelergebnisge unserer Untersuchungen sind jeweilen am Schlusse .der kasuistisehen Arbeiten kurz zusammengefaBt:. Wenn bereits mehrere kasuistische Arbeiten fiber den gleichen Fragenkreis vorliegen, so ist ihnen eine besondere zusammenfassende Arbeit bei, geffigt. In allen diesen Einzelarbeiten linden sich auch die genauen Angaben fiber die Art der Auslese des Untersuehungsgutes, die angewendeten Arbeitsmethoden und die Anzahl der Beobachtungen. In der folgenden Gesamtfibersicht sollen Wiederhohngen mSgliehst vermieden werden. Sie hat nicht den Zweek, die Einzelergebnisse noehmMs aneinanderzureihen; vielmehr soll sie versuchen, diese Einzelergebnisse in einen inneren Zusammenhang untereinander zu stetten und mit dem heutigen Stand der Bsyehopathol0gie, Genetik und Endokrinologie i.i Verbindung zu bringen. Die Unvollsti~ndigkeit unserer Untersuehungen und die GrSBe, Bedeutung und Sehwierigkeit der aufgeworfenen Probleme bringen es mit sich, dab ein solehes Bemiihen nach einem Einbau der Einzeluntersuehungen in unser Gesamtwissen zum vornherein nur vorlgufig und lfickenhaft seiIi kann. Unsere Untersuchungen sind urspriinglich yon der Schizophrenieforsehung ausgegangen und nnsere ersten Probanden waren Schizophrene; sie haben aber rasch zur Beriicksichtigung zahlreicher anderer seeliseher StSrungen geffihrt, vor allem vieler Psych0pathieformen; eine-der wichtigsten Untersuehungsmethoden, die wir anwandten, bestand im Versuch der Klgrung klinischer Fragen dutch die Famiiienforsehung - - in der sog. erbanalytisehen Forschung - - deren Anwendung aueh zu rein genetischen Ergebnissen ffihren muBte; schlieglich paekten unsere Untersuchungen endokrine St6rungen yon einem ungewohnten Gesichtspunkt aus an, so dab sie einige wenige Nebenergebnisse zeitigten, die vielleicht aueh in der Endokrinologie Berficksichtigung verdieneni so sehr wit nns als Nicht-Internisten bei ihrer Beurteilung Vorsieht und Bescheidenheit aufzuerlegen haben. Aus diesen Griinden gliedert sieh das Zusammenfassen unserer Befunde und ihr Einreihen in die geliufigen Vorstellungen in ihre Betraehtung vom Standpunkt der Schizophrenielehre, der Mlgemeinen Psychopathologie, der menschlichen Genetik und der lgndokrinologie aus.
a) Unsere. Ergebnisse in bezug auf die Ursachen/ors&ung in des Schizophrenie: Zweifellos gehg die heute in der Psychiatrie vorherrschende Erfahrung dahin, dag beim Gros der Schizophrenien gesicherte und
Untersuchungen zwischen Psychopathologie und Endokrinologie.
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eindeutige endokrine StSruIlgen nicht festzustellen sind. Wie vieleUntersucher darge~an haben, kommen zwar bei Schizophrenen h~ufiger kleine endokrine Besonderheiten und GleiehgewichtsstSrungen al]er Art vor Ms bei Gesunden. Aber bei Schizophrenen variieren auch die meisten andern funktionellen und strukturellen Normen mehr als bei Gesunden. Ein Zusammenhang zwischen den Yarianten des endokrinen Gesehehens bei SehiZophrenie und der Lehre yon der Genese der Schizophrenie ist nicht en.tdeckt worden. Es soll damit zwar keineswegs der Weft jener vielen Studien verkleinert werden, die in bezug auf" Einzelbefunde, die yore enddkrinen System abh~ngig scheinen, am Gros tier Sehizophrenien erhoben worden sind. (Sie betreffen u. a. den Grundumsatz, die Hyperventi]ation, die Konfiguration der Sella turcica, die Wirkung yon Schilddrfisenpr~p~raten ~uf die Kr~nkheit.) Vielleicht werden sie i n der Zukunft den Ausgangspunkt neuer Entwieklungen bilden. Vorerst aber haben sie nieht vermoeht, mit Wahrschein]iehkeit oder Sieherheit eine Beteiligung endokriner Funktionen am schiz0phrenen Geschehen im allgemeinen zu erweisen. Alle die zahlreiehen Vermutungen in dieser ttinsicht sind Spekulationen geblieben. Aueh unsere Untersuchungen ~ndern an unserer Unkenntnis fiber eine Beteiligung des endokrinen Systems am al]gemeinen sehizophrenen Krankheitsgeschehen nichts. Sie betreffen ]ediglieh jeneu kleinen Teil yon Schizophrenen, bei denen deutliche endokrine GleiehgewiehtsstSrungen vorhanden sind. Es h~ndelt sieh dabei um weir unter 5% der schizophrenen Anstaltsins~ssen und -~ufnahmen. Wenn man, wie wir, die Auswahl yon deutlieh endokrin ver~nderten Sehizophrene~ in der ttauptsache nut mit dem Auge am Krankengut der Anstalten trifft, so finden sieh ~]s h~ufigste und auff~lligste Endokrinopathien unter den Schizophrenen Akromeg~loide (nieht etwa Akromeg~le), masku]in stlgmatisierte Frauen, Fettdysplastische und Infantile. Auf diese sind denn 'auch unsere Untersuehungen in der H~uptsaehe beschr~nkt worden. Nur selten begegneten wir kretinoiden, basedowoiden, tetanischen Sehizophrenen oder so]ehen mit einem CVSHI~G: oder Mo~GAG~I-Syndrom. Aueh diabetisehe Schizophrene sind, wie schon lunge bekannt ist, selden. Gar die eigentlichen, typischen und sehweren endokrinen Erkrankungen wie die BASEDOWsche, Am)IsoNsehe, SIM~O~Dssche Krankheit, der Kretinismus usw. kommen bei Schizophrenen innerhalb psychiatrischer Anstalten unter unseren Verh~ltnissen nur ganz ausnahmsweise und vereinzelt zur Beobachtung. Unsere Untersuichungen haben nun ergeben, daft die bei einer kleinen Minderheit von Schizophrenen hervorstechenden Endolcrinopathien in vSllig verschiedenem inneren Verh~iltnis zur Schizophrenie stehen lc6nnen. In Betracht kommen namentlich (aber nicht etw~ ausschliel31ich) die folgenden Beziehungen zwischen sehizophrener .Psychose und Endokrinopathie :
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1. Schizophrenic und Endokrinopathie kSnnen sich zufallig kombinieren und einander unbeeinfluBt lassen. 2. Sehizophrenie und Endokrinopathie kSnnen sieh zu[s kombinieren, sieh aber gegenseitig in Symptomatologie und Verlauf beeinflussen. I)abei haben verschiedene Endokrinopathien Versehiedenartige Einfltisse auf die Klinik der Schizophrenien; einen gleichgerichteten EinfluB aller Endokrinopathien auf die Sehizophrenie, wie m~n ihn friiher vermutete, gibt es nicht. 3. Im Sinne der Annahme, dab es versehiedenste konstitutionelle Sehw~ehen gibt, die zu Sehizophrenie disponieren, kSnnen einzelne Endokrinopathien eine Disposition zu Schizophrenic hi]den. 4. Endokrinopathien kSnnen zu symptomatisehen Psyehosen fiihren, welehe erseheinungsbildlieh der Schizophrenie s sind, die ihrer Ursache naeh aber etwas vSllig anderes darste]len als die Sehizophrenie. Es wiirde sieh also um unechte oder symptomatische Schizophrenien handeln oder, woh] besser bezeiehnet, um endokrine Psyehosen mit sehizophrenie~hnlieher Symptomatologie. Mit diesen endolcrinen Psychosen von schizophrenieartiger Symptomatologie, die wir zuerst besprechen wollen, besch~ftigt sieh im t~ahmen unserer Untersuchungen WIPF. Er beschreibt eine auf multiple Blutdriisensklerose zuriickzufiihrende Psychose, die rein psychosymptomatisch betraehtet jahreiang yon einem sehizophrenen Paranoid nieht zu unterseheiden gewesen w~re. Das Wesen seiner ,Pseudosehizophrenie" lieB sieh durch den Verlauf, die kSrperliehen Begleiterseheinungen und die Sekti0n deutlieh erkennen : im akuten Stadium handelte es sieh um einfaehe halluzin~t0rische Delirien yore akuten exogenen Reaktion~typus, die wie andere solche De]irien dutch sehwerste, lebensbedrohliehe Stoffweehselkriseu ausgelSst waren, hn chronischen Stadium der Krankheit handelte es sich vor allem um ein psychopathologisches Zwischenhirnsyndrom. (Der Begriff des psyehisehen Zwisehenhirnsyndroms l~Bt sieh bei den heutigen Kenntnissen, wie sp~iter eingehend ausgeftlhrt werden wird, freilieh nicht yon dem weiteren des Stammhirnsyndroms abgrenzen. Noeh vorsichtiger ist es, dem Urnstand Reehnung zu tragen, dab fiberhaupt alle Herd.liisionen des Hirns, die ehronisehe psyehisehe StSrungen bewirken, nicht zu, klar unterseheidbaren Psychosyndromen ftihren ; ihre psyehischen Folgezust~nde kSnnen einander sehr gleiehen, so dab sieh das psychopathol0gische Zwisehenhirnsyndrom weder vom Stammhirn- noeh yon weiteren hirnlokalen Psychosyndromen sieher abtrennen t~Bt. Deshalb w~re allgemeiner nur Yon einem hirnlokalen Psychosyndrom zu spreehen.) D~s vorliegende Psyehosyndrom ist gekennzeiehnet dutch stSrung der Antriebe und der Stimmung. Es ve'rschmilzt abet - - und dadurch wird es ~uBerlieh besonders schizophrenie~hnlieh- mit einem t%esidualwuhn nach den durehgemachten deliri6sen Episoden und mit neu
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uuftretenden solchen deliri6sen Episoden. Eine Bearbeitung der Literatur durch WIPF ergab welter, dab sich ganz allgemein die Psychosen bei der multiplen Blutdrfisensklerose und bei der ihr sehr verwandten SIMMO~Dssehen Kachexie ibrem Wesen naeh entsprechend deuten ]assen: einerseits als chronisches psychopathologisches Zwischenhirnsyndrom (oder .allgemeiner hirnlokales Psychosyndrom) oder als De]irien yore akuten exogenen Reaktionstypus oder als Kombination -con beidem, bei denen der Residualwahn eine besondere Rolle spielt. Es ist willkfirlich, in welchem Grade man die Psyehosen, die WoLf and STOLLim Rahmen unserer Untersuehungen beim C~sm~G-Syndrom und/~hnliehen Zust~nden beschreiben, als ihrer Symptomatologie naeh sehizophrenie~tnhlich bezeichnen will. Eine gewisse ~hnlichkeit mit vielen Hebephrenien ohne endokrine St6rungen weisen sie zweifel]os auf, wenn sie auch bei genauer Betraehtung nicht mit einer Schizophrenie verweehselt werden sollten. Tatsach]ieh sind sie aber dutch friihere Untersucher gelegentlieh fiir Schizophrenien gehalten worden. Sie kSnnen als weiteres Beispiel yon endokrinen Psychosen mit sehizophrenie~hnlicher Symptomato]ogie aufgefal~t werden. Auch sie sind auf die gleiche Art wie die Psychosen bei der multiplen Blutdriisensklerose zu deuten: als Delirien und chronisehes Zwischenhirnsyndrom. Es ist eine alte Erfahrnng, dal~ die akuten deliriSsen Zust~nde sehizophrener and organischer Art oft nicht untersehieden werden k6nnen, wenn man sie rein psychosymptomatisch betrachtet nnd den Verlauf und die Beziehungen zu den k6rperlichen Befunden unberficksichtigt l~l~t. Ebenso gleiehen sich die Antriebs- und Stimmungsst6rungen bei hirnlokalen Psychosyndromen und bei Schizophrenie sehr, wenn man sie !osgel6st yon der Gesamtpers5n]ichkeit betrachtet. Es ist also kein Wander, wenn gerade bei schweren Endokrinopathien, die sowohl Delirien wie psychopathologische Zwisehenhirnsyndrome setzen, unechte, synlptomatisehe Sehizophrenien, d.h. organisehe Psychosen yon ~uBerer J(hnlichkeit mit Sehizophrenie entstehen. Die J~hnlichkeit bezieht sieh vor al]em auf psychopathologische Erseheinungen~ die zwar bei Sehizophrenie haufig sind, die aber nicht als eharakteristisch fiir Schizophrenie aufgefal~t werden k6nnen: I-Ialluzinationen, Wahnideen, Verstimmungen, Apathie, Erregung usw.~ Die e]ementaren, ffir die Schizophrenie am meis~en charakteristisehen St5rungen zeigen die symptomatischen Schizophrenien hingegen nicht in deutlicher Art. Wohl ist der Gedankengang oft verwirrt; bei genauer Untersuchung erweist sich das verwirrte Denken aber eher a]s unzusammenMngend dean als typiseh sehizophren-zerfahren. Wohl ist die Affektivit~t oft abweisend~ nach innen gekehrt, steif, aber meist im Zusammenhang nfit den halluzinatorischen Erlebnissen, einer allgemeinen Apathie usw. und nieht inad~quat zu den vorherrschenden psychischen Inhalten. Subjektiv erleben die Patienten ihre psychisehe Arch. f. P s y c h . u. Zeitschr. I~'eur. Bd. 180. 32
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Krankheit ~uf der HShe der Deiirien ~ls Wirkliehkeitl in den besseren Zust~nden bewuBt als krankhaft; ,sie erleben sie ~ber nieht wie typiseherweise die Schizophrenen als Depersonalisation. Aueh Ausgang in typisehe sehizophrene Demenz ist den endokrinen Psychosen mit sehizophrenie/~hnlicher Psyehosymptomatologie nieht eigen. Die Frage, ob es sog. ,,symptomatisehe" Sehizophrenien gibt, ist sehr oft diskutiert worden, wfi.hrend in der Literatur nur recht sp~rliehe eindeutige Beispiele dafiir existieren. Die ]3egleitpsychosen der sehweren Hypophysen-Zwischenhirnerkrankungen, der inultiplen Blutdriisensklerose, der SIM~O~Dssehen Krankheit und der Krankheitsformen, die dem CusHI~Gsehen Syndrom /s sind (vielleieht aueh anderer sehwerer Endokrinopathien) bilden nun klare Beispiele yon ,,symptomatisehen" Sehizophrenien oder ~ welehe letztere Bezeiehnung vorzuziehen ist - - yon organischen Psyehosen m i t sehizophrenie~hnlieher Symptomatologie. Irgendein Anhaltspunkt fiir ihre genetisehe Verwandtsehaft mit einer Sehizophrenie fehlten. Es nmg aber hervorgehoben werden, dab solehe Psyehosen bestimmt selten sind und weit unter 1% aller erseheinungsbildliehen Sehizophrenien ausmaehen. VSllig verschieden yon den schizophrenie~hnlichen Psychosen organischer Genese bei den schweren Hypophysenerkrankungen ist nun das Wesen der als Schizophrenie diagnostizierten Psychosen unserer Akromegaloiden. ]~s w/~re unmSglich, auch bier anzunehmen, dab es sich nicht um ,,m~enthche Schizophrenien handelte, sondern um bloB schizophrenie~hnliche Begleitpsychosen des AkromegMoids. Vorerst kommen unter diesen Psychosen sehr viele vSllig typische Schizophrenien vor, die in klassischer Art die Zerfa.hrenheit, die Ambitendenz und die inadequate Affektivit~t und die Depersonalisation zeigen. Es handelt sieh bier oft nicht um Psyehosen, die ihrer psyehischen Symptomatologie nach schlieBlich eine Schizophrenie sein kgnnten, sondern um solche, die symptomatologisch eine typische Schizophrenie sin& Dementsprechend laufen aueh einige yon ihnen in typische schizophrene VerblOdung aus, die sieh yon einer organisehen VerblSdung scharf unterscheidet. Sodann sprieht gegen eine ])eutung dieser Psychosen als Beg!eitpsychosen des Akromegaloids, dab die Schwere der GeistesstSrung zur Schwere der Endokrinopathie in keinem erkl~rbaren Verh~tltnis steht. ])as Akromegaloid ist keine schwere Krankheit; ja man kSnnte soga r sagen, es sei gar keine Krankheit, sondern nur eine Besonderheit. Die geistigen StSrungen, die wir bei Akromegaloiden beschreiben, sind aber schwerste Psychosen. Es wiirde Mlen unseren psychopathologischen Erfahrungen ins Gesicht schlagen, anzunehmen, dab eine leichte Endokrinopathie wie das Akromegaloid, die man ebensowohl als Konstitutionsbesonderheit wie als krankhafte StSrung ansehen kann, zu so schweren und chronisehen Begleitpsychosen
Untersuchungen zwischen Psychopatholcgieund Endokrinologie. 497 ffihren kann, wie wir sie bei Akromegaloiden besehreiben. Im selben Sinne spricht auch der ~Nachweis, dal~ der Ansbruch der Psyehose zeitlich mit dem Auftreten und einer Verschlimmerung der akromegaleiden Merkmale meist nieht zusammenfgllt (~anz anders verhielten sich die Psychosen bei den schweren Hypophysenerkrankungen, die in engem Zusammenhang mit dam Verlauf der kSrperliehen StSrungen standen). Endlich ist hervorzuheben, dab nnter den Verwandten der Akromegaloiden mit sehizophrenen Psychosen viel mehr Sehizophrenien auf nieht akromegaloider KSrperkonstitution vorkommen als in der DurchsehnittsbevSlkerung. Wenn w i r e s aus diesen (und anderen) Grfinden als vSllig ausgesehlossen bezeichnen mfissen, in den sehizophrenen Psyehosen unserer Akr0megaloiden bloft e pseudosehizophrene Begleitpsyehosen des Akromegaloids zu sehen, so mfissen wir uns nmgekehrt fragen, ob es sieh um rein zufgllige Kombinationen yon Akromegaloid und Sehizophrenie handeln kSnnte. Das Akromegaloid ist ja eine h~ufige Endokrinopathie aueh unter Nicht-Sehizophrenen, so daft mi~ der MSglichkeit yon Zufallskombinationen durchaus zu reehnen ist. Mit der Annahme einer Zufallskombination steht nun aber ein sicher erhobener, wiehtiger Befund in unvereinbarem Widerspruch: unter den Verwandten der schizophrenen Alcromegaloiden besteht eine sehr deutliche (aber nieht absolute) Korrelation zwischen Schizophrenie und Akromegaloid. Wgren das Akromegaloid und die Schizophrenie bei den Probanden eine Zufallskombination, die mit der Genese beider StSrungen niehts zu tun h~tte, so miiftten wir unter den schizophrenen Verwa~ldten der akromegaloiden Schizophrenen das Akromegaloid nicht h~ufiger finden als unter ihren nicht sehizophrenen Yerwandten; umgekehr~ diirfte unter den akromegaloiden Verwandten die Schizophrenie nieht h~ufiger sein als unter den nichtakromegaloiden. Da das Gegenteil der Fall ist, ist die Annahme einer Zufallskombination zwischen Akromegaloid und Sehizophrenie bei unseren akromegaloiden Sehizophrenen ausgesehlossen. Es bleibt die Annahme i~brig, daft das Akromega!oid eine Pr~idisposition zur Schizophrenie setzt. Es kSnnte dagegen nicht angenommen werden, dal~ die Sehizophrenie eine Disposition ffir das Akromegaloid setzt, da sie fast immer nach dem Akromegaloid, oft erst viele Jahre naeh ihm, auftritt. (Der statistisehe Nachweis dieser und aller anderen Feststellungen fiber Akromegaloid und Sehizophrenie auf Grund der Einzeluntersuehungen findet sich im Beitrag yon K~SP~nL.) Denkbar w~.re hingegen noch die Annahme, daft die latente Disposition zu Sehizophrenie eine Disposition zu Akromegaloid setzt statt umgekehrt. Die erste Annahme (Akromega]oid setz~ Disposition zu Schizophrenie) ist an sich schon ungezwungener und naheliegender und ]~l~t sieh auch ans unseren statistischen Festste]lungen als wahrscheinlicher als die 32*
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zweite Ann~hme erkennen: es ist verst~ndlich, dal~ die Schizophrenie, wenn sie durch :das Akromegaloid genetisch beeinflul]t wurde, bei Akromegaloiden ardere Zfige tr~gt als bei Nicht-Akromeguloiden. Bus ist auch tats~ehlich der Fall. Es ware aber nicht einfach erkl~rbar, dab die Schizophrenien, die in ihrem latenten Zustande ihrerseits das AkromegMoid erst mitverursacht h~tten, dutch dieses Akromegaloid gewissermal]en riiekwirkend wieder beeinflul]t worden w~ren. Wenn das Akromegaloid flit die Schizophrenic eine genetische Bedeutung hat und nieht umgekehrt, so mul~ auch gefordert werden, daI~ es bei Schizophrenen dieselben ~ul]eren Formeh zeigt wie bei Nieht-Schizophrenem Aueh das ist cter Fall. Dariiber hinaus ist das Familienbild schizophrener Akromegaloider in bezug auf Akromegaloid genau gleieh wie das Familienbild nichtschizophrener Akromegaloider. Umgekehrt aber ist das F~mi]ienbild akromegaloider Sehizophrener deutlich anders als dasjenige nichtakromegaloider Sehizophrencr. Die beobachteten klinischen Tatsachen zwingen uns also mit grSl~ter Wahrscheintichkeit zur Annahme, daft das Akromegaloid irgend. wir ]6rdernd au] die Genese der Schizophrenle einwirken kann. Als hauptsKchliche Pr~dispositionen ffir die Sehizophrenie sind bisher bekannt die schizoide Psychopathie und - - seit KRETSC~ER - - der asthenische und zum Tell aueh der athletische kSrperliche ttabitus. Darfiber hinaus haben, schon KRETSCHMEtt und seine Sehule hervorgehoben, dab auch dysplastischer KSrperbau zur Schizophrenie disponiere. Unsere Feststellungen fiber das Akromegaloid and die Schizophrenie bilden vorerst eine Pr~zisierung und einen Ausbau dieser ~RETSCHMERschen Lehren. Sie lassen sich aber ffir die Lehre der Genese der Schizophrenic auch weiter verwerten~ In meiner friiheren Arbeit fiber die Beziehungen yon Krankheitsverlauf, PersSnlichkeit und Familienbild Sehizophrener glaube ich an grol]em Beobachtungsgut statistisch sieher erwiesen zu haben, dal] im Durchschnitt (nicht etw~ in jedem Einzelf~ll) die Schizophrenien innerhalb einer Sippschaft aus ahnliehen Charakterbesonderheiten hervorwachsen. Schizoph.rene Verwandte h~ben prapsychotisch im Durehschnitt ahnliche Charaktereigenschaften und ~thnliche Psychopathien. Die schizophrenen Verwandten prapsychotisch schizoider Schizophrener pflegen viel haufiger prapsychotisch wieder schizoid zu sein, ~ls die Verwandten nicht schizoider Schizophrener. ])as gilt aber nicht nur, wie es naheliegt, fiir schizoide, sondern bemerkenswerterweise auch ffir andere Charakter~rtungen: es gibt z. B. Familien, in denen die Sehizophrenien haupts~ehlich aus einer hysterischen Konstitution herauswachsen oder andere, bei denen diese Konstitution an~nkastiseh ist, bei wieder andern ist sie haltlos-leichtfertig usw. Jedenfalls wechseln die charakterplogischen Dispositionen fiir die Sehizophrenie yon Sippschaft zu Sippsehaft und mit der summarischen
Uaterst!chungen zwisohen Psychop~thologie und Endokrinologie. 499 Feststellung, das Schizoid prgdisponiere zur Schizophrenie, ist dem Saehverhalt noch nieht Geniige getan. In vielen l%milien prgdisponieren schizoide, in andern aber andere Eigenheiten zu Schizophrenie. (Daraus ist der SchluB zu ziehen, dab auch ~tuBere Noxen in verschiedenen "Sippschaften eine ganz verschiedene Bedeutung haben mfissen. Es gibt ja kanm ~tngere Erlebnisse, die z. B. eine ,,absolute" psyehotraumatische B edeutung haben k5nnten. Vielmehr entspringt die schgdigende Bedeutnng einer ~uBeren Noxe erst der Empfindlichkeit des Betroffenen, die psychotraumatisehe Bedeutung einer N-oxe eben aus der Art, wie sie erleht wird. Bcider Ausl6sung und der Gestaltung der Schizophrenie wirken sich die verschiedenen Ursachen auf Grund verschiedener Konstitutionen ganz verschieden aus. Die die Schizophrenic ausl6sende Noxe muB zur besonderen Xonstitution passen wie der Schliisscl ins SchloB:) Zu dieser Lehre yon der sippschaftsgebundenen Bedeutung verschiedener Noxen und Dispositionen ffir die Genese der Schizophrenie geben die Beziehungen zwischen Akromegaloid nnd Schizophrenie ein anschauliches Beispiel. Wir haben Sippschaften beschrieben, in denen es nicht vorwiegend die schizoide and asthenische KSrperkonstitution ist, aus der heraus sich Schizophrenien entwicl~eln, sondern vorwiegend die akromegaloide XSrperkonstitution and die damit oft kombinierte als ZwischenhirnstSrnng gekennzeichnete Psychopathie. In diesen Familien sind namlich, wie schon erw/~hnt, f01gende Befunde zu erheben : a) Das Akromegaloid und die Schizophrenie sind deutlich (abet nicht absolut) nntereinander korreliert. b) Mit groBer statistischer Wahrseheinliehkeit sind die Schizophrenen dicser Familien pr~tpsychotisch seltener schizoid-psychopathisch als die Schizophrenen im allgemeinen; nmgekehrt h/~ufen sieh unter ihnen (ira Gegensatz zur pr~psychotischen PersSnlichkeit anderer Schizophrenen) nichtschizoide Psychopathien. 9e) Statistiseh wahrscheinlich ist ferner, dab sich die Schizophrenic in d_iesen Familien (~ihnlich wie das Akromegaloid) erheblich hgufiger nach einem offensichtlich dominanten 3/[odus erblich iibertr/~gt a[s das bei andern Sehizophrenien der Fall ist. Wir haben also in nnseren Untersuchungen fiber Schiz0phrenie in akromegaloiden Sippschaften eine Schizophrenic/otto er/aflt, die gegeniiber dem Gros son Schizophrenien sicher genetische Besonderheiten zeigt. Wir stehen vor einem Itinweis darauf, daB es hSchste Zeit ist, die Genese der Schizophrenie nicht mehr unter der nnbewiesenen Voraussetzung zu studieren, sie sei ffir alle Sehizophrenieformen einheitlich: im Gegenteil erweist sich die Arbeitshypothese frnchtbar, wonach einzelge Untergruppen der Schizophrenic eine verschiedene Pathogenese haben.
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M. BL~v~R:
Zur Beurteilung der Frage, ob es das Akromegaloid ist, welches eine Predisposition fiir die Schizophrenie setzt, oder ob diese Rolle den psychischen I ZwischenhirnstSrungen zukommt, die oft mit dem Akromegaloid verbunden sind, enthalten unsere Untersuchungen deutliche Hinweise: Unter den 17 Probanden mit Kombination yon Schizophrenie und Akromegaloid weisen nur 4 deutliehe psychische ZwischenhirnstSrungen in der Pr~psychose auf. Unter den Schizophrenen in ihren Sippschaften sind die Hi~lfte ~kromegaloid und nut knapp 1/~ weisen deutliche ZwischenhirnstSrungen psychischer Art in der Pr~psychose ~uf. Nunmehr lassen sich selbstverst~ndlich die pri~psychotischen PersSnlichkeiten nicht scharf danach abgrenzen, ob sie auf einer Gleichgev~ichtsstSrung des Zwischenhirns beruhen oder nicht. Wir kSnnen nur bei einigen vorherrschenden besonders typischen Symptomen (auf die wir in den Einzelarbeiten zur Genfige eingegangen sind) annehmen, dab sie sehr wahrscheinlich o i t dem Hypophysen-Zwischenhirnsystem in Verbindung stehen. Vielleicht sind also noch mehr priipsychotische charakterliche StSrungen mit dem Zwischenhirnsystem im Zusammenhang als oben angegeben. Genaue zahlenm~l~ige Vergleiche sind nicht mSglich. Jedoeh ist die Aussage mSglich, dal~ die Schizophrenie in den Sippschuften akromegaloider Schizophrener sowohl mit Akromegmloid ohne Psychopmthie korreliert ist wie mit psychopa'thisehen nicht mkromegmloiden PersSnlichkeiten, deren Psychopmthie auf Zwischenhirnlokmlis~tion verd~chtig ist, wie mit der Kombination yon beiden. Sowohl das reine Akromegaloid wie die reine auf ZwischenhirnstSrung verdi~chtige Psychopmthie pr~disponieren in unseren Sippschaften zu Schizophrenie. Unsere Untersuchungen zeigen jm much, wormuf wir im niichs~en Abschnitt zu sprechen kommen, dm~ dms Akromegaloid und die als Zwischenhirnst5rungen eharmkterisierten psychopmthischen Zfige verschiedenen Symptomen ein und derselben konstituti0nellen GleichgewichtsstSrung im Hypophysen-Zwischenhirnsystem entsprechen. Gegen diese Auffassung spricht keineswegs der Umstmnd, dml~ die beiden Symptomenkomplexe kSrperlicher und psychischer Art nut h~ufig, aber nicht immer, zusmmmen vorkommen. Wir wissen ja much darmuf l~ommen wir in einem der folgenden Absehnitte zuriick - dal~ Konstitutionseigenheiten ganz mllgemein zum Tell als Ganzheit fmmili~r" fibertragen, zum Teil im Erbgmng in Einzelsymptome mufgelSst werden. Es gibt eine KonstitutionsstSrung, die aller W~hrscheinlichkeit nach im tIypophysen-Zwischenhirnsystem verankert ist, die sich gleichzeitig im Akromegmloid u n d in gewissen psychopathischen Ziigen ~ul]ert. Im Erbgmng kmnn die Ganzheit dieser KonstitutionsstSrung in der versehiedensten Weise auseinmnderfallen, u. a. auch so, dml~ sieh das Akromegaloid ohne psyehopathische Ziige pr~sentie~t und umgekehrt. Beiden Teilen der Gesamtanlmge bleibt eine zur Sehizo-
Untersuchungen zwischen Psychopathologiennd Endokrinologm. 50i phrenie disponierende Eigensehaft inne. Ubersichtlicher als in Worten kSnnen diese Verh~ltnisse sehematisch dargestellt werden. Die durch die Beobachtungen belegte Auffassung w/~re dann die folgende: Bestimmte konstitutionelle StSrung des Hypophysenzwischenhirnsystems Akromegaloid
Predispositionzu Schizophrenie
Gewisse Psychopathien
iNicht haltbar w~ren vor dem Beobaehtungsgut dagegen folgende Annahmen :
Bestimmte konstitutionelle St~rung des ~ypophysenzwischenhirnsystems
Bestimmte konstitutionelle StSrung des I-Iypophysenzwischenhirnsystems
Akromegaloid
Akromegaloid
Gewisse Psycho~athien Disposition zu Schizophrenie
Disposition zu Schizophrenie
Gewisse Psychopathien
Vor entspreehende Fragen ist man in bezug auf den Zusammenhang zwischen sehizoiderPsychopathie einerseits und dem vpn KB]~TSCn~ER entdeckten Zusammenhang zwischen ]eptosomem KSrperbau und Sehizophrenie anderseits gestellt. Auch hier stellt sieh die wenig beaehtete Frage; ob der asthenisehe KSrperbau oder ob die sehizoide Psychopathic oder gar beide unabh/~ngig voneinander diePr/~disposition zur Schizophrenic setzen. Naeh eigenen Untersuchungen ist aus entsprechenden Grfinden wie in bezug auf das Verh~ltnis AkromegaloidZwisehenhirnpsyehopathie-Schizophrenie auch hier anzunehmen, da$ ' die Ges~mtkonstitution, die sieh als ]eptosomer KSrperbau und schizoider Charakter ~ul]ert, mit der Disposition zu Sehizophrenie in direktem Zusammenhang steht. Es gehSrt jedoch nieht in den Rahmen dieser Darstellung, hier das Untersuchungsmaterial fiber diese nieht mehr zur Endokrinologie gehSrende Frage vorzulegen. Die Bedeutung des Akromegaloids (und der damit im Zusammenhan 9 8tehenden Psychopathieform) fi~r die Schizophrenie ist nun abet nicht nut eine priidisponierende, sondern auch eine krankheitsgestaltende. Schon nach den Untersuchungen d e r Schule yon GAvPP und K~ETSCHMER ist anzunehmen, dab Verlauf und Symptomatologie der Schizophrenie yon der zugrunde liegenden Konstitution weitgehend beeinflul~t werden. Im Sinne dieser allgemeineren Gesetzm/~Bigkeit konnten wir aueh feststellen, daft die S~hizophrenien Akromegaloider in klinischer Hinsicht Besonderheiten zeigen. (Es w~re naheliegend, in dieser Hinsieht nieht nur die Schizophrenien Akromegaloider zu untersuehen, sondern aueh die Sehizophrenien niehtakromegaloider Psychopathen, deren Psychopathie die Merkmale der Zwisehenhirnlokalisation
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M. B~EVL~:
tr~igt. Diese P s y c h o p a t h i e n sind a b e r viel sehwerer a b z u g r e n z e n u n d ~ufzufinden als d a s A k r o m e g a l o i d . U n s e r e U n t e r s u c h u n g e n b i e t e n ~us d i e s e m G r u n d e h e u t e e r s t geniigende K a s u i s t i k fiir die B e u r t e i l u n g der Schizophrenie bei Akromegaloidenl) Psyehisehe Symptbme, die sieh a]s Z w i s e h e n h i r n s y m p t o m e d e u t e n ]assen, k o m m e n i m pr~-
psychotischen wie im losyehotischen Stadium der akromegaloiden Sehizpphrenen h~ufig vor. In der Sammelarbeit yon I(I~6PFEL, die zufolge der Auslese der Probanden aus Anstalten mit starkem Pf!egecharakter besonders viel sehwerste Sehizophrenien bei Akromegaloid umfal~t, sind zwar diese psychopathologisehen Zwischenhirnzeiehen s t a t i s t i s c h n i e h t m e h r fal~bar; u m so sehSner zeigen sie sieh in e i n i g e n der Einzeluntersuehungen. Mit grol~er W a h r s c h e i n l i e h k e i t u n t e r s c h e i d e t sieh aueh die V e r l a u f s f o r m d e r S c h i z o p h r e n i e b e i A k r o m e g a l o i d im D u r e h s e h n i t t (nicht etwa, in j e d e m Einzelfall) y o n d e r j e n i g e n b e i S e h i z o p h r e n i e ohne A k r o m e g a loid. Die S c h i z o p h r e n i e b e i A k r o m e g a l o i d t r i t t - - wie wir s t a t i s t i s e h ziemlich w a h r s e h e i n l i c h f e s t s t e l l e n k 5 n n e n - - e t w a s s p a t e r auf, sie g e h t h~ufiger in l e i e h t e n u n d s e l t e n e r in schweren D e f e k t fiber u n d z e i g t w e n i g e r einfaeh p r o g r e d i e n t e schwere Verl~ufe als die S c h i z o p h r e n i e i m allgemeinen. Die Festste]lung des durchschnittlich besonders leichten Verlaufes der Schizophrenie auf Akromegaloid kann und mug bier noch bestimmter erfolgen als in der statistisch zusammenfassende~l Arbeit yon X~o~Pr~L. Er war bei seiner Statistik darguf gngewiesen, die Krgnkheitsver]~ufe seiner zum Tell aus dem Bestand, zum Teil aus den Aufnghmen von verschiedenen Anstalten ausgewahltea Probanden sowohl mit den durchsehnittlichen Krankheitsverl~ufen yon Insgssen versehiedener Anstalten wie denjenigen der schizophrenen Aufnahmen zu vergleichen. (Aus selbstverst~ndlichen Grfinden ist (ler I(rankheitsverlauf der Anstaltsinsassen durchschnittlieh ungleieh ungiinstiger als derjenige der Anstaltsau/nahmen, indem die Insassen ja eine Auslese nach angfinst~gen F,~llen darstellen. Sein Kr~nkengu~ war aueh zu klein, a!s daI~ er es statis~isch aussichts~'eieh in Aufnahmen and Insassen yon Anstalten h~tte unterteilen kSnnen.) - - Die Sicherheit seiner Vermutungen kann nun aber dutch einen Yergleich der Xrankheitsverlaufe der akromeggloiden mit den fettdysplastischen and maskulinen Schizophrenen erh5ht werden. Vorerst fallt bei diesem Vergleich auf, dal3 wir in unserer Klinik akromegaloiden Schizophrenen vorwiegend unter anseren frischen Aufnahmen begegnen, maskulinen w eiblichen und fettdysplastisehen Scbizophrenen dagegen vorwiegend unter den Anstaltsinsassen. Schon d~s zeigt, da]] die Sehizophrenie bei Akromegaloid im Durchschnitt leiehter ver]~uft. Ganz sicher kann weiter festgestellt werden, dal] die Verlaufe unserer akromegaloiden Sehlzophreren im Durchsehnitt viel leichter sind a l s diejenigen d e r mgsku]inen and der fettdyzplastischen. (Die diesbezfiglichen Angaben yon DELIA WOLF haben sich am grSBeren Material bestatigt.) Der Unterschied karm nicht oder nicht ganz aus einem besonders ungfinstigen Verlauf der m.askulinen and fettdysplastisehen Sehizophrenen erklArt werden, unter anderem deshglb, weil sich offensichtlich deren Durchsehnittsverlgnfe yon denen giles entsprechend ausgewghlten Sehizophrenen nicht sehr tiefgreifend unterseheiden. Im selben Sirme sprechen die Befande fiber die Verlaufe der Schizophrenien in der Verwandtschaft der maskulinen und fettdysplgstischen Probanden, auf cIie wir zuriiekkomn~en.
Untersuchungen zwischen Psychop~thologieund Endokrinologie. 50~; Es liegen zwei MSglichkeiten vor, den fiberdurchschnittlich leichten Verlauf, und namentlich das seltene Vorkommen yon chronischer Progredienz zu Demcnz, der Schizophrenie bei Akromegaloiden zu erkl~ren. Einmal kSnnte angenommen werden, dab die Schizophrenic durch das Akromegaloid (oder vie]mehr die zugrunde liegende Besonderheit, des ttypophysen.Zwischenhirnsystems) in gfinstigem Sinne beeinflul3t wird; zweitens k6nnte man vermuten, dal3 diese Besonderheit des Hypophysen-Zwischcnhirnsystems nut geeignet ist, leichtere Formen yon Schizophrenien zur AuslSsung zu bringen, w~hrend die schweren, verblSdenden Schizophrenien durch die Konstitution, die auch das Akromegaloid bedingt, nicht oder nicht im gleichen MaBe beim Entstehen gdSrdert werden. Die L6sung der Frage, welche dieser MSglichkeiten der Wirklichkeit entspricht, liegt in der Untersuchung des durchschnittlichen Krankheitsverlaufes der den Probanden verwandtcn Schizophrenen, die weder kSrperlich noch psychisch a]s im ttypophysen-Zwischenhirnsystem ver~ndert charakterisiert sind. Ist auch deren Verlauf gegeniiber dem Gros der Schizophrenien leicht, so wir4 man annehmen mfissen, dal3 die zu Akromegaloid ftihrende Konstitution eben nut an sich leichtere F~lle yon Schizophrenie auszulSsen vermag; ist deren Verlauf hingegen schwcrer, so ist die Annahme gegeben, dab die das Akr0megMoid bedingende Gesamtkonstitution zwar die Schizophrenic in ihrem Ausbrechen fSrdert, gleichzeitig aber auch deren Verlauf mildert. (Wie ich friiher nachgewiesen habe, verlaufen ngmlich die Schizophrenien Verwandter im Durchschnitg ~Lhnlicher als die Schizophrenien Nicht-Verwandter.) u unseren Untersuchungen sind aber noch viel zu wenig schizophrene Verwandte akromegaloider Schizophrener erfal]t, als dab die Frage auf Grund ihres Krankheitsverlaufes beantwortet werden kSnnte; ich muB sie vorl/~ufig noch often lassen. Andere Beziehungen zur Schizophrenic als das Akromega]oi4 zeigen die Fettdysplasie und die maskuline Stigmatisation yon Frauen. Bei ihnen kann zwar wie beim Akromegaloid keine Rede davon .sein, dab die Schizophrenic der Probanden etwa nur ein Symptom der Endokrinopathie w~Lre. Die Griinde, die das ausschlieBen lassen, sind dieselben wie beim Akromegaloid: typischer schwerer schizophrener Verlauf der Psychosen der Probanden,. Mangel an Korrelati0n zwischen der Schwere der Endokrinopathie und der Psychose, Mangel an einer Korrelation in der zeitlichen Entwicklung yon Endokrinopathie und Psychose. V611ig verschiedene Verh/~ltnisse crgeben aber die Familienuntersuchungen: in den Familien der akromegaloiden Schizophrenen erweist sich Endokrinopathie und Schizophrenic eng korreliert - - in den l~amilien der fettdysplastischen und maskulinen weiblichen Schizophrenen hingegen ist eine derartige Korrelation nicht nachweisbar. In diescn Familien zeigen die endokrin ver/~nderten Mitgliedcr nicht
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M. BLE~L~a:
hi~ufiger Schizophrenien als dem Zufall entspricht und umgekehrt. Wit miissen deshalb annehmen, daft sich bei unseren fettdysplastischen und maskulinhetesosexuell stigmatisierten schizophrenen Probanden rein zu/~illig: zwei Konstitutionskranlcheiten ]combiniert haben. Es l~l~t sich bier nicht nachweisen, dab die Endokrinopathie eine Predisposition ffir die Schizophrenie bildet. (Immerhin gibt es Ausnahmef~lle, in denen Schizophrenie und Maskulinisierung der Frau zeitlich derart eng verbun~[en sind, dal~ man hier einen inneren Zusammenhang vermuten mSchte.) Dagegen beein/lussen die Fettdysplasie und die maslculine Stigmati. siesung die Klinik des Schizophrenie, mit des sie zu/~illig ]combiniert sind. Die kSrperlich maskulin stigmatisierten schizophrenen Frauen zeigen fiberdUrchschnittlich h~ufig auch psychisch-maskuline Zfige, die die Psychose fi~rben. Sie sind oft besonders stark negativistisch, selbstherrlich, nach aul~en abweisend, schrof~f, geladen und aggressiv. Sichere Eigenarten des Verlaufs der Schizophrenie bei maskulinen Frauen konnten nicht nachgewiesen werden. Keinesfalls ist er wie bei den akromegaloiden Schizophrenen leichter als beim Gros der Schizophrenie. MSglich erscheint, dab die maskuline Stigmatisierung einen akuten schweren sehizophrenen PersSnlichkeitszerfall fSrdert. Die Schizophrenien bei Fettdysplastischen verlaufen im DurchschnRt h~ufiger einfSrmig schwer und seltener wellenf5rmig gutartig als das Gros der Schizophrenien. Inwiefern es sich hier um eine blo]e Auslesewirkung oder um eine gesetzmi~l~ige Beeinflussung der Schizophrenie dutch die Fettdysplasie handelt, ist noch unabgekl~rt. Die dementen und schwerdefekten Endzustande der fettdysplastischen Schizophrenen zeichnen sich oft durch eine stumpfe Gutmfitigkeit und ~eitgehend erhaltene affektive Rapportf~higkeit aus gegenfiber den :Endzust~nden anderer Schizophrener. Pr~psychotisch scheinen die fettdysplastischen Schiz0phrenen h~ufiger unauff~llig und weniger haufig psychopathisch als die Schizophrenen im allgemeinen. (Genauere Angaben fiber die Statistik dieser Verh~ltnisse in den zusammenfassenden Beitr~gen yon DWLIA WOLF unct COND~AV.) Alle diese Betrachtungen wirken allzu theoretisch. Wenn wir trotzdem an die Notwendigkeit der ihnen zugrunde liegenden Unternuchungen glauben und sie trotz gro]er Schwierigkeiten weiterffihren wollen, so deshalb, weft sie doch irgendwie, wenn auch aUf kleinen, ver~chlungenen und dornenvollen Wegen in clie N~he der groBen Problematik der Verursachung der Schizophrenie ffihren. Diese Problematik ist ja zweifellos eine der brennendsten nicht nur der Psychiatrie, sondern der Medizin und unserer Kultur. In den letzten 50 Jahren sind wir ihr kaum n~her gekommen. Ihre Bearbeitung droht in einer allgemeinen Resignation zu ersticken. Deshalb scheinen uns auch die Ideinsten Beitr~ge, die diese Bearbeitung wieder in Gang bringen, der l~r wert, die sie kosten.
Untersuchungen zwischen Psychopathologieund Endokrinologie. 505 Gleichzeitig bietet die Kl~rung de'r endokrinen Einfliisse auf die Sehizophrenie Aussicht, sp~tter einmal die Therapie zu bereichern. Grundsgtzlich gibt es ja MSglichkeiten, die inhere Sekretion in positivem und negativem Sinne zu beeinflussen. Wenu wir einmal genau wissen, welehe Formen und Stadien der Schizophrenie yon welchen endokrinen Besonderheiten aus gtinst'ig oder ungfinstig beeinflu•t werden, so werden sich au~ dieses Wissen therapeutische Arbeitshypothesen aufbauen lassen. Vorl~ufig freilieh sind die ersten therapeutischen Versuehe, fiber die im Rahmen dieses Bandes BXR beriehtet, noeh viel zu sehematiseh und einfach, um zu einem Erfolg zu ffihren. Die Schliisse, die unsere Untersuchung~en im Hinbliclc au] unser Wisse~ u m die Schizophrenie zu ziehen helfen, w~iren somit die ]olgenden :
1. Die inneren Beziehungen zwischen Sehizophrenie und Endokrinopathie kSnnen nieht gesamthaft betrachtet werden. Versehiedene Endokrinopathien stehen in ganz verschiedenem Wesensverhgltnis zur Sehizophrenie. 2. Schwere Erkrankungen der Blutdriisen, wie namentlich die multiple Blutdrfisensklerose und die SIMMONDSsehe Kaehexie kSnnen zu Psyehosen fiihren, deren Wesen in einem Zusammenfliel]en des psychopathologischen Zwischenhirnsyndroms mit akuten organisch bedingten deIiriSsen Episoden liegt. Diese Psyehosen kSnnen atypischen Schizophrenien rein symptomatiseh zum Verweehseln ghnlich sehen, sind abet ihrem Wesen nach yon der Sehizophrenie aufs Sehgrfste zu trennen. 3. Es gibt eine konstitutionelle StSrung oder Besonderheit, die sich kSrperlieh durch akromegaloide Stigmatisierung kennzeichnet und charakterlieh zu psychopathischen Zilgen fiihrt, die in das als psychopathologisehes Zwischenhirnsyndrom bekannte Bild passen. Diese Konstitutionsbesonderheit, die man als GleiehgewichtsstSrung des Hypophysen-Zwischenhirnsystems auffassen kann, setzt eine Disposition zu schizophrenen Erkrankungen. In gewissen Sippsehaften entwiekelt sich die Sehizophrenie haupts~chlieh aus dieser Konstitution heraus, ghnlich wie sie sieh in anderen aus der leptosom-sehizoiden Xonstitntion heraus zu entwiekeln pflegt. 4. W~hrend eine innere Beziehung zwischen akromegaloider Konstitution und Schizophrenie besteht, so bedeutet es anderseits im allgemeinen ein rein zuf~lliges Zusammentreffen, wenn wir Fettdysplasien oder m~nnliehe Stigmatisierung bei Frauen kombiniert mit Sehizophrenie linden. 5. Gewisse Endokrinopathien beeinflussen, wenn sie sich mit Sehizophrenie kombinieren, deren Klinik: die Sehizophrenien m a s kuliner Frauen sind im Durchschnitt aueh durch eine mannliehe Haltung in der Psychose gekennzeiehnet. Die Sehizophrenien Fettdysplastischer zeichnen sich in den Endzust~tnden dureh eine stumpf-gutmfitige Affektivitat aus. MSglich, aber noch nicht sicher erwiesen isb
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M. BL~VLER:
es, da~ die Schizophrenien masku]in stigmatisierter :Frauen besonders h~ufig zu akutem schwerstem u und die Schizophrenien Fettdysplastischer zu einfSrmig:ehronischem schwerstem Verlauf neigen, w~hrend in beiden l~]len we]lenfSrmig remittierende Verls besonders selten sind. 6. Dagegen steht fest, dal~ die Schizophrenien bei Akromegaloid durchschnittlieh giinstiger verlaufen als d~s Gros der Schizophrenien.
b) Unsere Ergebnisse in bezug au] das Erlcennen organischer Ursachen psychopathischer Pers6nlichkeiten. Vorerst ist die Erfahrung yon Bedeutung, daft Alcromegaloiden h~u/ig psychopathische Z4ge gewisser _FSrbung zukommen. D~ unsere Probanden vorzugsweise nach dem gleichzeitigen Vorkommen yon Akromegaloid und psyehischen StSrungen ausgew/s sind, konnten freilich die Probanden selber in dieser ttinsicht kein schliissiges Beobachtungsgut stellen. Dagegen ist es der sichere Nachweis einer Korrelation zwischen Akromegaloid und Psychopathien unter d e n Vetwandten der Probanden, der beweist, dab zwischen Akromegaloid und gewissen Psychopathieformen eine inhere Bindung besteht. Die Psyehopathieformen, die anlagem/il3ig stark an die akromegaloide KSrperkonstitution gebunden erscheinen, sind summariseh vor allem durch unvermittelt auftretende, meist l~urz, Stunden bis Tage dauernde Verstimmungen und Triebver/~nderungen gekennzeichnet. Die Yerstimmungen sind seltener rein depressiv oder manisch, als dysphorisch, apathisch oder erregt. Unvermittelt und pericdenhaft einsetzende Triebe und Interessen sind yon verschiedenster Art und Richtung. Es kann sich um periodischen HeiBhunger cder periodisehen Durst handeln, letzterer oft unter dem klinischen Bride der Dipsomanie. H/~ufig sind aueh periodisehe sexuelle Drangzust/~nde yon iibertriebener St/s Die allgemeine Unruhe kann in eine Poriomanie auslaufen oder sie ka,nn sich in Wutausbriichen entladen. Es treten auch Phasen yon iiberbordender Geltungs- und GenuBsueht auf, die zu kriminellem Verhalten AnlaB geben kSnnen. Ebenso kommen Angstzust~nde vor. Auch aul~erhalb der Ausnahmezusti~nde erseheinen diese Psychopathen oft veri~ndert: man beobachtet m~nchreal eine unbeschwerte tteiterkeit nnd Gleichgiiltigkeit ohne tieferes soziules Verantwortungsgefiihl und ohne wirk]iche Gemlitswarme. Die Grundstimmung kann aber auch gngstlich-hypoch0ndrisch sein. Es kann zu Haltlosigkeit und Bindungsarmut kommen. In ihrer nngehemmten Triebhaftigkeit in den Ausnahmezustgnden und ihrer gleichgfiltigen Verantwortungslosigkeit im Habitualzustand werden diese Psychopathen oft im ganzen egoistisch, riicksichtslos und asozial. Es ist offensicht]ieh, da[~ das so umschriebene Psyehosyndrom weitgehend jenen StSrungen entspricht, die .zum erstenmal an den
Untersuchungen zwischen Psychopathologieund Endokrinologie. 507 postencephulitischen Zus~anden ~ls Folgen einer S~ammhirnschadigung erk~nnt worden sind, und zwar handel{ es sich bei der Psychopathie bei Akromegaloid um St6rungen, die den leichteren und mittelschweren Formen der Postencephalitis entsprechen. Die psychopathischen Erscheinungen bei Akromeg~loid passen anch in das psychop~thologisehe Zwisehenhirnsyndrom hinein, wie es u.a. yon STEI~Z und STA~HELIN besonders klar heransgeschalt worden ist, wobei unsere Psychopgthien bei Akromegaloid wieder leichten l%rmen des psychopathologischen Zwischenhirnsyndroms entsprechen. Freilieh gibt es mannigfuche theoretische Einw~nde d~gegen, die Existenz eines Stamlnhirn- oder Zwischenhirnsyndroms psychopathologischer Art anznnehmen und die Psyehopathien bei Akromegaloid ohne weiteres demselben zuzuweisen. Ich h~be wiederholt darauf aufmerksam gemacht, dal3 vielfach hirnlokule Psychosyndrome beschrieben word en sind, ohne zu beaehten, dun die ftir eine bestimmte Lokalisation als typisch gemeldeten psychischen StSrungen bei anders lokalisierten Hirnherden in ahnlicher Art beobachtet werden. So ist namentlich das psychische Stirnhirnsyndrom gar nicht so sehr verschieden yore psychischen Stammhirnsyndrom, obsehon in vielen Dars~ellungen diese Verschiedenheit als selbstverstandlich vorausgesetzr ist. Die Frage, ob es ftir Hirnlasionen bestimmter Lokalisation spezifische Psychosyndrome gibt, ist heute immer noeh nicht spruchreif. Vielleicht wird man den Verhaltnissen eher gerecht, wenn man annimmt, dab es grundsatzlieh nur ein Psychosyndrom gibt, d~s durch chronische lokale Hirnherde bedingt w i r d ; die seelischen S~Srungen waren dieselben, wo immer der chronisehe verursaehende Hirnherd seinen Sitz h'~tte. Wenn dem so ware; so ware der Ausdruck Zwisehenhirnsyndrom nnzutreffend und an seine Steile wiirde der allgemeinere Begriff eines hirnlokalen Psyehos3nldroms zu treten haben. Dieses hirnlokale Psychosyndrom ware dann dem Psychosyndrom gegentiberzustellen, das sich aus einer diffusen I-tirnsehadigung ergibt. (Ffir dieses ist der Ausdruek ,organischcs Psychosyndrom" gepr~gt worden, obsehon im weiteren Sinne natiirlieh auch die hirnlokalen Psychosyndrome ,organisch" sindl) Wenn wir die Psyehopa~hie bei Akromegaloid zu den psychischen Zwischenhirnsyndromen einreihen, so soll deshalb der grundsi~tzlichen Frage nicht vorgegriffen werden, ob es tiberhaupt ]okalisatorisch spezifische Psychosyndrome gibt. E s sind gegenw~rtig an unserer Klinik grSl3ere Untersuchungen yon WALTI~EI~vor dem AbschluB, die zur Klgrung dieser Fragen beitragen sollen. Vor]aufig ist vorsichtig zu formulieren: die Psyehopathien bei Akromegaloid gehSren in das bisher beschriebene Bild des psychischen Zwischenhirnsyndroms oder, wenn das Zwischenhirnsyndrom Init den Psychosyndromen bei anderen tIirnlasionen identisch 'sein sollte, allgemeiner in das Bild des hirnlokalen Psychosyndroms. Einf~chheits-
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IVI.BL~wE~:
halber wird in der vorliegenden Arbeit gewShnlieh nur vom ,Zwischenhirnsyndrom" geschrieben; es ist dabei immer der Vorbehalt zu machen, dab die Existenz eines spezifischen Zwischenhirnsyndroms noch nicht sicher ist und es vielleicht besser aufgehen sollte in einem einheitliehen hirnl0ka]en Psychos3mdrom als einheitliche Folge jeder chronischen lokalisierten Hirnl~sion, die sieh psyehiseh auswirkt. Weiter mul~ auffallen, dab die psychopathischen Zusti~nde bei Akromegaloid weitgehend identisch sind mit dem, was F~A~]~L VO~ HOCn~VA~T als Hypophysiirstimmung beschrieben hat. Selbstverst~ndlieh ist die Frage aber mfi[~ig, ob es sich eher um ein hypophysi~res Psyehosymdrom oder um ein Zwisehenhirn-Psychosyndrom handelt. Wir wissen ja heute, daB ttypophyse und Zwischenhirn in hohem Mal~e eine funktionelle Einheit darste]len. Es ist desh~lb nicht erstaunlich, wenn jene psychischen St5rungen, die man zuerst be[ Hypophysenerkrankungen (ni~mlieh bei der Dystrophia adiposo-genitalis) entdeckte, mit jenen identisch sind, die bei ZwischenhirnstSrungen gefunden wurdeu. Die Psychopathie bei Akromegaloiden kann also ebensowohl, dem hypophys~ren Psychosyndrom wie dem Zwischenhirnsyndrom zugeteilt werden. Sehr zu beriieksiehtigen ist nun aber ein weiterer Einwand: gewil~ passen die psychopathischen Ziige" unserer Akromegaloiden ins psychische Zwischenhirnsyndrom hinein. Darin liegt an sich ~ber noch kein Beweis, dab sie ihrem Wesen naeh wirklieh Zwischenhirnsymptome bilden; die klinische Umschreibung des psychischen Zwischenhirnsyndroms ist ja keine scharfe, Es mul~ zugegeben werden, daI~ es klinische Zustandsbilder gibt, die sich rein erscheinungsbildlich nur schwer oder nicht yore psychischen Zwischenhirnsyndrom abgrenzen l~ssen, obschon sie ihrem Ursprung nach mit dem Zwischenhirn nichts zu tun huben. Dazu sind gewisse neurotische PersSnlichkeitsentwicklungen zu z~hlen. Dazu gehSren auch manehe Psychopathieformen~ deren organische Genese in keiner Weise w~hrscheinlich gemacht werden kann. Endlich gehSren dazu viele Zust~nde vor dem Ausbruch y o n Schizophrenien und Residualzustiinde nach dem Ablauf schizophrener Schfibe. Derartige vS]lig wesensverschiedene Zust~nde rein symptomatisch voneinander zu trennen, w~re in sehr vielen Fi~llen ein unmSgliches Unterfangen. Eine Trennung ist nur m5glich, wenn man den Verlauf und die kSrperlichen Begleiterscheinungen mitberiicksichtigt, ond auch dann ist sie oft unsicher. Es ist also der Einw~nd gelten zu lassen, dab die oben beschriebene Psychopathieform zwar erscheinungsbildlich in das psychische Zwischenhirnsyndrom hineinpasse, dub daraus aber noch nicht ihre tutsi~chliche, innere Beziehung zum Zwischenhirn bewiesen sei. Ich mSchte diesen Einwand selbst dann gelten lassen, wenn man beriicksichtigt, dab bei den ffaglichen Psychopathen k(irperbezogene Triebe (Hunger, Durst, Schlaf) ver~ndert sind.
Untersuchungen zwischen Psychopathologie und Endokrinologie. 509 Nun ist es aber gerade diesem Einwand gegenfiber yon besonderer Bedeutung, dal~ unser Psychopathentypus in engster Korrelation mit dem Akromegatoid auftritt, einer StSrung also, die ihrerseits mit Hypophyse und Zwischenhirn in sehr w~hrscheinlicher Beziehung steht. Dariiber hinaus finder sie sich auch in den F/~llen yon morbusCushing-/ihnlichen StSrungen, die DELIA WOLF friiher u n d STOLL in diesem Sammelb~nd beschrieben haben. Xhnliche StSrungen finden sich weiter unter Fettdysplastischen, also wieder unter wahrschein]ich Hypophysenkranken. Ebenso paftt die Psychose, die WIPF bei tier multiplen Blutdriisensklerose beschreibt, in denselben Rahmen, wenn sie auch graduell viel schwerer ist. Wir kommen also zum Sch]u~, daft wir an unseren Akromegaloiden einen Psychopathentypus erfal~t haben, der einer StSrung im Hypophysenzwischenhirn entspricht; erscheinungsbi]dlich ist er identisch mit dem 1/ingst ~ls psychischem Zwischenhirnsyndrom und a]s psychischem Hypophys/~rsyndrom beschriebenen Bild; seine inhere ZugehSrigkeit z u HypophysenzwischenhirnstSrungen wird durch die starke famili/ire Bindung an eine kSrperliche Erscheinung derselben StSrnng, an d~s Akromegaloid, bewiesen. Diese Festste]lungen weisen eindriicklich auf die grof3e Bedeutung hin, die organiSchen Ursachen fiir gewisse Psychop~thieformen beizumessen ist. Zum gleichen Schlul~ fiihren ja anders fundierte moderne Untersuchungen, n~m]ich die elektroencephalographischen. Mit Recht ist bisher versucht worden, die Psychopathielehre yon verschiedenen Seiten zu kl~ren: es ist eindriicklich darauf hingewiesen worden, d a b neurotische Chgr~kterstSrunlgen zu /~hnlichen Bildern fiihren kSnnen wie konstitutione]]e Psychopathien; es ist die Verwandtschaft vieler Psychopathieformen mit den groften endogenen Psychosen bewiesen worden. Uber den Erfolgen dieser Untersuchungsrichtungen darf aber auch nicht vergessen werden, daft es wichtige Psychopathie]ormen gibt, die in Verbindung mit kgrperIichen St6rungen am besten verstanden werden k6nnen. Gleichzeltig deutet der Zusammenhang zwischen Akromegaloid und bestimmten Psychopathieformen anch in anderer t~ichtung: KRETSCHMEtr und seine Schnle haben den Blick fiir die Einheit des Menschen, die Einheit yon Struktur und PersSnlichkeit, geSffnet. Es liegt eine Gefahr dgrin, wenn man glanbt, die Erscheinungsformen dieser Einheit seien in den einfachen Beziehungen schizoid-leptosom, cycloid-pyknisch, epileptoid-athletisch erschSpft. Vielmehr h~ndelt es sich hier nur um besonders auff/s und h/~nfige Beziehungen. Wo immer man ab@rnut hingreift, stSl~t man ~uf weitere, sehr eindringliche Beziehungen zwischen KSrperkohstitution und PersSnlichkeit. RAPOPeRT und ich h~ben am Beispiel der Tuberkulosedisposition schon vor ]5 Jghren dar~uf hingewiesen. Es hatte sich n/~mlich gezeigt~ dab die
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M. BL~c~a:
:Pers5ulichkeitsartung, die mit der Tuberkulosedisposition am h~ui'igsten korreliert ist, yon ganz besonderem Wesen ist. Keinesfalls l~l]t sie sich dadurch erkl~ren, dab Tuberkulose und Schizophrenie ]3eziehungen zum asthenischen KSrpertypus und dieser z u m Schizoid haben. Ein viel eindringlicheres Beispiel geben die Akromeguloiden. Ihrem KSrpertypus entsprieht eine bestimmte Psyehopathieform. Ein anderes Beispiel der Einheit yon Struktur uud Pers6nlichkeit ]iegt in den Beobachtungen an Infantilen : wie es yon j eher angenommen worden ist, fanden wir eine enge Korrelation zwischen kSrperlichem und psychischem Infantilismus. Daneben besteht zweifellos eine kon~titutionelle Beziehung des k6rperliehen' und psychisehen Infantilismus zum Schwaehsinn: Aus unseren Untersuchungen ist dagegen der SchluB nicht gegeben, dab auch die maskuline Stigmatisierung der Frau vorzugsweise mit bestimmten psychopathischen Charakterzfigen einhergehen wiirde. Die Erwartung, dab diese maskulinen Frauen pr~psyehotiseh auch charakterlich in der Mehrzahl deutliche maskuline Zfige tragen w/irden, hat sich nieht erfiillt. Im Gegenteil findet man unter den Frauen mit maskulinen Stigmat~ sehr oft in j eder Hinsicht weibliehe PersSnliehkeiten: Es handelt sich auch um eine maskuline Stigmatisierung, die sich zur I-Iauptsache nut auf die Behaarung, die Stimme und die Geuichtsziige bezieht, wahrend das Genitale normal gebildet ist und normale l~unktionen zeigt. ]~reilieh eigneten sich unsere maskulinen Probandiflnen, da sie alle schizophren wurden, nicht gut zur Beantwortung der Frage des Zusammenhangs zwischen maskuliner kSrperlicher Stigmatisierung und Psyehopathie: Trotzgem h~ttte sich ein grober derartiger Zusammenhang an den maskulinen, nichtschizophrenen Verwandten der Probandinnen zeigen miissen. Anf eine weitere B~obaehtung wird die Psychopathologie und die Psyehotherapie aufmerksam werden miissen: gewisse KSrperkonstitutionen und bestimmte .Charakterziige kSnnen enge konstitutionelle Bindungen zeigen. (An unseren Beobaehtungen: Akromegaloid und Zwischenhirnpsychopathie; kSrperlicher und psychischer Infantilismus.) Absolute derartige Korrelationen scheint es aber nieht zu geben. Sie kommen weder in unseren Beobachtungen vor, noch etwa in bezug auf die Bindung Leptosom-Schizoid oder Pyknisch-Cycloid. Immer finden sich such Menschen mit einer gewissen k6rperlichen Stigmatisation, deren PersSnlichkeit keineswegs tier l~egel entsprechend geartet ist. Akromegaloide z. B. zeigen recht hgufig, sicher viel h~ufiger als dem Zufall entspricht, Psychopathien im Sinne eines Zwischenhirnsyndroms; es gibt ~ber aueh Akromegaloide mit vollkommen unauffMliger PersSnliehkeit, Im selbe'n Sinne sind cyeloide Psychol~athen meistens t)yknisch, aber sicher nicht immer usw. im Erbgang beobachten wit, wie sich bald die Gesamtheit der kSrperlichen und
Untersuchungen zwischen Psychopathologicund Endokrinologie.
5Ji[
charakterliehen Konstitution weiterpflanzt, wie aber auch nicht selten kSrperliehe und eharakterliehe Merkmale einer scheinbar VSllig ei.~heitlichen Konstitution wieder auseinanderfallen. So gibt es unt~" de~l Verwandte~ akromegaloider Psychopathen charakterlich gesundc Akromegaloide und kSrperlich wohlgebildete ";ihnliehe Psychopathen neben Sekund~trf~llen yon akro'megaloiden Psyehopathen. Wir kSnnei~ also nicht damit reehnen, dal~ sich die Zwischenhirnpsychopathie in jedem Einzelfall dadurch deutlich macht, dab der Zwischenhirnpsychopath auch akronlegaloid ware. Wenn das nicht der Fall ist, so ist die Diagnose sehr schwierig, oft unmSglich zu stellen. In einzelnen F'iillen kann die Erforsehung der Verwandtschaft diagnostisch helfen. Die Beobaehtung, dab die Gesamtkonstitution im Erbgang auseinanderfallen kann, schliel3t die Annahme in sich, dal~ dutch diese~ Auseinanderfallen dysharmonische Pers6nlichkeiten entstehen kSnnen. So finden sich u. a. nieht selten charakterlieh Infantile mit wohigebautem, reifem K6rper oder sogar mit athletischem Habitus. Oder es linden sieh charakterlieh reife Menschen i~ infantiler Gestalt. Psych~therapeutische Beobachtungen zeigen immer wieder, wie sehr derartige Dysharmonien der Konstitution zu inneren Konflikten und neurotischen Entwicklungen fiihren kSnnen. So z.B. lieI~ sieh w~hrend einer ]angen Psychotherapie deutlich maehen, wie der Schreibkrampf eines charakterlieh infantilen Athleten den Konflikt widerspiegelte, der sieh aus seiner rohen Muskelkraft und der inneren Hilflosigkeit und Unselbst~indigkeit entwiekelte. Er fiihlte sich nut in der Rolle eines Schildknappen oder Pagen, dutch das selbstandige Planen eines andern geleitet, sieher und frei. Das Sehieksal iiberliel~ ihn aber oft sieh selbst, wobei er die unbedaehte und impulsive Entfaltung seiner Kraft sehwer biil~en mul~te. So verkrampfte sich zuerst die Hand, die sich im Sacke zum Angriff auf einen ihm verhal~ten Vorgesetzten geballt hatte; unmittelbar danaeh bei der widerwilligen Besorgung der Arbeit fiir diesen Vorgesetzten, trat der Schreibkrampf auf. Die Kenntnis yon den Beziehungen zwisehen kSrperlicher und eharakterlieher Konstitution f6rdert auf diese Art auch das Verstandnis der inneren PersSuliehkeitskonflikte und ihrer neurotischen Folgen; umgekehrt werden die bei der Psyehotherapie gewonnenen Einblicke in die PersSnlichkeitsdysharmonien die. Konstitutionslehre fSrdern k6nnen. Die Schliisse aus unseren Untersuchungen in bezug au[ die psychopathischen PemSnlichkeiten w~ren mithin die [olgenden: 1. Unter Akromegaloiden und ihren Verwandten hiiuft sich ein bestimmter Psyehopathentypus, der erscheinungsbildlieh leiehten Formen des psychischen Zwischenhirnsyndroms und des psychisehen Hypophysarsyndroms entsprieht. Da auch das Akromegaloid wahrscheinlich seine Ursaehen im Hypophysen-Zwisehenhirnsystem h a l A~ch. f. P s y c h . u. Zeitsehr. N e u r . Bd. 180.
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5~. B ~ w ~ :
darf angenommen werden, dab es sieh bei diesen Psychopathen wirklich urn ,,Zwischen.hirn-Psychopathen'~ handelt. 2. Die l~ingst angenommene st~rke Bindung zwischen k5rperlichem und chur~kterlichem Inf~ntilismus ]ABt sich bei Familienuntersuchungen bestgtigen. Aul~erdem besteht eine gewisse Bindung zwischen Infantilismus und Schwachsinn. 3.'Die bisherigen Untersuchungen liel~en noch keinen Zusammenhang zwischen der maskulinen Stigmatisierung der l~rau (durch Hirsutismus, m~nnliche Motorik, Gesichtszfige und Stimme) und Psychopathien aufdecken. Jedenfalls zeigt sich die masknline Stigmatisierung der Fr~u yon Psychopgthien welt ungbh~ngiger als das Akromegatoid und der Infantilismus. 4. Die Festste]]ung, dal~ es einehi~ufige ,,Zwischenhirnpsychopathie" gibt, l~l~t es wfinschbar erscheinen, mehr als bisher kSrperlichen Urspriingen yon Psychopathien nachzugehen. 5. ]~ie Kenntnis des Zusammenhangs zwischen KSrperbau und Charakter ist heute noch nicht erschSpft. Unsere Beobachtungen liefern Beispiele dafiir, dag auch abgesehen yon den bisher bekannten weitere, der Beachtung werte Bindungen zwischen K6rperbau und Charakter gefunden werden kSnnen. 6. Die einheitlichen kSrperlich-psychischen Konstitutipnsformen kSnnen im Erbgang auseinanderfallen, so dai~ mit dysharmonischen Konstitu~ionstypen gerechnet werden mu~. Derart entstandenen Dysharmonien kommt eine psychotraumatische Bedeutung zu und sie sind bei der Genese yon neurotischen Entwicklungen zu beriicksichtigen.
c) Unsere Ergebnisse in bezug au] die menschliche Genetik (allgemeine Methodik; Vererbung yon einzelnen Dyspl~sien). Die f~mili~re tts yon K6rperkonstitutionen, die man als leichte Endokrinop~thien auffassen kann, ist bereits vielfach beob~chtet und beschrieben worden. SystematischeFamilienuntersuchungen d~riiber sind uns uber nicht bekannt geworden. An grSi~erem 5~aterial ist nun die f~n~ili~re H~ufung vSllig sicher und in sehr hochgradigem ~al~e an den Akromegaloiden unseres Beob~chtungsgutes n~chgewiesen worden. Bei 22 der insges~mt 23 akromegaloiden Probanden funden sieh unter den Verwandten wieder Akromeg~loide. Unter den 85 Probandengeschwist'ern, welche ]gnger als bis zur Pubertg.t beobachtet werden konnten, waren 22 Akromega]oide und 10 wahrscheinlich oder angedeutet Akromegaloide. Ebenso sicher ist die yon nns untersuchte maslculine Stigmatisiemtng yon Frauen familigr. Von den insges~mt 32 Proba.ndinnen zeigten 16 wieder Fs yon maskuliner Stigmatisierung unter den weiblichen Verw~ndten. Von den 32 Miittern der Probandinnen sind 9, yon den 71 Schwestern 18 maskulin stigmatisiert.
Untersuchtmgen zwischen Psyehopathologie und E ndokrinologie.
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Aueh d e r kSrperliche In/antilismus hiiuft sieh familiar. Von den insgesamt 7 Probanden, deren Familien erforseht werden konnten, zeigten alle 7 ~4eder k6rperliehen Infantilismus unter den Verwandten. Unter den 13 Probandeneltern waren 2 deutlieh, 7 angedeutet, unter den 25 Probandengesehwistern, die das Pubert~tsalter iibersehritten hatten, waren 6 deutlieh, 2 angedeatet infantilistiseh. Nieht sieher naehgewiesen wird dagegen dureh unsere Untersuehungen eine famili~re H~ufung der Fettdysplasie. Unter den 78 bekannten Eltern der 40 fettdysplastisehen Probanden fanden sieh nur wieder 9 F~lle yon ausgesproehener Fettsucht und unter ihren 120 Gesehwistern 10 F~lle. Diese Zahlen fibersteigen das Vorkommen ausgesproehener Fettsueht in der Durehsehnittsbev61kerung nieht offensiehtlieh. Um fiber die Vererbung der Fettdysplasie etwas auszusagen, mfiBten unsere Untersuehungen in maneher Hinsieht noch erg~nzt und pr~zisiert werden. Was nun die Art der erblichen Ubertragung betrifft, so ergib~ sieh beim Akromegaloid, bei der maskulinen Stigmatisierung yon Frauen wie beim Infantilismus, dab sowohl direkte als indirekte Ubertragung yon Generation zu Generation hiiufig beobaehtet wird, wenn aueh graduell versehieden uusgepr~gt. Am meisten Anhaltspunkte f~ir einen dominanten Vererbungsmodus ~indet sieh beim Akromegaloid. Bei 114 Akromegaloiden 'sind wir fiber die K6rperkonstitution der Eltern unterriehtet. Dav0n haben 59 ein akromegaloides Elter; bei 55 sind beide Eltern nieht akromegaloid. 19 Akromegaloide aus 6 ~amilien haben nieht nur 1 akromegaloides Elter, sondern aueh 1 akromegaloiden GroBvater oder 1 akromegaloide GroBmutter; das Akromegaloid hat sieh also in diesen 6 Familien dutch 3 Generationen vererbt; in einer weiteren Familie sogar dureh 4 Generationen. Welter haben 2 akromegaloide ~rauen unseres Beobaehtungsgutes mit 2 verschiedenen, nieht akromegaloiden M.~nnern akromegaloide Kinder erzeugt. Der hohe Prozentsatz der akromegaloiden Geschwister der Probgnden is~ oben sehon erw~hnt.
Wir. k6nnen also sicher annehme~, daft dominante Ubertragung des Akromegaloids eine wichtige Rolle spielt. Yon einer ausschlieB]ichen oder ein~achen domingnteu Vererbung ist aber keine Rede. Zum Beispiel k0mmt ja Akromega]oid trotz seinem Fehlen bei beiden Eltern sehr h~ufig vor. Es kann vorl~ufig nichts dariiber ausgesagt werden, ob bei der Vererbung des Akromegaloids unrege]mgBige Dominanz eine ]~olle spielt, ob es durch mehrere Gene vererbt wird und ob in verschiedenen Familien verschiedene Erbggnge Vorkommen. Zur Entseheidung dieser Fragen wird es ein noch vie] grSBeres Untersuchungsgut brauehen als das vorliegende. Grundsiitzlieh ist die Beantwortung der Frage aber auch dureh die nnr teilweise Einheitlichkeit des Akromegaloids im Erbgang ersehwert, auf die wir zuriiekkommen werden. Es wiirde Arch. f. Psych. u. Zeitschr. ~ e u r . Bd. 180.
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),~. ]~r~vn~a:
wohl g~nz neuer Methoden bedfirfen, um den Erbgang yon Konstitutionseigenheiten, die bedingt einheitlich vererbt werden, in Einzelheiten abzukl~Lren. ~hnliche Hinweise ffir eine st~rke Beteiligung dominanter Vererbung linden sich ~uch beim Infantilismus. Von insges~mt 26 kSrper]ich Inf~ntilen, deren Eltern (bis ~uf einen u bekannt sind, st~mme~ 2 yon 2 nichtinf~ntilen Eltern ab, 8 yon 1 kSrperlich infantilen Elter, 16 yon 2 kSrperlich infantilen Eltern. Dabei ist angedeuteter und_ fraglicher Infantilismus mitgez~hlt; ohne ihn, nur fiir deutliehen und sieheren Infantilismus lauten die Zahlen: yon 15 Infantilen, deren Eltern (bis auf einen Vater) bekannt sind, stammen 11 yon 2 niehtinfantilen Eltern ab und 4 yon 1 kSrperlieh infantilen Elter. Hier h~ngen die Zahlen ~lso ganz davon ab, wie weit m~n den Begriff des Infantilismus fassen will In den 7 Familien unserer inf~ntilen Probanden kann Vererbung fiber 3 Gener~tionen 2m~l beobaehtet werden (leichte und fragliehe infantile Ziige mitgez~hlt; ohne solehe nie). AuBerdem beob~ehteten wit in unserem ]~]einen Material schon 2real das Vorkommen y o n Infanti]ismus bei Halbgesehwistern yon Infantilen. Auch beim In]antilismus spielen alsa dominante Ubertragungsmodi eine wichtige Rolle. Im fibrigen ge]ten dieselben einsehr~nkenden Betrachtungen wie beim Akromegaloid. Was die maskuline Stigmatisierung yon Fr~uen betrifft, so war zuerst die Frage zu prfifen, ob sie nut yon der Mutter oder auch vom Vater vererbt wird. Die Zahlen in bezug auf diese Frage finden sieh auf S. 409. Sie m~ohen es wahrsehelnlieh, dal~ die Vererbung ganz oder vorwiegend yon der mfitter]ichen Seite kommt. Da aber darfiber keine vSllige Klarheit zu schaffen ist, mul~ auch die Diskussion der Beteiligung dominanter ~Tbertragung zurfiekgestetlt werden. Immerhin h~ben etwa 1/3 der m~skulin stigm~tisierten Fr~uen auch maskulin stigmutisierte Mfitter, so d~B aueh bier Mitwirkung dominanter Ub'ertragungen vermutet werden k u n n . Wichtiger ~ls die Frage naeh dominuntem oder rezessivena, gesehlechtsgebundenem oder nieht geschlechtsgebundenem Erbgang seheint die Tatsache, daft im Erbgang des Alcromegaloids, des In]antilis. mus und der maskulinen Stigmatisation yon Frauen bald die Ubertragung der Konstitutionsbesonderheit als Ganzes, bald ihr Auseinander]allen in Einzel'merkmale beobachtet werden lcann. Unter den Verwandten yon Akromegaloiden, Infantilen und maskulinen Frauen finder m~n sehr oft blol~e akromegaloide, infantile oder m~skuline Einzelmer]~male, ohne dal~ yon einer ~kromegaloiden, inf~ntilen oder maskulinen Gesamtkonstitution gesproehen werden kann. (Beisloiele fiir das Akromegaloid: blol3e KSrpergrSl~e oder nut ~kroinegaloides Kinn; fiir den Infantilismus: btol~er Kleinwuchs, blo]e versloatete Pubert~t; ffir die
Untersnchungen zwischen Psychopathologie und Endok~.inologie.
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maskuline Stigmatisierung yon Frauen: bloge Oberlippenbeh~arung.) Wollte man ~ber dieser Beobaehtung e'ntspreehend annehmen, dab sieh der gesamte Konstitutionstypus einf'aeh als eine Summe voneinander unabhi~ngiger Einzelmerkmale erkl/iren lieBe, wfirde man vollkommen fehl gehen. Eine solehe Annahme wird j a sehon deshalb unm6glieh, weft wir yon den eigengliehen, sehweren Erkrankungen her wissen, dag die fraglichen Konstitutionstypen als Ganzes aus ein und derselben Ursaehe entstehen kSnnen, z . B . die Akromegalie dutch einen I-Iypophysentumor, die maskuline Stigmatisierung der F r a u dutch einen Nebennierenrindentumor usw. Aber aueh die Familienforsehung zeigt, dab sieh Akromegaloid, Infantilismus und muskuline Stigma tisierung der :Fr~u oft als Einheit vererben, viel h/~ufiger, als es nur aus einer zuf~lligen ti2ombination yon einzelnen E r b m e r k m a l e n zu erwarten w/~re. Wit 8tehe~ vor der Erscheinung der teilweisen oder bedingten Einheitlichlceit eines Konstitutionstypus im Erbgang. ])iese Erscheinung ist der biologischen Genetik in keiner Weise fremd. Sie kann auf die verschiedenste Art zustande kommen, z. ]3. durch Koppelung yon Einzelgenen, dann vor allem auch durch das Zusammenwirken yon Organanlagen und einer Gesamtsteuerung. Gerade wegen ihrer uneinheitlichen Verursachung mug ihr der Biologe aus dem Wege gehen u n d e r wird im Mlgemeinen nicht geneigt sein, sie als genetisches Sammelsurium zu einem Begriff zu machen. Ganz anders abet ]iegen die Verh/~ltnisse in der ~lenschlichen Genetik. Sobald wir bei einer menschlichen Konstitutionseigen~rt oder einem Konstitutionstypus auf teilweise Einheitlichkeit im Erbgang stofien, hSrt die fibliche, dem elementaren Mendelismus in der Biologie ent]iehene ~'amilienforschung beim Menschen auf. Ffir den Biplogen wiirden bier die Kreuzungsexperimente an reinen Rassen beginnen, die am Menschen unzuggnglieh sin& Der mensehliehe Genetiker kann vor der Erscheinung der teilweisen Einheitlichkeit die exakten, z/~hlenden Methoden nicht mehr anwenden. Er steht vor quantitativ und in ihrer l(ombination unendlich sehwankenden Merkmalen und weiB in vielen Fgllen nicht sicher, ob er sie noch als positives E r b m e r k m a l anerkennen soll oder nicht. Er weiB nicht, soll er v o n d e r Gesamtheit als E r b m e r k m a ] ausgehen oder VOLT!Einzelmerkmal. GehL er yon der Gesamtheit aus, so 15st sie sich ihm unter den Hgnden in Einzelmerkmale auf; geht er abet vom EinzelmerkmaI aus, so wird er ebensowenig befriedigt sein. Es wird ihm dann z. B . begegnen, dab er in vielen Familien von Akromegaloiden die Iamiligre Hgufung und den Erbgang etwa einer Prognathie iiberhaupt nieht mehr erfassen kann. Er wird in gewissen Familien die Prognathie nur bei einem oder ganz vereinzelten Akromegaloiden linden, etwa beim Probanden und einem UrgroBonkel, und einem derart sporadisehen Auftreten keinen genetischen Sinn geben k6nnen. Greift er abet in dieser Familie auf den
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~. Bn~vnEa:
akromegaloiden Gesamthabitus als Erbmerkmal zurfick, so ergeben sich sofort eindrfickliche genetische Zusammenh.~nge. Es wird eine zukfinftige Aufgabe der menschlichen Genetil~ sein, die zweckm~l~igen Methoden herauszuarbeiten, um Konstitutionsbesonderheiten, die im Erbgang teilweise Einheitlichkeit zeigen, genauer z u erfassen und zu analysieren. Jedenfalls bedeutet ffir den Humangenetiker die Erscheihung der teilweisen Einheitlichkeit im Erbgang tin groBes Problem und es ist notwcndig~ da~ er sich mit diesem Begriff auseinandersetzt. Die Erscheinung der teilweisen oder bedingten Einheitlichkeit eines Konstitutionstypus ist, wie unsere Untersuchungen zeigen, nicht nur ffir das Verh~ltnis der einzelnen kSrperlichen Merkmale dieses Konstitutionstypus gegeben; sic macht sich viclmchr auch fiir die Korrelation zwischen k5rperlichen und charakterlichen Merkmalen im hSchsten Mal~e geltend. Auch in bczug auf das gemeinsame Vorkommen yon charakterlichen und kSrperlichen Merkmalen beobachte~ wit an unseren Akromegaloiden und 'Infantilen einwandfrei, dab es erbbiologische ~ o r r e l a t i o n e n gibt, da~ diese Korrelationen aber n u r rclativ und nie absolut sind. Wir beobachten h~ufig ein Zusammenauftreten bcstimmter kSrperlicher mit bestimmten charakterlichen Eigenarten, Es kann aber auch vorkommen, dal~ k5rperliche und seelische Merkmale im Erbgang wieder vSllig auseinanderfallen. Der Genetiker muff damit rechnen, daft es vielerlei Konstitutionstypen gibt, die K6rper und Pers6nlichkeit 91eichzeitig er]assen. Er dar/ abet nicht erwarten, daft die ein und demselben Konstitutionstypus angeh6rigen K6rper- und PersSnlichkeitseigensdha/ten i m m e r gemeinsam vork~men. Auf die Erscheinung der teilweisen Einheitlichkeit eines Konstitutionstypus im Erbgang habe ich deswegen so ausffihrlich hingcwiesen, weft sic sicher nicht nur am Akromegaloid, am Infantilismus und an der maskulinen Stigmatisierung yon Frauen Gfiltigkeit hat. Jeder, der sich eingehender mit mcnschlic~her Genetik besch~ftigt hat, wei[t vielmehr, dab er ihr immer wieder gegenfibersteht, sobald cr sich nicht mit scharf umschriebenen kleinen Einzelmerkmalen bcsch~ftigt, sondern mit Eigenschaften, die den ganzen Menschen betreffen. Gewi~ kann man sich unbeschwert yon der teilweisen Einheitlichkeit an das Studium des Erbgangs tier Farbenblindheit, der I-Iu~TI~GTO~schen Chorea und unz~thliger anderer, auf eine EinzelstSrung zuriickzuffihrender Krankheiten machen. Sobald wir uns aber den wichtigen Krankheiten, GleichgewichtsstSrungen und gesunden Eigenschaftcn zuwenden, die mit der Ganzheit des Menschen zu tun haben, stolen wir ~uf die teilweise Einheitlichkeit im Erbgang. Das gilt z. B. ffir die grol~en K ~ T s c ~ s c h e n Konstitutionstypen. Die leptosom-schizoide Konstitution vererbt sich oft ~ls Ganzes, oft aber auch f~llt sic im Erbgang auseinander. Das Auseinanderfallen betrifft nicht etwa nut Schizoid und leptosomen Habitus, sondern das Schizoid, das als etwas
Untersuchungen zwischen Psychopathologieund Endokrinologie. 517 Ganzes gewirkt hat, kann in verschiedene Einzeleigenschaften zerfMlen, ebenso wie der leptosome K6rperbau im Erbgang in lelotosome Einzelmerkmale auseinanderfMlen kanm Ein anderes Beispiel ftir die teilweise Einheitlichkeit im Erbgang bietet die Konstitution amorpher Kiimmerwuchs-Unterintelligenz. Oft 1/tgt sie sich Ms Ganzes bei mehreren Familiengliedern wieder linden. EinzeMe Familienmitglieder zeigen aber den Xtimmerwuchs mit guter Intelligenz, andere Debilit~tt bei differenziertem KSrloerbau. Und auch die Unterintelligenz, die scheinbar etwas Ganzes darstellt, f/illt in vielen F/~llen wieder auseinander, indem z. B. ein Familienglied theoretisch an sich zu guten intellektuellen Leistungen f/~hig ist, aber zu beeinfluBbar, egozentrisch und impulsiv im Denken ist, mn die Leistungen auszuwerten; ein anderes noeh gute praktisehe Begabung hat, theoretiseh aber V511ig versagt usw. Wo immer wit hingreifen in der Konstitutionspath01ogie und -biologie des 3/[ensehen stogen wir auf die im Erbgang teilweise Einheitlichkeit eines Typus, eines Eigenschaftenkomlo]exes oder eines pathologischen Syndroms. Es schien mir deshMb wichtig, diesen Grundsatz der teilweisen Einheitlichkeit im Erbgang an Hand der Vererbung des Konstitutionstypus AkromegMoid-Zwischenhirn-Psyeholoathie bzw. k6rioerlicher und charakterlicher Infantilititt Mar herauszusch/~len. Wenn sieh frtiher die menschliehe Genetik yon der Biologie verlassen fi~hlen mugte, sobMd sie sich nicht mit eng umsehriebenen, die Ganzheit wenig beriihrenden EinzelmerkmMen abzugeben hatte, so is~ hente die Zeit gekommen, in der sieh die Untersuchungen yon Biologen und Humangenetikern treffen. Es sei namentlich daran erinnert, wie sehr die Untersuchungen der New Yorker Anatomischen Schule unter Leitung yon STOCXARD die gleichen Probleme bertihren wie nnsere Untersuehungen und wie nahe sich die Ergebnisse gekommen sind. Die Un~ersuchungen der STOCKARDsehen Schule an Hunden haben genau wie unsere Untersuchungen die Beziehungen zwisehen KSrperkonstitution, innerer Sekretion und Psyche im Auge. Wie bei unseren Untersuchungen hat sich bei ihren das AkromegMoid (Mlerdings bei den Hunden neben der Achondrololasie ) Ms ein leicht sichs bares NerkmM erwiesen, das bei Untersuchungen t~ber Znsammenh~nge zwischen Psyche, Endokrinium und K6rperkonstitution eine hervorragende Rolle beansprucht. In sehr vielen Punkten decken sieh die 9SToc,xAuDschen und unsere Ergebnisse: viele endokrin bedingten KSrperkonstitutionen vererben sieh nach dominantem 5Iodus. Der Grunds~tz der teilweisen Einheitliehkeit finder sich aueh im Eriogang yon tierischen Konstitu~ions~ypen. Erheblich welter gekommen Ms wir ist STOCKA~Din der Abkl~rung der 3IE_WDELsehenErbg~inge, well ihm eben Xreuzungsexioerimente zur Verffigung standen. Den vorliegenden humangenetischen Untersuehungen sind die seinen aueh insofern
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Iv[.BT,~UnER:
weit fiberlegen, als er Sektionen der Drfisen mit innerer Sekretion durchfiihren konnte. Unsere Untersuchungen mfissen vorl~ufig noch fast vSllig auf pathologisch-anatbmische Grundlagen verzichten, da ja die leichten Endokrinopathien, mit denen wir uns vorls vor allem befal~t haben, im allgemeinen nicht zur Sektion kommen. Dagegen kann unser Untersuchungsgut die STOCKAI~Dschen Ergebnisse fiber die Psychopathologie erheblich bereichern. Die Psychosymptomatik beim Menschen ist viel fal~licher und aufschlul~reicher a]s beim Tier. Nur sie erlaubt z. ]~. Schtfisse auf Gleichgewichtsst5rungen ira Zwischenhirn oder 1.a.~t leicht erkennen, da$ charakterliche Zfige infantil sind nnd in ihrem Wesen der kSrperlichen infantilen Xonstitution entsprechen. Es kann kein Zweifel bestehen, dal~ die Weiterfiihrung der STOCKARDschen Untersuehungen an Hunden a n d unserer humangenetisehen in Bglde erlauben wird, allgemeine gesetzm/~l~ige ZusammengehSrigkeit zwischen Konstitution, Endokrinium and Psyche zu erfassen.
Die Schlufl/olgerungen unserer Untersuchungen in bezug au/ dis Humangenetik wdiren somit die folgenden: 1. Die kSrperlichen Xonstitutionen des Akromegaloids, des Infantilismus and der maskulinen Stigmatisation bei Frauen treten hochgradig familiar auf. 2. Der Vererbungsmodus ist in vielen Ziigen dominant, entspricht abet nicht in allen Fgllen einer einfaehen Dominanz. 3. Die genannten Konstitutionstypen zeigen im Erbgang ausgesproehen die Erscheinung der teilweisen Einheitlichkeit : sie vererben sich bald gls Gesamtkonstitution, bald fallen sie in Einzelmerkmale auseinander. 4. Es besteht im Erbgang eine starke, abet nicht absolute Korre]ation zwischen Akromegaloid und Zwischenhirnpsyehopathie und zwisehen kSrperlichem und psychisehem Infantilismus. 5. Es wird auf die allgemeine Bedeutung der Erscheinung der tei]weisen Einheitlichkeit im Erbgang aufmerksam gemacht, die eine der ttauptschwierigkeiten ffir das Studium der Humangenetik bildet. 6. Unsere Untersuchungen ffihren mit denjenigen der STOCKARDsehen Biologenschule gemeinsamen Zielen entgegen und haben bereits g~meinsame Ergebnisse gezeitigt.
d) Unsere Ergebnisse in bezug au/ dee Endokrinologie. (Erbbiologische Abgrenzung einzelner Endokrinopathien; Ubersicht fiber die psychischen Folgen endokriner StSrungen. ) Vorerst mug ein Vorbehalt gemacht werden: Der Kfirze halher haben wir immer vom Infantilismus, yon tier maskulinen Stigmatisierung der ~rau und yore Akromegaloid gesprochen, als ob wir sicher
Untersuchungen zwischen Psychopathologie und Endokrinologie. 519 w/~ren, es handle sieh um endokrine StSrungen. Die wissenschaftliche Genauigkeit verlangt die Feststellung, daI~ diese Annahme keine erwiesenen Tatsachen, sondern blol~e Arbeitshypothesen darstellen. Freilich lassen sieh gewichtige Grande dafar geltend maehen, in den yon uns untersuehten Dysplasien tats~tchlich Endokrinopathien zu sehen. Vor a]lem spricht der Umstand dafar, dab es sich um gleichsinnige , wenn auch quantitativ weniger weitgehende Ver/~nderungen handelt, wie sie bei faftbaren sehweren Erkrankungen tier Blutdrasen ]angst bekannt sind. Dagegen fehlen uns pathologisch-anatomisehe Befunde, die sicher beweisen warden, da$ die akromegaloide KSrperkonstitutiori, die maskuline Stigmatisierung der Frau und die in~antilistische KSrperkonstitution tats~chlich auf Endokrinopathien zuraekzufiihren w/~ren. Derartige Sektionsbefunde yon Blutdriisen bei mensehlichen Dysplasien und nicht bei eigentlichen sehweren .endokrinen Erkrankungen haben wit aueh in der Literatur kaum gefunden. Immerhin bilden die Befunde an den Blutdriisen yon Hunden besonderer KSrperkonstitution, wie sie C~A~LES 1~. STOCKARD und E. M. VIcA~I in New York festgestellt haben, doch einen sehr pra.zisen Hinweis darauf, da$ die Annahme riehtig ist, die in Frage stehenden Dysplasien seien auf Endokrinopathien zurackzufiihren oder st~nden doch wenigstens mit denselben in einem engen genetischen Zusammenhang. Sollte (entgegen aller Erwartungen aus dem heutigen Stand nnseres Wissens) der eine oder andere tier yon uns verfolgten dysplastischen Konstitutionstypen nicht endokrin bedingt sein, so warde das abrigens in der Formulierung unserer Schlui~folgerung nur ganz wenige _~nderungen notwendig maehen und das beobachtete Tatsaehenmaterial wfirde seine Bedeutung in keiner Weise verlieren. Der Karze halber aber ist aberall darauf verzichtet worden, ausdrficklich darauf hinzuweisen, daft ein Teil der yon uns untersuchten Anomalien nicht sicher, sondern nur hypothetisch Endokrinopathien sind. Unsere Untersuchungen geben zun~ehst einige Abgrenzungen yon Endokrinopathien untereinander: Sie zeigen namentlich, daft das Akromegaloid vo~ der Akromegalie genetisch vollkommen zu trennen ist. Das Akromegaloid ist ein vererbter Konstitutionstypus. E s zeigt mannigfache ~J'berg~nge zur Norm, namentlieh zum athletischen Konstitutionstypus. ~)berg/~nge zur echten Akromegalie wurden dagegen in unserem recht erhebliehen Untersuchungsgut nieht beobachtet (25 Sippschaften yon Akromegaloiden mit insgesamt 850 Personen, wovon 107 Akromegaloide). Das Experimentum crueis, das das ~ehlen yon Akromegaloid in den Familien yon Akromegalen zeigen sollte, bedarf allevdings noch der'Vermehrung des Untersuchungsgutes. Wit konnten nur einen einzigen echten Akromegalen mit 15 Verwandten erfassen, yon denen keiner akromegaloid war. Immerhin ist aus der Literatur bereits bekannt, da$ famili~res Auftreten bei der Akromegalie
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~. B~u~.~:
selten ist. Erbbiologische Bindungen des Akromegaloids zu andern Endokrinopathien als dem Akromegaloid fehlen e'benfalls oder sind n u t sehwach. l m weiteren ergibt sich aus unseren Untersuchungen, daft es eine genetisch recht einheitliche Endolcrino~athie gibt, die in der maskulinen Stigmatisation yon Frauen besteht. Die maskulinen Stigmata beziehen sieh auf Behaarung, Gesiehtsziige, Motorik und Stimme, nicht aber auf Genitalien und Briiste: (Gleiehsinnige Beobaehtungen machte sehon LoM]3Roso.) Die PersSnliehkeit der maskulin stigmatisierten Frauen ist im Gegensatz zu den akromegaloiden und infantilen Menschen nicht oder nicht naehweisbar beteiligt. ~ a n kSnnte zufolge dieser ]3eobachtung vermuten, dab es sich bei der maskulinen Stigmatisierung der Frau um eine ,~peripherere" endokrine Anomalie handeln miisse als beim Akromegaloid und beim Infantilismus, die weniger yon einer zentralen endokrinen Steuerung als yon endokrinen EinzelstSrungen ausginge. Der mehr rein kSrperliehe, oligosymptomatisehe Char~kter der maskulinen Stigmatisierung der Frau legt namentlich die Vermutung nahe, dal~ sie nieht hypophys~r bedingt sei, sondern eher mit der Funktion der Nebennierenrinde zusammenh~nge. Ein gewisser~ wenn auch nur loser, genetischer Zusammenhang ist zwischen konstitutione]lem InfantiHsmus and maskuliner Stigmatisierung der ~rau anzunehmen. Die StSrungen bei Patienten unseres Untersuehungsgutes, welehe einer CvsHI~Gschen Krankheit ~hnlieh sind, erwiesen sich nicht als familiar. Allerdings ist dieses Untersuchungsgut noeh sehr klein (4 mangelhaft efforschbare Familien). Auf Grund desselben liel~en sieh keineswegs so scharfe Grenzen ziehen zwischen eigentlieher Cus~t~Gscher Krankheit und cushing~hnlicher Konstitution wie zwischen Akromegalie und Akromegaloid. Im ersten Full seheinen Ubergangsformen v0rzukommen, im zweiten nicht. Was die Beteiligung yon Einzelmerkmalen an den endokrinen Symptomen betrifft, so ist aus unseren Untersuchungen die Bedentung der Stimmlage hervorzuheben. Die Ver~nderung der Stimme gehSrt im Syndrom des Infantilismus wie in dem]enigen der maskulinen Stigmutisierung der Frau zu den konstantesten und auff~lligsten ]~inzelmerkma]en. Aueh das Akromegaloid zeigt oft ver~nderte Stimmlagen: Die Stimme verdient im endokrinologischen Status einen hervorragenden Platz. LCCHSI~G~, der uns bei unseren Untersuchungen viel geholfen hat, hut das in seinen ikrbeiten bereits hervorgehoben, nachdem LOMBROSOunter ~lteren, aber ~hnlichen Gesiehtspunkten der Beaehtung der Stimme schon im letzten Jahrhundert besondere Aufmerl~samkeit geschenkt hatte. - - Umgekehrt steht die Entwicklung der weiblichen Brust in den yon uns untersuchten Endokrinopathien in keiner oder nur in geringer Korrelation zn den iibrigen endokrinen
Untersuchungen zwischen Psychopathologie und Endokrinologie. 521 Symptomen. Namentlich beim Infantilismus liegt lunge nicht so oft eine Unterentwicklung der Brust vor, wie man es vermuten kSnnte. Die Unterentwicklung der Brust ist auoh nich~ dem Syndrom yon Itirsutismus, m~nnlicher Stimme und m~nnlicher Motorik bei Frauen zugehSrig. Es scheint, dul~ die Entwicklung der Brust weitgehend unubh~ngig yon der iibrigcn Konsti*ution gesteuert wird. In bezug auf die klinisohen Besonderheiten eines Falls einer ~sultiplen Blutdriisensklerose, dessen Sektionsbefund vorliegt, sei auf die Arbeit yon WIPF verwiesen. Ffir die iosychischen StSrungen bei Endokrinopathien geht uus unseren Untersuchungen erneut hervor, dul~ es fulsch ware, ,,spezifische" psychische Symptomenbilder fiir jede Art der Endokrinoputhie suchen zu wollen. In dieser Richtung ging frfiher dus Bestreben vieter Endokrinologen. Dcr Umstand, dul~ es ihnen nicht gelang, die erwarteten spezifischen psychischen XuBerungen zu den einzelnen Endokrinopathien zu finden, diirfte eine der Ursachen sein, weshalb schliel~lich die Endokrinologie dus Interesse an ihrer psychopathologischen Seite so weitgehend verlor. Auch unsere Untersuchungen, obschon sie auf die Beobachtung der Psychoputhologie v0n Endo. krinoputhien gerichtet wuren, konnten in keiner Weise ftir einzclne Endokrinoputhien spezifische Psychosyndrome uufdecken. Die Psychopathie bei Akromegaloid erwies sich identisch mit dem Stainmhirnund I-Iypophysenpsychosyndrom; der psychische Infantilismus bei kSrperlichem Infantilismus hat nichts an sich, was ihn yon andern Inf~ntilismnsformen, z.B. erworbenen, nnterscheiden kSnnte; die Psychosen bei multipler Blutdriisensklerose, bei SI~O~Dsscher Krunkheit und bei Clcs~I~Gscher Xrunkheit 15sen sich auf in den allgemeinen akuten exogenen I~eaktionstypus BON]~O]S~FE~ und das Stummhirnsyndrom. Wenn sich somit die endokrinen Psychosyndrome keinesfa]ls in spezifische GeistesstSrungen bei spezifischen Endokrinopathien gliedern, so reihen sie sich doch in die Au//assung 'yon wenige~ Grund/ormen seelischer StSrunge~ ein. Die UnmSglichkeit, spezifische GeistesstSrungen ftir die einzelnen Endokrinoputhien zu finden, bildet keinen Einzelf~ll. Entsprechende Verhitltnisse ergeben sich auch, wenn bcstimmten Hirnkrankheiten eine bestimmte psychische Symptomutologie zugeteilt werden sollte. Auch dann stellt man fest, dub nicht jeder Igirnkrankheit eine bestimmte GeistesstSrung entspricht; die mit Hirnkrankheiten verbundenen GeistesstSrungen sind nicht yore Wesen der. zugrnnde liegenden Hirnkrankheit ubh~ingig, sondern yon deren Grad, dercn Einwirkungstempo, deren Loka]isution und der PcrsSnlichkeit, die sic treffen. HEDWlO WALD1Sl~und ich haben dus ftir die Heredoataxien auszuffihren versucht. Xhnliche Grundsatze gelten unter anderem fiir die Vergiftungen, wie ich es um Beispiel der Quecksilber- nnd Schwefelkohlenstoffvergiftungen zeigte. Es ist deshalb
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M. BLEtrLER:
natiirlich, dab wir in der Endokrinopathologie auf dieselbe Erseheihung stoBen. Wenn wit eine Ubersicht iiber die psychischen Erschei~tungen bei .endokrinen Erkrankungen zu gewinnen versuehen, so ergeben sieh schematiseh folgende Verh~ltnisse, in die auch die Beobachtungen ant vorliegenden Untersuehungsgut hineinpassen : Endokrine Erkrankungen Mler Art, die nieht "besonders schwer -and akut verlaufen, setzen im allgemeinen StSrnngen der Stimmungen, vor allem der Vitalstimmnngen, und der Triebhaftigkeit. Dabei sehwanken freilich die erregenden und d~mpfenden Einfliisse bei den versehiedenen Endokrinopathien stark. Es gibt solehe, die mehr d~mpfenden EinftuB habeu, andere, denen mehr erregende Wirkung zukommt; bei vielen Endoki:inopathien besteht aueh eine Misehung zwisehen d~mpfenden nnd erregenden Wirknngen. Im Mlgemeinen zeigen die periphereren Drfisenerkranktingen, namentlieh der Schilddrfise und der Nebenschilddriise, eine reinere Unterseheidung zwisehen Erregung und Dgmpfung yon Stimmung u nd Triebhaftigkeit als die StSrungen der zentraleren ttypophyse.. Bei ihren StSrungen besteht oft ein uniibersichtliehes Durcheinander yon anregenden und d~mpfenden Einfltissen. Peripherere Driisen innerer Sekretiou k6nnen ferner ihren EinfluB anf Einzeltriebe besdhrgnken (Gesehleehtsdriisen --Gesehleehtstrieb; Inselapparat - - Hunger). Die in bezug auf ihre _-Funktion zentrale Hypophyse dagegen scheint, wenn sie gestSrt wird, in vSllig uniibersiehtlieher Art das eine Mal diesen, das andere Mal jenen Trieb zu erfassen. Die intellektuellen Funktionen werden bei diesen endokrinen Psyehosyndromen kaum direkt gestSrt; sie sind nur insofern ver'~ndert, als sie yon Stimmung, Interessen und psychisehem Tempo abhgngig sind. Alle diese end6krinen Psychosyndrome sind kaum zu unterseheiden -con den Psyehosyndromen bei maneherlei lokalisierten ehronischen /-Iirnlasionen, besonders solehen im Stammhirn. Beide betreffen Stimmung, Triebhaftigkeit und psyehisehes Tempo. Die endokrinen und die hirnlokalen Psyehosyndrome sind vielleieht nieht nur psyehosymptomatisch weitgehend ein und dasselbe, sondern aueh ihrem Wesen naeh. Immer mehr zeigt sieh j~ die weitgehende Gtiltigkeit der Auffassnng, dal~ es einheitliehe Funktionssysteme zwisehen der Funktion yon Blutdriisen und mirnteilen gibt. Im Vordergrund der Aufmerksamkeit steht zur Zeit alas Hypophysen-Zwisehenhirnsystem. Sehon viel friiher abet war die Funktionseinheit der Sehilddrtise mit zentralnerv6sen Funktionen aufgefallen. Ebenso gibt es e.ine Funktionseinheit zwischen Gesehleehtsdriisen und nervSser Gesehleehtliehkeit, eine solehe zwisehen Hungergeftihl, das endokrin gesteuert ist, nnd psyehisehem Hunger nsw. Es entsprieht deshalb dem Stande
Untersuehungen zwischen Psychopathologie und Endokrinologie.
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unserer heutigen Kenntnis, wenn wir arbeitshypothetisch voraussetzen, daft die Zusammengeh6rigkeit der endol~rinen und der hirnlokalen
Psychosyndrome nicht nut eine iiu[3erliche, erscheinungsbildliche, sondern a~ech eine biologisch bedin~te ist. Bus Erscheinungsbild der endokrin bedingten GeistesstSrungen im einzelnen h~ngt dabei natiirlich sehr weitgehend vom Tempo der krankhaften endokrinen Einfliisse und ihrer Quantit/~t ab. t~erner hiingt die individuelle Reaktionsart von der zugrundeliegenden pers6nliohen Konstitution ab. Es ist offensiehtlich, dab die Einfliisse des Tempos und des Grades der Seh/idigung, sowie der urspriingliehen PersSnliehkeit so stark sind, dab im Vergleich zu ihnen die spezifisehe Wirkung einzelner Driisen v511ig zuriicktritt. Erkrankungen der Drtisen mit innerer Sekretion kSnnen nun frei]ieh auch andere geistige St6rungen setzen Ms solehe im Rahmen des endokrinen und hirnlokalen Psyehosyndroms. Vorerst k6nnen die endokrin bedingten oder mit]oedingten PersSnlichkeitsdysharrnonien den Anlag zu inneren Konflikten sehwerer und dauernder Art bi]den, die zu neurotischen PersSnlichkeitsentwicklungen fiihren kSnnen. Die endokrine und neurotische StSrung kann so zu einheitliehen Krankheitsbildern versehmelzen. Als solehe sind viele Drangkrankheiten, das sog. impulsive Irresein und ~hnliehe StSrungen zu deuten. Ein weiteres Beispiel ,dafiir bildet die Pubert/~tsmagersueht, die ja yon diesem Gesichtspunkt aus von den versehiedensten. Autoren sehr anschaulieh besehrieben und gedeutet worden ist. Wenn eine endokrine Erkrankung besonders sehwer und akut verl~uft, so dab es zu akuten, sehweren S~offweehselkrisen kommt, entstehen deliriSse Psyehosen vom T y p u s des akuten exogenen l~eaktionstypus Bonhoeffer. Wie BONHOEI~IrER sehon vor Jahrzehnten erkannte, ist ihre Symptomatologie in der Hauptsaehe nur typisch fiir eine sehwere akute al]gemeine KSrpersch~idigung und wenig typiseh fiir die besonctere Art der Noxe. Derartig e deliriSse Psyehosen linden sieh im ~(orliegenden Beobaehtungsgut im Falle der mu]tiplen ]~lutdriisensklerose. Zu ihnen gehSren auch die hypoglyk~mischen Delirien, .die man bei der Insulinbehandlung der Psyehosen so' oft zu sehen bekommt. Die Delirien bei Tetanie nach Exstirpation der NebensehiIddriisen, bei Basedow-Krisen, bei Addison-Krisen usw. sind weitere, al]gemein bekannte Beipsie!e hiezu. Chronisehe sehwere endotoxische Einfliisse k6nnen aber aueh zu dauerhaften diffusen Hirnseh~idigungen fiihren. Dann entsteht endokrin bedingt ein Psychosyndrom, das sieh dureh spezifisehe St6rungen des Denkens (Gedankenarmut, Perseveration , zu allgemeines und zu detMlliertes Denken, zu starke Affektschaltung u. a.), durch St6rungen des Merkens, Auffassens und Erinnerns, durch Affektlabilit'~t und
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~,~LEULER:
affektive Verstumpfung auszeichnet. Unglficklicherweise besteht noch keine Einigkeit fiber die Etikettierung dieses so bedeutsamen Psychosyndroms. Es wird oft a]s das amnestische bezeichnet, jedoch ist dieser Ausdruck schlecht, weft er nut einen Tell sdiner Symptomatik hervorhebt. Es wurde deshalb an unserer Klinik vor 31 Jahren der Ausdruck organisches Psychosyndrom gepr~gt. Heute ist er abet desh~lb mi[tverst~ndlich geworden, weft seither auch andere Psychosyndrome bekannt geworden sind, die man ,,organiseh" nennen kann, ebeu die hirnlokalen Psyehosyndrome. - - Beispiele ffir organisehe oder amnestische Psyehosyndrome bei endokrinen Erkrankungen finden sieh nicht in nnserelu Unterst~chungsgut. Sie sind aber l~ngst beschrieben, z.B. bei sehwersflen Tetanien naeh weitgehender Exstirpa~ion der Nebenschilddrfisen, im Endstadium der SIM~ONDSschen Krankheit und ~hnlichen schweren chronisehen StSrungen. Auch beim Kretinismus besteht eine diffuse Hirnschadigung, welehe abet nicht zum organisehen Psychosyndrom, sondern zu Schwachsinn ffihrt, weft sie schon in frfiher Kindheit oder intrauterin einsetzt. Was die endogenen Psychosen b6trifft, sind die Zusammenh~nge zwischen Endokrinopathien und Schizophrenie bereits berfieksichtigt worden. Es seheint keine eigentlichen Schizophrenien zu geben, die endokrin verursacht werden, wenigstens lassen sieh Solehe mit unseren heutigen Forschungsmitteln nicht heraussch~len. Dagegen kSnnen endokrin ausgelSste Psychosen-ge]egentlieh Schizophrenien ~hnlich sehen. Ferner k6nnen sich eine sehizophrene und eine endokrine Erkrankung gegenseitig beeinflussen. Das manisch-depressive Irresein konnte leider in unsere Untersuchungen noeh nicht einbezogen werden. Unsere bisherigen Kenntnisse fiber seine Beziehungen zu den Endokrinopathien sind noch sehr mangelhaft. Wenn sich die psychischen S~6rungen bei Endokrinopathien demnach such nicht in spezifische GeistesstSrungen, in KrankheitseinJ heiten im altar Sinne einreihen lassen, so lassen sie sich doch in die vorstellungen fiber Grundformen seelischer Krankheiten einffigen und yon ihnen aus weitgehend verstehen. Sobald die Endokrinologie yon diesem Gesichtspunkt aus die Psyche der Endokrinop~then berficksichtigt, sind ihre psyehopathotogisehen Befunde nicht mehr verwirrend~ unzusummenhangend und sinnlos, wie sie es bisher so oft erschienen. Sie werden dann sinnvoll und lassen sich in die allgemeine Psychopathologie einffigen. Als Schlu]3/olgsrungen unserer Untersuchungen in bezug au/ die Endokrinologie w~ire somit hervorzuheben : 1. Die akromegaloide KSrperkonstitution ist eine yon der Akromegalie genetisch getrennte, famili~re Endokrinopathie.
Untersuchungen zwischen Psychopathologie urtd Endokrinologie.
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2. Gewisse Formen eines angedeuteten CusRI~G-Syndroms hingegen sind keineswegs so k]ar yon der C~s~I~Gschen Krankheit abzutrennen, wie das Akromegaloid yon der Akromegalie. Ihr famili~res Auftreten ist in kleinem Material auch nicht nachzuweisen und auf keinen Fall so deutlich wie beim Akromegaloid. 3. Es gibt ein famili~res endokrines Syndrom der m~nnliehen Stigmatisierung der Frau, d~s Hirsutismus, Motorik, Gesichtszfige und Stimm% nicht abet Genitalien und Brfiste erfa{R. Es hat - - wenn fiberhaupt - - weniger deutliche Beziehungen zu PersSnlichkeitsst5rungen als Akromegaloid und Infantilismus. 4. Bei den yon uns untersuchten Endokrinopathien bilden Vers rungen der Stimme ein besonders konstantes Symptom. Die Entwicklung der weiblichen Brust erweist sich dagegen wie bei der maskulinen Stigmatisierung der ]Prau auch beim Infantilismus yon der endokrinen ,Gesamtsteuerung weitgehend unabh~ngig. 5. Was die Beschreibung eines neuen ~alles yon multipler Blutdrfisensklerose betrifft, sei auf die Arbeit yon WIt'F verwiesen. 6. Unsere BeobachtUngen ffigen sich vSllig in die schon auf Grund frfiherer Erfahrungen gegebene Auffassung ein, wonach das Suchen nach spezifischen psychischen Krankheitsbildern bei einzelnen Endokrinopathien sinnlos ist, wonach sich aber die psychischen Folgen yon endokrinen Krankheiten sinnvoll in die Auffassung yon einigen wenigen Grundformen seelischer StSrungen einreihen lassen: Die meisten seelischen StSrungen bei Endokrinoioathien geh6ren in das Zwischenhirnpsyehosyndrom, das mit einem ,,endokrinen Psyehosyndrom" als Jdentisch bezeichnet werden kann. (Vielleicht geht es auf im Stammhirns?mdrom oder sogar in einem einzigei1 hirnlokalen Psychosyndrom, weil die psyehischen Folgen yon umschriebenen Hirnherden versehiedener Lokalisation weitgehend die gleichen sind.) Die PersSnliehkeitsdysharmonien im Zusammenhang mit Endokrinopathien k6nnen ehronisehe Konflikte setzen, die sieh zu Neurosen entwiekeln. Akute .sehwere StoffweehselstSrungen im Verlauf yon endokrinen Erkrankungen kSnnen zu deliriSsen Psyehosen vom akuten exogenen Reaktionstypus ftihren. Die Kombination 'soleher exogener Delirien mit .einem ehronischen Zwisctienhirnsyndrom kann in selteneren F~llen paranoiden Sehizophrenien ~ul3erlieh sehr ~hnlich sein. Nach sehr schweren wiederholten kurzen oder langdauernden endokrinen Seh/~digungen kSnnen die psychisehen Folgen einer diffusen ehronischen Hirnschgdigung vorliegen (organisehes Psyehosyndrom im engeren Sinn, wenn die Noxe in erwaehsenem Alter auftritt, Schwaehsinn, wenn die Noxe friihkindlieh auftritt).
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