Unfallchirurg 2003 · 106:121–126 DOI 10.1007/s00113-002-0482-8
Originalien P. A. Grützner · W. Haase · S. Matschke · B.Vock · A.Wentzensen Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Ludwigshafen,Unfallchirurgische Klinik an der Universität Heidelberg
Vergleichende Untersuchung zwischen einem winkelstabilen, monokortikalen Implantat „PC-Fix“ mit der konventionellen Plattenosteosynthese bei Unterarmschaftfrakturen
Zusammenfassung Anhand einer retrospektiven Follow-upStudie unter der Verwendung von MatchedPair-Variablen wurde der Heilverlauf von 64 individuell zugeordneten Patientenpaaren (128 Patienten) mit Frakturen des Unterarmschafts untersucht.Eine Gruppe wurde mit dem AO-Point-Contact-Fixator (PC-Fix), die andere mit 2,7 bzw.3,5 mm DCP/LC-DCP behandelt.Die Heilverlaufsdaten stützen sich auf einen Zeitraum von 18 Monaten nach der Implantation.Es konnte bei allen Patienten ein Follow-up durchgeführt werden. Die Patienten wurden einander auf Grund der Kriterien: Frakturklassifikation, Weichteilschaden, Begleitverletzungen und Alter zugeordnet.Mögliche Komplikationen waren: implantationsbedingte Nervenschäden, Infektionen, Implantatversagen, Heilungsverzögerung, Pseudarthrosen, Bewegungseinschränkungen und Synostosen.Bei 13 Patienten traten Komplikationen auf (PCFix Gruppe: 8 vs.DCP Gruppe: 5).Die Signifikanztestung ergab bei einem p-Wert von 0,5811 keinen statistisch signifikanten Vorteil für eines der beiden Implantate. Schlüsselwörter Unterarmfraktur · PC-Fix · Plattenosteosynthese
D
as Standardverfahren für die Behandlung von diaphysären Unterarmschaftfrakturen beim Erwachsenen ist die offene Reposition und interne Plattenosteosynthese [1, 2, 3, 4, 5]. Trotz weiter Verbreitung und großer Akzeptanz der Spann-Gleitloch-Platten (DC-Platten) wird in der Literatur von einer Reihe von Komplikationsmöglichkeiten berichtet, die zum Teil auf die Störung der Mikrozirkulation durch das dem Knochen flächig aufgepresste Osteosynthesematerial zurückzuführen sind [6]. Die Reduktion der Auflagefläche hat zur Entwicklung der LC-DCP geführt, doch auch bei ihr ist ein flächiger Anpressdruck auf den Knochen notwendig, um die Kraft via Reibung zu übertragen. Eine Alternative zur DC-Plattenosteosynthese stellt der „Point Contact Fixator“ (PC-Fix) der AO dar, ein internes, winkelstabiles Implantat (Abb. 1). Er liegt dem Knochen lediglich punktförmig auf, die monokortikalen Schrauben fungieren als Pins (Abb. 2). Das Prinzip der Kraftübertragung entspricht dem des Fixateur externe. Ein Anpressdruck ist nicht erforderlich [7, 8, 9]. Nach der Einführung des neuen Implantats interessiert im Vergleich zu den herkömmlichen Implantaten v. a. seine Sicherheit und Komplikationshäufigkeit in der klinischen Anwendung. Vergleichszahlen aus der Literatur sind nur eingeschränkt zu verwenden, da in jeder Untersuchung eigene Kriterien und unterschiedliche Standards bei Nachbehandlung und Nachuntersuchung ange-
wendet werden. Alle zur Verfügung stehenden historischen Kontrollkollektive unterscheiden sich hinsichtlich dieser Behandlungs- und Beobachtungsstandards. Ein Vergleich des eigenen Patientenguts mit historischen Kontrollen ist daher nicht aussagekräftig. Ziel dieser Studie ist der Vergleich zweier Patientengruppen – mit DC-Plattenosteosynthese vs. mit PC-Fix behandelte Patienten – bezüglich des Behandlungsergebnisses hinsichtlich unten genannter Komplikationen.
Patienten und Methoden Studienendpunkte und Matching Der Heilverlauf dieser Gruppen wurde anhand einer retrospektiven Follow-upStudie unter Verwendung von Matchedpair-Variablen miteinander verglichen. Komplikationsmöglichkeiten waren: ◗ Infektion, ◗ Implantatversagen,
© Springer-Verlag 2002 Die Arbeit enthält wesentliche Auszüge der Promotionsarbeit von Herrn Werner Haase. Dr. Paul Alfred Grützner Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Ludwigshafen, Unfallchirurgische Klinik an der Universität Heidelberg, Ludwig-Guttmann-Str.13,67071 Ludwigshafen E-Mail:
[email protected] Der Unfallchirurg 2•2003
| 121
Unfallchirurg 2003 · 106:121–126 DOI 10.1007/s00113-002-0482-8
P. A. Grützner · W. Haase · S. Matschke B.Vock · A.Wentzensen Comparative examination between an angle stable, monokortikal osteosynthesis technique with the conventional plate osteosynthesis at the anterior arm shaft fracture Abstract With a retrospective Follow-up essay under the use of Matched peer variables the wellbeing course was examined by patient pairs (128 patients) assigned to 64 individually with fractures of the anterior arm shaft. A group which treats others with 2.7 or 3.5 mm DCP/LC-DCP got with the AO Point Contact basic gate (PC-Fix).The well-being course data count after the implantation on a period of 18 months.The Follow-up-rate was 100% for this time period. The patients became for each other on reason of the criterions: assigned to fracture classification, soft partial loss, accompanying injuries and age.Possible complications were: implantation conditional nerve damages, infections, implant failures, delayed healings, pseudarthroses, motion reductions and synostoses.Complications appeared (PC-Fix at 13 patients: respect, DCP: 5).The statistical testing didn't yield any statistically significant advantage for one for the two implants at a p-value of 0.5811 for. Keywords Anterior arm fracture · PC-Fix · DCP osteosynteses
Originalien ◗ verzögerte Heilung und/oder Pseudarthrose, ◗ Bewegungseinschränkung und Synostose. Einschlusskriterium der Studie war eine frische, diaphysäre Unterarmschaftfraktur (Segment 22 nach AO). Nicht in die Studie eingeschlossen wurden Patienten mit Verkürzungsosteotomien, Reosteosynthesen sowie bei primärer Verwendung von autologer Knochenspongiosa. Gemäß obriger Kriterien wurden 87 Patienten von 1993–1997 wegen einer UA-Schaftfraktur mit PC-Fix-Implantaten behandelt. Als Vergleichsgruppe wurden Patienten ermittelt, die im Zeitraum von 1988–1996 mit DC-Plattenosteosynthesen (DCP/LC-DCP, 3,5 oder bei Kindern 2,7 mm) am Unterarm versorgt wurden. 211 Patienten erfüllten diese Kriterien. Alle Patienten wurden anhand der Matching-Kriterien: ◗ Frakturklassifikation (kategorielles Matching), ◗ Weichteilschaden, Begleitverletzung und Alter der Patienten (jeweils intervallweises Matching) einander zugeordnet. Matching-Variablen entsprechen wesentlichen „Confoundern“ in Bezug auf den Heilverlauf. Beim Matching werden die Patienten diesbezüglich angeglichen, sodass ein evtl. unterschiedlicher Heilverlauf der Partner weitge-
hend auf den verbleibenden Unterschied – das Implantat – zurückgeführt werden kann. Beim Kriterium Frakturklassifikation mussten Frakturtyp und Frakturgruppe (nach AO) exakt übereinstimmen (Abb. 3, 4). Der Weichteilschaden (klassifiziert nach Tscherne u. Oestern) wurde in 2 Bereiche unterteilt: 1. leichtere (geschlossen Grad 0–2 und offen Grad 1) und 2. schwerere Verletzungen (geschlossen Grad 3 und offen Grad 2–3). Partner mussten jeweils beide dem Bereich 1 oder 2 angehören. Wegen der anhaltenden Kritik an bestehenden Scoresystemen [10, 11] wurde die Bereichbildung beim Kriterium Begleitverletzung den Bedürfnissen entsprechend vereinfacht. Bereich 1: solitäre Unterarmfraktur (+evtl. Bagatellverletzung), 2: Mehrfachverletzungen geringfügiger als Polytrauma, 3: Polytrauma ohne SHT >Grad 1, 4: Polytrauma mit SHT >Grad 1. Partner mussten beide dem gleichen Bereich angehören. Zuletzt wurde den Patienten, die jünger als 20 oder älter als 50 Jahre waren, aus biologischen Gründen Partner zugeordnet, die sich im Alter ±5 Jahre unterschieden. Patienten, die zwischen 20 und 50 Jahre alt waren, wurden Partner mit einem Altersunterschied ±10 Jahre zugeordnet. Standen nach Anwendung dieser Kriterien mehrere DCPartner zur Verfügung, wurden nachrangig nach Geschlecht und kleinerem Altersunterschied selektiert.
Abb.1a,b PC-Fix: deutlich zu erkennen sind die Unterfräsungen sowie das punktförmige Aufliegen. Die Schrauben sind über einen Konus in der Platte verankert
122 |
Der Unfallchirurg 2•2002
Abb.2a,b Die monokortikalen Schrauben des PC-Fix wirken wie Pins, die Platte wird nicht aufgepresst. Bei der konventionellen Platte erfolgt die Kraftübertragung durch Reibung und ist abhängig vom Anpressdruck der Platte auf den Knochen
Durch dieses Verfahren konnten anhand der 16 möglichen Matching-Kriterien 64 einander weitgehend gleichende Patientenpaare gebildet werden. Für alle 128 Patienten wurde nun der Heilverlauf über 18 Monate nach der Implantation dokumentiert. Die überwiegende Mehrheit der Patienten wurde in der eigenen Einrichtung nachbetreut, sodass die Daten vollständig vorhanden waren. Fehlende Verlaufsdaten bezüglich der Langzeitbeobachtung wurden durch Nachuntersuchungen, Fremdgutachten und Telefoninterviews ergänzt. Für den Beobachtungszeitraum von 18 Monaten betrug das Follow-up 100%.
Patientendaten Die Verteilung der Frakturklassifikation ergab: A1: 4 (6,3%), A2: 5 (7,8%), A3: 13 (20,3%), B1: 8 (12,5%), B2: 4 (6,3%), B3: 30 (46,9%) Patienten pro Gruppe. Frakturen des Typs C kamen zwar vor, konnten jedoch keinen Partner finden. Beim Kriterium Weichteilschaden konnten jeweils 61 Patienten (95,3%) dem Bereich 1 und 3 (4,7%) dem Bereich 2 zugeordnet werden. 51 Patienten (79,7%) erlitten keine oder nur leichte Zusatzverletzungen. In jeder Gruppe fanden sich weiterhin 3 mehrfachverletzte (9,4%), 3 polytraumatisierte Patienten (9,4%) und jeweils ein polytraumatisierter Patient mit einem SHT >Grad 1. Die Patienten der PC-FixGruppe waren zum Operationszeitpunkt im Durchschnitt 24,3 (10–69 Jahre), die der DC-Gruppe durchschnittlich 24,2 Jahre (5–73 Jahre) alt. Der Anteil weiblicher Patienten betrug in der PC-Fix-Gruppe 26,6%, in der DC-Gruppe 17,2%. In der PC-Fix-Gruppe kam es insgesamt zu 14 (21,9%), in der DC-Gruppe zu 17 (26,6%) offenen Frakturen.
Die Mehrzahl der PC-Fix-Implantationen (43 Patienten [67,2%]) wurde vom Chefarzt oder einem Oberarzt vorgenommen. Demgegenüber wurden lediglich 25 (39,1%) der DC-Patienten von einem Chirurgen dieser Dienststellung operiert. Bei allen Operationen, die von einem Assistenzarzt vorgenommen wurden, erfolgte die Operationsassistenz durch einen Oberarzt. Bei 14 PC-Fix-Patienten (21,9%) kamen zusätzlich zum Implantat interfragmentäre Zugschrauben zum Einsatz, vs. 17 DC-Patienten (26,6%). Die Verwendung eines Plattenspanners erfolgte in beim PC-Fix in 39 (60,9%), unter Einsatz der DC-Platten in 54 Fällen (84,4%). Eine perioperative Single-shot-Antibiose erfolgte in der Gruppe mit PC-Fix 19-mal (29,7%) und in der mit DC-Platten 20-mal (31,3%), in erster Linie bei offenen Frakturen oder Mehrfachverletzten. Die überwiegende Mehrzahl von 55 mit PC-Fix (85,9%) und 57 (89,1%) mit DC-Platten behandelter Patienten wurden bei übungsstabiler Versorgung und ohne limitierende Begleitverletzungen funktionell nachbehandelt.
Endpunktauswertung (Komplikationen) Als Komplikationen wurden für diese Studie festgelegt: implantationsbedingter Nervenschaden, Infektion, Implantatversagen, verzögerte Heilung/ Pseudarthrose, sekundäre – auf die Osteosynthese zurückführbare – Bewegungseinschränkung und die radioulnare Synostose. Lagen eine oder mehrere Komplikationen bei einem Patienten vor, wurde dies als ein „Ereignis“ gewertet. Dieses Ereignis ging in die paarweise Auswertung ein. Als Infekt wurde jede Revision mit einem positiven Keimnachweis gewer-
tet. Als Implantatversager wurden Osteosynthesen betrachtet, die vor Ablauf der 20. postoperativen Woche radiologische Auslockerungszeichen zeigten, sodass aus diesem Grunde eine Reoperation notwendig wurde. Konnte im Verlauf bis zur 20. postoperativen Woche keinen knöcherne Konsolidierung der Fraktur festgestellt werden, so wurde dies als verzögerte Frakturheilung gewertet. Erfolgte bis zur 24. postoperativen Woche keine Ausheilung handelte es sich nach der Definition um eine Pseudarthrose. Lagen Bewegungseinschränkungen von mehr als 20° für die Extension/Flexion im Ellbogengelenk, bzw. Pronation/Suppination oder Extension/Flexion im Handgelenk gegenüber der unverletzten Seite vor, wurden sie ebenfalls als Komplikation betrachtet (Ausnahme: Synostosen und nerval bedingte Bewegungseinschränkungen).
Ergebnisse In der PC-Fix-Gruppe konnte bei 56 Patienten (87,5%) ein unkomplizierter Heilverlauf nach obigen Kriterien innerhalb des 18-Monats-Zeitraum beobachtet werden. Drei Patienten mehr aus der DC-Gruppe (59=92,2%) hatten einen entsprechenden Verlauf. In der PC-Fix-Gruppe traten 10 und in der DC-Gruppe 7 Komplikationen auf, wobei es sich um 17 Komplikationen bei 13 Patienten handelte. Nachdem eine oder mehrere Komplikationen bei einem Patienten als ein Ereignis gezählt wurden, ergab sich als Ergebnis: 8 Ereignisse in der PC-Fix-Gruppe vs. 5 Ereignisse in der DC-Gruppe.Alle Partner der 13 Patienten, bei denen Ereignisse festgestellt wurden, blieben ihrerseits ereignisfrei, sodass der McNemar-Test einen p-Wert von 0,5811 für die 2-seitige AlterDer Unfallchirurg 2•2003
| 123
Originalien
Abb.3a–c Galeazziverletzung mit 7-Loch-PC-Fix versorgt, Der Frakturspalt ist bereits nach 6 Wochen nicht mehr zu erkennen
native ergibt. Somit konnten keine signifikanten Unterschiede in der Ereignishäufigkeit festgestellt werden. Einer Reosteosynthese mussten sich 12 der 13 Patienten unterziehen.
Implantationsbedingte Nervenschäden. Kein Patient erlitt einen implantationsbedingten Nervenschaden.
Verzögerte Frakturheilung und/oder Pseudarthrose. Bei einem Patienten mit Osteosynthese durch einen PC-Fix (1,6%) kam es zu einer verzögerten Frakturheilung, verbunden mit einer Reosteosynthese. In der DC-Gruppe trat kein solcher Verlauf auf. Pseudarthrosen wurden in der PCFix-Gruppe bei 4 (6,3%), in der DCGruppe bei 2 Patienten (3,1%) festgestellt.
Infektionen. In der PC-Fix-Gruppe traten 2 Infektionen auf (3,1%), in der DCGruppe eine (1,6%).
Implantatversagen. In der Gruppe der PC-Fix-Patienten gab es 3 Fälle von Implantatversagern (4,7%) – genau so viele, wie in der DC-Gruppe.
124 |
Der Unfallchirurg 2•2002
Bewegungseinschränkung. Bewegungseinschränkungen von mehr als 20° blieben bei keinem der Patienten zurück – ausgenommen diejenigen Patienten, bei denen eine primäre Nervenschädigung die Bewegung limitierte, oder die unter Synostosen geführt werden.
Synostosen. Lediglich in der DC-Gruppe wurde ein Fall einer radioulnaren Synostose beobachtet (1,6%).
Diskussion Ein direkter Vergleich eigener Patientenkollektive ist ein selten begangener Weg zur Analyse des Einflusses verschiedener Implantate auf die Ausheilungsergebnisse von Unterarmfrakturen. Durch gleiche Behandlungs- und Beobachtungsbedingungen ergibt sich eine Methodik, die direkt vergleichbar ist. Bei Ausschaltung von Risikofaktoren durch die Matched-Pair-Technik kommt dem Ergebnis einer retrospektiven Follow-up-Studie ein hoher ätio-
Abb.4a,b Offene B1-Fraktur des Unterarms, primär mit 8-LochPC-Fix versorgt. Implantatversagen mit Schrauben und Plattendislokation nach 8 Wochen. Die Nachbehandlung erfolgte frühfunktionell unter Freigabe des Unterarms zur Bewegung und ergänzender Physiotherapie. Es erfolgte nach Feststellung des Implantatversagens die Reosteosynthese mit einer gespannten LCDCP und zusätzlicher Spongiosaanlagerung. Hierdurch konnte die Fraktur zur Ausheilung gebracht werden
logischer Wert zu, da „Confounder“ keinen Einfluss auf das Ergebnis nehmen können. Sie kommen in beiden gematchten Partnern zugleich vor [12]. Das Ausheilungsergebnis ist somit vergleichbar und auf die jeweilige Behandlungsmethode zurückzuführen. Der Vergleich der Ereignisraten dieser Studie mit denen historischer Kontrollen ist nicht möglich. Zum einen handelt es sich bei den beobachteten Patientengruppen um ausgewählte Stichproben, zum anderen existieren unter den Autoren historischer Studien sehr unterschiedliche Vorstellungen zur Komplikationswertung. In der vorliegenden Studie wurden vergleichsweise viele Komplikationsmöglichkeiten erfasst und eng definiert. Da sich die 17 Komplikationen bei 13 von 128 Patienten ereigneten, ergibt sich einen Ereignisrate von 10,2%. Das Auftreten von nur 5 Ereignissen in der DC-Gruppe (7,8%) gegenüber 8 in der PC-Fix-Gruppe (12,5%) lässt zunächst Nachteile des PC-Fix vermuten. Die Signifikanzprüfung (p=0,58) lässt diesen Schluss jedoch nicht zu. Ein Nachteil der rigide gefassten Kriterien bei der Zuordnung der Partner nach der Matched-Pair-Technik ist eine Unterrepräsentanz von selteneren Frakturklassifikationen. Gerade bei den
C-Frakturen ließen sich keine Paare bilden, sodass diese Gruppe in der statistischen Aufarbeitung nicht repräsentiert ist. Aber gerade bei den komplexen Frakturen, meist mit begleitendem Weichteilschaden, ist die Komplikationsrate erhöht. Die interessante Fragestellung, ob ein Implantat das der Biologie des Knochens vermeintlich besser gerecht wird, bei schwereren Verletzungen auch tatsächlich zu besseren Ergebnissen führt, kann daher nicht beantwortet werden. Nach der klinischen Einführung des „Point Contact Fixators“ wurde zu-
nächst eine Lernkurve durchschritten. Da die Schrauben sich in der Platte verklemmen, fehlt dem Operateur die sensitive Kontrolle über die Festigkeit der Schraube im Knochen. Bei nicht korrekter Plattenlage spürt er nicht, dass die monokortikalen Schrauben transkortikal laufen und damit keinen sicheren Halt im Knochen finden. Für eine sichere Verankerung der Schraube im Knochen ist eine exakte Bohrrichtung senkrecht zur Kortikalis erforderlich. Dies drückt sich im zeitlichen Verlauf des Auftretens von Komplikationen in der PC-Fix-Gruppe aus. In den ersten Jahren der Implantation wurde eine relative Häufung der Komplikationsfälle beobachtet. Mittlerweile wurde das Design, der jetzt auch kommerziell erhältlichen Platten, grundlegend verändert. Die Verbindung zwischen Platte und Schraube erfolgt jetzt nicht mehr über einen Konus sondern über ein Gewinde zwischen Platte und Schraubenkopf. Damit ist das Problem einer Auslockerung der Schraube aus der Platte völlig eliminiert. Seit der Einführung der neuen Plattengeneration wurde dieses Problem in keinem Fall beobachtet (Abb. 5).
Implantationsbedingte Nervenschäden. Erfreulicherweise trat diese Komplikation nicht auf. Auch beim PC-Fix werden die bestehenden Standardzugänge angewendet.
Infektionen. Es kam zu 2 Infekten in der PC-Fix-Gruppe. Obwohl das Konzept dieses Implantats durch die verbesserte Knochendurchblutung gerade auch auf das Zurückdrängen dieser Komplikationsmöglichkeit ausgelegt ist. Bei der ge-
Abb.5 LCP (Locked compression plate) Plattenimplantat der neuesten Generation. Es ist zu beachten, dass die winkelstabile Schraube mit einem Gewinde in der Platte verankert wird. Durch das Kombiloch kann aber auch eine konventionelle Schraube eingebracht werden Der Unfallchirurg 2•2003
| 125
Originalien ringen Ereigniszahl insgesamt, kann jedoch kein Vorteil für eines der beiden Implantate gesehen werden.
gleich mit einer historischen Kontrolle kaum gegeben sind.
Synostosen. Individuelle Gegebenheiten Implantatversagen. Generell verfolgt unsere Klinik ein frühzeitiges operatives Vorgehen, falls Zweifel an einer zeitgerechten knöchernen Heilung bestehen. Gerade die Aufnahme dieser Komplikation in die Wertung ist wichtig, denn die Reosteosynthese – oder die Anlage von Knochenspongiosa – sind mit einem wiederholten operativen Eingriff mit allen Komplikationsmöglichkeiten verbunden, selbst wenn sich im Anschluss ein problemloser Heilverlauf ergibt. Implantatversager weisen auf Probleme bei der Implantation oder Fixation im Knochen hin. Bei jeweils 3 Patienten jeder Gruppe musste vor Ablauf der 20. postoperativen Woche eine Reosteosynthese vorgenommen werden, da es zu einer Lockerung des Osteosynthesematerials kam.Die Lockerung des PC-Fix bei 3 Patienten zeigte sich ursächlich aufgrund einer nicht korrekten primären Implantation mit einer parakortikalen Schraubenlage.
Verzögerte Heilung und/oder Pseudarthrosen. Zwischen Ablauf der 20.und 24.postoperativen Woche kam es lediglich bei einem PC-Fix-Patienten (1,6%) zu einer Reverplattung wegen instabiler Verhältnisse. Bei 4 Patienten aus der PC-Fix- (6,3%) und 2 Patienten aus der DC-Gruppe (3,1%) kam es auch nach Ablauf der 24. postoperativen Woche nicht zu einer Frakturkonsolidierung.Anders als bei den Implantatversagern ist eine überwiegende Ursache für die verzögerte Heilung und die Pseudarthrosen nicht zu erkennen. Bei einem Patienten aus der DCGruppe wird erkennbar, wie sich der mit 24 Wochen postoperativ eng gefasste Zeitraum für die Diagnose einer Pseudarthrose auswirkt: 25 Wochen nach der Operation war im Röntgenbild noch ein Frakturspalt zu erkennen. 32 Wochen postoperativ war die Fraktur verheilt und der weitere Verlauf gestaltete sich ohne Intervention erfolgreich. Bei einer Wertung als Pseudarthrose bei ausbleibender Konsolidierung 6 Monate nach der Osteosynthese [13] wäre bei diesem Patient wahrscheinlich keine Komplikationswertung erfolgt, bei gänzlichem Verzicht auf einen bestimmten Zeitraum sicherlich nicht [3]. Hier wird die Wichtigkeit einheitlicher Bewertungskriterien deutlich, die beim Ver-
126 |
Der Unfallchirurg 2•2002
müssen beim einzigen Fall einer radioulnaren Synostose postuliert werden (der Patient war mit einer DCP versorgt worden). Auch in der Literatur wird nur selten von Synostosen berichtet [13].
Schlussfolgerungen Aus der Analyse der Ereignisdaten lässt sich schliessen, dass die Auslockerung von Plattenschrauben bei Verwendung von PC-Fix-Implantaten häufig verantwortlich für das Auftreten von Komplikationen war. Bedingung für eine korrekte Osteosynthese mit dem PC-Fix ist die exakte Auflage des Fixators auf den Knochen. Bei den selbstschneidenden Schrauben kann es insbesondere bei jungen Patienten mit starker Kortikalis zu einem „Verstopfen“ der Nut im Schraubengewinde kommen. Nachfolgend kommt es zu keinem exakten Schneidevorgang, woraus eine extrem geminderte Ausreissfestigkeit resultiert. In diesem Punkt muss die Anwenderfreundlichkeit weiter verbessert werden. Abschliessend lässt sich feststellen, dass nach Durchführung dieser Studie weder ein Vorteil noch ein Nachteil des PC-Fix gegenüber den konventionellen DC-Platten zu erkennen ist.Auch konnte gezeigt werden, dass bei einer großen Anzahl von Patienten einer Klinik vergleichbar gute Ergebnisse mit 2 konzeptionell unterschiedlichen Implantaten zu erzielen waren. Es muss abgewartet werden, welche Ergebnisse mit den neuen, sich bereits in klinischer Erprobung befindlichen Implantaten mit einer Kombination aus winkelstabiler und konventioneller Verankerungsmöglichkeit (LCP) erreicht werden. Diese stellen bei verändertem Design eine Kombination aus DC-Platte und PC-Fix dar. Das Prinzip des PC-Fix überzeugt, doch sind die Komplikationsraten bei der Versorgung von Unterarmschaftfrakturen mit den etablierten DC-Platten bereits sehr gering. Ein statistisch signifikanter Vorteil neuer Implantate wird sich für diese Frakturregion nur sehr schwer erzielen lassen.Vielmehr ist es Ziel die Vorteile der winkelstabilen Osteosynthese –wie beim PC-Fix – in einem universell einsetzbaren Implantat zu verwenden.
Literatur 1. Heim U (1992) Vorderarmschaft.In: Müller ME, Allgöwer M, Schneider R,Willenegger H (Hrsg): Manual der Osteosynthese.3.Auflage Springer, Berlin Heidelberg New York, S.466–467 2. Moed BR, Kellam JF, Foster FJ,Tile M, Hansen ST (1986) Immediate internal fixation of open fractures of the diaphysis of the forearm. J Bone Joint Surg 68-A: 1008–1017 3. Grace TG, Eversmann WW (1980) Forearm fracture.J Bone Joint Surg 62-A: 433–438 4. Chapman MW, Gordon JE, Zissimos AG (1989) Compression-plate fixation of acute fractures of the diaphysis of the radius and ulna. J Bone Joint Surg 71-A: 159–169 5. Anderson LD, Sisk D,Tooms RE, Park WI (1975) Compression-plate fixation of acute diaphyseal fractures of the radius and ulna. J Bone Joint Surg 57-A: 287–297 6. Perren SM, Cordey J, Rahn BA, Gautier E, Schneider E (1988) Early temporary porosis of bone induced by internal fixation implants: a reaction to necrosis, not to stress protection? Clin Orthop 232: 139–151 7. Perren SM, Buchanan JS (1995) Basic concepts relevant to the design and development of the Point Contact Fixator (PC-Fix).Injury 26: 1–4 8. Grützner P,Winkler H,Wentzensen A (1997) Neue Aspekte und Entwicklungen der Plattenosteosynthese: Point Contact Fixator – PC-Fix – Indikation – Technik – Erfahrungen. OPJournal 3: 332–338 9. Van Frank Haasnoot E, Münch TWH, Matter P, Peren SM (1995) Radiological sequences of healing in internal plates and splints of different contact surface to bone (DCP, LC-DCP and PC-Fix).Injury 26: 28–36 10. Ruthledge R (1996) The Injury Severity Score is unable to differentiate between poor care and severe injury.J Trauma 40: 944–950 11. Oestern HJ, Kabus K (1997) Klassifikation Schwer- und Mehrfachverletzter – was hat sich bewährt? Chirurg 68: 1059–1065 12 Kreienbrock L, Schach S (1997) Planung epidemiologischer Studien.In: Kreienbrock L, Schach S (Hrsg.) Epidemiologische Methoden. 2.Auflage Fischer, Stuttgart Jena, S.139–184 13. Hertel R, Pisan M, Lambert S, Ballmer FT (1996) Plate osteosynthesis of diaphyseal fractures of the radius and ulna.Injury 27: 545–548